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Nachhaltigkeitsberatung für Jungunternehmen Abschlussbericht des Förderprojekts mit Praxisbeispielen, Analyse und Theorie des Beratungsansatzes

Nachhaltigkeitsberatung für Jungunternehmen · In Teil III folgt ein Ausblick mit Überlegungen zur Fortführung der Initiative. Beratungsansatz Mithilfe von verantwortungsvollen

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Nachhaltigkeitsberatung für JungunternehmenAbschlussbericht des Förderprojekts mit Praxisbeispielen, Analyse und Theorie des Beratungsansatzes

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Vorwort

Peter Kowalsky und Jürgen Schmidt haben es erfolgreich vorgemacht: Eine verantwortungsbewusste und nachhal-tige Unternehmensführung ist nicht nur im Sinne des Gemeinwohls, sondern trägt auch zum unternehmerischen Erfolg bei. Jetzt gehen die „Ökomanager“ neue Wege. Gemeinsam mit der Mediengruppe macondo und dem Institut für Nachhaltigkeitsmanagement (IfNM) unterstützen sie junge Unternehmen als „Sustainable Business Angels“.

Innovative Ideen und verantwortungsbewusstes Unternehmertum sind wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft. Doch viel zu oft scheitern Unternehmensgründer_innen mit ihren guten Ideen schon früh. Es fehlt an Geld und unternehmerischem Know-how, bürokratische Hürden kosten Zeit und Nerven und oft fehlt ein Netzwerk, das bei Schwierigkeiten schnell und effektiv hilft. Die Folge ist eine relativ hohe Anzahl von Insolvenzen in den ersten Geschäftsjahren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass ökologische und sozi-ale Aspekte bei Unternehmensgründungen noch viel zu selten in die Geschäftsprozesse integriert werden, obwohl gerade die Gründungsphase hierfür sehr große Gestaltungsspielräume bietet.

An diesem Punkt setzt die Initiative „Sustainable Business Angels“ an. Denn Erfahrungen zeigen, dass eine profes-sionelle Beratung und Unterstützung durch erfahrene Unternehmer und Unternehmerinnen die Erfolgsaussichten von Existenzgründungen deutlich verbessern kann. Ziel der Initiative ist daher eine qualifizierte Begleitung junger Unternehmen, die Vermittlung von wichtigen Geschäftskontakten und die Überprüfung des Businessplans auf öko-nomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit.

Das Projekt ist Teil des ESF-Förderprogramms „CSR – Gesellschaftliche Verantwortung im Mittelstand“ und wird gefördert vom Europäischen Sozialfonds (ESF) sowie vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

Der vorliegende Bericht dokumentiert und evaluiert unsere Arbeit im Zeitraum Dezember 2011 bis November 2014.

Münster, den 10.12.2014

Dr. Elmer Lenzen Projektleiter

Impressum

Herausgeber:Sustainable Business Angels Initiative Verwaltung: c/o Rhoen Campus eG iG Burgstraße 50 97645 Ostheim

Geschäftsstelle: Mediengruppe macondo Dahlweg 87 48153 Münster

Tel. 0251-200782-0 E-Mail: [email protected] Web: www.sba-initiative.de

Realisierung: albertusDESIGN, Münster

Fotos: Titelbild: Olivier Le Moal / Fotolia.com, Genusshandwerker (S. 13, 15), Emils (S. 17, 18), Upcycling Fashion (S. 22, 23), Das Geld hängt an den Bäumen / Jens Boldt (S. 26, 28), Marion Lenzen (S. 30, 33, 96 -98), Mediengruppe macondo (S. 92 - 95)

Der Druck erfolgte klimaneutral und FSC-zertifiziert.

© Ostheim / Münster 2014

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Abschlussbericht 2014

Inhalt

6 Zusammenfassung (Executive Summary)

8 Einleitung

11 TeilI:PraxisphaseundGuidance 12 Portraits & Interviews

Die Genusshandwerker

16 Emils Feinkost

21 aluc Upcycling Fashion Berlin

25 Das Geld hängt an den Bäumen

29 Assessment

30 Die Sustainable Business Angels der gesamten Praxisphase

34 Expertenteam für SWOT-Analysen und Projektmanagement

36 Selbsteinschätzung: Die Genusshandwerker

38 Ergebnisse der SWOT-Analyse: Die Genusshandwerker

40 Selbsteinschätzung: Emils Feinkost

41 Ergebnisse der SWOT-Analyse: Emils Feinkost

43 Exemplarische Protokollauszüge der Betreuungsphase

46 Lehren und Anpassungen aus Sicht des Jungunternehmens „Das Geld hängt an den Bäumen“

53 TeilII:TheorieundGuidelines 54 Projekthintergrund

55 Nachhaltigkeit für Jungunternehmen

56 Guidelines

56 Entwicklung von CSR Guidelines für junge Unternehmen

60 Guidelines im Online-Tool „YES“

63 Evaluation

81 TeilIII:ÜberdieSustainableBusinessAngels Initiative 82 Netzwerkpartner

83 Berater

84 Öffentlichkeitsarbeit

Presseschau

92 Konferenzen

Auftakt-Pressekonferenz in Frankfurt

94 SBA-Teilnahme an der KarmaKonsum

96 YES präsentiert sich auf der deGUT in Berlin

99 Projektfinanzierung

100 Ausblick

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Abschlussbericht 2014

Auszeichnungen

Im Jahr 2013 wurde die Initiative als „Werkstatt N Impuls“ des Rates für Nachhaltige Entwicklung und als Projekt der Weltdekade „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ ausgezeichnet.

Zusammenfassung(ExecutiveSummary)

Innovative Ideen und verantwortungsvolles Unternehmertum sind notwendige Richtungsweiser auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft. Die Sustainable Business Angels (SBAs) haben es sich zur Aufgabe gemacht, junge Gründer_innen bei der Umsetzung ihrer nachhaltigen Geschäftsideen zu unterstützen und zu begleiten, damit sie erfolgreich am Markt bestehen können. Im Rahmen dieses Förderprojekts haben die SBAs in einmaliger Weise Start-up-Beratungen und Nachhaltigkeitsmanagement verbunden, Netzwerke verfügbar gemacht und Ideenreichtum gefördert. Erstmalig wurden dazu mit wissenschaftlichen Experten Leitlinien für eine qualifizierte Beratung entwickelt. Daraus ist außerdem ein Online-Self-Assessment entstanden, das jungen Unter-nehmen hilft, frühzeitig eine Corporate Social Responsibility-Strategie zu entwickeln und umzusetzen.

Nachhaltigkeit für Jungunternehmen

Mittlerweile ist anerkannt, dass nachhaltiges Wirtschaften und CSR keine Marketinginstrumente sind, sondern direkte Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und den ökonomischen bzw. fachlichen Erfolg von Unternehmen haben. Folglich werden CSR-Strategien zunehmend im direkten Zusammenhang mit den jeweiligen Geschäftsmo-dellen gesehen und Strukturen geschaffen, um die ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen des eigenen Handelns gleichermaßen zu berücksichtigen.

Bisherige Bewertungsverfahren greifen für Unternehmen in der Anfangsphase allerdings zu kurz, da sie Einschät-zungen auf der Basis bereits verfügbarer Firmendaten vornehmen. Oftmals zielen sie darauf ab, die bisherigen Bemühungen von Firmen in einem bestimmten Segment auszuwerten und in einen branchenspezifischen Kontext zu stellen. Um ein Unternehmen aber schon zu Beginn zu bewerten, muss gerade auch die Nachhaltigkeit der Geschäftsidee und seiner Struktur an sich überprüft werden.

Der stetige Abgleich zwischen Theorie und Praxis sichert dabei nicht nur die Qualität der Betreuung durch die SBAs, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung qualifizierter Regeln für den Umgang mit CSR in Jungunternehmen.

Finanzierung

Das Projekt der Initiative wurde von Dezember 2011 bis November 2014 getragen von der Rhoen Campus eG, der memo AG, der Mediengruppe macondo und dem Institut für Nachhaltigkeitsmanagement. Förderpartner waren das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und der Europäische Sozialfonds (ESF).

Gesamtprojekt Interventionssatz

> Gesamtausgaben: 273.450,89 > Eigenmittel: 56.142,82 (20,5 %) > Bundesmittel: 39.564,99 (14,5 %) > Mittel des ESF: 177.743,08 (65 %)

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Abschlussbericht 2014

Einleitung

Es ist ein hochgestecktes Ziel, einerseits erfolgreich in die unternehmerische Welt einzusteigen und gleichzeitig die gesellschaftlichen Herausforderungen von Verantwortung, Nachhaltigkeit und sozialem Engagement zu meistern. Wer diese Herausforderungen annimmt, merkt jedoch schnell, dass die Mühen sich vielfach auszahlen. Ein positiver ökonomischer und strategischer Einfluss auf das Kerngeschäft der Unternehmen selbst sowie positive Impulse für die gesamte Gesellschaft gelten als erwiesen.

Insbesondere junge Gründer_innen stellen den gesellschaftlichen Mehrwert immer häufiger ins Zentrum ihrer Geschäftsidee und gehen besonders bewusst mit Arbeitsbedingungen, Wertschöpfung, Abfallproduktion und CO2-Verbrauch um. Nicht selten ist dies mit einer Kritik am konventionellen Wirtschaften verbunden.

Damit das Unternehmen bei solch hochgesteckten Zielen dennoch ökonomisch bestehen kann, bedarf es umfas-sender Kenntnisse der Marktsituation und eines starken Netzwerkes. Ein Großteil der Start-ups verfügt noch nicht über diese Kenntnisse, da sie hauptsächlich aus unternehmerischer Erfahrung gewonnen werden. So passiert es schnell, dass wichtige strategische Überlegungen und wirtschaftliche Faktoren in den Hintergrund rücken, das Unternehmen sich nicht halten kann und eine gute, nachhaltige Idee nicht lange auf dem Markt Bestand hat. Kon-ventionelle Beratungen helfen meist nur bedingt weiter, da sie entweder auf Erfahrungswerten des Unternehmens aufbauen oder nicht auf nachhaltige Unternehmensprofile spezialisiert sind.

Die Sustainable Business Angels haben es sich mit ihrem Projekt zur Aufgabe gemacht, die Lücke zu schließen, die zwischen Start-up-Beratung und Corporate Social Responsibility-Beratungen (CSR-Beratungen) für bereits etablierte Unternehmen besteht. Zur Gründung ihrer Initiative motivierte sie vor allem das Wissen um die Her-ausforderungen nachhaltiger Unternehmensführung und die lohnenswerten positiven Effekte auf Wirtschaft und Gesellschaft, die daraus erwachsen – insbesondere, wenn sie mit dem Innovationspotenzial junger Gründungen zusammenfallen. Im Rahmen des ESF-Projekts hat die Initiative beispielhafte Unterstützung für nachhaltige Unter-nehmensführung geleistet und für die Zukunft verfügbar gemacht.

Im Projektzeitraum von Dezember 2011 bis November 2014 wurden vier Jungunternehmen mit nachhaltiger Aus-richtung von den SBAs beraten und begleitet. In Zusammenarbeit mit unabhängigen Experten wurden Richtlinien entwickelt, die zur erfolgreichen verantwortungsvollen Unternehmensführung anleiten sollen. Damit die Ergebnisse für die Unternehmenswelt dauerhaft verfügbar sind, bieten die SBAs ihre Arbeit auch nach Abschluss des Projekt-zeitraums weiterhin ehrenamtlich an. Außerdem wurde ein kostenloses Online-Tool von der Initiative bereitgestellt, das die entwickelten Richtlinien in ein „Young Entrepreneurial Self-Assessment“ (YES) eingebunden hat. Damit ist ein einmaliges Tool entstanden, das Unternehmen eine effiziente und bedienungsfreundliche Analyse ihres Nach-haltigkeitsmanagements ermöglicht und ihnen so hilft, ein solides Fundament für die erfolgreiche Gründung zu bilden. Auch für bestehende Unternehmen bietet das Tool ein wertvolles Instrument für die Implementierung von CSR und Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie.

Der Abschlussbericht der SBA-Initiative liefert in TeilI einen Überblick über die durchgeführten Beratungen mit Beispielen aus der Praxis. Hier werden zunächst die Unternehmensprofile dargestellt. Interviews mit den Geschäfts-führer_innen liefern persönliche Einblicke in die unternehmerische Praxis der Start-ups. SWOT-Analysen und ein exemplarisches Beratungsgespräch komplettieren den Praxisteil. So lässt sich unter dem Stichwort „Guidance“ der Beratungsansatz in seiner Anwendung nachvollziehen. Die Guidance stellt einen der beiden Pfeiler in der Bera-tungsstrategie der SBA-Initiative dar.

In TeilII werden die wissenschaftlichen Grundlagen und Besonderheiten dieser Strategie dargestellt. Da aus den Beratungen auch Kriterien für deren Weiterentwicklung erwachsen sind, müssen Praxisteil und Theorieteil immer wieder abgeglichen werden. Ein Ergebnis dieses hermeneutischen Verfahrens war die Entwicklung der „Guideli-nes”, dem zweiten Pfeiler der Beratungsstrategie und Teilziel des SBA-Projekts. Die theoretische Grundlage der Guidelines und ihr Nutzwert werden umfassend dargestellt und auf Praxistauglichkeit bewertet. Ihre Einbindung in das kostenlose Online-Tool „YES” von der SBA-Initiative ermöglicht eine breite Nutzung für alle Jungunterneh-mer_innen. Wie Veranstaltungen und Medienpräsenz dazu beigetragen haben, das Tool und die Initiative bekannt zu machen, wird im Anhang dargestellt.

In TeilIII folgt ein Ausblick mit Überlegungen zur Fortführung der Initiative.

Beratungsansatz

Mithilfe von verantwortungsvollen Unternehmern der ersten Stunde begleitet die Initiative junge Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Gleichzeitig sollen Guidelines entwickelt werden, die es allen Jungunterneh-mer_innen ermöglichen, ihr Geschäftsmodell zu überprüfen und Corporate Social Responsibility in allen Prozessen zu verankern.

Guidance> Betreuung von Jungunternehmen durch Sustainable Business Angels

> Regelmäßiger Abgleich mit Kernkriterien

> Präsentation des Projekts in der Öffentlichkeit

> Fernziel: Etablierung einer Sustainable Business Angels-Kultur

> Entwicklung von Kernkriterien zur Bewertung von Jungunternehmen

> Einbeziehung externer Stakeholder

> Fernziel: Präsentation eines Fragen- kataloges für Kreditinstitute und andere Stakeholder zur Bewertung von Nachhal- tigkeit bei Firmengründungen

Guidelines

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Abschlussbericht 2014

TeilIPraxisphaseundGuidanceDie Sustainable Business Angels haben im Projektzeitraum vier junge Unternehmer_innen während der ersten Jahre ihres Bestehens in Nachhaltigkeitsfragen unterstützt. Dazu zählte die Überprüfung des Businessplans auf ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit und die Nutzung bestehender Management-Netzwerke.

Zur Vorstellung der Unternehmen (1.) werden die Unternehmensportraits um Interviews mit den Geschäftsführen-den ergänzt. So sind persönliche Einblicke in die Besonderheiten der Geschäftsideen und Unternehmerpersönlich-keiten möglich. Um den Beratungsansatz der SBAs, das Assessment (2.), nachzuvollziehen, sind exemplarisch zwei SWOT-Analysen dargestellt, die die Grundlage für die Beratungen gebildet haben. Dazu haben die Experten der SBA-Initiative Selbsteinschätzungen der Jungunternehmen ausgewertet und mit konkreten Daten aus der SWOT-Analyse abgeglichen, um auf die besonderen Herausforderungen, Chancen und Wünsche der Geschäftsführer_in-nen eingehen zu können. Daraus haben sie individuelle Beratungsverläufe geplant, deren Verlauf exemplarisch an einem Beratungsgespräch dargestellt wird.

Vorbemerkung zum Konzept der Guidance

In einem der ersten Projektschritte wurden die Möglichkeiten von nachhaltigen Jungfirmen in der Praxis getestet. Dabei boten anerkannte Manager jungen Unternehmer_innen die Chance, von ihrem Fachwissen, ihren Netzwer-ken und auch von ihren speziellen Kenntnissen rund um das Thema CSR zu profitieren. In einem dreimonatigen Auswahlverfahren wurden junge Unternehmen gesucht, welche verschiedene Grundkriterien erfüllen mussten:

1. Eine patentierbare Idee oder ein besonders innovatives Geschäftsmodell

2. Die Ausrichtung des zukünftigen Unternehmens soll nicht nur Erfolg versprechend sein, sondern im besonderen Maße die Nachhaltigkeit des Produkts oder der Leistung berücksichtigen und forcieren.

3. Jungunternehmer_innen und Sustainable Business Angels müssen sich eine Kooperation über mindestens zwölf Monate vorstellen können.

Die endgültige Auswahl der Unternehmen orientierte sich dabei an den Prinzipien des Global Compacts, den Principles for Responsible Investment und der Expertenmeinung der Projektpartner. Mit Peter Kowalsky, Michael Radau, Jürgen Schmidt und Ulrich Walter wurden vier ausgewiesene Experten als Sustainable Business Angels gewonnen. Sie begleiteten die Jungunternehmer_innen nach der Auswahl, haben ihr Know-how bereitgestellt und Ansprechpartner vermittelt. Ein stetiger Austausch mit den Vertreter_innen der zweiten Säule (Guidelines, s. u.) wurde dabei über den Stakeholderdialog gewährleistet.

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Abschlussbericht 2014

Portraits&Interviews

DieGenusshandwerker

Portrait

Die Genusshandwerker beliefern Hobbyköche in Deutschland wöchentlich mit hochwertigen, nachhaltig produzier-ten Kochzutaten. Diese haben eine Frische und Qualität, die so kaum im Lebensmitteleinzel- und -fachhandel zu bekommen ist. Dies gelingt durch eine sehr gewissenhafte Auswahl der Produzenten, eine sehr persönliche Bezie-hung zu diesen Menschen und eine sehr straffe Logistikkette, die bei den vorrangig frischen Produkten für kurze Wegezeiten sorgt. So liefern wir Fisch innerhalb von weniger als 48 Stunden vom Tagesboot in der Bretagne auf die Küchentische unserer Kunden zwischen Rostock und Berchtesgaden. Frischware wird grundsätzlich nicht am Lager geführt, sondern wochenweise und bedarfsgenau bestellt und auf die Kundenaufträge verteilt.

Die Gründung erfolgte aus der langjährigen Beschäftigung mit der Esskultur. Kaum ein Thema lässt sich in so vie-len Facetten betrachten und stellt gleichzeitig ein doch so elementares, menschliches Grundbedürfnis dar. Diesem Thema haben sich die beiden Gründer sehr vielschichtig genähert: als Foodscout, Einzelhändler, Eventorganisator, Versandhandelsberater, aber auch ideell als aktives Vorstandsmitglied von Slow Food Deutschland. Das Konzept der Gründer führt dies zusammen, bringt Erzeuger und Genießer in Verbindung.

Die Genusshandwerker haben sich einen führenden Platz im Nischenmarkt guter Lebensmittel erarbeitet. Ins-besondere das sortimentsübergreifende Angebot unterscheidet uns von Spezialanbietern z. B. im Fleischbereich. Insgesamt haben wir die Nachfrageentwicklung stärker eingeschätzt, sodass einige Investitionen der Startphase zu hoch waren und sich im ersten Jahr negativ auf die Liquidität auswirkten. Aus heutiger Sicht wurden wir bei der Auswahl der Software sicher auch nicht optimal beraten.

Das Angebot der Genusshandwerker richtet sich an Menschen, die sich mit Freude gut ernähren wollen. Menschen, denen das Tierwohl nicht einerlei ist und die gern mehr über die Herkunft der Lebensmittel erfahren wollen. Men-schen, die Lust am Kochen und Genießen haben, ohne damit vorrangig ihren sozialen Status zu markieren.

Auf einen Blick

Unternehmen: Genusshandwerker GmbH & Co. KG Adresse: Hoffeldstraße 31, 40235 Düsseldorf Vorstand / Geschäftsführung: Hans-Georg Pestka Branche: Versandhandel Produkt / Dienstleistung: Lieferung von frischen, regionalen Kochzutaten an Hobbyköche Webseite: www.genusshandwerker.de Gründungsdatum: 15.08.2007

Interview mit Hans-Georg Pestka

Hans-Georg Pestka hat einen Plan. Er will den Deutschen den Glau-ben an die Qualität heimischer Lebensmittel zurückgeben und ihnen gleichzeitig wieder Freude am Essen vermitteln. Mit seiner Firma „Ge-nusshandwerker“ verbindet er ein Netzwerk regionaler Produzent_in-nen aus ganz Europa für eine wachsende Käuferschicht in Deutschland. UmweltDialog sprach mit ihm über die Vorzüge langsamen Essens und die Schwierigkeiten von Existenzgründer_innen im Lebensmittelsektor.

Herr Pestka, Sie kommen aus der Chemiebranche, haben anschließend als Umweltberater für Kommunen und Konzerne gearbeitet und sich danach mit einem Lebensmittelversand im Internet selbstständig gemacht. Was fasziniert Sie so am Thema Essen, dass Sie dafür einen sicheren Arbeitsplatz aufgegeben haben?

Hans-Georg Pestka: Zum einen glaube ich nicht an die Mär von sicheren Arbeitsplätzen, zum anderen hat mich fasziniert, dass das Thema „Gute Ernährung“ als Querschnittsthema viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens verbindet. In diesem Segment zu arbeiten, bereitet mir einfach eine große Freude. Ich denke, dass man in seinem beruflichen Wirken Gestaltungsmöglichkeiten hat und ich meine Vorstellungen von Ernährungskultur mit den Ge-nusshandwerkern umsetzen kann.

Was waren die größten Probleme, vor denen Sie bei der Gründung standen?

Pestka: Das war sicherlich klassisch: Ich hatte wenig Kapital, aber viele Ideen und stand damit vor der Aufgabe, beides in ein vernünftiges Maß zueinander zu setzen. Das ist in etwa die Situation, mit der man anfängt und die einen auch noch eine ganze Weile beschäftigt. Grundsätzlich ging es natürlich erst einmal darum, ein Netzwerk von verantwortungsvollen Produzenten auf- und auszubauen und die Kunden von unseren Angeboten zu überzeugen.

In Deutschland gewinnt der Begriff „Slow Food“ immer mehr an Bedeutung. Sie selber haben sich ja auch lange damit beschäftigt und unterstützen mit Ihrem Unternehmen Slow Food Deutschland. Können Sie unseren Le-ser_innen kurz erklären, was es damit auf sich hat?

Pestka: Slow Food ist nicht nur ein Begriff, sondern steht für eine Esskultur, bei der alle relevanten Aspekte einbe-zogen werden. Hier geht es sowohl um das Produkt, um die Art des Einkaufens und der Zubereitung, aber auch die Form des gemeinsamen Essens. Auf eine Formel gebracht kann man hier am einfachsten von ‚gut, sauber und fair‘ sprechen. Es geht darum, sich wieder mehr Zeit zu nehmen.

Fasst man alle Facetten zusammen, kommt man zu einer neuen Vorstellung von Qualität, die nicht nur für das reine Produkt gilt, sondern auch für die Art und Weise, wie Mensch und Tier behandelt werden. Hier sind vor allem die Haltung der Tiere und die Verarbeitung der Produkte entscheidend. Es geht aber auch darum, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, Gespräche mit anderen Menschen zu führen und der Qualität des Essens und seiner sozialen Funktion wieder einen höheren Stellenwert einzuräumen.

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Abschlussbericht 2014

Für diese Qualität muss der Verbraucher aber auch bereit sein, höhere Preise zu bezahlen. Ist Slow Food Luxus?

Pestka: Absolut nicht. Lebensmittel, die nach Slow Food-Kriterien hergestellt werden, sind vielmehr Teil einer bestimmten Lebenseinstellung. Was es braucht, und das wird in Deutschland sicherlich teilweise als Luxus miss-verstanden, ist das Verständnis, dass ein gut produziertes Lebensmittel einen gewissen Preis hat. Damit ist aber natürlich auch ein Mehrwert verbunden – indem ich bereit bin, für solche Lebensmittel einen höheren Preis zu bezahlen, bekomme ich ja auch etwas zurück. Da kann nicht von Luxus gesprochen werden, sondern von einem vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis.

Im Fernsehen boomen Kochshows und Sterneköch_innen werden zu Trendsettern verklärt, gleichzeitig belegen Studien, dass in deutschen Haushalten immer mehr Fertigprodukte verwendet werden. Lässt sich dieser Trend und der damit verbundene Verlust von Kochkultur wirklich, wie oft behauptet, mit den wachsenden Ansprüchen des Berufslebens erklären?

Pestka: Ich glaube nicht, dass sich diese Punkte mit gestiegenen Ansprüchen im Berufsleben erklären lassen, sondern eher mit der Wertigkeit, die gutes Essen innerhalb der Gesellschaft wie auch für jeden selbst genießt. Wir haben alle einen Tag mit 24 Stunden – wie wir mit dieser Zeit umgehen, wofür wir sie nutzen wollen, hängt mit den Wertvorstellungen zusammen, die wir mit den unterschiedlichen Bereichen unseres Lebens verbinden. Menschen, die bereit sind, Zeit für ihre Ernährung einzusetzen, ernähren sich dadurch auch ganz anders. Wenn man Essen da-gegen nur als notwendiges Übel betrachtet und möglichst schnell möglichst günstig Nahrung konsumieren möchte, verzichtet man – ob bewusst oder unbewusst – auch auf ein Stück Lebensqualität.

Ich würde aber nicht so weit gehen zu sagen, dass es im Alltag keinen Bedarf an vorbereiteten Speisen gibt. Es gibt Alltagssituationen, die weniger Zeit für die Essenszubereitung lassen. Ich denke, hier sollte jeder eine vernünftige Balance finden. Übrigens muss „selber kochen“ nicht zwangsläufig länger dauern als das Kaufen und Erwärmen eines Fertiggerichts.

Kommen wir zurück zu den Genusshandwerkern. Sie bieten Ihren Kund_innen Salami aus Frankreich, Käse aus Spanien oder auch Trüffel aus Italien. Auf Ihrer Webseite heißt es, dass alle Produkte von Ihnen überprüft wurden. Wie funktioniert das? Fahren Sie durch ganz Europa, lassen sich von den Produzent_innen zum Essen einladen und entscheiden dann aus dem Bauch heraus, ob Sie die Produkte in Ihr Sortiment aufnehmen?

Pestka: Ich schaue mir neue Produkte immer mit einem ganzheitlichen Blick an. Dafür besuche ich die Betriebe, schaue nach den Arbeitsbedingungen vor Ort, den Bedingungen für Mensch und Tier. Zusätzlich gehe ich auch auf Messen und unterhalte mich mit vielen Menschen, die eine ähnliche Vorstellung von Essen haben. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich mich mit Bauern, Produzenten oder Händlern unterhalte – wichtig ist, sich die Neugier auf Neues zu bewahren.

Welche Kriterien sind Ihnen bei der Auswahl Ihrer Produkte wichtig?

Pestka: Mir ist es wichtig, Qualität nicht nur als technische Größe zu sehen, sondern sich aus der Summe an Details ein möglichst genaues Bild vom Endprodukt zu machen: Was wird wie angebaut? Hat der Produzent ein grundsätz-liches Interesse an hochwertigen Produkten? Welche Rohstoffe werden eingesetzt? Das sind sicherlich Fragen, mit denen ich mich bei der Auswahl neuer Produkte beschäftige.

Auf der anderen Seite muss ein Produkt einen eigenen Charakter haben und mit seiner Region verbunden sein. Un-ser Anspruch ist es, unseren Kunden das bestmögliche Produkt aus einem Segment anbieten zu können. In letzter Konsequenz geht es natürlich auch immer um den Geschmack. Wobei guter Geschmack bei uns nicht heißen soll, dass alles gleich schmeckt, sondern die Individualität des Produktes betont wird.

Welche Rolle spielen Bioprodukte in Ihrem Sortiment?

Pestka: Bio ist bei uns kein Dogma. Unsere Produkte können Bio sein, sie müssen es aber nicht. Bio steht in die-sem Zusammenhang ja für eine bestimmte Form der Landwirtschaft. Deren Qualitätsmerkmale sind aber – je nach Biostandard, der angewendet wird – sehr unterschiedlich trennscharf. Für mich ist der persönliche Kontakt zu den Händlern und Produzenten daher wichtiger als bestimmte Zertifikate oder Siegel.

Beim Blick auf Ihr Sortiment fällt auf, dass Sie auch viele Produkte aus Deutschland im Angebot haben. Nun bringen viele Deutsche Spitzenqualität bei Fleisch, Käse oder Fisch nicht unbedingt mit ihrem Heimatland in Verbindung, sondern blicken neidisch nach Spanien, Italien oder Frankreich. Werden deutsche Frischeprodukte unterschätzt?

Pestka: Ich glaube schon. Das hat auch erkennbare Gründe: Wir haben in der deutschen Landwirtschaft und in der angebundenen Verarbeitungsindustrie eine starke Exportorientierung. Das heißt, dass der Marktpreis das bestim-mende Element der Planungen ist. Qualität im erweiterten Sinne ist hier – anders als in vielen deutschen Wirt-schaftszweigen – kein Kernelement des Endproduktes. Produziert wird Massenware, die sich an den gesetzlichen Bestimmungen und den Erfordernissen des Weltmarkts orientiert.

Gleichzeitig können wir aber beobachten, dass es in Deutschland immer mehr klei-nere Produzenten gibt, die eine andere Li-nie verfolgen. Diese Produzenten arbeiten nach klaren Qualitätskriterien, sind im Be-wusstsein von großen Teilen der Bevölke-rung aber noch nicht angekommen. Durch Biomärkte oder auch das neue Interesse an Regionalität verlassen viele dieser Pro-dukte momentan ihre Nischen und wer-den somit auch für einen breiteren Kun-denstamm sichtbar. Mit unserem Angebot wollen wir helfen, diese neue Form von Qualität aus Deutschland für die Endver-braucher zugänglich zu machen.

Welche Ziele haben Sie für die „Genusshandwerker“ in den nächsten Jahren?

Pestka: Bis jetzt haben wir einen sehr organischen Wachstumskurs gefahren, es wäre schön, wenn wir das in den nächsten Jahren beibehalten könnten. Dabei ist mir persönlich der Kontakt zu verantwortungsvollen Produzenten und Menschen mit einem Interesse an guten Lebensmitteln und Freude am Genuss besonders wichtig.

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Abschlussbericht 2014

Portrait

Emils Feinkost wurde 2009 von Michael Wiese (36 Jahre, Wirtschaftsingenieur) und Jens Wages (36 Jahre, Be-triebswirt) gegründet. Unsere Motivation war es, naturbelassene Lebensmittel auf den Markt zu bringen, die kom-plett ohne Zusätze auskommen und statt billiger Volumenbestandteile Zutaten zu verwenden, wie man es auch zu Hause in der guten Küche tut. Mit dieser Philosophie haben wir uns im Bereich Qualität (extra natives Olivenöl statt Wasser und Hefeextrakt; bayrischer Imkerhonig statt Agavendicksaft aus Mexiko, …) und Handling in der Lieferkette (ohne Pasteurisierung als Trockenware neun Monate haltbar) eine Alleinstellung erarbeitet.

Seit dem Marktstart zur Biofach 2011 wurden unsere Produkte mehr als 200 Bio-Einzelhändlern, mehreren Filialisten – unter anderem „denn’s“ und „Alnatura“ – sowie acht Bio-Großhändlern gelistet. Trotz namhafter Groß-händler mit hoher Marktmacht konnten wir uns dem Druck einer geforderten Preissenkung von 4,99 Euro auf 3,99 Euro entziehen und so unseren Weg einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten und Dienstleistern weitergehen.

> Unsere Lieferanten setzen sich dabei ausschließlich aus persönlich bekannten Familienunternehmen – soweit möglich aus der Region – zusammen. Wo dies nicht möglich ist, überzeugen wir uns vor Ort von den Bedingun-gen der Produktion.

> Bei der Produktion und im Versand setzen wir auf die Zusammenarbeit mit Rehabilitanden des Rudolf-Sophien-Stifts in Stuttgart.

Manchmal wollen wir zu viel des Guten und haben so auch unsere besonderen Zutaten auf den Markt gebracht (z. B. einen Apfelessig in Rohkostqualität, der nicht aufgezuckert wurde). Wir mussten aber schließlich lernen, dass diese Besonderheiten nur schwer zu vermitteln und nur für eine kleine Zielgruppe relevant sind (Rohkost-Segment). Diese besonderen Zutaten haben wir nun fast alle wieder vom Markt genommen. Ab 2013 wollen wir die Emils Feinkost GbR in Vollzeit weiterentwickeln. Der Fokus liegt aktuell auf einem gesunden Umsatzwachstum durch Aus-weitung des Sortiments und durch die gemeinsame Einstellung eines Außendienst-Mitarbeiters mit drei weiteren jungen Unternehmen zusammen. Bis 2016 wird so ein Umsatz von ca. drei Millionen Euro angepeilt.

EmilsFeinkostAuf einen Blick

Unternehmen: wageswiese GmbH Adresse / Firmensitz: Kartäuserstraße 60, 79102 Freiburg Vorstand / Geschäftsführung: Jens Wages und Michael Wiese Branche: Bio-Lebensmittel Produkt / Dienstleistung: konsequent naturbelassene Bio-Lebensmittel ohne Zusatzstoffe Webseite: www.emils.com Gründungsdatum: 26.10.2009

Interview mit Jens Wages

Keine Zusatzstoffe! Unter diesem Motto haben zwei Jungunterneh-mer aus Stuttgart Salatdressings entwickelt, die sich über ihren Ge-schmack definieren wollen und damit nicht dem gängigen preisba-sierten Muster der Lebensmittelindustrie folgen. Mit ihrer Vorstellung von natürlichen Produkten und Verfahrenstechniken grenzen sich die beiden Gründer auch vom klassischen Biosektor ab, der immerhin noch 47 Zusatzstoffe erlaubt. UmweltDialog sprach mit Jens Wages, Geschäftsführer Emils Feinkost, über Bio, Produktionsmethoden und die Schwierigkeiten bei einer Gründung im Lebensmittelsektor.

Herr Wages, Sie haben gemeinsam mit Ihrem Geschäftspartner Michael Wiese ein eigenes Unternehmen gegrün-det. Können Sie unseren Leser_innen sagen, worum es dabei geht?

Jens Wages: Wir kommen beide aus dem Dienstleistungsbereich und haben erkannt, dass Menschen, die viel ar-beiten, großes Interesse an gesunder Ernährung haben, aber oft nicht die Zeit, selber zu kochen. Daher nimmt der Bedarf an Convenience-Produkten weiter zu. Der Markt bietet aber nichts, das wirklich hoch- und vollwertig im Sinne von einer gesunden Ernährung ist.

Wir haben uns vorgenommen, für diese Zielgruppe etwas anzubieten, dass Convenience mit Gourmetqualität ver-bindet. Uns ging es dabei von Anfang an um den Verzicht auf Zusatz- und Füllstoffe, wie Wasser oder Zucker, um letztendlich das Produkt so hochwertig wie möglich zu machen.

Sie haben sich dann für die Herstellung von Salatdressings entschieden. Warum gerade die Lebensmittelbranche? Warum gerade dieses Produkt?

Wages: Das Produkt gab es eigentlich schon vorher. Michael Wiese und ich kennen uns bereits aus gemeinsamen Zivildienstzeiten. In der Zeit haben wir viel gemeinsam gekocht und vieles ausprobiert – unter anderem auch das Salatdressing. Mit der Zeit hat sich herausgestellt, dass das Rezept unseres Dressings immer wieder nachgefragt und dann auch weitergegeben wurde. 2006 oder 2007 gab es dann das Aha-Erlebnis: Ich war zum Essen eingela-den bei Menschen, die ich vorher nicht kannte, und plötzlich stand unser Salatdressing auf dem Tisch.

Wir haben uns damals gedacht, wenn Mütter unser Rezept kopieren, dann hat man den Markttest eigentlich schon bestanden. Mütter wollen ja schließlich das Beste für ihre Familie und ihre Gäste, und wenn die unser Rezept ko-pieren, dann ist das Produkt so gut, dass es auch verkauft werden könnte. Damit standen wir dann allerdings vor der Frage, wie wir unser Dressing – ohne Abstriche bei Qualität oder Geschmack – produzieren können, um es in Flaschen abzufüllen.

Auf Ihrer Webseite betonen Sie, dass Sie keine Zusatzstoffe für die Produktion der Dressings verwenden. Schließt ein Bio-Label diese Stoffe nicht grundsätzlich aus?

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Abschlussbericht 2014

Wages: Nein, die Bioverordnung ist eine EU-Verordnung, die die knapp 300 in Deutschland zugelassenen Zu-satzstoffe auf etwa 47 reduziert. Damit gibt es weiterhin Konservierungsstoffe und Verdickungsmittel, die auch im Biobereich zugelassen sind. Unter anderem sind das Zitronensäure, Guarkernmehl oder Xanthan, um nur die Populärsten zu nennen. Das sind alles Stoffe, die in einem Haushalt so nicht vorkommen und deren Funktion nichts anderes ist, als stabile Emulsionen herzustellen, um möglichst viel Wasser verwenden zu können. Unser Ansatz ist dagegen, nur Zutaten zu verwenden, die man auch aus der eigenen Küche kennt.

Warum ist Ihnen die natürliche Produktion Ihrer Produkte so wichtig?

Wages: Mittlerweile können wir beobachten, dass viele Menschen allergisch auf bestimmte Stoffe reagieren, was auch damit zu tun hat, dass diese in natürlicher Nahrung eigentlich nicht vorkommen. Bei Zitronensäure denken viele Verbraucher ja noch an den Saft einer frisch ausgepressten Zitrone, in Wirklichkeit wird die aber rein synthe-tisch auf Schimmelpilzen hergestellt. Dass die Menschen heute zum Teil gar nicht mehr wissen, auf was sie mit ei-ner Unverträglichkeit reagieren, liegt auch daran, dass mittlerweile in fast jedem Produkt Zucker, Verdickungsmittel und Konservierungsstoffe enthalten sind.

Darüber hinaus hat das natürlich auch etwas mit dem Geschmack zu tun. Wenn Sie zuhause ein Dressing herstel-len, dann verwenden Sie ja auch natürliche Zutaten und erhalten dadurch den vollen Geschmack. Erst wenn Sie, wie es die Industrie tut, mit 50 Prozent Wasser arbeiten würden, um den Preis niedrig zu halten, brauchen Sie Verdickungsmittel für die Konsistenz und Geschmacksverstärker wie Hefeextrakt für den Geschmack. Wir glauben, dass diese Stoffe nicht nur krank machen, sondern auch den Genuss einschränken.

Wie erreichen Sie die vom Lebensmitteleinzelhandel geforderten Haltbarkeitszeiten?

Wages: Das ist in der Tat eine Hürde, die wir uns selber eingebaut haben. Letztendlich lösen wir das, indem wir nur Zutaten verwenden, die von sich aus eine relativ lange Haltbarkeit haben: Öle, Essige, Honig sind alles Dinge, die Sie auch zuhause größtenteils ungekühlt lange lagern können. Zweitens verzichten wir komplett auf den künstlichen Zusatz von Wasser. Wasser ist zwar billig, ist aber auch die ideale Plattform für die Vermehrung von Keimen.

Darüber hinaus gibt es natürlich Einschränkungen aus der Chemie- und Lebensmittelhygiene, die unsere Großeltern aber schon vor Jahrzehnten auf natürliche Weise gelöst haben: Indem man den pH-Wert unter gewisse Werte senkt, schafft man eine unwirtliche Atmosphäre für alle Keime und Krankheitserreger. Essiggurken werden ja auch nicht nur deshalb in Essig eingelegt,

um einen netten Geschmack zu erreichen, sondern auch, um die natürliche Haltbarkeit des Lebensmittels zu erhö-hen. Dadurch, dass wir bereit waren, an diesen Stellen etwas auszuprobieren, können wir unsere Produkte haltbar machen, wie es bereits unsere Omas vor der Erfindung von Konservierungsstoffen gemacht haben.

Das heißt, Sie verfolgen bei der Produktion schon den Ansatz „Back to the Roots“?

Wages: Auf jeden Fall. Wir versuchen durch den konsequenten Verzicht auf bestimmte Dinge, die Hochwertigkeit der Zutaten und ein bisschen Nachdenken einen Punkt zu erreichen, an dem Zusatzstoffe unnötig werden. Dabei hilft es immer sich zu überlegen, wie die Probleme früher gelöst wurden. Vieles ist heute schon fast vergessen, da

die moderne Chemie es mitunter praktischer erscheinen lässt, Lebensmittel mit ein paar Tropfen aus der Flasche zu konservieren. Dabei leiden aber auch immer der Geschmack und die Qualität.

Sie hatten erwähnt, dass sowohl Sie als auch Herr Wiese aus der Beraterbranche kommen und sich dann ohne größere Vorkenntnisse in der Lebensmittelbranche selbstständig gemacht haben. Vor welchen Problemen standen Sie, nachdem die Entscheidung gefallen war, ein eigenes Produkt auf den Markt zu bringen?

Wages: Es gab natürlich eine Reihe von Problemen: Das erste war sicherlich die Frage: Wie kommen wir an das Wissen, das für unsere Vorstellungen nötig ist? Wir haben uns damals mit Experten von der Universität Hohenheim getroffen, die uns aber von vornherein abgeraten haben. Das liegt vor allem daran, dass die Lebensmittelindustrie und auch die sie beratenden Universitäten mittlerweile komplett auf Effizienz ausgerichtet sind. Das geht so weit, dass einige der handelnden Personen stolz darauf sind, Tomatenketchup heute ohne Tomaten herstellen zu können. Das Wissen, das wir gesucht haben, – das „Oma-Wissen“, von dem ich eben schon sprach – ist in der heutigen Lebensmittelforschung gar nicht mehr vorgesehen.

Ein weiteres wichtiges Problem war unsere Größe: Sie finden heute nur ganz schwer Lieferanten, wenn Sie geringe Stückzahlen produzieren. Das heißt, wir mussten bei der Zusammenstellung unserer Zulieferer praktisch bei null anfangen und uns Partner suchen, die bereit waren, an unsere Idee zu glauben und mit uns zu wachsen.

Deutschland bezeichnet sich immer als so innovationsfreudig, letztendlich gilt das in der Lebensmittelbranche aber nur für Unternehmen, die von Anfang an große Stückzahlen produzieren können. Der Lebensmittelmarkt und auch der Biosektor haben ihre ganz eigenen Gesetze mit Groß- und Einzelhändlern, die alle eigene Interessen verfolgen. Da quer einzusteigen, ohne das ganze Verteilernetz schon im Rücken zu haben, hat uns immer wieder vor logisti-sche Probleme gestellt.

Seit Herbst vergangenen Jahres werden Sie von der Sustainable Business Angels-Initiative gefördert. Dabei be-raten Sie erfahrene Unternehmer wie Peter Kowalsky, Gründer von Bionade, und Jürgen Schmidt, Gründer der memo AG. Welche Impulse erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit mit den beiden SBAs?

Wages: Durch die Initiative haben wir jetzt zum ersten Mal die Möglichkeit, durch erfahrene Bio-Pioniere Ratschlä-ge für unsere konkrete Situation zu bekommen. Für uns ist dabei ganz wichtig, dass sowohl Peter Kowalsky als auch Jürgen Schmidt Pioniere sind, die sich mit Bio beschäftigt haben, als es noch nicht in Mode war, und diese Art zu wirtschaften damit auch nicht als PR-Maßnahme begreifen. Man merkt auch in Gesprächen mit den beiden sehr schnell, dass ihr Einsatz für dieses Thema von Herzen kommt und ihrer Überzeugung entspricht. Ich glaube daher, dass wir von ihren Erfahrungen, von ihren Fehlern und auch von der Weitsicht, die sich beide in den vergangenen Jahren erarbeitet haben, sehr profitieren werden.

2012 wurde Emils Feinkost von Fachjournalisten und Unternehmern zur Biomarke des Jahres in Bronze gewählt. Gleichzeitig können Kund_innen Ihre Produkte in immer mehr Läden in Deutschland kaufen. Welche Entwicklun-gen erwarten Sie für das Jahr 2013?

Wages: Natürlich hoffen wir auf Wachstum in dem Sinne, dass unsere Produkte an Vielfältigkeit gewinnen und auch die Verbreitung unseres Angebotes erhöht wird. Dadurch, dass wir jetzt bei „Alnatura“, „denn’s“, aber auch in sehr

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vielen kleinen und großen Läden vertreten sind, haben wir es 2012 überhaupt erst einmal geschafft, unsere Dres-sings deutschlandweit anbieten zu können. Trotzdem sind wir momentan noch ein relativ unbekanntes Nischen-produkt. Menschen, die Lebensmittel kaufen möchten, wie wir sie herstellen – also frei von Zusatzstoffen und in einer einzigartigen Qualität – wissen häufig noch gar nicht, dass es Convenience-Produkte in diesem Segment gibt.

Unser größtes Problem ist daher unsere Platzierung in den Biomärkten, die uns klassisch neben all den anderen Produkten anbieten, die nicht auf Zusatzstoffe verzichten. Das führt dann dazu, dass Kunden uns oftmals gar nicht finden, da sie die Regale, in denen unser Sortiment steht, generell meiden. Wir hoffen daher auch, dass die Diskus-sion in Deutschland, die langsam beginnt und die Schädlichkeit von Zucker und Zusatzstoffen thematisiert, weiter an Fahrt aufnimmt und unsere Produkte so auch mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Sie haben den Preis schon angesprochen. Schaut man sich Ihr Produkt im Biomarkt an, dann hebt es sich da nicht nur durch die Abwesenheit von Zusatzstoffen ab, sondern auch durch die Kosten für die Kund_innen. Würden Sie sagen, dass Emils ein Luxusprodukt ist?

Wages: Ich glaube, dass der Preis bei der Qualität der Zutaten absolut angemessen ist. Natürlich ist es in gewisser Weise Luxus, wenn Menschen sagen: Ich stelle mein Dressing jetzt nicht selber her, sondern kaufe ein außerge-wöhnliches Produkt. Unsere Kunden haben häufig nicht die Zeit und manchmal auch nicht die Lust, Dinge auszu-probieren – für solche Menschen ist es natürlich ein Luxus, dass es eine gute Alternative quasi schon konsumfertig gibt. Was den Preis angeht, glaube ich, dass in Deutschland auch die Diskussion geführt werden muss, welchen Wert gutes Essen oder eine gute Ernährung hat. Mein Lieblingsvergleich ist das Auto: Hier bei uns im Schwäbischen ist das ja ein heißes Thema. Die Leute gießen in ihren Mercedes, ihren Porsche oder ihren Audi das teuerste Öl für 16 Euro den Liter und in sich selber das Billigöl für 69 Cent. Da muss man sich auch mal fragen, was den Leuten wirklich wichtig ist. Wir verwenden zum Beispiel nur kalt gepresste Öle, die besonders gesund für den eigenen Kreislauf sind. Wir kaufen unseren Bio-Honig nicht in Brasilien, sondern beim Bio-Imker in Bayern, und halten somit auch die Wege kurz und unterstützen lokale Produzenten. Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass unsere Produkte ja wirklich noch in Handarbeit hergestellt werden, ist ein anderer Preis gar nicht darstellbar.

Auf welche neuen Produkte können sich Ihre Kund_innen denn in der Zukunft freuen?

Wages: Wir haben tatsächlich einige neue Produkte in der Pipeline, die momentan im Labor sind. Michael Wiese und ich haben aber in der Vergangenheit schon häufiger neue Produkte angekündigt, weil wir beide ganz eupho-risch waren. Und nicht aus allen Ideen ist anschließend auch was geworden. Deswegen haben wir beschlossen, nur noch dann neue Produkte anzukündigen, wenn wir sie auch wirklich einführen. Durch unsere Produktionsme-thoden braucht es oftmals einfach etwas länger, bis Haltbarkeit, Geschmack und Vertriebsmöglichkeiten überprüft werden können.

alucUpcyclingFashionBerlin

Portrait

Wir von aluc arbeiten nach dem Upcycling-Prinzip – eine ressourcenschonende Art, Mode zu kreieren. Upcycling ist die Verarbeitung existierender Rohstoffe zu einem neuwertigen Produkt. Seit 2010 stellen wir hochwertige Designs aus einzigartigen Stoffmustern her und legen dabei Wert auf eine faire und transparente Produktion.

2010 gründeten Jonathan, Luise, Carina und Arianna das Upcycling Label aluc. Ein Jahr später eröffneten sie in Berlin den ersten Conceptstore für Upcycling Mode. Das Team arbeitet seit nunmehr fünf Jahren an der Etablierung des Upcycling-Konzeptes und initiierte zahlreiche Projekte, wie den „Strich und Faden Modestammtisch“, die Green Fashion Roadmap und ein Upcycling Material Sourcing Projekt. 2013 erhielten sie dafür den FA!R-Handelspreis und den I:CO AWARD. Seit 2014 unterstützt das Team auf deutscher Seite die internationale Kampagne Fashion Revolution.

Konzept

Industrielle Überproduktion ist ein großes Problem für die Umwelt. An dieser Stelle setzen wir mit Upcycling an und verändern mit nachhaltigen Strategien herkömmliche Produktionsweisen. Ist es wirklich sinnvoll, neue Stoffe herzustellen, solange riesige Mengen an Abfall aus der Textilindustrie jeden Tag auf der Müllkippe landen oder verbrannt werden?

Für uns stellen bereits kleinste Mengen an Reststoffen eine Möglichkeit dar, Originelles und Einzigartiges zu kreie-ren. Eine faire Produktion bildet das Fundament unseres Konzeptes. Die Arbeit mit verschiedenen lokalen, sozialen Projekten und Behindertenwerkstätten in Deutschland erlaubt es uns, die regionale Wirtschaft und das soziale System zu unterstützen. Auch durch die direkte Zusammenarbeit mit Nähereien in Polen können wir den Produk-tionsprozess fair und transparent gestalten.

Quelle: aluc.eu

Auf einen Blick

Unternehmen: aluc Upcycling Fashion Berlin, Bischof und Leupert GbR Adresse / Firmensitz: Bellermannstraße 79–80, 13357 Berlin Vorstand / Geschäftsführung: Carina Bischof, Jonathan Leupert, Luise Barsch und Arianna Nicoletti Branche: Modebranche Produkt / Dienstleistung: Upcycling Fashion – neu designte Blusen, Hemden und Oberteile aus alter Kleidung Webseite: www.aluc.eu Gründungsdatum: 29.05.2010

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Abschlussbericht 2014

Interview mit aluc

SBA-Initiative: Wenn Sie Ihre Gründungsidee kurz beschreiben sollten, welche Punkte sind Ihnen be-sonders wichtig?

aluc: Industrielle Überproduktion ist ein großes Problem für die Umwelt. An dieser Stelle setzen wir mit Upcycling Fashion (www.aluc.eu) an und verändern mit nachhaltigen Strategien herkömm-liche Produktionsweisen. Ist es wirklich sinnvoll, neue Stoffe herzustellen, solange riesige Mengen

an Abfall aus der Textilindustrie jeden Tag auf der Müllkippe landen oder verbrannt werden? Für uns stellen bereits kleinste Stoffmengen eine Möglichkeit dar, Originelles und Einzigartiges zu kreieren. Eine faire Produktion bildet das Fundament unseres Konzeptes. Die Arbeit mit verschiedenen lokalen, sozialen Projekten und Behindertenwerkstät-ten in Deutschland erlaubt es uns, die regionale Wirtschaft und das soziale System zu unterstützen.

Im Zentrum Ihrer Gründungsidee stand es also, modische „Upcycling Fashion“ herzustellen, die in besonderem Maße umweltschonend, sozial und fair ist. Wie funktioniert „Upcycling“ bei Ihnen konkret?

aluc: Das Design ist beim Upcycling an bestimmte Gegebenheiten gebunden, aber gerade dies kann interessant sein. Das Material ist Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für neue Ideen. Wenn Designer dieses Potenzial er-kennen und es zu nutzen wissen, können daraus ganz unvorhergesehene Kreationen entstehen. Jedem Fleck, jeder Laufmasche und jedem Loch kann an einer anderen Stelle das fehlerhafte Erscheinungsbild genommen werden und somit kann das Kleidungsstück ästhetisch an Wert gewinnen. Bei unserem eigenen Label „aluc“ verwenden wir vorrangig den sogenannten „pre-consumer waste“, also die Stoffreste und den Verschnitt, der vor der Produktion entsteht. Daraus werden Hemden, Blusen und Oberteile gefertigt. Die Stoffreste, die während unserer Produktion anfallen, werden zusammen mit Secondhandbekleidung in Accessoires umgewandelt.

Im Produktionsprozess arbeiten Sie auch mit lokalen, sozialen Trägern wie etwa Behindertenwerkstätten zusam-men und versuchen, alle Abläufe so transparent wie möglich zu gestalten. Wie genau versuchen Sie, Ihr Unterneh-men über das „Upcycling“-Konzept hinaus in besonderem Maße nachhaltig zu gestalten? Mit welchen Initiativen und Organisationen arbeiten Sie dabei zusammen?

aluc: Seit 2010 arbeiten wir mit den Harz-Weser-Werkstätten in Osterode am Harz zusammen. In dieser Be-hindertenwerkstatt wird der Großteil unserer Hemden und Blusen genäht. Damit unterstützen wir eine soziale Einrichtung in der Region, welche Menschen mit Behinderung eine Chance auf Arbeit, einen geregelten Tagesablauf und das Gefühl von Sicherheit und Bedeutung gibt. Ende 2012 haben wir das erste Mal mit der „One Good Factory” in Bulgarien zusammengearbeitet. Dieser Verbund kleiner Produzenten hat sich unter der Schirmherrschaft von Nin Castle, Modedesignerin und „Goodone“-Gründerin, auf die Upcycling-Produktion spezialisiert. Wir finden dieses Projekt unterstützenswert und haben eine Serie an Hemden dort nähen lassen. Seit zwei Jahren veranstalten wir bei uns im Laden, dem Upcycling Fashion Store, den monatlichen „Strich und Faden Modestammtisch“, der Desi-gner und junge Start-up-Unternehmen verbindet und motiviert, nachhaltiger zu produzieren. Durch gemeinsame

Projekte und Aktionen erweitern wir unser Netzwerk. Ganz aktuell helfen wir, auf deutscher Seite den „Fashion Revolution Day“ mit zu organisieren. Diese Kampagne feiert am 24. April 2014, ein Jahr nach der Katastrophe des Rana Plaza in Bangladesch, nachhaltige Ansätze der Modeindustrie. Sie bietet jedem, der dieses System ver-ändern möchte, die Chance, seine Arbeit zu präsentieren. An diesem Tag wird sich alles um die Frage „Who made my clothes?“ drehen. Auf der ganzen Welt werden Designer, Einzelhändler, Produkthersteller und Interessierte in Gedenken an den Fabrikeinsturz nachhaltige Produktionsverfahren vorstellen und Menschen auf die Herkunft ihrer Kleidung ansprechen.

Ihr Unternehmen besteht bisher aus drei Modedesignerinnen und einem Betriebswirtschaftler – das klingt nach einem sehr kreativen und innovativen Umfeld, bei dem aber auch das Wirtschaftliche nicht zu kurz kommt. Wie funktioniert die Zusammenarbeit und wo sind im Alltag die Reibungspunkte?

aluc: Das ist richtig, es ist eine spannende Kombination. Die Arbeitsatmosphäre bei uns ist sehr ausgeglichen, Diskrepanzen gibt es selten. Unsere Stärke im Team liegt besonders in der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der einzelnen Mitglieder. So haben wir uns mit der Zeit in die verschiedensten Aufgabenberei-che eingearbeitet und auf die Fähigkeiten des Einzelnen im Team abgestimmt. Jeder von uns konnte sich in unterschiedlichen Arbeitsgebieten testen. Mittler-weile ergab es sich daraus, dass auch unsere Designer betriebswirtschaftliche Aufgaben übernehmen. Natürlich eckt man im Alltag hin und wieder aneinan-der. Dies ist wahrscheinlich auch auf die Vielzahl unserer Projekte zurückzu-führen, die wir verwirklichen möchten. Da unsere kreativen Köpfe gern etwas abdriften, ist es gut, jemanden an Board zu haben, der uns auf den Boden der Tatsachen holt und erinnert, dass wir uns auf das wesentliche Alltagsgeschäft konzentrieren sollten.

Wie genau sehen Ihre Produkte aus? Welche Kleidungsstücke bieten Sie an, und was ist das Besondere an den von Ihnen angebotenen Kleidungsstücken? Was machen Sie dabei bewusst anders als andere Modelabels?

aluc: aluc bietet vorwiegend Hemden, Blusen und Blusenkleider an. Diese werden mit einem abnehmbaren Kragen gefertigt, der dem Kleidungsstück seinen einzigartigen Charakter verleiht. Dieser kann einerseits als Designelement angesehen werden, mit dem man unterschiedliche Akzente setzt. Auf der anderen Seite hat er auch einen funktio-nalen Zweck. Ist der Kragen einmal ausgetragen, muss nicht gleich das ganze Hemd entsorgt werden, sondern es reicht, den Kragen auszutauschen. Die meisten der Kreationen, die wir in unserem Laden, dem Upcycling Fashion Store, vertreiben, sind Einzelstücke oder Kleinserien. Wir folgen dem Slow-Fashion-Prinzip, d. h. dass die Serien limitiert sind und meist länger als eine Saison getragen werden können.

Sie gestalten Ihre Produkte und Ihr Unternehmen als Ganzes also bewusst anders, in Abgrenzung zur „konventi-onellen“ Bekleidungsindustrie. Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Probleme dieser Branche? Was können Konsumenten tun, um hier eine nachhaltige Entwicklung zu fördern?

Aus alten Stoffen neue Mode gemacht. (Foto: aluc)

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Abschlussbericht 2014

aluc: Die Schnelllebigkeit der Modebranche stellt ein großes Problem dar. Viele der automatisierten Produk-tionsabläufe werden zu wenig hinterfragt. Durch die stetig wechselnden Trends sind Fehlproduktionen und falsche Entscheidungen nahezu schon vorprogrammiert. Dieser Überschuss an textilem Abfall führt zu einem kontinu-ierlichen Anstieg der Müllberge. Es gibt verschiedene Ansätze für den Konsumenten, um etwas zu verändern. Der Kleidungskauf sollte ähnlich wohlüberlegt sein wie der Wechsel zu einer nachhaltigen Bank oder einem Bioprodukt im Supermarkt. Dem Verbraucher sollte bei jedem Kauf eines Produktes bewusst sein, dass er etwas nachhaltig verändern kann. Man kann aber auch bereits auf der Suche nach einem Produkt im Geschäft Eindruck hinter-lassen, indem man den Verkäufer nach den genauen Produktionsbedingungen fragt und somit Druck auf das Unternehmen ausübt.

Sicherlich gab es vor, während und nach der Gründung in Ihren ersten Geschäftsjahren zahlreiche Herausforde-rungen für Sie und Ihr Unternehmen. Was war / ist dabei Ihre größte Herausforderung?

aluc: Vor vier Jahren wussten in Deutschland die wenigsten mit dem Begriff Upcycling etwas anzufangen, schon gar nicht in Bezug auf Mode. Wir wollten dies ändern und haben seither in unterschiedlichste Richtungen Projekte angestoßen. Wir sehen die größte Herausforderung darin, Entscheidungen sowohl für als auch gegen die Realisie-rung dieser Projekte zu treffen und somit die eigene Arbeit und Energie zu kanalisieren. Bei diesem Prozess spielen vor allem Intuition und Erfahrung eine bedeutende Rolle. Diesbezüglich sind wir besonders für die Unterstützung durch Peter Kowalsky und Jürgen Schmidt dankbar.

Nun sind die ersten Wochen der Zusammenarbeit mit den beiden Sustainable Business Angels Peter Kowalsky und Jürgen Schmidt vergangen. Was haben Sie bisher erreicht, und was erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit mit den Sustainable Business Angels?

aluc: Das anfängliche Kennenlernen in lockerer und angenehmer Atmosphäre hat dazu beigetragen, dass wir zu Peter Kowalsky und Jürgen Schmidt schnell Vertrauen aufbauen konnten. Wir präsentierten unsere Ideen und Visionen frei vor ihnen, ohne dass diese gleich gewertet wurden. In Gesprächen auf Augenhöhe zeigte sich, dass gewisse Ängste zu Beginn einer Unternehmensgründung üblich sind und kleinere Missgeschicke zu diesem Lern-prozess dazugehören. Die beiden beraten uns speziell zu den von uns angesprochenen Problemfeldern. Ihr profes-sionelles Feedback gibt uns Ansätze für zielführende Entscheidungen, hilft bei der Strukturierung und bereitet uns auf kommende Aufgaben vor.

Dann noch eine abschließende Frage: Welche Erwartungen haben Sie an die Zukunft Ihrer Unternehmung? Oder anders formuliert: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen und auch die Modebranche insgesamt in zehn Jahren?

aluc: Für Unternehmen sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, umweltbewusst zu handeln und zu produzieren. So ist zum Beispiel der Abfall, der während der Produktion entsteht, nicht gleich Müll, sondern ein Wertstoff, den es zu begreifen gilt. Es ist dabei wichtig, dass Unternehmen mehr über ihren „Müll“ reden! Nur so kann ein Umdenken auf allen Ebenen erfolgen. Wir würden Modeunternehmen bei diesem Lernprozess gern unterstützen und ihnen helfen, durch das Integrieren von Upcycling in ihren Produktionsprozess besser mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen.

DasGeldhängtandenBäumen

Portrait

Mit Äpfeln Arbeitsplätze schaffen – Ziel unseres Projekts ist die Schaffung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung und andere „soziale Randgruppen“ auf dem ersten Arbeitsmarkt. Die Idee, wie dies geschehen kann, ist einfach, die Geschichte kurz: Äpfel, die überall an den Bäumen hängen bleiben, werden durch eine gärtnermeis-terlich betreute Gruppe von Beschäftigten mit Behinderung geerntet, bei einer Slow Food-Mosterei zu naturtrübem Direktsaft verarbeitet. Diesen verkaufen wir im persönlichen Vertrieb an Firmen und Privatkunden, finanzieren so die Arbeit der Beschäftigten mit Behinderung. Wir verwenden häufig sehr alte Sorten, die es eher selten zu kaufen gibt. Neben den von unserer Gruppe selbst geernteten Äpfeln erhalten wir großzügige Obstspenden und kaufen auch Ware von Umstellungsbetrieben auf, also von Betrieben, die von konventioneller auf biologische Landwirt-schaft umstellen. Die Äpfel für unseren Saft kommen aus der Metropolregion Hamburg. In der Saison 2011 wur-den rund 21.500 0,75-l-Flaschen sowie etwa 40.000 0,25-l-Flaschen inklusive Mischsäften produziert.

Das zweite Geschäftsfeld der im September 2010 gegründeten, gemeinnützigen Das Geld hängt an den Bäumen GmbH ist der Gartenbau (Grünpflege). Hier arbeiten wir höchst professionell und mit hoher Kundenzufriedenheit für viele Hamburger Unternehmen und Privatpersonen. Wir bieten von Rasenmähen und Beetpflege über Laub-arbeiten und Heckenschnitte bis hin zur Dauerpflege von großen Betriebsgrundstücken sämtliche Arbeiten an und verfügen selbstverständlich über alle gängigen Maschinen. Während unser Schwerpunkt auf händischer Arbeit liegt, bieten wir in Kooperation auch viele weitere Arbeiten rund um Garten und Landschaft an. Wir folgen immer dem Bild einer humanistisch-sozialen, ökologischen und trotzdem betriebswirtschaftlich-sinnvollen Grundhaltung. Wir verwenden ungenutzte beziehungsweise vergessene Ressourcen und entlasten unser Sozialsystem, weil wir Menschen in den ersten Arbeitsmarkt führen wollen, die häufig keine eigene Perspektive haben. Selbst das Holz aus unseren Außeneinsätzen trocknen wir und verkaufen es als Kaminholz.

Die Projektidee wurde mehrfach ausgezeichnet. Zum Projektstart 2009 mit dem „Anstiften!“-Preis der Körber-Stiftung, 2010 mit dem Preis der Initiative des Bundespräsidenten „Deutschland – Land der Ideen“ und in 2011 mit dem Preis „Die Verantwortlichen“ der Robert-Bosch-Stiftung, denn: Das Geld hängt an den Bäumen!

Quelle: dasgeldhaengtandenbaeumen.de

Auf einen Blick

Unternehmen: Das Geld hängt an den Bäumen GmbH Adresse / Firmensitz: Frustbergstraße 31, 22453 Hamburg Vorstand / Geschäftsführung: Christian Langrock, Jan Schierhorn Branche: Getränkehersteller und Getränkeversand Produkt / Dienstleistung: Apfelsäfte aus Slow Food-Mostverfahren von Streuwiesen und Hausgärten Webseite: www.dasgeldhaengtandenbaeumen.de Gründungsdatum: 2010

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Abschlussbericht 2014

Interview mit Christian Langrock

Jennifer Nicolay: Herr Langrock, Sie kommen aus der IT-Branche und sind nun als selbstständiger Jung-unternehmer in der Lebensmittelbranche aktiv. Ein krasser Wandel. Was begeistert Sie an der Lebens-mittelbranche so sehr?

Christian Langrock: Ja, es ist sicherlich nicht sehr naheliegend, von der eCommerce-Branche in den Lebensmittelbereich zu wechseln. Dass ich heute mit Lebensmitteln zu tun habe, passierte eher zufällig. Als ich mich umorientierte, ging es mir in erster Li-nie darum, etwas für mich Sinnvolles zu tun. Ich hat-te im Wirtschaftsmagazin „BrandEins“ einen Artikel über das Projekt gelesen und war sofort von der Idee begeistert, Menschen, die eher am Rand der Gesell-schaft stehen, eine berufliche Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt zu geben. Es spielte für mich eine eher untergeordnete Rolle, dass es sich bei dem Produkt um Apfelsaft handelte. Mittlerweile finde ich den Sek-tor aber mehr als spannend, zumal er eine optimale Verbindung der Aspekte sozial, nachhaltig und lokal erlaubt. Denn genau das macht unseren Saft beson-ders. „Normale“ Apfelsäfte gibt es ja viele.

Ihr Unternehmen heißt „Das Geld hängt an den Bäumen“. Was genau verbirgt sich hinter dem Namen?

Langrock: Es ist ein eher ungewöhnlicher Name für ein Unternehmen. Lang, sperrig, doppeldeutig. Aber er ist genau wie wir. Er fällt auf, hat Ecken und Kanten, man versteht nicht gleich, was dahintersteckt. Aber wenn die Menschen die Geschichte des Projekts kennenlernen, leuchtet ihnen der Name ein. Er beschreibt unser Prinzip: Aus Äpfeln, die nicht geerntet würden, machen wir Saft und damit Geld. Und finanzieren so die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter. Und unser Name hat noch einen Vorteil: Wer ihn einmal gehört hat, vergisst ihn nicht so schnell.

Das Obst stammt aus Hausgärten und von Streuobstwiesen. Wie beschaffen Sie sich konkret das Obst und welche Erfahrungen haben Sie dabei schon gemacht?

Langrock: Unser Obst stammt aus mehreren Quellen. Angefangen haben wir mit selbst geernteten Äpfeln aus Hamburger Privatgärten. Dann kamen öffentliche Gärten dazu, Ausgleichsflächen der BSU und Streuobstwiesen von ehemaligen Apfelbauern. Alle haben das gleiche Problem: Sie können die Äpfel nicht komplett selbst verwerten. Eine weitere Quelle sind Apfelspenden von Apfelbauern aus der Hamburger Region, die unser Projekt so unter-stützen. Drittens kaufen wir Ware aus Umstellungsbetrieben (Apfelbauern, die von konventionellem Anbau auf Bio umstellen), um in schlechten Apfeljahren (wie letztes Jahr eines war) die Mengen ausgleichen zu können.

Christian Langrock, Das Geld hängt an den Bäumen GmbH. (Fotos: Jens Boldt)

Wo und wie werden die Säfte verkauft und was müssen Sie bei der Qualitätssicherung beachten?

Langrock: Wir vertreiben unseren Saft hauptsächlich im persönlichen Direktvertrieb. Das heißt, wir beliefern einen Großteil unserer Hamburger Kunden direkt. Unser Kundenstamm reicht von Privatkunden über Firmenkunden und Wiederverkäufer bis hin zu Cafés, Hotels und Gastronomen. Das schafft im wahrsten Sinne des Wortes Nähe zum Kunden – und durch das Auslassen des Handels verlängern wir die Wertschöpfungskette. Qualität und Qualitäts-sicherung sind wichtige Punkte für uns. Unsere Kunden erwarteten ein Premiumprodukt. In der Produktion achtet unser Slow Food-Vermoster, Uwe Engelmann, darauf, dass wir nur gute Äpfel vermosten. Wir mussten einiges lernen, bis wir unser heutiges Niveau erreicht haben. Nach der Abfüllung und unmittelbar vor dem Verkauf, bei der Etikettierung, werden unsere Flaschen noch einmal einzeln per Sichtkontrolle überprüft. Zusätzlich haben wir dieses Jahr beim Fresenius Institut einen Labortest unseres Safts machen lassen. Der hat dessen Qualität bestätigt – er würde sogar den strengen Auflagen für Babynahrung genügen. Auch wenn wohl kein Baby seine Muttermilch gegen Apfelsaft tauschen würde.

Nachhaltigkeit in der Lebensmittelnutzung und -verarbeitung ist bei den Konsument_innen ein zentrales und aktuelles Thema, erschöpft sich darin aber nicht. Was verstehen Sie unter Nachhaltigkeit?

Langrock: Zum Beispiel, dass wir unsere großen 0,75-Liter-Einwegflaschen in einem geschlossenen Pfandsystem mehrfach nutzen. Dank einer Kooperation mit der Holsten-Brauerei lassen wir dieses Jahr zum ersten Mal dort un-sere kleinen 0,25-Liter-Flaschen reinigen und befüllen sie ebenfalls mehrfach. Das schont die Umwelt. Außerdem verkaufen wir unsere Waren lokal in Hamburg: Mittelfristig wollen wir unser Konzept durch Kooperationen auch an anderen Standorten umsetzen. So kann auch in anderen Städten regionaler Apfelsaft entstehen und können Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen geschaffen werden.

Aber Nachhaltigkeit bedeutet für uns noch mehr. Sie betrifft ja nicht nur Produkt und Rohstoffe, sondern auch alle anderen Unternehmensprozesse. Von kleinen Dingen wie dem elektronischen Rechnungsversand bis zum Kauf ei-nes Elektroautos als nächstes Auslieferfahrzeug. Wir sind da sicherlich noch nicht perfekt und es bleibt eine Menge zu tun, aber wir haben großes Bewusstsein für diese Fragen.

Ganz bildlich gesprochen: Welche Früchte trägt die Zusammenarbeit mit den Behindertenwerkstätten? Sind Ihre Pflücker_innen stolz, ihr Produkt am Ende in den Händen zu halten?

Langrock: Ja! In vielen Situationen spüren wir, dass die Beschäftigten der Elbe-Werkstätten und unsere eigenen Mitarbeiter stolz sind auf das Resultat ihrer Arbeit. Wir spüren das zum Beispiel, wenn die Kollegen an Verkos-tungsständen oder auf Veranstaltungen mit Kunden ins Gespräch kommen – und ihnen voller Stolz erzählen, dass sie diesen Saft gemacht haben und wir Millionen von Litern davon produzieren. Da werden manchmal auch Fakten verdreht, aber ihre Freude ist in dieser Situation wichtiger – und dass sich in solchen Unterhaltungen manche Hemmschwelle gegenüber Menschen mit Behinderungen löst. Das ist ein schöner Zusatzeffekt.

Sicherlich wurden Sie im Laufe der Zeit vor verschiedene Herausforderungen gestellt. Was sehen Sie als die größte Hürde an, die es zu überwinden galt bzw. gilt?

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Abschlussbericht 2014

Langrock: Herausforderungen gibt es in der Tat viele. Eine der größten war für mich zu verstehen und zu akzeptie-ren, dass unser Laden nicht nach denselben Regeln funktioniert, die ich in meinem bisherigen Berufsleben gelernt hatte. Höher, schneller, weiter ist bei einem sozialen Projekt fehl am Platz. Geduld ist viel wichtiger. Und man muss immer wieder versuchen, jeden dort abzuholen, wo er sich gedanklich befindet. Das fällt mir bis heute nicht immer leicht.

Seit einiger Zeit werden Sie von den Sustainable Business Angels begleitet. Was haben Sie bisher gemeinsam erreicht und was wünschen Sie sich für die kommenden Monate?

Wir sind sehr froh, dass wir die Beratung der Sustainable Business Angels nutzen dürfen. Ein riesiger Vorteil für uns ist, dass es erfahrene nachhaltige Unternehmer sind, die gemeinsam mit uns unser Geschäftsmodell reflektieren. Denn wir brauchen keine Unternehmensberater, die nur auf die Zahlen sehen und nach Optimierungspotenzial su-chen. Die SBAs standen selbst vor vielen Jahren vor ähnlichen Herausforderungen wie wir heute. Wir können von ihrem Erfahrungsschatz profitieren. Bisher ist viel Zeit in die Analyse unserer aktuellen Situation geflossen. An den kommenden Beratungstagen geht es dann mehr in Richtung Zukunftsplanung.

Wo stehen Sie mit Ihrem Unternehmen in zehn Jahren?

Langrock: Hoffentlich in vielen Regionen Deutschlands! Wir wollen auch in anderen Gegenden Deutschlands lo-kalen, sozialen und nachhaltigen Apfelsaft produzieren und vertreiben. Aber es wird auch viele weitere Produkte geben, die wir aus Rohstoffen oder Dingen fertigen, die ansonsten an den Bäumen hängen blieben oder auf dem Müll landeten. Unser Ziel ist, möglichst viele Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Aber wir wollen gemäßigt und nachhaltig wachsen. Denn wir tragen eine große Verantwortung – scheitert unser Projekt, gibt es kaum Job-Alternativen für unsere Mitarbeiter.

Assessment

Bei der Bewerbung wurden die Unternehmen gebeten, einige Fragen zur Selbstwahrnehmung im Gebiet Corporate Social Responsibility zu beantworten. Auf dieser Basis wurden schließlich persönliche Gespräche zwischen den Unternehmern und den Sustainable Business Angels Peter Kowalsky und Jürgen Schmidt vereinbart.

Am Beispiel der Unternehmen Emils Feinkost und Die Genusshandwerker wird hier dargestellt, wie das Institut für Nachhaltigkeit Frank Simon und die Mediengruppe macondo eine ausführliche SWOT-Analyse mit den Jungunter-nehmer_innen durchgeführt haben. Ziel war es, Fremd- und Eigenwahrnehmung abzugleichen und Stärken und Schwächen der Kandidat_innen nachvollziehbar herauszuarbeiten. Die Ergebnisse der Analyse sowie die von den Jungunternehmer_innen bereits in der Bewerbung geäußerten Beratungswünsche bildeten die Basis für die erste Praxisphase.

In einem der ersten Projektschritte wurden die Möglichkeiten der nachhaltigen Jungfirmen in der Praxis getestet. Die Sustainable Business Angels boten den Jungunternehmer_innen dabei die Chance, von ihrem Fachwissen, ih-ren Netzwerken und auch von ihren speziellen Kenntnissen rund um das Thema CSR zu profitieren. Bereits nach dem Abschluss der ausführlichen Unternehmensanalyse sollten in gemeinsamen Gesprächen die Kernaspekte der benötigten Beratung durch die jungen Unternehmer_innen formuliert und mit den Vorstellungen der SBAs abge-glichen werden. Auf dieser Basis wurde ein grobes Rahmenmuster der folgenden Beratungsphase erstellt.

Die konkreten Beratungstermine wurden dabei individuell zwischen Jungunternehmen und den SBAs vereinbart und vorbereitet. Die Treffen dauerten meistens den ganzen Tag. Es hat sich bewährt, die einzelnen Sitzungen thematisch zu gliedern und von den Jungunternehmer_innen vorbereiten zu lassen. Wichtig war dabei auch die Auswahl der geeigneten Lokalität. Ein Treffen zur Frage von Produktionsprozessen und -abläufen sollte daher an den tatsächlichen Werksorten stattfinden.

Neben den eigentlichen Gesprächen sollten schriftliche Protokolle angefertigt werden, die im Anschluss an den Termin allen Beteiligten zugänglich gemacht wurden. Hier ergaben sich häufig Anknüpfungspunkte – Unklarheiten konnten zeitnah ausgeräumt werden.

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Abschlussbericht 2014

DieSustainableBusinessAngelsdergesamtenPraxisphase

Peter Kowalsky

In Weihenstephan lernte er die Braukunst, in der elterlichen Dis-kothek entwickelte er ein Gespür dafür, was Kundenorientierung heißt, und während der langen Jahre, die es dauerte, bis das einzigartige Erfrischungsgetränk Bionade zu einer Erfolgsge-schichte wurde, die bis heute ihresgleichen sucht, entwickel-te er den nötigen Durchhaltewillen und Pragmatismus, den es eben auch braucht, um eine gute Idee am Markt erfolgreich zu platzieren.

Für sein unternehmerisches und gesellschaftliches Engagement wurde der 1968 in Bad Neustadt an der Saale geborene Unternehmer bereits mehrfach ausgezeichnet, u. a. zeitgleich mit dem memo-Gründer Jürgen Schmidt als „Ökomanager des Jahres 2007“. Ebenfalls 2007 erhielt Peter Kowalsky die Auszeichnung „Mittelständler des Jahres“. Er ist zudem Träger des Horizont Award (2007) sowie des BDU Manager Award (2008).

Nach seinem Studium an der TU München / Weihenstephan war der diplomierte Brauingenieur zunächst Tech-nischer Leiter und Braumeister der elterlichen Privatbrauerei Peter KG im bayerischen Ostheim vor der Rhön. Aus dem traditionsreichen Familienunternehmen ging 1995 die Bionade GmbH hervor. Gemeinsam mit seinem Bruder Stephan verantwortete Peter Kowalsky maßgeblich die Entwicklung und den Erfolg des gleichnamigen Erfrischungsgetränks. Als geschäftsführender Gesellschafter leitete Peter Kowalsky bis Anfang 2012 die Bereiche Marketing, Vertrieb, PR sowie nachhaltige Entwicklung der Bionade GmbH.

Themen wie Nachhaltigkeit, Verantwortung und Innovation werden Peter Kowalsky auch zukünftig begleiten, wenn-gleich in einer neuen Konstellation. „Ich glaube, dass gesellschaftliche Veränderungen Vorbilder brauchen, die zeigen, wie man eine gute Idee zum Leben erweckt. In den Anfangsjahren von Bionade hatten wir zwar unsere Familien an unserer Seite und das sichere Gespür dafür, ein gutes Produkt in den Händen zu halten. Als ich jedoch gemeinsam mit meinem Bruder die Geschäftsführung von Bionade übernahm, fehlten uns Vorbilder, an denen wir uns hät-ten orientieren können“, sagt Peter Kowalsky. Aus diesem Grund sei es ihm heute wichtig, sein Wissen und seine durchaus auch aus Fehlern gemachten Erfahrungen an junge Unternehmer und Unternehmerinnen weiterzugeben.

Dass Erfolg harte Arbeit bedeutet und dass es in den Anfängen eines Unternehmens die große, schnelle Lösung nicht gibt, ist für Peter Kowalsky eher ein Vorteil. „Es zwingt einen dazu, sich intensiv mit der Situation auseinan-derzusetzen. Oft sind es erst die Grenzen, die einen kreativ werden und bislang nicht gedachte Wege gehen lassen“, sagt der erfolgreiche Unternehmer, dessen Stiefvater die Bionade „erfand“, um die vor dem Konkurs stehende Familienbrauerei zu retten. „Ich freue mich daher sehr darauf, mein Wissen und meine Erfahrungen an junge Unternehmen weiterzugeben. Dabei dürfen weder Humor noch Leidenschaft und Begeisterung für die Sache oder ein gewisses Maß an Kritikfähigkeit zu kurz kommen. Diese Faktoren sind mindestens ebenso wichtig für den dau-erhaften Erfolg eines Unternehmens“, so Peter Kowalsky.

Jürgen Schmidt

„Nachhaltig gut“ - der Slogan der memo AG ist für Jürgen Schmidt Credo und Lebensmotto zugleich. Der Gründer des Handelsun-ternehmens arbeitet und lebt seit über 30 Jahren für nachhal-tige Produkte: Was mit dem Verkauf von „Umweltschutzpapier“- Heften auf dem Schulhof begann, entwickelte sich zu einem eu-ropaweit tätigen Versandhaus - mit aktuell über 120 Mitarbeitern, mehr als 10.000 ökologisch durchdachten, sozialverträglichen und dabei preiswerten Artikeln (darunter über 1.000 memo-Markenprodukte) und über 100.000 Kund_innen.

Es ist die stets ganzheitliche Betrachtung aller Geschäftsbereiche in Bezug auf Umwelt und Gesellschaft, die Jürgen Schmidts unternehmerisches Handeln auszeichnen und - so seine Überzeugung - auch in wechselhaftem kon-junkturellem Umfeld konstante Ertragskraft ermöglichen. Bei der memo AG fußt jede strategische Entscheidung, aber auch jede Einzelmaßnahme auf den Prinzipien der Nachhaltigkeit - ob Sortimentsgestaltung oder Logistik, Standort- oder Personalmanagement, externe Partnerschaften oder Kooperationen.

Aufgrund ihrer ganzheitlich nachhaltigen Ausrichtung wird die memo AG regelmäßig mit Auszeichnungen belohnt. So wurde u. a. der Nachhaltigkeitsbericht im Jahr 2005 mit der Deutschen, im darauf folgenden Jahr mit der Europäischen Auszeichnung gewürdigt. 2009 belegte er den 1. Platz im Ranking der Nachhaltigkeitsberichte für kleine und mittelständische Unternehmen, durchgeführt von future e.V. und dem Institut für ökologische Wirt-schaftsforschung (IÖW). Einer der Höhepunkte für das Unternehmen ist der Deutsche Nachhaltigkeitspreis 2009 als „Recyclingpapierfreundlichstes Unternehmen Deutschlands“ und jeweils Top 3 der nachhaltigsten und recycling-freundlichsten Unternehmen im Land. 2010 erhielt die memo AG von der Verbraucher Initiative e.V. die Auszeich-nung als „Nachhaltiges Einzelhandelsunternehmen“ in Gold. Auch Jürgen Schmidt wurde mehrfach ausgezeichnet: im Jahr 2001 mit dem B.A.U.M.-Umweltpreis, 2007 als „Ökomanager des Jahres“ von WWF und Capital, 2008 mit der Bayerischen Staatsmedaille für Verdienste um Umwelt und Gesundheit und 2011 mit dem Deutschen Umwelt-preis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).

Nach seinem Ausscheiden aus Vorstand und Aufsichtsrat der memo AG widmet sich Jürgen Schmidt zahlreichen ehrenamtlichen Mandaten im Bereich der nachhaltigen Bildung, der Unterstützung nachhaltigen Wirtschaftens sowie im Naturschutz. Als Partner des europaweit tätigen Terra-Institutes begleitet er Unternehmen bei der Trans-formation zu einer neuen, ganzheitlichen Kultur der Nachhaltigkeit.

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Abschlussbericht 2014

Ulrich Walter

Am Anfang ein Ereignis: Ulrich Walter bestückt die Regale seines neu eröffneten Bioladens Lebensbaum, doch es fehlen Kaffee, Tee und Gewürze. Nicht erhältlich, heißt es. Walter weiß sofort, dass dieses Ärgernis nicht nur seinen Laden betrifft. Also gründet er die Ulrich Walter GmbH und stellt die Waren selber her. Binnen weniger Jahre füllen Kaffee, Tee und Gewürze der Marke Lebens-baum nahezu jedes deutsche Biogeschäft.

Während die westliche Welt noch erschüttert die „Grenzen des Wachstums“ diskutiert, ersinnt Walter Ende 1979 die Lebensbaum-Synthese aus grünem Kerngeschäft und bedingungsloser Qualitätsorientierung.

Nicht über den Preis, sondern über die Qualität vermarktet er Lebensmittel. Kaffee, Tee und Gewürze lässt der Biopionier nach den Methoden des ökologischen Landbaus anbauen, weil hier Produkt- und Prozessqualität über-einstimmen. Er kauft im Ursprung ein, weil Qualität Herkunft hat und er bei der Entstehung seiner Produkte von Anfang an dabei sein will.

Der erste Bio-Kaffee, der erste Bio-Tee: Beide Produkte stammen aus seinem Haus und werden von Walter un-ter dem Markennamen Lebensbaum vermarktet. Ob die Kund_innen für sein umfassendes Qualitätsverständnis damals bereit waren, konnte Walter nicht wissen; er hat einfach losgelegt. Gerade in den Anfangsjahren gingen Produkt- und Bewusstseinsentwicklung Hand in Hand. Deshalb bringt Walter 1988 eine Kundenzeitschrift her-aus, in der über Warenkunde, Herkunft sowie die Umweltverträglichkeit der Lebensbaum-Produkte berichtet wird. Spätestens Anfang der 90er-Jahre wird deutlich, dass Ulrich Walter das richtige Gespür hatte. Mehr und mehr Kund_innen suchen nach Orientierung in einer Lebensmittel-Welt, die sich im Dilemma aus Lebensmittelskandalen und Billigpreisen zunehmend verheddert. Ein genereller Wertewandel zu mehr Lebensqualität und Nachhaltigkeit setzt ein. Immer mehr Kund_innen fühlen sich bei der selbstbewussten Marke Lebensbaum gut aufgehoben und machen die Ulrich Walter GmbH zum Marktführer.

Ulrich Walter führt die Marke Lebensbaum mit Gespür und Übersicht. Kompostierbare Verpackungen werden erst eingeführt, nachdem sichergestellt ist, dass sie gentechnikfrei sind. Auf zugesetzte Aromen wird konsequent ver-zichtet, auch wenn manch einem nach einem Tee mit Blueberry-Muffin-Aroma noch so dürstet. Längst nicht alles, was der Zeitgeist fordert, wird gemacht. Dafür überrascht die hauseigene Produktschmiede mit Neuheiten, die die-sen Namen tatsächlich verdienen: Exemplarisch genannt seien hier Darjeeling Tees aus exklusiven Teegärten oder der erste Espresso in Demeter-Qualität. Möglich sind solche Produktinnovationen, weil das Unternehmen direkt im Ursprung einkauft und in Zusammenarbeit mit den Zulieferern neue Produkte entwickelt. Lieferanten-Beziehungen begreift das Unternehmen als langfristige Qualitätspartnerschaften. Vom Feld bis zum Regal hält der Biopionier die gesamte Wertschöpfungskette in der Hand. Diese Fertigungstiefe ist beispiellos und verschafft Vorsprung in Sachen Qualität, Transparenz und Innovation.

Michael Radau

Michael Radau, Vorstandsvorsitzender der SuperBioMarkt AG, ist seit fast 30 Jahren im Naturkosteinzelhandel aktiv. Nach dem Abitur und einem Studienaufenthalt in den USA leistete er seit 1983 Pionierarbeit in der münsterschen „Kornblume“, die er 1985 übernahm. 1986 eröffnete er eine erste Filiale.

1992 folgte die Fusion mit der Biogarten Naturkost Handels GmbH, als geschäftsführender Gesellschafter der nun vier Filialen erkannte Michael Radau frühzeitig die Bedürfnisse der Kund_innen abseits des klassischen Bioladens. 1993 entwickelte er daher das Konzept des SuperBioMarkts als Vollsortimenter und eröffnete den ersten Super-BioMarkt in Münster.

In den nächsten Jahren entwickelte Radau seine Idee zu einem Filialkonzept weiter, seit 2001 als Vorstandsvorsit-zender der umfirmierten SuperBioMarkt AG. Im Jahr 2012 beschäftigt die SuperBioMarkt AG über 480 Mitarbeiter_innen an 17 Standorten in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen und ist in NRW Marktführer im Biofachhandel.

Zusätzlich betätigt sich Radau ehrenamtlich als Vizepräsident des Handelsverbands NRW, Vorsitzender des Einzel-handelsverbands Westfalen-Münsterland und als Vorsitzender des Handelsausschusses der IHK Nord Westfalen.

In Verbänden, Gremien und Politik fordert und fördert er die Gemeinwohlorientierung mittelständischen Unter-nehmertums. Exemplarisch genannt seien hier der B.A.U.M.-Unternehmerbeirat, der niedersächsische Fachbeirat Ökolandbau sowie seit 2012 sein Vorsitz im Aufsichtsrat der GLS-Bank (die erste sozial-ökologische Universalbank der Welt).

Zuletzt sei an dieser Stelle die 2008 gegründete Lebensbaum-Stiftung erwähnt. Die Stiftung fördert Maßnahmen zur Umwelt-, Sozial- und Friedenserziehung ebenso wie Initiativen zu gesunder Ernährung und zum Schutz der natürlichen Lebensräume. Besondere Aufmerksamkeit widmet die Stiftung Kindern und jungen Menschen. Seit 2013 wird von der Lebensbaum-Stiftung gemeinsam mit drei weiteren Organisationen der Forschungspreis Bio-Lebensmittel ausgelobt.

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Abschlussbericht 2014

ExpertenteamfürSWOT-AnalysenundProjektmanagement

Das 2010 von Dr. Frank Simon gegründete Institut für Nachhaltigkeitsmanagement hat sich auf die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien und deren Umsetzung in privatwirtschaftlichen Unternehmen und sozialen Einrich-tungen spezialisiert. Fragen des Wertemanagements und der nachhaltigen Ausrichtung der Managementsysteme stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten des Instituts.

Nachhaltigkeitsmanagement ist nach Auffassung des Instituts die gleichberechtigte Integration sozialer und ökolo-gischer Ziele in die wirtschaftlich orientierten Planungs- und Geschäftsprozesse. Dies symbolisiert auch der Würfel als Logo des Instituts mit seinen drei Dimensionen. Exzellentes Nachhaltigkeitsmanagement ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen und NPO in einer sich immer schneller wandelnden Umwelt. Die Berücksichtigung der sozialen und ökologischen Dimensionen im unternehmerischen Handeln und das Eingehen auf die Belange der Stakeholder sind die Garanten für Innovation, solides Wachstum, hohe Mitarbeiterzufriedenheit und langfristigen Erfolg. Dafür arbeiten die Mitarbeiter_innen des Instituts mit Freude und Leidenschaft.

Zu den Leistungen gehört die Unterstützung bei der Erarbeitung von Nachhaltigkeitsstrategien, die Ableitung ent-sprechender Maßnahmenpakete und die Schaffung geeigneter innerbetrieblicher Strukturen sowie die Hilfe beim sachgerechten Dialog mit den Stakeholdern. Im Gegensatz zu traditioneller Denkweise wird aber die soziale und ökologische Verantwortung nicht allein als Risiko- und Kostenfaktor aufgefasst, sondern vielmehr als eine be-deutende Chance und Erfolgspotenzial des Unternehmens. Sie systematisch zu erkennen und zu realisieren, ist die Aufgabe des Instituts. Dabei werden keine einfachen und bequemen Lösungen versprochen. Die Betrachtung zusätzlicher Dimensionen und die Interessen verschiedener Stakeholder bringen Zielkonflikte, Interessengegen-sätze und Schwierigkeiten mit sich. Genau dies ist jedoch keine Belastung, sondern Quelle kreativer Prozesse zur Weiterentwicklung des Unternehmens. Es geht nicht um das Denken von Utopien, sondern vielmehr um die mu-tige Realisierung des Machbaren – mitunter anfangs nur in kleinen Schritten, aber immer in die richtige Richtung. Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit sind zentrale Werte. Kleine, tatsächlich realisierte Veränderungen sind mehr wert als große Versprechungen.

Die Mediengruppe macondo, ist ein inhabergeführtes Verlags- und Medien-Unternehmen. Dr. Elmer Lenzen gründete macondo im Jahr 1998. Kernge-schäftsfelder sind eigene Verlagspublikationen, kompetente Unternehmens-kommunikation sowie dazugehörende Agenturleistungen. Eine herausragende Rolle nimmt dabei das Thema „Corporate Social Responsibility“ (CSR) ein.

Mit „UmweltDialog“ ist macondo Herausgeber des ersten deutschsprachigen Online-Nachrichtendienstes rund um die Themen CSR und Nachhaltigkeit und auf diesem Gebiet führend. Die Fachbuchreihe mit der Erstveröffentli-chung „Berufsbild CSR-Manager“ ist vor allem in wissenschaftlichen Kreisen anerkannt.

Aus der engen Zusammenarbeit mit dem UN Global Compact resultieren das deutsche sowie das internationale Global Compact Jahrbuch. Präsentiert werden darin anschauliche Beispiele von Unternehmen, in deren Praxis die zehn Prinzipien des Global Compact erfolgreich integriert sind. Der Mantelteil fokussiert die aktuell wichtigen Nachhaltigkeitsthemen wie Menschenrechte, Klimawandel, Biodiversität und viele weitere. Das deutsche Jahrbuch erscheint inzwischen kontinuierlich seit 2004. Das internationale Jahrbuch wird seit 2009 mit einer weltweiten Verbreitung veröffentlicht.

Als Verlagshaus geben wir einige der renommiertesten Publikationen zum Thema Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility heraus. Wir wissen daher sehr gut, wie man gesellschaftliche Verantwortung kommuniziert. Wir können gemeinsam mit Ihnen Konzepte für eine effiziente Nachhaltigkeitskommunikation entwickeln und diese journalistisch umsetzen. Aufgrund langjähriger Mitgliedschaften in Schlüsselinitiativen wie der GRI oder dem Global Compact erschließen wir Ihnen den aktuellen Stand der CSR-Debatte.

Unsere Leistungen umfassen:

• Strategieberatung

• Stakeholderdialoge

• Medienarbeit

• Online-Redaktion

• Corporate Print

• Online-Lösungen für CSR-Management und -Wissenstransfer

Ansprechpartner: Dr. Elmer Lenzen

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Abschlussbericht 2014

Selbsteinschätzung:DieGenusshandwerker

Welchen Stellenwert haben Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit für den Unternehmenserfolg?

Wir bewerten die Bedeutung der sozialen Nachhaltigkeit als hoch.

Die Auswahl unserer Produzenten / Erzeuger erfolgt unter dem Wertedreieck der Slow Food-Philosophie: gut, sauber und fair. Daraus abgeleitete wichtige soziale Aspekte sind insbesondere die Arbeitsbedingungen in den Betrieben, über die wir uns im Rahmen der Betrieb-Erstbegehung und Folgebesuche ein Bild machen. Bei vielen unserer Produzenten handelt es sich um Familienbetriebe mit recht kleinen Mitarbeiterzahlen. Hier bekommt man jedoch schnell ein klares Stimmungsbild vor Ort mit.

Bei der Auswahl unserer Logistikdienstleister achten wir bspw. auf eine hohe Quote festangestellter Mitarbeiter und haben auch da unser Ohr am Mitarbeiter, wenn es z. B. um die Praxis von Urlaubs- und Überstundenregelungen geht. Wir arbeiten nicht mit Unternehmen, die mehr als 30 % Subunternehmer beschäftigen, da wir darin ein Indiz dafür sehen, dass der Wert des einzelnen Menschen und seiner Arbeit vor allem als eine ökonomische Stellschrau-be gesehen wird.

Die jüngsten Berichte von Günter Wallraff zu den Arbeitsbedingungen bei Paketdiensten, aber auch die ZDF-Berichte über die Arbeitsbedingungen im Lager und Versandbereich bei Zalando oder Amazon bekräftigen unsere Einschätzung der Lage.

Es mag vielleicht verwundern, dass wir unserer „subjektiven“ Beobachtung und Meinung so viel Wert beimessen. Zum einen erlaubt uns die Nähe dies, andererseits haben wir als Kunde nicht die wirtschaftliche Bedeutung, dass wir Forderungen an Produzenten im Rahmen von Jahresgesprächen „durchsetzen“ können würden.

Welchen Stellenwert haben Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit für den Unternehmenserfolg?

Wir bewerten die Bedeutung der ökologischen Nachhaltigkeit als sehr hoch.

Unser Sortiment fokussiert auf das jeweils beste Produkt seiner Klasse. Die Erzeugung erfolgt meist sehr traditio-nell, tendenziell eher Lowtech, teilweise in Betrieben, die auch nach Bio-Kriterien arbeiten. Auch hier gilt uns aber die gelebte Praxis mehr als das Zertifikat an der Wand.

Die meisten Produkte entstehen in regionalen Kreisläufen, d. h. die gesamte Wertschöpfungskette bis zur Waren-abgabe an uns bleibt vor Ort. Auch Hilfsmittel oder Futter stammt weitestgehend aus der Region. Beispielsweise wird italienische Pasta aus süditalienischem Hartweizen erzeugt und nicht aus der üblichen Importware aus z. B. Kanada. Rinder werden in Weidehaltung gehalten und erhalten – wenn überhaupt – kein konventionelles Kraftfutter, das meist Soja und Mais aus Übersee enthält. Fisch kaufen wir aus dem Fang der traditionellen Tagesboote, eine Form des Fischfangs, die nicht zu der Überfischung beigetragen hat, deren Ursachen eher in der industrialisierten Fischwirtschaft liegen.

Sowohl in unseren Lager- wie Büroräumen nutzen wir 100 % Naturstrom.

Welchen Stellenwert haben Aspekte der ökonomischen Nachhaltigkeit für den Unternehmenserfolg?

Wir bewerten die Bedeutung der ökonomischen Nachhaltigkeit als hoch.

Im Lager / Versand zahlen wir unseren Mitarbeitern zwischen zehn und 18 Euro Stundenlohn. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt hier lediglich 7,01 Euro. Mitarbeiter aus dem engeren Kreis – also keine reinen Saisonkräfte – reisen mit uns zu Erzeugern oder auf Foodmessen, auch wenn ihr derzeitiger Arbeitsbereich dies als solches nicht erfordern würde.

Erstkunden fragen wir systematisch nach ihrer Zufriedenheit mit unseren Produkten und unserer Dienstleistung ab. Dieses Feedback wie auch Reklamationen sind uns sehr wichtig. Einerseits können wir mit diesem Wissen die „Kette“ rückwärts verfolgen und so Fehler identifizieren und Maßnahmen zu deren Vermeidung ergreifen. Kundenseitig gehen wir mit Reklamationen sehr großzügig um und entscheiden über diese – bis auf augenscheinliche Betrugs-versuche – immer aus Kundensicht.

Mit unseren Lieferanten leben wir ein persönliches und wertschätzendes Verhältnis. Es ist nicht unsere Absicht, diese Lebensmittelhandwerker in eine Art Abhängigkeit zu uns zu bringen. Daher streben wir keine Exklusivität an, sondern halten es für besser, wenn diese Betriebe mehrere wirtschaftliche Standbeine haben bspw. Direktverkauf vor Ort, über den lokalen Wochenmarkt und bei uns. Auch bei der Preisbildung muss ein ausgewogenes Verhältnis für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette erreicht werden.

Selbstverständlich beachten wir alle steuerlichen Vorgaben und halten diese ein.

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Abschlussbericht 2014

ErgebnissederSWOT-Analyse:

DieGenusshandwerker

Wirtschaftliche Dimension

Markt / Marktentwicklung

> Keine validen Zahlen für den Markt vorhanden > Wettbewerber: Otto-gourmet.de, Gourmet-Fleisch.de, Gourmondo, Biosupermärkte > Marktanteil ist nicht bekannt.

Eigenes Angebot und Herausforderungen

> Fleisch > Fisch (Problem sind kurzfristige Preissprünge) > Geflügel (Problem ist das fehlende Preisbewusstsein der Kunden) > Käse (Problem ist das fehlende Preisbewusstsein der Kunden)

Allgemeine Angaben

> Der momentane Umsatz ist zu gering, um eine sichere Wirtschaftsbasis zu gewährleisten. > Langfristig ist ein Umsatz von drei bis fünf Millionen Euro gewünscht, dabei wird „Wachstum“ für die Entwicklung des Unternehmens allerdings als Sekundärziel betrachtet. > Das Wachstum in den ersten vier Jahren lag bei etwa 20 Prozent p.a., im vergangenen Jahr fiel das Wachstum mit ca. acht Prozent etwas geringer aus. > Die Altersstruktur des Kundenstamms liegt bei Ü-50. > Der Umsatz ist von der Konjunktur in Deutschland unabhängig.

Stärken Schwächen

Personengebundene Geschäftsausübung (hohe Authentizität gegenüber Kund_innen, direkter Einfluss auf alle Geschäftsprozesse)

Personengebundene Geschäftsausübung (Geringe personelle Ressourcen begrenzen Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten)

Sortiment ist breit aufgestellt. Sichtbarkeit ist gegenüber anderen Bewerbern gering.

Sortiment ist qualitativ höchstwertig. Erschließung neuer Zielgruppen ist schwierig.

Waren werden ständig überwacht / überprüft. Es gibt nur einen Liefertag.

Kund_innen nehmen die Marke als hochwertig und verantwortungsbewusst wahr.

Qualitätsentscheidung ist subjektiv. Es gibt auch für Kund_innen keine nachvollziehbaren Auswahlkriterien. Eine schriftliche Absicherung bei Problemen fehlt.

Lieferantenbeziehungen beruhen auf persönlichen Kontakten / persönlichem Vertrauen.

Begrenzte Zahlungsmöglichkeiten

Schnelle Bearbeitung von Kundenanfragen Fehlendes Controlling

Die Bezahlung erfolgt ggf. grammgenau (positive Assoziation mit Wochenmärkten).

Der Jahresabschluss erfolgt regelmäßig zu spät.

Soziale Dimension und Menschenrechte

Grundlagen

> Angestellte werden für den Verpackungsbetrieb am Versandtag gebraucht. > Zulieferbetriebe liegen in Deutschland oder Europa. > Keine eigene Produktion

Ökologische Dimension

Grundlagen

> Landwirtschaftliche Produkte aus Europa > Zulieferer sind bekannt und in der Regel persönlich geprüft.

Stärken Schwächen

Zulieferbetriebe befinden sich alle innerhalb Europas, Menschenrechte werden durch gesetzliche Regelungen abgedeckt.

Versand der Ware erfolgt über UPS / DHL-Express (zunehmende Anzahl an Subunternehmen).

Arbeitsbedingungen bei Zulieferern werden durch persönliche Besichtigungen kontrolliert.

Ausschlusskriterium ist ausschließlich die Qualität.

Im Prinzip gibt es nur Monoprodukte. Es gibt keinen Verhaltenskodex für Mitarbeiter_innen.

Produkttransparenz ist für Kund_innen über die Webseite gegeben.

Es gibt keine Zertifikate von Zulieferern.

Bezahlung der eigenen Mitarbeiter_innen erfolgt nach Tarif oder höher.

Eigene Angestellte arbeiten auf Honorarbasis.

Vernünftige Arbeitsgeräte werden gestellt. Keine betriebliche Vorsorge für Mitarbeiter_innen

Mitarbeiter_innen werden auf „Produkterleben“-Fort-bildungen mitgenommen.

Fördermitglied der Slow Food-Bewegung

Stärken Schwächen

Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe Umweltschädliche Verpackung

Nutzung von Ökostrom Keine CO2-Bilanz in der Logistik

Das ganze Tier wird verarbeitet – es werden auch Produkte angeboten, die nicht dem üblichen Konsummuster deutscher Verbraucher entsprechen.

Keine nachvollziehbare Überprüfung auf die ökologische Unbedenklichkeit von Futtermitteln

Gentechnik ist ein Ausschlusskriterium.Es werden auch Fische von der gelben Liste angeboten.

Es wird nur Freilandgeflügel angeboten.

Keine Lagerung der Lebensmittel

Für den Geschäftsbetrieb wird energieeffiziente Hardware eingekauft.

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Abschlussbericht 2014

Selbsteinschätzung:EmilsFeinkost

Welchen Stellenwert haben Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit für den Unternehmenserfolg?

Für uns hat das Engagement direkt in den ländlichen Regionen einen herausragenden Stellenwert: Für uns beginnt „fair trade“ direkt vor der Haustür. So möchten wir die Wertschöpfung in der Zulieferkette so regional wie möglich halten, um den direkten Draht zum Erzeuger aufbauen zu können. D. h. unser Bio-Honig kommt von einer Imker-Familie in Bayern statt aus Indien oder Brasilien, wo er rein preislich herkommen müsste. Nur so haben wir aber die Transparenz, dass er nach unserer Philosophie erzeugt wird und die Möglichkeit, dies vor Ort zu steuern und zu verbessern. Mit anonymer Handelsware wäre das unmöglich. Für unseren wirtschaftlichen Erfolg ist dies wich-tig, da unsere Philosophie mit jedem Lebensmittelskandal – in der klassischen Lebensmittelindustrie – glaubhafter wird. Hinzu kommt, dass wir so die regionalen Strukturen stärken: Aktuell prüfen wir eine Zusammenarbeit mit der Regionalwert AG, um dies noch weiter auszubauen.

Die soziale Nachhaltigkeit ist nicht nur in der Zulieferung wichtig, sondern auch bei Produktion / Versand und im Fi-nanzfluss: So arbeiten wir mit der GLS Gemeinschaftsbank eG im Bereich Finanzen zusammen, um auch beim Geld die Sicherheit zu haben, dass es sinnvoll in die Gesellschaft eingebracht wird. Des Weiteren haben wir zur Produkti-on einen Werkstattbetrieb mit dem Rudolf-Sophien-Stift in Stuttgart aufgebaut. So können bis in den Versand der Produkte Rehabilitanden eingebunden werden, die dem Druck des normalen Arbeitsmarkts nicht gewachsen sind.

Welchen Stellenwert haben Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit für den Unternehmenserfolg?

Darunter verstehen wir vor allem Ressourcen- und Energieeffizienz, Reduzierung von Emissionen, Verwendung umweltfreundlicher Materialien, Recycling, Förderung von Biodiversität, Umweltfreundlichkeit der Produkte und Dienstleistungen im Gebrauch und danach. Es ist für uns im Marktauftritt wichtig, die ökologische Nachhaltigkeit nach außen zu kommunizieren. So verwenden wir aufwendig konstruierte Pappkartons für den Versand, um auf Füll- und Polstermaterial aus Kunststoffen zu verzichten. Auch Plastik-Klebeband kommt nicht zum Einsatz. Die Pakete werden CO2-neutral versendet. Die Reduzierung von Emissionen ergibt sich bei uns als Nebeneffekt unserer trans-parenten und nachhaltigen Zusammenarbeit mit den Lieferanten: Durch regionales Sourcing werden die Lieferwege so kurz wie möglich gehalten. Ebenso entfallen Handelsstufen, da wir möglichst direkt vom Erzeuger beziehen.

Welchen Stellenwert haben Aspekte der ökonomischen Nachhaltigkeit für den Unternehmenserfolg?

Zufriedene Partner in Verbindung mit einem permanenten Qualitätsmanagement sind für unsere Produktqualität elementar wichtig. Nur so können wir unsere Dressings ohne Pasteurisierung und ohne Zusatzstoffe anbieten: Qualitätsschwankungen in der Zulieferung können wir uns nicht leisten. Somit steht der faire Umgang mit Partnern (Lieferanten und Dienstleister) bei uns im Fokus. Z. B. bei der Preisverhandlung werden Optimierungspotenziale gesucht, die dem Erzeuger nicht wehtun (Verpackung, Transportbündelung …), statt diese rein durch Mengen-erhöhungen zu rechtfertigen: So können die Lieferanten fair bezahlt werden und wir die Produkte wirtschaftlich anbieten. Im Gegenzug haben wir ein hohes Ansehen bei den Lieferanten und eine hohe Motivation unserer Partner, die Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten. Das äußert sich in hoher Qualität.

Wirtschaftliche Dimension

Markt / Marktentwicklung

> Keine validen Zahlen für den Markt vorhanden > Wettbewerber: Davert, Erntesegen, Sylter Salatfrische > Zielgruppe sind Endverbraucher_innen in Biofachmärkten (4.000 Märkte, Abdeckung 10 %). > Marktentwicklung: Der Markt wächst (keine validen Zahlen), Bio wird zum neuen Standard.

Eigenes Angebot > Salatdressing (Vier Sorten) > Der Vertrieb hochwertiger anderer Zutaten wurde geprüft, allerdings nach einer kurzen Praxisphase wieder eingestellt.

Allgemeine Angaben

> Der momentane Umsatz ist zu gering, um eine sichere Wirtschaftsbasis zu gewährleisten. > Optimaler Umsatz in fünf Jahren: 1,5-2 Mio. Euro > Der Kundenstamm zeichnet sich durch „qualitätsbewusste Genießer mit wenig Zeit“ aus.

Stärken Schwächen

Flexibilität / Schnelligkeit aufgrund der Größe des Unternehmens

Schutzrechte erschweren andere Produkte und den Markennamen „Emils“.

Kreativität bei Umsetzungsmöglichkeiten Entwicklungszeit für neue Produkte kommt zu kurz.

Identifikation der Mitarbeiter_innen / Gründer_innen mit dem Unternehmen

Wenig Zeit für Marketing / strategische Prozessplanung

MutHohe Fremdkosten für Lebensmitteltechnik, Warenkontrolle

Know-how im Marketing und Processing Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten

Outsourcing der operativen Tätigkeiten (schnelle Reaktionsmöglichkeiten)

Zeitressourcen / Finanzen (Preis für Unabhängigkeit)

keine hohen Investitionen Fehlendes Know-how im Lebensmittelsektor

Einkaufspreise und Produktionsverfahren für jetzige Größe optimal

Durch die klare Aufgabentrennung ist die Übernahme von Arbeit bei Ausfällen schwierig.

Laborgestützte Wareneingangskontrolle ausgewählter Eingänge

Optimierungspotenzial bei IT

Haftung ist mit Versicherungen abgedeckt.

Klare Aufgabentrennung regelt die Arbeitsaufteilung.

ErgebnissederSWOT-Analyse

EmilsFeinkost

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Abschlussbericht 2014

Soziale Dimension und Menschenrechte

Grundlagen

> Zwei Angestellte auf 400 Euro-Basis > Zulieferbetriebe liegen in Deutschland oder Europa. > Produktionsprozess ist ausgelagert.

Ökologie

Grundlagen

> Natürliche Rohstoffe > Zulieferer sind bekannt (wenn möglich Kontakt über Produzent, nicht über Händler). > Produkt wird eigenständig entwickelt.

Stärken Schwächen

Selbstbestimmtes Arbeiten (Zeit und Raum) der Angestellten

Sozialkriterien sind kein offensives Ausschlusskriterium.

Zusammenarbeit mit physisch kranken MenschenArbeitskriterien bei Zulieferern werden nicht abgefragt / überprüft.

Europäisches Recht regelt formal die Arbeits- bedingungen bei Zulieferbetrieben.

Mitarbeiter_innen auf 400-Euro-Basis

Kundenbindung über gemeinsame Werte Urlaub kommt zu kurz.

Mitglied „Slow Food-Bewegung“

Stärken Schwächen

Beim Einkauf wird Regionalität bevorzugt.Keine Checkliste für Lieferanten zur Ressourcen- kontrolle

Natürlichkeit der Rohstoffe wird über Kontrolle / Vertrauen sichergestellt.

Einwegglasflaschen

Die meisten Zutaten haben ein Biosiegel.

Versand über DHL GoGreen

Keine Gentechnik

FSC- / Recyclingpapier -> Transportverpackung: 100 % Papier

Wo immer möglich: Vermeidung von Kunststoffen

ExemplarischeProtokollauszügederBetreuungsphase

Arbeitstreffen No. 2: 28.03.2013 Ausarbeitung Channel-Strategie

Problemstellung: Der Umsatz des Unternehmens ist zu gering. Idee: Ausweitung des Angebotes auf alternative Vertriebsmöglichkeiten

Fragestellung: > Welche Kanäle? > Welche Produkte für welche Kanäle? > Wie wird die Ausweitung finanziert?

Ergebnisse des Arbeitstreffens

Die Idee ist es, eine Ausweitung des Absatzes über neue Vertriebsmöglichkeiten zu erreichen. Dazu sollen neue Wege des Verkaufs angeregt werden, die einerseits den Bekanntheitsgrad der Marke sofort erhöhen, andererseits keinen Folgeaufwand verursachen. Eine Finanzierung der Maßnahmen über externe Investoren wurde dabei ebenso ausgeschlossen wie größere monetäre Eingaben der Gründer.

Ausgehend von diesen Vorgaben wurden zwei weitere Kanäle identifiziert, die in den kommen-den Monaten bearbeitet werden sollen:

1. Ausweitung des Bekanntheitsgrades ohne Investitionen und Folgeaufwand

> Franchise-Promoter: finanzieren sich selbst durch Verkauf von Salaten und steigern Bekanntheit durch Einsatz an Orten mit Emils-Zielgruppe. > Kantinen / Caterer: Emils-Caterer-Modell mit dem Rückenwind der Internorga ausweiten, möglichst mit 1-Liter-Flasche (neuer Pumpspender?), um Bekanntheit zu steigern

2. Steigerung der Verfügbarkeit

> Kontaktaufnahme zum konventionellen Handel (tegut…, WASGAU, inhabergeführte EDEKAS, Budni, Apotheken) > Versandhandel: möglicherweise Manufaktum-Kontakt über „Die Genusshandwerker“

Beispiele für Umsetzungsmöglichkeiten:

> Kantinen / Caterer > Wie: mit 1-Liter-Flasche (neuer Pumpspender: z. B. hochwertige Edelstahl-Variante). > Wo: überall, wo Mitarbeiter oder Geschäftskunden „umsorgt“ werden (Bsp.: Puma, Casinos bei Konzernen) > Wer: Zielgruppe Frauen: essen öfter Salate und sind häufig Kaufentscheider > Weiterführende Ideen: neben Internorga-Leads: Puma, G+J-Kantine, Weleda, TUI

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Abschlussbericht 2014

Arbeitstreffen No. 3: 08.05.2013 Finanzen & Unternehmensplanung

Problemstellung: Bestandsaufnahme gestaltet sich schwierig. Idee: Aufbau einer umfassenden, produktbezogenen, betriebswirtschaftlichen Auswertung

Fragestellung:

> Was gehört in diese Auswertung? > Welches Vorgehen ist sinnvoll? > Wie sind die Ergebnisse?

Ergebnisse des Arbeitstreffens:

Um die Planbarkeit neuer Maßnahmen zu erhöhen, soll eine detaillierte, produktbezoge-ne betriebswirtschaftliche Auswertung erstellt werden. Dabei sollen die laufenden Kosten berücksichtigt werden und auf die einzelnen Produktsegmente aufgeschlüsselt werden. Für jedes bestehende Produkt entsteht so ein Überblick, der die wichtigsten Punkte (Zutaten, Packaging, Produktion & Fracht, Deckungsbeitrag) beinhaltet.

Auf der Basis der gesammelten Informationen wurden zwei Punkte als ausbaufähig eingestuft:

1. Das Packaging ist bei allen Produkten zu teuer. Durch neue Konzepte – die weiterhin die Hochwertigkeit des Produktes betonen sollen – müssen hier die Kosten gesenkt werden.

2. Beim Wallnuss-Dressing sind die Kosten für Zutaten zu hoch – es gibt nur noch eine marginale Gewinnspanne. Emils sollte die Kosten für die Zutaten senken, den Preis für das Produkt erhöhen oder das Dressing vom Markt nehmen.

Arbeitstreffen No. 4: 04.06.2013 Kommunikation & Marketing

Problemstellung: Die bisherigen Kommunikationsmaßnahmen richten sich an einen Kreis von „Überzeugten“. Idee: Umbau der Kommunikationsmaßnahmen für eine größere Flexibilität

Fragestellung:

> Welche Botschaften sollen vermittelt werden? > Welche Botschaften werden bisher vermittelt? > Wie soll die zukünftige Strategie aussehen?

Ergebnisse des Arbeitstreffens:

Die bisherigen Botschaften (1A statt E412, Zutaten, die jeder noch persönlich kennt, null aus 47, Geschmack ohne Verstärker) richten sich vorwiegend an das Fachpublikum und sind zum Teil sehr kompliziert. Das Corporate Design ist davon allerdings ausgenommen. Die Flaschenetiketten und einige Werbemittel scheinen zudem mit Inhalten überfrachtet zu sein.

Für die zukünftige Platzierung als Marke dienen folgende Kernbotschaften:

> Geschmack > Sauber / Reinheit / unverfälscht > Philosophie > Fair > „Liebe“ statt nur „Freude“

Fazit: Emils sind die, die alles anders machen. Also MÜSSEN wir auch ALLES anders machen.

Konkrete Änderungen bei Werbemitteln:

> Auf den Etiketten soll auf wenige Kernbotschaften zurückgegriffen werden.

> Die Bezeichnungen „Dressing“ und „Dip“ klingen für die Preisklasse zu gewöhnlich. Hier muss ein eigenständiges Wording entwickelt werden, das Qualität und Philosophie heraushebt.

> Bei grundlegenden Werbemitteln soll verstärkt auf den Slogan „Hätte Ihre Oma auch so gemacht“ zurückgegriffen werden. Der Inhalt erschließt sich sofort und ist bereits positiv hinterlegt.

> Die großflächigen Werbemittel für Messen und Sonderaktionen sind zu textlastig. Vor dem nächsten Druck soll möglichst viel Text durch gelernte Zeichen (Ja = grüner Haken, Nein = rotes Kreuz) ersetzt werden.

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Abschlussbericht 2014

LehrenundAnpassungenausSichtdesJungunternehmens„DasGeldhängtandenBäumen“

Beim ersten Treffen am 29.11.2013 haben wir Herrn Walter und Herrn Radau die Philosophie, die Wertvorstellungen und Rahmenbedingungen unseres Projekts (seine soziale und nachhaltige Ausrichtung) sowie seine Geschichte und zukünftige Ausrichtung vorgestellt. Wir haben über unsere Geschäftsidee gesprochen und sie kritisch hinterfragt. Im Nachgang haben wir die in den folgenden Folien genannten Punkte via Mail ausge-tauscht; sie bildeten die Grundlage für das zweite Treffen in Herrn Walters Unternehmen. Nun haben wir sie um einen aktuellen Stand und das weitere Vorgehen ergänzt.

Die Gespräche und den Austausch mit den SBAs sehen wir als große Bereicherung. Durch die Beratung und ihr Know-how können wir unsere Ideen besser kanalisieren und priorisieren.

Vor dem ersten Beratungsgespräch schwebte uns ein überregionales Wachstum mit einer zentral geprägten Struktur vor. Wir nennen es multiregionales Wachstum.

Im Anschluss an die ersten Gespräche ist uns klar geworden, dass wir unsere Idee nicht alleine, sondern wesentlich effizienter mit Hilfe von Kooperationspartnern überregional ausrollen können. So können wir mit unserem vorhandenen Personal das Geschäftsmo-dell weiterentwickeln und die Funktion einer Zentrale übernehmen.

Das bedeutet für uns:

Regionaler Ausbau in Form von Kooperationen

> Kooperationsgespräche mit der Organisation fördern & wohnen im Norden von Hamburg (Sammeln von Äpfeln, Anbau von Rhabarber und Johannisbeeren für unsere Mischsäfte)

> Kooperationsgespräche mit Behinderten-Werkstätten in Berlin

> Gespräche mit der Kelterei Müller als möglichem Vermittler / Kooperationspartner zum Absammeln von Streuobstwiesen im Hessischen Raum

Eine Verlängerung der Wertschöpfungskette mit einer eigenen Mosterei ist zurzeit kein sinnvoller Schritt für uns, da er unsere Organisation überfordern würde (zu große Inves-titionen / Risiken).

Daraus haben wir folgende Punkte abgeleitet:

> Gespräche mit der Mosterei Prigge (Verteilung der Produktion auf zwei Produktionsstätten)

> Gespräche mit der Kelterei Müller zur Produktion von Apfelschorle (Erweiterung der Produktpalette)

Bisher haben wir uns bei der Qualitätssicherung auf zwei Sichtkontrollen vor dem Verkauf der Ware konzentriert. Unser Abfüller (Slow Food-Mosterei Engelmann) hält alle Qualitäts-ansprüche eines Lebensmittelproduzenten ein und testet regelmäßig seine Abfüllungen.

Nach dem ersten Gespräch mit den SBAs haben wir dennoch Nachholbedarf beim The-ma Qualitätssicherung gesehen und folgende Punkte daraus abgeleitet:

> Gespräche mit der TU Hamburg zur möglichen regelmäßigen Durchführung von Labortests

> Gespräche mit dem Lebensmittelchemiker der Firma Rabenhorst zur Klärung der sinnvoll zu testenden Parameter und Testzyklen

> Wir haben bereits Kontakt aufgenommen zu einem Lebensmittellabor.

> Herr Walter wird uns noch einen weiteren Kontakt zu einem Labor vermitteln.

In den bislang zwei Gesprächen wurde klar: Unsere derzeitigen Vertriebswege bilden eine gute Basis für den weiteren Ausbau.

Wir konzentrieren uns beim Verkauf unserer Säfte auf Feinkost- und Delikatessenläden, Weinhandlungen und Geschäfte, die ihren Fokus auf regionale Produkte legen. Zusätzlich sind wir in gehobenen Restaurants, kleinen Cafés und in Hotels (Minibar, Frühstücksbuffet und Special Treatment) gelistet. Darüber hinaus finden sich unsere kleinen Flaschen in vielen Hamburger Unternehmen auf den Besprechungstischen. Ergänzt wird unser Verkauf durch einen kleinen, aber sehr loyalen Privatkundenstamm. In diesem Bereich überlegen wir durch das Angebot eines Saft-Abos einen noch regelmäßigeren Absatz zu generieren.

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Bereits im vergangenen Herbst haben wir erste Kontakte zu Keltereien aufgenommen, um unsere Produktpalette um eine Schorle zu erweitern. Parallel dazu führen wir Ge-spräche mit „fritz-kola“ und „Viva con Agua“, um gemeinsam eine Apfelschorle auf den Markt zu bringen.

Geplant ist für 2014 allerdings erst einmal eine kleine Testabfüllung. Bei entsprechendem Erfolg wird dieses Produkt 2015 (dann hoffentlich mit Äpfeln aus der Hessischen Region) weiter ausgebaut. Weiterhin planen wir verschiedene andere Veredelungsprodukte herzu-stellen. Hier geht es z. B. um Apfelgelee, Apfelchips, Apfelbrand, Smoothies etc.

Bisher sind wir, bedingt durch den lokalen Charakter unseres Projekts, sehr stark ab-hängig von der regionalen Apfelernte und müssen zu den selbstgeernteten Äpfeln und Apfelspenden Äpfel dazukaufen, um die zu produzierenden Mengen abbilden zu können. In den Gesprächen zur weiteren strategischen Ausrichtung hat sich immer weiter heraus-kristallisiert, dass ein möglicher überregionaler Ausbau dieses Problem verringern kann, da ernteschwache Regionen von anderen Regionen profitieren können.

Hieraus ergeben sich folgende Ansatzpunkte:

1. Multiregionalen Ausbau des Projektes so schnell wie möglich starten

2. Aufbau eines regionalen Netzwerkes an ehrenamtlichen Erntehelfern

3. Intensivierung von „Social Days“ mit Unternehmen, die die Ernte unterstützen

Eine sehr wichtige Aufgabe ist die Anpassung unserer vorhandenen Drei-Jahres-Planung an die neu definierte Ausrichtung des Unternehmens.

Zum einen wollen wir so den Finanzbedarf neu definieren und zum anderen den Anfor-derungen für die Bewerbung um Fördergelder gerecht werden. Daher erfolgt die Planung und Aktualisierung des Businessplans schnellstmöglich.

Bisher haben wir die einzelnen Wachstumsschritte aus dem Cashflow bezahlt und sind da-mit langsam, aber kontinuierlich gewachsen. Die zukünftigen größeren Wachstumsschritte machen es allerdings unabdingbar, Fremdgelder einzuwerben.

Konkrete Schritte:

Netzwerker und Experte hilft uns auf 400-Euro-Basis beim Einwerben von Fördermitteln – Handelskammer, Stiftungen, Sozialträger, Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogramme.

Das Thema Nachhaltigkeit hatte und hat für uns eine zentrale Bedeutung. Neben den Bereichen Lokalität (regionaler Ansatz) und Sozial (arbeiten mit Randgruppen) ist es das dritte Wort in unserem Slogan und für uns viel mehr als ein Trendthema.

Im Bereich Nachhaltigkeit tun wir sicher schon einige grundsätzlich wichtige Dinge. Trotzdem wissen wir, dass es noch eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, um dort noch besser zu werden. Hier erwarten wir nach den ersten Gesprächen mit den SBAs weitere Impulse und Ansatzpunkte – auch, was die transparente externe Kommunikation unserer Bemühungen betrifft.

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Protokoll des Beratungsgesprächs von Ulrich Walter

Am Donnerstag, den 17.4.2014, fand das 3. Beratungsgespräch statt.

Die in den beiden vorherigen Gesprächen behandelten Themen wurden von den Ge-schäftsführern entweder inzwischen umgesetzt oder als Ziele formuliert. Das Bild eines zukünftigen Geschäftsmodells ist gezeichnet. Ein darauf basierender Businessplan wurde vorgestellt. Die wesentlichen Ziele lauten wie folgt:

> Regionalisierung statt Zentralisierung (Produktion / Rohstoffe)

> Transparenz über Herkunft der Rohstoffe

> Einführung einer Qualitätssicherung

> weitere Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen

> Projektarbeit (mobile Mosterei als Demonstrationsprojekt, Aktionen, Streuobstwiesen)

> Ausweitung der Produktpalette unter Einbeziehung von regionalen Partnern

> Multiplizierung des Konzeptes mit regionalen Partnern

Für die nächsten Jahre, die im Businessplan abgebildet wurden, ist die gemeinnützige GmbH noch auf Fundraising angewiesen.

Man ist sich darüber im Klaren, dass das keine Dauerlösung sein kann. Wohl aber wird man Projektförderungen bzw. Förderung von Arbeitsplätzen mit Behinderten auch lang-fristig nutzen.

Beim 3. Beratungstermin war Peter Kowalsky einbezogen. Er wird die weitere Beratung bezüglich folgender Fragestellungen übernehmen:

> Kontaktherstellung zu regionalen Mostereien und Naturschutzorganisationen

> Vertriebswege / Logistik

> Überprüfung der Prozess- und Herstellungskosten durch einen externen Experten

Ich stehe weiterhin für Fragen seitens der Geschäftsführung zur Verfügung. Ein weiterer Termin, bei dem ich zugegen sein werde, ist zunächst nicht fixiert worden, jedoch für einen Zeitpunkt im späteren Jahresverlauf angedacht. Sobald die noch offenen Fragen geklärt sind (mit Unterstützung von Peter Kowalsky), muss das neue bzw. neu justierte Geschäftsmodell in die volle Verantwortung der Geschäftsleitung zurückgeführt werden.

Sie entscheidet, wo noch weitere Beratung bzw. Reflexionsgespräche erforderlich sind.

Auswertung:

Die gemeinnützige GmbH „Das Geld hängt an den Bäumen“ ist ein Konzept, das ideal in das Themenspektrum Nachhaltigkeit / CSR passt. Hier zählen insbesondere die Aspekte Regionalität, soziales Engagement, sinnvolle Verwertung von Lebensmitteln (hier: Obst von Streuobstwiesen oder aus Hausgärten, das bisher nur teilweise oder gar nicht verwertet wird). Lücken in dem Konzept, denen bisher keine ausreichende Beachtung geschenkt wurde, konnten geschlossen werden. Der Businessplan zeigt auf, dass die Kalkulation der Produkte stimmig ist. Gleichwohl ist die betriebswirtschaftliche Seite als noch sehr fragil zu bezeichnen. Auf der Kostenseite sind noch Einsparungen erforderlich und möglich. Ebenso ist eine Umsatzausweitung mittelfristig erforderlich. Es bleibt anzumerken, dass der jetzige Businessplan auf konservativen Annahmen basiert und somit als solide bezeichnet werden kann. Chancen und Risiken sind der Geschäfts-führung bewusst. Die Aufnahme dieser Firma in das Beratungsprogramm hat sich als sinnvoll erwiesen. Ich gehe davon aus, dass das Projekt für SBA gegen Ende dieses Jahres vorläufig abgeschlossen werden kann. Der weitere Verlauf liegt dann in den Händen der Geschäftsführung. Ich halte es allerdings für sinnvoll, nach etwa einem Jahr eine Erfolgskontrolle vorzusehen.

Diepholz, den 23.04.2014

Ulrich Walter

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TeilIITheorieundGuidelines

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Projekthintergrund

Junge Unternehmen bereichern den Markt mit innovativen Ideen und engagierten Projekten, von denen wesent-liche Innovationssignale und Beschäftigungseffekte für die Gesamtwirtschaft ausgehen. Mit ihrem Wunsch, nach-haltige und sinnstiftende Tätigkeiten zu schaffen, liefern junge Gründer_innen daher entscheidende Impulse für ein Umdenken und Umgestalten am Markt insgesamt, das sich auch entscheidend auf Konsumverhalten und Nachfrage auswirkt.

Allerdings zeigt sich in Studien immer wieder, dass gerade Jungunternehmen häufig nicht lange am Markt Bestand haben. Junge Unternehmen in der Gründungsphase oder kurz danach stellen den größten Prozentsatz der Unter-nehmen dar, die ihr Geschäft wieder einstellen müssen: In Deutschland konnten im Jahr 2011 mehr als 400.000 Unternehmen neu gegründet werden (ohne freie Berufe und Nebenerwerbsgründungen), dem stehen jedoch knapp 380.000 Unternehmensschließungen gegenüber. Bereits nach fünf Jahren verschwinden mehr als 40 % der Gründungen eines Jahres wieder vom Markt. Hier zeigt sich, dass zur Sicherung der langfristig positiven Effekte nicht nur Neugründungen forciert werden sollten, sondern vor allen Dingen die Vermeidung ihres Schwundes.

Die Unterschiedlichkeit von Jungunternehmen und die Branchenvielfalt, die sie bedienen, erschwert die Erhebung von Benchmarks, die über eine ausreichende Datenmenge verfügen, um die Gründe des Scheiterns zu verallge-meinern. Es gibt jedoch klar ersichtliche Erfolgsindikatoren, die zum Bestand der Unternehmen in den jeweiligen Branchen beitragen. Expert_innen der jeweiligen Branche fällt eine Fehlerquellenanalyse, die auf Erfahrungsdaten fußt, leicht. Für junge Gründer_innen aller Bereiche ist es herausfordernd, einen Überblick über die Marktsituation und die eigene Positionierung zu erlangen. Herausfordernde Indikatoren wie Leitbildentwicklungen, realistische Zielsetzungen und Marktwertanalysen erweisen sich im Kontext von Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwor-tung besonders komplex. Nachhaltigkeit und Verantwortung stellen allerdings neben allen anfänglichen Schwierig-keiten auch begünstigende Faktoren für ein beständiges und stabiles Unternehmenskonzept dar. Wenn sie richtig in die Strategie eingebunden werden, schneiden grüne Gründungen überdurchschnittlich gut ab. Das wissen auch Geldgeber und Investoren und investieren bevorzugt in Unternehmen, die Nachhaltigkeit in ihr Kerngeschäft im-plementieren. Sie erweisen sich als weniger anfällig gegenüber Krisen und Abstürzen von Börsenkursen und Konjunktureinbrüchen.

Im Bereich nachhaltigen Wirtschaftens ist der Bedarf an Förderung besonders hoch, da die Komplexität der Her-ausforderungen über rein wirtschaftliche Faktoren hinausgeht. Gleichzeitig verspricht die Förderung einer nachhal-tigen Wirtschaftsweise bereits in der Frühphase eines Unternehmens besonderen Erfolg, weil die Gründer_innen hier mit gezielten Anreizen und Informationen Orientierung erhalten können. Ihre Förderung scheint daher nicht nur begünstigend auf das Bestehen am Markt einzuwirken, sondern ist darüber hinaus auch ein herausragendes wirtschaftspolitisches Ziel, von dem ein wesentliches Innovationspotenzial ausgeht. Trends aus der Gesellschaft und sich verändernde Wünsche von Konsumenten werden so sensibel abgebildet und in den Bereich der Marktangebo-te übertragen. Das stellt einen wichtigen Schritt zu einer nachhaltig verbesserten Wirtschaft insgesamt dar.

Die erfahrenen Unternehmer der Initiative „Sustainable Business Angels” haben junge Unternehmer_innen mit ihrem Know-how, ihrem Ideenreichtum und ihren Netzwerken unterstützt, um genau diese Chancen für die Gesell-schaft fruchtbar zu machen. Je etablierter nachhaltige Jungunternehmen am Markt platziert werden können, desto nachhaltiger sind auch ihr Einfluss auf den Markt und ihr Impuls für eine nachhaltigere Gesellschaft.

Neben der „Guidance” von Jungunternehmen hat die Initiative gemeinsam mit unabhängigen Experten Leitlinien entwickelt, die aufzeigen, wie eine frühzeitige Umsetzung von Corporate Social Responsibility in die Unternehmens-prozesse erreicht und begutachtet werden kann.

NachhaltigkeitfürJungunternehmen

Mittlerweile ist anerkannt, dass nachhaltiges Wirtschaften und CSR keine Marketinginstrumente sind, sondern direkte Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und den ökonomischen bzw. fachlichen Erfolg von Unternehmen haben. Folglich werden CSR-Strategien zunehmend in direktem Zusammenhang mit den jeweiligen Geschäftsmo-dellen gesehen und Strukturen geschaffen, um die ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen des eigenen Handelns gleichermaßen zu berücksichtigen. Um Nachhaltigkeit erfolgreich in die Unternehmensphiloso-phie und -strategie zu integrieren und Umwelt- und Sozialaspekte nicht nur als „Add-on“ zu betrachten, das in finanziell schwierigen Phasen schnell wieder in den Hintergrund gerät, gilt es, das Geschäftsmodell von vornherein nachhaltig auszurichten.

Konventionelle Bewertungsverfahren greifen für Unternehmen in der Anfangsphase allerdings zu kurz, da sie Einschätzungen auf der Basis bereits verfügbarer Firmendaten vornehmen. Oftmals zielen sie darauf ab, die bis-herigen Bemühungen von Firmen in einem bestimmten Segment auszuwerten und in einen branchenspezifischen Kontext zu stellen. Um ein Unternehmen bereits zu Beginn zu bewerten, muss gerade auch die Nachhaltigkeit der Geschäftsidee und -struktur an sich überprüft werden. Eine dahingehend spezialisierte Beratung kann das Un-ternehmen unterstützen. Aus diesem Grund hat die Initiative spezielle “Guidelines”, d. h. Richtlinien für nachhaltige Jungunternehmen erstellt. Die Erfahrungen in der Praxis haben bestätigt, dass es sich lohnt, bereits in der Früh-phase CSR-Strategien in das Kerngeschäft zu implementieren. CSR fungiert dann nicht bloß als Reputationsquo-tient, sondern als Stabilisationsfaktor mit Rückkopplungseffekt auf die ökonomische sowie die ökologisch-soziale Ausrichtung.

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Guidelines

Die Guidelines wurden in einem qualifizierten Multistakeholderdialog abgestimmt. Ziel war die Entwicklung von handlungsleitenden Kriterien für Jungunternehmen zur Implementierung und Überprüfung des CSR-Gedankens in der „Gründungs-DNA“ einer Unternehmung. Gemeinsam mit Expert_innen aus Wirtschaft, Finanzsektor, Wissen-schaft und Zivilgesellschaft wurden dabei auch die Erfahrungen der Praxisphase ausgewertet und überprüft. Eine enge Verzahnung zwischen den zwei Säulen von Guidance und Guidelines des SBA-Modells war maßgebend für die erfolgreiche Entwicklung. Durch den stetigen Austausch zwischen Theorie und Praxis konnte der zeitliche Aufwand der Theoretiker durch das schnelle Erkennen von Grenzen und Verbesserungen minimiert werden. Die Handlungs-empfehlungen konnten so zu konkreten Guidelines weiterentwickelt und dabei regelmäßig auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden. Darüber hinaus sind die Guidelines auch explizit als Unterstützung für das Jungunternehmen zu verstehen.

Wie schon die Auswahl des Unternehmens fußen auch die Guidelines auf den zehn Prinzipien des Global Com-pacts und den Grundlagen der Principles for Responsible Investment. Auf ihrer Basis wurden nach der Pilotphase auf einer Abschlusskonferenz Richtlinien präsentiert, die es Banken, Investor_innen und Gründer_innen einfacher machen, nachhaltige Firmengründungen zu erkennen und entsprechend zu fördern. So konnte in diesem Zusam-menhang die stetige Überprüfung und Verfeinerung der Guidelines sowie ihre Übertragung auf alle möglichen Wirtschaftszweige erzielt werden. Außerdem konnten Schulungsprogramme für Firmengründer_innen entwickelt werden, die es ihnen ermöglichen, ihr Unternehmen nachhaltig und damit zukunftsfähig zu gestalten. Mögliche Incentives für die Risikobewertung von Banken / Gründerdarlehen sind in Zukunft möglich. Dies ist besonders inte-ressant, da aktuelle Studien belegen, dass sich bei Geldgeber_innen ein zunehmendes Interesse abzeichnet, gezielt Unternehmen zu fördern, die in jeder Hinsicht zukunftsfähig sind.

EntwicklungvonCSRGuidelinesfürjungeUnternehmen

Was sind die Guidelines?

Die Beratung im Bereich CSR und Nachhaltigkeit umfasst stets eine Profilierung der Begriffe und die Art, wie sie im Unternehmen anwendbar sind. Nachhaltigkeit und Ökonomie auf Unternehmensebene zu verbinden, fußt auf der Idee eines sogenannten Triple-Win-Potenzials1. Es geht davon aus, dass die drei Bereiche ökonomischer, ökologi-scher und sozialer Nachhaltigkeit sich gegenseitig positiv beeinflussen, wenn sie in ähnlicher Gewichtung gefördert werden. Der sehr systemische Ansatz, auch als Drei-Säulen-Modell bekannt, erwies sich als besonders interessant für die Förderung von nachhaltigen Jungunternehmen.

Betrachtet man CSR als die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkung auf die Gesellschaft2, wird im Ansatz bereits deutlich, dass die Machtnahme der Unternehmen auf die Gesellschaft nicht unwesentlich ist. Alle drei Säulen betreffen auch die Gesellschaft – mittelbar oder unmittelbar. Die Guidelines sollen junge Unternehmer_innen für das Potenzial der drei Bereiche und auch für ihr Risiko sensibilisieren. Da die drei Prinzipien so aber recht abs-trakt sind, besteht die primäre Funktion in der Konkretisierung von Nachhaltigkeitsaspekten und ihrer Umsetzbarkeit.

Neben der personellen und sehr individualisierten Beratung hatte sich die SBA-Initiative die Entwicklung solcher konkretisierter CSR-Leitlinien, den Guidelines, zum Ziel gesetzt. Sie bilden die bereits angesprochene zweite Säule des Beratungskonzepts und dienen darüber hinaus als dauerhafter Referenzrahmen, der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbaut und diese mit der praktischen Erfahrung aus der Anwendung auf nachhaltige Gründungs-förderung abgleicht.

Die Guidelines stellten damit ganz konkret ein Instrument zur Förderung von Nachhaltigkeit bereits in der frühen Phase von Unternehmen dar. Sie fördern volkswirtschaftliche Kennzahlen und konkrete Zielformulierungen, die eine Bewertung der Unternehmenserfolge und -fortschritte ermöglicht.

Hintergrund der Implementierung von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrukturen

Die zugrunde liegende Annahme ist, dass eine genaue Beleuchtung der Unternehmensziele und ihrer Einschät-zung eine erhöhte Sicherheit und Stabilität in die Geschäftstätigkeit bringt und damit ein frühzeitiges Scheitern der Unternehmenstätigkeiten verhindert werden kann. Hinsichtlich des frappierenden Anteils von zwei Dritteln der neu gegründeten Unternehmen, die nach drei Jahren wieder vom Markt verschwunden sind, ist eine sensible und weitsichtige Planung auch volkswirtschaftlich von großer Bedeutung.

Etwa branchenspezifische Skaleneffekte treten wesentlich seltener auf, wenn die Unternehmensgröße und ihr Wachstum verantwortungsvoll gesteuert und einkalkuliert werden.

Neben der qualitativen sowie quantitativen Abfrage bestimmter Indikatoren, liegt das besondere Potenzial der Gui-delines in den intern angelegten Reflexionsprozessen: Durch gezieltes Nachfragen werden Bereiche ins Licht der Betrachtung gerückt, derer sich die Gründer_innen ggf. bisher nicht bewusst waren. So können Fehltritte oder Ge-setzeswidrigkeiten vermieden werden. Die Guidelines klären auf und erheben gleichzeitig messbare Daten. Andere Fragen „triggern“ die Handlungsmotivation der Unternehmer_innen, sodass Worten auch tatsächlich Taten folgen.

Diese Faktoren stellen eine nicht zu unterschätzende Ressource der Guidelines dar, die in ähnlicher Weise auch in der ISO 26000 angelegt ist. Hier werden neben Abfragen ebenfalls Umsetzungshinweise für die Praxis geliefert. Beide Instrumente erheben so auch einen Bildungsanspruch. Die ISO 26000 bildet in vielerlei Hinsicht die frucht-barste Basis für die Guidelines der SBA-Initiative. Sie ist ein breit angelegtes Instrument, welches jedoch kaum ökonomische Angaben einbezieht.

1 Vgl. hierzu die zahlreichen Ausführungen von Schaltegger, der den Begriff maßgeblich prägte.2 So im Jahr 2011 von der EU-Kommission formuliert, vgl. dazu: Eine neue EU-Strategie (2011–14) für die soziale Verantwor-

tung der Unternehmen (CSR), 2011, S. 7.

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Der integrative Ansatz der Guidelines

Da das Ziel der Guidelines der SBAs jedoch war, ein Hilfsinstrument zu entwickeln, speziell für nachhaltige Grün-dungen und etablierte Unternehmen, die CSR in ihr Kerngeschäft einbinden wollen, dürfen ökonomische Betrach-tungen nicht fehlen. Eine dezidierte Betrachtung von Nachhaltigkeit in allen Bereichen verhilft dabei zunächst auch zu einer erweiterten Wahrnehmung von Risiken und Chancen. So können frühzeitig Warnsignale identifiziert und Fehler vermieden bzw. Chancen genutzt werden. Insbesondere gelingt dies durch ein umfassendes Einbeziehen von Stakeholdern und eine Reflexion möglicher Interessenkonflikte.

Da es gerade im Bereich der Neugründungen zunächst darum geht am Markt zu bestehen, helfen klare ökonomi-sche Kennzahlen, um die Unternehmensstrategie zu überprüfen. Die Unternehmen können durch die Datenerhe-bung realistischere Einschätzungen zur Finanzverwaltung, zu Aufbau- und Ablauforganisation, über ihre Kenntnisse von Absatzmarkt und Beschaffung usw. vornehmen.

Im Gegensatz zu Gründungsberatungsinstrumenten eignen sich die Guidelines neben der internen Nutzung auch für die externe Kommunikation. Diese Verbindung ist auch als integrativer Ansatz bekannt, der im Gegensatz zu additiven Verfahren steht. Die Guidelines verbinden Elemente der großen, international anerkannten Berichts-standards (z. B. Global Reporting Initiative (GRI), die zehn Prinzipien des UN Global Compact, EFFAS-Kriterien) und Managementinstrumente (z. B. ISO 14000) in einem Instrument. So können die Guidelines auch als Start in die Nachhaltigkeitsberichterstattung fungieren oder als Vorlage für Investor_innen und Banken dienen.

Damit die Guidelines diese hochgesteckten Ziele in nutzbarer Weise für Gründer_innen aufbereiten und auf die Wesentlichkeit beschränkt sind, ist den Kernthemen ein Managementansatz vorangestellt.

Ähnliche integrative Ansätze lassen sich etwa in der Sustainability Balanced Scorecard erkennen. Sie fordert die Formulierung von Zielen, Kennzahlen, Vorgaben und Maßnahmen. Dabei stellt sie alle Veränderungen unter das Prinzip von Ursache-Wirkmechanismen. Das macht eine fortlaufende Neubewertung sinnvoll. Diese systemische Betrachtung bietet sich für die Guidelines gerade auch im Licht des Drei-Säulen-Modells an.

Zur besseren Anschaulichkeit wird der Aufbau der Guidelines hier kurz skizziert.

Inhalte der Guidelines

Die Guidelines sind so angelegt, dass Unternehmer_innen zum eigenverantwortlichen Handeln angeleitet werden. Entscheidend für die Umsetzbarkeit von nachhaltigen Visionen und einer Werteentwicklung ist ein klares Leitbild. In den Beratungen wurde ein wesentlicher Anteil in die Ausbildung von Selbstbewusstsein der Gründer_innen inves-tiert und ihr Rückhalt in den sozialen Systemen reflektiert. In ähnlicher, wenn auch weniger persönlichkeitsbildender als -abbildender Weise, kann dies auch in den Guidelines geschehen. So umfassen die Guidelines bereits im ersten Bereich eine detaillierte Erklärung der Geschäftsführung, ein Instrument, das auch in anderen Managementansät-zen und bei der Leitbildentwicklung vorangestellt ist. Der „Tone from the Top“3, also die Stimme von der Leitung,

verleiht Orientierung. Ihm kommt eine entscheidende Bedeutung als Grundlage von Nachhaltigkeitsmanagement zu. In den Guidelines fällt er daher unter den Bereich allgemeiner Angaben.

Die ökonomische Dimension dient im Self-Assessment-Ansatz einer Reflexion von Chancen und Risiken. Betriebs-wirtschaftliche Kennzahlen dienen der Konsolidierung struktureller Prozesse. Eine besondere Bedeutung kommt hier auch den Stakeholderdialogen zu, weil erfolgreiches Wirtschaften auch immer auf nicht-ökonomischen Indi-katoren wie Vertrauen, Zuverlässigkeit, Transparenz, Fairness etc. beruht. Die Kernthemen sollten in diesem Sinne nach Möglichkeit 1. von den Fragen nach Chancen und Risiken (Branchenbezogenheit), 2. nach der Bedeutung der Nachhaltigkeit für den entsprechenden Bereich (Einbezug der Stakeholder und der Zielsetzung), 3. nach Fragen zu der strategischen Umsetzung in Unternehmensprozessen (Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten, Prozesse ...) und 4. von der Überprüfung der Daten und der Zielanpassung eingerahmt werden.

Die Kernthemen, aus denen die einzelnen Fragen abgeleitet wurden, umfassten

• Kundenbelange (zur Übersicht über Angebot und Nachfrage)

• Arbeitsrechte (insbesondere rechtliche Vorgaben betreffend)

• faire Betriebspraktiken (z. B. nach dem Leitbild des „Ehrbaren Kaufmanns“)

• Transparenz und Ehrlichkeit gegenüber Stakeholdern / Kundennähe (Motivationsfaktor für ethisches Handeln. Fehlt die Nähe zum Kunden, schwinden häufig auch Skrupel)

• Regelkonformität

• Beteiligung an Gemeinschaft und ihrer Entwicklung (Corporate Citizenship, d. h. Engagement über die Stake-holder hinaus; philanthropisch motiviert oder aus dem Kerngeschäft resultierend)

• Menschenrechte (eine Sensibilisierung schärft auch den Blick auf die Chancen von Diversität eines Teams, die etwa die Kreativität erhöhen und Horizonte erweitern kann)

• Umwelt (ohne Leitfaden erweist sich dieser Bereich als hoch komplex, weil nahezu alle Geschäftstätigkeiten mit Umweltbelastungen einhergehen. GRI bietet hier z. B. ein gutes, praktikables Instrument).

3 Vgl. hierzu die zahlreichen Ausführungen von Schaltegger, der auch diesen Begriff maßgeblich prägte.

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GuidelinesimOnline-Tool„YES“

YES steht für „Young Entrepreneurial Self-Assessment“ und ist die erste Cloud-Anwendung, die unternehmerische Verantwortung für Jungunternehmen professionell erfasst. Auf Basis der weltweit anerkannten ISO-Norm 26000 wurde sie im Laufe des Projekts von der SBA-Initiative aus den Beratungen und den Guidelines entwickelt. Sie stellt damit im integrativen Sinne sowohl einen Einstieg in die Berichterstattung als auch ein Coaching-Tool dar, das die Unternehmen zur Selbstreflexion ihrer unternehmerischen und nachhaltigkeitsfördernden Tätigkeiten anreizt. YES wendet sich vorrangig an Start-ups, aber auch an gestandene Unternehmen, die sich nachhaltig ausrichten wollen.

Präsentiert und erstmals einem breiten Publikum zum Testen verfügbar gemacht wurde das Tool unter anderem auf dem Deutschen Gründer- und Unternehmertag (deGUT) in Berlin, der Leitmesse für Gründer_innen und junges Unternehmertum in Deutschland. Die insgesamt sehr positive Rückmeldung aus unterschiedlichen Branchen hat bereits gezeigt, dass das angestrebte Ziel der Guidelines im YES-Tool gewinnbringend umgesetzt werden konnte.

Das YES-Tool entstand mit inhaltlicher Unterstützung u. a. der Leuphana Universität in Lüneburg, Kompass, dem Zentrum für Existenzgründungen in Frankfurt und dem imug - Institut für Markt, Umwelt und Gesellschaft. Das Tool ist in seinem Aufbau an die Struktur einer Beratung angelehnt und bezieht die konkreten Erfahrungen der Betreuung junger Start-ups im Nachhaltigkeitsbereich durch die SBA-Initiative ein. Das Tool hilft bei Fragen nach der Aufstellung des Unternehmens, der Leitbildentwicklung, der Zielsetzung und den zu erwartenden Erfolgen. Da-mit greift es genau diejenigen Punkte auf, die von Bedeutung für CSR- und Nachhaltigkeitsmanagement sind und liefert gleichzeitig erste Ansätze für strategisches Management. Unternehmenspraktiken können so im Sinne der entwickelten CSR-Leitlinien leichter aufgezeichnet werden und damit die Basis für eine zielführende Optimierung der Unternehmensprozesse bilden.

Wie bereits in den Guidelines angelegt, besteht ein besonderer Vorteil dabei auch in der methodischen Orientierung an anerkannten Standards zur Berichterstattung für Unternehmen (auch hier: ISO 26000, GRI und UNGC). Das YES-Tool ersetzt damit zwar keine spezielle Beratung der SBAs, stellt aber einen Einstieg für das professionelle Verfassen von Nachhaltigkeitsberichten dar und hilft, die ersten Schritte auf dem Weg eines erfolgreichen Nachhal-tigkeits- und Unternehmensmanagements zu machen.

Die YES-Guidelines wurden entwickelt von Mediengruppe macondo, heute macondo publishing GmbH IfNFS - Institut für Nachhaltigkeitsmanagement Frank Simon

Unser besonderer Dank gilt den mitwirkenden Netzwerkpartnern: Leuphana Universität – Innovations-Inkubator, Lüneburg Kompass Zentrum für Existenzgründungen, Frankfurt / M. imug, Hannover akzente, München Deutsches Global Compact Netzwerk, Berlin ILO Vertretung Deutschland, Berlin CSCP von UNEP / WI, Wuppertal KarmaKonsum, Frankfurt / M.

Das YES-Tool ist in zwei Bereiche gegliedert: Unternehmerisches „Profil“ und themenspezifische „Indikatoren“. Das Profil deckt klassische Bereiche des Organisationsmanagements ab. Es verdeutlicht den Unternehmer_innen selbst, aber auch Investoren, relevante Rahmendaten zu Zahlen und Fakten des Unternehmens, der Geschäftsidee, ihrer Umsetzung in der Unternehmensstrategie sowie der Relevanz des Themas Nachhaltigkeit uvm.

Wie können Nachhaltigkeit und Unternehmensstrategie optimal verbunden werden? Nachhaltigkeit sollte von Be-ginn an in die Unternehmensführung einbezogen werden. Durch die Abfragen im YES-Tool werden den Jungunter-nehmer_innen neue Themenfelder aufgezeigt und Daten erhoben, die später zur Bewertung herangezogen werden können. So werden Ziele, Chancen, Herausforderungen und Verbesserungspotentiale transparent gemacht.

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Evaluation

Die Indikatoren beinhalten klassische Themenfelder der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Viele Punkte bieten wei-terführende Informationen über die Bereiche und sensibilisieren so für eine ganzheitliche Sicht auf die nachhaltige Unternehmensführung – sowohl in wirtschaftlicher als auch in sozialer und ökologischer Hinsicht.

Wie wichtig ist Umweltschutz für das Unternehmen? Welche Bereiche gehören eigentlich dazu? Das YES-Tool fragt relevante Daten ab, damit Unternehmen sich im Nachhaltigkeitsbereich umfassend präsentieren können. Und nebenbei informiert es junge Start-ups über die Breite ihres möglichen Beitrags in den jeweiligen Bereichen.

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Eine Evaluation der Beratungsergebnisse ist nur im prozeduralen Kontext zu begreifen. Alle beratenen Unterneh-men hatten bereits ihre Gründungsphase mit nachhaltiger Ausrichtung hinter sich. Es musste daher nicht mit dem Aufstellen einer Geschäftsstrategie begonnen werden. Ansatzpunkte bestanden in der Schärfung der Zielsetzung und Profile sowie der strategischen Planung. In allen Unternehmen bestand der Wunsch nach fachkundiger Bera-tung. Nach Abschluss der einjährigen Beratungsphase äußerten alle Gründer_innen einen Erkenntniszuwachs, der jedoch individuell je nach Vorerfahrung und der Verfügbarkeit von Netzwerken sehr unterschiedlich ausfiel. Insge-samt habe die Beratung durch die SBAs entscheidende Impulse für die Begünstigten geliefert. Es muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass sich der Erfolgszuwachs der Unternehmen sicherlich nicht monokausal auf die Beratungen zurückführen lässt. Dies war jedoch auch zu keiner Zeit der Anspruch des Beratungsansatzes, vielmehr sollte gerade eine Anleitung zur selbstständigen Weiterentwicklung geleistet werden. Aus den Bewertungen der Teilnehmenden geht hervor, dass alle Unternehmen eine große Bereicherung für ihre Zielfindung und die Einbet-tung in einen ganzheitlichen Zusammenhang empfunden haben.

In den sehr unterschiedlichen Prozessen und Unternehmen lassen sich durchaus messbare Indikatoren für den Erfolgszuwachs finden, die auf alle Unternehmen angewendet werden können: öffentliche Sichtbarkeit (Marketing und PR), Authentizität (und Selbstbewusstsein der Jungunternehmer_innen), Netzwerkarbeit und Finanzierung sowie der Wissenszuwachs von nachhaltigem Management4. Dass alle Bereiche eng miteinander verwoben sind, verdeutlicht die folgende Ausführung: Als Mentoren stellten die SBAs insbesondere eine Ressource für Reflexionen und Feedback dar, was den Gründer_innen begleitend zu mehr Bewusstsein und Selbstbewusstsein hinsichtlich ihres Unternehmertums verhalf. Da die Berater selbst erfahrene Unternehmer im Nachhaltigkeitsbereich sind, wa-ren sie aus Sicht der Unternehmen die richtigen Ansprechpartner, denen sie die Kompetenz einer gemeinsamen Reflexion zusprachen.

Um nicht von den eigenen Idealen und gesetzten Zielen im Bereich des besonderen Engagements für Umwelt und Gesellschaft abzurücken und sich der dominierenden Wirtschaftsweise oder den Kundenwünschen unterzuordnen, ist es für die Unternehmen unabdingbar, selbstbewusst mit den Gründungsidealen umzugehen. Hier half insbeson-dere das Wissen um die eigenen Ressourcen, Stärken und Alleinstellungsmerkmale, die bereits in den Reflexions-phasen herausgearbeitet worden waren. Dabei war es unter anderem auch wichtig, familiäre und soziale Umfelder der Unternehmer_innen in die Reflexion einzubeziehen. Der Rückhalt des sozialen Systems hat einen bedeutenden Effekt für das Selbstbewusstsein von Gründer_innen. Um an sich selbst zu glauben und selbstbestimmt zu agieren, braucht es ein Netzwerk, das diese Überzeugungen zumindest unterstützt.

Netzwerke wirken ebenso unterstützend auf Kunden- und Mitarbeiterakquise, Kontaktherstellung, Produktion und Lieferkette, PR-Maßnahmen und Marketing sowie Kooperationen, um nur einige zu nennen. Die SBAs stellten hier eine einmalige Ressource für die Unternehmen dar, denn sie verfügen über einen reichen Erfahrungsschatz in ihren Branchen und Kreisen, den sie den Unternehmen zur Verfügung stellten. Dies erfolgte einerseits durch die direkte Kontaktvermittlung in den entscheidenden Fragen der Unternehmen oder im Teilen von Wissen über Dritte.

Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die Netzwerkarbeit im Bereich nachhaltigen Unternehmertums noch ge-stärkt werden muss. Die Beratung durch die SBAs liefert im Einzelfall eine gute und schnelle Vermittlung, langfristig sehen die SBAs darüber hinaus ihre Aufgabe auch darin, ihre Erfahrungen in Netzwerke einfließen zu lassen, zu deren Bildung sie selbst mit ihrem Marktüberblick einen Grundstein legen können. Es ist anerkannt, dass Netzwer-ke im Hintergrund unternehmerischer Tätigkeiten zu nachhaltigerem Erfolg beitragen5.

Die SBAs sehen sich als Treiber in diesem Prozess. Der Bereich finanzieller Förderung von Jungunternehmen im Nachhaltigkeitsbereich erweist sich noch als Schwachstelle, die durch das ehrenamtliche Engagement von Grün-dungsberatungen in diesem Bereich abgedeckt werden muss. Hier leisten die SBAs Pionierarbeit in Deutschland. Dabei ist der Bedarf nach Gründungsförderung hoch, die Gründer_innen verfügen jedoch nicht über ausreichende Mittel, um eine umfassende Förderung in der Komplexität zu erhalten, die ihnen der integrative Ansatz der SBA-Initiative geboten hat. Will ein Jungunternehmen Nachhaltigkeitsberatungen in Anspruch nehmen, muss es derzeit noch auf ein Konglomerat aus verschiedenen Beratungsansätzen zurückgreifen. Die Betreuung durch mehr als eine Beraterin / einen Berater würde das Unterfangen jedoch zusätzlich verkomplizieren, statt es zu entlasten. Eine Nachhaltigkeitsförderung in der Gründungsphase ist auch nach Abschluss des Projekts ein erstrebenswertes Ziel, um von Beginn an die Implementierung von CSR in alle Unternehmensbereiche zu realisieren. Alle Beteiligten sprachen sich explizit für die frühzeitige Einbettung aus. Allerdings wurde im Projektverlauf deutlich, dass bisher Auszeichnungen bzw. Zertifizierungen für qualitativ wertvolle Nachhaltigkeitsberater_innen fehlen. Mit den Gui-delines wurde bereits ein Schritt in die richtige Richtung getan, der sich iterativ weiterentwickeln soll und in der Fortführung des Projekts stärker in Betracht kommen kann.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die persönlichen Kontakte und die prozedurale Entwicklung für beide Seiten – Gründer_innen wie Berater – eine große Bereicherung dargestellt hat. Aufseiten der Gründer_innen hinsichtlich ihrer holistischen Denkweise und ihres Wissenszuwachses um Erfolgskriterien und starke Vorbilder, aufseiten der Berater insbesondere der Ausbau des Netzwerkes und ein Ausbau der Erfahrungen in diesem speziell entwickelten Beratungsansatz.

4 Das Wissen um Nachhaltigkeitsmanagement ist ein anerkannter Erfolgsfaktor für Unternehmen. Vgl. hierzu auch: Hesselbarth & Schaltegger 2013, S. 4. 5 Vgl. Witt & Rosenkranz 2002, S. 86.

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1 Diskussion

Die Kombination aus Gründungs-, Nachhaltigkeits-, Unternehmensberatung und Erfahrungsweitergabe, wie sie in der SBA-Initiative vorliegt, ist in Deutschland bisher einmalig. Die Ergebnisse aus der Analyse dieser Konstellation können daher weiterreichende Implikationen für die genannten Beratungsbereiche und darüber hinaus beinhalten. Gleichwohl konnte in dieser Studie nur ein Ausschnitt aus der Arbeit der SBA-Initiative sowie der Zusammenarbeit zwischen erfahrenen Nachhaltigkeitsunternehmern und Gründern eingefangen und analysiert werden, so dass an dieser Stelle keine abschließenden Schlussfolgerungen gezogen, sondern nur andiskutiert werden können. Dazu sollen einige Fallstudienergebnisse nochmals mit Blick auf die Literatur betrachtet und mögliche Implikationen für die Forschung und wirtschaftliche sowie politische Praxis angesprochen werden.

Erste Antwortmöglichkeiten auf den ersten Teil der Forschungsfrage dieser Studie – nämlich, wie erfahrene und erfolgreiche Nachhaltigkeitsunternehmer heutige Gründer dabei unterstützen können, sowohl ökologisch und so-zial, als auch ökonomisch erfolgreich zu agieren – wurden im vorigen Kapitel (insbesondere in Kapitel 4.4.6 und 4.4.8) versucht zu beleuchten. Hierfür soll die Diskussion in Kapitel 4.6.1 weitere Impulse geben. Dem zweiten Teil der Forschungsfrage, der eine Beschäftigung mit dem Einfluss nachhaltigkeitsorientierter Gründungen auf den Massenmarkt erfordert, soll in Kapitel 4.6.2 nachgegangen werden. Kapitel 4.6.3 und 4.6.4 sollen schließlich einen Beitrag zur Theorieerweiterung – vor allem zu den Forschungsbereichen Sustainable Entrepreneurship und Hybrid Organizations, leisten und weitere Ansatzpunkte für die Wissenschaft erörtern.

1.1 Implikationen für eine ganzheitliche Gründungsberatung

Ob es einfacher ist, Nachhaltigkeit in einem neuen oder in einem etablierten Unternehmen zu implementieren, wird in der Literatur wie auch in der Praxis diskutiert: Einerseits sei es leichter, in der allgemeinen Aufbruchsstimmung und in weniger festen Strukturen diesen Prozess anzuregen und Nachhaltigkeit in Unternehmensphilosophie und Businesskonzept zu verankern. Andererseits gibt es in einem funktionierenden, gestandenen Unternehmen bessere Möglichkeiten der Investition; Menschen in der Organisation sind mit bestimmten Prozessen vertraut und erfahren im Durchführen von Projekten. Den Impuls für nachhaltiges Handeln bei Neugründungen zu setzen, sei gleichwohl wichtig – gerade weil diese sich ohne solchen Zuspruch fast ausschließlich auf ihre wirtschaftliche Entwicklung konzentrieren.

Für Gründer ist eine reine Beratung zu ökologischen und sozialen Aspekten ihres Geschäftsmodells und ihrer Pro-zesse wahrscheinlich wenig hilfreich. Die Diskussion der ökonomischen Nachhaltigkeit steht bei der Beratung im Rahmen der SBA-Initiative stärker als erwartet im Vordergrund. Ein Grund dafür könnte sein, dass es im Anfangs-stadium eines Unternehmens in erster Linie auf das ökonomische Überleben ankommt, da die Wahrscheinlichkeit

dafür als gering gilt – ein Drittel aller Gründungsprojekte scheitert in den ersten drei Jahren. Eine weitere Ursache für die Dominanz des ökonomischen Nachhaltigkeitsaspekts im Beratungsprozess könnte darin liegen, dass dieses Thema bei nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen – nicht zuletzt über ein ganzheitliches Geschäftsmodell – durch-aus eng mit ökologischen und sozialen Werten verbunden ist. Aspekte wie Marketingstrategie oder Vertriebspartner werden somit auch unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten betrachtet. Nachhaltigkeitsmarketing stellt im Gegensatz zu Marketing für konventionelle Produkte und Dienstleistungen spezifische Anforderungen an die Kommunikation. Kein Unternehmen hat rein ökologische oder soziale Themen – sie sind alle mit seinem Kernge-schäft, seiner Geschäftstätigkeit oder mit deren Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft verbunden. Darüber hinaus haben die erfahrenen Business Angels des ersten Jahrgangs Ratschläge und Erfahrungen zu ökonomischen Themen weitergegeben, die sie selbst nicht nur ökologisch und sozial, sondern eben auch ökonomisch erfolgreich gemacht haben und damit eine nützliche Quelle für Anregungen für die Gründer sein können.

Eine Nachhaltigkeitsberatung ohne Gründungs- und Geschäftsmodellberatung erscheint aus den genannten Grün-den nicht sinnvoll; zumindest könnte sie den Ganzheitlichkeitsanspruch nachhaltigkeitsorientierter Unternehmer nicht abdecken. Zu untersuchen wäre, ob für typische Gründungsfragen andere Berater (statt erfahrener Unter-nehmer) geeigneter sind. Die Strategien und Ratschläge der unterschiedlichen Berater zu verschiedenen Themen könnten dann aber in Widerspruch zueinander stehen. Dies kann zwar bereits der Fall sein, wenn das Gründerteam unterschiedliche Zielvorstellungen hat oder Investoren ihren Einfluss geltend machen. Allerdings erhöht jeder zu-sätzliche Berater die Komplexität für ein junges Unternehmen, die ja durch Beratung eigentlich abgebaut werden sollte.

Der Markt für erfahrene Nachhaltigkeitsunternehmer, die bereit sind, ehrenamtlich Gründer zu beraten, ist wahr-scheinlich klein. Überspitzt lässt sich feststellen: In Deutschland umfasst dieser Markt momentan vier Personen, wenn man die Bereitschaft zur umfassenden Gründungs- und Unternehmensberatung abzieht, bleiben zwei Per-sonen. Dem steht ein wachsender Bedarf von Unternehmen gegenüber, deren Gründer ihr Geschäftsmodell öko-logisch und sozial ausrichten und umsetzen wollen und dafür auf externe Expertise angewiesen sind. Besonders Strategieberatung, Coaching und Netzwerkkontakte sind bei jungen Unternehmen als Wachstumsmotoren beliebt. Nachhaltige Gründungsberatung benötigt, wie in bereits angedeutet, öffentliche Förderung und kooperative Netz-werke, weil sie eine Qualität von Beratung und Wissensmanagement erfordert, die das Angebot einzelner Berater und das Budget einzelner Kunden überfordert. Das kostenfreie bzw. ehrenamtliche Angebot ist für Gründer wichtig und wäre für sie anders kaum zu stemmen; gleichzeitig widerspricht die ehrenamtliche Grundlage der Forderung nach einem langfristigen Engagement der Berater, deren zeitliche Ressourcen begrenzt sind.

Auch im Sinne der Nachhaltigkeit des allgemeinen Erkenntnisgewinns für Wirtschaft und Gesellschaft aus einer solchen Beratung muss daher eine langfristige Finanzierung gewährleistet werden. Ebenfalls von immenser Be-deutung ist eine zentrale Anlaufstelle für beratungsbedürftige Gründer. Diese sollte nicht nur über ein Netzwerk von fachkompetenten Beratern und erfahrenen Unternehmern verfügen, sondern auch über die Kompetenz, diese gezielt für die jeweils aktuellen Bedürfnisse des Start-ups (z. B. Umwelt-, Verfahrensinnovations- oder Prozess-beratung) anzusprechen und ggf. sogar zu einem sich ergänzenden – vor allem aber nicht in seinen Ratschlägen widersprechenden – Team zusammenzusetzen. Zusammenfassend lassen sich folgende Empfehlungen geben, die in weiterer Forschungsarbeit bestätigt oder widerlegt werden können:

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Nachhaltige Gründungsberatung sollte …

• gezielt die Erwartungen und den Beratungsbedarf der Gründer abfragen. Nicht nur sind in den einzelnen Phasen der Unternehmensgründung verschiedene Planungsschritte nötig, für die Beratung in Anspruch ge-nommen werden kann. Auch unterscheidet sich der Bedarf je nach Branche und Markt, persönlichen Zielen der Gründerpersönlichkeiten, Nachhaltigkeitsschwerpunkten und Grad der Geschäftsmodellinnovation im Vergleich zu bestehenden Angeboten.

• Struktur, Rahmenbedingungen und Orientierung grob vorgeben. Eine für alle Beteiligten klare Organisation und Rollenverteilung wurde als Erfolgsfaktor identifiziert. Gleichzeitig sollte Freiraum bleiben, um die Beratungsein-heiten nach Bedarf zu gestalten und um die spezifischen Erfahrungswerte, die die Berater einbringen können, nicht durch ein Raster einzuschränken. Die Institution, die die Beratung organisiert, sollte Möglichkeiten der Gestaltung aufzeigen und dazu beitragen, dass alle Beteiligten ein gleiches Verständnis von Zielen und Rollen haben.

• erfahrene Unternehmer einbeziehen. Nicht nur wird dies subjektiv von Gründern als besonders wertvoll emp-funden. Aus empirischen Studien geht außerdem hervor, dass erfahrene Gründer seltener Insolvenz erleiden als unerfahrene; ihre Expertise kann auch den Erfolg der von ihnen beratenen Unternehmen fördern. Wo dies aus Mangel an teilnahmebereiten Unternehmern nicht möglich erscheint, können bereits engagierte Unternehmer ihre Geschäftskontakte, die sie aus langjähriger vertrauensvoller Zusammenarbeit oder über Branchenver-wandtschaft kennen, zum Mitmachen motivieren. Im Fall der Sustainable Business Angels Initiative war dieses Vorgehen bereits erfolgreich.

• geeignete Messmethoden für die Nachhaltigkeitswirkung von Unternehmen nutzen und weiterentwickeln. Nur so lässt sich feststellen, ob sich das Unternehmen in diesem Bereich verbessert und die Beratung fruchtet. Zu-dem werden mit nachweisbaren Erfolgen Investoren angezogen. Während für die Messung von Umweltleistun-gen Konzepte wie die Materialintensität pro Serviceeinheit (MIPS) oder das Konzept des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung bestehen, haben sich für die soziale Leistungsmessung noch kaum Konzepte durchgesetzt. Auf qualitativer Ebene sind Modelle wie Sozialaudits und Social-Responsive Balanced Scorecards bekannt; andere, quantitative Modelle wie das Impact Evaluation Toolkit der Weltbank, die Social Return on Investment (SROI) Methodik, der RBS SE100 Index für Sozialunternehmen in Großbritannien oder die ebenfalls von dort jetzt aufs europäische Festland übertragenen Social Impact Bonds verbinden Wachstum, sozialen Einfluss und langfristige Einsparungen für die Gesellschaft. Der von der SBA-Initiative geplante Leitfaden wird für Gründer erste Anregungen zu Bereichen und Fragestellungen geben, für die Messungen relevant werden können.

• mehr Verbreitung und Bekanntheit bei bestehenden Beratungsorganisationen und -teams erlangen. Denkbar wären hierfür die großflächige kostenlose Verbreitung des Leitfadens und eine Berater-Konferenz. Zusätzlich sollte über die Anwendung von „train-the-trainer“-Konzepten nachgedacht werden, mit deren Hilfe konven-tionelle oder auf andere Fachbereiche spezialisierte Berater von Nachhaltigkeitsberatern und/oder erfahrenen Nachhaltigkeitsunternehmern trainiert werden, um der wachsenden Nachfrage nach ganzheitlichen Beratungs-angeboten einen Angebotsmarkt mit wettbewerbsfähigen Akteuren gegenüberzustellen. Dabei müssten die stark betriebswirtschaftlich geprägten Denkmuster der Berater verknüpft werden mit entsprechenden Qualifikationen und einem für Aspekte der Nachhaltigkeit offenen Impetus. Als Hürde hierfür könnte sich herausstellen, dass

im bisherigen Beratungsmarkt Konzepte, Wissen, Abläufe und Prozesse oft als Betriebsgeheimnisse der Bera-tungsorganisationen gehütet werden. Der „Markteintritt“ erfahrener Unternehmer, die bereit sind, ihr Wissen weiterzugeben, könnte in diesem festgefahrenen Markt eine neue Dynamik auslösen. Gleichwohl muss auch diese Bereitschaft und das Verantwortungsbewusstsein, Gründern zu helfen, bei Managern und Unternehmen oftmals erst noch geweckt werden. Besonders Wirtschaftsentscheider im Ruhestand könnten hierfür angespro-chen werden.

• mehr Verbreitung und Bekanntheit bei beratungsbedürftigen Unternehmern erlangen. Dies müsste über be-kannte zentrale Anlaufstellen wie die IHKs oder die umfangreiche Informationsplattform für Existenzgründer www.existenzgruender.de erfolgen und aktiv von diesen, sowie von öffentlichen Stellen (wie der Agentur für Arbeit) und mit dem Thema befassten Ministerien (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie; Bundesminis-terium für Arbeit und Soziales; Bundesministerium für Bildung und Forschung; Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit) kommuniziert werden. Zentrale und lokale Anlaufstellen sollten auch bestehenden Unternehmen Nachhaltigkeitsberatung anbieten, vor allem aber den Anlass einer Neugründung nutzen, um auf das Angebot aufmerksam zu machen, da eine rechtzeitige Beratung in der Gründungsphase erfolgsentscheidend sein kann, wenn sie eine tragfähige Basis für das Gründungsvorhaben schaffen und dazu beitragen kann, Fehler zu vermeiden, die in späteren Phasen nicht mehr zu korrigieren sind.

1.2 Implikationen für Wachstums- und Transformationsbestrebungen

Inwiefern Unternehmensgründungen die Markttransformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft beeinflussen, ist noch wenig erforscht. Erste Überlegungen dazu gehen auf das Konzept von Rolf Wüstenhagen zu den soge-nannten Multiplying bzw. Upscaling Davids und Greening Goliaths zurück. Als Davids werden in diesem Modell Anbieter grüner Nischen-Produkte verstanden, während zu den Goliaths größere Unternehmen im Massenmarkt zählen. Sie unterscheiden sich in der ökologischen Qualität ihres Sortiments und in ihrer ökonomischen Bedeutung (Marktanteil). Das Ziel des ökologischen Massenmarkts kann erreicht werden, indem entweder die Davids sich

„vermehren“ (Multiply) bzw. wachsen (Upscaling) oder die Goliaths „ergrünen“, also die ökologische Qualität ihres Sortiments erhöhen (Greening) (vgl. Abbildung 36).

Abbildung 36: Multiplying Davids und Greening

Goliaths als alternative Pfade von der Öko-Nische zum

ökologischen Massenmarkt (Quelle: Wüstenhagen 1998, 2,

abgebildet bei und übernommen von Wüstenhagen 2010, 17).

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Bedingt durch ihre anfängliche Größe zählen junge nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen zunächst immer zu den Davids. Sie sind, wie etablierte Nischenanbieter, tendenziell experimentierfreudiger und dezentral ausgerichtet; ihr Wachstum wird jedoch häufig durch Hürden begrenzt. Ökologische (und auch soziale) Innovationen sind häufig Erfindungen idealistisch-motivierter Nischenanbieter, denen es aber an Vertriebsstrukturen und Marketing-Etat fehlt, um das neue Produkt einem breiteren Markt zu präsentieren. So bleiben viele dieser Produkte zunächst in der „Öko-Nische“. Bei Austritt aus dem Nischenmarkt kann den Anbietern ein Absturz drohen, da der Eintritt in den Massenmarkt mit Risiken verbunden ist. Zu beachten sind Unterschiede im Marketing, in der Wettbewerbsintensität und in der Käuferstruktur.

Die „Große Transformation“ der Wirtschaft hin zu Nachhaltigkeit erfolgt aus Sicht des Sustainable Entrepreneur-ship Konzepts aus einem Zusammenspiel von radikalem Wandel durch Nachhaltigkeitspioniere in Nischenmärkten und inkrementellen Verbesserungsstrategien konventioneller Firmen im Massenmarkt. Zum Wandel können beide Akteursgruppen mit ihren Innovationen auf vier verschiedenen Wegen beitragen:

1) Variation (Adaptive Response), also Pfadoptimierung – z. B. durch eine effizientere Nutzung bestehender Heizsys-teme mit einer Heizungs-App, wie der des Start-ups ta-do° aus München.

2) Innovation (Creative Response), also Pfadkreation – z. B. durch eine neue ökologischere Art zu heizen mit Hilfe der Abwärme energieverbrauchsstarker Server, wie bei dem Start-up AO Terra aus Dresden.

3) Diffusion durch Imitation und Adaption – z. B. durch die Multiplikation des Konzepts solidarischer Landwirtschaft, wie bei dem Start-up Kartoffelkombinat aus München.

4) Exnovation, indem Produkte / Technologien, wie z. B. FCKW in Kühlschränken, eingestellt und durch umwelt-freundliche Alternativen ersetzt werden.

Selbst wenn sie sich nicht am Markt halten können, beeinflussen nachhaltige Gründungen die Gesamtwirtschaft, indem bestehende Unternehmen sich an die von den Start-ups eingeführten Normen langfristig anpassen. Von seiner marktverändernden Wirkung ist auch GU1 überzeugt. Die Vorreiterschaft im Bereich Qualität in der von GU1 bedienten Produktkategorie wird bereits von Konzernen wahrgenommen. Das Unternehmen ließ sich für ein stärkeres Wachstum und einen mittelfristigen Eintritt in den Massenmarkt von den Sustainable Business Angels in den Bereichen Vertrieb und Kommunikation beraten.

Während Erfindung und Markteinführung nachhaltiger Alternativen inzwischen selten ein Problem darstellen, fehlt es meist an der breiten Diffusion der Innovationen über den Nischenmarkt hinaus. Nachhaltige Unternehmen, die ihre gesellschaftliche Wirkung maximieren wollen, müssen daher den Hebel des Upscalings nutzen. An dieser Stelle besteht eine Forschungslücke, mit der Kernfrage, wann und wie Social Entrepreneurship, Ecopreneurship und nachhaltige Innovationen sich aus der Nische zu Sustainable Entrepreneurship in der Breite des Markts entwickeln. Dabei geht es nicht nur um Wachstum in Form von Marktanteilen und Unternehmensgröße, sondern auch um qualitatives Wachstum, also etwa den Einfluss auf Lieferketten, Märkte, Branchen. Dies bestätigen auch die Aus-sagen und Ergebnisse dieser Studie: „Es geht um gesunde Entwicklung, wobei Wachstum nicht unbedingt ein Ziel

ist, aber dies individuell sein kann“. Wenn ein Unternehmen bereits die optimale Unternehmensgröße hat, lohnt es sich dagegen, in das organische Wachstum der Unternehmensstrukturen und das qualitative Wachstum des Geschäftsmodells zu investieren. Gleichzeitig sei Unternehmenswachstum für den Transformationsprozess wichtig,

„damit nachhaltige Unternehmen andere vom Markt verdrängen und ein Austausch von Geschäftsmodellen statt-findet“. Diese Wirkung könne auch mit der Multiplikation einer regionalen Idee in andere Regionen erzielt werden.

1.2.1 Exkurs: Erfolgsfaktoren und Scheitern von Gründungen

Ein Großteil der Gründungsforschung beschäftigt sich mit der Frage, was Gründungen erfolgreich macht oder sie scheitern lässt. Für die Frage nach Wachstum und Etablierung im Massenmarkt nachhaltiger Gründungen kann eine schlaglichtartige Betrachtung der Forschungsergebnisse zu diesem Thema daher nützliche Anregungen geben. Als gesichert gilt, dass sich personenbezogene Faktoren wie Branchen- und Berufserfahrung, höhere Bildung und die Unterstützung durch ein soziales Netzwerk positiv auf den Gründungserfolg auswirken. Auf Unternehmensebe-ne wirken sich ein hohes Startkapital und eine Teamgründung positiv auf Unternehmensbestand und -wachstum aus; öffentliche Fördermittel und eine hohe Anzahl Beschäftigter sichern das Überleben eines Unternehmens. Als weniger empirisch gesicherte Erfolgsfaktoren gelten u.a. die internale Kontrollüberzeugung und Leistungsmotivati-on der Gründer oder eine Kooperation mit externen Vertriebspartnern. Die personen- und unternehmensbezoge-nen Erfolgsfaktoren sind in Tabelle 13 zusammengefasst.

Tabelle 13: Erfolgsfaktoren

für Gründungen (eigene Darstellung, Quelle: Schick 2007, 90 und 107).

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Auch zu möglichen „Lehren“ aus dem Scheitern von Start-ups finden sich in der Literatur zahlreiche Beispiele. Erfolg könnte demnach weniger von Erfolgsrezepten und -faktoren abhängen, als von der Vermeidung von Fehlern, die zum Scheitern führen können. Aus der langen Liste gescheiterter grüner Unternehmen wie Alligator, Cargolifter, Isofloc, Ökobank und Umweltkontor lassen sich vielfältige Wege des Scheiterns erkennen, aus denen heraus Peter-sen ein mehrstufiges Vorgehen empfiehlt: „Mißerfolgsfaktoren zu orten, sie im Blickfeld zu ordnen, um betriebliche Aktivitäten anschließend so aufeinander abzustimmen, dass Fallstricke zielgerichtet umgangen werden können“. Mögliche Gründer für das Scheitern von Unternehmen sind in Tabelle 14 zusammengefasst.

Tabelle 14: Mögliche Gründe für das Scheitern von Gründungsunternehmen (eigene Darstellung, Quellen: Cromie 1991, 44–55; SBA-Initiative 2013b, 3; McMillan 1987, 123).

1.2.2 Wachstumshemmnisse

Als grundsätzlich gesellschaftlich wünschenswert erscheint die Verbreitung nachhaltiger Innovationen. Die For-schung identifiziert dabei sechs Einflusssphären, die auf die Diffusion von Innovationen wirken. Dies sind produkt-bezogene, adopterbezogene, anbieterbezogene, branchenbezogene, politikbezogene und pfadbezogene Einflüsse. Je nach Ausprägungskonstellation dieser Sphären verbreitet sich eine Innovation schnell, langsam oder gar nicht im Massenmarkt. Zu den Faktoren, die eine Vergrößerung des sozial und ökologisch orientierten Massenmarkts fördern, zählen die Entidealisierung von Nachhaltigkeit im gesellschaftlichen Diskurs, um Berührungsängste und Vorurteile der Kunden abzubauen, die Anpassung von Geschäftsmodellen und Unternehmenskommunikation an den Mainstream des Massenmarkts und – als Managementaufgabe – die Entwicklung von geschäftsrelevanten Nachhaltigkeitsthemen. Doch nicht jeder „David“ in der Öko-Nische ist bereit, solche Anpassungen vorzunehmen, um dem Massenmarkt zu gefallen, auch wenn grundsätzlich Konsens darüber herrscht, dass jedes Unternehmen sich im wirtschaftlichen Umfeld behaupten muss, um bestehen zu können. Widersprüchliche Meinungen und Vor-gehensweisen sind wichtig für die Entstehung von Innovationen: Eine starke Anpassung an den Mainstream bringt nichts fundamental Neues hervor. Gleichzeitig muss eine Innovation zwar neu, aber immer noch anschlussfähig an Bestehendes, den Kunden Bekanntes sein, um auch bei der Diffusion – also der Verbreitung am Markt – Erfolg zu haben. Anders ausgedrückt:

„Innovation im Konsens ist Nonsens!“

Hinzuzufügen wäre:

Diffusion ohne Adaption ist Illusion.

Eine verbreitete Innovation wirkt wiederum auf das System, in das sie eingeführt wurde, und kann Veränderungen darin hervorrufen (Akkomodation). Trotz dieser potenziellen Markt- und Veränderungsmacht durch individuelles Wachstum ist es für manche Unternehmen nicht möglich oder nicht interessant zu wachsen. Zu den Gründen dafür gehören der Glaube an eine „ideale Unternehmensgröße“, Ressourcenmangel oder externe Einflüsse, sowie die Angst vor mit Wachstum verbundenen Gefahren. Diese Gründe sollen im Folgenden näher diskutiert werden.

Suffizienz: Die ideale Größe

Manche Nachhaltigkeitsgründer bevorzugen eine Nullwachstumsstrategie oder eine Strategie mit geringem Wachs-tum, weil sie nicht zum Business-as-usual beitragen wollen. Dies kann auch mit ihrem Glauben daran zusammen-hängen, dass ihr Gestaltungspotenzial in kleineren, regionalen Kontexten genauso hoch oder höher als im Mas-senmarkt ist – bei weniger Aufwand. Für ein Unternehmen mit dem Anspruch, einen wesentlichen, gesellschaftlich positiven Beitrag zu leisten, ohne sich gleichzeitig an der Gesellschaft zu bereichern, stellt sich die Frage, wie viel Profit es generieren sollte und aus Sicht seiner Stakeholder „darf“. Gewinn ist schwierig zu definieren, wenn er nicht nur den Eigentümern zugutekommt, sondern in die Mission des Unternehmens und damit in das gesellschaftliche Anliegen reinvestiert wird. Ein zumindest kleiner Gewinn erscheint legitim, damit sich das Unternehmen finanziell

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stabil aufstellen kann. Zwar erscheint ein hoher Gewinn – zumal wenn er auf Kosten von Mensch und Umwelt entsteht – gesellschaftlich zunächst weniger akzeptabel. Doch er kann zu einem größeren sozialen und / oder öko-logischen Einfluss und zum Upscaling des nachhaltigen Geschäftsmodells beitragen.

Die Business Angels raten hier zu einer individuellen Betrachtung. Die Frage nach der idealen Größe hänge vom Produkt, von den Rahmenbedingungen und finanziellen Ressourcen ab. Häufig sei der Test des Geschäftsmodells in bestimmten Nischen zunächst deutlich besser. Die beste Größe sei erreicht, „wenn alles in sich stimmig ist“: Wenn der Unternehmer zufrieden ist, von seiner Arbeit seinen Vorstellungen nach leben kann und das Unternehmen ökonomisch langfristig sowie unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten funktioniert. Dies könne „in jeder Größe der Fall sein“. Gerade junge Unternehmen bräuchten zunächst Wachstum, um diesen Punkt zu erreichen, „aber Wachstum ist kein Ziel an sich sondern nur Mittel zum Zweck, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen“. Hinzu kommt, dass für die meisten Sustainable Entrepreneurs der persönliche finanzielle Erfolg nicht an erster Stelle steht, sondern ihre gesellschaftliche Wirkung, die durch Markterfolg zusätzliche Bestätigung findet: „Leistung macht glücklich, nicht eigentlich Geld – Geld ist nur Indikator dafür, dass Leistung am Markt funktioniert“.

Ressourcenmangel und Markteinflüsse

In anderen Fällen wollen Gründer ihre Unternehmen zwar wachsen lassen, stoßen dabei aber auf Probleme. Be-sonders Personal- und Finanzierungsengpässe hindern Organisationen am Wachsen; wer auf die Verbreitung seiner nachhaltigen Idee hofft, sieht sich zudem einem Mangel an Nachahmer-Plattformen und Kooperationsbereitschaft gegenüber. Zusätzlich können konventionelle Gründungen, die Nachhaltigkeit für sich entdecken, ökologisch und sozial orientierten Gründern Wettbewerbsvorteile nehmen. Der oft hohe Innovationsgrad nachhaltiger Gründungen kann ihnen zum Verhängnis werden, da der Markt darauf nicht vorbereitet ist und sie ihre Strategie ggf. korrigieren müssen. Diese Erfahrung machte auch GU1. Das Unternehmen leitete seine Strategie nicht aus Marktbedürfnissen und -rahmenbedingungen ab, sondern aus den Qualitätsansprüchen der Gründer. Aus diesem Vorgehen ergeben sich spezielle Anforderungen an Marketing, Vertrieb, Kommunikation und Verbraucherdialog, zu denen die Business Angels ihre Erfahrungen für die Gründer einbringen können.

Die Diffusionsdynamik einer nachhaltigen Innovation steigt, je einfacher sie verfügbar, je vollständiger das Servi-ceangebot, und je größer die Zahl bestehender Anbieter mit hohem Bekanntheitsgrad und hoher Reputation ist. Dies ist jedoch gerade bei neuartigen Angeboten nachhaltiger Start-ups selten der Fall; diese Rahmenbedingungen müssen erst geschaffen werden, wofür die wenigsten Gründer die nötigen Ressourcen aufbringen können. Neben dem Aufwand für Information, „Aufklärung“ und „Erziehung“ der Verbraucher in Bezug auf ökologischen und sozia-len Konsum, haben einige Sustainable Entrepreneurs – vor allem Sozialunternehmen – zudem Schwierigkeiten mit der Skalierbarkeit, wenn sie individuelle Leistungen anbieten. Viele verbinden mit der Skalierung ferner die Gefahr, damit die Kontrolle über die Umsetzung ihrer Mission zu verlieren.

Angst vor Veränderungen: „mission drifts“ und Imageschäden

Starkes Wachstum führt zu internen Veränderungen in der Organisation. Die Literatur berichtet etwa von der Auflösung familiärer Betriebsstrukturen, wodurch der ursprüngliche Zusammenhalt nicht mehr besteht und neue Rahmenbedingungen als Bindeglieder etabliert werden müssen. Auch die Sustainable Business Angels warnten vor den Gefahren des Wachstums, unter anderem aus Erfahrungen, die sie damit selbst als Unternehmer machten – etwa der somit stärker hervortretende Konflikt verschiedener Organisationsziele, der sogenannte „mission drift“. Solche Fälle sind auch aus der Literatur bekannt: Das Unternehmen „7th Generation“ entschied sich gegen den Schritt in den Massenmarkt (in diesem Fall: Lieferant von Walmart zu werden), um sein Qualitäts-Image nicht zu gefährden. Mit GU1 und GU2 berieten die Sustainable Business Angels zwei Unternehmen, von denen eines ein massenmarktfähiges Produkt entwickelt und das andere nur die Stabilisierung des Geschäftsmodells in der Nische zum Ziel hat. In der Forschung finden sich zu diesen Vorgehensweisen widersprüchliche Aussagen. Auf der einen Seite wird postuliert, dass für Nachhaltigkeitsinnovationen eine lange Zeitskala durchaus nützlich sein kann, um die ökologischen und sozialen Auswirkungen abzuwarten und ggf. darauf zu reagieren. Auf der anderen Seite liege die zögerliche Weitergabe nachhaltiger Konzepte in „zu großem Ego“ oder Bedenken bezüglich der Qualitätsanforde-rungen der Jungunternehmer begründet, was den systematischen Transfer bereits bewährter Konzepte verhindert. Die Befürworter einer längeren Diffusionszeit argumentieren vermutlich mit stärkerem Fokus auf ökologische bzw. technische Innovationen (und damit verbundene Risiken, z. B. Einsatz von Bio- und Nano-Technik), während an-dere Autoren mit Blick auf soziale Veränderungen argumentieren, deren Risiken überschaubarer oder als ohnehin schwerer messbar gelten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die unterschiedlichen Organisationsziele in Hybrid Organizations immer auf die Anforderungen des Markts treffen und mit einem Wachstum von diesen beeinflusst werden können. Es liegt dann im Bewusstsein der Gründer und Eigentümer, ob sie einer Verschiebung der ursprünglichen Zielschwerpunkte entgegenarbeiten oder diese bewusst in Kauf nehmen. Aussagekräftige, breit kommunizierte unternehmerische Grundwerte und die Einbeziehung der Mitarbeiter können dazu beitragen, dieses Bewusstsein präsent zu halten.

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1.2.3 Möglichkeiten des Wachstums

Zu einer nachhaltigen Gründungsberatung sollte die Thematisierung von Wachstumsperspektiven für das Unter-nehmen und für dessen nachhaltige Innovationen gehören. Eine Übersicht über die bestehende Scalability-Literatur geben Weber et al. Für Social Entrepreneurship nennt die Forschung sieben Wachstumsstrategien für die Ver-breitung der gesellschaftlichen Lösung. Diese Strategien lassen sich teilweise auch auf den größeren Kontext des Sustainable Entrepreneurship übertragen:

1) Klein bleiben, (qualitatives) Wachstum anderer Parameter wie Mitarbeiterzufriedenheit, Umweltverbesserungen

2) Quantitatives Größenwachstum (Umsatz, Mitarbeiterzahl etc.)

3) Vervielfältigung des Konzept in anderen Regionen (z. B. systematisches Franchising)

4) Eine Bewegung gründen: Regierungen, konventionelle Unternehmen, Kommunen dazu bringen, für den glei-chen Zweck zu arbeiten

5) Verbindung mit anderen Unternehmen im gleichen Cluster („network production“)

6) Partnerschaften mit anderen Akteuren im privaten oder öffentlichen Sektor (Zugang zu Wissen, Kompetenzen, Infrastruktur, Kapital)

7) Teile des oder das ganze Unternehmen an ein kommerzielles Unternehmen verkaufen.

Während GU1 stärker auf Strategie 2 setzt, indem es seine Vertriebskanäle und Produktionskapazitäten ausweitet, verfolgt GU2 eher Strategie 1, indem es die vor allem regionalen Beziehungen zwischen seinen Kunden und Liefe-ranten stärkt. GU3 betreibt starke Netzwerkaktivitäten im Sinne der Strategien 4, 5 und 6. Für GU2 und GU3 könn-te auch das Franchise-Modell (Strategie 3) interessant sein. Franchise-Nehmer geben mehr als dreimal seltener im ersten Jahr auf als normale Neugründungen. In einer solchen Partnerschaft besteht ein starke wechselseitige Abhängigkeit: Der Franchisenehmer kann vom guten Image des Gesamt-Unternehmens profitieren; dieses kann aber durch imageschädigendes Verhalten anderer Partner oder der Systemzentrale gefährdet werden. Gerade in Märkten für nachhaltige Produkte, in denen Vertrauen in der Regel eine große Rolle spielt, kann sich diese Abhän-gigkeit zum existenziellen Risiko entwickeln. Gleichzeitig weist das Franchise-Konzept eine viel schnellere Markt-durchdringung auf als ein Filialsystem, das durch Finanz- und Personalengpässe begrenzt ist. Wie im vorigen Kapi-tel gezeigt, sind diese Engpässe aber bedeutsame Wachstumshemmnisse für nachhaltige Start-ups und ihre Ideen. Weitere Vorteile von Franchising fasst Tabelle 15 zusammen. Das Franchise-Konzept ist nur eine der möglichen Wachstumsstrategien, kann aber gerade für Lösungen mit starkem Nachhaltigkeitsbezug einen interessanten Weg darstellen und sollte daher in Gründungsberatungs- und Gründungsförderungskonzepten Berücksichtigung finden.

Tabelle 15: Vorteile von Franchising (im Gegensatz zum Filialsystem) (eigene Darstellung, Quelle: Hebig 2004, 180–181).

Andere Unternehmen erreichen mit ihren Produkten und Dienstleistungen den Massenmarkt, indem sie anderen Strategien folgen. Ben & Jerry‘s gilt in der Literatur als gutes Beispiel, wie Sustainable Entrepreneurship den Mas-senmarkt erreicht. Die starke Verbreitung der beliebten Fair Trade Eiscreme hat aber erst durch den Aufkauf durch den Lebensmittelkonzern Unilever gelingen können. Solche Verkäufe von Pionierunternehmen an Konzerne (wie auch beim Milchproduktehersteller Stonyfield, dem Kosmetikhandel The Body Shop oder in Deutschland dem Ge-tränkehersteller Bionade) werden als Ausverkauf der ethischen Werte von Nachhaltigkeitsidealisten bedauert und können diese Kundengruppe verschrecken; gleichzeitig agieren diese Marken als „Trojanische Pferde“ im größeren unternehmerischen Kontext und können durch Verfolgung der Strategie 7 (Aufkauf) zu einer Transformation der Wirtschaft hin zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.

Zahlen darüber, welche Wachstumsstrategien nachhaltigkeitsorientierte Gründer besonders häufig nutzen, sind bisher nicht festgehalten. Dies, zusammen mit Analysen der jeweiligen Erfolgsraten und -faktoren, könnte Inhalt weiterer Forschung sein. Die Social Entrepreneurship Unterstützer-Organisation Ashoka gibt an, wie die von ihr unterstützten Sozialunternehmer (Fellows) ihren soziale Wirkung verstärken: 61 % von ihnen nehmen dafür auf Gesetzgebungen Einfluss, 46 % nutzen Open-source-Strategien, 39 % vergrößern ihre Organisation, 57 % gründen eine Graswurzelbewegung, 40 % nutzen Medienkampagnen und 7 % greifen auf Franchise-Modelle zurück. Die Thematisierung verschiedener Wachstumsstrategien im Rahmen der SBA-Initiative und der Beratungsprozesse könnte den teilnehmenden Gründer_innen neue Perspektiven für die Verbreitung ihrer ökologischen und sozialen Lösungen eröffnen.

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1.3 Implikationen für die nachhaltige Gründungsförderung

Die Gründungsförderung konzentriert sich meist auf bestimmte Regionen, Branchen oder Technologien. Über-greifende oder spezielle Angebote für nachhaltigkeitsorientierte Gründer sind rar (vgl. Kapitel 2.3). Antworten auf die Frage, was diese beinhalten könnten, werden vor allem in der Literatur zu Social Entrepreneurship diskutiert. So identifiziert etwa die NESTA (National Endowment for Science, Technology and the Arts, Großbritannien) drei Wachstumshebel für Social Entrepreneurs: Man müsse ihnen 1) Finanzierungsquellen aufzeigen; 2) eine Grundfi-nanzierung / -ausstattung geben, um andere Investments anzuziehen (wie z. B. Beirat, technische Betreuung, Mar-ketingbedarf); und 3) eine unterstützende Infrastruktur aufbauen mit entsprechender Steuerregulierung, Europäi-schem Wettbewerbsrecht und Sozialchartas für Banken.

Für Sustainable Entrepreneurship fehlt es an Plattformen und Marktplätzen zur Innovationsverbreitung und Ver-netzung von Ideen, Financiers und Nachahmern. Die Bemühungen dafür finden entweder sehr vereinzelt statt (über Förderpreise und Netzwerkveranstaltungen von Stiftungen) oder sind sehr allgemein gehalten und bringen wenig Mehrwert für individuelle oder themenspezifische Fragen. Positivbeispiele für Ideentransferansätze sind die Blue Economy-Initiative (Technologiebereich), KarmaKonsum (Plattform, Blog, Austausch, Konferenz, Award für nach-haltige Start-ups) und die Stiftung Bürgermut mit der Weltbeweger-Plattform. Die Förderung solcher Plattformen erscheint vor dem Hintergrund ihres großen Erfolgs bei den Nutzern als sinnvoll. Weitere Vernetzungsformen zur Finanzierungs- und Beratungssuche für nachhaltige Start-ups sind anzudenken, wie etwa Speed-Datings zwi-schen Gründern und Business Angels, oder Matchmaking-Veranstaltungen. Ashoka empfiehlt zudem als Vermittler zur Verbreitung sozialer Innovation die Einrichtung überregional wirkender Transferagenturen („Push“) oder lokaler Innovationszentren („Pull“). Zentral erscheint eine Vereinfachung der Unterstützungszugänge: Die Komplexität des – als geographische Einheit zu verstehenden – Entrepreneurial Ecosystems Deutschland könnte reduziert werden, wenn die Verantwortlichen die EU-Empfehlung zu One-Stop-Shops für Existenzgründer umsetzen.

Im Rahmen der SBA-Initiative könnte eine Plattform für den Austausch der Gründungsunternehmen untereinander sorgen. Es empfiehlt sich, die Vernetzung der Beratenen zu verstärken, da diese auch Erfahrung austauschen und ggf. dem nächsten Jahrgang als Paten zur Verfügung stehen könnten. Zusätzlich würden Unternehmen, die aus Kapazitätsgründen nicht für die Beratung ausgewählt wurden, hier eine Austauschplattform finden und über den Austausch mit den „Paten“ indirekt von den Erfahrungen der Business Angels lernen; die beratenen Unternehmen wiederum profitieren von den anregenden Ansätzen neu dazukommender innovativer Start-ups. Das Modell der Patenschaft ließe sich auch auf Unternehmensverbände und regionale Netzwerke übertragen. Das reale Aufeinan-dertreffen hat trotz elektronischer Medien, die eine Kommunikation über Zeit und Raum hinweg ermöglichen, einen besonderen Stellenwert, der Beziehungen stärker verfestigt, als virtuelle Alternativen dies tun können. Die regional organisierten Industrie- und Handelskammern könnten hier den Kontakt zu Praktikern vermitteln. Wichtig ist eine nachhaltigkeitsspezifische Ausrichtung von Mentoring- oder Patenprogrammen, da ein Angebot wie etwa „Alt hilft Jung“ von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Wirtschafts-Senioren an den speziellen Bedürfnissen grüner und sozialer Gründer vorbeigeht. Denkbar wäre vor diesem Hintergrund auch eine Ausweitung von Nachhaltigkeitscoa-ching oder Mentoring durch Praktiker auf etablierte Unternehmen (über Start-ups) hinaus. Die Frage, ob eine sol-che Vernetzung institutionalisiert werden müsste oder eine Institutionalisierung informeller Treffen und Austauschs nicht sinnvoll ist, könnte in der weiteren Forschung untersucht werden.

Die finanzielle Förderung von nachhaltigkeitsorientierten Gründern ist stark ausbaufähig. Eine Auszeichnung wie etwa der Financial Times Gründerpreis über 50.000 Euro schafft Freiraum und bietet auch einen kommunikativen Mehrwert. Auch Sach- und Dienstleistungspreise – wie die Beratung durch erfahrene Unternehmer – können stark motivieren. Die Politik könnte außerdem finanzielle Anreize für Sustainable Entrepreneurship geben, indem sie die in der Industrie übliche Externalisierung von Kosten (etwa in Form von Umweltschäden, die die Gesellschaft trägt) besteuert und so nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Darüber hinaus sind die verschiedenen Investmentformen für Sustainable Entrepreneurship momentan verteilt wie Planeten eines Sonnensystems, die völlig unterschiedliche Rahmenbedingungen und Überlebensanforderungen stellen. Für ein Wachstum der Marktanteile nachhaltiger Lösungen müssten sie zu einem Ökosystem zusammengeführt werden.

Letztendlich braucht es für eine Gesellschaft, die nachhaltige Produkte nachfragt, fördert und produziert einen Bewusstseins- und Kulturwandel. Ein anderer Umgang mit Ressourcen und andere Verhaltensmuster müssen erst eingeübt werden. Dafür wäre in erster Linie Ausweitung des Angebots der Bildung für nachhaltige Entwicklung und für nachhaltiges Unternehmertum förderlich. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit müsste bereits im Kindergarten beginnen. Ganzheitliches Denken müsste in allen Stufen und Disziplinen der Ausbildung bis hin zu Manager-Ausbildung für Nachhaltigkeitsmanagement thematisiert werden. Außerdem sollte ehrenamt-liches Engagement gesellschaftliche Normalität werden und mehr soziale Anerkennung finden. Programme wie der Deutsche Engagement-Preis arbeiten bereits an der Stärkung dieses Bewusstseins für Verantwortungsübernahme. Schließlich müsste das gesellschaftliche Bild von unternehmerischer Tätigkeit positiv belegt werden, um auch Grün-dungen attraktiver und weniger angstbesetzt zu machen. Dafür werden zum einen eine breite gesellschaftliche Sensibilisierung für und zum anderen eine langfristige, fokussierte Förderung von Unternehmertum nötig sein.

1.4 Implikationen für die Nachhaltigkeits-, Beratungs- und Gründungsforschung

Für eine Verallgemeinerung der in dieser Fallstudie vorgestellten Ergebnisse ist weitere Forschung nötig – z. B. mit einem größeren Sample, dessen Zusammensetzung auch andere Branchen, Teamzusammensetzungen und Geschäftsmodelle beinhaltet. Künftige Studien könnten die Prozesse, Abläufe und typischen Ausprägungen der Unterstützung und Beratung von Gründern durch erfahrene Nachhaltigkeitsunternehmer näher untersuchen. Ein interessantes Referenzprojekt dafür wäre die Initiative MENT, die KMU mit Sozialunternehmen zusammenbringt, damit beide Seiten im Rahmen eines Mentorings voneinander lernen. Weiterhin könnte näher analysiert werden, welche konkreten Auswirkungen Beratung und Vernetzung auf den Gründungserfolg haben und ob die Begleitung durch Sustainable Business Angels, Berater oder Mentoren als Qualitätsindikator für externe Stakeholder (wie Banken, Investoren oder Kunden) gelten kann bzw. die Start-ups attraktiver für sie macht.

Vor diesem Hintergrund kann eine Beschäftigung mit dem noch zu veröffentlichenden Leitfaden („Guidelines“) der SBA-Initiative Erkenntnisse darüber eröffnen, ob und wie nützlich dieser für die Nachhaltigkeitsausrichtung junger Unternehmen sein kann und inwiefern er sich als Fragenkatalog in die Risikobewertung bei Banken und Risikokapi-talgebern wie Venture Capital Gesellschaften einbinden lässt. Wichtig erscheinen außerdem eine Priorisierung von Themen und Fragen zu Nachhaltigkeit, die sich bei einer Gründung als besonders relevant herausstellen, sowie eine Bewertung, inwiefern diese Relevanz abhängig von Faktoren wie der Branche, der Gründungsphase, der Unter-nehmensgröße oder der Teamzusammensetzung ist. Besonders komplex erscheinen die Anforderungen an einen

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Austausch zwischen der Beratungspraxis und einem theoretischen Leitfaden: Wie können die Business Angels die Systematik der Guidelines im Beratungsprozess operationalisieren? Und andersherum: Inwieweit decken sich ihre Empfehlungen mit denen der Guidelines? Und aus Sicht der Gründer: Wonach entscheiden Jungunternehmer, welche Aspekte eines Leitfadens oder einer Beratung sie letztlich tatsächlich in ihre Entscheidungen einbeziehen?

Ferner herrscht in der Gründungsforschung weitgehend Einigkeit, dass Eigenschaften, Kompetenzen und Erfahrung der Gründerpersönlichkeit(en) und -teams ein wesentlicher, wenn nicht der Erfolgsfaktor für ein junges Unterneh-men sind. Dies konnte in dieser Studie nicht näher beleuchtet werden; der Einfluss dieses Faktors auf das Gelingen einer Beratung bzw. Unterstützung durch erfahrene Unternehmer könnte Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Ebenso konnte die Perspektive des Institutional Entrepreneurship, also der Veränderung von behördlichen, gesellschaftlichen und marktlichen Institutionen, in dieser Studie nur ansatzweise beleuchtet werden. Wegwei-sende weitere Forschungsarbeiten könnten sich mit der Rolle von Verbänden, Industrie- und Handelskammern sowie Gründungsförderungszentren auseinandersetzen und Wege aufzeigen, wie diese (z. B. durch Beratung oder Patenschaftsmodelle) die Nachhaltigkeitsleistung von Start-ups steigern und den Erfolg nachhaltigkeitsorientierter junger Unternehmen verstärken können.

Allgemein bleibt zu hinterfragen, ob eine „strenge“ Implementierung von Nachhaltigkeitsthemen gleich zu Beginn einer Unternehmensgründung sinnvoll erscheint. Aus gesellschaftlicher Sicht ist dies sicher wünschenswert, da ein ökologisch und sozial arbeitendes Unternehmen in der Regel weniger Umweltschäden verursacht und allgemein einen schonenderen Umgang mit Menschen und Natur anstrebt. Allerdings profitiert die Gesellschaft langfristig wenig von diesen Vorteilen, wenn ein solches Unternehmen nicht auch ökonomisch Erfolg hat und sich am Markt halten kann. Gleichzeitig bleiben Nachhaltigkeitspotenziale ohne Impulse von außen oft unbeachtet und die daraus folgenden Lock-in-Effekte etablierter Geschäftsmodelle setzen dem unternehmerischen Handeln Grenzen setzen. Aus dieser Perspektive erscheint es sinnvoll, Nachhaltigkeit von Beginn an in die Strategie eines Unternehmens zu integrieren. Es bleibt daher empirisch zu belegen, ob und wann die Etablierung eines systematischen Nachhaltig-keitsmanagements von Gründung an nötig ist bzw. inwiefern die Nachhaltigkeits- und die Transformationswirkung auf den Markt nicht eher von etablierten Unternehmen ausgeht.

Quelle: Tina Teucher: Sustainable Business Angels. Masterarbeit im MBA Sustainability Management

TeilIII

ÜberdieSustainableBusinessAngelsInitiative

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Netzwerkpartner

Rhoen Campus eG

Die Rhoen Campus eG ist ein unabhängiges Beratungsunternehmen mit Sitz in der bayerischen Rhön. Es wurde 2012 von Peter Kowalsky, Gründer und ehema-liger Geschäftsführer der Bionade GmbH, gegründet. Als Mittler zwischen Theorie und Praxis bietet das Unternehmen in den Kernkompetenzfeldern Nachhaltig-keitsmanagement und -kommunikation, Supply Chain Management sowie In-novationskultur Beratungsleistungen, Seminare und Workshops zur verantwor-tungsbewussten und nachhaltigen Unternehmensführung an.

Mediengruppe macondo

Die Mediengruppe macondo ist ein inhabergeführtes Verlags- & Medien-Unter-nehmen. Dr. Elmer Lenzen gründete macondo im Jahr 1998. Kerngeschäftsfel-der sind eigene Verlagspublikationen, kompetente Unternehmenskommunikation sowie dazugehörende Agenturleistungen. Eine herausragende Rolle nimmt dabei das Thema „Corporate Social Responsibility“ ein.

memo AG

Die memo AG ist ein Versandhandel mit über 10.000 Artikeln für Büro, Schule, Haushalt und Freizeit, die gezielt nach ökologischen und sozialen Kriterien aus-gewählt sind. Viele der über 800 memo-Markenprodukte sind mit anerkannten Umweltzeichen, wie z. B. dem „Blauen Engel“, ausgezeichnet. Zusätzlich gewähr-leisten qualitative und ökonomische Aspekte, dass nachhaltige Produkte im Preis-Leistungs-Verhältnis konventionellen Produkten in nichts nachstehen. Darüber hinaus verfolgt die memo AG seit ihrer Gründung in allen Geschäftsbereichen konsequent die Kriterien der Nachhaltigkeit, die gleichermaßen berücksichtigt und kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Institut für Nachhaltigkeitsmanagement Dr. Frank Simon

Das 2010 von Dr. Frank Simon gegründete Institut für Nachhaltigkeitsmanage-ment hat sich auf die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien und deren Um-setzung in privatwirtschaftlichen Unternehmen und sozialen Einrichtungen spe-zialisiert. Fragen des Wertemanagements und der nachhaltigen Ausrichtung der Managementsysteme stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten des Instituts.

Berater

Beratende Unterstützung durch

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Öffentlichkeitsarbeit

Presseschau

Saft und Smoothies aus ungenutztem Obst und GemüseAm Anfang stand die Idee, Saft aus Äpfeln zu produzieren, die andernfalls verderben würden. Um den Erfolg langfristig zu sichern, hat das Hamburger Sozialunternehmen „Das Geld hängt an den Bäumen“ kürzlich sein Ge-schäftsmodell neu justiert. Das beinhaltet einen schmerzhaften Schritt, aber auch eine neue Idee: Künftig sollen aus Obstabfällen im Großmarkt leckere Smoothies entstehen.

Erschienen in: enorm – Wirtschaft. Gemeinsam. Denken. Datum: 22.10.2014

Sag YES zu ökologischer und sozialer Verantwortung!Wie nachhaltig ist Ihre Geschäftsidee? Achten Sie im Alltag auf Umwelt- und Sozialstandards? Wie verantwortungs-bewusst ist Ihr Umgang mit Lieferanten und Kunden? Testen und schärfen Sie Ihr Nachhaltigkeitsprofil mit dem kostenlosen Online-Tool YES.

Erschienen in: UmweltDialog Datum: 21.10.2014

Nachhaltiger Apfelsaft schafft Arbeitsplätze Sozial, fair und regional: So produziert Christian Langrock Apfelsäfte direkt aus „Nachbars Garten“, wie der Marken-name verrät. Gemeinsam mit Jan Schierhorn ist er Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH „Das Geld hängt an den Bäumen“. Obst, das sonst in Hamburger Hausgärten und Streuwiesen verderben würde, erntet das Unterneh-men in Zusammenarbeit mit Hamburger Behindertenwerkstätten. Die Mitarbeiter werden aus den Einnahmen des Saftvertriebs bezahlt und erhalten durch ihre Tätigkeit Zugang zum ersten Arbeitsmarkt.

Erschienen in: UmweltDialog Datum: 16.06.2014

„Ich schraube, also bin ich“ - Upcycling, Recycling & Co. Kommt das kollektive Hämmern, Häkeln und Schneidern? Wie Handwerk und Upcycling unser Leben verändern, warum eine Könnensgesellschaft tatsächlich eine nachhaltige Alternative zur Wissensgesellschaft sein kann und welche positiven Beispiele Unternehmen in diesem Zusammenhang liefern: Das analysiert Wirtschaftspsychologin und Nachhaltigkeitsexpertin Alexandra Hildebrandt für medianet.

Erschienen in: Medianet Datum: 03.06.2014

Aus Müll Mode machen – Upcycling Fashion aus Berlinaluc – Upcycling Fashion aus Berlin ist ein junges Unternehmen, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, aus Reststof-fen, die ansonsten als Industrieabfälle entsorgt würden, hochwertige Mode herzustellen. Dabei achten die Gründe-rinnen und Gründer in besonderem Maße auf soziale, ökologische und faire Unternehmensführung. Nun wurden sie von den Sustainable Business Angels ausgewählt, entgeldfrei beraten und gefördert zu werden, um erfolgreich auf dem Markt zu bestehen.

Erschienen in: UmweltDialog Datum: 22.04.2014

Heilmittel in entfremdeten Zeiten. Wie Handwerk und Upcycling unser Leben verändernNein, die Welt ist nicht zu retten durch „schneidern, häkeln, hämmern“ (SZ, 3.1.2014) oder der Beschwörung des Manufactum-Prinzips („es gibt sie noch, die guten Dinge“), aber vielleicht kann das verstärkte Bewusstwerden epo-chaler und globaler Notwendigkeiten dazu beitragen, eine bessere Welt zu bauen, an der auch die wiederbelebte Do-it-yourself-Bewegung maßgeblich beteiligt ist. Dahinter steckt nicht nur ein Trend, sondern auch eine Haltung, die sich gegen zunehmende Entfremdung und Komplexität richtet und mit neuen Formen des Konsumierens ver-bunden ist. Je unübersichtlicher die Zeiten werden und je weniger das, was um uns herum geschieht, fassbar ist, desto ausgeprägter wird die Sehnsucht nach Überschaubarkeit und Selbstbestimmtheit, die sich auch im zuneh-menden Bedürfnis zeigt, etwas mit den eigenen Händen zu tun.

Erschienen in: The Huffington Post Datum: 16.04.2014

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Durchstarten im grünen Gründer-GlanzNicht nur die Energiewende führt zu mehr Unternehmensgründungen im nachhaltigen Sektor. Für viele junge Gründer gehört nachhaltiges Wirtschaften zum Selbstverständnis. Doch häufig stoßen sie bei den klassischen Business Angels auf Unverständnis.

Erschienen in: factory Datum: 01.08.2013

Neue Engel für die Nachhaltige WirtschaftDie Sustainable Business Angels-Initiative (SBA) unterstützt junge Unternehmen bei der nachhaltigen Ausrichtung ihres Geschäftsmodells. Mit Michael Radau und Ulrich Walter konnten jetzt zwei weitere verantwortungsvolle Un-ternehmer als Mentoren gewonnen werden. Bis Ende August haben junge Unternehmerinnen und Unternehmer noch die Chance, sich für eine zwölfmonatige Betreuung zu bewerben.

Erschienen in: UmweltDialog Datum: 30.07.2013

Sustainable Business Angels - Eine Initiative für junge Unternehmen in die zweite Bewerbungsrunde gestartetAb sofort können sich nachhaltige Start-ups wieder bei den Sustainable Business Angels bewerben. Neben Peter Kowalsky (Gründer von Bionade) und Jürgen Schmidt (Gründer von memo) werden Jungunternehmen bei der Ausrichtung ihrer Geschäftsprozesse sowie bei Produkt- und Vertriebsfragen in diesem Jahr auch von Ulrich Walter (Lebensbaum) und Michael Radau (SuperBioMarkt) unterstützt.

Erschienen in: Utopia Blog Datum: 23.07.2013

Sustainable Business Angels beraten grüne GründerDie Energiewende führt zu mehr Unternehmensgründungen im nachhaltigen Sektor. Viele junge Unternehmerin-nen und Unternehmer stoßen bei den klassischen Business Angels auf Unverständnis.

Erschienen in: future e.V. Datum: 12.07.2013

Sustainable Business Angels: Zweite Bewerbungsrunde gestartetAb sofort können sich nachhaltige Start-ups wieder bei den Sustainable Business Angels (SBA) bewerben. Erfah-rene Öko-Manager unterstützen junge UnternehmerInnen bei der verantwortungsvollen Ausrichtung ihrer Ge-schäftsprozesse sowie bei Produkt- und Vertriebsfragen. Neben Peter Kowalsky, Gründer von Bionade, und Jürgen Schmidt, Gründer der memo AG, haben sich in diesem Jahr auch Ulrich Walter (Lebensbaum) und Michael Radau, (SuperBioMarkt) der Initiative als Sustainable Business Angels angeschlossen.

Erschienen in: NachhaltigeKarriere Datum: 03.07.2013

Die GeburtshelferDer eine war lange Chef von Bionade, der andere gründete die memo AG. Jetzt haben sich die Nachhaltigkeits-Pioniere Peter Kowalsky und Jürgen Schmidt zusammengetan, um als Berater anderen Unternehmen zum Erfolg zu verhelfen.

Erschienen in: enorm Datum: April 2013

Guidance und Guidelines für nachhaltiges Gründen Ist es möglich, Nachhaltigkeit bei Neugründungen und jungen Unternehmen messbar und damit auch erklärbar zu machen? Um diese Frage zu beantworten, entwickelte die Mediengruppe macondo gemeinsam mit drei Netzwerk-partnern und gefördert durch den Europäischen Sozialfonds und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Initiative „Sustainable Business Angels“. Diese berät junge Unternehmer und erarbeitet Guidelines, um die Implementierung von CSR in die Unternehmens-DNA nachvollziehbar zu machen.

Erschienen in: Global Compact Jahrbuch Deutschland 2012 Datum: Januar 2013

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Nicht nur Bio: Emils Feinkost ganz ohne Zusatzstoffe Keine Zusatzstoffe! Unter diesem Motto haben zwei Jungunternehmer aus Stuttgart Salatdressings entwickelt, die sich über ihren Geschmack definieren wollen und damit nicht dem gängigen preisbasierten Muster der Lebens-mittelindustrie folgen. Mit ihrer Vorstellung von natürlichen Produkten und Verfahrenstechniken grenzen sich die beiden Gründer auch vom klassischen Biosektor ab, der immerhin noch 47 Zusatzstoffe erlaubt. UmweltDialog sprach mit Jens Wages, Geschäftsführer Emils Feinkost, über Bio, Produktionsmethoden und die Schwierigkeiten bei einer Gründung im Lebensmittelsektor.

Erschienen in: UmweltDialog Datum: 18.01.2013

Essen – aber bitte mit GenussHans-Georg Pestka hat einen Plan. Er will den Deutschen den Glauben an die Qualität heimischer Lebensmittel zurückgeben und ihnen gleichzeitig wieder Freude am Essen vermitteln. Mit seiner Firma „Genusshandwerker“ ver-bindet er ein Netzwerk regionaler Produzenten aus ganz Europa für eine wachsende Käuferschicht in Deutschland. UmweltDialog sprach mit ihm über die Vorzüge langsamen Essens und die Schwierigkeiten von Existenzgründern im Lebensmittelsektor.

Erschienen in: UmweltDialog Datum: 07.12.2012

Die neue Kaufkultur beflügelt GründerZumindest immaterielle Unterstützung bekommen deutsche Gründer nun auch von zwei Pionieren der Ökowirt-schaft: Als „Sustainable Business Angels“ beraten Ex-Bionade-Chef Peter Kowalsky und Jürgen Schmidt, Gründer des Bürobedarfhändlers memo, zwei Jungunternehmen.

Erschienen in: Handelsblatt Datum: 26.11.2012

Nur beste ZutatenMichael Wiese und Jens Wages stellen mit großem Erfolg Salatsaucen her, die komplett frei sind von Zusatzstoffen. Teil ihres Geschäftsmodells: Obwohl es die Produktion erschwert, arbeiten psychisch kranke Menschen für ihre Firma.

Erschienen in: enorm-magazin Datum: 05.11.2012

„Sustainable Business Angels“ haben ihre Wahl getroffenDie „Sustainable Business Angels“, Peter Kowalsky (Geschäftsführer Rhoen Campus eG) und Jürgen Schmidt (Grün-der und Vorsitzender des Aufsichtsrates memo AG), und das Projektteam der Initiative haben ihre Wahl getroffen: In den kommenden zwölf Monaten werden sie zwei junge Unternehmen, Emils Feinkost, ein Anbieter von Dres-sings ohne Zusatzstoffe aus Stuttgart, und Genusshandwerker, ein Frischwaren-Versandhandel für Hobbyköche aus Düsseldorf, qualifiziert begleiten, wichtige Geschäftskontakte vermitteln und deren Businessplan auf ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit hin überprüfen.

Erschienen in: UmweltDialog Datum: 02.10.2012

Sustainable Business Angels - Eine Initiative für junge UnternehmerPeter Kowalsky (Gründer von Bionade) und Jürgen Schmidt (Gründer von memo) haben es erfolgreich vorgemacht: Eine verantwortungsbewusste und nachhaltige Unternehmensführung ist nicht nur im Sinne des Gemeinwohls, sondern trägt auch zum unternehmerischen Erfolg bei. Jetzt gehen die „Ökomanager“ neue Wege.

Erschienen in: Utopia Datum: 18.07.2012

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Sustainable Business Angels gestartet! Nachhaltigkeit ist nicht nur für die Umwelt gut, sondern wirkt sich auch positiv auf den ökonomischen Erfolg eines Unternehmens aus, wie aus einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung hervorging. Nachhal-tigkeit weckt Emotionen und lässt sich verkaufen. Viele Start-ups scheuen sich aber noch vor der Implementierung nachhaltiger Werte in das Firmenkonzept.

Erschienen in: Gründerzeit impulse Datum: 27.06.2012

„Sustainable Business Angels“ nehmen ihre Arbeit auf Innovative Ideen und verantwortungsbewusstes Unternehmertum sind wichtige Meilensteine auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft. Doch viel zu oft scheitern Unternehmensgründer mit ihren guten Ideen schon früh. Es fehlt an Geld, unternehmerischem Know-how, bürokratische Hürden kosten Zeit und Nerven und oft fehlt ein Netzwerk, das bei Schwierigkeiten schnell und effektiv hilft.

Erschienen in: CSR-Jobbörse Datum: 21.05.2012

Sustainable Business Angels – endlich!Es ist schön, dass es nun die Sustainable Business Angels-Initiative gibt. Auch wenn es erst mal 2 Startups sind – und so, wie es aussieht, wird es erst mal keine finanzielle Unterstützung geben – aber ich denke, das Coaching wird für viele Startups Gold wert sein.

Erschienen in: NachhaltigeJobs Blog Datum: 21.05.2012

Sustainable Business Angels nehmen Arbeit aufAuf einer Pressekonferenz in Frankfurt hat sich die Initiative jetzt interessierten Vertretern aus Presse und Wirt-schaft präsentiert. Gemeinsam mit Harald Welzer, Direktor der Stiftung FuturZwei, und Moritz Vohrer, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von eFormic GmbH, zeichneten sie dabei das Bild einer anderen Wirtschaft. Wie nötig ein Umdenken in diesem Bereich ist, verdeutlichte der Sozialpsychologe Welzer: „Business as usual wird nicht mehr lange funktionieren. Unsere Wahl besteht jetzt zwischen ‚manage by design‘ und ‚manage by desaster‘.“ Da aber noch niemand genau sagen könne, wie eine wirklich nachhaltige Welt aussehe, seien jetzt Initiativen wie die Sustainable Business Angels nötig, die positive Beispiele kreieren.

Erschienen in: UmweltDialog Datum: 16.05.2012

Interview: Unterstützung in Sachen Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit ist Trend, die unterfränkische Ökolimonade Bionade galt hier lange als Vorzeigeprodukt. Peter Ko-walsky, ehemaliger Geschäftsführer der Bionade GmbH, geht dreieinhalb Monate nach seinem Rückzug aus dem Ostheimer Familienbetrieb neue Wege. Im Rahmen der Initiative „Sustainable Business Angels“ berät er zukünftig gemeinsam mit Jürgen Schmidt, Aufsichtsratsvorsitzender der memo AG, junge Unternehmer.

Erschienen in: Mainpost Datum: 15.05.2012

Comeback für Bionade-Gründer Ende Januar ist Peter Kowalsky bei Bionade ausgestiegen. Jetzt meldet sich der 44-jährige Gründer der Bio-Brause zurück. Als Frühförderer für Öko-Pioniere.

Erschienen in: FAZ Datum: 12.05.2012

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Konferenzen

Auftakt-PressekonferenzinFrankfurt

Junge Unternehmen stehen in den ersten Geschäftsjahren besonders stark unter Druck. Ihre Hauptprobleme sind der mangelnde Zugang zu Finanzmitteln und unternehmerischem Know-how, bürokratische Hürden und ein feh-lendes Netzwerk an Unterstützer_innen. Die Folge ist eine relativ hohe Anzahl von Insolvenzen in den ersten Geschäftsjahren. Bieten nachhaltige Geschäftsideen hier bessere Optionen? Worauf müssen „grüne Start-ups“ be-sonders achten? Und wie kann Hilfe konkret aussehen? Darüber diskutierten in Frankfurt die Sustainable Business Angels Peter Kowalsky und Jürgen Schmidt u. a. mit dem renommierten Zukunftsforscher Harald Welzer von der Universität Flensburg.

Mittlerweile ist anerkannt, dass nachhaltiges Wirtschaften und CSR keine Marketinginstrumente sind, sondern direkte Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und den ökonomischen bzw. fachlichen Erfolg von Unternehmen haben. Folglich werden CSR-Strategien zunehmend im direkten Zusammenhang mit den jeweiligen Geschäftsmo-dellen gesehen und Strukturen geschaffen, um die ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen des eigenen Handelns gleichermaßen zu berücksichtigen.

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SBA-TeilnahmeanderKarmaKonsum

Erste Ergebnisse bei der Entwicklung des Self-Assessment-Tools zur Überprüfung von Nachhaltigkeit bei Jungun-ternehmen hat die Sustainable Business Angels-Initiative auf der KarmaKonsum-Konferenz in Frankfurt präsentiert. In einem mehrstündigen Workshop diskutierten Bionadegründer Peter Kowalsky und Dennis Lohmann von der Me-diengruppe macondo mit interessierten Konferenzteilnehmer_innen über Chancen und Grenzen des Tools. Alle Teil-nehmer_innen waren sich dabei einig, dass die Überprüfung junger Unternehmen hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Geschäftsprozessen angesichts begrenzter Ressourcen und einer zunehmenden Zerstörung der Umwelt überfällig ist.

In zahlreichen Gesprächen am Messestand konnten sich junge Unternehmer_innen darüber hinaus über das Be-ratungsangebot der Sustainable Business Angels informieren. Dabei können die Firmengründer_innen von den Erfahrungen und dem Netzwerk der beiden Nachhaltigkeitspioniere Peter Kowalsky und Jürgen Schmidt, Gründer der memo AG, profitieren. Die KarmaKonsum bot an dieser Stelle einen gelungenen Rahmen, um die zweite Bewer-bungsrunde einzuleiten. Bis Ende August können sich junge Unternehmen für die kostenlose Beratung bewerben.

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YESpräsentiertsichaufderdeGUTinBerlin

SagYESzuökologischer,ökonomischerundsozialerVerantwortung!

Wie nachhaltig ist Ihre Geschäftsidee? Achten Sie im Alltag auf Umwelt- und Sozialstandards? Wie verantwortungs-bewusst ist Ihr Umgang mit Lieferant_innen und Kund_innen? Testen und schärfen Sie Ihr Nachhaltigkeitsprofil mit dem kostenlosen Online-Tool YES.

YES steht für „Young Entrepreneurial Self-Assessment“ und ist die erste Cloud-Anwendung, die unternehmerische Verantwortung für Jungunternehmen professionell erfasst. YES entstand auf Basis der weltweit anerkannten ISO-Norm 26000 und wurde von der ehrenamtlichen Initiative „Sustainable Business Angels“ entwickelt. YES wendet sich vorrangig an Start-ups, aber auch an gestandene Unternehmen, die sich nachhaltig ausrichten wollen.

Vorgestellt wurde das Online-Tool jetzt auf dem Deutschen Gründer- und Unternehmertag (deGUT) in Berlin, der Leitmesse für Gründer_innen und junges Unternehmertum in Deutschland. Mit ihren vielfältigen Kontaktmöglich-keiten zwischen Förderern, Mentoren und Gründungsinteressierten ist sie ein fester Termin für die Gründerszene in der Hauptstadtregion und darüber hinaus.

Präsentation des Yes-Tools auf der deGUT 2014, (Fotos: Marion Lenzen)

Das YES-Tool entstand mit inhaltlicher Unterstützung u. a. der Leuphana Uni-versität in Lüneburg, Kompass, dem Zentrum für Existenzgründungen in Frankfurt und dem imug - Institut für Markt, Umwelt und Gesellschaft. Aus den Erfahrungen in der Betreuung junger Start-ups im Nachhaltigkeits-bereich wurde von der SBA-Initiative ein Fragekatalog entwickelt, der ziel-genau nachhakt, wo Ihr Unternehmen steht, wenn es um unternehmerische Verantwortung geht.

Fragen an entscheidenden Stellen im Nachhaltigkeits- und CSR-Management können Sie dabei unterstützen, Ihre Unternehmenspraktiken aufzuzeichnen und damit die Basis für eine zielführende Optimierung der Unternehmens-prozesse zu bilden. Ein besonderer Vorteil besteht dabei auch in der methodischen Orientierung an anerkannten Standards zur Berichterstattung für Unternehmen (ISO 26000, GRI und UNGC). Somit stellt das YES-Tool auch einen Einstieg für das professionelle Verfassen von Nachhaltigkeitsberichten dar.

Dr. Frank Simon, Dr. Elmer Lenzen und Sustainable Business Angel Peter Kowalsky (v.l.n.r.) bei der Vorstellung des YES-Tools.

Die deGUT in Berlin bringt Gründer_innen in Gang.

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Am SBA-Stand werden Gründer_innen rund um das Tool und die Initiative gut beraten.

Jennifer Nicolay bei der Live-Präsentation des Online-Tools YES.

Projektfinanzierung

Finanzieller Nachweis mit Einnahme- und Ausgabepositionen, aufgeschlüsselt nach öffentlichen Fördermitteln des Bundes, aus dem Europäischen Sozialfonds und eingebrachten Eigenmitteln der SBA-Initiative.

Quelle: ZUWES-Nutzerportal für die Verwaltung von Zuwendungen aus dem Europäischen Sozialfonds, Konto: SBA-Initiative.

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Ausblick

Wie bereits deutlich wurde, findet eine breit angelegte Gründungsförderung häufig mit einer rein ökonomischen Ausrichtung statt. Zudem stehen die Branchen oft isoliert nebeneinander. Das bietet zwar den Vorteil einer spezi-ellen Fokussierung auf die Besonderheiten des jeweiligen Marktsektors, kann jedoch den horizontalen Austausch von Erfahrungen einschränken. Noch seltener finden sich in der Praxis Ansätze, die ökonomische mit ökologisch-sozialen Beratungen verbinden. Dies war ein entscheidender Motivationsfaktor für die Arbeit der SBAs. Nach Ab-schluss des Projekts wurde durch die Zusammenarbeit mit den Jungunternehmen bestätigt, dass vielfältiger Bedarf im Ausbau der Infrastruktur für grüne und soziale Gründungen besteht. Möchte man die Erkenntnisse aus den gewinnbringenden Einzelberatungen für eine breite Masse nutzbar machen, ergeben sich daraus verschiedene Implikationen. Eine abschließende Analyse der Projektziele und -ergebnisse zeigt einerseits, wie gewinnbringend eine individuelle und persönliche Beziehungsebene ist, andererseits weist sie auf das Bedürfnis nach einer Forma-lisierung und einem flächendeckenden Angebot hin, damit nachhaltige Gründungen mehr Aufmerksamkeit, Veran-kerung und Anerkennung gewinnen.

Nicht nur die Beratungsangebote durch qualifizierte Expert_innen aus der Nachhaltigkeitsbranche sind selten, ebenso mangelt es insbesondere auch an Netzwerken, die eine kontinuierliche emotionale und inhaltliche Stütze für alle Beteiligten darstellen können. Die bisherigen infrastrukturellen Voraussetzungen werden noch nicht aus-schöpfend genutzt – etwa eine Verbindung von den Industrie- und Handelskammern zu den Unternehmen. Sei es durch Bildungsangebote oder extrinsische Motivationsfaktoren wie die Auszeichnung besonders innovativer grüner Gründungen. In Ansätzen wird dies zwar bereits erfolgreich angestoßen, etwa mit dem Award für nachhaltige Start-ups von KarmaKonsum oder über Gründerpreise, die ein Startkapital bereitstellen, jedoch wäre es durchaus denkbar, Anreize auf der politischen Ebene zu verankern. Denkbar wäre etwa eine Umverteilung steuerlicher Be-lastungen, denn nachhaltige Unternehmen haben meist geringeren Anteil an Umweltschäden o. Ä.

Eine Förderung von nachhaltigen Gründungen würde sich positiv auf die gesamte Gesellschaft auswirken. Um die Reputation grüner Gründungen zu stärken, ist ein breites Bildungsangebot nötig, das auch die Konsument_innen für ihre Verantwortung sensibilisiert und somit die Bestehensgrundlage für die Unternehmen entscheidend beein-flusst. Der Wissenstransfer erfolgreicher good practices6 könnte über Transferagenturen erfolgen, die als Multipli-katoren fungieren, Innovationszentren und Think Tanks fördern auch heute schon die Generierung neuer Ideen im Bereich Nachhaltigkeit. Die SBA-Initiative könnte hier die Stellung einer solchen Transferagentur einnehmen, die mit einer Wissensplattform gute Beispiele in die Öffentlichkeit rückt und so für viele Unternehmen verfügbar macht. Über ein entsprechendes Netzwerk und enge Verzahnung mit Print- und Online-Medien verfügen die Initiatoren bereits über eine gute Basis, um diesen Gedanken voranzutreiben.

Das Online-Tool YES bietet darüber hinaus weitere Chancen mit Zukunftsfähigkeit: Erstmalig ist ein Instrument geschaffen worden, das professionalisierte Geschäftskonzepte auch für Banken und Investoren interessant machen kann. Auf der Gründermesse deGUT konnten bereits erste vielversprechende Erfahrungen gesammelt werden, die

das Tool in seiner Anwendung betreffen. Einschätzungen von Finanzvertreter_innen konnten dort ebenso eingeholt werden wie das Feedback der Nutzer_innen. Insgesamt ist eine Verfolgung dieser Initialschritte wünschenswert für eine Weiterführung der SBA-Initiative. Inwieweit tatsächlich ein Nutzen für Investoren von der Nutzung des Tools ausgeht, wird dabei erst eine längerfristige Betrachtung zeigen.

Wie bereits betont, war für Begünstigte wie Berater der persönliche Kontakt von herausragender Bedeutung. Virtu-eller Austausch kann physische Treffen nicht ersetzen – das gilt auch für die Netzwerke der Unternehmen. Denkbar ist ein verstärkter Austausch von bereits geförderten Unternehmen mit neuen Interessierten im Sinne eines Peer to Peer-Ansatzes oder einer Patenschaft.

Eine Fortführung der SBA-Initiative ist für alle Beteiligten der vergangenen Projektphase erstrebenswert – sei es in der direkten Beteiligung an Beratungen oder als unterstützendes Netzwerk.

Abschließend kann das Projekt als gelungen betrachtet werden. Sein Potenzial für die Zukunft ist vielversprechend und wird in der Bereitstellung des Online-Tools und der Einzelberatungen bestehen bleiben.

6 Unternehmen, die ein Beispiel mit ihrer besonders guten und erfolgreichen Unternehmensführung im Nachhaltigkeitsbereich darstellen.

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Abschlussbericht 2014

Die Sustainable Business Angels Initiative war im Zeitraum Dezember 2011 bis November 2014 ein Förderprojekt des Programms „Gesellschaftliche Verantwortung im Mittelstand“ im Auftrag des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Mit dem Programm „Gesellschaftliche Verantwortung im Mittelstand“ wurden passgenaue Lösungsansätze angeboten, damit kleine und mittlere Unternehmen Konzepte für eine verantwortliche Unterneh-mensführung nutzen können.

Wir danken für die Unterstützung.

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Nachhaltigkeitsberatung für JungunternehmenAbschlussbericht des Förderprojekts mit Praxisbeispielen, Analyse und Theorie des Beratungsansatzes