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Laborat6rio da Produgs Mineral, Minist6rio da Agricultura, Rio de Janeiro, und Forsehungslaboratorium der Firm~ Loba-Chemie, Wien XIX Nachweis prim~rer Halogenalkyle in der Tiipfelanalyse Von F. Feigl, V. Anger und D. Goldstein (Eingegangen am 13. Oktober 1959) Wagr~er und Zoo]c 1 verweisen auf zwei Vcrfahren zur Herstel]ung yon Alkyldisulfiden, denen die Oxydation bzw. die Pyrolyse sogenannter Buntescher Salze zugrunde liegen: 2 S02(SR)ONa ~- 0 ~- H20 -~ RSSR ~ 2 NaHSO4, (1) 2 S02(SR)ONa -~ RSSR + Na2SO 4 -~ SO 2. (2) Buntes Salze entstehen auf nassem Wege durch die Umsetzung prim~rer I-Ia]ogenalkyle mit Natriumthiosu]fat2: l%Ha] ~- Na2S203 ~ SO2(SR,)ONa ~ NaHal. (3) Es durftc daher erwartct werden, dal~ die Umsetzungen nach (3), (1) und (2), wobei empfindlich nachweisbares Sulfat bzw. Schwefeldioxyd entsteht, zum ~Nachweis prim~rer Halogenalkyle verwertbar seien. Ein- schli~gige Versuche haben gezeigt, d~ bei kurzem Erhitzen yon hydrati- schem oder anhydrischem Natriumthiosu]f~t mit nichtflfichtigen primi~ren I~alogenalkylen auf 160 bis 180 ~ Schwefetdioxyd abgespalten wird. Demnach er~olgt unter diesen Bedingungen offenbar sowohl die Bildung Buntcscher Salze ~ls auch deren pyro]ytische Zersetzung nach den oben ~ngeftihrten Formulierungen (3) und (2). Die Pyrolyse kann mit sehr kleinen Mengen des Probematerials ausgefiihrt und hierbei gebildetes Schwefeldioxyd durch Verfahren der Ttipfela.nalyse 8 nachgewiesen werden. Als hierzu br~uchbar hat sich much die Blauf~rbung yon mit Wasserstoff- peroxyd befeuchi~etem Kongopapier erwiesen. Bei Anwendung des hier beschriebenen Nachweises ist zu beachten, dal~ sich Alkylester yon Minerals~uren (und deren organische Derivate) bei der Pyrolyse mit ~q~triumthiosulfat wie prim~re I-Ialogenalkyle ver- halten, was im Einklang damit steht, dal~ diese Ms Alkylester der be-

Nachweis primärer Halogenalkyle in der Tüpfelanalyse

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Page 1: Nachweis primärer Halogenalkyle in der Tüpfelanalyse

Laborat6rio da Produgs Mineral, Minist6rio da Agricultura, Rio de Janeiro, und Forsehungslaboratorium der Firm~ Loba-Chemie, Wien XIX

Nachweis prim~rer Halogenalkyle in der Tiipfelanalyse Von

F. Feigl, V. Anger und D. Goldstein

(Eingegangen am 13. Oktober 1959)

Wagr~er und Zoo]c 1 verweisen auf zwei Vcrfahren zur Herstel]ung yon Alkyldisulfiden, denen die Oxydation bzw. die Pyrolyse sogenannter Buntescher Salze zugrunde liegen:

2 S02(SR)ONa ~- 0 ~- H20 -~ RSSR ~ 2 NaHSO4, (1)

2 S02(SR)ONa -~ RSSR + Na2SO 4 -~ SO 2. (2)

Buntes Salze entstehen auf nassem Wege durch die Umsetzung prim~rer I-Ia]ogenalkyle mit Natriumthiosu]fat2:

l%Ha] ~- Na2S203 ~ SO2(SR,)ONa ~ NaHal. (3)

Es durftc daher erwartct werden, dal~ die Umsetzungen nach (3), (1) und (2), wobei empfindlich nachweisbares Sulfat bzw. Schwefeldioxyd entsteht, zum ~Nachweis prim~rer Halogenalkyle verwertbar seien. Ein- schli~gige Versuche haben gezeigt, d ~ bei kurzem Erhitzen yon hydrati- schem oder anhydrischem Natriumthiosu]f~t mit nichtflfichtigen primi~ren I~alogenalkylen auf 160 bis 180 ~ Schwefetdioxyd abgespalten wird. Demnach er~olgt unter diesen Bedingungen offenbar sowohl die Bildung Buntcscher Salze ~ls auch deren pyro]ytische Zersetzung nach den oben ~ngeftihrten Formulierungen (3) und (2). Die Pyrolyse kann mit sehr kleinen Mengen des Probematerials ausgefiihrt und hierbei gebildetes Schwefeldioxyd durch Verfahren der Ttipfela.nalyse 8 nachgewiesen werden. Als hierzu br~uchbar hat sich much die Blauf~rbung yon mit Wasserstoff- peroxyd befeuchi~etem Kongopapier erwiesen.

Bei Anwendung des hier beschriebenen Nachweises ist zu beachten, dal~ sich Alkylester yon Minerals~uren (und deren organische Derivate) bei der Pyrolyse mit ~q~triumthiosulfat wie prim~re I-Ialogenalkyle ver- halten, was im Einklang damit steht, dal~ diese Ms Alkylester der be-

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232 F. Feigl, V. Anger und D. Ooldstein: [Mikroehim. Acta

treffenden Halogenwasserstoffs~uren aufzufassen sind. Bei niedriger Temperatur (bis maximal 140 ~ reagieren mit Nagriumthiosulfat saure Verbindungen jeder Art*, sowie Salze von MinerMs~uren mit organisehen Basen, die sehw~eher als Ammoniak sind. Es hamdelt sieh hierbei zweifetlos um Freilegung und Zerfall der Thiosehwefels~ure.

GleiehfMls bei Temperaturen bis 140 ~ reagieren mit Natriumthiosulfat unter SQ-Abspal tung Chloral, Jodoform, ~ Chloromycetin. In diesen F~llen ist die intermedi~tre Bildung Buntescher Salze wohl auszusehlieBen und sind andersartige Umsetzungen anzunehmen. Beispielsweise kommt ffir 1,1-Dihalogenalkyle die Ausbildung yon Aldehydgruppen in Betraeht :

--CHCI~ 4. Na2S~O a - , - - C H 0 @ 2 NaCI 4. S0 2 + S. (4)

Hierbei ist der Ablauf der Tei]reaktionen

--CHC12 § H~0 --, - - C I t 0 4. 2 HC1, (a) Na2S20 a @ 2 H C 1 , 2 N A C 1 4 - S 0 2 4 - $ 4 - H 2 0 (b)

wahrseheinlieh**. Die Addition yon (a) und (b) gibt G1. (4), in der Wasser nieht als geakt ionspar tner aufseheint. Dies wiirde besagen, dag (4) dutch Wasser katalytiseh besehleunigt wird. Bei Verwendung yon kristallwasserhaltigem Natriumthiosulfat sind die Teilreaktionen (a) und (b) durehaus plausibel. Bei anhydrisehem Natriumthiosulfat kSnnen unvermeidliche Spuren Feuehtigkeit die Umsetzung (4) katalytiseh besehleunigen, doch ist aueh deren unmittelbarer Eintr i t t nieht aus- zusehlieBen.

Wenngleieh demnaeh der hier besehriebene Naehweis yon --CI-I2I-Ial- Grulopen Einsehri~nkungen unterworfen ist, so darI erwartet werden, d a g e r zur Priilung halogenhaltiger Verbindungen herangezogen werden kann. Dies wurde bisher festgestellt dutch die Unterseheidung dei isomeren Verbindungen p-Chlor(Brom)aeetophenon und c~-Chlor(Brom)- aeetophenon sowie bei der Untersuehung des VerhMtens yon Jodalkylaten organiseher Basen, die zu einem Naehweis eykliseher terti/irer Ringbasen geftihrt hat (vgl. die naehfolgende Mitteilung).

Die Pyrolyse mit Natriumthiosulfat ermSglieht dureh die dabei eintretenden Umsetzungen neue Priifverfahren fiir Seh~idlings-

* Es reagieren auch amphotere sowie neutrale Verbindungen, bei denen dureh Umlagerung saute Atomgruppen entstehen. Beispiele sind 8-Itydroxy- ehinolin, Glyeylglyein und Amide yon Carbons~turen. Bei diesen wird die //o /o~ Umlagerung RC--NH~ ~- RC=NI-I angenommen%

** Fiir eine Beteiligung yon Wasser an der I-Iydrolyse (a) sprieht, dab bei Erhitzen von Chtoromyeetin mit MnSO 4 �9 H20 auf 150 bis 200 ~ Salzsfiure en~s~eht~. Hierbei ist das in diesem Temperaturbereieh abgesloaltene Kristall- wasser als iiberhitzger Wasserdamiof (Pyrohydrolyse) a wirksam.

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1960/2] Nachweis prim~irer ttalogenalkyle in der Tiipfelanalyse 233

beki~mpfungsmittel und Netzmittel , die Alkyles~er von Phosphorsi~ure und Alk~lihydrogensulf~t sind, die Unterscheidung yon Chlorkautschuk und Neoprenk~utschuk, sowie die sichere Erkennung yon Melgminhgrzen. Uber diese fiir Zwecke der Materialprfifung sehr niitzlichen Anwendungen wird an anderer Stelle beriehtet werden.

Arbeitsweise: In einem Mikroprober6hrehen wird eine kleine Menge der zu priifenden Substanz oder ein Tropfen deren ~therischer oder alkoholi- scher L6sung gebraeht, einige cg kristal]wasserhaltiges oder anhydrisches Natriumthiosulfat zugesetzt und die Eprouvette in ein auf 100 ~ erwgrmtes Glycerinbad eingeh~ingt, dessen Temperatur allm~hlieh gesteigert wird. (ttierbei schmilzt das Thiosulfat i1~ seinem Kristallwasser und verliert dieses bei zirka 120~ ~Venn die Temperatur des Glycerinbades 140 ~ erreieht hat, wird auf das offene Ende des ProberShrchens ein Scheibchen mit 10% igem Wasserstoffperoxyd befetichte~es Nongopapier gelegt. Der positive Ausfall des Nachweises wird daran erkannt, dab bei 160 ~ bis 180 ~ auf dem roten Papier ein blauer Fleck entsteht.

Es waren nachweisbar :

10 #g cr

5 #g p-Amino-~-chloracetophenon

5 #g Chloraces

100 #g Epichlorhydrin

C6HsCOCH~Br

H2NC6H~COCH2C1

C1CH~CONH~

H2C CH--CI-I~C]

\o Z Ein positiver Ausfall des Nachweises wurde ferner festgestellt bei: ])i-

chlor/~thyl/ither; 2-_~thyl-hexylbromid(1); Dichlorisopren; Cetylbromid.

Be~chtung verdient das unterschiedliche Verhalten yon p-]Brom- acetophenon und des dazu isomeren ~-Brom~cetophenons, die bei gleicher Temper~tur (55 ~ schmelzen. Nur die letztgenannte Verbindung enthglt eine Ctt2Br-Gruppe und sp~ltet daher bei Pyrolyse mit N~trium- thiosulfat Schwefeldioxyd ab.

Ztlsammenf3ssllng

Prim~re I~Ialogenverbindungen (CI-I2Hal-Gruppen) kSnnen dadurch nachgewiesen werden, d~l~ bei deren Erhitzen mit hydr~tischem oder anhydratischem N~triumthiosulf~t ~uf 160 bis 180 ~ Schwefeldioxyd abgespalten wird. Dieser Effekt beruht auf der Bildung und pyrolytischen Zersetzung sogen~nnter Buntescher S~lze.

Der N~chweis k~nn in der Arbeitsweise der Tfipfet~n~]yse ~usgeffihrt werden und zeigt mikro~n~lytische Empfindlichkeit. Er ist nieht un- mittelb~r ~nwendbar in Gegenw~rt s~urer oder durch Uml~gerung potentiell saurer Verbindungen, sowie von Halogenverbindungen, die durch Hydrolyse Halogenw~sserstoff ~bspalten.

l~ikrochim. Act~ 1960/2 16

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234 F. Feigl, V. Anger u. D. Goldstein: Tiipfelanalyse von Halogenalkylen.

Summary

Primary halogen compounds (CH2I-Ial-compounds) can be detected through the finding that they yield sulfur dioxide if heated to 160-180 ~ with hydrated or anhydrous sodium thiosulfate. This effect is due to the formation and pyrolytic decomposition of the so-called Bunte salts.

The test can be made within the limits of spot test analysis and has mieroanalyiical sensitivity, i t cannot be applied directly in the presence of acids or of compounds which may become acidic through rearrangement, nor of halogen compounds, which yield halogen hydracids when hydrolyzed.

R~sum6

I1 est possible d'identifier les combinaisons haloggnges primaires (gr0upes CH~Hal) en utilisant le fait que par chauffage entre 160 et 180 ~ en pr6senee de thiosulfate hydrat6 ou anhydr6 ellcs libgrent de l 'anhydride sulfureux. Cet effet repose sur la formation et la d6eomposition pyrolytique du (( Sel de Bunte~). Cette identification peut gtre effectude dans le cadre de l 'analyse h la touche; sa sensibilit6 est microanalytique. Elle n 'est pas directement applicable en pr6sence d'acides ou de substances susceptibles de Ieur donner naissanee ou encore en prgsenee de combinaisons halog6n6es lib6rant des aeides hatohydriques par hydrolyse.

Literatur

1 R. B. Wagner und H. D. Zoolc, Synthetic Organic Chemistry. New York : 1953. S. 797.

H. Bunte, Ber. dtseh, chem. Ges. 7, 646 (1874). a Vgl. F. Feigl, Spot Tests in Inorganic Analysis, 5. Aufl. New York:

Elsevier. 1956. Vgl. P. Karrer, Lehrbuch der Organischen Chemie, 13. Aufl. Stuttgart :

1959. S. 247. F. Feigl, Angew. Chem. 70, 166 (1958).