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image hifi Naim CDX Preis: 6600 Mark W ie oft haben wir an dieser Stelle schon vom scheinbar unlösbaren Konflikt zwi- schen Analytik und hoher Musikalität gesprochen. Nur in wenigen Fällen fanden wir Geräte, die in beiden Dis- ziplinen gleichzeitig als Sieger die Ziellinie überquerten – zumeist für fünfstellige Summen. Selbst mein heißester Tip in Sachen gerade noch bezahlbare Digitaltechnik, der Naim CD 2 (image hifi 3/96), konnte seine Scheu vor den allerletzten Detailinfor- mationen in den obersten Lagen nie ganz verheimlichen. Ich persönlich bin zwar nach wie vor der Meinung, daß genau dieser kleine Kompromiß den vielverspre- chendsten Weg darstellt, um mit einer Komponente langfristig ins reine zu kommen. Aber wenn nun ausgerech- net dieses Gerät besagten Feinschliff erhalten hätte, wäre damit nicht die vielzitierte eierlegende Wollmilchsau geboren? Zu einem mehr als fairen Preis? Der Nachfolger des CD 2, der CDX, bewegt sich genau auf dieser Schiene. Was aber haben die Naim-In- genieure geändert, um dieses fast für unmöglich gehaltene Kunststück zu

Naim CDX - music · PDF fileas Al-Jarreau-Album „Ten-derness“ verbindet die Un-mittelbarkeit eines Live-Auf-tritts mit der technischen Perfektion einer Studioaufnahme. Das latein

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Page 1: Naim CDX - music · PDF fileas Al-Jarreau-Album „Ten-derness“ verbindet die Un-mittelbarkeit eines Live-Auf-tritts mit der technischen Perfektion einer Studioaufnahme. Das latein

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NaimCDXPreis: 6600 Mark

Wie oft haben wir an dieserStelle schon vom scheinbarunlösbaren Konflikt zwi-

schen Analytik und hoher Musikalitätgesprochen. Nur in wenigen Fällenfanden wir Geräte, die in beiden Dis-ziplinen gleichzeitig als Sieger dieZiellinie überquerten – zumeist fürfünfstellige Summen. Selbst meinheißester Tip in Sachen gerade nochbezahlbare Digitaltechnik, der NaimCD 2 (image hifi 3/96), konnte seineScheu vor den allerletzten Detailinfor-mationen in den obersten Lagen nieganz verheimlichen.

Ich persönlich bin zwar nach wievor der Meinung, daß genau dieserkleine Kompromiß den vielverspre-chendsten Weg darstellt, um mit einerKomponente langfristig ins reine zukommen. Aber wenn nun ausgerech-net dieses Gerät besagten Feinschlifferhalten hätte, wäre damit nicht dievielzitierte eierlegende Wollmilchsaugeboren? Zu einem mehr als fairenPreis? Der Nachfolger des CD 2, derCDX, bewegt sich genau auf dieserSchiene. Was aber haben die Naim-In-genieure geändert, um dieses fast fürunmöglich gehaltene Kunststück zu

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vollbringen? Kurz gesagt: alles, außerdem bewährten Aluminiumgußge-häuse.

Beginnen wir ganz von vorne. DasLaufwerk wird zwar immer

noch von Philipszuge-

kauft, aber es entstammt der aktuellenZwölfer-Familie und hört auf denschönen Namen VAM-1205. Als Vor-arbeiter werkelt darin ein ver-schleißarmer Hallmotor für die Dreh-bewegung der tönenden Silberschei-be. Ebenfalls vom holländischen Elek-tronikmulti wird der Kontrollchip be-

zogen, der für die Steuerungs-aufgaben des Motors

und des

Schlittens für die Laseroptik zustän-dig ist. Der SAA 7376, für den Naimdie komplette Software selbst ge-schrieben hat, formt selbst aus rechtunscharf eingelesenen Lasersignalenexakt voneinander abgegrenzte Ja-/Nein-Impulse. Ferner zählen dieFehlerkorrektur sowie eine erste sanf-te Filterung zu seinem umfangreichenRessort.

Was nun im Signalpfad folgt, istdas momentan am höchsten angese-

hene Digitalfilter, das man – fürgutes Geld – am Bauteile-

markt kaufenkann.

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Der Digitalfilter vonPacific Microsonicswurde eigentlich ent-wickelt, um HDCD-CDs zu entschlüsseln.In der Entwicklerszenehat es sich aber herum-gesprochen, daß er beider Abarbeitung derrestlichen Aufgabenvom klanglichen Stand-punkt aus auch konkur-renzlos gut ist

Die Schnittstelle zum al-lerfeinsten Strom: An-stelle des klobigenSteckers wird hier dasbald erhältliche externeNetzteil angesteckt

Die grundsolide unddurchdachte Gehäusekon-struktion verwendetNaim über alle Gerätefa-milien hinweg schon seiteinigen Jahrzehnten

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Der von der amerikanischen FirmaPacific Microsonics entwickelte PDM-100 HDCD gilt nicht nur für die „HighDefinition Compact Disc“-Option alsdas klangliche Nonplusultra. Alleindafür wäre der finanzielle Einsatz al-lerdings zu hoch, denn leider hat sichdieses spezielle Codierverfahren amMassenmarkt nie richtig durchsetztenkönnen – und, unter uns gesagt, weninteressieren schon die paar audiophi-len Langweiler-CDs, die damit aufge-nommen wurden? Nichtsdestotrotzerscheinen am Display des CDX beimEinlesen des Inhaltsverzeichnisseskurz die vier magischen Buchstaben„hdcd“, sofern eine entsprechendeScheibe im Laufwerk rotiert.

In der darauffolgenden Stufe küm-mern sich zwei 20-Bit-Wandler vonBurr Brown um das achtfach overge-sampelte Digitalsignal. Diese vonHaus aus nicht gerade billigen Edel-bausteine entstammen der allerhöch-sten Selektionsstufe „K“. Sämtlichedigitalen Schaltungsteile werden voneinem zentralen Mastertaktgeneratorgespeist, wobei das ausgetüftelteSchaltungslayout so gestaltet ist, daßsich möglichst kurze und störungsar-me Bahnen für das sensible und zu-gleich extrem klangrelevante Signal-strömchen ergeben. Bereits kleinsteStörungen würden sich andernfalls indem gefürchteten Jitter niederschla-gen.

Was fehlt noch auf dem Wege zurAusgangsbuchse? Richtig, das Ana-logfilter. Dieses wird aus mehrerenhochpräzisen Operationsverstärkernaufgebaut, die allesamt in teuren,dafür aber wesentlich temperatur-und langzeitstabileren Keramik-gehäusen stecken. Das damit konfigu-rierte siebenpolige Filter sorgt mit sei-ner sanften Kennlinie für eine scho-nende Abtrennung der Frequenzen

oberhalb von 20 Kilohertz. Diese Pro-zedur ist ja für das Funktionieren vonCD-Spielern prinzipbedingt unerläß-lich. Leider.

Noch ein paar Worte zum Schal-tungslayout. Erstmals habe ich in ei-nem Naim-Gerät eine derartig hohePackungsdichte erspäht, sogar unter-halb der Hauptplatine sind noch Bau-teile eingelötet. Der Einzug der SMD-Technik, prädestiniert für kurze Si-gnalwege, ist nun auch in den bis da-to eher konservativen Konstruktionendes Hauses vollzogen, obwohl diemeisten davon betroffenen ICs pro-blemlos in „normaler“ Bauform er-hältlich gewesen wären.

Die elektronischen Schaltkreisewerden, Naim-typisch, von einem ge-waltigen Ringkerntrafo versorgt.Mehrere Sekundärwicklungen, vielegroße und kleine Elkos, etliche Gleich-richter und eine ganze Armada vonSpannungsreglern garantieren eineblitzsaubere, ultrastabile Spannungs-versorgung. Gegenseitige Beeinflus-sungen haben praktisch keine Chance.Oder etwa doch? Warum sonst führenalle Netzteilzuleitungen zur Platineüber eine externe Buchse, an die nachEntfernen des wuchtigen Brücken-steckers ein separates Netzteil an-docken soll? Dieses ab Sommer ver-fügbare Gerät wird im übrigen auchbeim Nachfolger des bisherigen Top-modells CDS für klare Stromverhält-nisse sorgen.

Rein optisch blieb gegenüber demVorgänger alles beim alten. Die durch-dachte schwenkbare CD-Lade, derleichtgewichtige CD-Puck, das Dis-play und die vier Bedientasten lieferndie gewünschten Déjà-vu-Effekte.Selbst die mitgelieferte Fernbedie-nung entspricht der des CD 2. Neu isthingegen die Möglichkeit der Kom-plettabschaltung des Displays – ein

Tropfen auf den heißen Stein freilichverglichen mit den Fortschritten, diesich auf klanglicher Seite auftun.

Zum einen hat sich das Einspiel-verhalten über einen Zeitraum vonmehreren Wochen deutlich verändert.Mischten sich beim CD 2, frisch aus-gepackt, recht aggressive Töne in denVordergrund, die erst ganz allmählicheiner locker entspannten SpielweisePlatz machten, steigert sich der CDXwährend der Warmlaufphasehauptsächlich in den Bereichen Baß-druck und Ausdruckskraft. Vorlaute,nervige Darbietungen sind ihm vonAnfang an völlig fremd.

Im Subbaß vermittelt der CDX eineSchubkraft und Beweglichkeit, dieselbst von Formel-1-Boliden nichtübertroffen wird, in der Oktave da-rüber sorgen feinste Klangfarben-schattierungen für die nötige Agilitätund Frische. Im Oberbaß, den der Hö-rer zumeist mit Begriffen wie Punchund Kick assoziiert, tummelten sichdie natooliven Klangmaschinen be-kanntlich schon immer in vordersterFront, und der brandneue CDX machtda keine Ausnahme. Er erzeugt Ein-drücke von brutal bis einfühlsam, vonbeinhart bis wabbelpuddingweich,einfach jede noch so ausgefallene Ei-genschaft, die in den Bits und Bytesgespeichert ist.

In dem Frequenzspektrum, wo beiBaßsängern die Grundtöne zum Lie-gen kommen, setzt der Naim seineaußergewöhnlichen Kontrollfähigkei-ten ein und begeistert mit selten anzu-treffender Spontaneität. Diese setztsich über den gesamten Stimmbereichhinweg bis zum höchsten Sopran fort,es entsteht eine Authentizität, wieman sie fast nur von Live-Konzertenher kennt. In diesem Kriterium kannder CDX seinen Vorgänger um einganzes Stück abhängen. Der hatte die-

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se Echtheit zwar durchaus angedeu-tet, aber eben nicht in solch intensiverAusprägung.

Wobei der CDX natürlich von sei-ner bis ins höchste Obertönchen de-tailvenarrt durchleuchteten Hochton-wiedergabe profitiert und mit einerAuflösung besticht, die beim CD 2 indieser frappanten Form ebenfallsnicht vorhanden war. Der warf zwarstets sein gesamtes Repertoire in dieWaagschale, weigerte sich jedoch –metaphorisch gesprochen – irgend-welche Zugaben zu geben. Der CDXhingegen stürmt von einem „Da Ca-po“ zum nächsten.

Das Al-Jarreau-Album „Ten-derness“ verbindet die Un-mittelbarkeit eines Live-Auf-

tritts mit der technischen Perfektioneiner Studioaufnahme. Das latein-amerikanisch angehauchte „Mas QueNada“ erzeugt sofort ein äußerst an-genehmes, erfrischendes Gefühl, dasKeybord perlt aus den Lautsprechernwie frisches Mineralwasser nach kräf-tigem Schütteln. Die Stimmbänderdes Künstlers verrenken sich in ge-wohnter Manier blitzartig nach allenHimmelsrichtungen und wetteifernmit den begleitenden Sängern im Hin-tergrund. Die Baßgitarre steht knorrigwie eine Jahrhunderteiche im Raum,wirkt dabei aber so wendig und bieg-sam wie eine junge Weide. Die rasier-messerscharfe Kontur und die Griffig-keit, mit der die einzelnen Instrumen-te und Stimmen dargeboten werden,weisen weit in die absolute Top-Klas-se hinein. Die akustische Gitarre vonPaul Jackson und die bunte Perkus-sion verströmen pure Lebensfreude,versetzten einen mitten in den exoti-schen Karneval von Rio.

Auf „Your Song“ leitet ein wuchtigangeschlagenes Klavier auf zartenSynthesizertupfern zu Jarreaus Ge-

sang über. Der CDX läßt keinen Zwei-fel aufkommen, daß es sich um kräfti-ge Hämmer handelt, verschenkt keinnoch so winziges Quentchen an Ener-gie und Ausdruckskraft. Auf „Sum-mertime“ schnalzen die fetten Saitenauf dem Griffbrett der Baßgitarre oh-ne die geringsten Kompressionseffek-te, die Blechbläser erstrahlen ingleißendem Licht, während Jarreauseine skurrilen Töne dazu erzeugt.Die Abgrenzung der einzelnen Musi-ker zu ihren Nachbarn gelingt selbstin den lautesten Passagen perfekt, je-dem bleibt genügend Luft, um unge-hindert sein Bestes zu geben.

Reichlich Freiraum ist auch denMitgliedern des Eastman Wind En-sembles unter Frederick Fennell aufder Mercury-Wiederveröffentlichung„British And American Band Clas-sics“ geboten, einer interessanten Zu-sammenstellung von Marschmusik-titeln, die gegen Ende der FünfzigerJahre eingespielt wurden. Im „May-den’s Song“ baut sich die Spannunglangsam auf, aus leisen, getragenenSolobeiträgen entwickelt sich ein viel-stimmiges Ensemblespiel. Die Dimen-sonen des Aufnahmeraums sind wun-derbar nachzuvollziehen, sobald dietief gestimmte Pauke gegen Ende vonsehr weit hinten ins Geschehen ein-greift. Die Blasinstrumente verlaufenselbst im Fortissimo nicht ineinander,sondern bleiben wie festgenagelt anihren ursprünglichen Positionen.

Auf dem beschwingten „Wolsey’sWilde“ und dem farbenfrohen „TheBells“ sind mehrere kleine Flöten undzarte Triangelschläge zu vernehmen,die einmal mehr das exzellente Auflö-sungsvermögen des CDX untermau-ern – eine Riesenleistung, daß wederdie Anblasgeräusche noch das langsa-me Ausschwingen des Metalldreiecksklanglich ins Hintertreffen geraten,

während sich der Rest der Kapellemächtig ins Zeug legt, die Fanfarenschmettern und die Orgel grollt, daßeinem die Spucke wegbleibt.

Der jüngste Naim läßt sich einfachnicht an den Karren fahren, die WorteDynamik und Detailverliebtheit wur-den ihm offenbar zu allererst insStammbuch geschrieben. Einen ge-lungeneren Spagat zwischen ausge-lassener Musikalität und streßfreierAnalytik habe ich nie kennengelernt,und ganz gleich, ob das erwähnte ex-terne Netzteil sein Potential noch wei-ter ausschöpft – für mich ist der NaimCDX auch solo eine Meisterleistung,der beste CD-Player, denich je gehört habe. DerPreis von 6600 Mark istso gesehen schlichtwegeine Sensation.

image info

CD-Player Naim CDXAusgänge: 1 x DIN analogAusgangsspannung: 2,1 VoltBesonderheiten: Systemfernbedienung,

externes Netzteil nachrüstbarMaße (B/H/T): 43/8/30 cmGewicht: 9 kgPreis: 6600 MarkGarantie: 60 MonateText: Werner HöglmaierFotos: Rolf Winter

image kontaktMusic Line Vertriebs GmbHHainbuchenweg 14-18, 21224 Rosengarten;Telefon: 04105/640500

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