Nationale Politik der KPD

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Die theoretischen Grundlagen der nationalen Politik. - Kapitel 5 der Dissertation von Michael Klein: Antifaschistische Demokratie und nationaler Befreiungskampf. Die nationale Politik der KPD 1945-1953. Berlin 1986

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Michael KleinAntifaschistische Demokratie und nationaler Befreiungskampf. Die nationale Politik der KPD 1945 - 1953Verlag Veronika Krner, Berlin 1986

INHALT0. 1. 2. 3. 4. 4.0 4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.3 4.4 5. 5.0 Einleitung Die Interessen der Siegermchte: Vom Potsdamer Abkommen zur Zweiteilung der Welt Die kommunistische Nachkriegsprogrammatik Die Spaltung Deutschlands als Weg zur Einheit Nationale Probleme der Nachkriegszeit Vorbemerkung Nationale Einheit und Reichseinheit Die Ostgebiete Die Westgebiete Die Reparationen und Demontagen Die Flchtlinge Die Kriegsgefangenen Die theoretischen Grundlagen der nationalen Politik Vorbemerkung 46 28 34 37 39 42 28 8 12 17 23

5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3

Die These von der Kolonisierung Europas Die wirtschaftliche Expansion der USA, Kolonisierung und Versklavung Die Verelendung und der Kampf der Kommunistischen Partei Die Stellung Deutschlands in der Kolonisierungspolitik. Die Umsetzung der Kolonisierungsthese durch die deutschen Kommunisten Der Arbeiter, das Vaterland und der Nationalismus 59 Der Beitrag Stalins zur theoretischen Fundierung des nationalen Kampfes Der nationale Kampf: Vom Volkskongress zur Nationalen Front Der Volkskongress Das Volksbegehren fr die Einheit Deutschlands Die Entstehung der Nationalen Front des demokratischen Deutschland Die Nationale Front im Westen: Friedensbewegung und nationaler Kampf Der Westdeutsche Arbeitsausschuss der Nationalen Front des demokratischen Deutschland Die Kommunisten zwischen Kant und Stalin Das Bndnis mit den Rechtsextremisten Der Nationalsozialismus ist an der Macht Einheitsfront Der Kampf gegen die Remilitarisierung (West-)Deutschlands Die wirtschaftliche und militrische Einbeziehung 114 116 71 80 88 93 98 108 66 46 51

54

5.2 5.3 6. 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 7. 8. 8.1 8.2 9. 9.1

der Bundesrepublik in den Westen 9.2 9.2.1 9.2.2 9.3 Der Bruch mit den Organisationen der Arbeiterbewegung Der Kampf gegen die Sozialdemokratie Der Kampf gegen die rechte Gewerkschaftsfhrung Das Volksbegehren gegen die Remilitarisierung Deutschlands und fr einen Friedensvertrag im Jahre 1951 Die Zielsetzung Die Durchfhrung der Kampagne Die antimilitaristische Agitation Das Ergebnis der Volksbefragung Die Volksentscheidung gegen den Generalvertrag Wiedervereinigungspolitik 1950 - 1952 Die Vorschlge der UdSSR und der SED zur Deutschlandpolitik bis zum Aufbau des Sozialismus in der DDR Die Reaktionen in der KPD Kommunistische Wiedervereinigungspolitik: Nur Taktik?

123

127 132

9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.4

141 146 152 157 160

10. 10.1

168

10.2 10.2.1

172 174 177 181

10.2.2 Das Ende der gesamtdeutschen Illusionen 10.2.3 Die nationalen Streitkrfte 11. 12. Das Programm der nationalen Wiedervereinigung Deutschlands Die Neuformierung der patriotischen Bewegung

12.1 12.2 13. 13.1 13.2 14.

Die Deutsche Sammlung Der Bund der Deutschen Das Krisenjahr 1953 Sowjetische Entspannungssignale. Die SED in der Defensive Die Niederlage bei den Bundestagswahlen Schluss

188 193

201 208 213 218 268 271

Anmerkungen Abkrzungen Quellen- und Literaturverzeichnis

[46] 5 5.0 Die theoretischen Grundlagen der nationalen Politik Vorbemerkung

Die theoretischen Begrndungen der nationalen Politik bewegten sich auf zwei Ebenen. Zum einen findet sich die "materialistische" Annahme, die Herrschaft auslndischen Kapitals bringe unausweichlich die Verelendung der gesamten unterdrckten Nation mit sich. Der zweite Grund, den nationalen Kampf aufzunehmen, siedelte im "ideellen" Bereich. Es sei erforderlich, das Vaterland von den dekadenten Einflssen der niedergehenden imperialistischen Macht USA fernzuhalten. Die Geschichte lege der Nation die Pflicht auf, Deutschland wieder zu vereinigen und die deutsche Kulturgre zu erhalten. Beide Argumentationsebenen treten teils in Reinform, teils vermischt auf.

5.1

Die These von der Kolonisierung Europas

5.1.1 Die "wirtschaftliche Expansion" der USA, Kolonisierung und Versklavung Im folgenden geht es um die Kolonisierungsthese, (162) die Shdanow Ende 1947 vorlegte, als er das Zwei-Lager-Weltbild ausgab; bis 1953 war diese These mit einigen Ergnzungen grundlegend fr die Politik der kommunistischen Parteien des Westens. Auf der Grndungskonferenz des Kominform wies Shdanow darauf hin, dass die "expansionistische Auenpolitik" der USA drei Storichtungen habe. Es gbe 1. militrisch-strategische Manahmen, 2. die wirtschaftliche Expansion und 3. den ideologischen Kampf. (163) [47] Die in diesem Abschnitt interessierende zweite "Richtung" sei eine "wichtige Ergnzung zur Verwirklichung des strategischen Plans". Durch die herannahende Wirtschaftskrise gentigt, beeilen sich die USA, neue Monopolsphren (?) fr Kapitalinvestierungen und Warenabsatz zu finden. Die wirtschaftliche `Hilfe` der USA verfolgt das weite Ziel, Europa durch das amerikanische Kapital zu versklaven. (164) Wie sollte die Versklavung bzw. Kolonisierung (beides bedeutete die Unterjochung und Ausplnderung der Bevlkerung des betroffenen Landes) durchgefhrt werden? Die USA gingen daran, den Kredit als ein Werkzeug der politischen und wirtschaftlichen Knebelung auszunutzen. Von eben dieser Art (Kredit) ist auch der 'Marshall-Plan', der gegen die Industrialisierung der Lnder Europas gerichtet und folglich (!) auf eine Untergrabung ihrer Selbstndigkeit berechnet ist. (165)

Bevor ich weiter auf Shdanow eingehe, gebe ich kurz Lenin zum selben Problem das Wort. Sein nach 1948 am hufigsten zitiertes Werk war "Der Imperialismus als hchstes Stadium des Kapitalismus". Im Abschnitt "Der Kapitalexport" heit es, inlndischer Kapitalberschuss diene "zur Steigerung der Profite durch Kapitalexport ins Ausland". Dadurch werde in diesen Lndern "die kapitalistische Entwicklung (...) auerordentlich beschleunigt". (166) Shdanow argumentierte entgegengesetzt. Sinn des Kapitalexports und der amerikanischen Kredite war es seiner Ansicht nach, der Industrialisierung Europas (und damit der Verwertung des Kapitals) entgegenzuwirken. Er htte die Frage aufwerfen knnen, wie die USA "Auslandsmrkte fr sich erhalten" sollten - nach Shdanow ein amerikanisches Ziel, (167) - die zahlungskrftig waren, wenn die europische Wirtschaft auf Dauer daniederlag. Abgesehen von den negativen Folgen fr die Weltpolitik der USA (Truman-Doktrin) brauchten der amerikanische Staat und die amerikanische Wirtschaft einen Weltmarkt mit funktionierenden kapitalistischen Volkswirtschaften. Doch auerhalb der USA fand unmittelbar nach Kriegsende eine nur geringe Akkumulation statt, so dass es keine besonders profitable Geschftsgrundlage gab.

[48] Wegen dieser katastrophalen europischen Finanzsituation hielten die Kommunisten eine Rckzahlung der amerikanischen Kredite fr unmglich. Es berstieg anfangs ihre Vorstellungskraft, dass die USA wegen der bedeutenden politischen und wirtschaftlichen Absichten, die mit dem Marshall-Plan verfolgt wurden, neben der Gewhrung uerst langfristiger Kredite auf eine Bezahlung vieler amerikanischer Gter verzichten wrden, sie also verschenkten. (168) Indem Shdanow flschlich den Verlust an europischer und nationalstaatlicher Souvernitt mit einer gegen die europische Industrialisierung gerichteten Wirtschaftspolitik der USA koppelte, verlor er ein zugkrftiges Argument. Denn es gab Eingriffe in die europische Wirtschaftspolitik insgesamt und in die der einzelnen

Staaten, eben weil die USA ihre Mittel mglichst effektiv einsetzen wollten. Als Alternative empfahl das Kominform die "Ausnutzung der inneren Krfte und Hilfsquellen eines jeden Landes und die Schaffung einer eigenen Industrie" (Faktoren, die der Annahme amerikanischer Kredite nicht widersprachen) sowie Wirtschaftshilfe aus der UdSSR, die ohne politische Auflagen gegeben wrde. (169) Dabei war fr jeden ersichtlich, dass die UdSSR nicht in der Lage war, mit den amerikanischen Offerten zu konkurrieren. Die Kolonisierungsthese wurde in der Folge noch zu einer "Theorie" der Versklavung Europas durch den Dollar ausgebaut. (170) Und schlielich gab Stalin 1952 in seinem letzten Werk den Kolonisierungs- und Zusammenbruchstheorien den letzten Schliff. Die "Triebkraft des monopolistischen Kapitalismus" sei die Sicherung des kapitalistischen Maximalprofits durch Ausbeutung, Ruinierung und Verelendung der Mehrheit der Bevlkerung des gegebenen Landes, durch Versklavung und systematische Ausplnderung der Vlker anderer Lnder, besonders der zurckgebliebenen Lnder, und schlielich durch Kriege und Militarisierung der Volkswirtschaft, die der Sicherung von Hchstprofiten dienen. (171)

[49] Der Grundgedanke der kommunistischen Weltbewegung, dass der Niedergang des Kapitalismus "von auen" beschleunigt werde, ging zentral in Stalins Werk ein. Nach dem Kriege sei der "einheitliche Weltmarkt" zerfallen. Entstanden sei ein weiterer - dem kapitalistischen Weltmarkt gegenberstehender - Welt (!) markt des sozialistischen Lagers. (172) In der Tat steckte das volksdemokratische-sozialistische Lager dem frei flieenden Kapital Grenzen; dies mochte die konomische Ursache fr die weltpolitische Konfrontation sein. Doch das Kapital wurde nicht direkt geschwcht. Erstens hatten die meisten Staaten

relativ wenig in das Gebiet des nun "mchtigen sozialistischen Lagers" exportiert, und zweitens wusste Stalin, wie die Abhngigkeiten auf dem (einen) Weltmarkt aussahen. Er konnte nur in die Zukunft verweisen: Die Volksdemokratien kmen bald dahin, dass sie nicht nur nicht auf die Einfuhr von Waren aus den kapitalistischen Lndern angewiesen sind, sondern selbst die Notwendigkeit spren, die berschssigen Waren ihrer Produktion zu exportieren. (173) Da die "Notwendigkeiten" zur Zeit anders gelagert waren, rhrten die kommunistischen Parteien des Westens die Werbetrommel fr den von den kapitalistischen Staaten eingeschrnkten West-Ost-Handel, whrend Stalin gleichzeitig vorhersagte, sein alternativer Weltmarkt verschlechtere die Absatzchancen des kapitalistischen Auenhandels und habe eine "Unterbelastung der Betriebe", eine Krise, zur Folge.

[50] Als Stalin auf die Beziehungen der kapitalistisch-imperialistischen Staaten untereinander einging, revidierte er begrenzt die Zwei-LagerThese. Er wandte sich gegen die bisherige Auffassung, die "Gegenstze zwischen dem Lager des Sozialismus und dem Lager des Kapitalismus" seien strker als die zwischen den kapitalistischen Lndern. (174) Die in "Knechtschaft" befindlichen "imperialistischen Lnder" England und Frankreich seien gezwungen, "einen Konflikt mit ihnen (den USA, M.K.) zu riskieren, um sich eine selbstndige Stellung und, natrlich, hohe Profite zu sichern". (175) Kriege seien nicht auszuschlieen. (176) Der Grund fr diese neue Einschtzung lag in negativen ideologischen Begleiterscheinungen der Zwei-Lager-These (und ihrer offensichtlichen Fehler) sowie in Erfordernissen der sowjetischen Auenpolitik. Mittlerweile hatte sich das einfltige Bild von den Regierungen der imperialistischen Kolonien von Wallstreets Gnaden als korrekturbedrftig erwiesen, und zudem entsprach es der sowjetischen Auenpolitik seit 1918, Spannungen innerhalb des

feindlichen Lagers fr sich zu nutzen und mit einer oder mehreren der kapitalistisch-imperialistischen Regierungen gute Beziehungen zu unterhalten. Es war durchaus sinnvoll, hierfr ein "theoretisches Fundament" zu legen. Woher gewannen die Staaten des "in Todeskmpfen sich windenden Kapitalismus" (177) ihre kriegerische Strke? Die Kommunisten erinnerten sich an die Stalinsche Aussage von der "Verschrfung des Klassenkampfes mit der weiteren Entwicklung des Sozialismus". Auf die internationale Ebene bertragen bedeutete sie, dass die Aggressivitt der Staaten des feindlichen Lagers untereinander und gegenber dem Sozialismus im umgekehrten Verhltnis zu ihrer eigenen Schwche und parallel zur Strke des Friedenslagers stnde. (178) Nun stelle sich den kommunistischen Parteien eine "besondere Aufgabe", die das Kominform so formulierte: "Sie mssen das Banner der Verteidigung der nationalen Unabhngigkeit und der Souvernitt ihrer Lnder aufpflanzen." (179) Diese Politik hnelte der nach 1941, als die UdSSR gefhrdet war wie nie zuvor.

[51] 5.1.2 Die Verelendung und der Kampf der Kommunistischen Partei Fr die kommunistischen Parteien war erkennbar, dass ihr Einfluss in Zeiten wirtschaftlicher Depression wuchs. Fr die KPD der Weimarer Republik formulierte der Leiter der Propaganda-Abteilung als "Grundbegriff der marxistisch-leninistischen Strategie und Taktik": "Die Verelendung der Arbeiterklasse ist (...) eine notwendige Vorbedingung der proletarischen Revolution." (180) Eine revolutionre Situation sei gegeben, wenn die objektive Entwicklung der Verhltnisse die breitesten Massen immer mehr von der Notwendigkeit der revolutionren Lsung (der Widersprche,

M.K.) berzeugt. Die Grundlage einer solchen revolutionren Situation ist eine tiefe wirtschaftliche Krise, die alle Klassen der Gesellschaft erfasst." (184) Vor allem die Krise berzeuge die Massen von der Notwendigkeit des Sozialismus - weniger die kommunistische Propaganda. An dieser Einschtzung hatte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg nichts gendert. So hie es im Seminarplan "Polit-konomie" der Nachkriegs-KPD unter dem Stichwort "Krise": Politische Folgen: Mglichkeit der Revolutionierung der Massen als Folge der Verschrfung der Klassengegenstze. Befreiung des Proletariats von der Illusion ber die Besserung seiner Lebenslage im Kapitalismus, die in der Prosperittsphase entstehen knnen. (182) Anfangs schienen die Aussichten fr den Sozialismus offenbar nicht schlecht zu sein. Es gab in den ersten Nachkriegsjahren in Europa eine alle Klassen erfassende Wirtschaftsmisere. Die Kommunisten erwarteten, dass das Vorbild der Volkswirtschaften der nichtkapitalistischen (spter: der sozialistischen) Staaten Osteuropas und vor allem der UdSSR mit ihren Errungenschaften die Arbeiter im Westen beeindrucke. Der Systemvergleich be in der Krise einen "revolutionierenden Einfluss auf die breiten Massen" aus. (183)

[52] In der Analyse der Wirtschaftssituation stimmten die Kommunisten mit einer Reihe von Wirtschaftswissenschaftlern der Sozialdemokratie berein. Jrgen Kuczynski und Fritz Sternberg sagten eine Krise in den USA und den anderen kapitalistischen Staaten voraus, die "noch schlimmer", "at least as severe, if not severer, than the crisis of 1929" sein wrde. (184) Die Konsequenzen wurden unterschiedlich eingeschtzt. Der Sozialdemokrat Sternberg schloss nicht aus, dass die Linke mit staatsinterventionistischen Manahmen gegen die Krise angehen knne. (185) Die SED/KPD erhob die Unfhigkeit des Staates, regulierend eingreifen zu knnen, zum Dogma (186) und war berzeugt, dass nach kleineren konjunkturellen Erholungen der Sturz umso tiefer sein wrde.

Kme es zu kurzen Aufschwngen, knne es dennoch fr die werkttige Bevlkerung keine bemerkenswerte Besserung ihrer Lage geben. Jegliche Kritik an dem "Gesetz" der Verelendung wurde zurckgewiesen. Genossen, die auf unbersehbare Fortschritte aufmerksam machten und auf die relative Verelendung auswichen, um das "Gesetz" nicht anzurhren, wurden des Revisionismus bezichtigt. (187) Die soziale Lage der westdeutschen Arbeiterklasse war - allen Legenden zum Trotz - in den fnfziger Jahren schlecht. In der Zeitspanne, die meine Arbeit behandelt, war der Reallohn kaum hher als vor 1945. (188) Allerdings zog die KPD stndig eine Parallele zwischen der Bundesrepublik und einer Kolonie. Sie prophezeite die permanente Verelendung und eine immer mehr ins Auge fallende berlegenheit der Lebensfhrung im Sozialismus. Damit besttigte sie die angesprochenen Arbeitnehmer darin, eine Denkmethode anzuwenden, die bereits von ihnen praktiziert wurde, um ihre schlechte Lage ertrglich zu finden: den Vergleich.

[53] Ma man sein Dasein mit dem von 1945/1946, der Kriegsgefangenschaft oder mit dem, was man ber die "Zone" wusste, konnte man eine Aufwrtsentwicklung registrieren. Dagegen kramte die KPD stndig Belege fr die absolute Verelendung hervor und stellte im Laufe der Jahre immer ausfhrlichere, das Elend "beweisende" Argumentationshilfen fr unsichere Propagandisten zusammen. So wurden sie 1955 bereits gegen skeptische Fragen von Proletariern gewappnet, die stolz auf ihr eben erworbenes Motorrad, das Radio und den Khlschrank wiesen. (189) Hier wurde versucht, eine "Theorie" zu beweisen, nicht, den Lohnkampf zu stimulieren. Dabei wre es sinnvoller gewesen, den realen Kern einer "Verelendung" aufzuzeigen, nmlich den

konjunkturunabhngigen Zwang der kapitalistischen Produktionsweise mit den Personalkosten sparsamst zu kalkulieren. Der Vergleich hatte allenfalls dann Sinn, wenn der Lohn des Arbeiters an seinen Bedrfnissen gemessen wurde und am gesellschaftlichen Reichtum, der bereits so ppig gedieh, dass die Reprsentanten des nationalen Reichtums beschlieen konnten, mit ihm aufzursten. Die Ansicht, Krise und Verelendung mssten der Revolution vorausgehen, wirft zwei Fragen auf: 1. Warum hat die KPD gegen die Krise und ihre Folgen gekmpft, statt den Dingen freien Lauf zu lassen? 2. In der Weimarer Republik hatte die KPD in der Krise einen besonders radikalen und auf die Erkmpfung Sowjetdeutschlands zielenden Kurs eingeschlagen. Warum setzten die Nachkriegskommunisten in einer hnlichen Situation nicht die Revolution auf die Tagesordnung, sondern - wie gezeigt wurde bzw. noch zu zeigen sein wird - die nationale Unabhngigkeit und die Verteidigung der brgerlichen Demokratie?

[54] Diese Fragen lassen sich gemeinsam beantworten. Ein Grund lag darin, dass der Kampf gegen die Krise und ihre Folgen nachweisen sollte, dass die politischen und sozialen Hoffnungen in die kommunistische Politik zu legen seien. Besserte sich wider Erwarten die Lage, konnte eine im gnstigsten Fall gestrkte KPD auf ihren Krisenkampf hinweisen. Der wichtigste Grund war jedoch, dass dieser Kampf gegen die Hegemonialmacht des Kriegslagers gefhrt wurde, somit ein antiamerikanischer Kampf war. Dies zeigte sich am deutlichsten, wenn gegen Manahmen angekmpft wurde, deren positive Auswirkungen auf die Volkswirtschaft offenkundig waren oder die einen weiteren Schritt zur "nationalen Souvernitt" der Bundesrepublik bedeuteten (etwa der Marshall-Plan und internationale Vertrge, die Wirtschaftsbeschrnkungen in Westdeutschland lockerten).

Im gesamteuropischen Rahmen konnten die Kommunisten als entschiedenste Verfechter des Prinzips der nationalen Unabhngigkeit auf eine gewisse Resonanz bei den nach dem Krieg besonders auf ihre Souvernitt bedachten Vlkern rechnen. Um potentielle Bndnispartner nicht zu verschrecken, verzichtete man darauf - wie in den Jahren nach 1941 -, fr die Diktatur des Proletariats, fr den Sozialismus, zu werben. 5.1.3 Die Stellung Deutschlands in der Kolonisierungspolitik. DieUmsetzung der Kolonisierungsthese durch die deutschen Kommunisten Bis zur Grndung des Kominform war es in der kommunistischen Weltbewegung nicht unumstritten, amerikanische Wirtschaftshilfe abzulehnen. Eine typische Stellungnahme gab Mitte 1947 der Vorsitzende der franzsischen Kommunisten: Der Marshall-Plan scheine "verlockend" zu sein, habe aber "bedenkliche Mngel". Er wrde die Reparationen aus Deutschland "praktisch liquidieren" und Deutschland auf eine Stufe mit den europischen Siegermchten stellen. (190) Wie andere Beobachter auch hatten die franzsischen Kommunisten einen wichtigen Aspekt des Marshall-Plans erkannt, nmlich das westdeutsche Industriepotential zu erhalten und zu reaktivieren. Dies wurde in der Weise

[55] ausgelegt, dass die amerikanischen Monopole die Kontrolle ber die westdeutschen Industriegebiete anstrebten, um die westeuropischen Staaten, die deutsche Kohle und Metalle bentigten, "in Abhngigkeit von der wiederherzustellenden Wirtschaftsmacht Deutschlands (!) zu bringen". (191) Deutschland solle wieder "den Gendarmen in Europa" spielen. (192) Der Wunsch der USA sei: "Westeuropa soll sich Westdeutschland anschlieen."

(193) Dies schuf fr die deutschen Kommunisten erhebliche Probleme. Whrend die antideutschen Schlagworte etwa fr die KPF die einzig erfolgreiche Agitation gegen den Marshall-Plan waren, (194) wusste die KPD, dass eine Kritik, die an zentraler Stelle htte rgen mssen, "welch wesentlichen Platz der wirtschaftliche Wiederaufbau Deutschlands im Marshall-Plan einnimmt", (195) fr sie selbstmrderisch gewesen wre. Die KPD entschloss sich, die Argumente der anderen Kommunisten auf den Kopf zu stellen. Weder wrden bei der Untersttzung durch den Marshall-Plan die Demontagen aufhren, (196) noch bessere sich die Situation fr die verbleibende Industrie. Diese werde geschdigt, indem - um sie als potentiellen Konkurrenten der USA auf dem Weltmarkt auszuschalten - auf amerikanische Weisung hin deutsche Rohstofflieferungen (Kohle, Metalle, Hlzer) an die europischen Staaten forciert wrden. (197) Auch im Agrarbereich werde die Bundesrepublik benachteiligt; die west- und sdeuropische Landwirtschaft werde "auf Kosten der westdeutschen Landwirtschaft" gesttzt. (198) Wenn die KPD den Nutzen des Marshall-Planes beim besten Willen nicht bersehen konnte, argumentierte sie ausweichend und defensiv. Um den "groen Eindruck", den die Dollars "auf viele Leute machen", zu verringern, wurde sogar ausgerechnet, dass man viel weniger als die Brger der anderen Nehmerstaaten bekme (199) anstatt in Freude darber auszubrechen, dass nach Westdeutschland weniger "Versklavungsgeld" strmte. Man beklagte sich sogar, dass man nicht wie andere Staaten einen Teil der gelieferten (angebliche die einheimische Wirtschaft ruinierenden) Gter geschenkt bekomme. (200)

[56] Die KPD fhrte als Argument gegen den Marshall-Plan an, dass durch ihn die Wiedervereinigung sabotiert wrde: "Marshall-Plan oder Deutschland?" Weil die SED den Plan ablehnte, sollten die westdeutschen Parteien ihn um der deutschen Einheit willen

ausschlagen. Fr diejenigen, die den kommunistischen Prognosen nicht glaubten, war diese Argumentation wenig berzeugend, konnte man sie doch umkehren und auch (nun der SED) drohen: "Fr uns (Deutsche, M.K.) ist Annahme oder Ablehnung des Marshall-Planes gleichbedeutend mit der Frage: ein zweigeteiltes oder ein geeintes Deutschland?" (201) Um fr einen antiamerikanischen Kampf zu mobilisieren, zog die KPD alle Register einer Propaganda, deren Wahrheitsgehalt keine Rolle spielte. Die Folge war nicht selten Verwirrung: Wenn wir von einem kolonialen Zustand Westdeutschlands reden, dann stoen wir oft auf den Unglauben nicht nur breiter Schichten der Bevlkerung, sondern auch auf das Unverstndnis unserer eigenen Genossen. (202) Fr die Unglubigen fasste Reimann die Kriterien des Koloniallandes zusammen: (203) - Dem Volk werde "das Recht auf nationale Selbstbestimmung genommen", - das Land "unter militrischer Besetzung gehalten", - die Wirtschaft "beherrscht von auslndischen Finanzkapitalisten". Es war durchaus mglich, als Grundlage fr die Kolonisierungsthese die vlkerrechtlichen Folgen der deutschen Niederlage zu nehmen, und nicht nur die KPD verglich die deutsche Situation mit der einer Kolonie. (204) Doch die Kriterien, die Reimann nannte, trafen in Europa nur auf die Verlierer des Krieges zu. Das dritte Kriterium illustrierte Reimann auch mit westdeutschen Besonderheiten (die 1951 aufgehoben wurden): das Ruhrstatut und die Ein- und Ausfuhrbeschrnkung, die Teil des Besatzungsstatuts war, sowie mit dem Marshall-Plan, (205) in dem Westdeutschland eine eher bevorzugte Sonderrolle einnahm.

[57]

Als sich die innerparteiliche Kritik hufte, versuchte der stellvertretende Parteivorsitzende Kurt Mller unter Rckgriff auf Lenins Imperialismusschrift, das Kolonisierungsproblem - wenig berzeugend - darzustellen. Mller knpfte an die politische Strategie an, die Stalin 1925 den Genossen des am weitesten entwickelten Koloniallandes, Indien, empfohlen hatte, (206) sie hnelte der aktuellen Strategie des Kominform. Die Kommunisten mssten sich an die Spitze der nationalen Befreiungsbewegung stellen. "Das Feuer (ist) auf die dnne Oberschicht von Monopolkapitalisten und Junkern und die ihnen hrigen Parteifhrer zu konzentrieren". (207) Fr die kommunistische Weltbewegung war der Sozialismus in den Kolonien erst aktuell, wenn die konomische Entwicklung auch den "Totengrber des Kapitalismus", die Arbeiterklasse, heranwachsen liee. Bis dahin hatten die Kommunisten gegen das Kolonialregime gerichtete Bndnispolitik zu betreiben, um den Imperialismus zu schwchen. In Deutschland hingegen stand fr Marx und Engels der Sozialismus schon seit 100 Jahren auf der Tagesordnung. In der Nachkriegszeit war es so, dass man die deutsche Arbeiterbewegung (Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter) erst von ihren sozialistisch-planwirtschaftlichen Vorstellungen ab- und zu antikolonialen nationalen Positionen htte hinbringen mssen. Auerdem war von einer brgerlich gefhrten Befreiungsbewegung in Westdeutschland, deren Leitung man htte bernehmen knnen, weit und breit nichts zu sehen. Die Kolonisierungsthese verdankte ihre Entstehung dem politischen Interesse des seit der Rede von Shdanow Ende 1947 abgesteckten staatlichen Sektors des demokratischen Lagers, genauer: dem der UdSSR. Ihre Politik bildete den Rahmen, in dem sich die marxistischleninistische Theorie zu bewegen hatte.

[58] Oberstes politisches Prinzip war es, das eigene Lager zu strken, was auch ber die Schwchung des feindlichen Lagers mglich schien. Bis gegen Ende des Krieges hatte die Parole, dem

sowjetischen Staat beizustehen, ber kommunistische Kreise hinaus Untersttzung finden knnen, da die UdSSR dem Faschismus entscheidende Schlge versetzte. Dementsprechend untersttzten die Kommunisten whrend des Krieges "ihre" Staaten. Wie die meisten Vlker sah auch der grte Teil des deutschen Widerstands die "objektiven Interessen" des deutschen Volkes in der Einheit und im Sieg der Staaten der Anti-Hitler-Koalition vertreten. Mit dem Frieden fehlten parallele Interessen. Fr Deutschland schien es von Vorteil zu sein, wenn das Sieger-Bndnis auseinander fiele und die UdSSR geschwcht wrde (Stichworte: Einstellung der extensiven sowjetischen Demontagen, Beendigung der Reparationslieferungen, Einheit Deutschlands ohne sowjetisches Mitspracherecht, eventuell Rckkehr der Flchtlinge in ihre Heimat). Demgegenber versuchten die Kommunisten, eine Identitt der Interessen der UdSSR, der Volksdemokratien und der Arbeiterklasse und berhaupt der "Menschen guten Willens" zu konstruieren. Das Ziel der Staaten des demokratischen Lagers und der Kommunistischen Parteien, den restaurativen amerikanischen Einfluss in Europa zurckzudrngen, war mit dem Wunsch der Europer zu verknpfen, ihre Lebenslage zu verbessern. Als Opfer und Gegner der weltpolitischen Ansprche der USA bese man denselben Feind und sei Teil des demokratischen Lagers. Die Aufgabe der Kommunistischen Parteien sei es, mit ihrer nationalen Politik den "Lagerinsassen" ihre "objektive" Zuordnung subjektiv begreifbar zu machen. Die in diesem Zusammenhang geuerten Thesen des konomischen Zusammenbruchs sind meines Erachtens ernst zu nehmen. Innerhalb der kommunistischen Weltbewegung war die These von der allgemeinen, sich verschrfenden Krise unumstritten. Auch die Varga-Schule (208) gestand dem Staat lediglich zu, den Kollaps fr einige Zeit hinausschieben zu knnen. Der neue, zweite Weltmarkt konnte zu der Erwartung berechtigen, die stabile Planwirtschaft biete gegenber dem krisengeschttelten Kapitalismus ein nachahmenswertes Modell.

[59] 5.2 Der Arbeiter, das Vaterland und der Nationalismus

Die nationale Politik, verstanden als die Vertretung der Interessen des ganzen Volkes, spielte in der SBZ bereits frh eine Rolle. Die SED trat mit dem Anspruch auf, die dominierende gesellschaftliche Kraft zumindest in der SBZ zu sein, die in ihrer Politik die Interessen der gesamten Nation bercksichtige. Obwohl eigentlich die gleiche Programmatik fr West- und Ostdeutschland galt, lsst sich von einer nationalen Ausrichtung der kommunistischen Politik im Westen erst spt sprechen. Zwar war diese bereits in der Kolonisierungsthese und im Kampf fr die Einheit Deutschlands angelegt, als die KPD als einzige westdeutsche Partei die Einheit unter Anerkennung der gesellschaftspolitischen Reformen in der SBZ forderte, doch erst nach der Solinger Konferenz im Mrz 1948 begann die Partei verstrkt den nationalen Kurs einzuschlagen. Da viele Mitglieder nicht damit einverstanden waren, (209) sah sich die Parteifhrung gentigt, ihre nationale Politik grndlich theoretisch zu untermauern. Stets aktuell blieb die Frage, ob der Arbeiter ein Vaterland bese. Ein Problem war, dass der bekannteste Marx-Engels-Text, das Manifest der Kommunistischen Partei, den zum geflgelten Wort gewordenen Satz enthlt: "Die Arbeiter haben kein Vaterland." Und zum brgerlichen Vorwurf, die Kommunisten "wollten das Vaterland, die Nationalitt abschaffen", heit es: "Man kann ihnen (den Arbeitern, M.K.) nicht nehmen, was sie nicht haben." (210)

[60] Nach dem Verstndnis von Marx und Engels war es berholt, die Erdbewohner nach Staatsangehrigkeit und/oder kulturellen Eigenarten zu sortieren. Die "nationalen Absonderungen und Gegenstze der Vlker" verschwnden bereits allmhlich im Zuge

der Entwicklung des Kapitals, und die Herrschaft des Proletariats werde diesen Prozess beschleunigen. (211) Die KPD versuchte, glaubhaft zu machen, die proletarische Vaterlandslosigkeit sei lediglich ein Problem des 19. Jahrhunderts gewesen: Was ist denn das fr ein Vaterland fr die Arbeiter, in dem ihnen nichts gehrt, in dem sie schutzlos der kapitalistischen Ausbeutung preisgegeben sind, in dem man ihre Rechte brutal mit Fen tritt, in dem sie nichts zu sagen haben, in dem sie nur ein 'Recht' haben, das 'Recht', sich bis aufs letzte ausbeuten zu lassen und zum Schluss noch ihr Blut und Leben zu opfern zur Vergrerung des Profits der Bourgeoisie? - Ein solches 'Vaterland' ist kein Vaterland fr die Arbeiter, fr die Werkttigen. Das ist der Inhalt der Worte von Marx im 'kommunistischen Manifest' ber das Vaterland. (212) Aber hier war nicht vom Vaterland die Rede, sondern vom Leben im Kapitalismus. Der Staat, nicht das Vaterland (was immer das sein mag), gibt und verweigert Rechte, schickt Menschen in den Krieg, sorgt dafr, dass sie etwas oder nichts zu sagen haben usw. Die KPD sprach hier vom Nutzen des "Vaterlandes" fr die Arbeiter. Somit hatte die KPD den Gegenstand gewechselt und diskutierte ber gesellschaftliche Verhltnisse. Positiv gewendet lautet die oben zitierte Passage: Das Vaterland ist das Land, dessen Staat den Arbeitern das Ende der Ausbeutung und viele Rechte beschert, die Arbeitskraft schtzt und nicht verlangt, fr den Profit in den Krieg zu ziehen.

[61] Doch auch dann htten die Arbeiter noch immer kein Vaterland, sondern soziale Zustnde, fr die sie sich einsetzen. Da das Vaterland sich offenbar nur ber die Wirtschaftsform definieren lie (Kapitalismus = Nicht-Vaterland), htte man den berflssigen Begriff als idealistisch fallenlassen knnen. Aber man verfolgte eine nationalvaterlndische Strategie, die als "richtig" zu beweisen war.

Gab es, vom Nutzen her gesehen, 1848 fr einen Arbeiter keinen Grund, sich als einem Vaterland zugehrig zu betrachten, welchen Nutzen gab es fr ihn rund 100 Jahre spter? Wie bereits geschildert, hatte die KPD ihrer Politik die These der Kolonisierung und der absoluten Verelendung zugrunde gelegt; demnach musste sich die soziale Situation eher verschlechtert haben. Wieder wechselte die KPD die Argumentationsebene: Weil wir morgen in unserem Vaterland (!?) unser glckliches Leben aufbauen wollen, kann und darf es uns nicht gleichgltig sein, was die Imperialisten heute mit unserem Vaterland machen. (213) Was jemanden zur Verteidigung des "Vaterlands" motivieren sollte, lag jenseits des Materiellen. Knnen wir gleichgltig zusehen, wie unsere nationale Kultur, auf deren Errungenschaften die ganze Welt mit Achtung blickt, in den Schmutz gezerrt und zerstrt wird? (...) Es kann uns nicht gleichgltig sein, wenn Deutschland heute der Tummelplatz amerikanischer Gangster wird, denen deutsche Frauen und Mdchen wehrlos ausgeliefert sein sollen... (214) Offenbar war die KPD der Ansicht: Ob der Arbeiter ein Vaterland bese oder nicht, hinge vom Schaden ab, den Auslnder der deutschen Kultur und Moral zufgten. Wer nun folgert, die KPD habe "vaterlandslose Gesellen" berzeugen wollen, dass ihnen ein Vaterland gehrt, irrt. "Jeder fortschrittlich gesinnte Mensch hat zwei Vaterlnder, sein eigenes und die Sowjetunion." (215) Nur zwei Vaterlnder? Mehr nicht? Nachdem in der DDR die gesellschaftliche Entwicklung vorangeschritten war, besa der westdeutsche Arbeiter ein weiteres, "ein sozialistisches Vaterland" (216) und konnte nun drei sein eigen nennen.

[62] Marx wurde in einer absurden Weise auf den Kopf gestellt, weil der nationale Kampf nicht zu fhren war, wenn es kein "Vaterland" gab, in dem sich die Nation niederlassen konnte. Auerdem hatte man

sich dem volksdemokratischen Lager anzupassen. Wenn die Regierenden in Osteuropa das Vaterland stndig im Munde fhrten (sie waren meist nach Unabhngigkeitskmpfen, untersttzt durch die UdSSR, an die Macht gekommen), dann konnten die nichtregierenden Kommunisten schwerlich seinen Wert bestreiten. Warum hatte die Arbeiterklasse - und ihre Partei - in der Bewegung des kmpferischen Nationalismus die Fhrung der Menschen zu bernehmen, die ein Vaterland besitzen? Die Antwort fiel zunchst negativ aus: Der andere potentielle Fhrer der Nation, die Bourgeoisie, war klassenbewut, stelle sie doch "ihre Klasseninteressen ber die Interessen der Nation". (217) Es bliebe also nur die Arbeiterklasse; festzuhalten ist, dass die KPD hier einen Gegensatz zwischen nationalen und Klasseninteressen eingesteht. Die Lsung der nationalen Frage ist den Klasseninteressen des Proletariats untergeordnet. Aber die Klasseninteressen des Proletariats sind keine egoistischen, keine engen Interessen, sondern die Interessen aller Werkttigen, der groen Mehrheit der Nation. (218) Demnach waren die Klasseninteressen des Proletariats mit denen der groen Mehrheit der Nation identisch. Wollen alle nun Klassenkampf und Sozialismus? Nein, nicht die Nation kommt der Arbeiterklasse entgegen, es ist umgekehrt. Das Proletariat verzichtet darauf, seine "egoistischen Interessen" auf die Tagesordnung zu setzen, sondern es vertritt das nationale Interesse nach Unabhngigkeit und staatlicher Souvernitt. Indem die Arbeiterklasse "die Interessen der gesamten Nation" vertritt, (219) macht sie diese zu ihren eigenen und stellt ihre Klasseninteressen zurck. Zeitgenssische Schriften der Kommunisten, die etwas anderes behaupten, wollen lediglich die Leser tuschen.

[63] Es liegt auf der Hand, weshalb die KPD ber die Jahre hinweg nicht mde wurde, der Arbeiterklasse und vor allem den Parteimitgliedern

nachzuweisen, wie sehr nationaler und sozialer Kampf zusammengehrten, sich nicht ausschlssen, ja einander bedingten. Wenn Kommunisten das Eigentumsrecht (=Pflicht) am Vaterland beschworen, den Patriotismus und die deutsche Nationalkultur hochleben lieen, dann war dies fr sie nicht ohne Risiko. Die Unterordnung der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen unter ein alle Widersprche verwischendes Interesse der Nation (verkrpert im deutschen Staat) war - vereinfacht dargestellt - der Grund fr die Spaltung der SPD, aus deren linkem Flgel schlielich die KPD entstand. Eine Politik der deutschen Kommunisten, die vom konsequenten Klassenkampf abging, barg die Gefahr einer existentiellen Krise und der Selbstaufgabe in sich. Hatte man "theoretisch" den Schauplatz, den Gegner, das Subjekt und den Fhrer des nationalen Kampfes ausgemacht, galt es nun, einem kommunistischen Dogma zu entsprechen, das besagte, dass die Kommunisten "praktisch" diejenigen seien, die dem "eigentlichen" Volkswillen Geltung verschaffen wollten. Man setzte Verstndnis fr die nationale Politik der Partei bei einer Bevlkerung voraus, deren "nationalistische Verhetzung" einst den Zorn der Kommunisten erweckt hatte. Das Nationalgefhl, die "Liebe zur Heimat, zur eigenen Scholle, zur Muttersprache" wrden von den Werkttigen geschtzt und gehtet. (220) Gerieten "diese Dinge" (221) in Gefahr und bleibe die deutsche Nation zerrissen, so komme "Hass, Verzweiflung, Unruhe und Unfrieden" auf. (222) Da die anderen Parteien Hilfsfunktionen fr die auslndische Diktatur bernhmen, knnte am wirkungsvollsten die KPD die verletzte nationale Gesinnung in politische Energie umsetzen.

[64] Ganz so sicher scheint sich die KPD nicht gewesen zu sein, dass der Nationalismus sich nur fr ihre Zwecke nutzbar machen liee. Denn es wurde auch von der "groen Gefahr" gesprochen, dass "reaktionre Krfte den in unserem Volk zweifellos wachsenden

Willen zum nationalen Widerstand fr ihre Zwecke und Ziele missbrauchen". (223) Demnach sollte sich die KPD in der Konkurrenz mit den Rechten und den Rechtsextremisten um den Nationalismus und den nationalen Widerstand kmmern und ihn in die "richtige" Richtung lenken, nmlich gegen die koloniale Politik der Besatzer und der ihnen hrigen Parteien. Hier liegt ein seltsames Verstndnis von sozialistischer Politik vor. Wenn Alfred Drgemller, einer der Parteitheoretiker der KPD, meint, die nationale Politik damit begrnden zu mssen, dass wir an den Massen des deutschen Volkes vorbeireden und uns hoffnungslos isolieren wrden, dass wir Schwtzer sein wrden, wenn wir versuchen wollten, sie heute fr unser Endziel in den Kampf zu fhren, (224) dann hat er die Alternative bewusst falsch gestellt. Es war doch nicht die Frage, ob der Kampf fr den Sozialismus (Kommunismus) oder fr die nationale Befreiung zu fhren sei. Fast alle Westdeutschen entschieden sich fr eine nichtkommunistische Politik. Der erste Teil des Entweder - Oder wre allenfalls die Propaganda fr den Sozialismus gewesen. Im brigen habe ich den Eindruck, dass die Partei die Virulenz des von ihr vorausgesetzten Nationalismus berschtzt hat. Die KPD fragte sich nicht, wie es erst um die abstrakte "nationale Frage" bestellt sein msse, wenn bereits in Fragen der Sozial- und Wirtschaftspolitik weithin Desinteresse bestand und die Menschen sich meist, kollektiv und einzeln, bemhten, aus der Verwaltung des Mangels das beste zu machen. (225)

[65] Man kann jedoch nicht bestreiten, dass es Probleme gab, die mit dem Komplex "nationale Frage" zusammenhingen. Welche davon der Bevlkerung auf den Ngeln brannten, hatte die KPD aufgelistet: die Oder-Neie-Grenze, die Kriegsgefangenen in der UdSSR, die politischen Verhltnisse in der Sowjetischen Zone und die Furcht vor einer kommunistischen Machtbernahme in ganz Deutschland. (226) Diese Probleme wurden insofern als "nationale" empfunden, als

fast jeder sich mit wenigstens eines dieser Probleme konfrontiert sah. Das Flchtlingsproblem bedeutete fr die Heimatvertriebenen den Verlust der Existenzgrundlage, fr die Nichtflchtlinge vergrerte es das bereits vorhandene allgemeine Elend. Die Kriegsgefangenenproblematik bedeutete ein ungewisses Schicksal und die Trennung von Angehrigen. Die Kommunisten wollten andere nationale Fragen aufwerfen: "Die Tatsache der nationalen Rechtlosigkeit, der Unterdrckung, des Verlustes unseres Selbstbestimmungsrechtes". (227) Diese Fragen berhrten das Volk - wenn berhaupt - nur am Rande. Sie traten hinter ungelste Aufgaben wie die Ernhrungssituation, die Arbeitslosigkeit und der Wohnraummangel zurck. Die Deutschen kritisierten an den Besatzungsmchten kaum, dass sie die wichtigen politischen Entscheidungen in Deutschland fllten - die meisten Brger wussten auch mit dem Begriff "nationale Souvernitt" in seiner Abstraktheit nichts anzufangen (228) - sondern sahen die wirtschaftlichen Konsequenzen der Niederlage und die angebliche Nachgiebigkeit gegenber "den Russen" als westalliierte "Fehler" an. (229) Und wegen der deutschen Einheit wurde kaum jemand von sich aus zum Fanatiker. Die Wiedervereinigung war allenfalls erwnscht, wenn sie mit einer Westorientierung einherginge. (230) Wenn die Kommunisten "die nationale Frage zur Achse unserer Politik" machen wollten, (231) dann weniger, weil sie sich eine groe Resonanz in der Bevlkerung versprechen konnten, sondern offenbar, weil es eine bergeordnete Instanz von ihnen verlangte. Aufgrund der Erfahrungen des antifaschistischen Kampfes und der Politik der Kommunistischen Internationale hielt die kommunistische Weltbewegung, genauer: ihre dominierende Partei, den Nationalismus fr eine scharfe Waffe gegen den Imperialismus. Ein kmpferischer Nationalismus wrde sich in Westeuropa gegen den starken amerikanischen Einfluss richten

[66] 5.3 Der Beitrag Stalins zur theoretischen Fundierung

desnationalen Kampfes Die Jahre 1945 bis 1953 gehren zu den Jahren, die Kommunisten spter als die Zeit des "Personenkults" bezeichnen werden. In der Tat kam ab 1949 kein Beitrag zur Theorie, Strategie und Taktik ohne Hinweis auf Stalins Ansichten zum Thema aus. Besonders bei einer mit der "nationalen Problematik" befassten Arbeit ist es angebracht, auf Stalin einzugehen, soll ihm doch "die Lsung einer der kompliziertesten Fragen in der Entwicklungsgeschichte der Gesellschaft, der nationalen Frage", (232) gelungen sein. Stalins Werk "Marxismus und nationale Frage" ist ein 1913 verffentlichter Aufsatz, der als Beitrag zur zeitgenssischen Debatte gedacht war. Die Rezeption in Deutschland setzte erst 1949 ein und ist Teil der generellen Popularisierung des sowjetischen Fhrers. Wer Stalins berhmte Definition Eine Nation ist eine historisch entstandene, stabile Gemeinschaft von Menschen, entstanden auf der Grundlage der Gemeinschaft der Sprache, des Territoriums, des Wirtschaftslebens und der sich in der Gemeinschaft der Kultur offenbarenden psychischen Wesensart (233) als "meisterhafte wissenschaftliche Definition" bezeichnete, (234) hatte andere Schriften zum Thema nicht zur Kenntnis genommen. Andernfalls wre aufgefallen, dass die vier Stalinschen Merkmale die originelle Addition der Definitionen anderer Marxisten waren. Offensichtlich hatte Stalin Teile anderer "Definitionen der Nation" bernommen, etwa Karl Renners "geistige Kulturgemeinschaft", Karl Kautskys "Sprachgemeinschaft" und Otto Bauers "historische Schicksalsgemeinschaft". Kein Theoretiker mit

[67] marxistischem Anspruch bestritt die Verbindung von Nation und

Kapitalismus; die Nation war "Kind der kapitalistischen Warenproduktion und des Warenhandels" (Kautsky). (235) Der Unterschied lag in der Bedeutung, die man diesen Kriterien zusprach. Meist wurden die ideellen als vorrangig bewertet. Stalins Neuerung war es, materielle und ideelle als gleichrangig einzustufen. Er betonte: "Nur das Vorhandensein aller Merkmale zusammen ergibt eine Nation." Es hie auerdem: "Fehlt nur eines dieser Merkmale, so hrt die Nation auf, eine Nation zu sein." (236) Was stellten die deutschen Kommunisten nun fest, wenn sie die Stalinsche Definition an Deutschland anlegten? Eine Gemeinschaft des Territoriums jedenfalls nicht. Es hatten sich zwei Staaten etabliert, die eine nur nach einem aufwendigen Genehmigungsverfahren zu berschreitende Grenze trennte. Ein "gemeinsames Wirtschaftsleben" bestand aus Beziehungen von Staaten unterschiedlicher Wirtschaftsordnung und unter einer Reihe zumeist westlicher restriktiver Auflagen. In diesem Sinn zhlte Winternitz 1949 nur noch zwei vorhandene Merkmale, nmlich die Sprache und die psychische Wesensart. (237) Wegen der amerikanischen kulturellen Einflsse hielt zu gleicher Zeit Alexander Abusch sogar nur noch die Sprachgemeinschaft - also ein Merkmal fr intakt. (238) Das Problem war, dass sich der nationale Kampf ohne Nation nicht fhren lie. Dies gab man auch zu: "Wenn wir sagen, dass die deutsche Nation nicht mehr existiert, nehmen wir der Nationalen Front des demokratischen Deutschland den Boden, aus dem sie gewachsen ist." (239) So hielt man es ab 1951 fr sinnvoller, nachzuweisen, dass alle vier Kriterien vorhanden seien. Die konomischen Schwierigkeiten wegen der weitgehenden Unterbrechung des innerdeutschen Handels "sind nichts anderes als ein Ausdruck der Tatsache, dass die heute getrennten Gebiete Deutschlands die Teile eines zusammengehrenden Wirtschaftskrpers darstellen". (240) Das gemeinsame Territorium bestehe "seit Jahrhunderten". (241) Dem Fehlen der Nation setzte die KPD den Willen zur Nation entgegen.

[68] Richtig wre gewesen, an Hand des deutschen Beispiels die Schwche der erstens-zweitens-drittens-viertens-Definition zu erkennen oder wenn man auf sie beharren wollte oder musste, gar zu konstatieren, dass die deutsche Nation untergegangen war und es damit keine national-kommunistische Politik geben konnte. Nichts dergleichen geschah. Hatte man trotz Marx und Engels dem deutschen Arbeiter ein Vaterland bereignet, so wurde trotz Stalin die dazugehrige Nation daraufgestellt. Dies macht deutlich, dass die Marxisten-Leninisten ein durchaus undogmatisches Verstndnis der eigenen Theorie hatten. Ein Mangel, der sich in der Agitation und Propaganda zeigen sollte, lag darin, dass die Kommunisten nie beschrieben, welches offenbar grenzenlose Unglck drohte, wenn "die Nation aufhrt, eine Nation zu sein" (Stalin). Was ist die Nation, wenn sie keine mehr ist? Wrde man die Nation vermissen? Ein Volk wre man weiterhin, (242) doch hat man dann noch ein Vaterland? Gbe es dann auf deutschem Boden zwei Nationen? Warum wre dies auf keinen Fall eine Bereicherung der Welt der Nationen? Wenn Abusch betonte, es sei notwendig, fr "die Rettung der deutschen Nation" zu kmpfen, da die vier Stalinschen Merkmale "in der Zerstrung begriffen sind", (243) wurde gekmpft, um die Merkmale wieder guten Gewissens auflisten zu knnen. Doch damit stellte man nicht "die Nation" wieder her, sondern die Stalinsche "Definition des Begriffes der Nation" (Schleifstein). (244) Die Kommunisten verlangten also, gegen den drohenden Untergang der Nation als "historische Kategorie" (Abusch) (245) zu kmpfen.

[69] Trotz gegenteiliger Beteuerung war fr die Kommunisten "die Nation"

kein Wert an sich, anderem bergeordnet. Die SED handelte in der Kenntnis, dass auer dem Verlust einer Kategorie kein Schaden entstehen konnte, der ber die normale Verelendung im Kapitalismus hinausgehen wrde. Trotz der in dem Prozess der Zerstrung begriffenen oder gar zerstrten (Kategorie-) Nation und des westdeutschen Elends schreite der beispielhafte Aufbau in der DDR voran. Demnach war auch ohne Nation ein lebenswertes Leben mglich. Einen neuen Ansto erhielt die nationale Politik durch die kurze Abschlussrede Stalins auf dem 19. Parteitag der KPdSU. Das "Freie Volk" berschrieb sie mit "Stalin: Arbeiterklasse muss das nationale Banner erheben". (246) Kein anderer Beitrag zum nationalen Kampf legte so kurz und schlssig dar, weshalb seine Erfolgsaussichten in Westeuropa so gering waren. Stalin wandte sich in dieser seiner letzten greren ffentlichen uerung gegen die Annahme, die UdSSR als "mchtige Kraft" bentige die Untersttzung der kommunistischen Weltbewegung nicht mehr. Die Hierarchie innerhalb des internationalen Kommunismus legte er offen dar. Indem "jede Bruderpartei" die Politik der UdSSR untersttze, helfe sie sich selbst, da "die Interessen unserer Partei" - der KPdSU - mit "den Interessen der friedliebenden Vlker (...) verschmelzen". (247) Die Existenz der UdSSR und der Volksdemokratien sei ein "Umstand", der den Kommunisten der ganzen Welt die Arbeit erleichtere. Der zweite "Umstand" sei, dass die Bourgeoisie "reaktionrer geworden ist, die Verbindungen zum Volk verloren und sich damit geschwcht hat", (248) Die zweite "Arbeitserleichterung" war mit der Kolonisierungsthese verknpft. "Das Prinzip der Gleichberechtigung der Menschen und Nationen" sei ersetzt worden "durch das Prinzip der vollen Rechte fr die ausbeutende Minderheit und der Rechtlosigkeit der ausgebeuteten Mehrheit der Brger". (249) Die Kommunisten mssten nun "das Banner der brgerlichdemokratischen Freiheiten" und "das Banner der nationalen Unabhngigkeit und der nationalen Souvernitt (...) erheben und vorantragen". (250)

[70] Die Beschreibung des verfassungsmigen Zustandes der kapitalistischen Staaten war schlicht unwahr. In vielen europischen Staaten waren die sozialen wie brgerlichen Rechte nach dem Weltkrieg wiederhergestellt oder ausgebaut worden. Diejenigen, die nach Stalin von den Kapitalisten als "menschlicher Rohstoff" betrachtet wurden, waren zumeist vollwertige Staatsbrger. Vor allem war es illusorisch, anzunehmen, dass Brger, die sich fr nationale und brgerliche Rechte einsetzten, sich um die von den Kommunisten gestemmten Fahnen scharen wrden - aus dem einfachen Grund, weil die Kommunisten diese Rechte erklrtermaen einschrnken oder gar abschaffen wollten. (251) In der Parteitagsrede zeigte Stalin auf, was Kommunisten von nationaler Unabhngigkeit hielten. Sie bedeutete, die Bindungen zu den USA zu lsen und die Interessen der UdSSR zu vertreten. Letztere waren so offensichtlich mit den eigenen Interessen verschmolzen, dass dies stets betont werden musste. Die Sowjetunion legte die gemeinsame Politik fest. Deshalb warb Stalin bei den "Brudervlkern jenseits der Grenzen unseres Landes" (also nicht nur von Kommunisten und ihren Verbndeten) um "Vertrauen" und "Sympathie": Auch wenn die Politik nicht einleuchte und sie anscheinend den eigenen Interessen schade, msse man sie aufgrund der Sympathie, die man der ersten Revolution entgegenbringe, voll Vertrauen untersttzen. (252)

[218] Anmerkungen [227]

162 Wenn hier von der Zwei-Lager-These, der Kolonisierungsthese usw. die Rede ist, dann deshalb, weil von einer ausformulierten Theorie nicht gesprochen werden kann. 163 Shdanow (19) S.12 164 S.13, i.0.h. 165 S.18 166 Werke Bd.22, S.245, 247 167 Shdanow (19) S.7 168 Zum Marshall-Plan s. GIMBEL 1976 und KRETZSCHMAR 169 Shdanow (19) S.18 170 Noch am anspruchvollsten: CLAUDE 171 J.W. Stalin: "konomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR" (1952), in: Werke Bd.17, S.254-343, S.290; - Die KPD verffentlichte in ihrer Schriftenreihe sieben Aufstze sowjetischer und deutscher Autoren: "Beitrge ber die Bedeutung von J.W. Stalin 'konomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR''. SCHRIFTENREIHE WISSEN UND TAT. Innerparteiliches Material. Hrsg. Parteivorstand der KPD. Frankfurt/ M. o.J. (1953). 172 Stalin ebd. S.282-284 173 S.283 174 S.284 175 S.285 176 S.286 177 Friedrich Behrens: "Stalins Werk 'konomische Probleme des

Sozialismus in der UdSSR' und seine Bedeutung fr die politische konomie", in: STALIN/BEHRENS/KUCZYNSKI S.97 178 "Deklaration der kommunistischen und Arbeiterparteien", in: INTERNATIONALE LAGE S.2; - STALIN 1952 S.22f 179 Deklaration ebd. S.3; - s.a. Stalin: "Rede auf dem XIX. Parteitag der KPdSU (14. Oktober 1952) ", in: Werke Bd. 17, S.186-190 180 N. LENZ (d.i. Joseph Winternitz) S.157; - J. WINTERNITZ (18961952) geb. in Oxford, ging nach Prag, 1920 KP der CSR. 1923 nach Deutschland, Mitglied des ZK. 1934 Exil: CSR, England. 1948 zurck nach Berlin, Leiter des Marx-Engels-Instituts. Verffentlichung mehrerer Schriften zur nationalen Frage. 1951 Rckkehr nach England. (WEBER S.344f) 181 Lenz ebd. S.173. i.O.h. Zu den politischen Konsequenzen dieser Verelendungstheorie s. WAGNER. 182 "Polit-konomie. Seminarplne. KPD. Bezirksleitung Mittelrhein/ Abteilung Werbung und Schulung. Kln o.J. (um 1950)" S.73. HStA RWV 1 KPD 1513 183 MENDELSOHN S.19 184 KUCZYNSKI 1948 S.39; - STERNBERG S.130 185 Dass dies in den USA nicht geschehe, sei auf die Schwche der dortigen Linken zurckzufhren. Sternberg ebd. S.150

[228] 186 z.B. J. Schopp: "Krise in den USA", WT 1949, H.6. S.24ff 187 (Albert) St (asch) : "Die Theorie der Lage der Arbeiter", WT 1949, H.4. S.60-62. (Rezension des gleichnamigen Buches von Kuczynski.) ; - "Polit-konomie" (182) S.60f. Die KPD rief zum Kampf fr "die

Sicherung des Existenzminimums". Alfred Drgemller: "Zu einigen Problemen der Lohnpolitik", WT 1949, H.3 und 4; - Die Propaganda der Nationalen Front (vorl. Arbeit Kapitel 6.3.), die offiziell keine antikapitalistische Storichtung haben durfte, stellte die hier als "Gesetz des Kapitals" (Stasch S.60) bezeichnete Verelendung als Folge von Einflssen der US-Wirtschaftspolitik dar. 188 ALTVATER/HOFFMANN/SEMMLER S.83 189 so in "'Lohn - Preis - Profit` (Das Wesen der kap. Ausbeutung)" hekt. o.O.o.J. (1955). (Referenten- oder Schulungsmaterial). HStA RWV 1 KPD 1616 190 Maurice Thorez: "Im Dienste des franzsischen Volkes. Aus dem Bericht auf dem XI. Parteitag der KPF in Strasbourg vom 25. bis 28. Juni 1947", in: ders. 1962, S.436 191 Shdanow (19) S.15 192 CLAUDE S.83 193 M. Marinin: "Die Truman-Doktrin und der Marshall-Plan", Neue Welt 1947, H.17, S.48-63, S.58 194 Jean-Marie Domenach: "The French Communist Party", in: COMMUNISM S.131f 195 CLAUDE S.82 196 Albert Stasch: "Prophetie um den Marshall-Plan", WT 1948, S.24-31, S.28f 197 BANKROTT DURCH DEN MARSHALL-PLAN S.14; SCHOPP S.51ff; WINZER S.4, 27; Hans W. Aust: "Die Unterdrckung der westdeutschen Ausfuhr", Neue Welt 1949, H.6, S.32-40, S.33; "Der Marshallplan und Deutschland" (23.7.47), in: DOKUMENTE/SED I S.207-209; ABUSCH 1949 S.137; "Referat des Genossen Max Reimann auf der Landesfunktionrskonferenz in Wuppertal am 6. Jan. 48", in: Informationsdienst der KPD. Britische Zone. 1948 S.7f

198 Kurt Mller: "Zweigleisig ins Wirtschaftschaos", WT 1948, H.8, S.15-23, S.18; - s.a. Willi Mohn: "Westdeutsche Agrar- und Ernhrungspolitik im Zeichen des Marshall-Planes", WT 1949, H.7, S.31-36, S.34 199 "Marshall-Plan in der Praxis", Die Nation 1948, H.13, S.23 200 Albert Stasch: "Das ECA-Abkommen - ein weiterer Schritt auf dem Wege in die Kriegsfront", WT 1950, H.1, S.54-59, S.54f 201 SCHOPP S.43; - hnlich, noch ehe die kommunistische Weltbewegung den Plan ablehnte: "Max Reimann zum MarshallPlan", Freiheit 1.7.47, S.1 202 Reimann 13.PV-Tg 1949 S.12 203 Das folgende: ebd. S.13 204 Deutschland habe "etwa den Status einer Halb-Kolonie". Fritz Sternberg: "Deutschland und der Marshallplan", in: Neuer Vorwrts 2.10.48, S.5. zit. n. OTT S.171 205 Reimann 13.PV-Tg 1949 S.12f 206 Kurt Mller: "Der Imperialismus und die Kolonisierung Westdeutschlands", WT 1949, H.4, S.14-21, S.18ff; - J.W. Stalin: "ber die politischen Aufgaben der Universitt der Vlker des Osten" (1925), in: Werke Bd.7, S.115-131; - K. MLLER, geb. 1903, 1920 KPD, 1929 Mitglied des ZK und Vorsitzender des KJV. 1934-1945 KZ. 1948-1950 stellvertretender Vorsitzender der KPD, 1949-1950 MdB. 1950-1955 in der DDR und UdSSR in Haft. 1955 Rckkehr in die Bundesrepublik. Mitglied der SPD. (WEBER S.227)

[229] 207 Mller ebd. S.21 i.0.h.

208 s. hierzu KERNER 209 s. vorl. Arbeit Kapitel 7 210 Marx-Engels-Werke Bd.4, S.459-493, S.479 211 ebd. Dieser Gedanke wurde in der Diskussion ber die theoretischen Grundlagen der nationalen Politik bergangen. 212 Hermann Kther: "Zu einigen Unklarheiten ber die Frage: Haben die Arbeiter ein Vaterland?" UW 1953, H.3, S.20f; Kther gab eine Standardantwort, s. z. B. Paul Matthei: "Haben die Arbeiter ein Vaterland?" Einheit 1948, H.7, 5.655657; - Eva Steinschneider: "Hat der Arbeiter ein Vaterland?" Informationen, Wochenzeitung der KPDLand Hessen, 10.6.49, S.2; - ROSDOLSKY S.104 wies darauf hin, dass als erster Bernstein "das Manifest in diesem Sinn umdeutete". 213 Kther ebd. S.21 214 ebd. 215 Andre Marty, zit. b. Franz Dahlem: "Lebendiger proletarischer Internationalismus", WT 1949, H.7, S.9-20, S.14 216 "Die neue Lage und die neuen Aufgaben in Westdeutschland. Erklrung des Parteivorstandes der KPD" (16.10.55), in: DOKUMENTE/KPD S.524-538, S.528 217 R. Herber: "Der patriotische Kampf der deutschen Arbeiterklasse und der proletarische Internationalismus", WT 1952, H.2, S.14-30, S.15 218 S.18 219 Alfred Malleret-Joinville: "Arbeiterklasse und Nation", WT 1952, H.4, 5.45-53, S.46. (Nachdruck aus der Theoriezeitschrift der KPF.) Es besteht kein Gegensatz zu dem vorstehenden Zitat, in dem die Arbeiterklasse die Interessen der "groen Mehrheit der Nation" vertritt. Diejenigen Teile der Nation, die nicht von der Arbeiterklasse vertreten werden, sind begrifflich "Nicht-Nation".

220 "Arbeiterklasse und Nation" (= SOZIALISTISCHE BILDUNGSHEFTE Nr.6). Berlin 1948, S.6 221 ebd. 222 Wolfgang Harich: "Die nationale Aufgabe der deutschen Demokratie", Neue Welt 1948, H.6, S.15-21, S.17 223 "Protokoll des 2. Landesparteitages der KPD Hessen in Offenbach a.M., am 18. und 19. Juni 1949." Oskar Mller, Rede, Anlage 4. S.25ff, S.28. BA Koblenz B 118/Nr. 61 224 Alfred Drgemller: "ber die Bedeutung der nationalen Frage", WT 1949, H.7, S.21-30, S.24. Sein Artikel war die erste und fr lngere Zeit einzige umfangreiche Darlegung der nationalen Politik. ALFRED MARTIN DRGEMLLER geb. 1913. KJVD- und KPDFunktionr. 1934 Emigration nach Skandinavien. Mitglied der Abschnittsleitung Nord. Nach 1941 Leiter der illegalen Parteiorganisation in Dnemark. 1948 Mitglied des FV. 1949 Leiter der Parteischule "Wilhelm Florin" in Detmold. Redakteur des TheorieOrgans WT. 1951-1953 in der DDR in Haft. Spter SED-Mitglied und Historiker.

[230] 225 Rckblickend schreibt Drgemller: "Viele Arbeiter (...) standen den Grundfragen des gesellschaftlichen Lebens gleichgltig gegenber." S.258; s.a. DEUTSCHER S.130. Die Tatsache, dass sich bei Abstimmungen ber Sozialisierungen die berwltigende Mehrheit der Stimmberechtigten dafr aussprach, widerspricht meinem Urteil nicht. Wurde der Beschluss von den Alliierten auer Kraft gesetzt oder von Parlamenten vllig verwssert, folgten lediglich Proteste einiger Partei- und Gewerkschaftsgliederungen. Die Sozialisierer stimmten kurze Zeit spter fr Parteien, die Gegner oder weniger als halbherzige Untersttzer des Volksentscheids waren. s. fr Hessen: WEISS-HARTMANN S.166ff

226 "Bericht ber die Durchfhrung des Volksbegehrens im Ruhrgebiet", zit. b. DRGEMULLER S.268 227 Drgemller (224) S.24 228 Juli 1952: "Wissen Sie, was 'nationale Souvernitt' ist?" Ja: 40 Prozent, Nein: 60 Prozent. JAHRBUCH S.95 229 September 1951: Als "grter Fehler" der Westmchte galt fr 21 Prozent der befragten Westdeutschen die "Demontage, Zerstrung und Niederhaltung der Industrie", fr 15 Prozent die Nachgiebigkeit gegenber "den Russen". 14 Prozent klagten ber die Besatzungskosten, 8 bzw. 6 Prozent ber die Kriegsverbrecherprozesse und die Entnazifizierung. An achter und neunter Stelle rangierten die deutsche Teilung und die Vertreibung. ebd. S.140 230 Eine Zweidrittelmehrheit lehnte die Einheit ab, falls SEDVertreter in eine gesamtdeutsche Regierung kmen. 13 Prozent waren unschlssig. ebd. S.320; - Fr die Einheit bei Bndnisfreiheit stimmten im Juli 1953 29 Prozent. ebd. S.318; - Kurios, aber nicht ohne Aussagewert: "Vielleicht geben die Russen die Ostzone frei, wenn Westdeutschland sich verpflichtet, noch drei Milliarden Mark Reparationen (aus Steuererhhungen, M.K.) an Russland zu zahlen. Angenommen wir knnten so die Wiedervereinigung erreichen..." Fr ein Freikauf: 41 Prozent, dagegen 34 Prozent, unentschieden 24 Prozent (August 1953) ebd. S.317 231 Drgemller (224) S.21 232 "Rede des Genossen G.M. Malenkow", in: "Josef Wissarinowitsch Stalin zum Gedenken", Einheit, Sonderheft Mrz 1953, S.335-338, S.336 233 Stalin: "Marxismus und nationale Frage", in: ders. 1955, S.26-93, S.32. 234 Schopp (85) S.17

235 s. hierzu MOMMSEN S.49ff. Er stellt auch die Theorien der Austromarxisten Bauer und Renner dar. 236 Stalin (233) S.32 237 Josef Winternitz: "Stalins Theorie der nationalen Frage und die Nationale Front des demokratischen Deutschland", Neue Welt 1949, H.24, S.90-99, S.93 238 ABUSCH 1949 S.153. - A. ABUSCH (1902-1982) 1918 KPD, Journalist. Exil: Saargebiet, Frankreich, Mexiko. 19481-950 Mitglied des SED-PV. Spter Kulturfunktionr. (BUCH S.1, WER???)

[231] 239 OELNER S.9. Von gleicher Qualitt ist der Kommentar zur "so genannten Theorie vom fnften Merkmal" der Nation, dem einheitlichen Staat. Sie sei anhand Deutschlands widerlegt, da es sonst keine deutsche Nation gbe. "ffentliche Lektion. Der nationale Kampf der KPD fr den Frieden, die Unabhngigkeit und die demokratische Einheit Deutschlands. Parteivorstand der KPD. Abt. Parteischulung und Parteierziehung." o.O.o.J. (1951) hekt. S.6f. BA ZSg 1 65/44 II 240 Oelner ebd. S.8 241 Oskar Neumann: "ber die Stabilitt der Nation", WT 1953, H.8 S.42-48, S.42. Er war der Meinung, "dass unser Volk (...) eine Nation darstellt, weil es alle ihre Merkmale aufweist". ebd. (Volk+Merkmale = Nation.) hnlich Josef Ledwohn: "Der Marxismus - die nationale und koloniale Frage" ebd. S.26-41 242 Neumann ebd. S.42 243 ABUSCH 1949 S.153f 244 Schopp (234) S.17

245 ABUSCH 1949 S.152 246 FV 16.10.52, S.1 247 "Rede auf dem XIX. Parteitag" (179) S.187 248 S.189 249 ebd. 250 Niemand sonst knne es. S.190 251 Stalin hatte eine komplette eigene "Theorie" der politischen Unterdrckung entwickelt. (STALIN 1951 S.22f, s.a. ders. Werke Bd.17, S.70) 252 Stalin (179) S.186