20

Netzwerke

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Human Resources Manager

Citation preview

Page 1: Netzwerke
Page 2: Netzwerke
Page 3: Netzwerke

3apr il / mai 2013

EDITORIAL

N ur wer sich ändert, bleibt sich treu.“ Der Human Resources Manager hat sich die Worte ei-nes Liedermachers zu Herzen

genommen und sich – wie Sie unschwer erkennen werden – ein neues Design verpasst. Nach mehr als drei Jahren war ein anderes Aussehen nötig. Wir fanden es an der Zeit.

Mit dem neuen Design wollen wir ein Stück eleganter werden. Die Seiten sind nun aufgeräumter, auch weil wir mehr Weißraum zulassen. Am Anfang wird es für Sie, liebe Leser und Leserinnen, sicherlich eine Umstellung bedeuten. Aber ich hoffe, Sie sind schon nach kurzer Zeit wie wir der Meinung, dass das neue Aussehen ein Gewinn ist. In jedem Fall freue ich mich über Feedback – egal ob positives oder negatives.

Inhaltlich wird sich nicht viel verän-dern. Außer, dass wir auf den ersten Sei-ten eine neue Rubrik eingeführt haben. „Meinung“ ersetzt „Aktuell“. Auch in der neuen Rubrik wird es häufig um aktuel-le Ereignisse gehen. Hierzu wollen wir Diskussionen anregen, weshalb wir auf pointierte, subjektive Beiträge setzen, die durchaus auch anecken dürfen. HR-The-men, die stark diskutiert werden, gibt es derzeit viele und sie werden nicht mehr nur in der HR-Welt debattiert. Brauchen wir eine Obergrenze bei den Managerge-hältern? Was geht Personaler eigentlich die Sexismus-Diskussion an? Und was kann man den Führungskräften heute noch zumuten? Das sind Fragen, die viele Menschen interessieren. Meinungsbeiträ-ge dazu finden Sie in dieser Ausgabe.

Weiterhin wollen wir den Menschen noch mehr Raum geben in unserem Magazin. „Menschen“ heißt auch die zweite neue Rubrik. Hinter dieser ver-bergen sich unter anderem die ehema-ligen Ressorts „Hire and Fire“ sowie der „Backgroundcheck“. Zukünftig werden wir aber nicht nur Personalmanager porträtieren, sondern zum Beispiel auch mal Wissenschaftler oder Manager aus anderen Bereichen. Mehr denn je sind wir der Überzeugung, dass HR sich nicht nur um sich selbst drehen und ein selbstre-ferenzielles System bleiben darf. Impulse und Inspirationen kommen nicht selten von außen. Auf sie wollen wir blicken. Sie bringen die Profession weiter.

Und eines wird sich sicher nicht än-dern: Der Human Resources Manager will auch weiterhin das Personalmanagement bei seinem Wandel begleiten – wo auch immer dieser hinführen mag. Verände-rungen sind spannend. Wir werden ihnen offen gegenüber stehen und auf den Grund gehen. Und auch selbst wollen wir uns ihnen nicht verschließen. Aus diesem Grund haben wir übrigens auch unser Online-Angebot auf www.humanresour-cesmanager.de ausgebaut. Hier finden Sie unter anderem interessante Meldungen und Personalwechsel aus der HR-Szene. Wir wollen in Zukunft online noch sicht-barer werden.

Getreu dem Motto des deutschen Lyri-kers und Liedermachers Wolf Biermann.

Jan C. [email protected]

Sich treu bleiben

Page 4: Netzwerke

www.humanresourcesmanager.de4

IN DIESER AUSGABE

����

MEINUNG

8 Zahlen und Zitate9 Standpunkt

Zur Entscheidung der Yahoo-Chefin die Mitarbeiter ins Büro zu holen

10 Aufschrei HR muss sich mehr mit dem Thema Macht auseinandersetzen

12 Verhalten und Verhältnisse Mehr Organisation wagen: Führ- ungskräften wird viel aufgebürdet

14 Managergehälter Fred G. Becker ist gegen eine politi-sche Regelung in Deutschland

TITELTHEMA: NETZWERKE

17 Übersicht18 Prolog21 Tendenz zum Vernetzen

Beziehungspflege findet in Unter-nehmen auf vielfache Weise statt

24 Egoismus und Exklusivität Der Soziologe Michael Hartmann

über die Motive zum Netzwerken 27 Suche nach Austausch

Wie HR-Verantwortliche Netzwerke ausbauen und nutzen

31 Neue Lernwelten Die Rolle der Vernetzung in der Aus- und Weiterbildung

34 Die Suche nach den Richtigen Netzwerken als tägliche Aufgabe:

Der Headhunter Bernd-Georg Spies 37 Grenzgänger

Unternehmenskooperationen als Erfolgsmodell

40 Erfolgsfaktor Kontakte Nicht nur Fähigkeiten und Erfah-rungen zählen bei der Einstellung

43 Rund um die Uhr Bei Pixomondo arbeitet man über Ländergrenzen hinweg zusammen

47 Beziehungstyp Der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann liebt die Herausforderung

51 Auf Empfehlung Warum Unternehmen gute Kandi-daten weitervermitteln

53 Epilog

IM FOKUS

54 Im Kreuzfeuer der Kritik Personalvorstand Marion Schick will

bei der Telekom einen Kulturwandel60 Nachwuchssorgen Employer Branding macht auch vor

den Schultoren nicht halt 64 Geschichtenerzähler

Mit Storytelling Wissen vermitteln und besser kommunizieren

66 Interkulturelle Verständigung Hiesige Mittelständler treffen immer öfter auf Chinesische Investoren

MENSCHEN

70 Der Forscher Rüdiger Kabst von der Universität

Paderborn72 Die Personalerin Astrid Wirges, Bereichsdirektorin

Personal beim DIN 74 Personen & Karriere

Die wichtigsten Wechsel

ANALYSE

78 Lokale Wertschöpfung Die Herausforderungen internatio-naler Personalentwicklung

82 Appell an die Pflichterfüllung Bei Alkoholmissbrauch hilft Füh-rung statt Nachsicht

84 Know-how sichern Wissenstransferkonzepte erleichtern die Einarbeitung neuer Mitarbeiter

PRAXIS

88 Sieben Gedanken Mitarbeiterbefragungen

89 Meine digitale Welt Florian Schrodt darüber, wo er online unterwegs ist

90 Bücher Lesenswertes rund um HR

92 Termine

RECHT

94 Aktuelle Urteile 96 Im Umschwung Die neuen Branchenzuschläge ver-

ändern die Leiharbeit nachhaltig

VERBAND

100 Nachwuchsförderpreis Start der vierten Ausschreibung

101 Personalmanagement Award Fokusthema in diesem Jahr: Fachkräftesicherung

102 Nachgefragt Sechs Statements zum Thema Netzwerke

104 Der BPM aktuell und BPM Forum Erste Trendstudie und Forum im April zur Zukunft der Arbeit

105 Rückblick Die ersten Veranstaltungen 2013

106 Nächste Regionalgruppentreffen Aktuelle Themen im Fokus

108 Neumitglieder

3 Editorial 6 Kolumne: Home Office 110 Impressum 110 Fragebogen: Brigitte Hirl-Höfer von Microsoft Deutschland Fo

tos:

Priv

at; M

arco

Urb

an; w

ww

.bau

man

nste

phan

.com

; Kat

hrin

Jus

ten

Page 5: Netzwerke

5apr il / mai 2013

��Schwieriger Job Marion Schick, seit knapp einem Jahr Personalvorstand bei der Deutschen Telekom, organisiert die HR-Funktion bei dem Konzern neu. Der Unmut bei den Mitarbeitern ist groß. Sie selbst steht in der Kritik. Im Interview nimmt sie dazu Stellung.

��Nah dran Er ist einer der bekanntesten Personal-forscher. Nun ist Rüdiger Kabst von Gießen nach Paderborn gewechselt. Auch dort will er vor allem praxisnah forschen.

��Umgedacht Von der Werbung in die Politik: Der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann ist ein Netzwerker wie kein Zweiter. Ein Porträt

Page 6: Netzwerke

www.humanresourcesmanager.de10

MEINUNG

U nternehmen verfolgen strategi-sche, in der Regel gewinnbrin-gende, wirtschaftliche Ziele. Die handelnden Entscheidungsträ-

ger sind ausgestattet mit der entsprechen-den, mehr oder weniger notwendigen Fülle an Macht. Im positiven Sinne ist Macht die Fähigkeit, Organisationsarbeit auszufüh-ren – qua Autorität, die von der Institution übertragen wurde, aufgrund fachlicher, persönlicher und intellektueller Kompeten-zen oder per Delegation von Legitimierten. Diese delegierte oder geliehene Macht ist in erster Linie an die Position, weniger an die Person gebunden. Nichtsdestotrotz ist aber die Person Träger der Macht.

Eher die schönen Seiten

Sieht man sich in der Welt der Mächtigen – ganz gleich ob in Politik oder Wirtschaft – um, so stellt sich mir als Personalerin die Frage, ob wir uns mit dem Thema Macht ausreichend auseinandergesetzt haben. Die oft zitierte Verführungskraft von Macht impliziert, dass es einer starken Persön-lichkeit bedarf, um Macht integrieren, das heißt konstruktiv tragen zu können. Sind wir als HRler ausreichend ausgebildet, um diese Persönlichkeiten im Rahmen des Recruitments erkennen, begleiten oder entwickeln zu können? Erkennen wir die „schwarzen Schafe“, die narzisstischen Charismatiker, die aufgrund ihrer Patholo-gie ein Unternehmen bis in die Zerstörung lenken können?

Soziokulturelle und organisationsspe-zifische Werte und Normen können kei-nen hinreichenden Schutz, keine ausrei-chenden externen Leitplanken setzen, um Machtmissbrauch zu verhindern.

Zerstörerische Prozesse Es „brüderlet“ überall – auch in Unternehmen. Wie professionell handhabt HR eigentlich den Faktor Macht? Die Einbeziehung klinisch-psychologischer Kenntnisse in die Ausbildung von

Personalmanagern ist dringend notwendig.

Von URSULA SCHÜTZE-KREILKAMP

Sehen wir uns die Brüderle-Sexismus-Debatte an. Hier wird eines deutlich: We-der ausreichende Grenzziehung gegenüber machtmissbräuchlichem Verhalten durch eine intensiv geführte öffentliche Diskussi-on noch unsere aufgeklärte, Gleichberech-tigung propagierende Gesellschaft weist Träger von Macht in ihre Schranken. Aus-sitzen als Lösungsweg ist auch Ausdruck gelebter Macht.

Es „brüderlet“ überall: Macht, ob zu-gesprochen oder genommen, ererbt oder erworben, ergreift Besitz von der „DNA“ des Trägers – wird so von einer äußeren Rollen-schale zum inneren Inventar des Trägers. Damit muss sich auch HR auseinanderset-zen. Es hat sich jedoch in der Regel eher den schönen Seiten verschrieben, der Personal- oder der Führungskräfteentwicklung zum Beispiel. Es geht um Aus- und Aufbau und den Blick auf die positiven Potenziale und Perspektiven.

Der Aspekt des „Nein“, der Trennung, der Grenze der Veränderbarkeit, scheint die optimistische Grundstimmung eines Un-ternehmens oder Organisation zu bedro-hen. Selten werden von HR die destruktiven Prozesse beleuchtet und konsequent han-delnd angegangen. Nicht nur in der Politik, oft auch in Unternehmen werden zerstöre-rische (pathologische) Prozesse tabuisiert, verdrängt und verleugnet. Warum?

Weil es einer fundierten Auseinander-setzung mit Macht und Ohnmacht, Auto-nomie, Abhängigkeit und Unterwerfung bedürfen würde – bis hin zur kritischen Selbstreflektion der eigenen Biografie.

Wie viel Macht kann der Einzelne tra-gen? Was benötigt man um Macht gut und unbeschadet tragen zu können? Was kann HR tun, um die „richtigen“ Träger zu finden

beziehungsweise zu entwickeln? Verfügen wir HRler wirklich über ausreichendes di-agnostisches und interventionelles Wissen und Strategien?

Negative Wirkungen

Die Aufgabe des Personalers ist die Be-trachtung (Diagnostik) des Einzelnen in seinen komplexen Bezügen – in sich und mit seiner Umwelt. Immer ist Macht Aus-druck einer intrapersonellen und interak-tionellen Balance. Macht zeigt sich in der Handlung wie auch in der Gestaltung von (Arbeits-)Atmosphäre.

Wie hinlänglich bekannt, kann das Betriebsklima Energien fördern, Kreati-vität ermöglichen, Innovationen treiben, Veränderungen begünstigen, Leistungen steigern – in positiver wie auch in negativer Hinsicht. Machtmissbrauch, Unreife oder manifeste Pathologien der Machtträger können also ganze Abteilungen, Organisa-tionen, Unternehmen negativ beeinflussen und zerstören.

HR-Verantwortlichen sollte es genau deshalb wichtig sein, sich im Bereich der Diagnostik, der klinischen Psychologie zu professionalisieren. Es reicht eben nicht aus, Potenziale zu erkennen und mittels guter Personalentwicklungsinstrumente zu entwickeln. Denn in Anbetracht der demografischen Situation ist der Druck hoch, offene Vakanzen mit Top-Kandi-daten zu besetzen. Das Thema Matching oder Passung zum Chef, den unmittelbaren Kollegen, dem Team oder der Gruppe und letztlich zum Unternehmen erfolgt häufig lediglich unter der primären Betrachtung vergangener Erfolge und Leistungen sowie zukünftiger Potenziale. Auch Sach- und Fo

tos:

Priv

at; M

arco

Urb

an

Page 7: Netzwerke

11apr il / mai 2013

MEINUNGFo

tos:

xxxx

xxxx

xxxx

x

„Der Herrenwitz“ hieß das stern-Porträt von Rainer Brüderle, das eine Sexismus-Debatte auslöste. Sexismus zeigt sich aber nicht nur im politischen Umfeld, sondern auch in Unter-nehmen. In der Regel spielt dabei das Thema Macht eine große Rolle.

Fachkompetenz sind kein ausreichender Indikator um zukünftige Erfolge im neuen Umfeld zu garantieren.

Die Einbeziehung klinisch-psycholo-gischer Kenntnisse in die professionelle Aus-, Fort- und Weiterbildung von HRlern ist dringend notwendig.

Das Assessment-Center, der Einsatz diverser Testverfahren, die Delegation der Begutachtung hin zu externen Personalbe-ratungen entlasten den Personaler in seiner Primärverantwortung wenig. In der Regel liegt die Empfehlung zur Durchführung die-ser Verfahren bei den Personalern. Schon die Auswahl der externen Begutachter, die Diskussion über die verwandten Test-verfahren, das Verstehen und Einordnen der Ergebnisse setzen eine tiefergehende Kenntnis der Materie voraus.

Jedes Ressort wird gemessen an seinen Erfolgen in Hinblick auf seine Verantwor-tung im Unternehmen. Gleiches gilt für HR. Das Thema Recruitment, Besetzung und Onboarding, besonders im Top-Manage-ment, gehört zu den machtvollsten und für das Unternehmen vital bestimmenden Bereichen. HR selbst ist also durchaus auch eine Disziplin, die machtvoll ist.

Ursula Schütze-KreilkampLeiterin Personalentwicklung Konzern und Konzernführungskrä�e der DB Mobility Logi-stics AG sowie Vize-Präsidentin des Bundes-verbandes der Personalmanager

Page 8: Netzwerke

www.humanresourcesmanager.de16

Page 9: Netzwerke

17apr il / mai 2013

Foto

s: xx

xxxx

xxxx

xxx

INHALT

10 Tipps für nachhaltiges Kontaktmanagement. Ein Prolog ............................................................................................................. 18

Unternehmen haben ein Interesse daran, dass sich Mitarbeiter vernetzen – zumindest intern ................................................... 21

Spitzenmanager nutzen Netzwerke, um ihre Macht abzusichern, sagt der Elitenforscher Michael Hartmann ........................... 24

Gerade Personaler suchen auf Tagungen und Kongressen den Austausch ...................................................................................... 27

Vernetztes Lernen: Unternehmen und Hochschulen testen neue Formen der Weiterbildung ...................................................... 31

Ohne Netzwerk geht es nicht – der Headhunter Bernd-Georg Spies über seine Arbeit und die Anforderungen an Manager ........ 34

Die Wirtschaftswelt wird von Unternehmenskooperationen geprägt. Die Logistik-Branche ist ein gutes Beispiel dafür ........... 37

Wenn Unternehmen einen neuen Manager suchen, sind die Netzwerke des Kandidaten ein wichtiges Kriterium .................... 40

24 Stunden am Tag: Wie das Visual-Effects-Unternehmen Pixomondo vernetzt arbeitet .............................................................. 43

Von der Wirtschaft in die Politik: Der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann im Porträt .......................................................... 47

Mithilfe von Talentpools können Unternehmensnetzwerke qualifizierte Kandidaten in der Region halten ................................ 51

Epilog ...................................................................... 53

Netzwerke hat es schon immer gegeben, doch Online-Netzwerke sind erst wenige Jahre alt. Dennoch haben sie schon eine nicht zu unterschätzende Bedeutung erlangt – auch für Personaler. Auf den kommenden Seiten stellen wir einige vor und sagen, was sie den HRlern bringen.

Wer Menschen kennt, denen er vertraut, hat mehr vom Leben: mehr Informationen,

bessere Karrierechancen, emotionale Unterstützung.

Page 10: Netzwerke

www.humanresourcesmanager.de24

Herr Hartmann, werden Netz-werke immer wichtiger, weil die Welt so unübersichtlich gewor-den ist?Nein, ich glaube nicht, dass es da große Unterschiede zu den vergangenen Jahrzehnten gibt. Die Bedeutung von Netzwerken war schon immer groß, weil man über sie Informationen bekommt, an die man normalerweise nicht herankommt. Zudem muss man sagen, dass – trotz Globalisierung – Netzwerke bis heute fast nur im nationalen Rahmen wirklich funktionieren. Internationale Netzwerke gibt es kaum und ihre Bedeutung wird überschätzt. Was verstehen Sie unter dem Begriff „Netzwerke“?Meines Erachtens gibt es drei Typen. Das eine sind die Online-Netz-werke wie Xing und ähnliches. Das sind die ineffektivsten Netzwerke. Denn wirkliche Netzwerke zeichnen sich dadurch aus, dass sich die Menschen darin in einem überdurchschnittlichen Maße vertrauen und deswegen Informationen weitergeben, an die man normaler-weise nicht kommt. Die eine oder andere Information kriegen Sie bei Xing sicherlich schneller als auf dem herkömmlichen Wege, aber Sie bekommen keine auf Vertrauen basierenden Informationen.

Die zweite Gruppe sind personengebundene Netzwerke. Das berühmteste Beispiel hierzu sind sicherlich die Similauner. Ein elitärer Männerzirkel bestehend aus Top-Managern, die unter der Führung von Reinhold Messner Berge besteigen. Netzwerke dieser Art, die abhängig sind von einzelnen Figuren, finden Sie in jeder Firma. Sie sind gebunden an vielleicht zwei, drei oder vier Perso-nen. Wenn die irgendwann ihre Funktion verlieren oder sterben, ist das Netzwerk nichts mehr wert. Und der dritte Typus sind die, die über Institutionen verankert sind. Über Universitäten zum Beispiel? Ja. Das gilt aber bisher nicht für Deutschland. In anderen Ländern wie Frankreich oder den USA sind solche wesentlichen Instituti-onen die Elite-Bildungseinrichtungen. Meistens sind das Hoch-schulen, deren Ehemaligen ein Netzwerk bilden wie zum Beispiel die Alumnis von Harvard oder der ENA. Es gibt auch Schulen. Das berühmteste Beispiel sind die Etonians, frühere Schüler des Eton College. Außerdem gibt es einzelne Eliteeinrichtungen der öffent-lichen Verwaltung – besonders in Frankreich und Spanien.

Das alles sind Institutionen, die es schon sehr lange gibt. Bei solchen Netzwerken kommt es auf einzelne Personen nicht an. Auf der ENA war die Mehrheit der Staatspräsidenten und ein Großteil der Ministerpräsiden-

ten, der Spitzenmanager und der Verwaltungselite. Solche Netz-werke basieren darauf, dass alle Absolventen dieser Einrichtung ein hohes Interesse daran haben, dass das Netzwerk funktioniert, weil es für das Image der Institution entscheidend ist und damit auch für den Werdegang jedes einzelnen Absolventen.Was ist in der Regel das wichtigste Motiv einem Netzwerk beizutre-ten? Geht es um Karriere und Informationszugang?Das kommt natürlich auf das jeweilige Netzwerk an. Dennoch kann man sagen, dass beide Motive zentral sind. Mitglieder erhoffen sich, schneller Karriere zu machen und dafür brauchen sie Informatio-nen. Und wenn sie Karriere gemacht haben, sind die Informationen wichtig, um die Position zu bewahren.

Schaut man hingegen auf Online-Netzwerke wie Xing, geht es hier für Berufsanfänger und Leute in mittleren Positionen häufig darum, Zugang zu Menschen zu bekommen, von denen sie glau-ben, dass sie besser positioniert sind. Und wenn Sie auf die ENA gehen, dann wissen Sie, dass Sie sehr wahrscheinlich in eine hohe Position kommen. Da geht es darum, den Kontakt, den Sie durch die ENA kriegen, zu nutzen, um in entscheidende Machtpositionen zu kommen. Die Motive sind immer egoistische? Natürlich. Diese Vereinigungen haben ja keine moralischen oder ähnliche Ziele. Aber es kann ja auch um Wissensaustausch gehen. Es gibt sicherlich in der Wissenschaft Netzwerke, bei denen auch das eine Rolle spielt. Normalerweise steht bei Netzwerken aber die Frage im Vordergrund: Was kann ich für mich in diesem Netzwerk erreichen? Dafür muss ich natürlich auch den anderen Mitgliedern was geben. Das Vertrauen, das für Netzwerke entscheidend ist, basiert darauf, dass jeder daran partizipiert. Und dafür muss ich auch bereit sein, Informationen aus meinem Bereich, die vertrau-lich sind, gegebenenfalls weiterzugeben, damit ich von anderen Personen aus deren Bereich ebenfalls etwas kriege.

Die Netzwerkbildung ist gerade für die Eliten besonders einfach. Der Soziologe Michael Hartmann über Managerzirkel wie die Similauner, Alumni-Vereinigungen und die

Motivation, einem Netzwerk beizutreten.

Einfluss und Macht

„Ein Netzwerk ist immer verbunden mit dem

Ausschluss der großen Masse. Sonst funktioniert es nicht.“

Foto

: Priv

at

Page 11: Netzwerke

25apr il / mai 2013

Sie beschä�igen sich als Forscher viel mit Eliten. Wie definieren Sie den Begriff? Zur Elite gehören die Personen, die jene Positionen besetzen, von denen aus man gesellschaftliche Entwicklungen maßgeblich be-einflussen kann. Ist Netzwerkbildung typisch für diese Personengruppe?Eliten sind ein kleiner Kreis von Personen und deshalb ist Netz-werkbildung sehr viel einfacher. Nehmen Sie eine normale deutsche Massenuniversität wie die LMU München, da gibt es über 40.000 Studierende. Für effektive Netzwerke ist das einfach zu groß. Die ENA hingegen hat 100 bis 150 Neuanfänger. Da ist es relativ leicht, Netzwerke zu schaffen und zu erhalten. Wie wichtig ist es für ein Netzwerk eigentlich, dass es exklusiv bleibt? Ein Netzwerk ist immer verbunden mit dem Ausschluss der großen Masse. Sonst funktioniert es nicht. Vertrauen kann man eben nur einer begrenzten Zahl von Leuten. Wenn jemand aber Teil einer Institution ist wie der ENA, wird die Zahl größer. Denn die Institution garantiert durch ihre Ziele und durch die Art und Weise, wie sie Menschen formt, dass ein bestimmtes Verhalten von allen, die da studiert haben, später weiter getragen wird. Da kann man in Bezug auf

die anderen Mitglieder etwas sicherer sein, auch wenn man sich nicht persönlich kennt. Vor zwei Jahren schrieb das Manager Magazin, dass geheime Macht-zirkel der Wirtscha�selite eine Renaissance erleben. Ist die totgesagte Deutschland AG doch noch lebendig?Sie ist nicht so tot, wie gesagt wurde. Die Überkreuzbeteiligungen von Banken und Unternehmen – der materielle Kern der Deutsch-land AG – sind weitgehend verschwunden. Der zweite Teil hingegen ist noch in Takt, dass einzelne Spitzenmanager, die sich gegenseitig kennen, in mehreren Aufsichtsräten sitzen. Wenn Sie sich die Auf-sichtsräte angucken, finden Sie immer noch viele ehemalige Vor-standschefs und Sie finden viele, die Mehrfachfunktionen haben. Ein Beispiel ist Manfred Schneider, der ist Aufsichtsratsvorsitzender von Linde und RWE und war es auch vor Kurzem bei der Bayer AG. Oder nehmen Sie Wolfgang Reitzle, der Linde-Chef, der zusätzlich bei Continental Aufsichtsratsvorsitzender ist. Ein Netzwerk ent-steht aber nur dann, wenn zwischen den jeweiligen Managern ein gewisses Vertrauensverhältnis besteht. Betrachten Sie ein Netzwerk wie das der Similauner als negativ?Netzwerke finden Sie überall. Und ob sich nun Menschen unter-einander vernetzen, ist erst einmal gesellschaftlich nicht sonder-lich relevant. Wenn es aber um Macht geht, ist es problematisch, weil sich in kleinen Zirkeln viel Macht unkontrolliert konzentriert. Und besonders problematisch wird es, wenn solche Netzwerke institutionell abgesichert sind – wie in Frankreich und England. Über eine Institution ist dann eine Vielzahl von entscheidenden Machtpositionen vertreten. Damit hat dann die Institution selbst einen großen Einfluss – durch ihre jeweiligen Prägungen, ihre Auf-nahmerituale oder ihre Selektionsmechanismen. Warum sind Konzernchefs bei einem Netzwerk wie den Similaunern dabei? Auch weil es im eigenen Unternehmen an ehrlichem Aus-

tausch fehlt? Ich glaube, es geht eher darum, Personen anzutreffen, die man als gleichrangig an-sieht. Und im Netzwerk bestätigen sich dann alle gegenseitig, wie toll und taff sie sind. Das Entscheidende ist aber ohnehin etwas anderes. Netzwerke dienen dazu, Macht zu sichern. Und wenn Sie über das eigene Unternehmen hinaus belastbare Kontakte haben, ist das in doppelter Hin-sicht nützlich. Sie kriegen zum einen Infor-mationen, die der Firma nützen können. Zum anderen kriegen Sie Informationen, die Ihnen selbst nützen – sowohl bei den Auseinandersetzungen innerhalb der Firma als auch im Falle eines Wechsels. Das Interview führte Jan C. Weilbacher

Die Similauner

Die Similauner gelten als elitärer Männer-zirkel, der seit mehr als 20 Jahren besteht. Manager wie René Obermann von der Tele-kom oder Kasper Rorsted von Henkel sind Mitglieder dieses Männerbundes, der sich jährlich trifft, um gemeinsam Berge zu be-steigen. Der Zirkel nennt sich Similauner – nach dem ersten Gipfel, den sie gemein-sam erreicht haben, 1984 in Südtirol. Ins Leben gerufen wurde das Netzwerk von Herbert Henzler, ehemaliger Deutschland-Chef von McKinsey, und dem Bergsteiger Reinhold Messner.

Michael Hartmann

Er gilt in Deutschland als der bekann-teste Elitenforscher. An der Techni-schen Universität Darmstadt ist er Professor für Elite- und Organisations-soziologie. Als Buch ist unter anderem von ihm erschienen: „Der Mythos von den Leistungseliten“.

Page 12: Netzwerke

www.humanresourcesmanager.de40

A ls der frisch gewählte Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 1998 Werner Müller zum Bundeswirtschaftsmi-nister machte, galt das als geschickter Schachzug. Mül-ler hatte zuvor als Manager bei den Energiekonzernen

RWE und Veba gearbeitet – und war somit in der Branche bestens verdrahtet. Sein Netzwerk war der Bundesregierung von großem Nutzen, als Müller mit der Energiebranche den Atomausstieg ver-handelte. Gleichzeitig knüpfte Müller während seiner Zeit als Mi-nister neue Kontakte, zu Politikern und Beamten in Behörden des Bundes. Dieses neue Netzwerk – kombiniert mit dem bestehenden in der Energiebranche – war nach dem Ende seiner Amtszeit als Minister ein weiteres Pfund, mit dem Müller wuchern konnte. Und so wurde er im Jahr 2003 Vorstand der Ruhrkohle AG.

Über welches Netzwerk eine Führungskraft verfügt, ist nicht nur bei Übergängen zwischen Politik und Wirtschaft von Bedeutung. Sondern genauso, wenn Manager von einem Unternehmen zu einem anderen wechseln. Ein neuer Arbeitgeber interessiert sich immer dafür, welche Kontakte ein Kandidat mitbringt. „Heute funk-tioniert kein Business mehr ohne Netzwerke“, sagt Kristin Bücking, Personalberaterin bei Odgers Berndtson. „Für einen Arbeitgeber kann die Qualität eines persönlichen Netzwerks deshalb ein ent-scheidendes Argument sein, sich für einen bestimmten Kandidaten zu entscheiden.“ Schließlich will sich ein Unternehmen mit einer neuen Führungskraft nicht nur deren Fähigkeiten und Erfahrungen einkaufen, sondern möglichst auch ihre wertvollen Kontakte.

Eigene Netzwerke für Firmenziele einsetzen

Mit diesen Kontakten verbinden Arbeitgeber meist ganz konkrete Hoffnungen. „Vom Netzwerk einer neuen Führungskraft verspre-chen sich Unternehmen einen direkten Nutzen für das eigene Ge-schäft“, berichtet Bücking. Der neue Manager soll seine Kontakte im Idealfall genauso im Sinne der Unternehmensziele einsetzen wie sein Wissen über den Markt, die Produkte oder bestimmte Ma-nagementwerkzeuge. Diesen Gedanken haben Personalmanager stets im Hinterkopf, wenn sie ein Anforderungsprofil für eine neue Führungskraft formulieren. „Das Ziel, mit einem neuen Manager

auch ein nutzenstiftendes Netzwerk für das Unternehmen einzu-kaufen, ist so selbstverständlich, dass man es in den Anforderungs-profilen nur selten ausdrücklich formuliert findet“, sagt Bücking. Zwischen den Zeilen klingt dieser Wunsch aber immer durch.

Der mögliche Nutzen, den das Netzwerk eines Managers für ein Unternehmen stiften kann, lässt sich in drei Kategorien einteilen. Erstens kann eine Führungskraft mit vergleichsweise geringem Aufwand Kontakte zu möglichen Geschäftspartnern herstellen, wenn sie auf bestehende Beziehungen zurückgreifen kann. Zwei-tens fällt es ihr leicht, innerhalb ihres Netzwerks Informationen zu sammeln, die für den Arbeitgeber und dessen Geschäft von Bedeutung sind. Drittens kann ein Manager die Mitglieder seines Netzwerks nutzen, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die für das Unternehmen günstig sind – zum Beispiel in Bezug auf die Regulierung des Markts durch den Staat.

Welche Art von Netzwerk für einen Arbeitgeber wichtig ist, wenn er einen neuen Manager sucht, ist stark von der jeweiligen Situation

Wenn Unternehmen einen neuen Manager suchen, spielt das Netzwerk der Kandidaten eine genauso wichtige Rolle wie ihre Erfahrungen und Fähigkeiten. Das Kalkül der Arbeitgeber:

Der Manager soll seine Kontakte zum Vorteil des Unternehmens nutzen.

Von CHRISTOPH HUS

Gut verdrahtet

„Wer sich in Russland nicht auskennt,

ist dort nicht e�ektiv.“Christine Stimpel Heidrick & Struggles

Foto

s: P

rivat

; Chr

isto

ph T

empe

s

Page 13: Netzwerke

41apr il / mai 2013

des Unternehmens abhängig. Will es zum Beispiel in einen neuen Markt expandieren, kommt eine Führungskraft gelegen, die dort bereits über Kontakte verfügt. Soll das Unternehmen verkauft wer-den und sucht einen neuen Finanzvorstand, soll der ein Netzwerk besitzen, das bei der Kontaktaufnahme zu mögli-chen Käufern hilft. Wirbt ein Arbeitgeber einen Spezialis-ten von der Konkurrenz ab, ist der unter Umständen auf ein unternehmensinternes Netzwerk innerhalb des neu-en Arbeitgebers angewiesen, um erfolgreich arbeiten zu können.

Das gilt oft auch für Füh-rungskräfte. „Ein Manager kann nach einem Jobwechsel nur dann seinen Plan im Unternehmen exekutieren, wenn er dort über belast-bare Kontakte verfügt“, sagt Sörge Drosten, Geschäftsführer der Personalberatung Kien-baum. „Manager bringen deshalb oft ein ganzes Team zu einem neuen Arbeitgeber mit, um von Beginn an über ein eingespiel-tes Netzwerk im Haus zu verfügen.“

Bei der Auswahl eines Kandidaten für eine offene Position steht aber meist das Netzwerk im Mittelpunkt des Interesses, über das er in anderen Unternehmen und Institutionen verfügt. Wie umfangreich und wie belastbar diese Kontakte tatsäch-lich sind, ist in Deutschland oft besonders schwierig zu beurteilen. Denn hierzulan-de sind Netzwerke weitaus weniger in-stitutionalisiert als in anderen Ländern. In Frankreich etwa ist es ein offenes Ge-heimnis, dass sich Absolventen der Verwal-tungshochschule ENA gegenseitig bei der Karriere helfen, in Großbritannien bilden die Ehemaligen des Eliteinternats Eton eine eingeschworene Gemeinschaft. Ähn-liches gibt es in Deutschland kaum. Ent-sprechend schwierig ist es für Arbeitgeber und Personalberater einzuschätzen, was das Netzwerk eines Kandidaten taugt.

Einen ersten Eindruck bekommt man, wenn man sich anschaut, mit wem ein Kan-didat in Internet-Netzwerken verbunden ist und in welchen Themen-Gruppen er dort aktiv ist. Besonders beliebt unter deut-schen Führungskräften ist das Netzwerk Xing, in dem mit 72 Prozent die meisten Manager vertreten sind. Beliebt ist außer-dem LinkedIn. Facebook, Google Plus und Twitter dagegen spielen für berufliche Kon-takte nur eine untergeordnete Rolle.

Allein auf die virtuellen Kontakte verlassen sich Personalbe-rater aber nicht. „Weitere Hinweise bekommt man, indem man den Lebenslauf eines Kandidaten studiert“, sagt Kienbaum-Ge-schäftsführer Drosten. Hat ein Kandidat zum Beispiel auf einer Business School studiert, verfügt er möglicherweise über Kontakte zu Alumni. Hat er schon für mehrere Unternehmen einer Branche gearbeitet, kennt er viele Kollegen.

Doch mit der bloßen Hoffnung, dass solche Kontakte später auch dem Geschäft nutzen, wollen sich Arbeitgeber selten zufrie-den geben, weiß Drosten. Er prüft deshalb regelmäßig im Auftrag seiner Kunden, wie belastbar das Netzwerk der Kandidaten wirklich ist, die es in die engere Auswahl für eine zu besetzende Position geschafft haben. „Wir bitten den Kandidaten dann, uns bestimmte Kontakte namentlich zu nennen, verbunden mit dem Einverständ-nis, diese Personen zu kontaktieren.“ Im persönlichen Gespräch mit den Genannten versucht der Berater dann Antworten auf folgende Fragen zu erhalten: Wie intensiv ist der Kontakt? Wie groß ist das

Vertrauen zwischen den beiden Personen? Bei welchen Gelegenheiten haben sie in der Vergangenheit zusammengearbeitet oder vertrauliche Informationen ausgetauscht? „Wenn wir Antworten auf solche Fragen bekommen, können wir die Qualität des Netzwerks eines Kandidaten recht realis-tisch einschätzen“, sagt Drosten.

Internationale Kontakte

Obwohl ein vielversprechendes Netzwerk für ein Unternehmen den Ausschlag geben kann, sich für einen bestimmten Kandida-ten für einen Manager-Posten zu entschei-den, ist es ein Alarmzeichen, wenn ein Kan-didat seine Kontakte während des Auswahl-prozesses allzu offensiv herausstellt. „Das kann reines Namedropping sein“, erklärt Christine Stimpel, Geschäftsführerin der Personalberatung Heidrick & Struggles. Der Verdacht, der Kandidat prahle mit Kontak-ten, die in Wahrheit gar nicht so intensiv sind wie behauptet, kann in solchen Situa-tionen berechtigt sein.

Welche Art von Netzwerken in den kom-menden Jahren aus Arbeitgebersicht wich-tiger werden, ist schwierig vorauszusagen. Ein Trend scheint allerdings klar: Kontakte zu Entscheidern in aufstrebenden Volks-wirtschaften werden noch wichtiger als sie es heute schon sind. „Wer sich in Russland nicht auskennt, ist dort nicht effektiv“, sagt Personalberaterin Stimpel. „Das gilt auch für China, Malaysia und weitere Länder.“

Enttäuschung nach dem Wechsel

Analysten mit einem untrüglichen Gespür für Marktentwicklungen gehören zu den Stars im Bankgeschäft – in London genau-so wie in New York. Weil sie für ihre Arbeit-geber und deren Kunden viel Geld verdie-nen, versuchen Banken regelmäßig, sich gegenseitig die talentiertesten Analysten abzuwerben. Doch nach einem Wechsel ist die Enttäuschung oft groß: Beim neuen Ar-beitgeber bricht die Leistung der vermeint-lichen Top-Talente oft deutlich ein, hat der Harvard-Ökonom David Groysberg in einer Studie herausgefunden. Es dauert bis zu fünf Jahre, bis Analysten nach einem Wech-sel wieder ähnlich erfolgreich arbeiten wie vergleichbare Kollegen, die ihrem Arbeit-geber treu geblieben sind. Groysbergs Er-klärung: Selbst bei einer Arbeit wie der des Analysten, die stark von den individuellen Fähigkeiten der jeweiligen Person abhängt, ist das Umfeld entscheidend für die Leis-tung. So brauchen Staranalysten zum Bei-spiel das Netzwerk ihres gewohnten Teams, um volle Leistung bringen zu können. Will ein Arbeitgeber vermeiden, dass der Erfolg eines neuen Analysten sinkt, empfiehlt Groysberg deshalb ein radikales Mittel: Das Unternehmen wirbt nicht nur den Analys-ten ab, sondern gleich sein ganzes Team. Dann kann der Analyst im neuen Job sein gewohntes internes Netzwerk nutzen – und von Beginn an volle Leistung bringen.

„Kein Business funktioniert ohne

Netzwerke.“Kristin Bücking

Odgers Berndtson

Page 14: Netzwerke

www.humanresourcesmanager.de70

M it flottem Schritt kommt Rüdiger Kabst die Treppe in die Lobby herunter. Die Haare sind etwas länger als

auf dem Foto, das er auf der Webseite sei-nes Lehrstuhls eingestellt hat. Er trägt eine graue Anzughose, ein rosa-weißes Hemd mit farblich passender Krawatte und eine Brille mit schmalem dunklem Rahmen.

Den Tag über hat er in einem First-Class-Hotel in Berlin-Tiergarten die Konferenz „Muwit – Management und Weiterbildung im Trend“ – moderiert und den Eröffnungs-vortrag gehalten. Während am Stehtisch nebenan noch einige Tagungsteilnehmer zusammenstehen und den Tag gemeinsam ausklingen lassen, erzählt Kabst von seiner Keynote. In der hat er versucht, den „Teil-nehmern den Spiegel vorzuhalten“, wie er sagt. Es ging um Defizite und Herausforde-rungen des Personalmanagements, um die Frage, wie man den Erfolg der HR-Arbeit messen kann, um Flexibilität und Innova-tionen. Er sieht ein Status- und Akzeptanz-problem des Personalmanagements ins-gesamt, aber vor allem in Deutschland. In den skandinavischen Ländern und in den Benelux-Staaten, aber auch in Österreich, der Schweiz und Frankreich sei das anders, meint er: „Es muss dem Personalmanage-ment einfach gelingen, die eigene Leistung gegenüber anderen Funktionsbereichen im Unternehmen darzulegen.“

Und schon ist man mittendrin in den Themen, mit denen sich der 46-Jähri-ge Tag für Tag in seiner Arbeit als Hoch-schullehrer, Forscher, Co-Herausgeber von Fachzeitschriften und Vorsitzender

Raus aus dem ElfenbeinturmRüdiger Kabst hat ein Anliegen: Der Professor will vor allem Themen erforschen, die für Unternehmen relevant sind. Nun ist er von Gießen nach Paderborn gewechselt.

Von KATHRIN JUSTEN

des Aufsichtsrates einer HR-Beratung be-fasst. Ein vielbeschäftigter Mann, den das „Personalmagazin“ zweimal zu einem der führenden Köpfe im Personalwesen kürte. Es wäre in jedem Fall zu kurz gefasst, ihn nur als Professor für Personalmanagement zu bezeichnen. Er selbst trennt auch nicht zwischen den Forschungsthemen wie Per-sonal und Unternehmertum. Sein neuer Lehrstuhl, der ganz frisch an der Univer-sität Paderborn gegründet wurde und den er zum Sommersemester antritt, nennt sich International Business. Zuvor hatte er acht Jahre lang an der Universität in Gießen eine Professur für Personalmanagement, Mittel-stand und Entrepreneurship.

Während der Zeit in Gießen erhielt Kabst Rufe an diverse Universitäten. Die hat er alle nicht angenommen, einfach weil er „Spaß daran hatte, die Arbeit dort fortzuset-

Im Umbruch: Die letzten acht Jahre lehrte und forschte Kabst in Gießen. Jetzt kehrte er in seine Studienstadt zurück.

zen“. Dem Ruf nach Paderborn konnte der gebürtige Bielefelder aber nicht widerste-hen, wie er sagt. Das hat vor allem familiäre Gründe. Denn seine Frau und seine zwei Teenager-Söhne wohnen in der Nähe der ostwestfälischen Stadt. Acht Jahre lang war der Professor Berufspendler, jetzt ergreift er die Chance, wieder mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können. „Das Paket aus beruflicher Perspektive und Work-Life-Balance hat bei dem Ruf einfach gepasst“, so fasst er es zusammen. Außerdem ist der Wechsel nach Paderborn für ihn auch eine Rückkehr zu seinen universitären Wurzeln. Dort hat er studiert, promoviert und sich habilitiert.

Dabei war der Weg in die Wissenschaft vom jungen Kabst nicht unbedingt ge-plant. Nach der Schule absolvierte er erst eine Banklehre, wollte dann aber noch Fo

to: K

athr

in J

uste

n

MENSCHEN RÜDIGER KABST

Page 15: Netzwerke

71apr il / mai 2013

Arbeiten eine starke internationale Pers-pektive. Wie man an seiner gesamten Publi-kationsliste merkt, ist dieser Kontext einer von Kabsts Hauptinteressensschwerpunk-ten. Er ist auch deutscher Repräsentant des „Cranfield Network on International Strategic Human Resource Management“ (Cranet). An dieser international verglei-chenden Studie, die seit 1990 regelmäßig durchgeführt wird, arbeitet er bereits seit 1995 mit.

Die Zusammenarbeit nicht nur mit deutschen, sondern auch mit internatio-nalen Forschern ist Alltag geworden für den Hochschullehrer. „Der einsame Professor im Elfenbeinturm ist einfach nicht mehr realitätsnah. Wir sind vernetzt, national wie international“, erklärt er. Und wer gelesen werden wolle, der müsse eben auch auf Englisch publizieren. Das wird er. Sein ös-terreichischer Kollege beim Cranet-Projekt, Wolfgang Mayrhofer, attestiert ihm, dass er im internationalen Konzert der Personal-forscher als wichtiger „Player“ mitspiele. Seine breit gefächerten Forschungsarbeiten hätten weit über den deutschen Sprach-raum hinaus Beachtung und Anerkennung gefunden. Insgesamt hält Mayrhofer Kabst für „einen der Kollegen, bei denen sich wis-senschaftliche Produktivität, intellektuelle Neugier und angenehme Persönlichkeit in sehr schöner Weise paart“.

Die Arbeitsfelder, mit denen Kabst sich, wie er selbst sagt, „identifiziert“, gliedert er in drei Schwerpunkte. Einer ist der erwähn-te Schwerpunkt „Personal und Internatio-nalisierung“, daneben gibt es noch „Perso-nal und Zukunftsfähigkeit“ und „Personal und Unternehmertum“. Zum zweiten zählt er auch die Arbeit, mit der er und sein Team sich gerade beschäftigen. Dabei geht es um das Outsourcing von Rekrutierungsprozes-sen. Die Kernfrage dabei ist: Welchen Ein-fluss hat das Image des rekrutierenden Un-ternehmens auf den Bewerber und welchen das Image des externen Dienstleisters? Die Antwort in kurz: Ein unbekanntes Unter-nehmen kann negative Effekte durch einen renommieren Dienstleister wettmachen, andersrum funktioniert das nicht.

Wenn Kabst von seinen Forschungsar-beiten und wissenschaftlichen Erkennt-nissen berichtet, spricht er überlegt. Man hat das Gefühl, er will seinem Gegenüber

möglichst einfach erklären, womit er sich alltäglich wissenschaftlich befasst. Ohne ins Fachchinesisch zu verfallen. Vielleicht kommt das durch den stetigen Kontakt zur Praxis, den der Professor sucht. Er war in Gießen und ist jetzt in Paderborn in den Gründungszentren der Universitäten tä-tig. Diese Aufgaben zählt er zu seinem Arbeitsschwerpunkt „Personal und Unter-nehmertum“. Zudem ist er Vorsitzender des Aufsichtsrats bei HRpepper, einer neu gegründeten Unternehmensberatung aus Berlin, die von den ehemaligen Kienbaum-Partnern Matthias Meifert und Philipp Hölzle gegründet wurde. Und er ist Dozent im Executive Master of Human Resource Management der LMU München. „Ich sehe es als meine Aufgabe an, meine wis-senschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis zu bringen und dort auch zu hinterfragen“, sagt Kabst. Er wolle nicht nur an hochspezi-alisierten Themen arbeiten, mit denen die Unternehmen in der Praxis nichts anfan-gen könnten. Relevante Ergebnisse will er liefern, Grundlagen- und angewandte For-schung vereinen.

Dabei ist er Teamplayer. Oft spricht er von „wir“, wenn er über Forschungser-gebnisse redet. Es gäbe einen Trend hin zu Teampublikationen und Kooperationen mit anderen Wissenschaftlern, einfach weil man gemeinsam mehr erreichen könne. Die gemeinschaftliche Arbeit sieht Kabst außerdem als Personalentwicklungsmaß-nahme für seine Doktoranden und Habili-tanden. Wieder ein Punkt, an dem sich bei Kabst Theorie und Praxis treffen und bei dem seine Begeisterung für seine Arbeit deutlich wird.

anschließend die Möglichkeit der Habilita-tion gerne an. „Ich hätte durchaus auch in der Wirtschaft landen können. Aber man nimmt ja oft das Naheliegende. Vor allem wenn es einem so großen Spaß macht. Und ich war natürlich auch geschmeichelt da-von, dass mir das zugetraut wurde.“ Er macht den Eindruck, dass er den Schritt in die Wissenschaft in keinster Weise bereut, und er spricht von den wertvollen Gütern, die ein Hochschullehrer hat: „Man hat die Freiheit darüber, welche Dinge man lehrt und erforscht und zu welcher Zeit man das macht.“

In seiner Dissertation konzentrierte Kabst sich auf internationale Joint Ventu-res, die Habilitationsschrift handelt von der Internationalisierung mittelständiger Un-ternehmen. Er wählte keine Personalthe-men im engeren Sinne. Dafür haben beide

ein Studium draufsetzen. BWL bot sich an. Am Anfang lag der Fokus denn auch mehr auf der Bankbetriebslehre, auf Steu-er- und Finanzthemen. Doch nach einem Auslandaufenthalt in den USA, von dem der Student Kabst mit sehr guten Noten zurückkam, wurde der damalige Professor für Personalmanagement der Universität Paderborn auf ihn aufmerksam. Und stell-te ihn als studentische Hilfskraft ein. Nach zwei Jahren des „über den Tellerrand eines normalen Studenten Hinausguckens“ hatte Kabst Interesse an den Themen gefunden und nahm das Angebot der Promotion und

Rüdiger KabstSeit Kurzem ist er Inhaber des Lehrstuhls für International Business an der Universität Paderborn. Zuvor hielt er acht Jahre lang die Professur für Personalmanagement, Mittel-stand und Entrepreneurship an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Dort war er auch als akademischer Leiter des Gründungszent-rums der mittelhessischen Hochschulen tätig. Kabst ist verheiratet und hat zwei Söhne.

„ Man hat als Hochschullehrer die Freiheit darüber, welche Dinge man lehrt und erforscht und zu welcher Zeit man das macht.“

Page 16: Netzwerke

www.humanresourcesmanager.de74

MENSCHEN

Der Aufsichtsrat der Hochtief Solutions AG hat Nikolaus Graf von Matuschka zum neuen Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektor bestellt. Von Matuschka ist bereits seit 1998 für den Baukonzern tätig, zuletzt war er CEO des Teilbereichs Service Solutions. Diese Funktion wird er vorerst weiter ausführen. Als Arbeitsdirektor folgt der 49-Jährige auf Bernd Romanski.

HOCHTIEF SOLUTIONS

Von Matuschka wird Vorstand

Zum April übernimmt Malte Hansen bei Nufarm Europe die Position Head ofHuman Resources. Er kommt von Veolia Wasser, wo er seit 2007 als Direktor Hu-man Resources Middle Europe tätig war. Der 40-Jährige ist außerdem Schatzmeis-ter des Bundesverbands der Personalma-nager und damit Mitglied im Präsidium. Bei Nufarm Europe berichtet er an den Europachef Hugo Schweer und ist verant-wortlich für rund 1.000 Mitarbeiter.

NUFARM EUROPE

Hansen wechselt zu Nufarm

Nachdem Regine Stachelhaus Ende Februar überraschend bekanntgegeben hatte, dass sie ihr Vorstandsmandat zum 1. Juli aus familiären Gründen niederle-gen wird, hat der Aufsichtsrat von E.on Anfang März Mike Winkel zum Nach-folger der bisherigen Arbeitsdirektorin bestellt. Er ist seit 1. April Mitglied des

COMPASS GROUP

Hoyndorf leitet Personal

Zum März hat Karen Hoyndorf den Ge-schäftsbereich Personal bei der Compass Group Deutschland übernom-men. Der Anbieter für

Catering und Support Services, der zur britischen Compass Group PLC gehört, beschäftigt im deutschen Tochterunter-nehmen rund 18.500 Mitarbeiter. Die 48-Jährige war zuletzt Kaufmännische Geschäftsführerin für die Bereiche HR, IT und Recruiting bei Accenture.

PILZ

Neuer Abteilungs-leiter HR

Als Abteilungsleiter Personal ist Harald Geisinger seit 1. April 2013 bei der Pilz GmbH & Co. KG tätig. Der 41-Jährige kommt von

Voith Paper, wo er zuletzt Vice President HR EMEA war. In der neu geschaffenen Position berichtet er direkt an die Ge-schäftsführende Gesellschafterin Susanne Kunschert. Aktuell arbeiten weltweit circa 1.700 Mitarbeiter beim Anbieter für sichere Automatisierung.

PERSONEN & KARRIERE

E-PLUS

Gottschlich ist Direktor HR

Seit Kurzem verantwor-tet Thomas Gottschlich bei der E-Plus Gruppe den Bereich Human Resources. Damit ist er für die gesamte

Personalarbeit und -strategie der Unter-nehmensgruppe zuständig. Außerdem ist er Mitglied der Geschäftsleitung. Gottschlich ist Nachfolger von Eric Günzel. Thomas Gottschlich kommt von der Edeka Zentrale AG, wo er ab 2011 den Geschäftsbereich Personal leitete. Fo

tos:

Mor

itz B

rilo;

Priv

at(3

); Fa

lko

Wen

zel;

Priv

at

Page 17: Netzwerke

75apr il / mai 2013

E.ON

Mike Winkel wird Personal-

vorstand

Seit April ist Ursula Biernert Mitglied der Geschäftsfeldleitung von DB Schenker Rail und nimmt die Funktion „Human Resources DB Schenker Rail“ wahr. Sie ist ebenfalls Mitglied des Vorstandes der DB Schenker Rail AG und Personalvorstand und Arbeitsdirektorin der DB Schenker Rail Deutschland AG. Ursula Biernert be-richtet an den CEO des Güterverkehrun-ternehmens, Alexander Hedderich, sowie an Ulrich Weber, den Personalvorstand des DB Konzerns. Die 43-Jährige war zuletzt Vice President HR & Communica-tions bei Thales Deutschland.

DB SCHENKER RAIL

Ursula Biernert wechselt zur DB

UKGM

Rompf geht zum UKGM

Das Universitätskli-nikum Gießen und Marburg (UKGM) hat einen neuen Personal-chef. Manfred Rompf tritt damit die Nach-

folge von Heinz Gärtner (Marburg) und Susanne Diefenthal (Gießen) an. Dieser Wechsel ist Teil der Reform und Zentra-lisierung der Verwaltung des Uniklini-kums. Der 58-jährige Rompf war zuletzt Geschäftsführer und Arbeitsdirektor bei der Vivantes GmbH.

KNORR-BREMSE SYSTEME

Blauth wird Personalchef

Bernhard G. Blauth ist seit März Leiter Personal Europa Schie-nenfahrzeuge bei der Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeu-

ge GmbH mit 6.700 Mitarbeitern. Der 41-Jährige berichtet an den Vorsitzenden der Geschäftsführung, Robert Wassmer, sowie an den Leiter Personal Konzern der Knorr-Bremse AG, Marc Pastowsky. Blauth war zuletzt Bereichsleiter Personal bei Sirona Dental Systems.

LEIFHEIT

Neue Leiterin Personal

Der Haushaltsartikel-hersteller Leifheit hat seit Kurzem mit Andrea Schröter eine neue Ressortleiterin Perso-nal. Die 49-Jährige ist

in dieser Position direkt dem Vorstand unterstellt. Sie kommt von der Zumtobel AG, wo sie zuletzt als Director Global Hu-man Resources bei dem Unternehmens-teil Tridonic GmbH tätig war. Die Leifheit AG beschäftigt in ihren Niederlassungen rund 1.000 Mitarbeiter.

Vorstandes und damit zuständig für welt-weit 75.000 Mitarbeiter des Konzerns. Der 42-Jährige war bisher Vorsitzender der Geschäftsführung von E.on Climate and Renewables. Diese Konzerneinheit befasst sich mit der Entwicklung und Produktion erneuerbarer Energien. Regine Stachel-haus war neben dem Personalressort

auch für diverse andere Geschäftsberei-che zuständig. Diese Aufgaben werden auf verschiedene Manager aufgeteilt. Regine Stachelhaus bleibt dem Konzern aber weiterhin erhalten und wird unter anderem einige Bereiche verantworten, beispielsweise Corporate Responsibility und Diversity.

Foto

s: D

euts

che

Bahn

AG;

Priv

at; f

oto-

min

or.d

e; P

rivat

Page 18: Netzwerke

Foto

s: xx

xxxx

xxxx

xxx

Mehr als 95 Prozent der Bevöl-kerung in Deutschland zwi-schen 18 und 65 Jahren trin-ken Alkohol. Jeder deutsche

Bundesbürger nimmt, statistisch gesehen, pro Kopf und Jahr rund 137,2 Liter an alko-holischen Getränken zu sich. Das entspricht 9,6 Liter reinem Alkohol. Mindestens fünf Prozent aller Betriebsangehörigen in Un-ternehmen sind alkoholabhängig, weitere zehn Prozent sind alkoholgefährdet. Das Er-gebnis sind krankheitsbedingte Fehlzeiten und individuelle Leistungsminderungen. Jeder vierte Arbeitsunfall ist alkoholbedingt – und der volkswirtschaftliche Schaden, der durch Alkohol verursacht wird, beträgt nach konservativen Schätzungen der Deut-schen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren mindestens 26 Milliarden Euro.

Probleme werden verleugnet

Unternehmen tun sich häufig schwer im Umgang mit suchtmittelauffälligen Mitar-beitern. Führungskräfte, Personalfachleute, aber auch Betriebs- und Personalräte rea-gieren oft viele Jahre unsicher auf Mitarbei-ter, die am Arbeitsplatz Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Alkohol zeigen. Das ist verständlich, weil die Erfahrung zeigt, dass Mitarbeiter, die im Zusammenhang mit

EssayFührung statt NachsichtUnternehmen tun sich häufig schwer mit alkoholabhängigen Mitarbeitern. Oft wird zu spät reagiert. Vor allem sind die Führungskräfte gefordert. Sie müssen Leistung einfordern und gleichzeitig Hilfe anbieten.

Von WERNER FÜRSTENBERG

Ein Fall aus der Praxis: Ein Personalleiter, Herr M., meldet sich im Institut mit der Bit-te, einen Mitarbeiter zur Beratung schicken zu können. Ein Abteilungsleiter habe mit einem Mitarbeiter, Herrn L., seit längerer Zeit Schwierigkeiten. Darüber hinaus wird im Unternehmen darüber gesprochen, dass der Herr L. möglicherweise Alkoholproble-me habe. Führungsverantwortung ist nicht delegierbar, deshalb lautet die Empfehlung

an den Personalleiter, den Abteilungsleiter als verantwortliche Führungskraft zu bitten, sich an einen Führungskräftebera-ter unseres Institutes zu wenden, um sich auf ein Gespräch mit Herrn L. vorzu-bereiten. Was würde passieren, wenn Herr L. darum gebeten würde, eine Bera-tung in Anspruch zu

nehmen, ohne mit ihm zuvor ein klares Ge-spräch über seine Auffälligkeiten zu führen und ohne deutlich zu machen, dass es einen (vermuteten) Zusammenhang mit einer möglichen Alkoholproblematik gibt?

Herr L. würde sich – wenn überhaupt – in der Beratung möglicherweise darüber beklagen, dass der Leistungsdruck in dem Unternehmen größer geworden ist und er möglicherweise einen Burnout habe oder er würde familiäre Probleme dafür verantwortlich machen, dass es ihm nicht gut gehe und deshalb vorübergehend ein Leistungstief hätte, was man ihm im Un-ternehmen anlasten würde. Menschen mit Suchtproblemen ergreifen nur äußerst sel-ten von sich aus die Initiative und melden sich bei unserem Institut oder einer Bera-tungsstelle, weil sie „unter einem Suchtpro-blem leiden“. Dem voraus geht fast immer eine Intervention durch Dritte. Und dafür ist im Unternehmenskontext die Führungs-kraft verantwortlich.

Suchtmitteln auffal-len, ihre Probleme verleugnen und al-les dafür tun, zum Beispiel ihren ho-hen Alkoholkonsum oder anderen Sucht-mittelmissbrauch zu verheimlichen. Viele denken, man müsse den Mitarbeitern ihr Suchtproblem nach-weisen oder sogar so sicher sein, dass man eine Diagnose stellen müsse, was ja nur ein Fachmann oder eine Fachfrau kann.

Im Umgang mit alkohol- beziehungs-weise suchtmittelgefährdeten Mitarbeitern geht es nicht darum zu erkennen, ob eine Alkoholgefährdung oder Abhängigkeit vor-liegt. Es geht um die Erfüllung des Arbeits-vertrages. Erst wenn dem Betroffenen die Konsequenzen bis hin zur Kündigung klar eröffnet werden, sind viele Alkoholkran-ke bereit, ernsthaft an ihrer Krankheit zu arbeiten. Wichtig dabei ist, die Leistungs-einforderung mit einem Hilfsangebot zu koppeln. Das heißt, Führungskräfte müs-sen gleichzeitig ihrer Fürsorgepflicht nach-kommen. Es gibt also nur einen Weg, um zu einer konstruktiven Lösung zu kommen: Führung statt Nachsicht, klare Forderun-gen anstelle von falschem Mitleid.

„ Es geht nicht darum zu erkennen, ob eine Abhängigkeit vorliegt. Es geht um die Erfüllung des Arbeitsvertrages.“

82 www.humanresourcesmanager.de

ANALYSE

Page 19: Netzwerke

ANALYSEFo

tos:

xxxx

xxxx

xxxx

x

Herr L. hat im Nachhinein erkannt, dass er das Hilfsangebot nur in Anspruch

genommen hat, weil er in erster Linie Angst hatte, seinen Arbeitsplatz zu ver-lieren. Schon vor der Klinikaufnahme sei ihm in der Beratung klar geworden, dass sein Alkoholproblem die Ursache seiner Auffälligkeiten am Arbeitsplatz war. In der Beratung mit Alkoholgefährdeten oder -erkrankten gilt

der Grundsatz: „Wenn Alkohol Probleme macht, ist Alkohol das Problem.“

Nicht zu lange warten

Auf der anderen Seite verstand der Ab-teilungsleiter im Nachhinein, dass er aus Unsicherheit und Unkenntnis viel zu lan-ge mit dem klärenden Gespräch gewartet hatte. Suchtprävention im Unternehmen ist in erster Linie eine Führungsaufgabe, die man nicht an einen Berater delegieren kann – das wurde allen Verantwortlichen im Unternehmen klar.

Selbstverständlich können Mitarbeiter auch im Zusammenhang mit Medikamen-tenmissbrauch, illegalen Drogen sowie nicht stoffgebundenen Süchten, wie zum Beispiel Spielsucht, auffällig werden. Die Vorgehensweise unterscheidet sich bei der Intervention durch Führungskräfte nicht. Der Risikokonsum von Alkohol und häufig damit verbundene Alkoholprobleme über-treffen in der betrieblichen Praxis jedoch bei Weitem die Auffälligkeiten, die durch andere Substanzen oder nicht stoffgebun-dene Abhängigkeiten entstehen.

Den Mitarbeiter mit den Fakten konfrontieren

In dem Beratungsgespräch wird die Füh-rungskraft beraten, wie sie auf ihren Mit-arbeiter zugehen sollte, um ihn in einem „Konfrontationsgespräch“ einerseits auf die Erfüllung seiner Pflichten hinzuwei-sen und ihm andererseits Unterstützung anzubieten, um eigenverantwortlich seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen.

Der Abteilungsleiter nahm das Coaching-Angebot zur Vorbereitung auf das Gespräch mit dem betroffenen Mitarbeiter an. In der ersten Sitzung schilderte er die Probleme: Sein Mitarbeiter sei seit längerer Zeit auf-fällig, bringe nicht mehr die gewohnten Leistungen und falle zum Teil durch eine starke Alkoholfahne auf. Weiterhin äußer-te er Bedenken, den Mitarbeiter auf einen möglichen Zusammenhang seiner Auffällig-keiten mit Alkoholproblemen aufmerksam zu machen – zum einen aus Sorge über die Reaktion des Mitarbeiters, zum anderen aus Unsicherheit darüber, ob eine Alkoholpro-blematik überhaupt vorläge.

Im weiteren Gespräch wurde deutlich, dass Herr L. schon über einen sehr langen Zeitraum – auch arbeitsrechtlich relevante – Auffälligkeiten zeigte, ohne jemals dar-auf angesprochen worden zu sein. Solche Auffälligkeiten können zum Beispiel sein: Der Betroffene vergisst immer wieder Ter-mine, ist häufig nicht am Arbeitsplatz oder er macht Fehler, weil er unaufmerksam ist. Es seien Vermutungen anderer Kollegen an den Vorgesetzten herangetragen worden, dass der Mitarbeiter seit längerer Zeit auf-grund privater Belastungen häufiger dem Alkohol zuspräche.

Der Führungskräfteberater stellt klar, dass die Klärung eines möglichen Alkohol-problems bei einem Mitarbeiter nicht Aufgabe des Vorge-setzten ist. In der Rolle als Führungs-kraft gilt es vielmehr darauf hinzuwirken, dass der Mitarbeiter die Auffälligkeiten am Arbeitsplatz ab-stellt und zu seinen alten Leistungen zu-rückkehrt.

Um dies zu errei-chen ist es ratsam, den Mitarbeiter konkret mit den Fakten zu konfrontieren, die zu der Nicht-Erfül-lung des Arbeitsvertrags führen. Die Ver-mutung und Sorge eines Zusammenhangs mit einem möglichen Alkoholproblem des Mitarbeiters sollte dabei ebenfalls zur Sprache kommen. Weiterhin sollte ihm eine Frist von etwa vier Wochen gesetzt werden, das Fehlverhalten abzustellen. Im Sinne der Fürsorgepflicht rät der Berater dem Vorgesetzten darüber hinaus, dem Mitarbeiter Hilfe für die Abstellung des Fehlverhaltens anzubieten. Hierfür hat es sich bewährt, dass sich der betroffene Mit-arbeiter direkt an das Institut oder an eine Fachberatungsstelle wendet, um in eigener Verantwortung eine Standortbestimmung hinsichtlich eines möglichen Alkoholpro-blems vorzunehmen.

Mit der Aufforderung, das Fehlverhal-ten abzustellen und dem gleichzeitigen Hilfsangebot kommt der Abteilungsleiter seiner Fürsorgepflicht nach.

Angst vor dem Arbeitsplatzverlust

Nach zwei fruchtlosen Gesprächen mit dem Betroffenen – an dem zweiten nahmen auch ein Mitglied des Betriebsrates und der Personalleiter teil – und einer ersten Ab-mahnung kamen Abteilungsleiter und Mit-arbeiter schließlich zusammen in das Insti-tut mit der Bitte um Unterstützung. Danach entspannte sich die Lage. Dem Mitarbeiter wurde eine Beraterin zur Seite gestellt – und nach dem fünften Beratungsgespräch war dieser bereit, sich in eine Klinik zu einer achtwöchigen Rehabilitationsmaßnahme vermitteln zu lassen.

Werner Fürstenberg Geschä�sführender Gesellscha�er des Fürstenberg-Instituts. Er gründete es 1989 mit seiner Frau Reinhild. Das Institut berät Unternehmen zu Fragen des betrieblichen Gesundheitsmanagements.

apr il / mai 2013 83

„ Suchtprävention im Unternehmen ist in erster Linie eine Führungsaufgabe, die man nicht an einen Berater delegieren kann.“

Foto

: Priv

at

Page 20: Netzwerke