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Hautarzt 2013 · 64:695–696 DOI 10.1007/s00105-013-2640-z Online publiziert: 25. August 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 B. Homey · P.A. Gerber Universitäts-Hautklinik Düsseldorf Neue Aspekte zur Prävention  nosokomialer Infektionen mit  multiresistenten Erregern Infektionen mit multiresistenten Erre- gern stellen die ambulante wie stationä- re Patientenversorgung vor zunehmende Probleme. Aktuelle Schätzungen beziffern die Zahl von Kolonisationen und Infektio- nen mit Methicillin-resistenten Staphylo- coccus-aureus (MRSA)-Stämmen in deut- schen Krankenhäusern auf ca. 132.000 pro Jahr und die Zahl entsprechender noso- komialer Infektionen auf ca. 34.000 Fäl- le pro Jahr. Hierbei sind Besiedlungen mit MRSA oder dem Vancomycin-resis- tenten Enterococcus (VRE) nicht nur mit einer gesteigerten Mortalität und Letali- tät bei Schwerkranken assoziiert, sondern verursachen insbesondere in Kranken- häusern erhebliche Mehrkosten, die sich alleine für Europa auf ca. 380 Mio. EUR pro Jahr belaufen. Etablierte Maßnahmen zur Prävention dieser „Healthcare-asso- ciated/-related-MRSA-Infektionen“ um- fassen z. B. ein MRSA-Screening poten- ziell infizierter Patienten vor einer sta- tionären Aufnahme, eine Isolierung infi- zierter Patienten, eine angepasste Logis- tik (z. B. Operationen von MRSA-positi- ven Patienten am Ende des Operations- programms) oder auch die hygienische Händedesinfektion vor und nach jedem Patientenkontakt [1, 2]. Der Nutzen einer prophylaktischen antiseptischen Waschung von Patienten, um nosokomialen Infektionen vorzubeu- gen, wird derzeit kontrovers diskutiert. In einer aktuellen, randomisierten, nicht verblindeten Multicenterstudie an 7727 Patienten konnten Climo et al. [3] nun demonstrieren, dass eine tägliche Waschung mit Chlorhexidin-imprägnier- ten Waschlappen die Rate nosokomialer Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRSA und VRE) im Vergleich zur Kon- trollgruppe (Waschungen mit nichtanti- septischen Waschlappen) signifikant um 23% verringerte. Untersuchungen auf sys- temische Infektionen im Blut der Patien- ten ergaben eine Reduktion um sogar 28% im Vergleich zur Kontrollgruppe. Im Hin- blick auf die Verträglichkeit der Maßnah- me zeigten sich zwar bei 2% der Patien- ten der Chlorhexidin-Gruppe Hautreak- tionen, in der Kontrollgruppe fielen al- lerdings sogar bei 3,4% Hautreaktionen auf, sodass diese allesamt als nicht be- handlungsassoziiert gewertet wurden. In Zusammenschau schließen die Autoren, dass tägliche Waschungen mit Chlorhexi- din-imprägnierten Waschlappen die Fre- quenz nosokomialer Infektionen mit Pro- blemkeimen signifikant reduziert. Interessanterweise wurde ein ähnlicher Ansatz bereits 2011 durch eine britische Arbeitsgruppe um Cooper untersucht, die mittels eines dynamischen Transmis- sionsmodells eine Kosten-Nutzen-Evalua- tion zu Screening-, Isolations- und De- kolonisationsmaßnahmen zur Kontrol- le von MRSA-Infektionen auf Intensiv- stationen durchführten [4]. Obwohl die Autoren zu dem Schluss kamen, dass al- le Dekolonisationsmaßnahmen, also auch universale antiseptische Waschungen un- abhängig vom MRSA-Status, grundsätz- lich kurzfristig günstige Effekte in Bezug auf medizinische wie ökonomische Fak- toren hatten, wurde im Hinblick auf die potenzielle Selektion resistenter Bakte- rien ein unkritischer Einsatz von Anti- septika negativ bewertet. Vielmehr emp- fahlen die Autoren gezielte Maßnahmen, wie etwa ein Eingangsscreening mittels Polymerasekettenreaktion (PCR), ge- folgt von wöchentlichen Verlaufskont- rollen und schließlich die gezielte Deko- lonisation z. B. unter Einsatz von Mupi- rocin-haltiger Nasensalbe bei positivem Erregernachweis. In einem entsprechen- den Kommentar im deutschen Ärzteblatt folgert Prof. Dr. med. Alex W. Friedrich (Universität Groningen): „Der Grund ist, dass der infektionsverursachende MRSA beim selben Patienten zunächst im Na- sen- und Rachenraum siedelt.“ Und wei- ter: „Anders als in den Niederlanden oder Großbritannien gehen Patienten in Deutschland nach Entlassung aus dem Krankenhaus aber zur Weiterbehandlung nicht mehr zurück in die Klinik, sondern werden bei einem niedergelassenen Arzt versorgt.“ Dies impliziere für Deutschland ein sektorenübergreifendes Konzept nach dem Prinzip „search and follow“ [5]. Ähn- liche Kritik an der Studie von Climo et al. wurde durch die Autoren in einer nachge- schalteten Korrespondenz diskutiert [6]. Die Zukunft wird zeigen, ob sich uni- versale Dekolonisationsmaßnahmen in der Kontrolle multiresistenter Erreger, insbesondere auch in Bezug auf gesund- heitsökonomische Aspekte, in der tägli- chen Praxis durchsetzen. Korrespondenzadresse Prof. Dr. B. Homey Universitäts-Hautklinik Düsseldorf Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf [email protected] Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  P.A. Gerber und B. Homey geben  an, dass kein Interessenkonflikt besteht.  Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen  oder Tieren. 695 Der Hautarzt 9 · 2013| Journal Club

Neue Aspekte zur Prävention nosokomialer Infektionen mit multiresistenten Erregern; New aspects of prevention of nosocomial infections by multi-resistant organisms;

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Hautarzt 2013 · 64:695–696DOI 10.1007/s00105-013-2640-zOnline publiziert: 25. August 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

B. Homey · P.A. GerberUniversitäts-Hautklinik Düsseldorf

Neue Aspekte zur Prävention nosokomialer Infektionen mit multiresistenten Erregern

Infektionen mit multiresistenten Erre-gern stellen die ambulante wie stationä-re Patientenversorgung vor zunehmende Probleme. Aktuelle Schätzungen beziffern die Zahl von Kolonisationen und Infektio-nen mit Methicillin-resistenten Staphylo-coccus-aureus (MRSA)-Stämmen in deut-schen Krankenhäusern auf ca. 132.000 pro Jahr und die Zahl entsprechender noso-komialer Infektionen auf ca. 34.000 Fäl-le pro Jahr. Hierbei sind Besiedlungen mit MRSA oder dem Vancomycin-resis-tenten Enterococcus (VRE) nicht nur mit einer gesteigerten Mortalität und Letali-tät bei Schwerkranken assoziiert, sondern verursachen insbesondere in Kranken-häusern erhebliche Mehrkosten, die sich alleine für Europa auf ca. 380 Mio. EUR pro Jahr belaufen. Etablierte Maßnahmen zur Prävention dieser „Healthcare-asso-ciated/-related-MRSA-Infektionen“ um-fassen z. B. ein MRSA-Screening poten-ziell infizierter Patienten vor einer sta-tionären Aufnahme, eine Isolierung infi-zierter Patienten, eine angepasste Logis-tik (z. B. Operationen von MRSA-positi-ven Patienten am Ende des Operations-programms) oder auch die hygienische Händedesinfektion vor und nach jedem Patientenkontakt [1, 2].

Der Nutzen einer prophylaktischen antiseptischen Waschung von Patienten, um nosokomialen Infektionen vorzubeu-gen, wird derzeit kontrovers diskutiert.

In einer aktuellen, randomisierten, nicht verblindeten Multicenterstudie an 7727 Patienten konnten Climo et al. [3] nun demonstrieren, dass eine tägliche Waschung mit Chlorhexidin-imprägnier-ten Waschlappen die Rate nosokomialer Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRSA und VRE) im Vergleich zur Kon-

trollgruppe (Waschungen mit nichtanti-septischen Waschlappen) signifikant um 23% verringerte. Untersuchungen auf sys-temische Infektionen im Blut der Patien-ten ergaben eine Reduktion um sogar 28% im Vergleich zur Kontrollgruppe. Im Hin-blick auf die Verträglichkeit der Maßnah-me zeigten sich zwar bei 2% der Patien-ten der Chlorhexidin-Gruppe Hautreak-tionen, in der Kontrollgruppe fielen al-lerdings sogar bei 3,4% Hautreaktionen auf, sodass diese allesamt als nicht be-handlungsassoziiert gewertet wurden. In Zusammenschau schließen die Autoren, dass tägliche Waschungen mit Chlorhexi-din-imprägnierten Waschlappen die Fre-quenz nosokomialer Infektionen mit Pro-blemkeimen signifikant reduziert.

Interessanterweise wurde ein ähnlicher Ansatz bereits 2011 durch eine britische Arbeitsgruppe um Cooper untersucht, die mittels eines dynamischen Transmis-sionsmodells eine Kosten-Nutzen-Evalua-tion zu Screening-, Isolations- und De-kolonisationsmaßnahmen zur Kontrol-le von MRSA-Infektionen auf Intensiv-stationen durchführten [4]. Obwohl die Autoren zu dem Schluss kamen, dass al-le Dekolonisationsmaßnahmen, also auch universale antiseptische Waschungen un-abhängig vom MRSA-Status, grundsätz-lich kurzfristig günstige Effekte in Bezug auf medizinische wie ökonomische Fak-toren hatten, wurde im Hinblick auf die potenzielle Selektion resistenter Bakte-rien ein unkritischer Einsatz von Anti-septika negativ bewertet. Vielmehr emp-fahlen die Autoren gezielte Maßnahmen, wie etwa ein Eingangsscreening mittels Polymerasekettenreaktion (PCR), ge-folgt von wöchentlichen Verlaufskont-rollen und schließlich die gezielte Deko-

lonisation z. B. unter Einsatz von Mupi-rocin-haltiger Nasensalbe bei positivem Erregernachweis. In einem entsprechen-den Kommentar im deutschen Ärzteblatt folgert Prof. Dr. med. Alex W. Friedrich (Universität Groningen): „Der Grund ist, dass der infektionsverursachende MRSA beim selben Patienten zunächst im Na-sen- und Rachenraum siedelt.“ Und wei-ter: „Anders als in den Niederlanden oder Großbritannien gehen Patienten in Deutschland nach Entlassung aus dem Krankenhaus aber zur Weiterbehandlung nicht mehr zurück in die Klinik, sondern werden bei einem niedergelassenen Arzt versorgt.“ Dies impliziere für Deutschland ein sektoren übergreifendes Konzept nach dem Prinzip „search and follow“ [5]. Ähn-liche Kritik an der Studie von Climo et al. wurde durch die Autoren in einer nachge-schalteten Korrespondenz diskutiert [6].

Die Zukunft wird zeigen, ob sich uni-versale Dekolonisationsmaßnahmen in der Kontrolle multiresistenter Erreger, insbesondere auch in Bezug auf gesund-heitsökonomische Aspekte, in der tägli-chen Praxis durchsetzen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. B. HomeyUniversitäts-Hautklinik DüsseldorfMoorenstr. 5, 40225 Dü[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  P.A. Gerber und B. Homey geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

695Der Hautarzt 9 · 2013  | 

Journal Club

Literatur

  1.  Becker K, Sunderkotter C (2013) Skin infections with MRSA. Epidemiology and clinical features. Hautarzt 63:371–380

  2.  Kipp F, Käck R, Roeder N, Mellmann A (2012) Effi-zientes MRSA-Management. Z HerzThorax Gefäß-chir 26:63–69

  3.  Climo MW, Yokoe DS, Warren DK et al (2013) Effect of daily chlorhexidine bathing on hospital- acquired infection. N Engl J Med 368:533–542

  4.  Robotham JV, Graves N, Cookson BD et al (2011) Screening, isolation, and decolonisation strategies in the control of meticillin resistant Staphylococ-cus aureus in intensive care units: cost effective-ness evaluation. BMJ 343:d5694

  5.  Siegmund-Schultze N (2012) Prävention von MRSA-Infektionen: Screening und Dekolonisation sind kosteneffektiv. Dtsch Arztebl Internat 109: 30–31

  6.  Climo MW, Wong ES (2013) Daily chlorhexidine bathing and hospital-acquired infection. N Engl J Med 368:2332

Anthony Fauci, Carol LangfordHarrison`s RheumatologyMcGraw-Hill Professional 2013, 3., 358 S., (ISBN 978-0-07-181484-3), 54.95 EUR

Der „Harrison“ steht seit vielen Jahrzehnten 

bei allen Internisten für eines der zentralen 

Lehrbücher der Inneren Medizin. Entspre-

chend diesen großen Namens sind auch die 

Ansprüche an die Teilbereiche aus diesem 

Lehrbuch sehr hoch. Aktuell vorgestellt wurde 

nun die 3. Ausgabe des Harrison`s Rheuma-

tology in englischer Sprache und der Verlag 

konnte keinen geringeren als Anthony Fauci 

als Editor und Carol Langford als Associate 

Editor zur Koordination dieser Ausgabe ge-

winnen. Dazuhin wurden die einzelnen Bei-

träge durch führende Persönlichkeiten der 

amerikanischen Rheumatologengesellschaft 

wie Daniel Kastner, Peter Lipsky, Leslie Craw-

ford, Bevra Hahn und viele andere erstellt und 

stehen somit auch für die Tradition und Quali-

tät dieses Lehrbuches. 

In 3 großen Sektionen wird die gesamte 

internistische Rheumatologie behandelt. Die 

erste beinhaltet die Beschreibung des Im-

munsystems bei Gesunden und Erkrankten, 

die zweite stellt die einzelnen rheumatologi-

schen Erkrankungen, v. a. den systemischen 

Lupus erythematodes, die rheumatoide 

Arthritis, die Spondylarthritiden etc. vor, und 

die dritte Sektion umfasst die muskuloske-

letalen Erkrankungen, wie die Osteoarthritis 

oder die Kristallarthropathien. All dies wird 

ergänzt durch eine Zusammenstellung der 

wichtigsten Laborparameter und deren Be-

deutung für die Diagnostik und Therapie der 

rheumatischen Erkrankungen. Wie bei vielen 

amerikanischen Lehrbüchern üblich bildet 

den Abschluss eine Fragensammlung zu 

den einzelnen Kapiteln dieses Buches. Eine 

Besonderheit dieses sehr gut illustrierten 

Lehrbuches, welches praktisch alle Aspekte 

rheumatischer Erkrankungen abdeckt, ist für 

den europäischen bzw. deutschen Leser der 

Einblick bzw. der Zugang in die internistische 

Rheumatologie und klinische Immunologie 

aus Sicht der Kollegen auf der anderen Seite 

des Atlantiks. Diese ist zum Teil sehr grund-

lagenorientiert, beinhaltet stets aber den kli-

nischen Bezug zur Rheumatologie und deren 

Pathophysiologie. Des Weiteren ist natürlich 

wichtig zu sehen, wie die Erkrankungen dort 

behandelt werden und welche Unterschiede 

Buchbesprechungen

sich zu den Therapiealgorithmen im eigenen 

Land ergeben. Ein Vorteil der Darstellung ist 

auch, dass die wichtigsten Aspekte gut mar-

kiert sind und die englische Sprache nicht zu 

kompliziert aufgebaut ist, so dass auch alle 

„non native speakers“ wesentliche Informatio-

nen aus diesem Buch gewinnen können. 

Insgesamt ist den Autoren entsprechend des 

Anspruchs ein exzellentes Buch in kompak-

ter Form gelungen, welches als Paperback 

auch im Preis im Rahmen bleibt, so dass 

sich jeder aktive Rheumatologe, der ein gut 

konzipiertes Lehrbuch aus dem amerikani-

schen Sprachraum als Unterstützung in der 

täglichen Arbeit benötigt, den aktuellen Har-

rison`s Rheumatology ins Bücherregal oder in 

die Ambulanz stellen sollte.

Prof. Dr. U. Müller-Ladner, Bad Nauheim

696 |  Der Hautarzt 9 · 2013