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L.L.l .L J \....J.l .l.l \...l.l .L .L LJ .l \.. ISSN 0722/ 5067 Informationen für Arzte und Apotheker zur rationalen lnfiktionstherapie Juli/August 1994-IS.jahrg. Übersicht Hepatische Unverträglichkeits- reaktionen unter Antibiotikatherapie Ein vielfältiges Bild verschiedenartiger Leberschädigungen kann sich im Zusam- menhang mit einer Antibiotikabehand- lung ergeben. Folgende hepatische Un- verträglichkeitsreaktionen sind nach Be- handlung mit antibakteriell wirkenden Substanzen beschrieben worden : zytoto- xische und cholestatische Schäden, die auch kombiniert auftreten können, Steatosis, chronisch aktive HeP-atitis und Zirrhose. Einige Substanzen können für unterschiedliche Arten von Läsionen ver- antwortlich sein und somit ein überlap- pendes Muster an hepatischen Reaktio- nen hervorrufen. Zusätzlich können einige Substanzen auch noch mit physio- logischen Prozessen in der Leber inter- ferieren und so z. B. zur Hyperbilirubi- nämie führen oder die Blutgerinnung stören. Zytotoxische Läsionen manifestieren sich in Form einer hepatozellulären Nekrose, die durch erhöhte Serumtransaminasen angezeigt wird. Serumbilirubinspiegel und Koagulopathie scheinen gut mit der Schwere der Schädigung zu korrelieren. Im klinischen Erscheinungsbild läßt sich eine arzneistoffinduzierte zytotoxische Läsion praktisch nicht von den Auswir- kungen einerviralen Hepatitis unterschei- den. Das Ausmaß der Schädigung kann bis zum fulminanten Organversagen, wie z. B. nach Isoniazid (NEOTEBEN), reichen. Im allgemeinen führt ein sofor- tiges Absetzen des verdächtigen Arznei- stoffes zu einer raschen Besserung. Cho lestatische Störungen sind auf eine Beeinträchtigung der Gallensekretion zurückzuführen; histopathologische Be- funde sind unspezifisch und eine Diffe- rentialdiagnose ist schwierig. Erythromy- cinderivate sind hauptsächlich verant- wortlich für dieses Erscheinungsbild. In vielen Fällen lassen sich die Schädi- gungen allerdings nicht eindeutig ein- gruppieren und werden dann als "ge- mischt" definiert. Bei den Patienten treten moderate Veränderungen sowohl der Transaminasen als auch der alkalischen Phosphatase auf, das klinische Bild kann an eine typische Virushepatitis erinnern. Sulfonamide und ß-Laktamantibiotika sind häufiger für diese Form der Hepatitis verantwortlich. Mechanismen der Hep atoto xizität Vorhersagbare Toxizität beinhaltet einen dosisabhängigen Schaden über einen direkten oder indirekten Effekt der Sub- stanz auf die Leberzelle. Sie läßt sich im Tierversuch reproduzieren und hängt von der intrinsischen Toxizität des Arz- neistoffes oder seiner Metaboliten ab. Inhalt Übersicht Tetrazykline lassen sich dieser Kategorie zuordnen. Störungen des Bi lirubi ntran sP- ort es ge- hören zu dieser Gruppe, da dieses Phä- nomen ebenfalls dosisabhängig und vorhersagbar ist; Rifampicin (RIFA u. a.) und Fusidinsäure (FUCIDINE FILM- TABLETTEN) sind hier Beispiele. Die unvorhersagbare Hepatotoxizität, auch idiosynkratisch genannt, kann zum einen von Metaboliten abhängen. Hier können genetisch determinierte Unter- schiede in der Fremdstoffmetabolisie- rung eine wichtige Rolle spielen. Zum 4'94 Seite 25 - 27 - Hepatische Unvertr:igl ic hkeitsreaktionen unter Antibio ti ka th erapie Empfehlungen zur Bewertung von Chemotherapeutika (16) - Preisgestaltung neuer Chemotherapeutika Ne ueinführung - Lenograstim Resistenz - Hohe Penicillinres istenz von Pn eumokokke n in der Türkei - Ce fo tax im nicht erfo lgreich bei Menin gi t is durch Penicillin- resis ten te Pn eumoko kk en - Multi res istente Enteroko kk en ka um zu behandeln Kongreßbericht - 6. Internationaler In fe ktionskongreß in Prag Seite 27 Seite 27-28 Seite 28 Seite 28- 29 Mykobakteriosen Seite 29-30 - BCG-Impfung wirk sa m? - Überwachte Medi ka me nt en ei nnahme wirk sam in den US A! - y- Interfe ron bei disseminierter nicht-tuberkulöser Mykoba kt e ri ose Harnwegsinfektionen - Pr eise ibeersa h wirksa m bei Ba kt eriuri e? - Asy mpt omati sc he Bakteriurie der ii lt eren Fr au - behande ln ? Fragen zu wichtigen Infektionen (4) - Reisediarrhö (II) Korrespondenz - Lokalantibiotika am Au ge? Pädiatrie - Dexamethason bei kindl ic her Meningit is Seite 30-32 Seite 31 Seite 32 Seite 32 25

Neueinführung - Infektio · ger als zwei Wochen mit dem Estolat behandelt wurden, stellte sich bei 2% der Patienten eine Hepatitis ein. In 40 bis 50% der Fälle wurde eine Latenzphase

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Page 1: Neueinführung - Infektio · ger als zwei Wochen mit dem Estolat behandelt wurden, stellte sich bei 2% der Patienten eine Hepatitis ein. In 40 bis 50% der Fälle wurde eine Latenzphase

L.L.l .L J \....J.l .l.l \...l.l .L .L LJ .l \.. ISSN 0722/ 5067

Informationen für Arzte und Apotheker zur rationalen lnfiktionstherapie Juli/August 1994-IS.jahrg.

Übersicht Hepatische Unverträglichkeits­reaktionen unter Antibiotikatherapie

Ein vielfältiges Bild verschiedenartiger Leberschädigungen kann sich im Zusam­menhang mit einer Antibiotikabehand­lung ergeben. Folgende hepatische Un­verträglichkeitsreaktionen sind nach Be­handlung mit antibakteriell wirkenden Substanzen beschrieben worden : zytoto­xische und cholestatische Schäden, die auch kombiniert auftreten können, Steatosis, chronisch aktive HeP-atitis und Zirrhose. Einige Substanzen können für unterschiedliche Arten von Läsionen ver­antwortlich sein und somit ein überlap­pendes Muster an hepatischen Reaktio­nen hervorrufen. Zusätzlich können einige Substanzen auch noch mit physio­logischen Prozessen in der Leber inter­ferieren und so z. B. zur Hyperbilirubi­nämie führen oder die Blutgerinnung stören .

Zytotoxische Läsionen manifestieren sich in Form einer hepatozellulären Nekrose, die durch erhöhte Serumtransaminasen angezeigt wird. Serumbilirubinspiegel und Koagulopathie scheinen gut mit der Schwere der Schädigung zu korrelieren. Im klinischen Erscheinungsbild läßt sich eine arzneistoffinduzierte zytotoxische Läsion praktisch nicht von den Auswir­kungen einerviralen Hepatitis unterschei­den. Das Ausmaß der Schädigung kann bis zum fulminanten Organversagen, wie z. B. nach Isoniazid (NEOTEBEN), reichen. Im allgemeinen führt ein sofor­tiges Absetzen des verdächtigen Arznei­stoffes zu einer raschen Besserung.

Cholestatische Störungen sind auf eine Beeinträchtigung der Gallensekretion zurückzuführen; histopathologische Be­funde sind unspezifisch und eine Diffe­rentialdiagnose ist schwierig. Erythromy­cinderivate sind hauptsächlich verant­wortlich für dieses Erscheinungsbild.

In vielen Fällen lassen sich die Schädi­gungen allerdings nicht eindeutig ein­gruppieren und werden dann als "ge­mischt" definiert. Bei den Patienten treten moderate Veränderungen sowohl der

Transaminasen als auch der alkalischen Phosphatase auf, das klinische Bild kann an eine typische Virushepatitis erinnern. Sulfonamide und ß-Laktamantibiotika sind häufiger für diese Form der Hepatitis verantwortlich.

Mechanismen der Hepatotoxizität Vorhersagbare Toxizität beinhaltet einen dosisabhängigen Schaden über einen direkten oder indirekten Effekt der Sub­stanz auf die Leberzelle . Sie läßt sich im Tierversuch reproduzieren und hängt von der intrinsischen Toxizität des Arz­neistoffes oder seiner Metaboliten ab.

Inhalt Übersicht

Tetrazykline lassen sich dieser Kategorie zuordnen.

Störungen des Bi lirubintransP-ortes ge­hören zu dieser Gruppe, da dieses Phä­nomen ebenfalls dosisabhängig und vorhersagbar ist; Rifampicin (RIFA u . a.) und Fusidinsäure (FUCIDINE FILM­TABLETTEN) sind hier Beispiele.

Die unvorhersagbare Hepatotoxizität, auch idiosynkratisch genannt, kann zum einen von Metaboliten abhängen . Hier können genetisch determinierte Unter­schiede in der Fremdstoffmetabolisie­rung eine wichtige Rolle spielen . Zum

4'94 Seite 25- 27

- Hepatische Unvertr:iglichkeitsrea ktio nen unter Antibioti ka th erapie

Empfehlungen zur Bewertung von Chemotherapeutika (16) - Preisgesta ltung neuer C hemotherape utika

Neueinführung - Lenograstim

Resistenz - Ho he Penicillinres istenz von Pneumokokke n in der Türkei - Ce fo tax im nicht erfo lgreich be i Meningi tis d urch Penicillin-

resis ten te Pneumoko kken - Multi res istente Enterokokken ka um zu behandeln

Kongreßbericht - 6. Internat io naler In fe ktionsko ngreß in Prag

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Mykobakteriosen Seite 29-30 - BC G-Impfung wirksa m ? - Überwachte Medi ka mentenei nnahm e wirksam in den USA! - y - Interfe ron bei disseminierter nicht-tuberkulöser Mykoba kteri ose

Harnwegsinfektionen - Preise ibeersa h wirksa m bei Bakteriuri e? - Asympto mati sche Bakteriuri e der ii lteren Frau - behandeln ?

Fragen zu wichtigen Infektionen (4) - Reisediarrhö (II)

Korrespondenz - Loka lantibiotika am Auge?

Pädiatrie - Dexa methason bei kindl icher Meningit is

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Zeitschrift für Chemotherapie

anderen werden auch immunallergische Mechanismen verantwortlich gemacht.

Hepatische Nebenwirkungen in Beziehung zu einzelnen Antibiotika Am häufigsten sind Isoniazid, Makrolide, Sulfonamide und ß-Laktamantibiotika verantwortlich für Antibiotika-assozi­ierte Leberstörungen. Im folgenden sol­len die hepatotoxischen Wirkungen eini­ger Substanzen etwas ausführlicher dis­kutiert werden.

Makrolidantibiotika Seit langem wird Erythromycin (PAE­DIATHROCIN u. a.) verwendet; wegen der Magensäureinstabilität wird die Sub­stanz in Form von Salzen (Stearate) oder Estern (Ethylsuccinat , Propionat) in den Handel gebracht. Unter diesen Verbin­dungen zeigt das Erythromycinestolat (INFECTOMYCIN PLUS u. a.) das größte Potential für hepatotoxische Manifestationen . Bei Patienten, die län­ger al s zwei Wochen mit dem Estolat behandelt wurden, stellte sich bei 2% der Patienten eine Hepatitis ein. In 40 bis 50 % der Fälle wurde eine Latenzphase von 10 bis 15 Tagen zwischen Behand­lungsbeginn und Manifestation der hepatischen Dysfunktion beobachtet. Das klinische Bild der Hepatitis nach Einnahme derverschiedenen Erythromy­cinderivate ist vergleichbar und ähnelt einer Cholangitis . Die Transaminasen sind moderat erhöht, häufig begleitet von einer leichten Erhöhung der alkali­schen Phosphatase . Serumeosinophilie tritt bei 40 bis 50 % der Fälle auf; dies wird in Verbindung mit der üblichen Latenzphase und der prompten Reaktion nach Reexposition als Hinweis auf aller­gische Prozesse angesehen .

Untersuchungen zum Mechanismus die­ser Schädigungen deuten auf eine wich­tige Rolle eines Nitrosometaboliten, der über Cytochrom P450-abhängige Mo­nooxygenasen gebildet wird. Josamycin (WILPRAFEN) und die neueren Makro­lide wie Roxithromycin (RULID), Clari­thromycin (CYLLIND, KLACID) und Azithromycin (ZITHROMAX) werden nicht über diesen StoffWechselweg metabolisiert; dennoch sind auch nach Gabe dieser Makrolide in sehr seltenen Fällen hepatotoxische Reaktionen beob­achtet worden, für die ein anderer Wir­kungsmechanismus zu vermuten ist.

Sulfonamide Üblicherweise werden Sulfonamide als fixe Kombinationen verwendet; die Hepatotoxizität der Kombinationen wird dem Sulfonamidanteil zugewiesen, und wird bei etwa 0,6% der behandelten Patienten beobachtet, eine moderate Erhöhung der Serumtransaminasen kann allerdings schon bei etwa 10 Ofo der Patien­ten festgestellt werden, die mit einem Sulfonamid allein behandelt werden.

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Zwischen dem Behandlungsbeginn und dem Auftauchen der ersten Symptome vergehen bei erstmaliger Exposition im allgemeinen fünf bis 15 Tage; nach erneu­ter Gabe, und insbesondere wenn es schon zu Überempfindlichkeitsreaktionen ge­kommen ist, kann dieser Zeitraum auf weniger als drei Tage schrumpfen und fatale Folgen haben.

Das klinische Bild manifestiert sich in einer Cholestase und einer Nekrose unter­schiedlichen Ausmaßes, wobei die Chole­stase das wichtigere Symptom darstellt.

Die Kombination aus Sulfamethoxazol und Trimethoprim [Cotrimoxazol (BAC­TRIM u. a.)], führt in den üblichen Dosie­rungen selten zu hepatotoxischen Reak­tionen; bei AIDS-Patienten , die wesent­lich höhere Dosierungen einnehmen, sind sie jedoch bei bis zu 20 Ofo der behan­delten Patienten beobachtet worden .

Zur Behandlung der chloroquinresisten­ten Falciparum-Malaria kann Pyrime­thamin/ Sulfadoxin (FANSIDAR) einge­setzt werden , Auswirkungen auf die Leber sind selten (< 1 : 15 000), können aber schwerwiegende Folgen haben .

Zwei Stoffwechselwege spielen eine wich­tige Rolle in der Toxizität dieser Chemo­therapeutika, zum einen die N-Acety­lierung, die polymorph exprimiert wird, d . h . es gibt "schnelle" und "langsame" Acetylierer, und zum anderen die Cyto­chrom P450-abhängige Monooxygenie­rung. Eine niedrige Acetylierungskapazität läßt mehr Substrat in den P450-abhän­gigen Stoffwechselweg gelangen, der zur Bildung von toxischen Metaboliten füh­ren kann. Diese Mechanismen könnten zumindest teilweise fürdie Manifestation der idiosynkratischen Toxizität von Sul­fonamiden verantwortlich sein .

ß-Laktamantibiotika Penicilline zeigen eher zytolytische als cholestatische Wirkungen. Relativ häufig können Carbenicillin (nicht mehr im Handel) und Oxacillin (STAPENOR) sowie andere penicillinasefeste Penicil­line diese Reaktionen auslösen, wobei die letzteren eher eine cholestatische Hepati­tis hervorrufen . Über die Mechanismen ist wenig bekannt, die fehlende Dosis­abhängigkeit und die unterschiedlichen Zeiträume, die zwischen Erstexposition und Manifestation der Leberschädigung liegen, deuten im Zusammenhang mit der unmittelbaren Reaktion bei Reexposition auf einen immunallergischen Prozeß hin . Weiterhin kann eine milde Eosinophilie in der Peripherie und im Lebergewebe auch als Indiz in diese Richtung gewertet werden. Bei Patienten mit einer Chole­stase, verursacht durch Cloxacillin (in Deutschland nicht im Handel), wurde eine abnorme Degranulierung der Mast­zellen beobachtet.

Die Kombination aus Amoxicillin und Clavulansäure (AUGMENTAN) kann

Juli/August 1994 -15.jahrg.

ebenfalls zu Störungen der Leberfunktion (Cholestase) führen, die Beschwerden verschwinden nach dem Abbruch der Therapie. Auch hier wird eher ein immun­allergischer Mechanismus vermutet.

Unter den Cephalosporinen besitzen die Vertreter der ersten Generation ein -wenn auch geringes - hepatotoxisches Poten­tial. Cephalosporine der dritten Genera­tion wurden bislang nur für geringfügige Änderungen der Leberfunktionen (leich­ter Anstieg der Transaminasen und der alkalischen Phosphatase) verantwortlich gemacht.

Eine andere Reaktion, die bestimmte Cephalosporine auslösen können, ist eine Verlängerung der Prothrombinzeit . Verantwortlich hierfür ist eine Inter­aktion der Cephalosporine, die eine N- Methylthiotetrazolseitenkette enthal­ten, mit der Vitamin K-abhängigen Syn­these der Gerinnungsfaktoren Il, IX und X. Zu dieser Gruppe von Cephalospori­nen gehören Cefamandol (MANDO­KEF), Latamoxef (nicht mehr im Han­del), Cefoperazon (CEFOBIS), Cefmeta­zol (in Deutschland nicht im Handel), Cefotetan (APATEF) und Cefpiramid (in Deutschland nicht im Handel). Ein weiterer Effekt ist eine Alkoholunverträg­lichkeit.

Nach Gabe von Imipenem/ Cilastatin (ZIENAM) oder Aztreonam (AZAC­TAM) sind moderate Anstiege der Tran­saminasen oder der alkalischen Phospha­tase beobachtet worden .

Fluorochinolone Bisher wurde nur von geringfügigen Be­einträchtigungen der Leberfunktionen (Anstieg von Transaminasen und alkali­scher Phosphatase) nach Chinaiongabe berichtet.

Tetrazykline Tetrazykline können insbesondere nach intravenöser Gabe größerer Mengen eine hepatotoxische Wirkung entfalten; nach oraler Gabe können diese Effekte auch bei Patienten mit schlechter Nierenfunk­titm oder nach Einnahme hoher Dosie­rungen auftreten . Die Leber zeigt eine charakteristische mikrovesikuläre Verfet­tung mit geringen Nekrosen, Cholestase und Entzündung. Als Wirkungsmecha­nismus wurde eine Inhibition der mito­chondrialen Fettsäureoxidation identifi­ziert, die zur Anreicherung von freien Fettsäuren mit nachfolgender Vereste­rung zu Triglyzeriden führt.

Nitrofurantein Verschiedene Arten von Leberschäden sind dem Nitrofurantein (FURADAN­TIN u. a.) zugeschrieben worden, dar­unter akute cholestatische oder zytolyti­sche Schäden, granulomatöse Läsionen, oder eine chronisch aktive Hepatitis mit oder ohne Zirrhose . Die chronische

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Lebererkrankung nach Nitrofurantoin­gabe scheint häufiger zu sein als die akute Form, wobei Frauen empfindlicher gegen-über diesem Effekt sind als Männer. Immunallergische Reaktionen scheinen auch hier eine wichtige Rolle zu spielen .

ZUSAMMENFASSUNG: Hepatische Unverträglichkeitsreaktionen unter Anti­biotikatherapie sind relativ seltene Ereig­nisse. Ein vielfältiges Spektrum von Leberschäden kann sich nach entspre­chender Exposition ergeben, es reicht von einer zytotoxischen Hepatitis [Iso­niazid (NEOTEBEN)], über die intra­hepatische Cholestase (Makrolide) bis zur chronisch aktiven Hepatitis [Nitro­furantoin (FURADANTIN)]. In den meisten Fällen ist die Toxizität idiosyn­kratisch, die Reaktionen treten nur bei empfindlichen Patienten auf. Die verant­wortlichen Wirkungsmechanismen kön­nen die Bildung von reaktiven Metaboli­ten beinhalten bzw. immunallergische Reaktionen oder eine Kombination bei­der Prozesse.

Die Störung der Blutgerinnung durch einige Cephalosporine wird auch als hepatische Manifestation gewertet, weil die Biosynthese einiger Gerinnungsfak­toren in der Leber gehemmt wird .

Die kausale Beziehung zwischen Antibio­tikagabe und hepatischer Reaktion läßt sich oft nur schwer herstellen.

WESTPHAL,J. F. et al. ]. Antimicrob. C hemother. 33: 387- 401, 1994

Neueinführung Lenograstim - ein Zytokin zur Stimu­lierung neutrophiler Granulozyten Filgrastim (NEUPOGEN) ist ein Zyto­kin, das seit etwa zweiJahrenzur Behand­lung schwerer Neutropenien zur Verfü­gung steht. Das Präparat enthält gentech­nologisch mit Hilfe von E. coli gewonne­nen G-CSF (= Granulozyten-Kolonien­stimulierender Faktor), der weitgehend mit dem humanen Protein identisch ist . Eine ausführliche Darstellung des Medi­kamentes erschien in dieser Zeitschrift voretwa zweiJahren ("ZCT" 13: 12- 14, 1992). Nun kommt mit Lenograstim (GRANOCYTE) ein neues Präparat auf den Markt, das dem Filgrastim klinisch weitgehend entspricht, jedoch auf andere Weise - gentechnologisch mit CHO­Zellen - hergestellt wird. Ein wichtiger Unterschied besteht darin, daß die neue Verbindung nicht nur die Proteinkette des Wachstumsfaktors enthält, sondern­dem natürlichen Vorbild entsprechend -auch glykosyliert ist: die Aminosäure an Position 133 ist mit einer Kohlenhydrat­kette verbunden 1,2.

Das neue Präparat ist ebenso wie die vor zwei Jahren eingeführte Substanz zur Ver­kürzung der Dauer schwerwiegender

jull//:lugust 1':/':FI - ü.)a/Jrg.

Empfehlungen zur Bewertung von Chemotherapeutika (16) Preisgestaltung neuer antimikrobieller Substanzen Die Entwicklung neuer Chemotherapeutika ist in Folge der weltweiten Resistenz­entwicklung wichtiger Erreger und auch des Auftretens neuer Infektionskrankheiten im Sinne einerinnovativen Medizin notwendig. Neuere Methoden der Arzneimittel­forschung z.B. aus der Proteinchemie, der Rezeptorenforschung oder der RNA/ DNA-Modifikation liefern dabei vielversprechende Ansätze . Allerdings muß die Entwicklung dieser Substanzen bezahlbar bleiben und neben den traditionellen Nutzen/Risiko-Analysen gewinnen andere Kriterien wie Kosten/ Nutzen-Profile heute eine immer größere Bedeutung. -Vor dem Hintergrund des GSG und der damit verbundenen Kehrtwendung in Richtung generischer Substanzen müssen die großen Probleme der forschenden Pharmaindustrie objektiv und fair berücksichtigt werden.

12 bis 15 Jahre dauert heute die Entwicklung eines neuen pharmazeutischen Pro­duktes bis zur Zulassung. Fünf von 5000 Substanzen der Präklinik gehen in die klinische Prüfung. Eine von fünf Substanzen der Phase 1 erhält die Zulassung. Die Ansprüche, die heute an die Entwicklung eines neuen pharmazeutischen Pro­duktes gestellt werden, sind immer größer geworden und lassen sich fast nur noch im Rahmen globaler Projekte lösen . Es liegen zuverlässige Schätzungen vor, daß die Entwicklung eines neuen Arzneimittels ca. 350 Millionen DM kostet . Dabei werden ca. 80 Millionen DM für die Grundlagenforschung, ca . 50 Millionen DM für die Präklinik (Toxikologie, Pharmakologie) , ca . 70 Millionen DM für die Phase 1, ca. 80 Millionen DM für die Phase 2, ca. 65 Millionen DM für die Phase 3 und ca. 5 Mil­lionen DM für das Zulassungsverfahren sowie die Produktinformation berechnet.

Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß eine große forschende amerikanische Firma in den letzten drei Jahren vier Produkte auf dem Gebiet der Infektionserkrankungen in der Phase 2 wegen unvorhergesehener, erheblicher Unverträglichkeitsreaktionen von der weiteren Entwicklung ausschließen mußte . Dieses bedeutete Investitionen in einer Größenordnung von einer Milliarde DM, womit das hohe Ri siko der forschenden pharmazeutischen Industrie klar ersicht­lich ist.

Bei diesen Betrachtungen muß weiterhin beachtet werden, daß die Dauerder Patente und damit die Zeit des Verdienens für den Hersteller eines neuen Produktes durch die lange Produktentwicklungszeit immer kürzer werden, so daß die Kosten/ Nutzen­Analyse immer ungünstiger ausfällt.

Zusammenfassend muß die Ärzteschaft - aber auch die Politik - zur Kenntnis nehmen, daß Forschung und Entwicklung in der Pharmaindustrie mit einem hohen kostenträchtigen Risiko verbunden ist. Falls die Gesellschaft weiter an einer inno­vativen Entwicklung in der Medizin interessiert ist, muß sie derforschenden Pharma­industrie einen adäquaten Ermessensspielraum in der Preisgestaltung einräumen.

DiMASI, J. A. et al. Cost of Inn ovation in the Pharmaceuti ca l l ndustry. J. Health Economics 10: I 07- 14 2, 1991

Neutropenien und zur Reduktion der sich daraus ergebenden Komplikationen bei Patienten mit nicht-myeloischen malignen Erkrankungen angezeigt. Wegen der Glykosylierung ist das Glyko­protein bereits in niedrigeren Konzentra­tionen wirksam2

. Ob sich daraus unter klinischen Bedingungen ein Vorteil ergibt, kann derzeit noch nicht bean t­wortet werden. Direkte klinische Ver­gleichsstudien zwischen beiden Präpara­ten stehen noch aus.

Lenograstim wird bei Patienten mit nicht­myeloischen malignen Erkrankungen im Anschluß an einen Chemotherapiezyklus subkutan injiziert. Die empfohlene Dosis beträgt 5 j..tg/kg Körpergewicht. Die Wirk­samkeit und Unbedenklichkeit einer Behandlung mit G-CSF ist bei Patienten mit Myelodysplasie, akuter myeloischer Leukämie oder chronischer myeloischer

Leukämie nicht nachgewiesen. Wegen möglicher Förderung des Tumorwachs­tums dürfen G-CSF-haltige Präparate bei myeloischen malignen Erkrankungen nicht angewandt werden .

ZUSAMMENFASSUNG: Lenograstim (GRANOCYTE) enthält den gentech­nolgisch gewonnenen bärnatopoetischen Wachstumsfaktor G-C S F-ein Glykopro­tein, welches das Wachstum von neutro­philen Granulozyten stimuliert. Es kann zur schnelleren Beseitigung von Neutro­peoien angewandt werden, die im Rah­men von zytotoxischer Chemotherapie bei malignen Erkrankungen auftreten. Das neue Präparat unterscheidet sich durch Glykosylierung vom Filgrastim (NEUPOGEN), das bereits seit längerer Zeit zugelassen ist. Ein Vergleich beider Zubereitungen unter klinischen Krite­rien ist derzeit nicht möglich.

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Zeitschrift für Chemotherapie

I. NN Granocy te, Standardinfo rmationen des Her­stell ers, 1994

2. NI SS EN C. et al. Drug lnves t 7:346- 352 ,1 994

Resistenz Penicillin-Resistenz von Pneumo­kokkeninderTürkei

Die Penicillin-Resistenz von Pneumo­kokken ist ein we ltweit zunehmendes bedrohliches Phänomen, dem sich auch die Ärzte in Deutschland wegen der Reisefreudigkeit unserer Mitbürger ver­mehrt ste ll en müssen . Aus der Türkei, genauer aus Ankara, werden jetzt die aktuellen Resistenzdaten von 70 unter­suchten Pneumokokkenstämmen mitge­tei lt . Mittels Agardiffusionsmethode wurden zahlreiche Antibiotika unter­sucht, 41 diese r Pneumokokkenstämme wurden bei Kindern und 29 bei Erwach­senen mit schweren Infektionen iso liert. 21 Stämme (30 %) boten eine mäßige Resistenz gegen Penicillin (M HK zwi­schen 0,125 bis 1 mg/ 1) und 12 Isolate (17%) wiesen eine hohe Resistenz (MHK ;::;; 2 mg/ 1) auf. Elf der 12 hochresistenten Pneumokokken waren gegen andere Anti­biotika resistent, davon vier gegenüber Chloramphenicol (PARAXIN), Clinda­mycin (SOBELIN) und Azithromycin (ZITHROMAX), fünf waren resistent gegen Cefotaxim (CLAFORAN) und Erythromycin (ERYTHROCIN u. a.). Zehn der 12 Stämme waren auch resistent gegenüber Co-trimoxazol (BACTRIM u. a.). Insgesamt waren 27% der unter­suchten Pneumokokkens tämme gegen Co-trimoxazol resistent .

FOLGERUNG DER AUTOREN: In Ankara (Türkei) erwiesen sich von 70 untersuchten Pneumokokkenstämmen 47 % als resistent gegenüber Penicillin (diverse Warenzeichen). Auch andere Substanzen wie Co-trimoxazol (BAC­TRIM u. a.) wiesen eine hohe Resistenz­rate auf, nur Vancomycin (VANCOMY­CIN CP LILLY) und das neue Fluoro­chinolon Sparfloxacin (noch nicht 1m Handel) waren durchweg aktiv.

GÜ R, D. et al. Eu ro p.J. C iin .Microbio l.ln f. Dis. 13:440- 442 , 1994

Pneumokokken-Meningitis: Bei Penicillin-Resistenz kann auch Cefotaxim versagen Bisher wurde in Ländern mit problema­tischer Penicillinresistenz der Pneumo­kokken davon ausgegangen, daß m o­derne Cephalosporine wie Cefotaxim (CLAFORAN) oder Ceftriaxon (ROCE­PHIN) noch wirksame Alternativen dar­ste llen. Aus Madrid wird über einen 29-jährigen Patienten mit einer akuten Pneumokokken-Meningitis berichtet, dessen Pneumokokken MHK-Werte ge-

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genPenicillinund Cefotaxim vo n jeweils 1 mg/ 1 aufwiesen. Eine intravenöse Be­handlung mit Cefotaxim in einer Dosis von 40 mg/ kg alle vier Stunden erbrachte bis zum vierten Tag der Behandlung keine klinische Besserung. Es wurde des­halb eine Therapie mit Vancomycin (VANCOMYCIN CP LILLY) in einer Dosis von 12 mg/ kg KG alle sechs Stun­den begonnen . Diese Behandlung war zunächst ebenfalls in den nächsten zwei Tagen nicht erfolgreich . D a die Liquor­spiegel des Vancomycins mit 1,6 mg/ 1 sehr niedrig lagen, verabreichten die Ärzte zusätzlich 20 mg intrathekal. Nach 24 Stunden trat eine klinische Besserung bei dem Pati enten ein ; bis zur endgü ltigen Ausheilung nach 14 Tagen wurden noch insgesamt zehnmal zusätzliche intra­thekale Vancomycingaben notwendig.

FOLGERUNGDERAUTOREN:&i mäßig sensiblen Pneumokokken gegen­über Cefotaxim [(CLAFORAN); MHK ;::;; 1 mg/ 1] sollte dieses Cephalosporin nur mit Vorsicht gegeben werden. Bei einem therapeutischen Mißerfolg steht mit der intravenösen und intrathekalen Vancomycin (VANCOMYCIN CP LILLY)-Behandlung eine wirksame Alternative zur Verfügung.

CATALAN , M.J. et al. C l in. ln fect. Dis. 18:766- 769, 1994

Multiresistente Enterokokken-Sepsis bei onkologischen Patienten Enterokokken haben sich in den letzten Jahren als häufige Erreger von nosoko­mialen Septikämien entwickelt und kön­nen bis zu 50% bei Bakteriämien von neutrapeniseben Patienten beteiligt sein. In einem nordamerikanischen Kranken­haus in der Nähe von New York wird über einen Ausbruch von Sepsisfallen bei onkologischen Patienten berichtet, der durch Enterococcus faecium mit einer ausgeprägten Resistenz gegenübe r Van­comycin [(VANCOMYCIN CP LILLY); MHK;::;; 256 mg/ l],Ampicillin [(BINO­TAL u.a .); MHK ;::;; 64 mg/ 1] und Cen­tamiein (REFOBACIN) bzw. Strepto­mycin [(STREPTOTHENAT u.a .); MHK ;::;; 2000 mg/ 1] verursacht war. Eine aktive Umgebungsanalyse sämtlicher Patienten auf der onkologischen Station des Kran­kenhauses ergab zwischen Juni 1991 und Mai 1992 sieben Patienten mit einer Sepsis und 22 nichtinfizierte Patienten mit N achweis dieser resistenten Erreger im Stuhl. Die genaue Analyse dieser E. faecium-Stämme erbrachte bei den bakteriämischen Patienten eine Identität der Stämme im Blut zu denen im Stuhl. Die antibiotische Behandlung mit hohen Dosen von Ampicillin und zusätzlich einem Aminoglykosid war nicht wirk­sam bei vier Patienten , die verstarben. Bei der Analyse der Risikofaktoren für diese bedrohliche Enterokokken-Sepsis ergab sich eine deutlich hö here Anzahl von

Juli/August 1994 - JS.jahrg.

Tagen unter einer antibiotischen Thera­pie bei den Sepsispatienten im Gegensatz zu den kolonisierten Patienten .

FOLGERUNG DER AUTOREN: Der irrationale lange Gebrauch von Antibio­tika auch bei Risikopatienten dispo­niert offensichtlich zur gastrointestina­len Kolonisation mit resistenten Kei­men wie z. B. E. faecium und der konse­kutiven Möglichkeit zur Entwicklung einer Sepsis. Auch die Behandlung einer derartigen Infektion mit Ampicillin (BINOTAL u. a.) in Kombination mit Aminoglykosiden ist nicht erfolgreich. Der hier beschriebene Ausbruch wurde gestoppt durch eine strenge Isolation der Patienten, die diese hochresistenten Enterokokken aufwiesen.

MONTECALVO, M . A. et al. Antimicrob. Agents C hemother. 38 : 1363- 1367, 1994

Kongreßbericht 6th International Congress for Infectious Diseases Prag, 26.-30. April 1994 An diesem Kongreß der internationalen Gesellschaft für Infektiologie nahmen 4000 Ärztinnen und Ärzte aus aller Welt, insbesondere aus den osteuropäischen Ländern teil. Ein breites Spektrum von infektiologischen Themen wurde an vier Tagen intensiv d iskutiert . Hier soll nur über wesentliche chemotherapeutische Vorträge berichtet werden.

Aus Deutschland wurde von zwei gro­ßen mikrobiologischen Laboratorien in Frankfurt und Weingarten eine vergle i­chende Resistenzstudie aus den Jahren 1989 und 1992 mit 4140 (1989) bzw. 4954 (1992) klinisch isolierten Bakterien vor­gestellt . Neben diesen beiden großen nahmen noch 25 weitere, mikrobiolo­gische Laboratorien an der Studie teil und untersuchten die Resistenz gegen­über den wichtigsten 16 Antibiotika . Zwei Drittel der untersuchten Bakterien stammten von Nichtintensivstationen, zwischen 17 bzw. 21% der Stämme wur­den bei Intensivpatienten isoliert. Die führenden Erreger bei Intensivpatienten waren Enterobacter, Serratia sowie Kleb­siella Spezies, während bei Patienten, die nicht auf In tensivstationen behandelt wurden, Staphylokokken und E. coli die häufigsten Iso late darstellten. Die Resi­stenzraten der meisten Antibiotika än­derte sich zwischen 1989 und 1992 bei den untersuchten Keimen kaum; Aus­nahmen waren Ciprofloxacin (CIPRO­BAY), Imipenem (ZIENAM) und Cefo­taxim (CLAFORAN), für die ein mitt­lerer Anstieg der Resistenz zwischen 5 und 10 % beobachtet wurde. Diese Differenz war insbesondere bei Pseudomonas ae ruginosa und Staph . aureus ausgeprägt.

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Zeitschrift für Chemotherapie

Bei Berechnung der Gesamtresistenz­quote bzw. Empfindlichkeitsrate ergab sich eine Sensibilitätsquote von 89% für Imipenem bei Intensivpatienten und 97% bei Nichtintensivpatienten, für Ciprofloxacin lauteten die entsprechen­den Zahlen 96% und 93% und für Ticar­cillin plus Clavulansäure (TIMENTIN) 92% bzw. 96%.

Eine holländische Arbeitsgrupp...f berich­tete über einen Vergleich der einmal täg­lichen Gentamiein (REFOBACIN u. a.)­Behandlung mit der einmal täglichen Gabe von Netilmicin (CERTOMYCIN) bei Patienten mit schweren Infektionen. Insgesamt 175 Patienten wurden in die Studie aufgenommen und randomisiert entweder mit 4 mg/ kg täglich Gentamiein bzw. 5,5 mg/kg KG Netilmicin behan­delt. Die Mehrzahl der Patienten erhielt darüber hinaus viermal täglich 1 gAmoxi­cillin (CLAMOXYL u. a.) intravenös.Die klinische Erfolgsrate betrug bei den Gen­tamicin-behandelten und auswertbaren Patienten 92,6% bzw. 92,3% in der Netil­micingruppe. Eine nephrotoxische Reak­tion - definiert als Anstieg des Serum­kreatinins um E;::; 45 f.Lmol/1- entwickelten 6,9% der Patienten unter Gentamiein und 14,5 % der Patienten nach Behand­lung mit Netilmicin . Der Unterschied war statistisch nicht signifikant. Auch bezüg­lich der ototoxischen Reaktion ergaben sich keine Unterschiede. Insgesamt kom­men die Autoren zu dem Ergebnis, daß keine Unterschiede zwischen diesen beiden Aminoglykosidantibiotika in der Behandlung neutrapeniseher Patienten hinsichtlich der Wirksamkeit und der Verträglichkeit bei einmal täglicher Gabe zu registrieren waren.

Autoren aus Basel (Schweiz), Nigeria und Kamerun berichteten über ein neues Antimalariamittel, welches durch Ab­wandlung von den in China entdeckten Wirkstoffen Qinghaosu und Yingzhaosu synthetisiert wurde. Das neue Antimala­riamittel wird Arteflene benannt (RO 42-1611). Die pharmakakinetischen Daten deuten auf eine relativ kurze Eliminati­onshalbwertzeit von zwei bis vier Stun­den hin, die Resorption ist bis zu Dosie­rungen von 1800 mg dosislinear, aktive Substanz wurde nicht im Urin nachgewie­sen. Der Hauptmetabolit erreicht deut­lich höhere Spiegel als die Muttersub­stanz im Serum und scheint an der Anti­plasmodienaktivität der Muttersubstanz beteiligt zu sein. Erste klinische Daten bei über 50 Patienten in Afrika erbrachten vielversprechende Ergebnisse bei P. falci­parum-Infektionen und eine günstige Verträglichkeit.

Französische Autoren berichteten über eine umfangreiche multizentrische Stu­die zur Epidemiologie der Sinusitis. 237 Patienten wurden erfaßt, die eine puru­lente Sekretion über mehr als drei Mona­ten aufwiesen und entsprechende Verän-

derungen bei den radiologischen Unter­suchungen aufwiesen. Es handelte sich in 40% um unilaterale Sinusitiden der Maxilla, in 24% um einen bilateralen Befall, in 24% um eine Beteiligung der Ethmoidalhöhlen und in 19% der Fron­talsinus sowie in knapp 3% der Sphenoi­dalsinus . 306 aerobe Bakterien (dominie­rend Staph. aureus, andere Staphylokok­ken, Viridans-Streptokokken, Hämophi­lus influenzae, Pneumokokken, Entere­bakterien, Corynebakterien) sowie 106 anaerobe Bakterien (dominierend Pro­pionibakterien, Peptostreptokokken, Pre­votella Spezies und Fusobacterium Spe­zies) wurden kultiviert. Die nachgewiese­nen Keime wiesen günstige Empfindlich­keiten gegenüber Amoxicillin/ Clavulan­säure (AUGMENTAN), Clindamycin (SOBELIN) aber auch für Amoxicillin und Penicillin auf, während Tetrazykline bei 15% und Makrolide bei 20% der Erreger resistent waren.

Eigenrecherche

Mykobakteriosen Wirksamkeit einer BCG-Impfung

In den IetztenJahren ist es insbesondere in den USA zu einem deutlichen Anstieg von Tuberkulosefallen gekommen, wobei ein Teil auf die zunehmende Verbreitung der HIV-Infektion in der Bevölkerung zurückgeführt werden konnte. Von be­sonderem epidemiologischen Interesse ist die Beobachtung, daß parallel zu die­ser Entwicklung zunehmend Tuberkel­erreger auftraten, die gegen mehrere Anti­tuberkulotika resistent waren. Legt man Serokonversionsraten zugrunde, so kön­nen diese hochresistenten Tuberkel­erreger relativ leicht von Erkrankten auf immunologisch Gesunde, z. B. medizini­sches Personal, übertragen werden. Auf Grund der epidemiologischen Bedeutung dieser hochresistenten Mykobakterien wurden Stimmen laut, die einen verstärk­ten Einsatz einer BCG-Impfung zur Ein­dämmung der Tuberkulose forderten . Die Bedeutung einer BCG-Impfung selbst für die Prävention einer aktiven Tuberkulose ist allerdings umstritten und selbst nach einer Anwendungszeit von 73 Jahren unklar.

In einer Meta-Analyse, die auf 1264 Artikeln und Abstracts der wissenschaft­lichen Literatur basierte, wurde versucht, die Häufigkeit einer Tuberkulose in geimpften und nicht-geimpften Bevölke­rungsgruppen zu bestimmen. Für die Analyse wurden 14 Prospektivstudien und 12 Fallkontroll-Studien ausgewählt. Die Effektivität wurde durch die Berech­nung des relativen Risikos (RR) bzw. der "Odds Ratio" (OR) ermittelt.

In den prospektiven Studien fand sich ein RR der Tuberkulose in der geimpften

Juli/August 1994 -IS.]ahrg.

Gruppe von 0,49 (0,34-0,7) wobei ein Wert unter 1,0 eine Wirksamkeit der Prophylaxe anzeigt. Der protektive Effekt einer Impfung betrug 50%. In den Fall­kontroll-Studien fand sich eine OR von 0,5 (0,39-0,64). Die Sterblichkeit einer Tuberkulose wurde durch die BCG-Imp­fung reduziert (RR 0,29), ebenso die Häufigkeit der Entwicklung einer tuber­kulösen Meningitis (OR 0,36) .

FOLGERUNG DER AUTOREN: Nach Durchsicht von 1264 Artikeln über die BCG-Impfung zeigte sich, daß eine BCG-lmpfung die Häufigkeit einer Tuberkulose in der geimpften Popula­tion, die Sterblichkeit an einer Tuber­kulose sowie das Auftreten einer Menin­gitis signifikant reduzieren kann. Im Hinblick auf die zunehmende Bedeu­tung der Tuberkulose in bestimmten Risikogruppen und hinsichtlich des Auftretens von hochresistenten Tuberku­loseerregern sollte an diese therapeutische Option im Kampf gegen die Tuberkulose vermehrt gedacht werden.

COLD! TZ, G. A. et al. JAMA271: 698-702 , 1994

Überwachte Medikamenteneinnahme bei derTuberkulosetherapie Weltweit wird ein Anstieg der Tuberku­loseinzidenz beobachtet. Von dieser Ent­wicklung sind zwar primär die Entwick­lungsländer betroffen, jedoch konnte in den vergangenenJahren auch in den Län­dern Europas und in den Vereinigten Staa­ten von Amerika ein deutlicher Anstieg der Neuerkrankungen an Lungentuber­kulose gesehen werden. In den USA spielt im Rahmen der Tuberkuloseerkrankun­gen insbesondere die in den Ballungs­gebieten beobachtete massive Häufung von Resistenzen gegenüber den Standard­therapeutika ein Rolle . Dies Problem exi­stiert in gemildertem Ausmaß auch in anderen Ländern. Ein wesentlicher Grund für die hohen Resistenzraten liegt sicher­lich in den Strukturen des amerikani­schen Gesundheitswesens begründet, das Patienten mit niedrigem Einkommen keine regelmäßige ärztliche Betreuung zur Verfügung stellen kann. Der wichtig­ste Grund für eine Resistenz bei Myco­bacterium tuberculosis ist die sogenannte sekundäre, d . h. die durch die Therapie erworbene Resistenz, die sich entwickelt, wenn die antituberkulösen Medikamente in unzureichender Dosierung oder in nicht adäquater Kombination eingenom­men werden. Das wichtigste Instrument zur Verhinderung dieser Therapie-indu­zierten Sekundärresistenz besteht also in der Gewährleistung einer regelrechten und konsequenten Durchführung der antituberkulösen Chemotherapie. Unter diesem Aspekt hat die in Europa bei sozial benachteiligten und als nicht-compliant eingeschätzten Patienten schon lange praktizierte Überwachung der Medika-

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Zeitschrift für Chemotherapie

menteneinnahme neue Aufmerksamkeit gefunden. In einer kürzlich veröffentlich­ten Untersuchung berichteten Ärzte aus Texas über die Ergebnisse einer überwach­ten Tuberkulosetherapie in den Jahren 1986 bis 1992 im Vergleich zu einem Zeit­raum, in dem die Therapie nicht über­wacht worden war (1980 bis 1986). Insge­samt wurden 407 Therapien ohne über­wachte mit 581 Behandlungen mit über­wachter Medikamenteneinnahme vergli­chen . Der Anteil sozialer Risikogruppen an den Patienten (Alkohol- und Drogen­abusus, Obdachlosigkeit, Arbeitslosig­keit) war hoch . Bei gleichbleibender Inzidenz der Tuberkulose gelang es, die Rate der Rezidive nach Primärtherapie von im Mittel 1,6/ 100.000 unter unbe­wachter Medikamenteneinnahme auf im Mittel 0,4/ 100.000 unter überwachter Medikamenteneinnahme zu senken . Gleichzeitig konnte der Anteil der Rezi­dive mit einfach und mehrfach resisten­ten Erregern deutlich vermindert wer­den . Bei der besonderen Betrachtung der durch eine schlechte Compliance beding­ten sekundären Therapie-induzierten Resistenz fand sich eine Senkung der Rate von 0,81100.000 auf 0,11100.000 unter der überwachten Therapie.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Die Überwachung der Medikamentenein­nahme bei der Therapie der Tuberkulose fuhrt zu einer signifikanten Reduktion der Frequenz einer Medikamentenresi­stenz und der Rezidive der Erkrankung.

WEIS, S. E. et al. N. Engl. J . Med.330 : 1179- 1184, 1994

ANMERKUNG DER REDAKTION : Die oben dargestellte Studie muß im Zusammenhang mit der Zunahme der Tuberkulose und der resistenten M. tuberculosis-Stämme in den USA gesehen werden. Die Überwachung der Medikamenteneinnahme in der Thera­pie der Tuberkulose bei Patienten mit erwartungsgemäß schlechter Compli­ance stellt in Europa eine lange geübte und bewährte Praxis dar.

Die Gabe von y-lnterferon bei disseminierten nichttuberkulösen Mykobakteriosen Nichttuberkulöse Mykobakterien sind fakultativ pathogene Keime. Bei einer definierten Immunsuppression spielen diese Bakterien als Krankheitserreger eine bedeutende Rolle. Insbesondere bei einer Verminderung der Iymphozytären Ab­wehr, wie sie im Rahmen der HIV-Infek­tion entsteht, sind nichttuberkulöse Mykobakteriosen beschrieben . Gefürch­tet ist bei fortgeschrittenem AIDS ins­besondere eine Infektion mit dem Myco­bacterium avium-Complex (MAC). Mycobacterium avium und Mycobacte­rium intracellulare, die zusammengefa ß t als Mycobacterium avium-Complex be-

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zeichnet werden, zeigen eine Resistenz gegenüber den meisten Standardthera­peutika, die zur Therapie von Mykobak­teriosen eingesetzt werden kön nen . Von den zur Zeit verfügbaren Medikamenten bieten allenfalls Ethambutol (MYAM­BUTOL u. a.), Ciprofl oxacin (CIPRO­BAY) und Clarithromycin (KLACID, CVL) eine klinisch relevan te Wirksamke it. In der Regel entwickeln die Erreger jedoch nach einer relativ kurzen Zeit auch Resi­stenzen gegenüber diesen Substanzen .

Basierend auf Daten, die in Tierversuchen gewonnen worden sind , untersuchte eine Arbeitsgruppe aus Bethesda (USA) jetzt bei insgesamt sieben Patienten mit Thera­pie-refraktäre r disseminierter nichttuber­kulöser Mykobakteriose die Effekte von y-Interferon . Bei drei Patienten handelte es sich um eine Familie mit offensichtlich genetischer Dispos ition für die En twick­lung einer Mycobacterium avium-Com­plex-Infektion , die anderen vie r Patien­ten litten unter einem idiopathischen CD4-T-Lymphozytopeniesynd rom . Die Patienten erhielten zwei bis dre imal täg­lich 25 bis 50 j..l.g Interferon pro m2 Kör­peroberfläche subkutan injiziert. Parallel dazu wurde eine kombinierte Chemo­therapie, ausgerich te t an der Resistenz­lage der ind ividuellen Erreger, durchge­führt . Bereits nach acht Wochen Thera­pie mit y-Interferon ze igte sich eine deut­liche klinische Besse rung der Patienten . Darüber hinaus fa nd sich eine Abnahme bzw. ein Stillstand der rad iologisch doku­mentierbaren O rganläsionen . Bei zwei Patienten mußte die y-Interferondosis wegen Müdigkeit, allgemeiner Schwäche und Myalgien reduziert werden, bei einer Patientin wurde die y- Interfe rongabe nach 14 Wochen Therapie wegen eines großzelligen Lymphoms ausgesetzt . Die Gesamtdauer der y-Interfe ron therapie bei den sechs Patienten lag insgesamt zwischen vier und 19 Monaten . Bei vier Patienten wurde die Behandlung in der Zwischenzeit ausgese tzt, einmal wegen des geschilderten Lymphoms, in den drei anderen Fällen wegen einer klinisch dokumentierten Heilung. D rei Patienten befinden sich weiterhin unter y- Inter­ferontherapie, auch hier ist der Therapie­erfolg unverändert gut .

FOLGERUNG DER AUTOREN: y-Interferon in Kombination mit kon­ventioneller antimykobakterieller The­rapie scheint eine effektive therapeuti­sche Strategie bei Patienten mit refrak­tärer disseminierter nichttuberkulöser Mykobakteriose zu sein. HOLLAND, S. M . : N. Engl. J . Med. 33 0: 1348- 1355 , 1994

ANMERKUNG DER REDAKTION: Bei der oben dargestellten Studie handelt es sich um ein experimentelles Vorhaben, das unter der Supervision einer Fülle von grundlagenwissenschaftlich orientierten Institutionen realisiert werden konnte.

Juli /August 1994 - 15.}ahrg.

Die Ergebnisse der Studie sindtrotzihrer zahlenmäßigen Limitation vielverspre­chend, jedoch kann aus diesen Ergeb­nissen keinesfalls zum jetzigen Zeit­punkt eine Indikation fur die kosten­intensive y-Interferongabe bei dissemi­nierten Mykobakteriosen gefolgert wer­den. Bis weitere Studien vorliegen, bleibt ein solches Vorgehen hochspezialisierten Zentren vorbehalten.

Harnwegs­infektionen Kann eine Bakteriurie und Pyurie durch Preisetheersaft verhindert werden? Seit Jahrzehnten gilt Preiselbeersaft als wirksames H ausmittel gegen bakterielle Blaseninfektionen, obwohl prospektive Studien zur Effektivitä t nie durchgeführt wurden. Ein möglicher Effekt dieses Saf­tes könnte sowohl auf die Ansäuerung des Urins durch Hippursäure als auch auf eine Hemmung der bakteriellen Adhärenz am Urathel zurückgeführt werden .

In einer randomisierten , doppelblinden plazebokon tro ll ierten Studie wurde die Wirksamkeit de r regelmäßigen Einnahme von Pre iselbeersaft bei älteren Frauen (mittl eres Alter 78,5 Jahre) hinsichtlich der Verhinderung eines Harnwegsinfektes untersuch t. 153 Frauen erhielten entwe­der 300 ml eines käuflich erhältlichen Preiselbeersaftes oder ein synthetisches Plazebogetränk, das sich durch Farbe , Aussehen und Vitamin C -Gehalt nicht vom O riginalsaft unterschied .

Urinproben wurden in monatlichen Abständen zur chemischen und bakterio­logischen Analyse gewonnen. Endpunkt der Untersuchung war eine Bakteriurie (~ 105 Keime/ mi) mit gleichzeitige r Pyurie.

Von 153 Patientinnen hatten 18 %, die den Preiselbeersaft erhalten so ll ten , bzw. 21 OJo der Pl azebogruppe zu Beginn der Untersuchung eine Bakteriurie/Pyurie. Bei 15 bzw. 22 OJo bes tand eine Harn­inkontinenz. Nur vie r der Patientinnen standen unte r einer Ö strogen-Dauer­medikation.

Von 818 untersuchten Urinproben zeigte 113 eine bakterielle Besiedlung, am häu­figste n wurden E.co li und Klebsiella spp. nachgewiesen .

Eine Bakteriurie/ Pyurie wurde in 28 OJo der Plazebogruppe und in 15 OJo der Verumgruppe nachgewiesen . Die "Odds Ratio" betrug 0,42, wobei ein Wert unter 1,0 einen pro tektiven Effe kt des Preisel­beersaftes anzeigte (p < 0,004).

Dieser günstige Effekt ließ sich auch für die Gruppe de r Pa tientinnen nachwei-

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Zeitschrift für Chemotherapie

sen, bei denen eine Harnwegsinfektion in den letzten 12 Monaten vor Studien­aufnahme vorlag.

Die 1-Monats-Wahrscheinlichkeit eines Wechsels von einer Abakteriurie zu einer Bakteriurie betrug 0,09 in der Gruppe mit Preiselbeersaft bzw. 0,12 in der Plazebo­gruppe. Die Wahrscheinlichkeit, während der Preiselbeersaft-Einnahme bakteriu­risch zu bleiben, betrug nur 114 der Wahr­scheinlichkeit der Plazebogruppe (p < 0,006).

FOLGE RUNG D E RAUTORE N: In dieser exakt durchgefuhrten prosp ek­tiven, randomisierten, plazebo-kontrol­lierten Untersuchung fand sich b ei älte­ren Patientinnen mit regelmäßiger E in­nahme eines Preiselbeersaftes eine signi­fikante Abnahme des Auftreten s einer Bakteriurie bzw. Pyurie. D arüb er hinaus hatten die bakteriurischen Frauen m it Einnahme des Preiselbeersaftes eine si­gnifikant grö ß ere Chance abak teriurisch zu werden, als die Frauen mit d em Plaze­bogetränk.

AVORN,J. et al. JAMA271: 75 1- 754,1994

Asymptomatische Bakteriurie der älteren Frau- behandeln oder nicht? Die Auswirkungen einer asymptomati­schen Bakteriurie bei der älteren Frau hin­sichtlich einer höheren Mortalität wird seit vielen Jahren kontrovers diskutiert . Insbesondere die Frage, ob die Behand­lung einer asymptomatischen Bakteriurie im höheren Lebensalter einen günstigen Effekt auf eine mögliche erhöhte Morta­lität ausübt, ist von ganz erheblicher medizinischer und insbesondere auch ökonomischer Bedeutung. In einer um­fangreichen epidemiologischen Studie an mehr als 2000 Frauen aus einem geri­atrischen Zentrum in Philadephia (USA) wurde dieser Frage nachgegangen . Es wurden nur Patientinnen ohne Dauer­katheter in diese Studie eingeschlossen und alle sechs Monate eine Urinkultur angelegt, wobei im Mittelstrahlurin eine signifikante Keimzahl von 105 ml oder mehr erreicht werden mußte. Es konnten zwei Gruppen definiert werden, die eine Gruppe umfaßte 1173 Frauen mit einem mittleren Lebensalter von 80 Jahren zu Beginn der Studie, die niemals eine posi­tive Urinkultur aufwiesen; die zweite Gruppe umfaßte 318 Frauen mit einem mittleren Lebensalter von 82 Jahren, die kontinuierlich positive Urinkulturen bo­ten . Während der fortlaufenden Beob­achtungsstudie zeigte sich, daß die infizierten Frauen im Mittel signifikant älterund kränkerwaren sowie eine höhere Letalitä t aufwiesen im Vergleich zu den nichtinfizierten Frauen . Bei einer multi­varianten Analyse zeigte sich jedoch, daß die Infektion nicht als erhöhtes Risiko hinsichtlich der Letalität zu bewer-

Juli/August 1994 - JS.jahrg.

Fragen zu wichtigen Infektionen ( 4) Reisediarrhö II: Behandlung 7. Welche Medika mente so llten zu r Behandlung de r Reisedi arrh ö eingesetzt werden '

Basis der Behandlung der schweren Diarrhö ist die Flüssigkeitssubstitution. Bei mäßigen Flüssigkeitsverlusten eignen sich hierzu abgepackte Fruchtsäfte, coffeinfreie Softdrinks und Mineralwasser. Entscheidend ist, daß neben Flüssigkeit auch Glukose und Salz in Form von Salzstangen oder anderem Salzgebäck zugeführt wird. Bei schwerer Symptomatik gilt die WHO-Formel zur oralen Rehydratation als Standardsubstitution: 3,5 g Natriumchlorid, 2,5 g Natriumhydrogenkarbonat, I ,5 g Kaliumchlorid, 40 g Traubenzucker pro Liter abge­kochtes Wasser.

Im Rahmen der symptomatischen Therapie haben auch Medikamente ihren Platz, die die Darmmotilität herabsetzen: Loperamid (IM ODIUM) 4 mg Startdosis gefolgt von 2 mg nach jeder Stuhlentleerung bis maximal 16 mg pro Tag oder Wismut-Subsalizylat OATROX) 30mlalle 30 Minuten bis zu achtmal täglich gelten als Mittel der Wahl.

Antibakterielle Chemotherapeutika, die zum Einsatz kommen, sind Co-trimoxazol (BAC­TRIM u. a.) in einer Dosierung von dreimal einer Fortetablette, Doxycyclin (VIBRAMYCIN u. a.) 200 mg einmal täglich, Ciprofloxacin (CIPROBAY) 500 mg zweimal täglich und Norfloxacin (BARAZAN) 400 mg zweimal täglich jeweils über flinfTage. Aufgrund der bisher vorliegenden Untersuchungen kann davon ausgegangen werden, daß die Kombination eines Antibiotikums, z. B. von Co-trimoxazol, mit Motilitätshemmern wie z. B. Loperamid, effek­tiver in der Behandlung der Reisediarrhö ist, als die Gabe eines Antibiotikums allein.

8. So ll en alle Reise nden, di e Risiko lände r besuchen mi t einer Medikati on zur Selbstbehand­lun g der Reisedia rrh ö verse hen we rden und welches ist d ie hi erfü r empfohlene antibi o tische Therapie'

Die Frage, ob Patienten mit einer Selbstmedikation versorgt werden sollen, wird kontrovers diskutiert. Zwei Gesichtspunkte müssen bei der Diskussion dieses Problems beachtet werden: 1. Der größte Teil der Reisediarrhö ist bakteriell bedingt; 2. Nahezu alle Reisediarrhöen ver­laufen selbstlimitierend, eine Therapie erfolgt daher in der Regel nicht zur Heilung, sondern zur Abkürzung der Symptomatik. Auf jeden Fall sollten Reisende über die Möglichkeiten der Rehydratationstherapie (siehe oben) informiert sein.Als symptomatisches Mittel zur Behand­lung der Reisediarrhö können Reisende mit Loperamid versorgt werden, das die Stuhlent­leerungen im Fall einer Erkrankung bis zu 80% reduzieren kann. Dabei muß allerdings Sorge dafür getragen werden, daß motilitätshemmende Medikam ente aufkeinen Fall bei Fieberoder blutigen Stühlen eingenommen werden dürfen. Bei der Empfehlung einer Selbstmedikation müssen die Resistenzverhältnisse der ETEC-Stämme beachtet werden . In Mittelamerika gilt Co-trimoxazol (BACTRIM u.a.) als Mittel der Wahl, da hier kaum Resistenzen vorliegen . Resistenzen gegenüberTrimethoprim (TRIMANYL u. a.) sind jedoch in Südamerika,Südasien und Nordafrika häufig. Hier eignet sich die Gabe von Chinolonen im Rahmen der bedarfs­orientierten Selbstmedikation.

9. Wi e we rd en Kleinkinder und schwa nge re Frauen mit Reisediarrhö behandelt '

Verbindliche Richtlinien für die Behandlung von Kleinkindern und schwangeren Frauen bestehen nicht. Bei diesen beiden Patientengruppen sind Tetrazykline und Chinolone nicht indiziert. Medikamente mit Einfluß auf die Darmmotilität wie Loperamid oder Wismut-Sub­sa lizylat sollten bei Kindern erst jenseits des dritten Lebensjahres verschrieben werden . Für die orale Rehydratation von Kindern stehen spezielle Elektrolytzuckerpräparationen zur Verfügung (ORALPÄDON u. a.) . Sollten Kl einkinder erkranken, sollte in jedem Fall schon während der Krankheit ärztliche Hilfe gesucht werden. Als antibiotische Therapie der Wahl bei Kindern gilt Co-trimoxazol oder Erythromycin (ERYTHROCIN u. a.). Die beiden zuletzt genannten Substanzen kommen auch bei schwangeren Frauen zum Einsatz. Auch bei diesen Patientinnen sollte jedoch primär versucht werden, über geeignete symptomatische Maß­nahmen die Krankheit soweit zu bessern, daß eine an tibiotische Therapie nach Möglichkeit nicht notwendig wird.

10. So ll en be i Reise nd en in ein Ri sikogebiet regelmäß ig Stuhluntersuchunge n nach der Rü ck­kehr erfo lge n '

Bei Kurzzeitreisen erscheint es sowohl im Hinblick auf die Bedeutung als auch die Genese der Durchfallerkrankungen unsinnig, routinemäßig nach der Rückkehr Stuhluntersuchungen durchzuführen . Lediglich bei Menschen, die über lange Zeiträume (ein bis zwei Jahre) in Ländern mit hohem Risiko für parasitäre Darmerkrankungen gelebt haben , sollte eine mikros­kopische Untersuchung des Stuhls durchgeflihrt werden, Stuhlkulturen sind nicht indiziert.

DuPONT,H.L.: Infect. Dis. Cl in. Pract. I: 396- 400, 1992

ten war, vielmehr waren das höhere Alter und die stärker eingeschränkte Gesundheit die entscheidenden statisti­schen Prädiktoren . In der Beobachtungs­studie wurde auch ein Behandlungs­protokoll analysiert; 192 infizierte Frauen wurden behandelt und 166

infizierte Frauen dienten als nichtbehan­delte Kontrollpatienten . 30 Patientinnen (18,1 %) verstarben in der behandelten Gruppe, hingegen 20,3% in der unbe­handelten Kontrollgruppe; diese Unter­schiede waren statistisch nicht signifi­kant .

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Zeitschrift für Chemotherapie

FOLGERUNG DER AUTOREN: Asymptomatische Bakteriurien waren bei älteren Frauen kein erhöhtes Risiko hinsichtlich einer vermehrten Letalität; auch die Behandlung der asymptomati­schen Bakteriurie in dieser umfangrei­chen Studie senkte nicht die Sterblich­keit. Die Autoren halten daher ein Harn­wegsinfektions-Screening und die Be­handlung einer asymptomatischen Bak· teriurie im ambulanten Bereich bei älte­ren Frauen nicht fiir sinnvoll. ABRUTYN, E. et al. Ann. Intern Med. 120: 827-833, 1994

Korrespondenz "' .. Mit Interesse lese ich seit mehreren Jahren Ihre oben genannte Zeitschrift. Immer wenn die lokale Applikation von Antibiotika behan­delt wird, muß ich schmunzeln. Scheinbar selbstverständlich wird die Ophthalmologie regelmäßig ausgenommen bzw. verschwiegen. Dabei werden weltweit tonnenweise antimi­krobielle Substanzen lokal am Auge verwen­det . Das reicht von Chloramphenicol über Gentamiein bis zu Aciclovir und Amphoteri­cin B. Die lokale Applikation am Auge hat wichtige Gründe und auch Vorteile aber auch eine Reihe von erheblichen Nachteilen. Weit­hin unbekannt ist beispielsweise, daß prak­tisch weltweit bei den Kataraktoperationen und Vitrektomien Gentamiein der Spülflüs­sigkeit zugesetzt ist und somit praktisch jeder Op-Patient dabei ausgiebig Kontakt erhält. Ich vermute, daß dies einer der Gründe für die zunehmende Resistenzentwicklung gegen Aminoglykoside darstellt.

Die Tatsache, daß Thymidinkinase - negative Herpesviren existieren und diese gegenüber Aciclovir resistent sind, ist seit Einführung der Substanz bekannt. Deshalb sollte am Auge primär auch Trifluorthymidin bei oberfläch­lichen herpetischen Infektionen angewendet werden und Aciclovir nur bei tiefen Infek­tionen wegen der besseren Penetration . . . "

gez. Prof. Dr. Behrens-Baumann Universitätsaugenklinik Otto-von- Guericke-Universität, Magdeburg

Pädiatrie Dexamethason verbessert die Langzeitprognose bakterieller Meningitiden bei Kindern Trotz der jüngsten Fortschritte in der Behandlung bakterieller Meningitiden sind diese Infektionen auch heute noch eine ernsthafte Bedrohung für die betrof­fenen Patienten. Die Rolle von Korti­koiden in der Therapie von Meningitiden hinsichtlich der Vermeidung bzw. Verbes­serung neurologischer Defektzustände war lange umstritten, allerdings haben in den letzten Jahren einige Untersuchun­gen eine günstige Wirkung auf neurolo­gische Komplikationen gezeigt.

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Postvertriebsstück A 13140 F

Zeitschrift für Chemotherapie Eichenallee 36 a, 14050 Berlin

In einer prospektiven plazebokontrol­lierten, multizentrischen Studie wurde die klinische Wirksamkeit von Dexa­methason (FORTECORTIN) in einer Dosierung von 2 x 0,4 mg/ kg für die ersten zwei Tage gegen Plazebo ver­glichen. Eingeschlossen wurden 138 Kinder mit einer bakteriellen Meningitis, die alle Ceftriaxon (ROCEPHIN) 1 x 100 mg/ kg intravenös erhielten; andere Antibiotika wurden nicht verabreicht. Die Behandlung wurde über sieben bis neun Tage in Abhängigkeit von der Art des Keimes durchgeführt. Verlaufsunter­suchungen beinhalteten regelmäßige mikrobiologische und klinisch-chemische Liquor-Untersuchungen, bis Sterilität erreicht wurde. Hörprüfungen sowie Untersuchungen der körperlichen und geistigen Entwicklung der Kinderwurden bis zu neun Monaten danach vorge­nommen .

Als Erregerwurden in 67 Fällen H . influen­zae, in 28 Fällen N. meningitides und in 11 Fällen S. pneumoniae isoliert, die alle gegenüber Ceftriaxon sensibel waren; in den übrigen Fällen gelang keine Erreger­identifizierung. Keines der Kinder ver­starb. Nach 24 Stunden Behandlung fand sich hinsichtlich der Entzündungs­parameter im Liquor (Konzentration an neutrophilen Zellen, Protein- bzw. Laktat­gehalt,TNF-alpha und Interleukin-1 beta­Konzentration) zwischen den beiden Gruppen kein Unterschied. Nur die Glukose-Konzentration zeigte in der

Juli/August 1994 -JS.jahrg.

Gebühr bezahlt

Dexamethasongruppe eine signifikant raschere Normalisierungstendenz. Die Rate an Komplikationen war in beiden Guppen gleich. Die mit Dexamethason behandelten Kinder wiesen weniger Hörstörungen auf. Darüber hinaus fan­den sich nur bei 5% dieser Gruppe eine oder mehrere neurologische Folgestörun­gen, in der Plazebogruppe jedoch in 16 %; dieser Unterschied war signifi­kant.

FOLGERUNG DER AUTOREN: In einer prospektiven Studie wurden Kin­der mit einer bakteriellen Meningitis mit Ceftriaxon (ROCEPHIN) 1 x 100 mg/ kg pro Tag i. v. und zusätzlich entweder mit Dexamethason (FORTECORTIN) 2 x 0,4 mg/ kg über zwei Tage oder mit Pla­zebo behandelt. Kein Unterschied fand sich hinsichtlich der Verträglichkeit, der klinischen Effektivität, der Zeitdauer bis zur Liquorsterilität sowie von Liquorent­zündungsparametern. Allerdings kam es in der Dexamethasongruppe zu einer rascheren Normalisierung der Liquor­Glukose. Darüber hinaus fiihrte die Dexamethason-Behandlung zu signifi­kant weniger neurologischen Defekt­zuständen, so daß die Autoren Dexame­thason in der Behandlung einer bakteri­ellen Meningitis in der vorgegebenen Dosierung empfehlen.

SCHAAD, U. B. et al. Lancet342:457-461,1993