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Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung Eine Gemeinschaftsorganisation von stahlerzeugenden Unternehmen und dem Deutschen Stahlbau-Verband DSTV Dokumentation 657 Vortragsreihe l Deutscher Stahlbautag 2002

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Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung

Eine Gemeinschaftsorganisation von stahlerzeugenden Unternehmen und

dem Deutschen Stahlbau-Verband DSTV

Dokumentation 657Vortragsreihe l

Deutscher Stahlbautag 2002

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BAUEN MIT STAHL

Inhalt Seite

W.-D. SchulzBeständigkeit von Korrosions-schutzsystemen unter mechanischen Belastungen in der Praxis 4

I. MangerigBetondübel – eine Alternative zur Sicherung der Verbundfuge 6

J. LindnerZur Tragfähigkeit von Kontaktstößen 12

J. LangeWerkstoffkennwerte im Hochtemperaturbereich und ihr Einfluss auf die praktische Bemessung 18

G. Sedlacek; D. Bohmann, C. Heinemeyer, P. Langenberg, B. Kühn, S. Höhler, C. Müller, J. StötzelSicherheit von Schweißnähten im Stahlbau 23

S. KeitelTrends in der schweiß-technischen Fertgung von Stahlkonstruktionen 32

Autorenverzeichnis 37

Impressum

Dokumentation 657Vortragsreihe lDeutscher Stahlbautag 2002Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung

Herausgeber:BAUEN MIT STAHL e. V.Sohnstraße 65 40237 DüsseldorfPostfach 10 48 4240039 DüsseldorfTelefon (02 11) 67 07-828Telefax (02 11) 67 [email protected]

Ein Nachdruck dieser Publikation –auch auszugsweise – ist nur mitschriftlicher Genehmigung des Heraus-gebers bei deutlicher Quellenangabegestattet.

Die zugrunde liegenden Manuskriptewurden von den Autoren zur Verfügunggestellt und mit größter Sorgfaltredaktionell bearbeitet. Eine Haftungist jedoch ausgeschlossen.

Bildnachweis:Die in dieser Publikation verwendetenAbbildungen wurden von den Autorenzur Verfügung gestellt.

Titelbild:Konstruktive Rohrknoten mit unter-schiedlichen Anschlussbedingungen im EXPO 2000 Pavillon Venezuela

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Ausschuß für StahlbauDASt

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2 Mechanische Eigenschaften

Außer Korrosionsschutzeigenschaftenspielen auch mechanische Eigenschaftenfür die Dauerhaftigkeit von Beschichtun-gen und Metallüberzügen eine wichtigeRolle. Insbesondere mechanische Abrieb-beständigkeit und Resistenz gegen Stein-schlag sind in dieser Hinsicht interessant.

2.1 Mechanische Abriebbeständigkeit

• PrüfmethodeDie mechanische Abriebbeständigkeitkann u. a. nach DIN EN 438-2 geprüftwerden. Diese Norm bestimmt dieFähigkeit einer Oberfläche, Durch-scheuern bis auf das Grundmetall zuwiderstehen. Abrieb wird erzielt, in-dem ein Probekörper unter belastetenund mit Schmirgelpapier belegten Rä-dern rotiert. Die Anzahl der Umdre-hungen des Probekörpers bis zu einemfestgelegten Grad des Abriebes wirdals Maß für die Abriebbeständigkeitbenutzt.

Zweckmäßigerweise wird für organischeBeschichtungen als Prüfdauer die An-zahl der Umläufe festgelegt, nach der

das Grundmetallzu 95 % sichtbarist. Für Zinkschich-ten kann dieSchichtdicke vorund nach einervergleichbarenAnzahl von Um-läufen gemessenwerden, wobeidie Schichtdicken-differenz dann einMaß für die Ab-riebbeständigkeitist.

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Beständigkeit von Korrosionsschutzsystemen unter mechanischen Belastungen in der Praxis

1 Korrosionsschutzeigenschaften

Korrosionsschutzsysteme für Stahlbau-ten auf der Basis von Beschichtungennach DIN EN ISO 12944-5 bzw. Überzü-gen nach DIN EN ISO 1461 gewährleis-ten heutzutage Korrosionsschutzdauernvon deutlich mehr als 15 Jahren, teilweisesogar von mehr als 50 Jahren. Das hängteinmal mit der gestiegenen Qualität die-ser Systeme zusammen, zum anderen aberauch mit der verringerten Korrosionsag-gressivität der uns umgebenden Atmos-phäre, die in DIN EN ISO 1944-2 standar-disiert ist. Am Beispiel Ostdeutschland –das in den letzten 10 Jahren die größtenindustriellen Umwälzungen seit 1945 er-lebt hat – hat sich z. B. die Korrosions-aggressivität, ausgedrückt in Stahlver-lust pro Jahr und m2, mehr als halbiert:– korrosiv bedingter Stahlverlust

in Dresden vor 1996: ~ 520 g/m2

– korrosiv bedingter Stahlverlustin Dresden im Jahr 2001: ~ 200 g/m2.

Die Korrosionsschutzdauer unterschied-licher, normgerechter Korrosionsschutz-systeme auf Stahl stellt sich heute für dasmitteleuropäische Binnenland in etwa wiefolgt dar, wobei als Kriterium das deutlicheAuftreten von Rotrost angenommen wird(Ri 3 nach DIN EN ISO 4628-3).

Durch Division der jeweils abgetrage-nen Schichtdicke durch die Anzahl derUmläufe kann der Abtrag pro Umlaufermittelt werden, wodurch man eineeindeutige und materialspezifischeKennzahl erhält, die unabhängig z. B.von der Ausgangsschichtdicke ist.

• ExperimentellesDie zur Prüfung verwendeten Beschich-tungen und Überzüge sind in Tabelle 2einschließlich der jeweiligen (gerunde-ten) Schichtdicke zusammengestellt.

• ErgebnisseDie Ergebnisse (Tabelle 3) zeigen, dassder Abrieb der organischen Überzüge0,08 und 0,25 µm pro Umlauf beträgt.Dabei weisen die härteren Überzüge(EP, PUR) einen größeren Abrieb aufals die weicheren Überzüge (PVC, AK).Der Abrieb der Zinküberzüge liegtdemgegenüber nur bei 0,02 µm proUmlauf, ist also etwa eine Zehner-potenz geringer als der von organi-schen Beschichtungen. Unterschiedezwischen den verschiedenen geprüf-ten Zinküberzügen konnten nichtfestgestellt werden.

2.2 Steinschlagfestigkeit auf der Fläche

• PrüfmethodeDie Steinschlagfestigkeit einer Be-schichtung oder eines Überzuges kannnach DIN 55991-1 durch viele kleinescharfkantige Schlagkörper, die inrascher Folge und weitestgehend un-abhängig voneinander auftreffen, ge-prüft werden. Als Beschussmaterialdient ein definiertes Hartgussgranulat.Zum Sichtbarmachen von Beschädi-gungen können die Proben nach derSteinschlagprüfung gezielt bewittertwerden, wobei die eintretende Korro-sion als Kriterium für die Steinschlag-festigkeit genommen werden kann.

• ExperimentellesDie zur Prüfung verwendeten Beschich-tungen und Überzüge sind analog

Beständigkeit von Korrosionsschutzsystemen unter mechanischen Belastungen in der Praxis

Dr. Wolf-Dieter Schulz

Tabelle 1: Korrosionsschutzdauern gebräuchlicherÜberzüge und Beschichtungen auf Stahl und Zink

Tabelle 2: Proben-zusammenstellungmechanischeAbriebbeständigkeit

lfd. Nr. zu beurteilende Überzug SchichtdickeBeschichtung in µm

1 Alkydharz – 202 PVC – 203 Epoxidharz – 354 Polyurethanharz – 205 SP-Pulver – 1206 – DIN EN 10142 107 – DIN EN ISO 1461 75

• galvanische Überzüge, z. B. nach DIN 50961 1 ... 10 Jahre• Zinküberzüge nach DIN EN 10142 5 ... 15 Jahre• Beschichtungen nach DIN EN ISO 12944-5 15 ... 40 Jahre• Spritzzink-Überzüge nach DIN EN ISO 22063 25 ... 50 Jahre• Zinküberzüge (Stückverzinkung) nach DIN EN ISO 1461 40 ... 75 Jahre• Duplexsystem (Zinküberzug + Beschichtung) > 50 Jahre

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BAUEN MIT STAHL

lfd. Nr. Beschichtung Anzahl der Abrieboder Überzug Umläufe (gerundet) in µm/Umlauf

1 Alkydharz 180+) 0,112 PVC 250+) 0,083 Epoxidharz 140+) 0,254 Polyurethanharz 120+) 0,165 SP-Pulver 900+) 0,176 DIN EN 101427 DIN EN ISO 1461

500++) 0,02

+) bis 95 % Abrieb ++) Messung des Schichtabtrages

Tabelle 3: Ergebnisse der Prüfung der mechanischen Abriebbeständigkeit

Tabelle 4: Probenzusammenstellung Steinschlagfestigkeit

lfd. Nr. Beschichtung Überzug Schichtdickein µm1 Alkydharz – 1202 PVC – 1103 Epoxidharz – 1204 Polyurethanharz – 1205 SP-Pulver – 706 – DIN EN 10142 207 – DIN EN ISO 1461 20

lfd. Nr. Probe Durchrostung(Grundmetallkorrosion)

nach Tagenanalog Ri 1 analog Ri 3

nach DIN ISO 4628-31 Alkydharz 1 32 PVC 1 23 Epoxidharz 4 124 Polyurethan 2 105 SP-Pulver 1 16 DIN EN 10142 – > 507 DIN EN ISO 1461 – > 50

Tabelle 5: Ergebnisse der Prüfung auf Steinschlagfestigkeit

Tabelle 6: Ergebnisse der Prüfung der Steinschlag-festigkeit an Kanten

Tabelle 2, allerdings mit verändertenSchichtdicken, in Tabelle 4 zusammen-gestellt.Die Prüfung beinhaltete folgende Para-meter (Verfahren C nach DIN 55991-1):

Druck in kPa 200 ± 10Masse in g 500 ± 20Förderzeit in s 10 ± 2

Die anschließende Bewitterung er-folgte in einem Schwitzwassergerätmit SO2-Zusatz nach DIN EN ISO 3231mit 0,2 Vol.-% SO2.

• ErgebnisseDie Ergebnisse der Korrosionsuntersu-chungen sind in Tabelle 5 zusammen-gestellt. Sie zeigen, dass– die pulverbeschichteten Proben auf

unverzinktem Stahl nach der durch-geführten Steinschlagbelastung so-fort Grundmetallkorrosion zeigen,

– die mit Flüssigbeschichtungsstoffen beschichteten Stahlproben inner-halb relativ kurzer Zeit Grund-metallkorrosion zeigen (1 ... 5 Tage),

– die verzinkten Stahlproben auch nach mehr als 30 Tagen Korrosions-belastung keine Grundmetallkorro-sion zeigen.

2.3 Steinschlagfestigkeit auf Kanten

• PrüfmethodeDie Prüfung erfolgte wie unter 2.2.bereits angegeben und an den gleichenProben. Abweichend von der Norm55991-1 wurden die Proben allerdingssenkrecht positioniert, sodass die Kantevom Steinschlag getroffen wurde.

• ErgebnisseDie Ergebnisse nach Bewitterung sindzusammengefasst in Tabelle 6 darge-stellt.

Sie lassen sich wie folgt zusammen-fassen:

– Feuerverzinkte Kanten stellen gegenSteinschlag einen sehr dauerhaften Korrosionsschutz dar, was auch für unbearbeitete, geschnittene Kanten zutrifft.

– Beschichtete, nicht feuerverzinkte Kanten sind demgegenüber emp-findlich gegen Steinschlag nach DIN 55996-1, was übrigens auch für

lfd. Probe Deutlicher Nr. Kantenrost

(Rotrost) nach Tagen Schwitzwasser-konstantklima

mit 0,2 Vol.-% SO2(DIN EN ISO 3231)

1 Alkydharz 12 PVC 23 Epoxidharz 24 Polyurethanharz 25 SP-Pulver 16 DIN EN 10142 > 457 DIN EN ISO 1461 > 45

8 hochtemperatur-verzinkt

> 45

KTL-Beschichtung zutrifft (die Ver-suche wurden an geschnittenen undnicht nachbearbeiteten Kanten durchgeführt).

– Deutliche Unterschiede innerhalb der einzelnen Beschichtungsarten und Feuerzinküberzüge wurden nicht festgestellt.

Zusammenfassend kann also gesagtwerden, das Zinküberzüge gegenmechanische Belastung einen außer-ordentlich guten Schutz darstellen.Zusammen mit ihrem hohen Korrosions-schutzwert stellen sie außerordentlichgeeignete Überzüge gegen mechanischeund korrosive Belastungen dar.

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Betondübel – eine Alternative zur Sicherung der Verbundfuge

1 Einleitung

Die bekannten Vorzüge der Stahlver-bundbauweise helfen dem deutschenStahlbau wesentliche Marktanteile zusichern. Sowohl im Brückenbau als auchim Bereich des allgemeinen Hochbauszeugen außergewöhnliche Bauvorhabenvon der Wirtschaftlichkeit dieser Bau-weise. Die Vorfertigungsmöglichkeitendes Stahlbaus sowie deren Vorteile beider Montage erlauben kurze Bauzeiten.Durch die Kombination mit dem ver-gleichsweise preisgünstigen WerkstoffBeton kann die Stahlverbundbauweisekostengünstig angeboten werden. Mitder Vorlage innovativer Konzepte konntenin den letzten Jahren bei der Brandsicher-heit entscheidende Fortschritte erzieltwerden. Die Flexibilität der Stahlverbund-bauweise eignet sich nahezu ideal, dieästhetischen Ansprüche der Architekturbei gleichzeitiger Sicherung der bau-physikalischen Erfordernisse zu erfüllen.

Das schubfeste Zusammenfügen derStahlbauteile und Betonkomponenten zuStahlverbundelementen erfordert in derKontaktfuge die Anordnung von Verbund-mitteln. Kopfbolzendübel, Reibungsver-bund oder Schenkeldübel werden übli-cherweise zur Übertragung der Schub-kräfte verwendet. Im Jahre 1991 erteiltedas Institut für Bautechnik Leonhardt undAndrä für die Perfobondleiste die allge-meine bauaufsichtliche Zustimmung [3].Verschiedene Forschungsbemühungen vonWurzer [1] und Zapfe [2] zu alternativenVerdübelungssystemen haben in denletzten Jahren gezeigt, dass Betondübeleine wirtschaftlich und mechanisch geeig-nete Variante zur Schubsicherung dar-stellen. Betondübel entstehen bei der Herstellung der Betontragkomponente,indem in das Stahlprofil eingebrachteAussparungen von unterschiedlicher geo-metrischer Gestalt mit Bewehrung ver-sehen und einbetoniert werden. Es kannzwischen kreisrunden, geschlossenen undoffenen Betondübeln unterschieden wer-den, wobei die offene Ausführungsweiseentsprechend Abb. 1 den Vorteil eineseinfachen Bewehrungseinbaus bietet.

Verbundträger unter Einsatz von Beton-dübeln können sowohl durch die Verwen-dung doppeltsymmetrischer Stahlprofilemit aufgeschweißten Dübelleisten (Abb.1b) als auch in filigranen Verbundträgernmit obergurtlosen Stahlprofilen (Abb. 1a)und Aussparungen im Steg ausgeführtwerden. Denkbar sind auch horizontalangeordnete Aussparungen in den Gur-ten von Walz- bzw. Schweißprofilen, die,mit einer entsprechenden Bewehrungversehen, ebenfalls die Schubübertragungin Verbundträgern sicherstellen. Über diekontinuierliche Schubübertragung hinausbieten sich weitere Anwendungsmöglich-keiten im Bereich konzentrierter Lastein-leitungen an. Aufgrund der vergleichs-weise hohen Tragfähigkeit von Beton-dübeln können in Stützen oder Einbau-elementen auch unter beengten Verhält-nissen beträchtliche Lasten übertragenwerden. Die nachfolgende Abhandlungbefasst sich mit der Beschreibung von Ver-suchen zur statischen Tragfähigkeit undzum Ermüdungsverhalten von Betondü-beln. Außerdem werden die dem Bemes-sungsverfahren zugrunde liegenden wis-senschaftlichen Grundlagen dargestellt.

2 Herleitung eines Bemessungs-verfahrens für Betondübel

Die Komplexität des Beanspruchungszu-standes im unmittelbaren Dübelbereicherfordert zur Herleitung eines zuverläs-sigen Bemessungsverfahrens eine hinrei-

chende Anzahl von Versuchen. Wederanalytische Verfahren noch numerischeBerechnungsansätze können bei der zubeantwortenden Fragestellung das Ex-periment ersetzen. Auf der Basis verfüg-barer Versuchsdaten, hier ist eine ent-sprechende Anzahl gleichartiger Versucheerforderlich, können dann Tragmodelleabgeleitet werden. Unter Beachtung derGesetze der Mechanik sind vergleichendzu den Versuchsdaten das Tragverhaltenzu beschreiben und sichere Bestimmungs-gleichungen zur Angabe der Bemessungs-last herzuleiten.

Die experimentellen Arbeiten zur Herlei-tung des Bemessungsverfahrens für Be-tondübel erforderten einen Forschungs-zeitraum von 1985 bis 2002. In die Be-trachtungen wurden insgesamt 102 Ein-zelversuche einbezogen, die teilweise derFachliteratur entnommen sind, haupt-sächlich aber von Wurzer [1] und Zapfe[2] am Institut für Konstruktiven Inge-nieurbau an der Universität der Bundes-wehr München durchgeführt wurden. Wieallgemein üblich, erfolgte die experimen-telle Untersuchung des Trag- und Ver-formungsvermögens von Betondübelnan Standardabscherversuchen, wie z. B.in Eurocode 4, Abschnitt 10 beschrieben.Bei diesen so genannten Push-Out-Ver-suchen besteht ein Versuchskörper ge-mäß Abb. 2 aus einem Stahlprofil, aufdem die Verbundmittel beiderseits sym-metrisch angeordnet sind und entspre-chend bewehrten Betongurten, in die die

Betondübel – eine Alternative zur Sicherung der Verbundfuge

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ingbert Mangerig

Abb. 1: Ausführungsvarianten von Verbundträgern mit Betondübeln zur Schubübertragung

a b

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BAUEN MIT STAHL

Verbundmittel kraftschlüssig einbinden.An der Oberseite wird die Belastungüber das Stahlprofil in den Versuchs-körper eingeleitet und über die Verbund-mittel auf die Betongurte übertragen,die ihrerseits auf der Prüfmaschinen-unterseite aufstehen. Als Messgrößenwerden im Versuch neben der aktuellenPrüflast die Relativverschiebungen zwi-schen dem Stahlprofil und dem Beton-gurt in Kraftrichtung und senkrecht zurKraftrichtung kontinuierlich aufgezeich-net. Die Relativverschiebungen senkrechtzur Kraftrichtung werden auch als Ab-hebemaß bezeichnet. Das Abheben derBetongurte ist im Wesentlichen eineFolge der im Dübelgrund vorliegendenKreisgeometrie des Verbundmittels Be-tondübel. Mit fortschreitender Prüflastvergrößert sich der Schlupf zwischenBetongurt und Stahlprofil, was ein „Auf-reiten“ der Betongurte begünstigt.

Die Auswertung der Push-Out-Versucheerfolgt gemäß Abb. 2 in einer Dübel-kennlinie, bei der die anteilige Prüflast Peines Verbundmittels über der in Kraft-richtung gemessenen Relativverschie-bung δ aufgetragen wird. In der darun-ter dargestellten Kennlinie ist die Ab-hebung ∆ der Betongurte an der Prüf-körperoberseite in Abhängigkeit von denRelativverschiebungen in Kraftrichtungeingetragen. Als Ergebnis liefert der Ein-zelversuch als Bruchlast das maximaleTragvermögen eines Verbundmittels unddie zugehörigen Verformungen. Eine Be-sonderheit der mit konstanter Dehnge-schwindigkeit durchgeführten Versucheist, dass bei angehaltenem Wegvorschubdie gemessene Prüflast auf allen Last-stufen innerhalb von ca. 30 Minuten aufein niedrigeres Niveau zurückfällt, dasungefähr 85 % der ursprünglichen Last-

stufe beträgt. Diese Haltepunkte sind inder abgebildeten Dübelkennlinie als nachunten gerichtete Peaks zu erkennen. Eineintensive Untersuchung [2] dieses Zusam-menhangs hat gezeigt, dass das quasi-statische Tragvermögen Pstat als untererMesswert des Maximallastniveau Pmax

für die Feststellung des Tragvermögensmaßgeblich ist. Anhand einer Grundge-samtheit mehrerer Versuche kann unterVerwendung statistischer Methoden dascharakteristische Tragvermögen PRk unddas zugehörige charakteristische Verfor-mungsvermögen δuk ermittelt werden.Die Abhebekennlinie dient der Überprü-fung definierter Abhebungsgrenzen inAnlehnung an Eurocode 4.

Auf der Grundlage einer entsprechendgroßen experimentellen Grundgesamt-heit konnten anhand der beobachtetenVersagensformen unter Berücksichti-gung variabler Parameter mechanischeTragmodelle, die das Bruchverhaltenwirklichkeitsnah abbilden, aufgestelltwerden. In [1] wurde ein Berechnungs-modell zur Beschreibung der komplexenZusammenhänge des Tragverhaltens vonBetondübeln hergeleitet, das auf der er-tragbaren Teilflächenpressung des Werk-stoffs Beton aufbaut. Dieses geht voneiner Begrenzung der Tragfähigkeit des

Betondübels durch die ertragbare Teil-flächenpressung des Betons unter mehr-axialer Beanspruchung aus. Anhand vonBeobachtungen am freigelegten Beton-dübel nach Abschluss eines Push-Out-Versuchs konnte nachgewiesen werden,dass im unmittelbaren Kontaktbereichzwischen Stahlfläche und Beton ein hoch-beanspruchter Bereich vorliegt, in demder Beton durch die einschnürende Wir-kung des umgebenden Betons einemnahezu hydrostatischen Spannungszu-stand ausgesetzt ist (Abb. 3). Ein Vergleichder experimentellen Grundgesamtheitmit den theoretischen Grundlagen zurertragbaren Teilflächenpressung ist imDiagramm in Abb. 3 vorgenommen. Aufder Abszisse ist die einaxiale Betondruck-festigkeit aufgetragen. Auf der Ordinateist mit dem Faktor ηe der gegenüber einereinaxialen Beanspruchung vorhandeneMultiplikator zur Ermittlung der in An-pressfläche vorhandenen mittleren Be-tondruckspannung angegeben. Die rech-nerische Anpressfläche ergibt sich hier-bei aus den auf die Vertikalebene proji-zierten Abmessungen. Das Spektrumder ausgewerteten Versuche zeigt, dassin dieser Modellvorstellung Werte zwi-schen dem 7-fachen und dem 22-fachender einaxialen Druckfestigkeit erreichtwerden konnten. Die eingetragene Kurveder theoretisch ertragbaren Teilflächen-pressung verdeutlicht, dass das Kriteriumder möglichen Teilflächenpressung sehrgut geeignet ist, eine Grenze für die Bean-spruchbarkeit eines Betondübels zu for-mulieren. Aus der vergleichsweise großenStreubreite aller Versuchswerte mussteallerdings auch abgeleitet werden, dassabhängig von den geometrischen Para-metern des Versuchs weitere Kriterienein vorzeitiges Versagen einleiten können.

Abb. 2: ExperimentelleUntersuchungder Trag- undVerformungs-eigenschaftenvon Verbund-mitteln

Abb. 3: Auswertung der experimentellenGrundgesamtheit nach der ertragbarenTeilflächenpressung [1]

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Betondübel – eine Alternative zur Sicherung der Verbundfuge

Eine besondere Stellung nahmen rand-nahe Dübel ein. Es wurde beobachtet, dassbei diesen Push-Out-Versuchen ausge-hend vom Dübelgrund auf dem maxima-len Lastniveau ein schollenartiger Aus-bruch des Betons auftrat. Der abgelösteBetonkörper hatte, wie in Abb. 4 darge-stellt, die Form eines schiefen Kegels.Dieser Ausbruch resultiert vordergründigaus Querzugspannungen nach Über-schreiten der Zugfestigkeit des Betons.Die Spitze des Ausbruchkegels liegt inder hochbeanspruchten Kontaktzonezwischen Beton und Stahlflanke. Der fürein hohes Lastniveau erforderliche drei-axiale Spannungszustand kann nur voneinem intakten Umgebungsbeton gewähr-leistet werden, so dass das schollenför-mige Ausbrechen des Betons das maxi-male Lastniveau markiert.

Da allerdings mit der Erstrissbildungnicht gleichzeitig ein Versagen des Beton-dübels einhergeht, zeichnet sich auchdieser Versagensmechanismus durch eingutmütiges Verhalten aus. Aufgrund derParallelen zu den Versagensmustern desDurchstanzens wurde das mechanische

Berechnungsmodell in Anlehnung an dasDurchstanzkriterium des Stahlbetonbausentsprechend Abb. 5 formuliert.

Die seinerzeit auf der Grundlage vonwenigen Versuchen entwickelten Be-messungsverfahren für die Perfobond-Leiste [3] und die Kombi-Verdübelung[4] bauen auf dem so genannten Dübel-abschermodell auf. Dieses geht davonaus, dass das Versagen des Verbundmittelsähnlich dem einer Schraube auf einemzweischnittigen Abscheren des Beton-körpers in den Stegaussparungen basiert.Anhand des vollständigen Spektrums derjetzt vorliegenden Versuche mit offenenund auch größeren Ausklinkungen konntefestgestellt werden, dass dieses mecha-nische Modell das Tragverhalten nicht inallgemeingültiger Form beschreibt. Dieexperimentellen Befunde verdeutlichten,dass diese Versagensform nur bei Beton-dübeln, die tief in den Gurt einbinden,und bei der Verwendung von dickenStahlkomponenten vorzufinden ist. Einezutreffende Formulierung des Tragver-mögens konnte nach [2] dadurch erreichtwerden, dass im BerechnungsformatScherflächen berücksichtigt wurden, die

Abb. 5: Idealisierung des Ausbruchkörpers zurUmsetzung in ein Berechnungsverfahren [2]

Abb. 6: Abscheren eines tief in Gurte aus Leichtbeton eingebetteten Betondübels [2]

Abb. 4: Ausbruchkegel am zerlegten Versuchskörper [2]

nicht parallel zum Stegblech verlaufen,sondern sich mit zunehmendem Abstandvon der Kontaktfläche zur Dübelachse hinorientieren. Die Tatsache, dass bei Aus-nehmungen mit großer Breite die Scher-flächen aufeinander treffen, wird miteinem Formfaktor, der empirisch ausVersuchswerten gewonnen wurde, erfasst.

Aus den zuvor beschriebenen Versagens-kriterien ist abzuleiten, dass das Bemes-sungsverfahren für Betondübel dreistufigaufzubauen ist. Ausgehend von der Dübel-topologie und den Materialparameternsind die Bemessungslasten orientiert anden vorgestellten Versagensarten zu be-stimmen. Die Bestimmungsgleichungenfür das charakteristische Tragvermögensind entsprechend Eurocode 3, AnhangZ, unabhängig für jedes Versagenskrit-erium statistisch abgesichert. Der aus-gewiesene Teilsicherheitsbeiwert fürVerbundmittel ist in Übereinstimmungmit der Notation im Eurocode 4 mit(V = 1,25) festgelegt.

Eine Betrachtung zum Sicherheitsniveaudes Berechnungsmodells für Betondübelweist unabhängig vom Versagenskrite-rium besonders günstige Korrelations-eigenschaften aus. In der Darstellungs-form (Abb. 7) wird eine Gegenüberstel-lung zwischen den theoretischen Bean-spruchbarkeiten Pt aus dem Berechnungs-modell und den experimentell verifiziertenBeanspruchbarkeiten Pe,max ausgewiesen.Die Abweichungen von der Geraden Pt´,die für eine Übereinstimmung zwischendem theoretischen Modell und den Ver-suchswerten stehen, liefern ein Maß fürdie Güte des Berechnungsmodells. Ergän-zend zu dieser Korrelationsbetrachtung istanzumerken, dass das Berechnungsmodellfür Betondübel auf dem quasistatischenTragvermögen aufbaut, während bei an-deren Verbundelementen das Bemessungs-modell häufig auf dem höheren Traglast-horizont aufbaut.

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BAUEN MIT STAHL

Abb. 7: Sicherheitsstandarddes Bemessungs-modells für Betondübel [2]

Abb. 8: Versuchsablauf derErmüdungsversuche

Abb. 9: Messaufzeichnungender Relativverschiebungenunter Oberlast im Ermüdungsversuch [2]

Zusammenfassend kann zum statischenTragvermögen von Betondübeln festge-stellt werden, dass für die praktische An-wendung von Betondübeln zur Herstel-lung des Verbundes zwischen Stahl- undBetonkomponenten ein modernen tech-nischen Standards entsprechendes, expe-rimentell und statistisch abgesichertesBemessungsverfahren vorliegt.

3 Ermüdungseigenschaften von Betondübeln

Um der Betondübeltechnologie nebendem allgemeinen Hochbau auch dasGebiet des Brückenbaus und anderer nichtruhend beanspruchter Konstruktionen zuerschließen, wird das Ermüdungsverhaltenvon Betondübeln in einem umfassendenVersuchsprogramm systematisch analy-siert. Am Institut für Konstruktiven In-genieurbau der Universität der Bundes-wehr München wurden bisher 16 Versuchezur Erforschung der Ermüdungseigen-schaften von Betondübeln durchgeführt.Der Literatur konnten weitere 4 Versucheentnommen werden. Die Münchener Ver-suche erfolgen analog zur Ermittlung derstatischen Trag- und Verformungseigen-schaften mit Hilfe von Push-Out-Versu-chen. Der Versuchsablauf ist schematischin Abb. 10 dargestellt. In der ersten Versuchsphase wird derVersuchskörper kraftgeregelt mit einerPrüflast bis auf die projektierte Oberlastbeaufschlagt, um die Verformungseigen-schaften unter Erstbelastung zu ermitteln.Die Phase II besteht aus einem zyklischenBelastungsprogramm, dass im Rahmen desVersuchsablaufs als einstufige Lastkollek-tive mit definierter Ober- und Unterlast,aber auch mehrstufige Lastkollektive bishin zu einer Annäherung an ein Betriebs-lastkollektiv aufgebracht wird. Die bis-herigen 16 Versuche wurden dabei zwi-schen 2,0 und 7,2 Millionen Lastzyklen mitOberlasten zwischen 70 und 90 % derquasistatischen Beanspruchbarkeit ausge-setzt. Bei denjenigen Versuchkörpern, diedie zyklische Belastungsphase ohne Ermü-dungsversagen überstanden, wurde imAnschluss in der Phase III das Resttragver-mögen durch einen statischen Versuchgetestet.

Im Rahmen des Versuchsprogramms wer-den als Parameter die Ausnehmungsform,die Betongüte der Gurtplatten und die

Bewehrungsmenge in der Ausnehmungvariiert. Die bereits durchgeführten Ver-suche umfassten mit einem Durchmesservon 70 mm den Bereich mittlerer Aus-nehmungsbreiten. Zur Erläuterung derexperimentellen Befunde der zyklischenBelastungsphase sind im Abb. 11 exem-plarisch die Relativverschiebungen zwi-schen dem Stahlprofil und den Betongur-ten in Abhängigkeit von der Lastspielzahldargestellt. Die Bezeichnung ED1 reprä-sentiert einen Betondübel mit einer kreis-runden, geschlossenen Ausnehmungs-form. Als wesentliche Größen sind dieRelativverschiebungen unter der Ober-last bei Erstbelastung – die Oberlast lagbei allen Versuchen dieser Serie signifi-

kant oberhalb des Gebrauchslastnive-aus – und der Schlupffortschritt unterder Oberlast bei zunehmender Lastspiel-zahl dargestellt. Im doppeltlogarithmi-schen Maßstab aufgetragen, ergibt sichein annähernd linearer Schlupffort-schritt.

Diese durch die experimentelle Grund-gesamtheit bestätigte Regelmäßigkeitgestattet eine rechnerische Abschätzungder Relativverschiebungen und damitauch eine annähernde Betrachtung derVerformungseigenschaften infolge derNachgiebigkeit der Verbundmittel beifortschreitender Lebensdauer der Kons-truktion. Ergänzend ist anzumerken, dass

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die Relativverschiebungen auf dem Ge-brauchslastniveau natürlich signifikantunter den in Abb. 11 ausgewiesenen Grö-ßen liegen, da diese Versuche speziell derUntersuchung der Bruchlastspielzahldienten. Vielmehr konnte im Rahmen desVersuchprogramms festgestellt werden,dass Betondübel über ausgesprochengünstige Ermüdungseigenschaften ver-fügen. Diese Feststellung wurde durch diestatischen Versuche zur Untersuchungdes Resttragvermögens nach Beaufschla-gung mit bis zu 7,2 Millionen Lastzyklenbekräftigt. Das erreichte Resttragvermö-gen der einer Ermüdungsbeanspruchungausgesetzten Pusch-Out-Körper lag in derTendenz eher höher als das vergleichbarerstatisch getesteter Push-Out-Versuche.Diese Beobachtung kann mit einer lokalenPulverisierung des Betons in der unmittel-baren Kontaktzone begründet werden,die unter statischer Einwirkung ausglei-chend gegenüber lokalen Spannungs-spitzen wirkt.

4 Untersuchungen anVerbundträgern

Neben der lokalen Betrachtung mitPush-Out-Versuchen wurden zusätzlicheUntersuchungen zum globalen Tragver-halten von Verbundträgern mit Beton-dübeln unter statischer Lasteinwirkungdurchgeführt. Das Versuchsprogrammmit zwei Serien von jeweils 3 Versuchenwar mit den variablen Parametern derTrägerstützweite, der Dübelanordnungund des Verdübelungsgrades in Hinblickauf die Teilverbundtheorie konzipiert.Die Verbundträger waren unter Verwen-dung eines obergurtlosen Stahlprofils mitstehenden Betondübeln, die als Ausspa-rung direkt in das Stegblech eingebrachtwurden, ausgeführt. Parallel zu den Trä-gerversuchen wurden Simulationsrech-nungen nach der Methode der finitenElemente durchgeführt. In Abb. 12 sinddie Versuchskurven, die die Mittendurch-biegung des Trägers in Abhängigkeit von

der Prüflast wiedergeben, mit den in ge-strichelter Signatur eingetragenen Simu-lationsrechnungen gegenübergestellt. Diegute Übereinstimmung zwischen Berech-nung und Versuch bestätigt auch hier dieEignung des gewählten Berechnungs-modells.

Eine ergänzende Betrachtung galt derFrage nach den lokalen Trageigenschaftenbei Verbundträgern mit obergurtlosenStahlprofilen. In diesem Zusammenhangwar zu klären, ob eine Schneidenlagerungauf der Oberkante des Stegblechs zu loka-len Schädigungen führen kann, die eineobligatorische Anordnung von Kammer-beton bedingen würden. Die experimen-telle Betrachtung erfolgte mittels Träger-abschnittsversuchen nach Abb. 13, die um-gedreht (mit unten liegendem Betongurt)getestet wurden. Um isolierte Ergebnissezur Schneidenlagerung zu erhalten, wur-den Reibungseffekte durch Vorkehrungenbei der Fertigung der Versuchkörper wei-

10

Betondübel – eine Alternative zur Sicherung der VerbundfugeName des Vortrags

Abb. 10: Verifizierung des Berechnungsverfahrensanhand von Trägerversuchen [2]

Abb. 11: Trägerabschnitts-Versuch zur Unter-suchung lokaler Beanspruchungen auf der Steg-oberkante bei Verbundträgern mit obergurtlosenStahlprofilen [2]

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BAUEN MIT STAHL

testgehend eliminiert. Sowohl die erreich-ten Prüflasten, als auch die beobachtetenVersagensformen gestatten den Schluss,dass eine zuverlässige Ausführung auchohne Kammerbeton möglich ist.

5 Zusammenfassung

Aus einem umfangreichen Forschungs-programm zur Ermittlung der Tragfähig-keit von Betondübeln unter vorwiegendruhender und nicht ruhender Beanspru-chung wurden die experimentellen Unter-suchungen zum Trag- und Verformungs-vermögen in Grundzügen erläutert. Aufder Basis einer Grundgesamtheit von 102Einzelexperimenten konnte ein Berech-nungsverfahren zur Dimensionierung vonBetondübeln hergeleitet werden, dass imRahmen des experimentell abgesichertenSpektrums eine allgemeingültige Bemes-sung von Verbundträgern mit Betondü-beln zur Übertragung der Längsschub-kräfte gestattet. Die aus den bisher durch-geführten Versuchen abzuleitenden, güns-tigen Forschungsergebnisse zum Ermü-dungsverhalten können der Betondübel-technologie auch den Einsatzbereich innicht ruhend beanspruchten Konstruk-tionen erschließen. Als Voraussetzungfür eine wirtschaftliche Tragwerkskon-zeption von Verbundträgern wurdenDetailfragen über die Lastabtragung inlokalen Bereichen gezielt untersucht, umeine Ausführung mit obergurtlosen Stahl-trägern ohne die Anordnung von Kam-merbeton zuverlässig zu ermöglichen.Tragreserven aus Reibung zwischen demStahlprofil und dem Betongurt wurdentheoretisch bewertet, jedoch bei derBemessung nicht aktiviert.

6 Quellen

[1] Wurzer O.Zur Tragfähigkeit von Betondübel,Dissertation am Institut für KonstruktivenIngenieurbau, Universität der Bundes-wehr, München, Juni 1997

[2] Zapfe C.Trag- und Verformungsverhalten vonVerbundträgern mit Betondübeln zurÜbertragung der Längsschubkräfte.Berichte aus dem Konstruktiven Inge-nieurbau (2001/01), Universität derBundeswehr, Juli 2001

[3] Deutsches Institut für Bautechnik:Zulassungsbescheid Perfobondleiste,Zulassungsnummer Z-26.1-23, Berlin22.07.1991

[4] Deutsches Institut für Bautechnik:Allgemeine bauaufsichtliche Zulassungder Kombi-Verdübelung 2000,Zulassungsnummer Z-26.4-39

[5] Mangerig I., Wurzer O.:Zum Tragverhalten von Betondübeln.Tagungsband zur Fachtagung Verbund-konstruktionen, Kaiserslautern, 1997

[6] I. Mangerig, C. Zapfe:Betondübel im VerbundbauFachseminar Verbundbau, München, 1999

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Zur Tragfähigkeit von Kontaktstößen

1 Einleitung

Die Übertragung von Druckkräften durchKontakt ist im Stahlhochbau üblich undbewährt, wobei generell angestrebt wird,alle Druckkräfte planmäßig durch Kon-takt zu übertragen, um möglichst wenigVerbindungsmittel anordnen zu müssen.Dabei finden im wesentlichen zwei Aus-führungsarten Anwendung. Die eine Mög-lichkeit ist die Ausführung eines Laschen-stoßes (siehe Abb. 1), bei dem die Gurteund der Steg je für sich gestoßen werdenund alle zu übertragenden Kräfte theore-tisch über die Laschen geführt werden.Die andere Möglichkeit ist die Anordnungvon Kopf- und Fußplatten (siehe Abb. 2).In Sonderfällen wurde auch schon derstumpfe Kontakt zweier dickwandigerProfile ausgeführt, bei denen dann dieKontaktflächen aber gefräst wurden [1].

In letzter Zeit werden auch Lösungen alsvereinfachter Laschenstoß angeboten, beidenen die Steglaschen ganz entfallen, sodass ausschließlich Gurtlaschen vorhan-den sind, siehe Abb. 1 bis 3.

Die Kräfte sollen in diesem Fall planmäßigdurch Kontakt zwischen den Aufstands-flächen übertragen werden. Um zu einerwirtschaftlichen Ausführung zu kommen,soll jedoch insbesondere auf besondereFertigungsmaßnahmen, wie das Fräsender Kontaktflächen, ganz verzichtet wer-den. In diesem Fall dienen die Gurtlaschenüberwiegend der Lagesicherung und derAufnahme von Biegemomenten, die durchImperfektionen verursacht werden.

2 Regelungen in bautechnischenBestimmungen

In DIN 18800-1 von 1990 [2] sind imGegensatz zur Fassung von 1983 keinezahlenmäßigen Angaben zur Berechnungvon Kontaktstößen gemacht, sondern eswird auf den Einfluss der Verformungenund auf Literatur [3], [4] verwiesen.Nach der Brückenbaunorm DIN 18809von 1987 sind die Verbindungsmittel füreine Normalkraft zu bemessen, die von

der Schlankheit des Stabes abhängt,wenigstens aber 25 % der Normalkraftder Stütze betragen muss. DIN 18000-7[14] macht nur Angaben über die Größedes erlaubten Spaltes, sagt jedoch nichtsüber die Bemessung der Verbindungs-mittel aus.

Der Eurocode 3 [5] führt aus, dass Kon-taktstöße unter Berücksichtigung desErhalts der Steifigkeiten um beide Haupt-achsen zu entwerfen und Zugkräfte zuberücksichtigen sind, die aus den Momen-ten nach Theorie II. Ordnung unter Be-rücksichtigung von Imperfektionen ent-stehen können.

Es ist festzustellen, dass in keiner der Re-gelungen etwas über die Größe der Kräfte

in Bezug auf Imperfektionen gesagt ist,so dass der entwerfende Ingenieur selbstentsprechende Entscheidungen treffenmuss.

3 Imperfektionen

Imperfektionen haben einen nicht ver-nachlässigbaren Einfluss auf die Trag-fähigkeit von Druckstäben und müssendaher immer berücksichtigt werden.Neben der für alle gedrückten Stäbe an-zusetzenden Vorkrümmung sind bei denKontaktstößen zusätzliche Imperfektionenvorhanden. Diese ergeben sich im wesent-lichen aus Ungenauigkeiten der Profil-herstellung und der Fertigung, wie z. B.Toleranzen der geometrischen Abmes-

Zur Tragfähigkeit von Kontaktstößen

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Joachim Lindner

Abb. 1: Laschenstoß

Abb. 3: Vereinfachter Laschenstoß

Abb. 2: Kopfplattenstoß

Abb. 4: Imperfektionen im Stoß

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BAUEN MIT STAHL

sungen der Profile, Schiefwinkeligkeit Ψder Kontaktflächen durch schräges Ab-schneiden der Stützenenden, Schwerach-senversatz e beim Zusammenbau und in-folge von Toleranzen sowie ggf. Schlupfin den Verbindungsmitteln, siehe Abb. 4.

Die Größe der Imperfektionen bei Kon-taktstößen mit Kopfplatten ist in [3]diskutiert, es wird dann angesetzt:ψ = 1/500 und e = 5 mm. Für die Aus-führungsart der Abb. 3 liegen bisher keineAngaben vor, sie waren daher zu bestim-men, siehe dazu Abschnitt 5.2.

4 Vorliegende Untersuchungen zuKontaktstößen mit Kopfplatten

Von Lindner und Gietzelt wurden um-fangreiche rechnerische Untersuchungendurchgeführt, über die in [3] berichtetwurde. Ein Ergebnis besteht darin, dassder durch Kontakt gestoßene Stab wieein ungestoßener Stab behandelt werdendarf. Die für einen ungestoßenen Stabanzusetzenden Imperfektionen deckenmögliche Imperfektionen des gestoßenenStabes in ihren Auswirkungen ab. Für dieBemessung der Verbindungsmittel dage-gen ist anzunehmen, dass sich die Wir-kung der Biegemomente aus den unter-schiedlichen Imperfektionsanteilen inungünstigster Weise addieren können,entsprechende Berechnungsgleichungenwerden in [3] mitgeteilt. Für die praktischeAnwendung werden Vereinfachungen vor-geschlagen, mit denen die in der Kon-taktfuge zu übertragenden Kräfte Z, D, Vsehr einfach ermittelt werden können.

Zur Bestätigung dieses rechnerischenNachweises lagen nur wenige Versuchevor [6]. Daher wurden später von Lindnerund Vieto 14 Großversuche an Stützenmit L = 3,70 bis 4,84 m durchgeführt [7],[8]. Es wurden Versuche ohne Kontakt-stoß, mit Kontaktstoß im Viertelspunktund Kontaktstoß in Feldmitte durchge-führt. Die Versuchsergebnisse wurdendurch Berechnungen der jeweiligen Trag-last unter Berücksichtigung des elastisch-plastischen Materialverhaltens, Eigen-spannungen, Imperfektionen usw. sehrgut bestätigt. Weiterhin wurden unterBerücksichtigung der jeweils vorhandenenVerhältnisse (Geometrie, Material) dieTraglasten nach DIN 18800-2 [9] undEurocode 3 [5] berechnet. Dabei stellte

sich heraus, dass die Traglasten nachden Normen praktisch immer unter denVersuchslasten lagen mit einem Mittel-wert von 0,90. Obwohl in den Versuchendie Knicke z. T. erheblich größer warenals 1/500, führte die Wirkung aller gleich-zeitig vorhandener Imperfektionen zuErgebnissen auf der sicheren Seite.

5 Kontaktstöße mit Gurtlaschen

5.1 Allgemeines

Die in Abb. 1-3 dargestellte Ausführungs-art vereinfachter Laschenstöße wurde ineinem vom Deutschen Ausschuss fürStahlbau aus Mitteln der AIF gefördertenForschungsvorhaben untersucht, [10]. Dabisher zu dieser Ausführungsart nochkeine detaillierten Erkenntnisse vorlagen,bestand das Forschungsziel darin, dieMechanismen der Kraftübertragung zuklären und damit für die Ausführung vonKontaktstößen im Stahlhochbau dieseneue Ausführungsart in ihrer Anwendungzu erleichtern.

Um dieses Ziel erreichen zu können, wur-den 13 Versuche mit unterschiedlichenProfilen und Ausführungsvarianten durch-geführt. Dabei wurden die vorhandenenImperfektionen aufgenommen und wäh-rend des Versuchs alle wesentlichen Ver-formungen und Spannungen gemessen.Mit den durchgeführten Versuchen sollteim wesentlichen das Verhalten des Stoß-bereiches untersucht werden. Der bezo-gene Schlankheitsgrad λ–z der Gesamt-stütze betrug maximal ca. 0,6, so dass derglobale Knickeinfluss (Biegeknicken umdie schwache Achse, rechtwinklig z-z)im Extremfall ca. 20 % betrug.

Anschließend wurde ein FEM-Modellmit Volumenelementen mit dem Pro-grammsystem ADINA entwickelt, dass an-hand der Versuchsergebnisse geeicht wur-de. Mit diesem FEM-Modell wurden wei-tere Untersuchen vorgenommen, um da-raus allgemein gültige Aussagen treffenzu können.

Alle durchgeführten Untersuchungengelten nur für planmäßig ausschließlichdurch Druck beanspruchte Elemente.Planmäßige Biegemomente, z. B. aus Wind,sind damit nicht erfasst, ebenso wenigwie Kontakt bei Biegeträgern [4], [12].

5.2 Versuche

5.2.1 Vorbereitende Messungen

Da die vorhandene Versuchsanlage einemaximal aufzubringende Last von 5000 kNaufweist und die verwendeten Versuchs-körper noch für Vorverformungsmessun-gen leicht zu transportieren sein mussten,wurden die folgenden Profile ausgewählt:HEB 160, HEB 180 und HEB 200.

Da auch hier die verwendeten Einzelträgerin ihren Querschnitten von den Nominal-werten der Profilnorm im Rahmen derToleranzen abwichen, wurden alle Ein-zelträger vermessen. Gemessen wurdenalle Materialdicken sowie Höhen undBreiten, so dass daraus alle Querschnitts-werte berechnet werden konnten. Dakeine Messungen an den Ausrundungs-radien vorgenommen wurden, wurde vonden Nominalwerten nach der Profilnormausgegangen. An den aus zwei Einzeltei-len zusammengesetzten Stützen konnteauch die jeweils vorhandene Kontakt-fläche mit Hilfe eines Zeichenprogrammsermittelt werden.

Beim Zerschneiden der Einzelstützen ent-steht durch die Schiefwinkeligkeit derSäge eine Schiefstellung der Sägefläche.Diese Schiefstellung der Kontaktflächehat aber entscheidenden Einfluss aufdas Tragverhalten des zusammengesetztenTrägers. Beim lotrechten Aufeinander-stellen der Einzelträger wird ein Spalterzeugt, der erst während der Laststei-gerung geschlossen werden kann. Umdiesen Spalt qualitativ und quantitativbeschreiben zu können, wurden an derSchnittkante jedes Eintelträgers Messun-gen vorgenommen. Bei diesen Auswertun-gen wurde deutlich, dass sich die Schief-stellungen der Flansche meist unterschei-den, so dass eine räumliche Schiefstel-lung der Kontaktfläche entsteht. Wennnun die beiden Profile aufeinanderge-stellt werden, sind zwei unterschiedlicheKontaktflächen vorhanden, aus denendie Schiefstellungen der zusammenge-setzten Stütze zu ermitteln sind. DiesesProblem wurde durch die Hilfe des Fach-gebiets für Geodäsie und Ausgleichungs-rechnung der Technischen UniversitätBerlin, Prof. Dr.-Ing. Lothar Gründig, ge-löst, da er ein Programm zur Verfügungstellte, mit dem auf der Grundlage derMethode der Summe der kleinsten Fehler-

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Zur Tragfähigkeit von Kontaktstößen

quadrate eine Ebenengleichung für be-liebige Messwerte errechnet wird. Dasbedeutet, dass eine Ebenengleichung sobestimmt wird, dass die Summe der Qua-drate der Abweichungen zwischen denMesswerten und der Ebene minimal sind.

Zusätzlich wurden die Vorkrümmungender Versuchsträger in Richtung beiderHauptachsen gemessen.

Zur Verbindung der Einzelträger wurdenacht Schrauben, zwei Laschen und, jenach Versuch, bis zu zwei Futterblecheverwendet. Die Schrauben wurden auf100 % und 50 % bzw. gar nicht vorge-spannt, bezogen auf die Vorspannwertenach DIN 18 800-7, [14], siehe Tab. 1.Bei den Schrauben handelt es sich umverzinkte Schrauben M 24, Güteklasse10.9 der Fa. Friedberg.

Das Material für die Bleche war gewalz-ter Stahl der Güte S 235, die durch Zug-versuche festgestellten Streckgrenzender Gurte lagen zwischen 25,4 und 30,0kN/cm2.

5.2.2 Übersicht über die Versuche

Es wurden die in Abb. 5 angegebenenProfilkombinationen untersucht.

Bei der Prüfmaschine handelt es sich umeine kraftgesteuerte Prüfeinrichtung derFa. Seidner mit einer maximalen Prüflastvon 5000 kN. Die Lasten werden hydrau-lisch aufgebracht. Die Stützen wurden ineine umfangreiche Lagerkonstruktioneingebaut, die zu einer in Richtung derbeiden Hauptachsen gelenkigen Lagerungbei gleichseitig weitgehender Wölbbe-hinderung führte. An einem zwei Meterhohen Messgerüst wurden die 21 Dreh-potentiometer befestigt, mit denen alleVerformungen an mehreren Stellen inStablängsrichtung gemessen wurden.Um Aussagen über die Kraftverteilung imStoßbereich machen zu können, wurdeninsgesamt 18 Dehnungsmessstreifen imBereich des Kontaktstoßes geklebt. SechsStück wurden auf den Laschen angeord-net und acht auf den Gurten bzw. Futter-blechen.

Die Last wurde stufenweise in 50 kN,100 kN und 200 kN Schritten gesteigert.Die Laststeigerung erfolgte bis zum

Erreichen der Traglast und teilweisedarüber hinaus. Dadurch ergaben sichmarkante plastische Verformungsfigurender Stützen.

Eine Übersicht über die Versuche istaus Tabelle 1 zu ersehen. In der Tabellebedeuten :Art Untersuchte Kombination

nach Abb. 5,ey Exzentrizität zwischen

oberem und unterem Profil in y-Richtung,

ez Exzentrizität zwischen oberem und unterem Profil in z-Richtung,

Vorspannung Grad der Vorspannung derSchrauben nach Norm,

wo Stich der Vorkrümmung inz-Richtung,

Ψ Winkel der Ausgleichs-ebene der Kontaktfläche in y-Richtung,

K.F. Anteil der gemessenen Kontaktfläche zur nominellen Profilfläche,

Nu im Versuch erreichte Traglast.

Die gemessenen Schiefstellungen ϕ undψ sind in einigen Fällen relativ groß, siebeträgt maximal 1/72, aus einer statisti-schen Auswertung der 26 Messwerteergibt sich m = 1/240 und s = 1/283.In allen Versuchen wurden die Verfor-mungen in Stützenmitte und an ande-ren Stellen gemessen und aus den ge-messenen Dehnungen in den Trägertei-len, den Laschen und den Futterblechendie Spannungen berechnet.

5.3 Rechnerische Untersuchungenmit einem FEM-Modell

5.3.1 Beschreibung des Modells

Die Anzahl der durchzuführenden Ver-suche war beschränkt. Daher war essinnvoll und notwendig, ein geeignetesRechenmodell zu entwickeln, mit demdann weitere Untersuchungen durchge-führt werden können, aus deren Ergeb-nissen schließlich ein Bemessungsmodellentwickelt werden kann. Dieses FEM-Mo-dell (Finite Elemente Methode-Modell)muss an den realen Versuchen geeichtwerden

Aufgrund des Einflusses einer großenAnzahl von räumlich wirkenden Imper-fektionen, die sich auch untereinanderverstärken aber auch aufheben können,war es sinnvoll und auch notwendig, einVolumenmodell zu entwickeln. DiesesVolumenmodell ermöglicht es, alle Imper-fektionen zu erfassen, den Flächenkon-takt der Profile realitätsnah zu beschrei-ben und das räumliche Versagen der zu-sammengesetzten Stütze zu simulieren.

Die Berechnungen der Traglasten wurdemit Hilfe des Bogenlängenverfahrensdurchgeführt, sie sind sehr rechenintensiv.Des weiteren kann die Anzahl der Frei-heitsgrade durch eine feinere Elementie-rung des Volumenmodells gewaltig an-steigen, im vorliegenden Fall bis auf ca.53000. Deshalb wurde es notwendig,ein Programmsystem zu benutzen, dasauf einem Großrechner der ZRZ der TU-Berlin zur Verfügung steht. Gewählt wurde

Futterblech 2 Futterbleche 2 Futterbleched = 20 mm d = 10 mm d = 20 mm

Laschen mit d = 10 mmSchrauben 8 x M24 10.9

a) HEB 200 – HEB 200 b) HEB 180 – HEB 200 c) HEB 180 – HEB 200 d) HEB 160 – HEB 200

Abb. 5: Untersuchte Kombinationen der Profile

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BAUEN MIT STAHL

das Programmsystem ADINA, mit dem inanderen Forschungsvorhaben gute Erfah-rungen gemacht wurden.

Das Profil, bestehend aus zwei Gurten,Steg und Ausrundungsradien, wird durch7 Flächen angenähert. Die Erfassung vonAusrundungsradien gestaltete sich mit derdirekten Modellierung als zu aufwendig,weshalb deren Einfluss durch Zusatzbe-trachtungen berücksichtigt wurde. Die 7Teilflächen des Querschnitts werden durch16 Punkte im Raum beschrieben. Mitdiesen 16 Punkten kann man die Schief-stellung der Kontaktebenen im Raummodellieren. Durch die Vermessung derEinzelträger konnten für die Eichung desModells allen 16 Punkten die exaktenGeometriedaten zugewiesen werden.

Die Modellierung des Kontaktes zwischenSchraubenschaft und Lochinnenwandbeziehungsweise Lascheninnenwand be-darf einer so feinen Elementierung, dassdieser Übergang allein einer gesondertenFEM-Untersuchung unterzogen werdenmüsste, was insgesamt zu unvertretbarenRechenzeiten führen würde. Daher wurdedie Schraubenverbindung durch ein ein-faches Modell abgebildet.

Das geometrische Volumenmodell wurdedurch die Division der Volumen in Rich-tung der Hauptachsen unterteilt und an-schließend elementiert. Für die Elementewurden nichtlineare isoparametrischeElementformulierungen für Volumenele-mente gewählt, mit denen man großeVerformungen aber kleine Dehnungenerfassen kann. Als einfachstes Volumen-element steht das 8-Knoten-Element zurVerfügung, mit dem man bei den Traglast-rechnungen zu relativ geringen Rechen-zeiten kommt, sie betrugen bei etwa19.000 Freiheitsgraden ca. 1 Stunde. Wählt man bei gleicher Unterteilung ein

27-Knoten-Element, so steigt die Anzahlder Freiheitsgrade auf etwa 130.000 unddie Rechenzeit auf ca. 18 Stunden, wasfür die Masse der Rechnungen nichtvertretbar ist.

Die Kontaktbereiche wurden durch beson-dere Kontaktelemente erfasst. Die Last-einleitung wurde mittels sog. „rigid-links“modelliert.

Die Schrauben der Laschenverbindungerhielten eine Vorspannung, so dass dieLaschen und das Futterblech teilweiseauch Lasten durch Reibung auf die Träger

Nr. Art Nu Nu’ Nu,A Nu,A/Nu’ Ncal,2 Ncal,2/ Ncal,6 Ncal,6/Nu’ Nu’

[kN] [kN] [kN] [%] [kN] [%] [kN] [%]1 2 3 4 5 6 7 8 9 101 a 1930 1860 1847 99,3 1652 88,8 1644 0,8842 a 1777 1714 1650 96,3 1556 90,8 1503 0,8773 a 1649 1590 1574 99,0 1556 97,9 1504 0,9464 b 1290 1270 1125 88,6 915 72,0 788 0,625 b 1291 1271 1099 86,4 915 72,0 787 0,6196 c 1490 1490 1481 99,4 1408 94,5 1240 0,8327 b 1000 985 949 96,3 915 92,9 787 0,7998 c 912 895 847 94,7 846 94,5 676 0,7569 c 923 906 846 93,4 846 93,4 676 0,747

12 c 995 976 936 95,9 846 86,7 666 0,68213 c 635 623 612 98,2 846 135,8 676 1,08514 c 950 932 907 97,3 846 90,8 677 0,72615 b 1200 1182 1106 93,6 915 77,4 787 0,666

Vor-Nr. Art L ey ez span- fy,m,oben fy,m,unten wo vo ϕϕ103 ΨΨ103 K.F. Nu

nung[mm] [mm] [mm] [%] [N/mm2] [N/mm2] [mm] [mm] [rad] [rad] [%] [kN]

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 141 a 1,3 0 0 100 254,1 254,1 - 0,4 0,2 0,215 0,790 97 19302 a 2,0 0 0 100 254,1 254,1 - 0,7 2,3 - 0,518 - 3,659 95 17773 a 2,0 0 0 100 254,1 254,1 1,4 1,6 6,456 3,490 94 16494 b 2,0 0 10 100 256,1 276,2 1,3 6,9 6,956 - 1,299 61 12905 b 2,0 0 10 100 256,1 276,2 - 4 4,4 - 4,583 – 61 12916 c 2,0 3 0 50 256,1 287,0 3,6 1,4 7,478 10,261 49 14907 b 2,0 3 10 50 256,1 287,0 0,4 6,3 5,077 - 4,106 57 10008 d 2,0 0 20 50 300,0 287,0 1,6 0,6 5,700 1,023 60 9129 d 2,0 0 20 50 300,0 287,0 1,6 0,6 5,700 1,023 60 912

12 d 2,0 3 20 50 300,0 287,0 - 0,4 - 4,1 - 6,357 -0,696 59 99513 d 2,0 3 20 0 300,0 276,2 1,4 2,7 - 9,035 - 0,251 60 63514 d 2,0 3 20 50 300,0 276,2 0,4 - 2,9 - 4,737 13,960 53 95015 b 2,0 3 10 0 256,1 276,2 - 0,2 4 - 0,801 - 5,229 56 1200

- 0,298

Tabelle 1: Übersicht über die Versuche

Tabelle 2: Versuchsergebnisse und FEM-Nachrechnungen

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Zur Tragfähigkeit von Kontaktstößen

übertragen haben; die Größe dieses An-teils ist nicht bekannt. Bis es zum voll-ständigen Kontakt zwischen Schrauben-schaft und Schraubenloch kam, übertrugdie Lasche nur Kräfte, die durch die Rei-bung zwischen Lascheninnenseite undTrägeroberseite entstehen konnten.

Für die Profile, die Laschen und die Futter-bleche wurde ein linearelastisches-ideal-plastisches Materialverhalten angenom-men. Die Idee besteht nun darin, durchdie Wahl von rein rechnerischen Streck-grenzen für die Laschen und die Futter-bleche die Kraftübertragung der Schrau-benverbindung und alle nicht erfasstenEinflüsse auf die Traglast zu berücksich-tigen. Dazu gehören auch Eigenspan-nungen, die in dem verwendeten FEM-Modell nicht berücksichtigt sind, die je-doch bei längeren Stützen den Einflussdes Knickens verstärken. Die genauereErfassung mit den unbekannten Rei-bungsverhältnissen und dem nicht be-kannten Verformungsverlauf im Loch-bereich der Schrauben ist z. Z. nichtmöglich.

Um eine auf der sicheren Seite liegendeAbschätzung zu haben, wurde den Lascheneine Tragspannung von fy,L = 200 N/mm2

zugewiesen, den Futterblechen eine Trag-spannung von fy,F = 100 N/mm2.

5.3.2 Ergebnisse

Die Traglasten, die sich für die Versucheunter Ansatz dieser Tragspannungen er-geben, sind als Nu,A in Tabelle 2 angegeben.Dabei wurden ansonsten die gemessenenImperfektionen berücksichtigt, nämlich :– Stich der Vorkrümmung wo und vo,– Kontaktfläche so, wie in den

Versuchen festgestellt,– Schiefstellungen ϕ (in y-Richtung)

und ϕ (in z-Richtung).

Weiterhin wurde generell eine ungewollteLastaußermittigkeit von ey = 2 mm anbeiden Stützenenden berücksichtigt. Diesträgt der Tatsache Rechnung, dass dasplanmäßig zentrische Einstellen der Lastenim Versuch immer nur mit einer gewissenGenauigkeit möglich ist. Für spätere Un-tersuchungen wurden die mit ADINA be-rechneten Traglasten Nu,A zusätzlich insVerhältnis gesetzt mit der rechnerischenVersuchslast Nu’. Diese ergibt sich aus der

tatsächlichen Versuchslast dadurch, dassder Einfluss der Ausrundungsradien her-ausgerechnet wird. Es kann festgestelltwerden, dass die so errechneten Traglas-ten immer unter den Traglasten der rea-len Versuche liegen, wobei rechnerischzwischen 86,4 % und 99,4 % der Ver-suchslasten erreicht wurden.

Es wurden weitere Nachrechnungendurchgeführt, bei denen verschiedene Im-perfektionen in unterschiedlicher Weiseberücksichtigt wurden. Insbesonderekonnte festgestellt werden, dass sich dieKontaktbedingungen dadurch hinreichenderfassen lassen, dass für eines der beidenProfile die gemessenen Schiefwinklig-keiten und die minimalen Formabwei-chungen, die durch die Profilnormen ge-stattet sind, angesetzt werden. Die ent-sprechenden Werte sind als Ncal,2 in Tab. 2angegeben. Beim weiterhin angegebe-nen Wert Ncal,6 ist der Einfluss des globa-len Biegeknickens durch Multiplikationdes Rechenergebnisses ohne Biegekni-cken mit dem Abminderungsfaktor κnach DIN 18800-2 hinreichend erfasst.

6 Auswertungen der Traglastenvon Stützen, die Kontaktstößemit Gurtlaschen aufweisen

Bei diesen Auswertungen werden für dasGrundprofil (größeres Profil) jeweils dienominellen Abmessungen nach der Profil-norm angenommen, für das zweite Profil(ggf. das kleine Profil) negative Formab-weichungen berücksichtigt. Dies bedeutet,dass i.d.R. von den nominellen Abmessun-gen die in der Norm [13] erlaubten maxi-malen Differenzen abgezogen werden.Einschränkungen sind ggf. durch die An-nahmen im Abb. 6 gegeben. Weiterhinwird angenommen:– Einheitliche Streckgrenze in den

Profilen von fy,k = 235 N/mm2.– Tragspannung der Futterbleche von

fy,k = 100 N/mm2 und der Laschen von fy,k = 200 N/mm2.

– Kontaktschiefwinkeligkeit von j = 1/100

– Randexzentrizitäten an beidenStützenenden von ey = 2 mm.

Die Gesamtlänge der Stütze ist so ge-wählt, das ∆z = 20 ist. Dabei ist dieserWert bei zwei unterschiedlichen Profi-len auf das kleinere Profil bezogen. Dies

bedeutet, dass der Kontaktstoß am Stüt-zenende liegt, falls dies nicht zutrifft, istder Einfluss des globalen Biegeknickensdurch zusätzliche Multiplikation mitdem Abminderungsbeiwert κ zu berück-sichtigen.

Die Untersuchungen sind noch nicht ab-geschlossen, daher können Zahlenwerteerst später vorgelegt werden.

7 Zusammenfassung

Es wurde über die Bemessung von Kon-taktstößen in Stützen berichtet. Nacheiner kurzen Betrachtung von Kontakt-stößen mit Endplatten wurde über eineneue Art des Kontaktstoßes berichtet,nämlich die Ausbildung eines verein-fachten Laschenstoßes, bei dem nur Gurt-laschen, jedoch keine Steglaschen vor-handen sind. Versuche und deren Aus-wertung werden beschrieben und übernoch nicht abgeschlossene Auswertungenin Form von FEM-Rechnungen berichtet.

Die Untersuchungen an den Kontaktstö-ßen mit Gurtlaschen wurden durch Herrnem. Univ.-Prof. Bode/Univ. Kaiserslauternauf der Grundlage eines von ihm geprüf-ten Industriebaus angeregt und durchHerrn Dr.-Ing. W. Bärsch/Worms ideellsehr gefördert. Sie wurden durch denDeutschen Ausschuss für Stahlbau (DASt)aus Mitteln der AIF unterstützt, wofürich mich herzlich bedanke, ebenso wie fürdie Bereitstellung von Schrauben durchdie Fa. Friedberg. Besonderer Dank giltHerrn Dipl.-Ing. S. Reich, der das Vor-haben an der TU Berlin bearbeitet hat.

Abb. 6 Lage der Profile bei zwei gleichen Profilen

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BAUEN MIT STAHL

8 Literatur

[1] Franke, E., Lindner, J., Sischka, J.,Beinlich, R., Heyder, F., Siebert, F.:Berliner Brückenschlag - die Überbauungdes alten Esplanade-Hotels im SonyCenter. Stahlbau 68 (1999), S. 995-1006.

[2] DIN 18 800-1: Stahlbauten, Bemessung und Konstruktion (11.1990).

[3] Lindner, J. und Gietzelt, R.: Kontaktstöße in Druckstäben. Stahlbau 57 (1988), S.39-49.

[4] Scheer, J.; Peil, U. und Scheibe, N.-J.:Zur Übertragung von Kräften durchKontakt im Stahlbau. Bauingenieur 62(1987), S. 419-424.

[5] ENV 1993-1-1 (Eurocode 3) - Bemessung und Konstruktion von Stahl-bauten. Teil 1.1: Allgemeine Bemessungs-regeln, Bemessungsregeln für den Hoch-bau (Design of Steel Structures - GeneralRules and Rules for Buildings), 1994.

[6] Popov, E.P. und Stepehn, R.M.: Capacity of columns with splice imper-fections. Engineering Journal, AmericanInstitute of Steel Construction, p. 16-23, 1977.

[7] Lindner, J. und Vieto, R.: Stützen mit Kontaktstößen (Columnwith contact splices). Schlussbericht VR2103 zum DFG-ForschungsvorhabenLi-351/6-1, TU Berlin 1993.

[8] Lindner, J.: Traglastversuche an Kontaktstößen mitKopfplatten. Stahlbau 68 (1999), S. 929-934.

[9] DIN 18 800-2: Stahlbauten, Stabilitätsfälle, Knickenvon Stäben und Stabwerken (11.1990).

[10] Lindner, J., Reich, S.: Kontaktstöße mit Gurtlaschen. Forschungsvorhaben des DeutschenAusschusses für Stahlbau, AIF-Nr.12698N, Schlussbericht VR 2141 der TU Berlin, Institut für Bauingenieurwesen, 2002.

[12] Nather, F. und Klassen, G.: Belastungsversuche an Biegeträgern mitgeschraubten Laschenstößen. Vers. Ber.105 Lehrstuhl für Stahlbau TU München.1983.

[13] DIN EN 10034: I- und H-Profile aus Baustahl, Grenzab-maße und Formen toleranzen (03.1994).

[14] DIN 18 800 Teil 7: Stahlbauten, Ausführung und Hersteller-qualifikation (03.2001).

[15] Lindner, J., Scheer, J. und Schmidt, H.:Stahlbauten - Erläuterungen zu DIN18800 Teil 1 bis Teil 4. Verlag Ernst &Sohn/Beuth Verlag, 3. Auflage, Berlin,1998.

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Werkstoffkennwerte im Hochtemperaturbereich und ihr Einfluss auf die praktische Bemessung

1 Geschichtliche Entwicklung

Im Oktober 1871 zerstörte eine schwereFeuersbrunst große Teile Chicagos. In derFolge mussten Bauteile feuerbeständigsein und es wurden Regelungen für denBrandschutz erlassen. Dies führte zumweitverbreiteten Einsatz von Eisen undStahl, da diese Materialien als nicht-brennbare Baustoffe nicht zur Entwick-lung des Feuers beitrugen. 1874 entwi-ckelten Drake und Wight eine Umman-telung von Eisenstützen aus Terrakotta-platten auf einer Holzunterkonstruktionund erhöhten damit die Tragfähigkeit derBauteile im Brandfall.

In den 80er Jahren des 19. Jahrhundertsuntersuchte Bauschinger in MünchenSäulen aus unbekleidetem Guss- undSchmiedeeisen. Möller und Lühmann(1888) berichteten ebenfalls von Versu-chen an Stützen aus Guss- und Schmiede-eisen, jedoch mit einer 15 mm dicken Um-mantelung aus Mörtelputz auf Drahtnetz,die zu einer deutlichen Steigerung derFeuerwiderstandsdauer beitrug. Man kannalso feststellen, dass schon seit über 100Jahren Kenntnisse über das Verhalten vonStahlbauten im Brandfall vorliegen undder Brandschutz in all diesen Jahren keintechnisches Hemmnis für den Einsatz vonStahl im Hochbau war.

In Deutschland wurde trotzdem Stahl alsBaustoff im Hochbau, und hier besondersim Geschossbau, in der 2. Hälfte des 20.Jahrhunderts von Beton verdrängt. AlsGrund hierfür wurde neben den Herstel-lungskosten immer wieder das Argumentangeführt, Stahl sei im Brandfall unzuver-lässig und daher zu meiden.

Umfangreiche um 1980 begonnene For-schungsprojekte reagierten hierauf undvertieften die Erkenntnisse über das Ver-halten von Stahl – Material und Bau-teile – im Brandfall (Boué 1988). Diesführte zur Klassifizierung von Verbund-bauteilen in der DIN 4102 und zur Ent-wicklung von rechnerischen Nachweisver-fahren (Hosser et al. [1994], El Nesr [1994],

Dorn et al. [1990]), die inzwischen weit-gehend anerkannt sind und den Stand derTechnik darstellen.

Seitdem sind kontinuierlich innovativeBauwerke entstanden (siehe folgenderAbschnitt); doch erst mit der neuen Ge-neration der Eurocodes und der DAStRichtlinie 019 stehen nun Regelwerke zurVerfügung, die diese Nachweisverfahrenauch problemlos im Ingenieuralltag an-wendbar machen. Ein Grundpfeiler dieserRegelungen ist die Kenntnis über das Ver-halten der üblichen Baustähle im Bereichzwischen Raumtemperatur und 1000 °C.

2 Drei mehrgeschossige Hochbauten mit ungeschützterStahlkonstruktion

2.1 Motorradproduktion der BMW AG in Berlin (1982)

Planung und Bauleitung: Henn + Henn,Architekten - Ingenieure, MünchenStatik Stahlbau: stahlbau lavis offenbach

Muess und Schaub (1982) berichten überdie Erweiterung und Modernisierung derMotorradproduktion im Werk Berlin derBMW AG. Das Besondere dieses zweige-

Werkstoffkennwerte im Hochtemperaturbereich und ihr Einfluss auf die praktische Bemessung

Prof. Dr.-Ing. Jörg Lange

Abb. 1: BMW Motorradproduktion, Berlin (Grundriss und Schnitte)

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BAUEN MIT STAHL

schossigen Tragwerks (Abb. 1) ist, dasstrotz der Forderung nach F30 für dieDecken (ermittelt nach der DIN 18230)weite Bereiche ohne jeglichen Brand-schutz ausgeführt wurden. Das Decken-tragwerk besteht aus 13 cm dicken Ver-bunddecken, die auf Verbundträgern auf-liegen. Nur die Endfelder der durchlau-fend konzipierten Verbundträger sindbrandgeschützt (F90), wobei hier zumersten Mal der Profilbeton (Beton in denKammern des Walzprofils) zum Einsatzkam. Für die dazwischen liegenden Trägerwurde der Bemessung für den Brandfallein Membransystem zugrunde gelegt,d. h. die Träger biegen sich im Brandfallsehr stark durch und wirken als Zugglie-der. Diese sind in den feuerbeständigenEndfeldern verankert. Die Restfestigkeitdes Profilstahls ist hierfür ausreichend.Das Konzept ist im Prinzip sehr einfach.Dennoch konnte nur mit umfangreicher,gutachterlicher Unterstützung die for-male Genehmigung erreicht werden.Hierzu gehörten auch Brandversuchean eigens für diesen Bau entwickeltenAnschlüssen (Abb. 2), die eine besondershohe Verdrehung in Kombination mit denZugkräften zulassen.

Die Aussteifung des 19-geschossigenHochhauses erfolgt größtenteils über diesogenannten Portalrahmen (Abb. 3 und 4).Diese Rahmen sind in ihren vertikalenElementen (von Erdgeschoss bis Unter-kante 17. OG) Fachwerke aus Stahlrohren(d = 914 bzw. 813 mm). Im 17. bis 19.Obergeschoss bilden ca. 10 m hohe Fach-werkträger, die im wesentlichen aus I-Pro-filen konstruiert wurden, die Rahmen-riegel. Diese Riegel sind konventionellmit Mineralwolle gegen die Brandein-wirkung geschützt.

Bei den Fachwerktürmen entschied mansich aus optischen und kommerziellenGründen für eine andere Lösung. Dievertikal durchlaufenden Stahlrohre wur-den mit Beton und Bewehrung gefüllt.Sie wirken nicht nur bei der Abtragungder Horizontallasten mit, sondern tragenauch Eigengewicht- und Verkehrslastan-teile aus den oberen drei Geschossen, sodass sie – zumindest für diese Lastgruppe –als konventionelle Verbundstützen derBrandschutzklasse F90 (Knicklänge =

2.2 Düsseldorfer Stadttor(1995 bis 1997)

Architekt: Petzinka, Pink und Partner, Düsseldorf (Ausführung, Realisation)Tragwerksplanung: stahlbau lavis offenbach

Beim Neubau des Düsseldorfer Stadttores(Lange/Ewald 1998) wurden einige Haupt-tragglieder ohne Brandschutz ausgeführt,obwohl für das Bauwerk die Brandschutz-klasse F90 gefordert war. Darüber hinauswurden einige Bauwerksbereiche, derenStandsicherheit im Brandfall unerheblichwar, ebenfalls ungeschützt gebaut.

Abb. 2: Brandversuch an einem Anschluss - Verformung nach dem Brand

Abb. 3: Ansicht des Tragwerks des Düsseldorfer Stadttors

Abb. 4: Querschnitt durch das Düsseldorfer Stadttor

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Werkstoffkennwerte im Hochtemperaturbereich und ihr Einfluss auf die praktische Bemessung

Maschenbreite des Fachwerks = 10,50 m)betrachtet werden können. Die Diagona-len und Horizontalen sind nur bis zum 4. Geschoss mit Stahlbeton gefüllt underfüllen die Anforderungen für F90. Indiesem Geschoss werden durch geschoss-hohe Fachwerkträger die Außenstützenabgefangen, so dass dort eine besonderestatisch-konstruktive Konstellation auf-tritt (siehe Lange/Ewald 1998). Oberhalbdes 4. Geschosses sind die Horizontalenund Diagonalen reine Stahlrohre (d =813 mm) ohne jeglichen Brandschutz.

Die Tragfähigkeit des Bauwerks im Brand-fall wurde auf der Grundlage des EC4-1-2 ermittelt. Es wurde nachgewiesen, dassauch bei Ausfall von ungeschützten Hori-zontalen und Diagonalen die Lasten abge-tragen werden können. Da auf Basis wahr-scheinlichkeitstheoretischer Überlegungenfür den Brandfall geringere Verkehrslas-ten angesetzt werden dürfen als für denGebrauchsfall, die zugehörigen Kombina-tionsbeiwerte sind in den Eurocodes ge-

geben, kann der Ausfall einiger Bauteiledurch Umlagerung in nicht vom Brandbelastete Bereiche kompensiert werden.Dies erfordert jedoch über den konven-tionellen Brandschutz hinausgehendeFestlegungen zum Brandschutz. Diese be-treffen u.a. den Rauch- und Wärmeabzug,die Evakuierung und die aktive Brandbe-kämpfung, wie z. B. durch Sprinkler. Dadiese Maßnahmen im vorliegenden Fallsowieso vorhanden waren, konnte zu-gunsten der Optik und der Kosten aufBrandschutz verzichtet werden, ohne dieSicherheit des Bauwerks zu reduzieren.

Weiterhin wurde die Stahlkonstruktionder Aufzugspodeste ohne Verkleidungausgeführt, da dort zum einen keineBrandlast vorhanden ist und zum anderenim Brandfall die Aufzüge sowieso nichtbenutzt werden dürfen. Die auf Höhe deszweiten Geschosses hängende, „Spiegel-ei“ genannte Foyerebene wurde aus dengleichen Gründen ohne Brandschutzausgeführt.

2.3 Junghof in Frankfurt(2000 bis 2003)

Architekt: Schneider + Schumacher, FrankfurtTragwerksplanung Stahlbau:Lange+Ewald Ingenieure, Rödermark

In Frankfurt am Main entsteht derzeitdas Bürogebäude Junghof, teilweise un-ter Umbau eines seit vielen Jahrzehntenbestehenden Bauwerks. Vom 3. Unter-bis zum 5. Obergeschoss handelt es sichum einen konventionellen Stahlbetonbau.Das Dachtragwerk (6. und 7. OG, Unter-kante +21,22 m, Isometrie und Schnittsiehe Abb. 5 und 6) wird in Stahl- bzw.Stahlverbundbauweise hergestellt. AlsFeuerwiderstandsklasse ist F90 gefordert.Die Galerien (das 7. OG) hängen an Bo-genbindern. Sie bestehen aus Randträ-gern IPE 360 und Deckenträgern HEA 180(a = 1,78 m), auf denen eine Holorib-decke (h = 15 cm) ruht. Der Brandschutzerfolgt mit Mineralfaserspritzputz. Diealle 3,50 m angeordneten Hänger (Rund-stahl, d = 42 bzw. 50 mm) werden mitSchalen t = 20 mm aus Kalziumsilikatbekleidet, so dass die Endabmessungrund 90 mm beträgt.

Die inneren Binder sind echte Bögen mitSpannweiten von 35,60 m. Die äußeren„Bögen“ sind Fachwerke mit gekrümm-ten Obergurten und zwischen 10,5 und12 m langen Kragarmen. Ihre Obergurtesind Rohre mit d = 355,6 mm und Wand-stärken zwischen 16 und 30 mm, dieDiagonalen haben die Abmessungen d =273 mm und t = 10 bis 25 mm. Die Unter-gurte sind aus Walzprofilen HEA 300 her-gestellt.

Die Obergurte erzielen mit Schalen ausKalziumsilikat die geforderte Feuerwider-standsdauer (F90), ebenso die vom Auf-lagerpunkt ausgehenden Diagonalen derAußenbögen. Alle weiteren Diagonalenwurden nicht brandgeschützt, so dass dieStahlkonstruktion ungestört sichtbar istund die größtmögliche Transparenz derGlasfassade ermöglicht. Die ursprünglichvorgesehene F90-Beschichtung konnteentfallen. Die Bemessung erfolgte nachEC4-1-2. Es wurde nachgewiesen, dass dasTragwerk im Brandfall, unter Berücksichti-gung der geringeren Lasten, ohne die un-geschützten Diagonalen noch ausreichendtragfähig ist.

Abb. 5: Isometrie des Dachtragwerks Junghof, Frankfurt

Abb. 6: Schnitt durch das Dachtragwerk des Junghofs

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BAUEN MIT STAHL

Die Aussteifung gegen horizontale Lastenerfolgt über die Stahlbeton-Dachscheiben,die Stahlbetonplatten der Galerieebenenund Verbände aus Stahlprofilen in derUntergurtebene der Bögen. Diese wurdennicht brandgeschützt, da nachgewiesenwerden konnte, dass im Brandfall die Aus-steifung durch die Stahlbetonscheibenausreicht.

3 Verhalten von Stahl bei hohen Temperaturen

3.1 Einführung

Alle drei hier vorgestellten Gebäude sowieeine Vielzahl weiterer Bauwerke konntennur errichtet werden, weil im Rahmenverschiedener Forschungsprojekte dasVerhalten der üblichen Stähle S235 undS355, insbesondere der Elastizitätsmodulund die Streckgrenze, bei Temperaturenbis ca. 1.000 °C untersucht wurden. Hervor-zuheben ist hierbei insbesondere die Ar-beit von Rubert und Schaumann (1985).

Diese Kenntnisse sind in die „heißen“ Teileder Eurocodes eingeflossen. Sie basierenjedoch vornehmlich auf Versuchsergeb-nissen für St37 und gelten für BaustähleS235, S275, S355 und S460. Das heißt, eswird davon ausgegangen, dass sich dieStreckgrenze der Baustähle bei hohenTemperaturen unabhängig von Legie-rungszusätzen und Wärmebehandlung ingleichem Maße abmindert. Dies konntevon Winter (1998) jedoch nicht bestätigtwerden. Er führte Warmkriechbiegever-suche an Stahlproben aus St37, St52 undStE460 durch, die keine einheitliche Ab-minderung der Streckgrenze unter Tempe-ratureinwirkung aufwiesen. Besonders derhochfeste Feinkornbaustahl zeigte einendeutlich höheren Tragfähigkeitsverlustunter Brandeinwirkung als angenommen.

An der TU Darmstadt werden daher seit1999 Warmzug- und Warmkriechversuchedurchgeführt, mit dem Ziel, auch fürhochfeste Stähle Abminderungskurvenfür den Brandfall zu ermitteln.

3.2 Warmzug- und Warmkriechversuche

Warmzugversuche (auch „stationäre Ver-suche“ genannt) sind prinzipiell relativ

einfach durchzuführen. Die Materialprobemuss auf die vorgesehene Temperatur er-wärmt werden, anschließend wird derZugversuch durchgeführt, der zu einemLast-Weg-Diagramm führt. Aus diesemlassen sich Festigkeit und Elastizitätsmo-dul bestimmen. Durch eine Vielzahl vonVersuchen bei unterschiedlichen Tempera-turen können so die bekannten Abmin-derungsfunktionen generiert werden.

Der Nachteil der Warmzugversuche liegtdarin, dass sich im Brandfall das Bauteilunter Last aufheizt, also KriechprozesseEinfluss nehmen können. Bei hohen Tem-peraturen und unter hohen Lasten kannes hierbei zu nennenswerten zusätzlichenVerformungen kommen. Dies lässt sichdurch Warmkriechversuche (auch „insta-tionäre Versuche“ genannt) abbilden. Inihnen wird die Materialprobe unter einervorgegebenen Last erwärmt und zwar miteiner Aufheizgeschwindigkeit, die in etwader eines „Norm“ - Brandes entspricht.Die Werte des EC 3-1-2 (1993) beruhenauf Geschwindigkeiten zwischen 2 und50 °K/min. Warmkriechversuche habenallerdings den Nachteil, dass die gesamteVersuchseinrichtung im Zuge der Ver-suchsdurchführung aufgeheizt wird undthermische Dehnungen erleidet. Es mussdaher eine aufwendige Kompensation(sowohl durch die Art des Versuchsauf-baus als auch rechnerisch) dieser Dehnun-gen erfolgen, um für die Weiterverwen-dung geeignete Last-Verformungskurvenzu erhalten.

In Abb. 7 sind die Ergebnisse von statio-nären und instationären Zugversuchenan Proben der Stahlsorte S460N gegen-übergestellt. Es zeigen sich die auch schonvon Kirby und Preston (1988) dokumen-tierten Unterschiede. Anzumerken ist, dassbei hohen Temperaturen die Bestimmungder Fließgrenzen nach beiden Verfahrennahezu gleiche Ergebnisse liefert. Die An-fangssteifigkeit wird jedoch beim statio-nären Versuch stark überschätzt, so dassdiese Werte insbesondere für die Analysevon Stahl- und Verbundstützen im Brand-fall ungeeignet sind. Für eine Biegeträger-bemessung, bei der primär die Tragfähig-keit von Interesse ist, sind die Ergebnisseder stationären Versuche ausreichend.

Endgültige Versuchsergebnisse, die einenVergleich mit den Abminderungsfunk-tionen des Eurocodes erlauben, lagenbei Redaktionsschluss noch nicht vor. Esscheinen sich jedoch die Ergebnisse vonMäkeläinen und Outinen (1998) bzw.Outinen, Kaitila und Mäkeläinen (2000)zu bestätigen.

4 DASt Richtlinie 019

Im Herbst 2001 wurde die DASt Richtlinie019 „Brandsicherheit von Stahl- und Ver-bundbauteilen in Büro- und Verwaltungs-gebäuden“ herausgebracht. In ihr wirdein Berechnungsverfahren dokumentiert,dass es erlaubt, die erforderliche Feuer-widerstandsdauer einer Stahlkonstruktion

Abb. 7: Vergleich von Warmzug- und Warmkriechversuchen

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Werkstoffkennwerte im Hochtemperaturbereich und ihr Einfluss auf die praktische Bemessung

für Büro- und Verwaltungsgebäude zuberechnen. Das Verfahren ähnelt der DIN18230 und ist ausführlich von Schaumannund Heise (2002) erläutert.

Es beruht auf der konsequenten Anwen-dung der Wahrscheinlichkeitstheorie.Bereits mit Einführung der DIN 18800 imJahre 1990 wurde diese in Deutschland fürden „kalten“ Gebrauchsfall die Grundlageder Nachweisverfahren. In den „heißen“Eurocodes ist dies nun auch für denBrandfall etabliert. Umfangreiche Unter-suchungen zur Entstehung und Entwick-lung von Schadensfeuern erlauben auchfür den Lastfall „Brand“ in Bürogebäudeneine probabilistische Betrachtung. Wich-tige Parameter hierbei sind: die Brandlast,die Gebäudeklasse (im Wesentlichen ab-gebildet über die Höhe der Fußbodenober-kante des höchstmöglichen Geschosses,in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist)und die Sicherheitskategorie; in diesen Pa-rameter fließt z. B. die Art der Brandmel-dung und die Möglichkeit der Brandbe-kämpfung ein. Einen guten Überblick überdie wissenschaftliche Grundlage diesesVerfahrens gibt z. B. Schleich (1998).

Bemerkenswert ist hieran, dass aus derKenntnis der Resttragfähigkeit des Stahlsin Verbindung mit der Auftretenswahr-scheinlichkeit verschiedener Beanspru-chungsereignisse (Wind, vollständige Ver-kehrslast, Schnee, Brand, u. ä.) für einebestimmte Gebäudegruppe keine Brand-schutzbekleidung erforderlich ist - derStahlbau kann vollständig sichtbar blei-ben. Es handelt sich um Gebäude mit fol-genden Parametern:– Nutzungsfläche von maximal 400 m2

pro Geschoss,– baulich ausgeführter zweiter

Rettungsweg,– höchste Fußbodenoberkante maximal

7 m über dem Gelände,– maximal 60 Gebäudenutzer,– das Gebäude muss über eine haus-

interne Brandmeldeanlage verfügen,– der betroffene Brandbekämpfungsab-

schnitt muss mit mindestens 3 Seiten an Außenwänden liegen und von dortfür die Feuerwehr zugänglich sein.

Es ist hier gelungen aktive Brandschutz-maßnahmen, wie eine Brandmeldeanlage,in ihrer Zuverlässigkeit und Wirksamkeitmit passivem Brandschutz, wie z. B. eineBekleidung, zu kombinieren.

5 Literatur:

Boué, P.: Stahlbau-Brandschutzforschung – woher, wohin? Bauingenieur 63 (1988)

Richtlinie 019 „Brandsicherheit vonStahl- und Verbundbauteilen in Büro-und Verwaltungsgebäuden“. DeutscherAusschuß für Stahlbau, Düsseldorf,November 2001

Dorn, Th., Hosser, D., Muess, J.,Schaumann, P.: Ein rechnerisches Verfahren zur brand-schutztechnischen Bemessung von kam-merbetonierten Verbundträgern, Teil 1:Einfeldträger. Stahlbau 59 (1990), Ernst & Sohn, Berlin

El-Nesr, O.: Vereinfachtes Rechenverfahren zur brand-schutztechnischen Bemessung von Ver-bundstützen aus betongefüllten rundenStahl-Hohlprofilen. Bautechnik, 11/1994

ENV 1991-1 (1994): Eurocode 1: Grundlagen der Tragwerksplanung undEinwirkungen auf Tragwerke. Teil 1:Grundlagen der Tragwerksplanung

ENV 1994-1-2 (1994): Eurocode 4: Bemessung und Konstruktion vonVerbundtragwerken aus Stahl und Beton.Teil 1-2: Allgemeine Regeln – Tragwerksbemessung für den Brandfall

Hosser, D., Dorn, T., El-Nesr, O.: Vereinfachtes Rechenverfahren zurbrandschutztechnischen Bemessung vonVerbundstützen aus kammerbetoniertenStahlprofilen. Stahlbau 63 (1994), Ernst & Sohn, Berlin

Kirby, B.R., Preston, R. R.: High Temperature Properties of Hot rolledStructural Steels for Use in Fire Enginee-ring Design Studies. Fire Safety Journal 13 (1988)

Lange, J., Ewald, K.: Das Düsseldorfer Stadttor – ein 19-geschossiges Hochhaus in Stahlverbundbauweise. Stahlbau 67 (1998), Ernst & Sohn, Berlin

Mäkeläinen, P., Outinen, J.: Results of the High Temperature Tests onStructural Steels S235, S355, S350GD+Zand S420M. Helsinki University of Technology, Julkaisu/Report 2, 1998

Mäkeläinen, P., Outinen, J.: Fire design model for structural steelS420M based upon transient-state testresults. Journal of Constructional Steel Research48 (1998)

Outinen, J., Kaitila, O., Mäkeläinen, P.:A Study for the Development of the Design of Steel Structures in Fire Conditions. First International Workshop „Structuresin Fire“, Copenhagen, June 2000

Möller, Lühmann:Über die Widerstandsfähigkeit eisernerBaukonstruktionsteile bei erhöhten Temperaturen. Verlag Simon, Berlin, 1888

Muess, H., Schaub, W.: Neubau einerzweigeschossigen Fertigungshalle mitneuartigem Brandschutzkonzept. Stahlbau 51 (1982), Ernst & Sohn, Berlin

Rubert, A., Schaumann, P.: Temperaturabhängige Werkstoffeigen-schaften von Baustahl bei Brandbean-spruchung. Stahlbau 54 (1985), Ernst & Sohn, Berlin

Schaumann, P., Heise, A.: Erläuterungen zur DASt-Richtlinie 019:Brandsicherheit von Stahl- und Verbundbauteilen in Büro und Verwal-tungsgebäuden. Stahlbau 71 (2002), Ernst & Sohn, Berlin

Schleich, J.-B.: Globales Brandsicherheitskonzept. Stahlbau 67 (1998), Ernst & Sohn, Berlin

Winter, S.: Untersuchungen zum Tragverhalten vonProfilverbundstützen aus hochfestemFeinkornbaustahl bei Normaltemperaturund im Brandfall. Dissertation, TU Darmstadt, 1998

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BAUEN MIT STAHL

1 Allgemeines

Schweißnähte dienen der Kraftübertra-gung in Anschlüssen und Verbindungenund haben dort Festigkeitsfunktionen.

Gleichzeitig bringen Schweißnähte ihreEigenschaften in das Bauteil ein: Sie erzeugen• Oberflächenkerben,• metallurgische Veränderungen und

innere Ungänzen,• Eigenspannungen,• Veränderungen des Festigkeits- und

Zähigkeitsverhaltens gegenüber dem Grundwerkstoff in Naht und Wärme-einflusszone.

Die „Sicherheit von Schweißnähten“bedeutet daher immer die „Sicherheitgeschweißter Bauteile“.

Wichtige Sicherheitsaspekte geschweiß-ter Bauteile sind:• bei stabilitätsgefährdeten Bauteilen

die Verringerung des Widerstandes gegen Stabilitätsversagen durchungünstige, schweißbedingte Eigen-spannungen;

• bei zugbeanspruchten Bauteilen– die Beeinflussung der statischen

Festigkeit und Verformungsfähig-keit geschweißter Anschlüsse durch Ungänzen und Zähigkeit,

– die Beeinflussung der Ermüdungs-festigkeit geschweißter Anschlüsse durch die Ausführungsqualität.

Im folgenden wird auf den Aspekt derSicherheit zugbeanspruchter geschweiß-ter Bauteile bei statischer Belastung undErmüdungsbelastung eingegangen.

Dabei interessiert besonders, wie Festig-keit und Dauerhaftigkeit, also die stati-sche Tragsicherheit und die Ermüdungs-sicherheit von unvermeidbaren Ungänzenaus dem Schweißprozess abhängen.

Diese Frage ist besonders aktuell, da dieheutigen Prüfmethoden mit Ultraschallwesentlich genauer auch kleinste Ungän-zen anzeigen können, die in der Zeit, als

die Prüfnormen entwickelt wurden, nichtzu Anzeigen geführt haben. Um nicht invertragliche Probleme und Mehrfach-sanierungen hineinzulaufen, bestehtdeshalb Bedarf, die Anforderungen andie statische Festigkeit und Betriebs-festigkeit von Schweißnähten mit zu-lässigen Größen der Signale von Prü-fungen zu verknüpfen.

Dieses ist eines der z. Zt. wichtigsten Ge-biete der Forschung und Entwicklung imStahlbau; es betrifft den Zusammenhangzwischen der Sicherheitsanforderung anein Bauteil und seine Gestaltung und Be-messung, die Werkstoffwahl, Fertigungund Fertigungsprüfung.

2 Beispiel

Als ein Beispiel zur Verdeutlichung derProblematik wird die Stahlkonstruktionder Kabinenbahn des Düsseldorfer Flug-hafens herangezogen [1].

Diese besteht nach Abb. 1 aus Stahlstüt-zen mit Verankerung, Fahrwegträgernund Stahlweichen.

Die Fahrwegträger haben ein unten offe-nes Kastenprofil, Abb. 2, in dessen Innerensich die Kabinenlaufrollen bewegen unddie dafür erforderliche betriebliche Aus-stattung, wie Stromschienen etc. befindet.Aufgrund der Vertikal- und Horizontal-kräfte sind die Bleche des Trägerprofilsnicht nur mit Längsspannungen undSchubspannungen aus der Hauptträger-biegung, aus Querkräften und Torsionbelastet, sondern erhalten auch Platten-beanspruchungen aus der Ableitung derörtlichen Radlasten in Querrichtungen.

Sie sind dafür durchZwischenrahmen etwaalle 2250 mm aus auf-geschweißten Hohlpro-filen verstärkt, Abb. 1und 5.

Sicherheit von Schweißnähten im Stahlbau

Prof. Dr.-Ing. Gerhard Sedlacek; D. Bohmann, C. Heinemeyer, P. Langenberg, B. Kühn, S. Höhler, C. Müller, J. Stötzel

Abb. 1: Stahlstützen mit Verankerung, Fahrweg-träger und Stahlweichen [Foto: Siemens] Abb. 2: Kastenprofil

des Fahrwegträgers

Gehrungsnaht

Längsnaht

AnschlussZwischenrahmen/

Fahrwegträger

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Sicherheit von Schweißnähten im Stahlbau

An den Stahlstützen, die nach Abb. 3 un-ter Verwendung dickwandiger Rund-profile ausgebildet sind, befinden sichFugen zwischen den Fahrwegträgern, diedurch Fahrbahnübergänge nach Abb. 4überbrückt werden.

In der Ausführungsstatik wurde nebender Tragsicherheit der Konstruktion auchdie Ermüdungssicherheit für 10 MillionenZugüberfahrten (ein Zug entspricht 8Radsätzen) nachgewiesen. Alle Nähtewurden in der Konstruktionsübersicht,die der Ausschreibung beigefügt wurde,als voll durchgeschweißte Stumpfnähteausgewiesen, Abb. 5.

Als Prüfanforderung wurde für alle NähteBewertungsklasse C nach DIN EN 25817,für Stumpfnähte Bewertungsklasse B nachDIN EN 25817, plus Gegenschweißen derWurzellage plus Eigenschaften der Nahtgefordert.

Die Ausführung der Schweißnähte er-folgte nach Abb. 6. Die Überwachung derFertigung und Montage der Stahlbauar-beiten erfolgte durch die ausführendenFirmen. Auftraggeberseits wurden stich-probenartige Prüfungen durchgeführt,hierbei z. T. Abweichungen von den ge-planten Vollanschlüssen festgestellt unddaraufhin z. T. saniert, 100 % US-geprüftund aufgrund der immer wiederkehren-den Anzeigen z. T. mehrfach saniert.

Abb. 3: Stahlstützen unter Verwendung dickwandiger Rundprofile

Stegblech des Fahrwegträgers

Flansch (unten) des Fahrwegträgers

Detail Fahrbahnübergang (Abb. 5)

Abb. 4: Fahrbahnübergang des Fahrwegträgers

Abb. 5: Schweißnähte der Konstruktionsübersicht (Längsschweißnähte Fahrwegträger, Anschlussschweißnaht Zwischenrahmen an Fahrwegträger und Schweißnaht Fahrbahnübergang)

Stegblech Flansch

Schnitt B - B

SchnittA-A

(unten)

Abb. 6: Abweichungen der Längsschweißnähte der Fahrwegträger

2250 mm

oder

18 mm

18 mm

30 mm

30 mm

2250 mm

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BAUEN MIT STAHL

Um festzustellen, inwiefern Restspalteund Ungänzen einen Einfluss auf Sicher-heitsanforderungen und Dauerhaftig-keitsanforderungen haben, wurden beider RWTH Gutachten in Auftrag gegeben,mit denen festgestellt werden sollte, wel-che Größen von Restspalten und Ungän-zen in der Konstruktion Abstriche an denSicherheitsanforderungen und Dauerhaf-tigkeitsanforderungen bedeuten würdenoder Zustimmungen im Einzelfall bean-tragt werden konnten.

Über einige dieser Untersuchungen, dieauch Wege zu einer zukünftigen norma-tiven Regelung aufzeigen, wird im folgen-den berichtet.

3 Einfluss von Restspalten auf diestatische Festigkeit

Die neuen Europäischen Normen defi-nieren die Schweißnahtfestigkeit vonStumpfnähten oder Kehlnähten.

Stumpfnähte mit Restspalt werden beiÜberschreitung gewisser Restspaltgrenzenwie Kehlnähte bemessen, Abb. 7, jedochsind die Kehlnahtfestigkeiten in EN 1993-1-8 [2] derart, dass sich Restspalte beiStumpfnähten etwa proportional zumQuerschnittsverlust auswirken und da-durch keinen formbedingten überpro-portionalen Nachteil haben, siehe Abb. 8.

Die Zugfestigkeit teildurchgeschweißterStumpfnähte, die nach dem Regelver-fahren in EN 1993-1-8 erheblich höherist als nach dem sog. vereinfachten Ver-fahren, das aus DIN 18800 Teil 1 her-rührt, ist aber nicht voll ausnutzbar, daim Nettoquerschnitt des angeschlossenenQuerschnitts immer die maximale Zug-festigkeit maßgebend ist.

RD =0,9 Anet · fu

γM2

Dies hat bruchmechanische Gründe, sieheAbb. 9, die mit möglichen Kerbeffektenaus Fehlstellen und dem Einfluss derWerkstoffzähigkeit zusammenhängen.

Die Reduktion auf 0,9 Anetto nähert dieErgebnisse der beiden Bemessungsver-fahren für teildurchgeschweißte Stumpf-nähte wieder etwas an.

Abb. 7: Stumpfnähtegleicher Festigkeit ohneund mit Restspalt

Vergleich für βW = 1,0 (S460)

Abb. 9: Bruchmechanische Deutung der maximalen Zugfestigkeit 0,9 fu

ZähigkeitesgesteuerteZugfestigkeit

Mittenriss

Abb. 8: TragfähigkeitteildurchgeschweißterStumpfnähte

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Sicherheit von Schweißnähten im Stahlbau

Voraussetzung für die Festigkeiten inAbb. 7 und Abb. 8 ist plastisches Werk-stoffverhalten, wie es bei Laborversu-chen mit üblichen Stahlbauprüfkörpernbei Raumtemperatur im Allgemeinenzugrundegelegt werden kann.

Die Voraussetzung für plastisches Ver-halten auch bei niedriger Temperaturwird durch geeignete Werkstoffwahl desGrundwerkstoffs geschaffen.

Dazu steht EN 1993-1-10 [4] zur Ver-fügung, die einmal die Z-Güten für aus-reichende Werkstoffeigenschaften inDickenrichtung nach EN 10164 zur Ver-meidung von Terrassenbruch regelt undzum anderen die Stahlsortenauswahl fürausreichende Zähigkeit bei niedrigen Tem-peraturen ermöglicht, Abb. 10.

Die Grundlage für die Stahlsortenauswahlsind Versuche und Berechnungen mitoberflächlich angerissenen geschweißten

Proben, die jeweils bestimmten Ermü-dungsbelastungen bis zur Entwicklunggroßer Oberflächenrisse in der Größen-ordnung von 1/4 bis 1/2 der Blechdickeunterworfen wurden. Danach wurdensie bei niedrigen Temperaturen bis zumBruch belastet, Abb. 11.

Sie enthalten also ungünstigste Schweiß-eigenspannungen, praktisch alle Kerb-fälle der EN 1993-1-9 [3] und zusätzlichgroße Risse und besitzen wegen der nied-rigen Temperaturen im Bruchversuchabgeminderte Werkstoffzähigkeiten, dieim Temperaturübergangsbereich derTemperatur-Zähigkeitskurve liegen.

In Abb. 12 sind ähnliche Versuche undBerechnungen für die Verwendung vonRundstäben großer Durchmesser in derKnotenkonstruktion der Stützen derKabinenbahnkonstruktion dargestellt [7].

Unterstellt man, dass für die Schweiß-nähte und die Wärmeeinflusszone keineschlechteren Bedingungen als für denGrundwerkstoff bestehen, dann sind alsodie statischen Festigkeiten von Stumpf-

nähten wegen des plastischen Ausgleichsim Querschnitt im Hinblick auf Form-effekte der Restspalte sehr unempfind-lich, und es gäbe bei den üblichen Stahl-baukonstruktionen keine Veranlassung,besonders scharfe Prüfbedingungen hin-sichtlich Ungänzen zu fordern.

Das Problem der Ungänzen liegt alsoweniger in der statischen Festigkeit alsvielmehr in der Ermüdungsfestigkeit unddamit dem Sicherheitsgesichtspunkt derDauerhaftigkeit der ermüdungsbelastetenKonstruktionen.

4 Einfluss der Restspalte auf dieErmüdungsfestigkeit

EN 1993-1-9 [3] liefert die Regeln fürden Ermüdungsnachweis von nicht ge-schweißten und geschweißten Stahl-bauten.

Die Kerbfalltafeln geben die Ermüdungs-festigkeiten für volldurchgeschweißteStumpfnähte und für Kehlnahtverbin-dungen mit den dafür geltenden großen

Abb. 10: Ermittlung der erforderlichen Z-Gütenach EN 1993-1-10

a) SchweißnahtdickeZa = 6

b) NahtformZb = 8

c) Auswirkung der Werkstoffdickes = 30 mm

Zc = 6

d) Auswirkung der Behinderung der Schweißnahtschrumpfung durch Querrahmen

Zd = 3

∑ZE = 23(Z25)

Abb. 11: Zulässige Blechdicke nach EN 1993-1-10 und Begründung durch Versuche mit angerissenen Prüfkörpern

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BAUEN MIT STAHL

Kerb- Konstruktionsdetailfall80 ♦ < 50 all t71 50 < ♦

≤ 80 all t63 80 < ♦

≤ 100 all t56 100 < ♦

≤ 1200 all t56 ♦ > 120 t ≤ 2050 120 < ♦ t > 20

≤ 200 20 < t♦ >200 ≤ 30

45 200 < ♦ t > 30 ≤ 300 30 < t

♦ > 300 ≤ 5040 ♦ > 300 t > 50

36*

Abb. 13: Kerbfalltafeln der EN 1993-1-9 für volldurchgeschweißte Stumpfnähte und Kehlnahtverbindungen

Anforderungen

1) Nach Prüfungfrei von Diskonti-nuitäten und Exzentrizitätenaußerhalb der Toleranzen nachEN 1090.

2) ∆σ ist mit modifiziertenNennspannungs-schwingbreiten zu ermitteln.

3) Es sind 2 Ermü-dungsnachweiseerforderlich: zumeinen der Nach-weis gegen Rissder Schweiß-nahtwurzel mitSpannungen nachKapitel 5 mitKerbgruppe 36*für σw und Kerb-gruppe 80 für τw,zum anderen derNachweis desNahtübergangesmit Bestimmungvon ∆σ in den be-lasteten Blechen.

Kerbfälle 1) bis 3):Die Ausmittigkeitder belastetenBleche muss ≤ 15 % der Dickedes Zwischen-blechs sein.

Beschreibung

1) Riss amSchweißnaht-übergang in volldurchgeschweiß-ten Stumpfnähtenund allen nichtdurchgeschweiß-ten Nähten.

2) Riss amSchweißnaht-übergang, aus-gehend von derKante des An-schlussbleches,mit Spannungs-konzentrationenan den Schweiß-nahtenden infolge Blechver-formungen.

3) Wurzelriss beinicht voll durch-geschweißten T-Stößen oderKehlnahtan-schlüssen und voll durchge-schweißten T-Stößen.

wie

Ker

bfal

l 1 in

Tab

elle

8.5

Restspalten an, Abb. 13; die Effektekleiner Restspalten, die als Ungänzenbetrachtet werden könnten, sind in denKerbfalltabellen nicht angegeben.Ermüdungsfestigkeiten für teilweisedurchgeschweißte Stumpfnahtverbin-dungen existieren nicht.

Wohl wird in EN 1993-1-9 die Bedeutungder Ausführungsqualität berücksichtigt,

sei es durch Hinweise auf die notwendigeBearbeitung, auf geometrische Toleran-zen, maximale Exzentrizitäten und sons-tige geometrische und Verarbeitungs-bedingungen, für die die Ermüdungskerb-fälle gelten.

Ein typisches Beispiel für die Bedeutungder Ausführungsqualität für die geregel-ten Ermüdungsfestigkeiten sind die Tole-ranz- und Prüfregelungen für die Ferti-gung von Stahlfahrbahnen im Straßen-und Eisenbahnbrückenbau, die Vorausset-zung für die Gültigkeit der Ermüdungs-festigkeiten sind, Abb. 14.

verformbares Anschlussblech

Abb. 12: Versuche für die Verwendungvon Rundstäben in der Stütze

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Sicherheit von Schweißnähten im Stahlbau

Will man den Einfluss von Ungänzen aufdie Ermüdungsfestigkeit erfassen, mussman auf Versuchsdatenbanken zurück-greifen, die den Kerbfallfestlegungen inEN 1993-1-9 zugrunde liegen [5].

Diese ermöglichen aber nur wenige Ab-schätzungen, z. B. für den Fall von Stumpf-nähten nach Abb. 15.

Die einzige Methode der Frage der Rest-spalte auf die Ermüdungsfestigkeit syste-matisch nachzugehen, ist die bruchme-chanische Methode. Deren Anwendungauf das Problem der zulässigen Restspal-ten bei den Fahrwegträgern der Kabinen-bahn wird im folgenden erläutert.

5 Zulässige Restspalten

5.1 Bruchmechanische Untersuchungen

Bei den Längsnähten, siehe Abb. 5, inte-ressierte, welche Restspaltengrößen ander Nahtwurzel aus Sicherheitsgründentolerierbar wären, damit das Bauteildauerfest ist.

In den Eckbereichen der Zwischenrahmen,Abb. 16, interessierte das für dieDauerfestigkeit notwendige Maß derNahtdicke.

Zunächst wurde festgestellt [8], dass derverwendete Feinkornbaustahl S 355 J2 G3die nach EN 1993-1-10 (DASt-Ri 014)erforderliche Z-Güte besaß, so dass Ter-rassenbruch ausgeschlossen werden kannund es nur um schweißbedingte Restspaltegeht.

Ein Sondergutachten [9] mit Werk-stoffuntersuchungen und Schwingver-suchen an Kleinproben, die aus saniertenSchweißnahtbereichen herausgearbeitetwurden, zeigte auch, dass eine bis zu 8-mal wiederholte Reparatur einer Schweiß-naht an gleicher Stelle ohne Nachteil fürHärte, Zähigkeit und Betriebsfestigkeitmöglich wäre, so dass die Untersuchun-gen auch für Befunde nach Reparaturengelten.

Konstruktionsdetail Ausnutz- Prüfver- gefordertes Bemerkungung sEd fahren und Prüfergebnis

Prüfumfang

1) Zugspannung 1a zu 1a Prüf-Fahrbahnblechstöße σEd ≤ 0,90 Prüfung der Toleranzen bedingungen ohne Plättchen fyk und Nahtvor- der Schweiß- nach

σEd > 0,75 bereitung nahtvor- ZTV-K 1996, fyk vor dem bereitung Abs. 8.4

Schweißen eingehalten

1b zu 1b100 % Sicht- Äußerer prüfung Befund

1 Versatz ≤ 2 mm nach dem DIN EN 25817Schweißen (B) Bewertung

nach ZTV-ING

2 zu 2Nahtvorbereitung 100 % Innerer und Nahtöffnungs- Ultraschall Befundwinkel α in (UT) oder DIN EN 25817 Abhängigkeit vom Durchstrah- (B) Bewertung Schweißprozess lungsprüfung nach ZTV-Ing.

(RT)

Zug- 1a zu 1a Prüf-spannung Prüfung der Toleranzen bedingungenσEd ≤ 0,75 Nahtvor- der Schweiß- nach fyk und bereitung vor nahtvorbe- ZTV-K 1996,σEd > 0,60 dem reitung ein- Abs. 8.4fyk Schweißen gehalten

1b zu 1b100 % Sicht- Äußererprüfung nach Befund dem DIN EN 25817 Schweißen (B) Bewertung

nach ZTV-ING

2 zu 210 % Ultra- Innerer schall (UT) Befund oder Durch- DIN EN 25817 strahlungs- (B) Bewertungprüfung (RT) nach ZTV-Ing.

Zug- 1a zu 1a Prüf-spannung Prüfung der Toleranzen bedingungenσEd – 0,60 Nahtvor- der Schweiß- nachfyk oder bereitung nahtvor- ZTV-K 1996,Druck- vor dem bereitung Abs. 8.4spannung Schweißen eingehalten

1b zu 1b100 % Sicht- Äußerer prüfung nach Befund dem DIN EN 25817 Schweißen (B) Bewertung

nach ZTV-Ing.

Abb. 14: Toleranz- und Prüfregelungen für die Fertigung von Stahlfahrbahnen

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BAUEN MIT STAHL

Die Ermittlung der zulässigen Restspalteerfolgte über folgenden bruchmechani-schen Ansatz.

Zunächst wurde der Zeitverlauf derSpannungsbeanspruchungen an ver-schiedenen kritischen Stellen der Fahr-wegträgerkonstruktion für die Überfahrteines Zuges mit einem FE-Modell mitSchalen und Volumenelementen, dasüber 3 Zwischenrahmen reicht, errechnet,Abb. 17. Der Zeitverlauf wurde zur Ermitt-lung der Spannungsschwingbreiten aus-gewertet.

Mit Hilfe von bruchmechanischen Model-len wurde sodann die zulässige Restspal-tengröße ermittelt, die zu dem Schwellen-wert ∆κ = 190 N/mm3/2 des Spannungs-intensitätsfaktors, bei dem kein Risswachs-tum mehr zu erwarten ist, und damit zurDauerfestigkeit führt.

Abb. 15: Versuche mit Stumpfnähten mit Restspalt bei Biegebeanspruchung

Abb. 16: Eckbereich der Zwischenrahmen

Stegblech Zwischenrahmen Fahrwegträger

Abb. 17: FE-Modell der halben Fahrwegträgerkonstruktion

Symmetrieachse Radlasten

2250 mm

Oberflächenspannung für Biegung

log

∆σ

log N

Spal

t

12 mm

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Sicherheit von Schweißnähten im Stahlbau

Aus diesen Berechnungen ergibt sich bei-spielsweise für die untere Zwischenrah-menecke eine zulässige Spaltbreite von6,8 mm , siehe Abb. 18, d. h. eine erforder-liche Durchschweißungsbreite von 12 -6,8 ≈ 6,00 mm, die, mit einem Sicherheits-wert für Modellstreuung von 2 mm ver-sehen, eine Anforderung von 8 mm ergibt.Im Hinblick auf die ungenaue US-Prüfungkonnte damit die Anforderung einerDurchschweißung von mindestens 10 mmdefiniert werden.

Abb. 19 gibt die insgesamt ermitteltenErgebnisse der zulässigen Restspalten-größen an, Abb. 20 liefert weitere Ergeb-nisse für die Schweißnähte an der Geh-rung der Zwischenrahmen und Abb. 21für die Naht zwischen Auflagerknaggeund Fahrwegträgeruntergurt an denFahrbahnübergängen an den Stützen.

Die gewonnenen Ergebnisse lassen sichz. T. auch über Wöhlerlinien in der Euro-code-Datenbank, die für Proben mit Rest-spalten ermittelt werden, plausibelerklären.

5.2 Prüfung der Restspaltengröße

Bei den Längsnähten der Fahrbahnträgerwurden wegen der besonderen Bedeutungund der Gefahr des Übersehens andererAnzeigenursachen keine Restspalte er-laubt, sondern, soweit Abweichungenvon der Planung vorlagen, Reparaturenmit anschließender 100 % Prüfung an-geordnet.

Bei einseitig geschweißten Nähten, z. B.an den Eckbereichen der Zwischenrahmenoder den Gehrungen der Zwischenrahmenwurden z. B. die ersten 2 mm des Wurzel-bereichs ausgeblendet und für die Rest-dicke Anzeigefreiheit gefordert.

Bei den Nähten zwischen Auflagerknag-gen und Fahrbahnträger wurde das US-Prüfverfahren an Proben mit bekanntenRestspalten kalibriert und bei Anzeigenüber den Grenzwerten Reparaturen ver-langt.

Abb. 18: Zulässige Restspaltgröße in der unteren Zwischenrahmenecke

Abb. 19: Zulässige Restspaltgröße in der unteren/oberen Längsschweißnaht der Fahrwegträger

Abb. 20: Zulässige Restspaltengrößen an den Gehrungsnähten der Zwischenrahmen

2250 mm

2250 mm

2250 mm Spalt 3,0 mm

Spalt 4,5 mm

6 mm

14 mm

30 mm

18 mm

18 mm

3,5 mm

3,5 mm

6,8 mm12 mm

Stegblech FahrwegträgerZwischenrahmen

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BAUEN MIT STAHL

Insgesamt liegt natürlich in dem Vorgehen:a)Definition zulässiger Restspalteb)Ermittlung vorhandener Restspalten-

größen durch Prüfverfahren und Ver-gleich mit den zulässigen Werten

das Problem, dass US-Prüfverfahren fürflache, stumpf gestoßene Bleche gut kali-briert sind, aber für andere Stoßausbil-dungen, z. B. Eckstoß, T-Stoß oder Kreuz-stoß, vorab an Musterfehlern kalibriertwerden müssen, um Unsicherheiten zwischen Prüfanzeigen und wirklichemBefund auszuräumen.

Günstiger wäre eine Vorgehensweise, beider nicht die zulässigen Restspaltengrö-ßen definiert werden, sondern direkt diezulässigen Anzeigen, so dass Unsicher-heit und Streitpunkte aus dem Verfah-ren herausgenommen werden.

6 Zusammenfassung

Anforderungen an Schweißnähte könnenaus Festigkeits- und Dauerhaftigkeitsan-forderungen an Bauteilen abgeleitetwerden.

Dieses liefert die Möglichkeit, zulässigeUngänzen bei Schweißnähten zu defi-nieren, wie dies am Beispiel des Fahrweg-träger für die Kabinenbahn des Düssel-dorfer Flughafens durchgeführt wurde.

Damit wäre es möglich, die Art der gefor-derten Schweißnaht, ob voll durchge-schweißt oder mit Restspalt, auch fürermüdungsbelastete Konstruktionen imPlanungsstadium festzulegen und dieÜberprüfung der Ausführung darauf ab-zustimmen.

7 Literatur

[1] RWTH Aachen, Lehrstuhl für Stahlbau:Kabinenbahn am Düsseldorfer Flughafen,Feststellungsbericht zur Betriebssicherheitim Auftrage der Siemens AG, 04.06.2002

[2] prEN 1993-1-8: Bemessung vonAnschlüssen, CEN, September 2002

[3] prEN 1993-1-9: Ermüdung, CEN,August 2002

[4] EN 1993-1-10: Stahlsortenauswahlim Hinblick auf Bruchzähigkeit undEigenschaften in Dickenrichtung, CEN,August 2002

[5] RWTH Aachen, Lehrstuhl für Stahlbau:Hintergrundbericht zu EN 1993-1-9,Dezember 2002

[6] Deutsche Bahn: Vorschrift für Eisenbahnbrücken undsonstige Ingenieurbauwerke, DS 804 (B4)

[7] RWTH Aachen, Lehrstuhl für Stahlbau:Gutachten zur Frage der Sprödbruch-sicherheit des Knotenpunktes bei derStützkonstruktion der H-Bahn zumIC-Bahnhof, Düsseldorfer Flughafen,15. Oktober 1999

[8] RWTH Aachen, Lehrstuhl für Stahlbau:Untersuchungen an Fahrwegträgern derKabinenbahn Düsseldorf, 14. April 2000

[9] RWTH Aachen, Lehrstuhl für Stahlbau:Gutachten zur Auswirkung einer Mehr-fachsanierung an den Fahrwegträgernder Kabinenbahn Düsseldorf, 19. Juli 2000

Abb. 21: Zulässige Restspaltengrößen am Fahrbahnübergang

6 m

m

3 mm6 mm5 mm

40 mm

14 mm

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Trends in der schweißtechnischen Fertigung von Stahlkonstruktionen

1 Einleitung

Stahl wurde von alters her für besonderslanglebige und solide Konstruktionen ein-gesetzt. Oft war es aus Gründen der Trag-fähigkeit notwendig, die Eigenmasse desBauwerkes zu begrenzen, so dass insbe-sondere Brücken und Hallenkonstruktio-nen mit großer Spannweite unter Verwen-dung von Stahltragwerken gefertigtwurden.

Als Fügeverfahren kam hierfür noch zuBeginn des vergangenen Jahrhundertsdas Nieten, meist als Warmnieten, zumEinsatz. Dieses seinerzeit am weitestenverbreitete Verfahren wurde teilweiseauch durch lösbare Verbindungen er-gänzt. Verständlicherweise traten schondamals die verantwortlichen Konstruk-teure aufgrund der besonderen Bedeu-tung und Sicherheitsbedürfnisse dieserBauten neuen Fertigungsmethoden mitder notwendigen Skepsis entgegen.

So fand das Schmelzschweißen in seinerAnwendung im Brückenbau erst die not-wendige Akzeptanz, nachdem repräsen-tative Konstruktionen, wie die Dnepr-Brücke in Kiew fertiggestellt und erfolg-reich im Einsatz waren. Schon damalswaren solche einschneidenden Neuerun-gen nur in Verbindung mit der notwendi-gen wissenschaftlich-technischen Unter-stützung möglich, die in diesem beson-deren Fall durch das Institut für Elektro-schweißen Kiew, Prof. Paton sen., gege-ben war. Auch war zu berücksichtigen,dass der Begriff der Schweißbarkeit [1],wie ihn Abb. 1 zeigt, erst definiert wer-den musste, und Werkstoffe, wie der Pud-delstahl oder der Bessemerstahl nicht odernur bedingt schmelzschweißbar sind. Sogalt es nicht nur die Schweißverfahrenzu entwickeln, sondern gleichzeitig auchdie Werkstoffe anzupassen und letztlichdie Akzeptanz im Markt zu erreichen. Einnicht unwesentlicher Aspekt war hierbeiauch die Qualitätssicherung. Diese stelltesich beim Nieten deutlich anders dar alsbeim Schweißen. So entstand wohl schondamals die Definition des Schweißens alsspezieller Prozess.

2 Die Entwicklung des Schmelzschweißens

Das Schmelzschweißen selbst wiederumunterlag insbesondere in der zweitenHälfte des vergangenen Jahrhundertseiner Entwicklung, wie sie qualitativ inAbb. 2 dargestellt ist. Diese zeigt in derallgemeinen Entwicklung den Niedergangdes Gasschmelzschweißens ebenso deut-lich wie die heutige Position des Licht-bogenschweißens sowie die Perspektivender Strahlprozesse Elektronen- und La-serstrahlschweißen. Bezogen auf dieAnwendungen im Stahlbau wird zumin-dest unterstrichen, welchen Stellenwertdie Lichtbogenprozesse heute einnehmen.Die Tendenz zum Einsatz von höherenLeistungsdichten ist dabei nicht Selbst-

zweck, sondern resultiert aus der allge-meinen Forderung nach geringem Ener-gieeintrag bei größtmöglichem verbun-denem Querschnitt pro Zeiteinheit. Diesbeeinflusst nicht nur die Produktivitätpositiv, sondern reduziert durch einengeringen Verzug auch Richtprozesse. Neben dem Wettstreit der EnergiequellenGas, Elektrizität und Photonen zeigt sichjedoch auch innerhalb der derzeit imStahlbau am meisten verwendeten Pro-zessgruppe der Lichtbogenprozesse eineWeiterentwicklung zu höherer Leistungund Leistungsdichte, siehe Abb. 3. Nichtberücksichtigt sind hierbei Prozesse mitverdecktem Lichtbogen, wie der UP-Pro-zess, der nach wie vor an der Spitze derAbschmelzleistung beim Verbindungs-schweißen großer Querschnitte steht.

Trends in der schweißtechnischen Fertigung von Stahlkonstruktionen

Dr.-Ing. Steffen Keitel

Abbildung 1: Dreieck der Schweißbarkeit nach DIN 8528 [1]

Abbildung 2: Geschichtliche Entwicklung derSchmelzschweiß-prozesse, qualitativ

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BAUEN MIT STAHL

3 Thermisches Schneiden als Fertigungsverfahren der Bauteilvorbereitung

Sowohl hinsichtlich seiner verfahrens-technischen Nähe als auch in Bezug aufdie unmittelbaren Auswirkungen auf denSchweißprozess muss das thermischeSchneiden mittels autogener Flammeoder als Plasmaschneiden genannt wer-den. Prinzipiell denkbar, aber im klassi-schen Stahlbau noch unterrepräsentiert,sollte an dieser Stelle auch auf das Laser-strahlschneiden hingewiesen werden.Dabei lässt sich auch für Prozesse desthermischen Schneidens eine Entwick-lung erkennen, die der in Abb. 2 gezeig-ten für das Schmelzschweißen entspricht.

Eine durch Architekten, Konstrukteureund Statiker gleichermaßen zunehmendeingesetzte Gestaltungsmöglichkeit istdie Verwendung von Hohlprofilen. Oft istbei der Entstehung solcher Konstruktio-nen nicht unmittelbar erkennbar, welchefertigungstechnischen Besonderheitensich bei der Herstellung von entsprechen-den Knoten ergeben. Dabei wird die Qua-lität eines geschweißten Knotens, in demmehrere Streben unter verschiedenenWinkeln einlaufen, bereits maßgeblichdurch den Zuschnitt bestimmt.

Seit ca. 10 Jahren wird dieses Verfahrenunter Anwendung von Gelenkarmrobo-tern praktiziert und bietet nicht nur dieMöglichkeit, komplizierte Durchdringun-gen zu realisieren, sondern gleichzeitigauch Einfluss auf die Nahtvorbereitung

zu nehmen. Abb. 4 zeigt zum einen einBeispiel für die Schnittgeometrie an Hohl-profilen und zum anderen, wie diese Geo-metrie die Passgenauigkeit der Hohlpro-file zueinander beeinflusst.

An Vorteilen bedeutet dies: – Direkte Umsetzung der Konstruktions-

programme in die Roboterprogrammie-rung im Sinne einer Off-line-Program-mierung,

– Integration der Nahtvorbereitung inden Zuschnitt,

– Reduzierung der Anpassarbeiten,– Reduzierung der Schweißzeiten,– Sicherstellung von Nahtqualität und

Reproduzierbarkeit der Tragwerks-eigenschaften,

– Verkürzung der Fertigungszeiten.

Die genannten Effekte werden umsodeutlicher, je größer die Wandstärke derHohlprofile ist.

Grenzen der Einsetzbarkeit entstehen erstdann, wenn komplizierte Geometrien beigroßen Wandstärken realisiert werdenmüssen. Zu beachten ist, dass die Schnitt-

tiefe bei Schrägschnitten meist deutlichgrößer ist als die Materialdicke, und deraufgrund der besseren Ansteuermöglich-keiten durch die CNC-Roboter bevorzugtePlasmaschnitt dann nicht mehr einge-setzt werden kann. Für den autogenenBrennschnitt bestehen jedoch hinsichtlichder Schnitttiefe praktisch keine Grenzenund aus der praktischen Sicht sind Kons-truktionen mit großer Wandstärke derHohlprofile und gleichzeitig komplizierterGeometrie eher selten.

Eine andere Grenze der Einsatzmöglich-keiten ist dann gegeben, wenn bereitsgebogene Profile mit großer Eigenmassegeschnitten werden sollen. Auch ist einPassschnitt auf der Baustelle nicht mehrmit dem Roboter ausführbar.

Als Lösung hierfür bieten sich Umlaufau-tomaten an, wie sie in der Schweißtech-nik in ähnlicher Weise auch für Verbin-dungsschweißungen eingesetzt werden.Abb. 5 zeigt einen Lösungsansatz in Formeines Prototypen, wie er in einem laufen-den Forschungsvorhaben der SLV HalleGmbH zusammen mit der Firma ZIS Indus-trietechnik GmbH entwickelt wurde undnunmehr seine ersten Praxiseinsätze er-folgreich bestanden hat.

Inzwischen gibt es eine Reihe von spe-ziellen transportablen Schneideinrich-tungen, die den passgenauen Zuschnittauch auf der Baustelle gewährleisten. Abb. 3: Einordnung der Lichtbogenprozesse in das Schmelzschweißen

Abb. 4: Zuschnitt undPassgenauigkeit vonTragrohren

Abb. 5: Mobiles Rohrschneidgerät bei derInbetriebnahme

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Trends in der schweißtechnischen Fertigung von Stahlkonstruktionen

Man beachte an dieser Stelle auch dieAnforderungen an den Schweißer, derbeim Umschweißen von Streben in Kno-tenverbindungen nicht nur unterschied-liche Schweißpositionen beherrschenmuss, sondern auch veränderliche Naht-formen zu berücksichtigen hat. Hier liegteine besondere Verantwortung beimKonstrukteur, der die Fertigungsmög-lichkeiten stets berücksichtigen muss.Deshalb sollte die Ausbildung zum DVS-Schweißkonstrukteur nach DVS-Richt-linie 1181 fester Bestandteil der Weiter-bildung von Konstrukteuren sowohl inFertigungsbetrieben als auch Ingenieur-büros sein.

4 Neue Methoden beim Lichtbogenschweißen

Nach wie vor sind es die klassischen Pro-zesse wie MAG-, E- oder UP-Schweißen,die im Bereich des Stahlbaus eingesetztwerden.

Das E-Handschweißen mit Stabelektrodeist hinsichtlich seiner Flexibilität und dergeringen gerätetechnischen Anforderun-gen ein ideales Verfahren für Reparatur-fälle. Hier hat die konsequente Umsetzungder Invertertechnik zu einer erheblichenReduzierung der Baugröße von Strom-quellen beigetragen und damit die Ar-beitsbedingungen für den Schweißerverbessert.

Das E-Handschweißen besitzt nach wievor seine Einsatzberechtigung, wenn esum das Schweißen anspruchsvoller Wur-zellagen geht. Schadensfälle der jüngstenVergangenheit beweisen, dass die Erfas-sung der Nahtwurzel besondere Anfor-derungen stellt und beim MAG-Schweißenmit einem sehr großen freien Drahtendedas Vorlaufen von Schweißgut eine er-hebliche Gefahr hinsichtlich der Ausbil-dung von Bindefehlern darstellt. Dies giltfür die Werksfertigung in gleicher Weisewie für die Montage oder Reparatur aufder Baustelle.

Als Wettbewerb für das E-Handschweißenmuss das Schweißen mit selbstschützen-den Fülldrähten angesehen werden. Auf-grund der starken Rauchentwicklung wirddas Verfahren jedoch bevorzugt auf Bau-stellen eingesetzt. Hier hat es seine Vor-teile durch das kontinuierliche Abschmel-

zen von Schweißzusatz gekoppelt mitder Unabhängigkeit von der Schutzgas-versorgung und geringerer Beeinflussungdurch Windverhältnisse.

Das Schweißen mit heliumhaltigenSchutzgasen in der Werksfertigung hathinsichtlich der Erhöhung der Abschmelz-leistung seinen Platz erobert, erfordertjedoch von den Schweißern eine hoheKonzentration sowie körperliche Kondi-tion. An einigen Stellen hat das Verfahrenden klassischen UP-Prozess verdrängt.Dieser besitzt allerdings nach wie vordas größte Potenzial hinsichtlich der Ab-schmelzleistung und ist darüber hinausin Bezug auf die Reproduzierbarkeit derQualitätsanforderungen einer der sta-bilsten Prozesse. Jüngste Entwicklungenqualifizieren das UP-Schweißen in seinerAnwendung als Tandem- oder Doppel-drahttechnik auch für kleinere Naht-querschnitte als hochproduktives Ferti-gungsverfahren.

Andere Neuerungen beziehen sich weni-ger auf den Prozess, sondern vielmehr aufden Komfort für den Schweißer. Ein Bei-spiel hierfür ist die Sprachsteuerung alsMöglichkeit der Anpassung von Schweiß-parametern. Moderne Sprachsteuerungensind weitestgehend unempfindlich gegen-über Störgeräuschen und besitzen dieMöglichkeit, nahezu unbegrenzte Befehlezu speichern. So könnte die Kommunika-tion des Schweißers mit der Stromquellezukünftig aussehen wie in Abb. 6 dar-gestellt. Dies ist aus der Sicht der Kom-munikationstechnik jedoch erst der An-fang, denn Forschungsprojekte gehenheute bereits soweit, dem Schweißer inseinen Schutzschirm weitere Informati-onen einzublenden. Auch kann auf diesem

Abb. 6: Kommunikationdes Schweißers mit derStromquelle durchSprachsteuerung

Wege die Kommunikation mit anderenSchweißern zur Einhaltung von Schweiß-folgen deutlich verbessert werden. Wiediese neuen technischen Möglichkeitensich jedoch zukünftig in der Arbeitsum-gebung des Schweißers durchsetzen wer-den, wird erst in einigen Jahren auszu-werten sein.

5 Stand und Anwendung desLaserstrahlschweißens

Wie bereits Abb. 3 zeigt, ist ein Produk-tivitätssprung erst möglich mit demEinsatz gänzlich neuer Technologien.Als die Energiequelle, welche sich hierfüranbietet, kann der Laserstrahl angesehenwerden. Beispiele aus dem Automobilbauund der Luftfahrt belegen dies bereitsseit mehr als 10 Jahren. Die in diesen In-dustriezweigen vorliegenden Randbe-dingungen entsprechen jedoch nichtdenen des Stahlbaus. So sind jüngereEntwicklungen, wie das Schweißen vonRohren für Gashochdruckleitungen oderdie Paneelstraßen des Schiffbaus denStahlbauanforderungen durchaus artver-wandter. Am eindrucksvollsten zeigt wohlder Schiffbau, wie im Zusammenhang mitder Einführung des Laserstrahlschweißensdas gesamte Produkt in Konstruktion undFertigungstoleranzen in Frage gestelltwerden muss. Dabei sind insbesondere dieToleranzketten des Schiffbaus am ehestenmit denen des Stahlbaus zu vergleichen.Bestimmte Elemente, wie eben die Gestal-tung von Paneeldecks können sogar alskonstruktive Elemente direkt aus demSchiffbau übernommen werden. Schweiß-geschwindigkeiten von 5 m/min undminimaler Verzug sprechen für die erreich-baren Effekte.

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BAUEN MIT STAHL

Für den effektiven Einsatz des Laser-strahlschweißens muss der Stahlbau auchdie Frage der Wiederholbarkeit von Kons-truktionselementen beantworten. Erstbei einer genügend großen Anzahl solcherElemente oder durch die Realisierung ent-sprechender Nahtlängen werden Stück-zahlen erreicht, die für das Laserstrahl-schweißen die notwendige Wirtschaft-lichkeit erreichen lassen. Hilfestellung gibthier die zeitgleiche Weiterentwicklung derAutomatisierungstechnik. So sind Robo-teranlagen heute einerseits deutlich ein-facher zu bedienen als noch vor 10 Jah-ren und andererseits hinsichtlich ihrer In-vestitionskosten auch für den Stahlbaueine wirtschaftliche Alternative. Diese inVerbindung mit Hochleistungs-Nd:YAG-Lasern sichern neben einer ausreichendenLaserleistung die notwendige Flexibilitätfür die Anforderungen des Stahlbaus.

Die Abb. 7 zeigt ein Beispiel für einePaneel-Konstruktion der Meyer-WerftPapenburg.

Eine interessante Technologie stellt sichauch in der Kopplung von Laserstrahl undLichtbogenprozess dar. Das so genannteLaser-MSG-Verfahren verbindet die Vor-züge des Laserstrahles (tiefer Einbrand)mit den Vorteilen des MSG-Prozesses(Toleranzausgleich). Für den Stahlbau von

besonderem Interesse sind hier die Ent-wicklungen zum Einsatz des Laser-MSG-Schweißens an Kehlnähten. Erreicht wirdein voller Anschluss des Steges, so dassder Eintrag von Schweißzusatz haupt-sächlich aus Gründen der Optimierungdes Kraftflusses im Übergang Steg-Gurtnotwendig ist. Die Abb. 8 zeigt ein ent-sprechendes Nahtprofil.

Neben dem Laserstrahlschweißen aufautomatisierten Anlagen ist eine neueEntwicklungsrichtung in Form von hand-positionierten Laserstrahlschweißgerätenbesonders für den Stahlbau von Interesse.Diese Geräte gestatten neben hoherFlexibilität die typischen manuellen Tätig-keiten mit den Vorzügen moderner Tech-nologien zu verknüpfen. Für die Verar-beitung von unlegiertem Stahl ist hierder Sprung zur Wirtschaftlichkeit sicher-lich noch zu früh - jedoch bei der Verar-beitung von CrNi-Stahl wurden bereitserfolgreiche Einsätze praktiziert, siehe Abb. 9.

Durch die Erweiterung der anwendbarenSchweißprozesse auf das Laserschweißenin der neuen DIN 18800-7 sind nunmehrdie notwendigen Voraussetzungen fürdessen Anwendung geschaffen worden.Anwender konnten bisher nur über Zu-stimmung im Einzelfall das Laserschwei-ßen einsetzen. Hierdurch entstanden Auf-

wendungen an Kosten und Zeit von derBeantragung der Zustimmung im Einzel-fall bis zur Genehmigung. Folgende Nor-men sind Grundlagen für den Einsatz desLaserschweißens:– DIN EN ISO 15609-4

Anforderung und Anerkennung vonSchweißverfahren für metallischeWerkstoffe; Schweißanweisung -Teil 4; Laserstrahlschweißen;

– DIN EN ISO 15614-11Anforderung und Anerkennung vonSchweißverfahren für metallischeWerkstoffe; Schweißverfahrens-prüfung - Teil 11; Elektronen- undLaserstrahlschweißen;

– EWF-Richtlinie 494-01 – Laserstrahlfachkraft.

Somit steht der Anwendung des Laser-strahlschweißens von Stählen im bau-aufsichtlichen Bereich nichts mehr imWege.

6 Ausbildung von Schweißern

Trotz aller technischer Weiterentwicklun-gen und Neuerungen entscheidet geradeim Stahlbau der Maschinenbediener oderSchweißer in hohem Maße über die Pro-duktqualität. Oft wird suggeriert, dassdurch technische Verbesserungen in denAusrüstungen oder gar Qualitätsmanage-mentsystemen die Ausbildung des Schwei-ßers an Wichtigkeit verliert. Diese Fehlein-schätzung wird dann allzu oft beim Auf-treten von Schadensfällen teuer korrigiert.

Ganz im Gegenteil werden aus den An-forderungen moderner Konstruktionenerhöhte Anforderungen an die Handfer-tigkeit und Leistungsbereitschaft desSchweißers gestellt. Auch heute nochdominiert im Stahlbau die klassische Kehl-naht. Allein das im Kapitel thermischesSchneiden gezeigte Rohrprofil zeigt, wel-che komplizierten Geometrien mit einemgleichzeitigen Wechsel von Nahtformund Nahtgeometrie der Schweißer be-herrschen muss. Dies zu beherrschen, setzteine systematische Grundausbildung desSchweißers voraus, wie sie in dem inzwi-schen europaweit anerkannten System derEWF-Schweißerausbildung, siehe Abb. 10,sichergestellt wird. Trotz einer solchenAusbildung ist jede Schweißaufsichts-person gut beraten, die Schweißer spe-ziell zu trainieren, wenn seit Jahren prak-

Abb. 7: Paneelkonstruktionen aus dem Schiffbau

Abb. 8: Laser-MSG-Hybridprozess an einer Kehlnaht

Abb. 9: Nd:YAG-Laserstrahlschweißen von Sonderprofilen

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Trends in der schweißtechnischen Fertigung von Stahlkonstruktionen

tizierte Nahtformen, wie die klassischeKehlnaht, durch andere Nahtvorberei-tungen ersetzt werden. Gerade das Um-schweißen von Rohrknoten, wie in einerKonstruktion in Abb. 11 dargestellt, aberauch der Einsatz von HV-Nähten mit gro-ßem Querschnitt und Materialdicken-unterschieden haben in der jüngsten Ver-gangenheit zu Schadensfällen geführt.

Die zunehmenden Anforderungen imKorrosionsschutz führen dazu, dass nebender schweißtechnischen Ausbildung auchdie Schulung von diesbezüglichem Perso-nal an Bedeutung gewinnt. Hierfür wer-

den zukünftig verstärkt Bildungsangebotezum Einsatz kommen. Auch wenn der-artige Ausbildungen nicht zwingend imRegelwerk vorgegeben sind, werden dieAnforderungen an QM-Systeme dennochauch hierauf zurückgreifen. Dies gilt auchfür die Ausbildung von Maschinenbedie-nern nach DIN EN 1418. Die zurzeit nurzögerliche Umsetzung der DIN EN 1418(Prüfung von Bedienern und Einrichternvollmechanischer oder automatischerSchweißanlagen) wird gegenwärtig oftdurch die Qualifizierung des Bedienerper-sonals durch Verfahrensprüfungen undArbeitsproben sichergestellt. Dieses allein

kann jedoch das Verständnis der Maschi-nenbediener für Prozesse, wie das UP-Schweißen nicht zufriedenstellend ge-währleisten. Deshalb ist hier eine prozess-bezogene Schulung zu empfehlen. Diesekann auch als In-house-Schulung in Kom-bination zwischen SLV und Fertigungs-betrieb vollzogen werden.

7 Schweißtechnisches Konstruieren im Stahlbau

Noch ist der Stahlbau gekennzeichnetdurch konservative Konstruktionsmetho-den. Dimensioniert wird meist nach demNennspannungskonzept. Neuere Modelle,wie das Strukturspannungskonzept oderdas Kerbspannungskonzept kommen nochselten zum Einsatz. Auch die damit ver-bundenen Werkzeuge der Berechnungüber finite Elemente sind im mittelstän-disch geprägten Stahlbau wenig vertreten.Wichtige schweißtechnische Fragen, zumBeispiel zum Tragverhalten von Rohrkno-ten sowohl statisch als auch dynamischkönnen heute oft nur unbefriedigend be-antwortet werden. Hier ist daher für dieZukunft ein interessanter Ansatz gegeben,der von Stahlbaubetrieben auch im Zu-sammenwirken mit entsprechenden For-schungsstellen erschlossen werden kann.Wie beim Einsatz neuer Schweißprozesseist auch hier der Schweißkonstrukteur inVerbindung mit dem Schweißfachinge-nieur als Schlüssel für eine erfolgreicheVerfahrenseinführung anzusehen.

Die Abb. 12 zeigt eine Darstellung zueinem Rohrknoten und dessen Span-nungsverteilung.

8 Stahl in Verbindung mit anderen Werkstoffen - Philosophie von Bauwerken

Der Stahlbau steht heute wie jede andereIndustriebranche in einem Wettbewerb,welcher gleichermaßen innerhalb statt-findet, aber auch den Einflüssen vonaußen unterliegt. Die Werkstoffe Beton,Kunststoff oder Glas sind heute gleich-berechtigte Elemente bei der Auslegungmoderner Konstruktionen - ebenso wiesich das Schweißen mit Schraubverbin-dungen oder mechanischen Fügeverfah-ren auseinandersetzen muss.

Abb. 11: Konstruktive Rohrknoten mit unterschiedlichen Anschlussbedingungen (EXPO 2000 Pavillon Venezuela)

Abb. 10: Schweißerausbildung nach den Regelwerken der EWF (European Welding Federation) und des DVS

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BAUEN MIT STAHL

Hierbei besteht die Gefahr, dass dertypische Stahlbaubetrieb immer mehrzu einem reinen Zulieferer für Gesamt-konstruktionen wird. Deshalb muss esdas Ziel dieser Branche sein, sich früh-zeitig in die Gestaltung von Bauwerkeneinzubringen, um über die Konstruktiondie Vorzüge des Werkstoffes Stahl aus-zureizen. Wenn sich Stahlbauer zuneh-mend aus der Gestaltung der Konstruk-tionen zurückziehen, werden diese durchandere Branchen und Werkstoffe besetzt.

Ein bereits praktizierter Lösungsansatzist das Zusammenwirken von mittel-ständischen Stahlbauern in Netzwerken.Ziel muss es sein, kundenorientierteKomplettlösungen anzubieten und hier-für die notwendigen Branchen, ausge-hend vom Konstruktionsbüro, über denStahlbau, den Korrosionsschutz und dieFundamentgründungen bis hin zum Fas-sadenbau und der Verglasung komplexzu betrachten. Eine Aufgabe der Weiter-bildung sollte dabei sein, das notwendigetechnische Verständnis der Branchenuntereinander zu schaffen. Auf demGebiet der Schweißtechnik stehen hierProgramme für Schweißfachingenieure,Schweißkonstrukteure, Werkstoffprüferund natürlich Schweißer seitens der DVS-Bildungseinrichtungen zur Verfügung.

Die vorliegende Veröffentlichung basiertin Teilen auf Ergebnissen aus Forschungs-projekten, die durch das BMBF sowie dasBMWi gefördert wurden. Hierfür sei sei-tens des Autors ausdrücklich gedankt.

9 Schrifttum

[1] DIN 8528-1:Schweißbarkeit; metallische Werkstoffe, Begriffe. Ausgabe: 1973-06

Abb. 12: Dimensionierung von Rohrknoten

Autorenverzeichnis

Dr.-Ing. Steffen KeitelSchweißtechnische Lehr- undVersuchsanstalt SLV Halle GmbHKöthener Str. 33406118 Halle

Prof. Dr.-Ing. Jörg LangeTU DarmstadtInstitut für StahlbauAlexanderstr. 764283 Darmstadt

Prof. Dr.-Ing. Joachim LindnerTU BerlinFachgebiet StahlbauGustav-Meyer-Allee 2513355 Berlin

Prof. Dr.-Ing. Ingbert MangerigUniversität der Bundeswehr MünchenLehrstuhl für StahlbauWerner-Heisenberg-Weg 3985577 Neubiberg

Prof. Dr.-Ing. Gerhard SedlacekRWTH AachenLehrstuhl für StahlbauMies-van-der-Rohe-Str. 152074 Aachen

Dr. Wolf-Dieter SchulzInstitut für Korrosionsschutz Dresden GmbHGöstritzer Str. 6101217 Dresden

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BAUEN MIT STAHL als Ansprechpartner

BauherrenInvestoren

ArchitektenPlaner

UniversitätenHochschulen

Bau-abteilungen

AusführendeFirmen

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BAUEN MIT STAHL ist eine Gemein-schaftsorganisation von europäischenstahlerzeugenden Unternehmen unddem Deutschen Stahlbau-VerbandDSTV. Sie ist neutraler Gesprächspartnerfür Bauentscheidungsträger und amBau beteiligte Gruppen, einschließlichForschung und Lehre sowie die interes-sierte Fachöffentlichkeit.

BAUEN MIT STAHL ist Bindeglied zwi-schen Architekten, Ingenieuren, Bau-herren, Planern und Ausführenden. DieOrganisation bietet kostenfrei firmen-und produktneutrale Beratungs- undPlanungshilfen – schon in der Früh-phase von Projekten. StahlbauerfahreneArchitekten und Ingenieure sind An-sprechpartner in der Zentrale in Düssel-dorf, den vier Regionalbüros in Düssel-dorf, Berlin, Hannover und Garching/München sowie im Kooperationsbüroin Frankfurt (Lange + Ewald Ingenieure).Das Themenspektrum umfasst gestalte-rische Möglichkeiten bei Stahltragwerkenebenso wie neue Technologien undmoderne Baukonzepte für die vielfältigenEinsatzbereiche von Stahl im Hoch- und

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Brückenbau, die technischen, ökolo-gischen und wirtschaftlichen Vorteiledieses Werkstoffes bis hin zu Themenwie Brandschutz, Fertigungsverfahrenund Montagekonzepte.

Durch Publikationen, E-Mail-Newslet-ter, Website (www.bauen-mit-stahl.de),Tagungen, Vorträge, Seminare, Round-Table-Gespräche, Baustellen- undObjektbesichtigungen sowie Messenwerden alle Bauinteressierten angespro-chen. BAUEN MIT STAHL ist Veranstalterdes Deutschen Stahlbautages, der allezwei Jahre an wechselnden Orten statt-findet.

Gleichfalls im Zwei-Jahres-Rhythmuswerden zwei bedeutende Wettbewerbeausgelobt, der Preis des Deutschen Stahl-baues und der Förderpreis des DeutschenStahlbaues für den studentischen Nach-wuchs der Architekten und Ingenieure.In einer Wanderausstellung werdenjeweils die besten Projekte und Arbeitender letzten Wettbewerbe gezeigt. Siedurchläuft wechselnde Einsatzorte inder Bundesrepublik und kann insbeson-

dere von Hochschulen kostenfrei ange-fordert werden.

Die Nachwuchsförderung hat bei BAUENMIT STAHL einen hohen Stellenwert.Schon während ihres Studiums erhaltendie angehenden Architekten und Inge-nieure vielfältige Hilfestellungen. Sowerden in enger Kooperation mit Uni-versitäten, Hochschulen und Fachhoch-schulen Vorträge und Seminare durch-geführt. Darüber hinaus werden denStudenten Arbeitshilfen zur Verfügunggestellt, die praktische Konstruktions-anleitungen zu den verschiedenstenAufgabenstellungen des Bauens mitStahl bieten.

BAUEN MIT STAHL steht im ständigenErfahrungsaustausch mit Architekten,Ingenieuren und Planern, Unterneh-men, Bauherren und Investoren, mitnationalen und internationalen stahl-wirtschaftlichen Organisationen undStahlbauinstituten, Hochschulen undForschungseinrichtungen sowie Bau-sachverständigen, Fach- und Normen-ausschüssen.