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TREFFPUNKT FORSCHUNG | 16 | Biol. Unserer Zeit | 1/2014 (44) www.biuz.de © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Vorkommen und Lebensraum Melogale cucphuongensis ist bis- her nur von den beiden genannten Exemplaren aus dem Cuc Phuong Nationalpark bekannt; weitere Tiere wurden bisher nicht gefun- den. Der Nationalpark liegt auf ei- ner Kalksteinformation mit primä- rem Regenwald, das Endangered Primate Rescue Center befindet sich am Eingang des Parks in einem Bereich mit sekundärem Wald. Der Regenwald wird also als Lebensraum angenommen, ähnlich wie auch für die anderen Sonnen- dachs-Arten. Da Feldarbeit in die- sen Regionen sehr schwierig ist, bedarf es wohl weiterer zufälliger Funde, um mehr über diese selte- nen Sonnendachse zu erfahren. [1] T. Nadler, C. Stefen, E. Schwierz, U. Strei- cher, C. Roos, Zoologischer Garten, 2011, 80 271–286. [2] C. Schank, E. H. B. Pollard, W. Sechrest, R. Timmins, J. Holden, J. Walston, Small Carnivore Conservation, 2009, 40, 11–15. [3] W. G. Robichaud, Small Carnivore Conser- vation, 2010, 42, 32–34. [4] S. Helin, N. Ohtaishi, L. Houji, The Mam- mals of China, China Forestry Publishing House. 1999. [5] C. M. Francis, Mammals of South-East Asia. New Holland Publishers, 2008. [6] W. C. Wozencraft, Order Carnivora, In: A. T. Smith et al., A guide to the mammals of China. Princeton University Press, Princeton, New Jersey and Oxford, 2008. [7] R. Boonratana, Small Carnivore Conserva- tion, 2010, 42, 22–24. [8] J. F. Storz, W. C. Wozencraft, Mammalian species, 1999, 631, 1–4. [9] H. Wang, T. K. Fuller, Acta Theriologica, 2003, 48, 73–78. Clara Stefen, Tilo Nadler, Ulrike Streicher, Elke Schwierz, Christian Roos Abschnitt identisch, unterscheiden sich aber deutlich von M. perso- nata und M. moschata. Die phylo- genetischen Rekonstruktionen zei- gen, dass M. cucphuongensis zwar eindeutig zu den Sonnendachsen gehört, jedoch ein Schwestertaxon zu M. personata und M. moschata darstellt und sich bereits vor ca. 3,5 Millionen Jahren von diesen getrennt hat. ABB. 4 a) Schädel von M. cucphuongensis sp. nov. (Cuc Phuong National Park Museum). b) Zum Vergleich ein Schädel der Art M. personata. Bilder: Tilo Nadler. cm cm a) b) EVOLUTION Neues vom Pferde-Stammbaum Die Vorfahren unserer heutigen Pferde sind durch zahlreiche Fossil- funde dokumentiert: Ausgehend von kleinen vierzehigen Waldtieren hin zu großen einzehigen Steppentieren erscheinen sie als Lehrbuch- beispiel für eine evolutive Reihe. Jeder neue Fossilfund fügte jedoch weitere Zweige hinzu. Der Pferde-Stammbaum gleicht eher einem Busch, in dem viele Linien ausgestorben sind und nur die Gattung Equus, also Zebra, Halbesel, Esel und echtes Pferd, bis heute erhalten blieb. Eine vergleichende Genomanalyse von Pferdeknochen-DNA aus dem Permafrostboden Kanadas hat jetzt gezeigt, dass die Abspaltung der Equus-Linie deutlich älter ist als bisher vermutet. Früheste fossile Belege von Urpfer- den, also pferdeartigen Vorformen, stammen aus Eurasien und Nord- amerika. Sie werden dem Eozän zugeordnet und haben damit ein Alter von etwa 55 Millionen Jah- ren. Alle gefundenen Urpferde lie- fen bereits auf den Zehenspitzen, sie hatten also schon eine evolu- tive Entwicklung in Richtung Un- paarhufer durchlaufen, als sie in die Nordkontinente gelangten. Wo- her sie kamen, ist paläontologisch nicht belegt [1]. In Eurasien star- ben alle Urpferde vor etwa 34 Mil- lionen Jahren aus. In Nordamerika entwickelten sie sich dagegen ra- diativ weiter, wenn es vielleicht auch nicht ganz so viele verschie- dene Arten waren, wie zeitweise angenommen wurde [2]. Dabei nahm die Größe der Pferdeartigen zu und die Anzahl ihrer Zehen ab – in Nordamerika liegt also der Schauplatz für die vereinfachende „Pferdereihe“. In mehreren Wellen gelang Pferdeartigen die Besiedlung Süd- amerikas und die Wiederbesied- lung Eurasiens, sie drangen über

Neues vom Pferde-Stammbaum

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16 | Biol. Unserer Zeit | 1/2014 (44) www.biuz.de © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Vorkommen und LebensraumMelogale cucphuongensis ist bis-her nur von den beiden genanntenExemplaren aus dem Cuc PhuongNationalpark bekannt; weitereTiere wurden bisher nicht gefun-den. Der Nationalpark liegt auf ei-ner Kalksteinformation mit primä-rem Regenwald, das EndangeredPrimate Rescue Center befindetsich am Eingang des Parks in

einem Bereich mit sekundäremWald. Der Regenwald wird also alsLebensraum angenommen, ähnlichwie auch für die anderen Sonnen-dachs-Arten. Da Feldarbeit in die-sen Regionen sehr schwierig ist,bedarf es wohl weiterer zufälligerFunde, um mehr über diese selte-nen Sonnendachse zu erfahren.

[1] T. Nadler, C. Stefen, E. Schwierz, U. Strei-cher, C. Roos, Zoologischer Garten, 2011,80 271–286.

[2] C. Schank, E. H. B. Pollard, W. Sechrest, R. Timmins, J. Holden, J. Walston, SmallCarnivore Conservation, 2009, 40, 11–15.

[3] W. G. Robichaud, Small Carnivore Conser-vation, 2010, 42, 32–34.

[4] S. Helin, N. Ohtaishi, L. Houji, The Mam-mals of China, China Forestry PublishingHouse. 1999.

[5] C. M. Francis, Mammals of South-EastAsia. New Holland Publishers, 2008.

[6] W. C. Wozencraft, Order Carnivora, In: A. T. Smith et al., A guide to the mammalsof China. Princeton University Press,Princeton, New Jersey and Oxford, 2008.

[7] R. Boonratana, Small Carnivore Conserva-tion, 2010, 42, 22–24.

[8] J. F. Storz, W. C. Wozencraft, Mammalianspecies, 1999, 631, 1–4.

[9] H. Wang, T. K. Fuller, Acta Theriologica,2003, 48, 73–78.

Clara Stefen, Tilo Nadler, Ulrike Streicher, Elke Schwierz,

Christian Roos

Abschnitt identisch, unterscheidensich aber deutlich von M. perso-nata und M. moschata. Die phylo-genetischen Rekonstruktionen zei-gen, dass M. cucphuongensis zwareindeutig zu den Sonnendachsengehört, jedoch ein Schwestertaxonzu M. personata und M. moschatadarstellt und sich bereits vor ca.3,5 Millionen Jahren von diesen getrennt hat.

A B B . 4 a) Schädel von M. cucphuongensis sp. nov. (Cuc Phuong National ParkMuseum). b) Zum Vergleich ein Schädel der Art M. personata. Bilder: Tilo Nadler.

cm cm

a) b)

E VO LU T I O N

Neues vom Pferde-StammbaumDie Vorfahren unserer heutigen Pferde sind durch zahlreiche Fossil-funde dokumentiert: Ausgehend von kleinen vierzehigen Waldtierenhin zu großen einzehigen Steppentieren erscheinen sie als Lehrbuch-beispiel für eine evolutive Reihe. Jeder neue Fossilfund fügte jedochweitere Zweige hinzu. Der Pferde-Stammbaum gleicht eher einemBusch, in dem viele Linien ausgestorben sind und nur die GattungEquus, also Zebra, Halbesel, Esel und echtes Pferd, bis heute erhaltenblieb. Eine vergleichende Genomanalyse von Pferdeknochen-DNA ausdem Permafrostboden Kanadas hat jetzt gezeigt, dass die Abspaltungder Equus-Linie deutlich älter ist als bisher vermutet.

Früheste fossile Belege von Urpfer-den, also pferdeartigen Vorformen,stammen aus Eurasien und Nord-amerika. Sie werden dem Eozänzugeordnet und haben damit ein

Alter von etwa 55 Millionen Jah-ren. Alle gefundenen Urpferde lie-fen bereits auf den Zehenspitzen,sie hatten also schon eine evolu-tive Entwicklung in Richtung Un-

paarhufer durchlaufen, als sie indie Nordkontinente gelangten. Wo-her sie kamen, ist paläontologischnicht belegt [1]. In Eurasien star-ben alle Urpferde vor etwa 34 Mil-lionen Jahren aus. In Nordamerikaentwickelten sie sich dagegen ra-diativ weiter, wenn es vielleichtauch nicht ganz so viele verschie-dene Arten waren, wie zeitweiseangenommen wurde [2]. Dabeinahm die Größe der Pferdeartigenzu und die Anzahl ihrer Zehen ab– in Nordamerika liegt also derSchauplatz für die vereinfachende„Pferdereihe“.

In mehreren Wellen gelangPferdeartigen die Besiedlung Süd-amerikas und die Wiederbesied-lung Eurasiens, sie drangen über

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eine Landbrücke von Alaska nachSibirien ein und erreichten teil-weise sogar Nordafrika. Die einzi-gen bis heute lebenden Einwande-rer gehören der Gattung Equus(Pferde) an und kamen vor etwa750.000 Jahren nach Eurasien. Bis-her ging man davon aus, dass sichdiese Gattung vor gut zwei Millio-nen Jahren in Nordamerika bil-dete. Dieser Zeitpunkt muss nachder Sequenzierung des Genomsvon einem 560–780.000 Jahre al-ten Mittelfußknochen aus dem Per-mafrostboden Kanadas korrigiertwerden: Ein Vergleich mit derDNA von einem nicht domestizier-ten Pferd (43.000 Jahre alt), fünfdomestizierten Pferderassen (E. ca-ballus), Przewalski-Pferd (E. prze-walskii) und Esel (E. asinus) zeigt,dass alle heutigen Equus-Artenvon einer 4–4,5 Millionen Jahre alten nordamerikanischen Equus-Linie abstammen, also doppelt soalt sind wie bisher gedacht [3].Der Arbeitsgruppe von Orlandogelang damit ein neuer Rekord: Siesequenzierte das erdgeschichtlichälteste Genom und erreichte damitwohl die Grenze für fossil erhal-tene DNA. Die verfeinerte Metho-dik dürfte auch für die DNA-Ana-lyse anderer Fossilien interessantsein.

Die Weiterentwicklung derheutigen Pferde fand von Eurasienaus statt. Von dort breitete sich dieGattung Equus weiter nach Wes-ten und in Richtung Afrika aus,wobei der Halbesel (Equus hemio-nus) aus einem asiatischen, derWildesel (Equus asinus) aus ei-nem nordafrikanischen Ast ent-stand. Die komplette Artbildungder Zebras erfolgte in Afrika, sieüberwanden als erste Pferdeartigeauch die Sahara. Heute gibt es dieArten Grevyzebra (Equus grevyi),Bergzebra (Equus zebra) undSteppenzebra (Equus quagga).Alle echten Pferde (Equus cabal-lus) entstanden aus ausgestorbe-nen eurasischen Wildpferden, siesind möglicherweise als Höhlen-pferde in ersten Zeichnungen von

Menschen dargestellt. Im Ur-sprungsland Nordamerika warendagegen am Ende der Eiszeiten voretwa 8000 Jahren alle Pferdearti-gen einschließlich der GattungEquus ausgestorben. Erst die Spa-nier brachten sie im 16. Jahrhun-dert zurück, wo sie teilweise als sogenannte Mustangs verwilderten.

Auf der Suche nach den wildenVorfahren unseres Hauspferdes(Equus caballus) wurden Tarpan(Equus ferus), Przewalski-Pferd(Equus przewalskii) oder einenoch unbekannte Equus-Art disku-tiert. Pferdeforscher, die den aus-gestorbenen Tarpan Equus ferusals Vorfahren ansehen, benennendie heutigen Hauspferde als Unter-art von Equus ferus, also Equus fe-rus caballus. Die noch lebendenPrzewalski-Pferde zeigen dagegenkeine genetische Durchmischungmit heutigen Pferden, sie trenntensich vor etwa 38.000–72.000 Jah-ren voneinander [3]. Daraus lässtsich schließen, dass Przewalski-Pferde nicht als direkte Vorfahrendes Hauspferdes in Frage kommen.Ihre genetische Vielfalt ist trotz derkleinen Population mit der vonHauspferden vergleichbar, der Auf-wand für Arterhaltung und Wie-derauswilderung in der Mongoleiist berechtigt. Przewalski-Pferdeweisen besonders spezifische Vari-anten in Genen auf, die für Immu-nität, Cytoskelett und Zentralner-vensystem codieren. Hauspferdehaben in bestimmten Abschnittendagegen eine verringerte geneti-sche Variabilität, die vermutlichmit Merkmalen korrespondiert, dieschon früh bei der Domestikationbetont wurden.

Seit etwa 4000 Jahren begleitetuns Equus (ferus) caballus alsHaustier. Die Domestikation be-gann in einem geografisch be-grenzten Areal im zentralen Wes-ten von Eurasien (heutige Ukraine,Kasachstan) und breitete sich vonda aus. Immer wieder wurdenWildpferde eingekreuzt und zwarvor allem eingefangene Stuten. Da-durch wurde die genetische Diver-

sität der Zuchttiere allmählich grö-ßer. Sichtbar ist das an der hohenDiversität der mitochondrialenDNA, also der maternal vererbtenGene, und der vergleichsweise ge-ringen Genvariabilität auf dem Y-Chromosom. Dabei breitetensich nicht nur domestizierte Pferdeaus, sondern auch die Kenntnis,wie man Wildpferde zähmt undvermehrt [4]. Die heute im Land-schaftsschutz eingesetzten Koniks(Abbildung) sind eine robuste Pfer-derasse, die dem Tarpan zwar na-hestehen, aber vielfach mit Haus-pferden gekreuzt wurden.

Der Stammbaum der Pferdebleibt ein Lehrbuchbeispiel dafür,wie Evolution und Artbildung inden Erdzeitaltern und über dieKontinente verlief.

[1] J. L. Franzen, Die Urpferde der Morgen-röte. Elsevier, Spektrum AkademischerVerlag, München 2007.

[2] J. Weinstock et al., PLoS Biology, 2005,3/8, 1373–1379.

[3] L. Orlando et al., Nature, 2013,doi:10.1038/nature12323.

[4] V. Warmuth et al., Pnas, 2012, 109/21,8202–8206.

Inge Kronberg, www.naturverstehen.de

A B B . Das Konikist eine kleinePferderasse, die wie hier imDithmarscherSpiekeroog vielfach zur Erhaltung vonNaturschutz -gebieten ein -gesetzt wird.

D E S R Ä T S E L S L Ö S U N G

In Heft 6/2013 suchten wir einenscheuen Laufvogel. Die richtige Lösunglautet: Helmkasuar (Casuaris casuaris). Je ein Jahresabo der neuen ZeitschriftTierweltLIVE haben gewonnen: – A. Klingenberg, Schildow– N. Gaedeke, Berlin– P. Lanwert, Idstein

Das Abo läuft über vier Ausgaben und die erste Ausgabe, diedie Gewinner erhalten, erscheint am 11. April 2014.