Neuevangelisierung - Dokumentation - Liborius Wagner-Kreis

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  • 8/2/2019 Neuevangelisierung - Dokumentation - Liborius Wagner-Kreis

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    Miteinander Glaubensgruppen bilden!

    Die Neuevangelisierungbraucht eine gemeinsame Vision

    von Spiritual August Sparrer

    Im Buch der Sprichwrter ist zu lesen:

    "Ohne Vision verkommt das Volk"(Spr 29,18).

    Wrtlich heit es:

    Ohne prophetische Offenbarung verwildert das Volk.

    Wer eine Vision hat, dessen Leben hat eine Zukunft under wei, wohin er unterwegs ist.

    Wer keine Vision hat, entwickelt keine neuen Krfte, er tut immer wieder dasGleiche und stumpft langsam ab. Helen Keller wurde blind geboren. Eines Tages

    wurde sie gefragt: "Was ist denn noch schlimmer als blind sein?" Ihre Antwortwar: "Wenn man sehen kann, aber keine Vision hat."Doch die Vision eines ein-

    zelnen reicht nicht, um vorwrts zu kommen. Er bleibt mit seinen Vorstellungenund Perspektiven allein.

    Klerusblatt, August Sparrer

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    Eine geteilte Vision, eine gemeinsame Perspektive, die aus einer gemeinsamenErfahrung wchst und die man miteinander teilt, die bringt eine Gemeinschaft,eine Pfarrei, eine Dizese vorwrts. Durch eine gemeinsame Vision werden Ener-gien und Krfte frei gesetzt, die sonst nur fr sich arbeiten.

    Eine gemeinsame Vision nimmt viele Menschen mit und lsst sie an einer ge-meinsamen Zukunft bauen.

    Wenn Christen die gemeinsame Vision einer Gruppe, eines Fhrungsteams an-schaulich vor Augen gefhrt bekommen, wenn sie erleben, welche Kraft und wel-che Freude von dieser Gruppe ausgehen, dann lassen sie sich begeistern und an-stecken. Wenn sie nur Ideen und Programme vorgetragen bekommen, werden sienicht einsteigen.

    Welche gemeinsame Vision haben Priester und Bischfe in Deutschland fr eineNeuevangelisierung? Werden sie bei Aufrufen stehen bleiben und die Neuevange-lisierung nur predigen? Oder sind sie in der Lage, in Gemeinschaft mit den Laieneinen Weg voran zu gehen, der die anderen Christen anstecken wird? Muss sichdie deutsche Kirche nicht zuerst selbst evangelisieren? Werden die von heteroge-nen pastoralen Ansichten geprgten Kleriker berhaupt zu einer gemeinsamenRichtung der Evangelisation zusammenfinden? Mu da nicht zuvor ein gemein-samer Prozess der Umkehr stattfinden?

    1. Welcher erste Schritt wre also notwendig?

    Prioritt sollte die Schaffung von Kerngruppen, Jngerschaftskreisen, kleinenchristlichen Gemeinschaften haben, die sich gegenseitig im Glauben und im Le-

    ben sttzen und bei denen sich die Priester angenommen und mitgetragen wissenund dabei erfahren, dass sie nicht alleine fr die Seelsorge verantwortlich sind.

    Otto Neubauer, der Direktor des Evangelisationszentrums der Gemeinschaft Em-manuel in Wien hat bei Papst Benedikt und seinem Schlerkreis in Castel Gan-dolfo am 30.8.2011 ausgefhrt:"Es ist interessant zu beobachten, dass zum Einen gerade die Gro-Events wiedie Weltjugendtage oder auch unsere Grostadtmissionen und Internationalen

    Kongresse der Neuevangelisation immer auerordentliche Momente der Samm-lung und Glaubensstrkung waren.

    Aber andererseits knnen all diese Ereignisse erst dann auf Dauer besondereFruchte bringen, wenn sie in kleinen Gruppen der Freundschaft gelebt werden;sowohl bei den Groveranstaltungen selbst, als auch auf dem weiteren Weg der

    Evangelisierung. Es zeigt sich heute immer deutlicher, dass wir alle dieser ein-fachen Nahrung der Liebe bedrfen, d.h. der konkreten Geschwisterlichkeit, derFreundschaft untereinander und mit dem Herrn.Wir brauchen diese kleinen Zellen, diese kleinen christlichen Gemeinschaften, indenen gebetet und das Wort Gottes ausgetauscht und in die konkrete Welt hin-ein bersetzt wird. Es sind Gebets- und Erzhlgemeinschaften. Keine Kuschel-

    Nischen des Rckzugs, sondern Zellen, die mitten in der Welt eingepflanzt sind.

    Klerusblatt, August Sparrer

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    Da sind Menschen, die in ihrer Arbeit und im vielfltigen Netzwerk von Familieund Freunden stehen und so eine neue Berhrbarkeit" der Kirche mit der Ge-sellschaft leben. Genau das knnte auch eine neue "Stunde der Laien" von heutesein."1

    Doch fr diese Weggemeinschaften braucht es Zeit und Geduld und Vertrauen,dass Gottes Wort bewirkt, was es sagt. Dazu sagt Mark Lesage:"Selbst wenn wir glauben, dass kleine christliche Gemeinschaft der Weg fr un-sere Gemeinden wren, knnen wir diese Vision nicht einfach den Menschenberstlpen. Sie muss Resonanz finden im Leben der Menschen. Es muss ihrTraum sein fr ihre Familien, fr ihre Pfarreien."2

    2. Die Priester sollten den Laien mehr Vertrauen entgegen brin-gen

    Wenn die Bischfe und Priester die kleinen christlichen Gemeinschaften nur ver-ordnen oder berstlpen wollen, werden sie kaum eine Erneuerung anstoen.

    Das hat Otto Neubauer bei seinem Vortrag vor dem Papst und seinen Schlern soausgedrckt:

    Wir Jungen - vor allem Laien - mussten allerdings schmerzlich erfahren, dassschon im Laufe der Grostadtmissionen die Dizesanleitungen der Stdte mitihren festen Strukturen zunehmend die gesamte Verantwortung bernommenhaben und die anfnglich jugendliche Dynamik, die stark von jungen Laien aus-ging, zurckgedrngt wurde. Die Dizesen kamen zunehmend unter Erfolgs-druck - so manches erschien ihnen zu riskant oder naiv - und sie setzten dannleider auf Bewhrtes und auf herausragende demonstrative Aktionen.

    Die Tendenz zur Selbstdarstellung der Kirche war gro. Das schaffte eigentlichwieder neue Distanz in der Mission, auch wenn es nach auen hin noch immer

    Eindruck machen konnte - aber wohl nur mehr im binnenkirchlichen Raum.Nehmen Sie mir es nicht bel, wenn ich mit Ihnen eine weitere Sorge teilenmuss:wie stark sich eine Welle der Klerikalisierung in den verschiedensten Formenausgebreitet hat. So viele Laien, die Motoren der Neuevangelisierung Europaswaren und sich ganz im Vertrauen der kirchlichen Leitung unterstellt hatten,wurden und werden zurckgedrngt, manche sogar zum Schweigen gebracht.

    Es erscheint geradezu eine Gewissenspflicht, in diesem Kontext all diese ver-steckten und offenen Lhmungserscheinungen in den neuen Bewegungen, aberauch in Gemeinden und Dizesen nicht zu verschweigen.

    (...) Hier ist das Wort von Dietrich Bonhoeffer erneut treffend und bedrngend:... jeder Versuch, ihr (der Kirche) zu vorzeitig zu neuer organisatorischerMachtentfaltung zu verhelfen, wird nur eine Verzgerung ihrer Umkehr undLuterung sein." (Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung - Briefe undAufzeichnungen aus der Haft.)Die Gefahr scheint mir gro, wenn das Amt mit seiner Autoritt in den Mittel-punkt gestellt wird, dass der entscheidende Ruf der getauften Christen zur Hei-ligkeit verdrngt bzw. nachgeordnet wird. Das aber verstellt das Angesicht des

    Klerusblatt, August Sparrer

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    dienenden Christus. In den vielen neuen Gemeinschaften lernten wir, was esheit, dass Laien und Kleriker eine strker entwickeltes Selbstverstndnis in ge-genseitiger Wertschtzung brauchen."3

    3. Warum die Notwendigkeit der Glaubensgruppe?

    Erneut hat sich im Lauf der Pastoralgeschichte besttigt, was Pater Alex LefrankSJ 1987 in einem Artikel geschrieben hat:"Solange ich in meinen Glauben privat, d.h. ohne Beziehung zu anderen bleibe,habe ich auch keine Hilfe, mit meinem Glauben von der intellektuell-sachhaften

    Ebene auf die Beziehungsebene zu kommen. Deshalb scheint mir, dass neben derHinfhrung zum unabdingbaren individuellen Gebet die Bildung von Glaubens-gruppen heute das entscheidende pastorale Mittel ist, um Menschen zu einem le-bendigen Glaubensvollzug zu helfen. Besondere Bedeutung drfte dabei der Ver-bindung von beidem zukommen: Gebet in der Gruppe."4

    Diese Glaubensgruppen sind auch die Voraussetzung, dass die Sakramente so ge-spendet werden knnen, dass sie greifen. Pfarrer Kurt Gartner hat dazu in seinemBuch "Lieber Bruder Bischof" schon 1989 festgestellt:"Immer wurde und wird auf dem Weg der Christenheit diese Wahrheit aufge-richtet: Umkehr und Taufe, das heit Jngerschaft (Glaubensgruppe) und Sa-krament, gehren zutiefst zusammen, sind nicht ablsbar voneinander. Im Lichtdieser Wahrheit, in dem katholische und evangelische Reformbewegungen zu-einander finden, zeigt sich im Dunkel der Geschichte berall das Lebensproblemunserer Kirche: ihr pastoraler Umgang mit dem Sakrament. Wenn nmlich inder Lebenspraxis der Kirche das Sakrament von der Jngerschaft, was auchheit von der Gemeinschaft, abgelst wird, wird das Sakrament in seiner in-nersten Wahrheit verletzt und seiner Fruchtbarkeit beraubt."5

    4. Gibt es Beispiele in unserer Nhe, wo eine neue Sicht der Kir-che langsam entsteht?

    In der franzsischen Erzdizese Portiers luft schon jahrelang ein gesegneter Pro-zess, in den Laien zusammen mit den Priestern einbezogen sind und in dem eineNeuevangelisierung durch gemeinsames Bemhen und Hren auf das Wort Got-tes erfolgt. Die Priester haben dabei die Aufgabe, den Sendungsauftrag und diemissionarische Arbeit der Laien immer neu anzufachen und zu motivieren. Aberdieser Prozess war langsam vorbereitet. Der Hamburger Theologe Martin Ltzelhat das so ausgedrckt:

    "Diese Entwicklung ist nur mglich geworden, weil man in Poitiers Vertraueninvestiert hat. Spricht man mit Bischof Rouet, dann sagt er immer: Ich habeVertrauen in meine Mitbrder und Mitschwestern dort vor Ort in den Basise-quipes. Und redet man mit den Leuten in den Gemeinden am Ort, dann hrtman: Wir haben Vertrauen in unseren Bischof - der macht das schon - Beideskann man in deutschen Dizesen nicht so oft hren, von beiden Seiten nicht.6

    Klerusblatt, August Sparrer

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    Die Erzdizese Wien hat nach einigen Dizesanversammlungen und mit einemHirtenwort von Kardinal Schnborn damit begonnen, die Schaffung der kleinenchristlichen Gemeinschaften als Kirche inmitten der Umwelt und der skularenGesellschaft anzustreben. In diesem Hirtenwort vom April 2011 heit es:"Das Ziel ist eine wachsende Anzahl von kleinen lebendigen Gemeinden! Ge-meinschaften, die wie Sauerteig in die Gesellschaft hinein wirken. (...) Ihre Lei-tung wird getauften Frauen und Mnnern bertragen werden. Mehrere kleinechristlichen Gemeinden oder Gemeinschaften werden unter der Leitung eines

    Pfarrers zusammengefasst werden."

    5. All diese Bemhungen sind eine echte Verwirklichung des II.Vatikanischen Konzils.

    In der Konstitution Lumen Gentium Nr.1 wird gesagt: "Die Kirche ist gleichsamdas Sakrament, das heit Zeichen und Werkzeug fr die innigste Vereinigungmit Gott wie fr die Einheit der ganzen Menschheit."

    Und in LG Nr. 9 sagt das Konzil: "Gott aber hat es gefallen, die Menschen nichteinzeln, unabhngig von allen wechselseitigen Verbindungen zu heiligen und zuretten, sondern sie zu einem Volk zu machen, das IHN in Wahrheit anerkennenund IHM in Heiligkeit deinen soll."

    In der Enzyklika Evangelii Nuntiandi von Papst Paul VI. sind dazu die entschei-denden Schritte vorgegeben:

    1. Verkndigung des Evangeliums durch das Leben und das Wort Gottes.

    2. Zustimmung des Herzens der Hrenden3. Aufnahme in eine Gemeinschaft /Weggemeinschaft, Jngerschaftsschule

    4. Spendung der Sakramente /persnliche Annahme der Taufe

    5. Aussendung

    Fazit

    Die Kirche als Werkzeug der Vereinigung mit Gott, und fr die Einheit der Men-

    schen kann dann entstehen, wenn in wechselseitiger Beziehung mit dem WortGottes die Menschen geheiligt und gerettet werden. Das beginnt dort, wo einTeam aus Pfarrer und Laienmitarbeitern als geistliche Gruppe gemeinsam das

    Wort Gottes hrt, in groer Einheit zusammen betet, sich auf den Weg zu einerneuen Bekehrung und Geistausgieung macht, seine Erfahrungen im Leben undmit dem Wort Gottes teilt und so zu einer Jngerschaftsschule fr andere wird.

    Damit dies aber verwirklicht wird, sind unsere Bischfe aufgerufen,miteinander und mit ihren Priestern solche Glaubensgruppen, die jader HI. Vater sehr empfiehlt, zu bilden. Bei einer gemeinsamen Verwirkli-

    chung dieser Vision wird die Neuevangelisierung gut voran kommen.

    Klerusblatt, August Sparrer

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    Anmerkungen:

    1 O.Neubauer, Der Feuerfunke des Glaubens, Vortrag vom 3.8.2011,verffentlicht aufwww.akademie-wien.at

    2 M. Lesage: Die Rckkehr der Verantwortung, Wrzburg (2011) 125.3 O. Neubauer: Der Feuerfunke des Glaubens, 7.4 P. A. Lefrank SJ: Spiritualitt der Exerzitien 37, (1987) 6.5 K. Gartner: "lieber Bruder Bischof", Freiburg, (1989) 214.6 Chr. Hennecke: Glnzende Aussichten, Mnster, (2011) 80f.

    Anschrift des Autors:

    August SparrerKonventstr. 4D-84503 Alttting

    Quelle:

    Klerusblatt 3/2012, S. 60 ff

    August Sparrer: "Neuevangelisierung braucht eine gemeinsame Vision"

    Diese Dokumentation wurde erstellt vonLiborius Wagner-Kreis: www.liborius-wagner-kreis.de

    Klerusblatt, August Sparrer

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