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NEWS IN DIESER AUSGABE: S2 Umsatzsteuerpflicht beim Sale-and-lease-back | S3 Brexit: und jetzt? S4 Besserer Schutz gegen Stalking advoselect Avocats Rechtsanwälte Lawyers Informationen für Mandanten 04.2016 www.advoselect.com Wahlen Wer heute die Zeitung aufschlägt, kommt an einem Thema nicht vorbei: Wahlen. Wahlen für Landtage, die Wahl des neuen Bundestages, aber auch die die Welt beherrschende Wahl des nächs- ten Präsidenten, der oder die in das Oval Office einziehen darf. Aber auch die Wahl des Bundes- trainers, wer neuer Kapitän der aktuellen Fuß- ball-Weltmeisters wird, bestimmte viele Tage die ersten Seiten. Prognose: Das steigert sich in Kürze. Natürlich klebt der politisch Interessierte an jeder Aussage, die er lesen darf. Wir sind darauf program- miert, unser politisches Wissen, unsere Erwartungen und vielleicht auch Befürchtungen mit Gelesenem zu untermauern, teilweise auch darauf aufzubauen, um neue Aspekte unserer politischen Teilnahme zu gewinnen. Unsere „Festplatte“ hat ausreichend Platz, diese Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, zu filtern, zu katalogisieren, zu sortieren und – natürlich – wieder, vielleicht auch nur partiell, zu löschen. Auch wenn wir überfrachtet werden mit Infor- mationen, die uns nicht nur über die Tageszeitun- gen, das Fernsehen oder das Radio erreichen, wir gieren mittlerweile nach Breaking News, auch wenn wir sie anschließend verwünschen. Viele von uns, sehr viele, lauschen den Twitter-news, haben News- letter abonniert, verlangen Push-Nachrichten Sozi- aler Netzwerke … und stöhnen über Fluten von Informationen. Aber kaum ist das Interesse an einer Nachrichtenkette eingeschlafen, meldet sich eine weitere an und bestimmt unseren Alltag. Information, da sind wir uns sicher einig, müssen sein. Es darf nichts unter den Tisch fallen, was für den Empfänger essentiell sein kann. Dazu gehören selbstredend auch alle Fakten, die die uns erteilten Mandate betreffen. Sie – als unsere Auf- traggeber – haben ein uneingeschränktes Recht, jederzeit auf der Höhe aller möglichen Details zu sein. Es wäre ein Unding, wenn wir Advoselect- Anwälte wichtige Komponenten vorenthalten, ent- scheidende Parameter gar verschweigen oder an Ihrem Interesse vorbei entscheiden. Das darf nicht sein und das wird es mit uns nicht geben. Wir wis- sen, was wir Ihnen schuldig sind. Auch wenn Sie von anderen „Informationen zugesteckt“ bekom- men, die sie nicht erbeten haben, hinterfragen Sie den Absender. Nicht jeder, der irgendetwas posaunt, kennt unsere Noten, auf denen wir spie- len. Unsere Informationen in Ihrem Rechtsfall wer- den sind für sie wichtig. Sie haben mit uns Ihre sich für Sie engagierenden Partner frei gewählt. Dafür danken wir! VORWORT ARBEITSRECHT Rechtsfolge verdeckter Arbeitnehmerüberlassung Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem Jahr 2004 bis zum 31. Dezember 2013 tätig. Grundlage ihrer Tätigkeit waren zwischen der Beklagten und der Vertragsarbeitgeberin der Klägerin als Werk- verträge bezeichnete Vereinbarungen. Die Ver- tragsarbeitgeberin verfügte über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Klägerin hat gemeint, ihre Vertragsarbeitgeberin und die Beklagte hätten nur Scheinwerkverträge geschlossen, um die Arbeitnehmerüberlassung zu verdecken. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, mit der die Klägerin vor allem fest- gestellt haben wollte, dass zwischen ihr und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zwischen der Beklagten und der Klägerin ist auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande gekom- men, wenn die Klägerin auf der Grundlage eines Scheinwerkvertrags als Leiharbeitnehmerin der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen worden wäre. Maßgeblich ist, dass die Vertragsarbeitge- berin der Klägerin die Erlaubnis zur gewerbsmä- ßigen Arbeitnehmerüberlassung hatte. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG das Zustan- dekommen eines Arbeits- verhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitneh- merüberlassungserlaubnis des Verleihers. Für eine ana- loge Anwendung dieser Vorschrift bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung fehlt es an einer planwidri- gen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat für eine solche nicht offene Arbeit- nehmerüberlassung bewusst nicht die Rechts- folge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet. (BAG, Urt. v. 12.07.2016 - 9 AZR 352/15) VORFÄLLIGKEITSENTSCHÄDIGUNG Gemeinsame Arbeitsgruppe von BMJV und BMF Der Erwerb einer Immobilie und ihre Finanzie- rung ist für Verbraucherinnen und Verbraucher eine weitreichende Entscheidung. Sie binden sich damit langfristig. Wenn ein Darlehen vorzeitig zu- rückgezahlt werden soll, verlangen Banken oft eine Vorfälligkeitsentschädigung. Damit wird die auch für Verbraucher vorteilhafte Festzinskultur in Deutschland gestützt und es wird eine im Ver- gleich zu anderen europäischen Staaten günstige Finanzierung ermöglicht. Andererseits sind Ver- braucherinnen und Verbraucher durch diese an- fallenden Vorfälligkeitsentschädigungen finanziell oft erheblich belastet. Der Parlamentarische Staats- sekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Ulrich Kelber und der Parla- mentarische Staatssekretär im Bundesministe- rium der Finanzen Dr. Michael Meister haben eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zum Thema „Vorfälligkeitsentschädigung“ eingesetzt. Die Arbeitsgruppe hat sich die Aufgabe gesetzt, die gegenwärtigen Regelungen und die Praxis der Vor- fälligkeitsentschädigung, ihre Berechnungsmetho- den und deren Transparenz zu thematisieren. Hinterfragt werden soll, ob es weiteren Kodifizie- rungsbedarf gibt, welcher Berechnungsweg den Schaden des Kreditinstituts widerspiegelt und wie für Verbraucher mehr Transparenz und damit Kontrollierbarkeit und Vorhersehbarkeit der Vor- fälligkeitsentschädigung gewährleistet werden kann. Mitglieder der Arbeitsgruppe sollen Exper- ten aus Rechtsprechung und Wissenschaft sein. Außerdem werden Vertreter der Kreditwirtschaft, der Versicherungswirtschaft und verschiedener Verbraucherschutzorganisationen ihre Stimme ein- bringen. Zudem werden Vertreter beider Ministe- rien, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs- aufsicht und der Bundesbank an der Arbeitsgruppe teilnehmen. Die Arbeitsgruppe soll ihre Arbeit im September 2016 aufnehmen.

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NEWSIN DIESER AUSGABE: S2 Umsatzsteuerpflicht beim Sale-and-lease-back | S3 Brexit: und jetzt?

S4 Besserer Schutz gegen Stalking

advoselectAvocats Rechtsanwälte Lawyers

Informationen für Mandanten04.2016www.advoselect.com

WahlenWer heute die Zeitung aufschlägt, kommt an

einem Thema nicht vorbei: Wahlen. Wahlen für Landtage, die Wahl des neuen Bundestages, aber auch die die Welt beherrschende Wahl des nächs-ten Präsidenten, der oder die in das Oval Office einziehen darf. Aber auch die Wahl des Bundes- trainers, wer neuer Kapitän der aktuellen Fuß-ball-Weltmeisters wird, bestimmte viele Tage die ersten Seiten. Prognose: Das steigert sich in Kürze. Natürlich klebt der politisch Interessierte an jeder Aussage, die er lesen darf. Wir sind darauf program-miert, unser politisches Wissen, unsere Erwartungen und vielleicht auch Befürchtungen mit Gelesenem zu untermauern, teilweise auch darauf aufzubauen, um neue Aspekte unserer politischen Teilnahme zu gewinnen. Unsere „Festplatte“ hat ausreichend Platz, diese Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, zu filtern, zu katalogisieren, zu sortieren und – natürlich – wieder, vielleicht auch nur partiell, zu löschen.

Auch wenn wir überfrachtet werden mit Infor-mationen, die uns nicht nur über die Tageszeitun-gen, das Fernsehen oder das Radio erreichen, wir gieren mittlerweile nach Breaking News, auch wenn wir sie anschließend verwünschen. Viele von uns, sehr viele, lauschen den Twitter-news, haben News- letter abonniert, verlangen Push-Nachrichten Sozi-aler Netzwerke … und stöhnen über Fluten von Informationen. Aber kaum ist das Interesse an einer Nachrichtenkette eingeschlafen, meldet sich eine weitere an und bestimmt unseren Alltag.

Information, da sind wir uns sicher einig, müssen sein. Es darf nichts unter den Tisch fallen, was für den Empfänger essentiell sein kann. Dazu gehören selbstredend auch alle Fakten, die die uns erteilten Mandate betreffen. Sie – als unsere Auf-traggeber – haben ein uneingeschränktes Recht, jederzeit auf der Höhe aller möglichen Details zu sein. Es wäre ein Unding, wenn wir Advoselect- Anwälte wichtige Komponenten vorenthalten, ent-scheidende Parameter gar verschweigen oder an Ihrem Interesse vorbei entscheiden. Das darf nicht sein und das wird es mit uns nicht geben. Wir wis-sen, was wir Ihnen schuldig sind. Auch wenn Sie von anderen „Informationen zugesteckt“ bekom-men, die sie nicht erbeten haben, hinterfragen Sie den Absender. Nicht jeder, der irgendetwas posaunt, kennt unsere Noten, auf denen wir spie-len. Unsere Informationen in Ihrem Rechtsfall wer-den sind für sie wichtig. Sie haben mit uns Ihre sich für Sie engagierenden Partner frei gewählt. Dafür danken wir!

V O R W O R T ARBEITSRECHT

Rechtsfolge verdeckter Arbeitnehmerüberlassung Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem Jahr 2004 bis zum 31. Dezember 2013 tätig. Grundlage ihrer Tätigkeit waren zwischen der Beklagten und der Vertragsarbeitgeberin der Klägerin als Werk-verträge bezeichnete Vereinbarungen. Die Ver-tragsarbeitgeberin verfügte über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Klägerin hat gemeint, ihre Vertragsarbeitgeberin und die Beklagte hätten nur Scheinwerkverträge geschlossen, um die Arbeitnehmerüberlassung

zu verdecken. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, mit der die Klägerin vor allem fest-gestellt haben wollte, dass zwischen ihr und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zwischen der Beklagten und der Klägerin ist auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande gekom-men, wenn die Klägerin auf der Grundlage eines Scheinwerkvertrags als Leiharbeitnehmerin der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen worden wäre. Maßgeblich ist, dass die Vertragsarbeitge-berin der Klägerin die Erlaubnis zur gewerbsmä-ßigen Arbeitnehmerüberlassung hatte. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG das Zustan-

dekommen eines Arbeits-verhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitneh-merüberlassungserlaubnis des Verleihers. Für eine ana- loge Anwendung dieser Vorschrift bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung fehlt es an einer planwidri-gen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat für eine solche nicht offene Arbeit-

nehmerüberlassung bewusst nicht die Rechts-folge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet. (BAG, Urt. v. 12.07.2016 - 9 AZR 352/15)

VORFÄLLIGKEITSENTSCHÄDIGUNG

Gemeinsame Arbeitsgruppe von BMJV und BMF Der Erwerb einer Immobilie und ihre Finanzie-rung ist für Verbraucherinnen und Verbraucher eine weitreichende Entscheidung. Sie binden sich damit langfristig. Wenn ein Darlehen vorzeitig zu- rückgezahlt werden soll, verlangen Banken oft eine Vorfälligkeitsentschädigung. Damit wird die auch für Verbraucher vorteilhafte Festzinskultur in Deutschland gestützt und es wird eine im Ver-gleich zu anderen europäischen Staaten günstige Finanzierung ermöglicht. Andererseits sind Ver-braucherinnen und Verbraucher durch diese an- fallenden Vorfälligkeitsentschädigungen finanziell oft erheblich belastet. Der Parlamentarische Staats- sekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Ulrich Kelber und der Parla-mentarische Staatssekretär im Bundesministe-rium der Finanzen Dr. Michael Meister haben eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zum Thema „Vorfälligkeitsentschädigung“ eingesetzt. Die Arbeitsgruppe hat sich die Aufgabe gesetzt, die

gegenwärtigen Regelungen und die Praxis der Vor-fälligkeitsentschädigung, ihre Berechnungsmetho- den und deren Transparenz zu thematisieren. Hinterfragt werden soll, ob es weiteren Kodifizie-rungsbedarf gibt, welcher Berechnungsweg den Schaden des Kreditinstituts widerspiegelt und wie für Verbraucher mehr Transparenz und damit Kontrollierbarkeit und Vorhersehbarkeit der Vor-fälligkeitsentschädigung gewährleistet werden kann. Mitglieder der Arbeitsgruppe sollen Exper-ten aus Rechtsprechung und Wissenschaft sein. Außerdem werden Vertreter der Kreditwirtschaft, der Versicherungswirtschaft und verschiedener Verbraucherschutzorganisationen ihre Stimme ein- bringen. Zudem werden Vertreter beider Ministe-rien, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-aufsicht und der Bundesbank an der Arbeitsgruppe teilnehmen. Die Arbeitsgruppe soll ihre Arbeit im September 2016 aufnehmen.

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BANKRECHT

Umsatzsteuerpflicht beim Sale-and-lease-backDie Leistung des Leasinggebers beim Sale-and-lease-back-Geschäft kann als Mitwirkung an einer bilanziellen Gestaltung beim Leasing- nehmer umsatzsteuerpflichtig sein. Dieses ent-schied der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 6. April 2016 V R 12/15.

Ein Leasinggeber hatte elektronische Informa-tionssysteme gekauft, die der Verkäufer entwickelt hatte und deshalb bilanziell nicht ausweisen konnte. Der Leasinggeber verleaste die Informationssys-teme sogleich an den Verkäufer als Leasingnehmer. Der Leasinggeber erhielt vom Leasingnehmer für den Kauf ein Darlehen in Höhe von 2/3 des Netto-kaufpreises. Über die Leasinggebühren stellte der Leasinggeber eine sog. Dauerrechnung über die volle Vertragslaufzeit aus, in der er Umsatz-steuer offen auswies und dabei auf den Leasing- vertrag Bezug nahm. Da der Leasingnehmer in Zahlungsverzug geriet, kündigte der Lea-singgeber den Vertrag vorzeitig. Der Leasing-geber ging davon aus, dass er umsatzsteuer-pflichtige Leistungen erbracht habe und daher zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Zudem wollte er nur die tatsächlich erhaltenen Leasingraten versteuern. Demgegenüber verweigerte das Finanzamt den Vorsteuerabzug, da der Leasinggeber umsatzsteuer-frei Kredit gewährt habe. Auf-grund der Rechnungserteilung und eines sich aus der Rech-nung ergebenden unzutreffen-den Steuerausweises ging das Finanzamt darüber hinaus von einer Steuerschuld des Leasing-gebers aus. Die hiergegen beim Finanzgericht eingereichte Klage war erfolglos.

Auf die Revision des Leasinggebers hat der BFH das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben: Der Leasinggeber habe dem Leasingnehmer keinen Kredit gewährt. Maßgeblicher Leistungsinhalt sei es vielmehr gewesen, dem Leasingnehmer die Aktivierung einer Forderung als Gegenwert für die selbst geschaffenen immateriellen Wirtschafts- güter zu ermöglichen. Aufgrund der Vertragsgestal- tung konnte der Leasingnehmer so insbesondere

ein höheres Eigenkapital ausweisen, was z.B. eine Kreditaufnahme erleichtern kann.

Der BFH entschied zudem, dass der Leasing-geber in seiner Rechnung Umsatzsteuer nicht feh-lerhaft ausgewiesen habe. Entscheidend war hier-für die Bezugnahme auf den Leasingvertrag. Im zweiten Rechtsgang hat das FG nunmehr zu ent-scheiden, ab welchen Zeitpunkt die Leasingraten aufgrund des Zahlungsverzugs des Leasingneh-mers als uneinbringlich zu behandeln sind und die Umsatzsteuer deswegen zu berichtigen ist.

KURZ UND BÜNDIGReform der Erbschaftsteuer Der Bundestag hat am 24. Juni 2016 eine Re- form der Erbschaftsteuer verabschiedet. Derzeit verhandelt der Vermittlungsausschuss des Bun-destages und des Bundesrates über die Reform. Der Bundesrat hatte am 8. Juli 2016 den Vermitt-lungsausschuss angerufen, um die neuen Regeln für Firmenerben in dem gemeinsamen Gremium grundlegend überarbeiten zu lassen. Das Bundes-verfassungsgericht hatte Ende 2014 die Privilegien für Betriebserben als zu großzügig eingestuft und die bestehende Regelung gekippt. Zwar kann Erben von Unternehmen auch künftig die Steuer binnen sieben Jahren vollständig erlassen werden, wenn sie Firma und Arbeitsplätze erhalten. Aller-dings werden die Hürden dafür angehoben. Künftig wird insbesondere geprüft, ob Erben großer Betriebe ab einer Erbschaft von 26 Mio. € nicht wenigstens einen Teil der Steuer aus ihrem Privat-

vermögen bezahlen können. Alternativ können sie sich mit einer geringeren Steuerverschonung be- gnügen.

Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

In den letzten Jahren ist ein kontinuierlicher Anstieg der Zahl der Personen zu verzeichnen, die in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB untergebracht sind. Dieser Anstieg ist vor allem in den letzten Jahren verbunden mit einem deutlichen Anstieg der durchschnittlichen Unterbringungsdauern, ohne dass es konkrete Belege für einen parallelen Anstieg der Gefährlich-keit der Untergebrachten gibt. Diese Daten gaben Anlass zu prüfen, inwieweit das Recht der Unter-bringung nach § 63 StGB einer stärkeren Ausrich-tung am verfassungsrechtlichen Grundsatz der Ver- hältnismäßigkeit bedarf. Zur Durchführung dieser Prüfung hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf Bitten der Konferenz der

Justizministerinnen und Justizminister der Länder im Februar 2014 eine interdisziplinär besetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, deren Er- gebnisse im Januar 2015 veröffentlicht wurden. Die dort erarbeiteten Ergebnisse werden mit diesem Entwurf umgesetzt.

Erleichterte Vertragsabschlüsse im InternetVerbraucher können ab 1. Juli europaweit

leichter Verträge per PC, Tablet oder Smartphone im Internet abschließen: Die entsprechende EU- Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste (eIDAS-Verordnung) schafft einheitliche Rahmenbedingungen für die grenz- überschreitende Nutzung elektronischer Unter-schritten. Geregelt ist darin auch die Zustellung elektronischer Einschreiben sowie elektronischer Siegel und Zeitstempel. Für besonders vertrauens-würdige Websites gibt es ein neues, europaweit anerkanntes Zertifikat.

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GASTBEITRAG – Gregor Kleinknecht

Brexit: und jetzt? Knapp drei Monate sind nun verstrichen, seit mit dem Ergebnis des Brexit Referendums die schlimmsten Befürchtungen von Industrie, Wirtschaft und vielen Politikern und Bürgern in Großbritannien, dem Rest Europas und darüber hinaus zur Wirklichkeit wurden. Während das Ergebnis Regierung und Parlament verfassungs- rechtlich nicht bindet, führt in der politischen Realität kein Weg an der Umsetzung der demo-kratisch gefallenen Entscheidung zum Austritt aus der EU vorbei. Darauf, ob sie nun im Ergebnis richtig oder falsch ist, kommt es dabei nicht an.

Seitdem hat Großbritannien nicht nur eine neue Regierung, so dass zumindest das zunächst entstandene politische Vakuum gefüllt wurde, sondern diese hat auch klargestellt, dass es kein weiteres Referendum ge- ben wird. Die Premierministerin hat ebenfalls klargestellt, erstens, dass Brexit tatsächlich Brexit bedeutet (was auch immer das wiederum bedeuten mag); und zweitens, dass es mit der Umsetzung des Brexits durch Aus-lösung des Austrittsverfahrens nach Artikel 50 des Vertrages von Lissabon frühestens Anfang 2017 zu rechnen sei.

Dies ist nicht überraschend. An- ders als im Vorfeld des schottischen Unabhängigkeitsreferendums, als die schottische Regierung vor der Abstimmung detaillierte Pläne für die Zukunft eines unabhängigen Schottlands aus-gearbeitet und jedem Bürger zur Hand gereicht hatte, fand im Vorfeld des Brexit Referendums we- der irgendwelche Planung für eine mögliche Zukunft außerhalb der EU statt, noch wussten die Bürger, über welche Zukunft außerhalb der EU sie eigent-lich abstimmen würden. Hauptsache raus. Diese Pläne müssen jetzt erst in aller Eile durch ein neu geschaffenes Ministerium ausgearbeitet werden.

Dadurch entsteht Unsicherheit, die sich wirt-schaftlich nur negativ auswirken kann: Unterneh-men legen Investitionsentscheidungen zunächst auf Eis, und viele Industriebranchen planen ihren eige-nen Brexit, allen voran Finanzhäuser und Versiche-rungsunternehmen; ebenso viele der zahlreichen europäischen Bürger, die in Großbritannien bislang von der europäischen Freizügigkeit profitierten und jetzt andere europäische Metropolen auskund- schaften.

Die zahlreichen, unmittelbar nach der Brexit Entscheidung abgegebenen Stellungnahmen dahin- gehend, dass unklar ist, was Brexit eigentlich be- deuten wird, und dass es gilt abzuwarten, sind nur begrenzt richtig. Was oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass Großbritannien in der Zwischenzeit ein volles Mitglied der EU ist und bleibt, und dass sich deshalb keine unmittelbaren Änderungen er- geben.

Selbst nach einem eventuellen Brexit werden europäische Richtlinien, die in nationales britisches Recht umgesetzt wurden, zunächst weiterhin An- wendung finden. Darüber hinaus ist ebenfalls klar,

dass die Durchdringung der britischen Rechtsord-nung mit direkt anwendbaren Normen des euro- päischen Rechts, insbesondere also Verordnungen, so intensiv ist, dass es praktisch unmöglich sein wird, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren diese insgesamt durch nationale Neuregelungen zu ersetzen. Die einzige Lösung liegt hier darin, soweit möglich auch europäische Verordnungen durch Gesetz zunächst weiterhin in Großbritannien anzuwenden, bis diese im Einzelfall durch neue Gesetzgebung abgelöst werden können. Dies wird natürlich dann nicht funktionieren, wenn euro-

päische Institutionen funktionell eingebunden sind, in denen Großbritannien dann nicht mehr Mitglied sein wird.

Schon jetzt ist klar, welche Bereiche des eng- lischen (und des schottischen, walisischen und nordirischen) Rechts besonders von europäischen Richtlinien und Verordnungen durchdrungen sind, und deshalb von einem wie auch immer gearteten Brexit direkt betroffen sein werden. Mandanten, ob Unternehmen oder Individuen, können und müssen jetzt die Zeit nutzen und prüfen, inwieweit sie von einem Brexit betroffen sein werden und sich so weit wie möglich darauf vorbereiten.

Uns erscheinen die folgenden Rechtsbereiche und Beispiele besonders betroffen zu sein, in denen Mandanten sich schon jetzt auf die möglichen Folgen eines Brexits vorbereiten sollten: Gewerbliche Schutzrechte: Anmeldungen – jedenfalls neuer Marken und Geschmacksmuster – werden sich nach einem Brexit nicht mehr auf Großbritannien erstrecken. Mandanten sollten bei Anmeldung neuer Schutzrechte deshalb schon jetzt sowohl europäische als auch nationale engli-sche Rechte beantragen. Markenschutz in Groß- britannien wird sich künftig nur noch nach natio-nalem Recht richten. Datenschutzbestimmungen werden ebenfalls der Überarbeitung bedürfen, ins-besondere bei Übermittlung von Daten zwischen Großbritannien und Mitgliedsstaaten der EU. Internationales Prozessrecht: Die gerichtliche Zuständigkeit im europäischen Handels- und Zivil-prozessrecht, und die Anerkennung und Vollstre-ckung von Urteilen, wird weitreichend durch die EUGVVO (auch als Brüssel 1a-Verordnung bekannt)

geregelt. Soweit diese wegfällt, findet zu diesen The-men grundsätzlich wieder nationales englisches Recht Anwendung, soweit Großbritannien nicht dem Lugano Übereinkommen beitritt. Mandanten können Rechtsunsicherheit in diesem Bereich ver-meiden, indem sie in neue Verträge statt einer gerichtlichen Zuständigkeitsklausel eine Schieds- klausel aufnehmen und Streitigkeiten aus bereits bestehenden Verträgen einem ad hoc Schiedsver-fahren unterworfen werden. Die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen richtet sich sowohl in Großbritannien als auch im Rest der EU

nach dem New Yorker Übereinkom-men über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schieds-sprüche, nicht nach europäischem Recht und wird deshalb von einem Brexit nicht berührt.Handels- und Gesellschaftsrecht: Be- stehende Verträge, insbesondere Dauerverträge, die über einen even-tuellen Brexit hinaus Anwendung finden, müssen geprüft und gegebe-nenfalls nachverhandelt werden. Neu abzuschließende Verträge müssen auf die möglichen Folgen eines Bre-xits flexibel reagieren können. In Lie-ferverträgen könnten z.B. Preis an- passungsklauseln von Bedeutung

werden, falls Zölle auf Lieferungen aus und nach Großbritannien auferlegt werden oder es zu star-ken Kursschwankungen zwischen Euro und Pfund kommen sollte. Im Vertriebsrecht sind Fragen des Handelsvertreterrechts betroffen, falls die Umset-zung der Handelsvertreterrichtlinie ausgesetzt wird. Erhebliche Änderungen können sich auch im Be- reich der Umsatz-/ Mehrwertsteuer im grenzüber-schreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr ergeben. Grenzüberschreitende Unternehmens- zusammenschlüsse und das Kartellrecht Werden ebenfalls erheblich betroffen sein.Kunstrecht: Das durch europäische Richtlinie geschaffene Folgerecht, dass in bestimmten Fällen Anwendung findet, wenn ein Werk der bildenden Kunst oder der Fotografie unter Beteiligung eines Kunsthändlers oder Versteigerers weiterverkauft wird, erfreute sich im Londoner Kunstmarkt nie großer Beliebtheit und würde aller Wahrscheinlich-keit nach abgeschafft.Arbeitsrecht: Deutsche Unternehmen, die Perso-nal aus dem Stammhaus nach Großbritannien entsenden, müssen möglicherweise für solches Per-sonal in der Zukunft u.U. Arbeitsgenehmigungen beantragen und sollten Ihre Personalplanung ent-sprechend einrichten.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Anwalt und Mandant kann in diesen und in anderen Rechts- bereichen helfen, mögliche Brexit Risiken zu iden-tifizieren und Strategien zum Management dieser Risiken zu definieren und umzusetzen. Hoffentlich bewahrheitet sich dann, dass in jedem Problem eine Gelegenheit liegt.

Autor: Gregor Kleinknecht, Hunters, London

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Besserer Schutz gegen StalkingDas Bundeskabinett hat den Entwurf eines

Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen beschlossen. Mit den vorgesehenen Änderungen soll dem strafwürdigen Unrechtsgehalt des Stalkings besser Rechnung getragen werden.

Stalking-Opfer sollen besser geschützt und eine Verurteilung der Täter erleichtert werden. Stalking, so das Kabinett, kann Leben zerstören. Es bedeutet eine schwere, oft jahrelange Belastung. In Zukunft nach Mitteilung des Bundesjustizministers Maas: Schon wenn die Tat geeignet ist, das Leben schwerwiegend zu beein-trächtigen, können die Täter bestraft werden. Stalking soll künftig schon dann strafbar sein, wenn das Opfer dem Druck nicht nachgibt und sein Leben nicht ändert. Es darf nicht sein, dass man z.B. erst umziehen muss, damit ein Stalker strafrechtlich be- langt werden kann. Nicht die Opfer sollen gezwun-gen werden, ihr Leben zu ändern, sondern die Stalker. Mit dem Gesetzgebungsvorhaben erfüllt die Bundesregierung die Vereinbarung aus dem

Koalitionsvertrag, den Schutz von Stalkingopfern zu verbessern.

Der Straftatbestand der Nachstellung soll aus dem Katalog der Privatklagedelikte gestrichen werden. Nach geltender Rechtslage kann die Staatsanwaltschaft ein Verfahren nach § 238 Ab- satz 1 StGB unter Verweis auf den Privatklageweg einstellen. Das bedeutet für die Opfer, dass sie,

wenn sie an der Fortführung des Verfahrens in- teressiert sind, selbst ein Verfahren gegen den Beschuldigten anstrengen müssen und dabei auch

das Kostenrisiko unter Einschluss der notwendigen Auslagen des Angeklagten wie auch die Anwalts-kosten zu tragen haben. Mit der Streichung der Nachstellung aus dem Katalog der Privatklagede-likte ist eine solche Einstellung nicht mehr mög-lich. Damit sollen die Belastungen für Opfer einer Nachstellung reduziert werden.

Weiterhin wird die effektive Durchsetzung von Vergleichen in Gewalt-schutzverfahren verbessert. Derzeit ist nur der Verstoß gegen eine gerichtliche Gewaltschutzanordnung strafbar, nicht aber der Verstoß gegen eine in einem gerichtlichen Ver-gleich übernommene Ver-pflichtung. Künftig soll es in Gewaltschutzverfahren den durch das Familienge-richt bestätigten Vergleich geben. Die Einhaltung einer Verpflichtung aus einem gerichtlich bestätigten Ver-gleich soll künftig strafbe-wehrt sein und damit ein Gleichlauf mit dem straf-

rechtlichen Schutz bei gerichtlichen Gewaltschutz- anordnungen hergestellt werden.

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