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sich am Sonntagabend im Ge- meindehaus Niestetal-Sanders- hausen dieser Aufgabe und be- geisterte auf ganzer Linie. Spätestens seit Mitsuko Uchida weiß die Fachwelt, dass die Verbindung Japan - Österreich passt. Ähnlich wie Uchida brillierte auch Matsuu- ra mit einem sehr differen- zierten Anschlag und der nöti- gen klanglichen Transparenz. Die junge Pianistin brachte den Flügel zum Singen und überzeugte mit einer sehr tief- V ON S EBASTIAN K RÄMER NIESTETAL. Mozart macht es seinen Interpreten wirklich nicht einfach. Die Stücke des Komponisten strahlen oft eine fast kindliche Leichtigkeit aus. Dennoch sind sie selbst für professionelle Pianisten alles andere als einfach, da diese durchsichtigen, schlanken Sät- ze spieltechnische Mängel des Interpreten erbarmungslos of- fenlegen. Die japanische Pia- nistin Shiyo Matsuura stellte Leichtfüßig von Japan nach Österreich Pianistin Shiyo Matsuura begeisterte in Sandershausen mit Mozart, Brahms und Schumann gründigen Interpretation. Sie zeigte so, dass der zweite Satz, Andante Cantabile (singend), diese Bezeichnung zu Recht trägt. Zu bemängeln waren le- diglich einige kleinere techni- sche Unsauberkeiten im Alle- grosatz, die aber nicht sonder- lich ins Gewicht fielen. Neben vier Klavierstücken aus Op. 76 von Johannes Brahms stand mit Schumanns Kreisleriana ein Schlüssel- werk der romantischen Litera- tur auf dem Programm. Wo Matsuura in der Mozartsonate noch mit leichtfüßiger Artiku- lation geglänzt hatte, zog sie die rund 30 Zuschauer nun mit einem sehr weichen und klangfarbenreichen Klavier- spiel in ihren Bann. Viele Zuhörer schlossen ihre Augen und folgten der Inter- pretin durch die Welt des Ka- pellmeisters Johannes Kreisler. Schumann hatte dieser von E. T. A. Hoffmann erfundenen Fi- gur 1838 dieses Werk gewid- met. Kräftiger Beifall. (Saskia Schmidts mit Kindern entstandene „Schaflandschaf- ten“) oder aus Schrottplatz- Kostbarkeiten („Ziemlich weit draußen“ von Stefan Vogt, dessen Protagonistenpuppe als liebenswert verschrobener Charakter in der Erinnerung haften bleibt). Sana Schönles „Quarz“, ein zutiefst amoralisches Ge- schöpf von einem fernen Pla- neten, das sich in einem pitto- resk zerstörten Kassel tum- melt, beeindruckte durch sei- V ON V ERENA J OOS KASSEL. Die Trickfilmklasse der Kunsthochschule Kassel zeigte ihre Jahresproduktion, und alle, alle kamen. Der An- drang auf das große Bali-Kino war so überwältigend, dass bei Weitem nicht alle Schaulusti- gen Platz fanden. Ein Trost für die zu kurz Gekommenen: Das Programm wird übermor- gen wiederholt. Eine Tour durch das breite Spektrum der Trickfilmtech- niken kündigten die Professo- ren Thomas Meyer-Hermann und Andreas Hykade an. Nicht zu viel versprochen, auch wenn diesmal, wohl aufgrund von Hykades persönlicher Ausrichtung, die animierte Strichzeichnung überwog. In dieser Sparte stachen Klein- odien heraus wie etwa das Mi- nidrama vom Pinguin Q (Kun Jia), dessen scheinbares sporti- ves Scheitern eine raffinierte Umdeutung erfährt, und „Der Schatten“ (Sun & Egg) eine ein- prägsame psychologisch un- terfütterte Angst-Studie. Ein anderer Schwerpunkt zeigte sich in der couragierten Erfin- dung versponnener Fantasie- welten, ob aus Pappmaché Wie im Strickfilm Die Jahreswerkschau der Trickfilmklasse als Publikumsmagnet ne Balance aus Verspieltheit und grimmiger Ironie. Vom Trickfilm zum Strick- film ist es nur ein kleiner Schritt, das demonstrierte Ka- tharina Vogel mit ihrer nach Super-Mario-Manier belebten Handarbeit. Verblüffend, wie gut alte Hausfrauen-Tugenden und moderne Computerspiel- Regeln zusammenpassen. Den einprägsamen Schluss- punkt bildete Frauke Strieg- nitz’ Collagen-Trickfilm „Ma- ria durch ein Dornwald ging“. Eine Arbeit, für welche die psychedelisch-poppig ver- fremdete Choralversion des Künstlerkollektivs „Arbeit“ den Inspirationspool gebildet hatte. Weit davon entfernt je- doch, das Lied plan zu illus- trieren, ersann Stiegnitz eine bedrohlich unbehauste Welt, in der sie bearbeitete Schild- kröt-Puppen musiksynchron einem ungewissen Schicksal aussetzte. Der atmosphäri- schen Dichte dieses geheim- nisvollen mit alter Ikonografie wie mit moderner Psychologie souverän jonglierenden Alb- traums konnte sich wohl nie- mand entziehen. Wiederholung: Donnerstag, 22 Uhr, Großes Bali. Albtraumhaft: „Maria durch den Dornwald ging“ von Frau- ke Striegnitz. Foto: nh trationslager Matthausen in- haftierten, der den Verlust sei- ner Frau mit den verzweifel- ten Worten dokumentierte: „Töchter von Auschwitz und Dachau, habt ihr meine Liebs- te gesehen?“ Diaprojektionen vertieften die Wirkung. Doch diese Bil- der zeigten nicht nur leidvolle Szenarien, sondern auch Por- träts jüdischer Dichter, wie das des israelischen Autors Je- huda Amichai, dessen Gedicht über seine Jugendfreundin „Kleine Ruth“ Thobi besang. V ON S TEVE K UBERCZYK -S TEIN KASSEL. Es gibt Wunden, die nie verheilen. „Angesichts mei- ner Augen, die Schreckliches sa- hen, schwöre ich nichts zu ver- gessen, mich an alles zu erin- nern“, schrieb Abraham Schlonski 1944 über das Leid, das sich wie ein blutverrosteter Stacheldraht in die Seelen der Holocaust-Opfer bohrt. Die Israelin Nizza Thobi hat viel zur jüdischen Leidens-, Kul- tur-, und Lebensgeschichte zu sagen. Mit ihrem Programm „Jiddisch is gor nischt asoj schwer - von Wilna nach Jerusa- lem“ gastierte sie am Interna- tionalen Holocaust-Gedenktag am Sonntag im Kulturzentrum Schlachthof. Ihre Lieder, die sie begleitet von Dina Leini (Geige) und Peter Wegele (Piano) zu Ge- hör brachte, sind gefühlsstarke, melancholische Kompositio- nen, die von der Welt und den Menschen des Osteuropäischen Judentums erzählen. Schicksale besingt sie wie das vom kleinen „Mottele“, der sei- ne Aufnahme in der jüdischen Gemeinde nicht mehr erlebte, weil er als Zwölfjähriger im Warschauer Getto starb. Oder den Schmerz eines im Konzen- Nicht nur betroffen Nizza Thobis Konzert zum Holocaust-Gedenktag im Schlachthof Sie will nicht nur Betroffen- heit auslösen, sondern aufklä- ren und mit ihrem Publikum in einen persönlichen Dialog eintreten. Deswegen stand sie nicht auf, sondern vor der Bühne. Und deswegen mochte sie nicht nur vorsingen, sondern auch gemeinsam. Eine gefühl- volle Umarmung wäre zum Abschluss dieses so persönli- chen interkulturellen Dialo- ges angebracht - die Besucher drückten dies durch herzli- chen Applaus aus. Gefühlsstark: Nizza Thobi im Schlachthof. Foto: Schachtschneider ßen wie Caesar, von der Liebe zum Urlaub. Höhepunkt war sicher das Lied vom Urlaub auf dem Campingplatz, in atem- beraubendem Staccato gesun- gen und gespielt. Fatales, das ist das Markenzeichen von Heinz Erhardt, liegt immer eng neben dem Banalen, so in der traurigen Ballade von Hero und Leander, worin die Vereinigung der beiden Lie- benden an der Unzuverlässig- keit der Post scheitert. Nichts ist dem Komiker hei- lig, nicht Goethes „Erlkönig“, nicht Schillers „Taucher“. Das „Klaschisch ... Klassis … das Alte“ wird so geerdet. Und Martin Lüker, der einmal so- gar in einen Dialog mit dem Vorbild im Himmel tritt, weiß alles bestens vorzutragen. Sein bestechendes, perlendes, quirliges Klavierspiel (sicher besser als das Erhardts) würzt das Ganze mit einer sehr indi- viduellen Note, die das Pro- gramm weit über ein bloßes Revival hebt. Schöner kann man den be- liebten Komiker, der nieman- dem wehtat außer den Lach- muskeln, nicht ehren. Am 20. Februar wäre er 99 geworden. Großer Applaus und eine gan- ze Zugabensequenz. www.martin-lueker.de V ON J OHANNES M UNDRY KASSEL. Ohne die kleine Made wäre der Abend nicht komplett gewesen, und natür- lich kommt die traurige Balla- de vom Tier, das mit seiner Mutter „unter eines Baumes Rinde“ lebt, in Martin Lükers Heinz-Erhardt-Hommage an prominenter Stelle vor. „Dan- ke Heinz!“ ist das Zweistun- denprogramm überschrieben, das der Kasseler Comedy- und Pianomeister am Sonntag im Gloria-Kino vorstellte. In großer Verehrung hat sich der Ostwestfale Lüker mit dem 1979 verstorbenen lett- landdeutschen Komiker be- fasst, dessen Ruhm noch heu- te strahlt. Und das machte er überaus brillant. Ohne den Versuch zu wagen, die Stim- me Erhardts zu imitieren, fand er doch mühelos zu des- sen schnodderigem Sprech- stil, den jeder im Ohr hat. Im Publikum in den ausverkauf- ten Reihen gab es offensicht- lich kaum Neulinge in Sachen Erhardt, sodass Lüker die Rei- me immer wieder den Zuhö- rern überlassen konnte. In großen Themenblöcken ging’s von kleinen Tieren wie der Maus (die immer im Ma- gen der Katze endet) zu gro- Die Tücken des Lebens Martin Lüker spielt Heinz Erhardt Am Klavier besser als das Original: Martin Lüker mit seinem Heinz- Erhardt-Programm im Gloria-Kino. Foto: Socher V ON G EORG P EPL KASSEL. Ein zartes Geflecht der vier Streichinstrumente, dazu ein Gebet der Klarinette, das sich in die hohe Lage auf- schwingt und wohl bei allen 170 Zuhörern Bewunderung er- weckt: Was für eine Prägnanz des Klangs! Ib Hausmann ver- eint die Kultiviertheit des Klas- sikvirtuosen mit der Spielfreu- de eines Folkloremusikers - ein grandioser Klarinettist. In der Lutherkirche gestaltete er mit dem feinsinnigen Freiburger Pellegrini Quartett das Konzert aus Anlass des Holocaust-Ge- denktages. Starken Eindruck hinterließ das großflächig angelegte, mit dramatischen Steigerungen und Brüchen hantierende Werk „The Dreams and Prayers of Isaac the Blind“. Der 1960 ge- borene Komponist Osvaldo Go- lijov verwandelt traditionelle Tänze und Gebete in eine Mu- sik, die modern und unelitär er- scheint: ein frischer Wind durch die Avantgarde-Szene. Im Auftaktstück zelebrierten die Geiger Antonio Pellegrini und Thomas Hofer, der Brat- schist Fabio Marano und der Cellist Helmut Menzler ein Mo- zart’sches Arrangement einer Fuge von Bach mit subtiler Dy- namik. Der zweite Konzertteil erinnerte dann an den 1945 im KZ Fürstengrube ermordeten Komponisten Gideon Klein, dessen Streichquartett op. 2 wie die Antwort eines Hochbegab- ten auf den Stil Alban Bergs an- mutet, und an Alexander Krejn (1883 - 1951), in dessen „Hebräi- schen Skizzen“ sich nochmals die ganze Ausdrucksstärke Ib Hausmanns bewährte. Veranstaltet wurde das musi- kalisch reiche Konzert „Von jü- dischem Leben“, das Esther Haß, die Vorsitzende der Jüdi- schen Gemeinde Kassel, mit eindringlichen Worten eröffne- te, von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, dem Evangeli- schen Forum, der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusam- menarbeit, der Jüdischen Ge- meinde Kassel und dem Hessi- schen Rundfunk. Sendetermin: Sonntag, 13. April, ab 20.05 Uhr in hr2-kultur Musik wie ein Gebet Holocaust-Gedenktag Kultur Termine Musik Werke von Hugo Distler sowie Chansons von Maurice Ravel und Claude Debussy singt der Uni- Chor Cantiamo morgen, 19.30 Uhr, in der Karlskirche. Sergej Prokofjews „Peter und der Wolf“ ist morgen, 10 und 12 Uhr, als Schülerkonzert im Schauspiel- haus des Staatstheaters zu hören. Ausstellungen Porträts von Strafgefangenen aus der Kasseler JVA zeigt der Kunststudent Joscha Schell in sei- ner Ausstellung „Außenansicht“, die morgen, 18 Uhr, in der Ein- gangshalle der Kasseler Justizbe- hörden, Frankfurter Straße 9, er- öffnet wird. Bis zum 13. Februar ist sie montags bis donnerstags 9 bis 16.30 Uhr und freitags 9 bis 15 Uhr geöffnet. Selber machen lautet das Motto der Buchausstellung, die bis zum 22. Februar in der Kasseler Stadt- bibliothek (Rathaus) Ratgeber zu Renovierung, Garten- und Haus- bau zeigt. Führung Die Restaurierung des Jardiniè- ren-Paars des Pariser Kunsttisch- lers Bernard Molitor wird morgen, 12.30 Uhr, in der Kunstpause am Mittag im Hessischen Landesmu- seum am Brüder-Grimm-Platz be- leuchtet. Lesungen, Vortrag Über die „Geschichte einer fast unmöglichen Liebe“ berichtet Benjamin Prüfer in „Wohin du auch gehst“ morgen, 19.30 Uhr, in der Stadtbücherei Vellmar, Mittel- ring. Der Ex-Redakteur der „Finan- cial Times Deutschland“ erzählt, wie er sich in Kambodscha in Srey- keo verliebt und erfährt, dass sei- ne Freundin HIV hat. Gedichte zwischen Erschrecken und Vertrauen liest Peter Ulrich Schedensack morgen, 19.30 Uhr, im Lutherkirchturm am Luther- platz. Für Musik unter dem Titel „Orte suchen. Von Noah, Engeln und anderen Wundern“ sorgt Ka- rin Menzel (Klarinette). Heiter-besinnliche Geschichten liest Gerhart Fuhr morgen, 15 Uhr, im Projekt Gemeinsam, Oest- mannstraße 1. Über Kassel in der NS-Zeit refe- riert Dietfried Krause-Vilmar mor- gen, 19 Uhr, im Stadtmuseum. Helmut Katleins für heute ange- kündigte Lesung im Augustinum fällt wegen Krankheit aus. Dienstag, 29. Januar 2008 KulturKreisKassel KS-KUL1

Nicht nur betroffen

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Holocaust-Gedenktag Dienstag, 29. Januar 2008 Nizza Thobis Konzert zum Holocaust-Gedenktag im Schlachthof von O N S T E V E K U B E R C Z Y K - S T E I N

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Page 1: Nicht nur betroffen

sich am Sonntagabend im Ge-meindehaus Niestetal-Sanders-hausen dieser Aufgabe und be-geisterte auf ganzer Linie.

Spätestens seit MitsukoUchida weiß die Fachwelt,dass die Verbindung Japan -Österreich passt. Ähnlich wieUchida brillierte auch Matsuu-ra mit einem sehr differen-zierten Anschlag und der nöti-gen klanglichen Transparenz.

Die junge Pianistin brachteden Flügel zum Singen undüberzeugte mit einer sehr tief-

VON S E BA S T I AN KRÄMER

NIESTETAL. Mozart macht esseinen Interpreten wirklichnicht einfach. Die Stücke desKomponisten strahlen oft einefast kindliche Leichtigkeit aus.Dennoch sind sie selbst fürprofessionelle Pianisten allesandere als einfach, da diesedurchsichtigen, schlanken Sät-ze spieltechnische Mängel desInterpreten erbarmungslos of-fenlegen. Die japanische Pia-nistin Shiyo Matsuura stellte

Leichtfüßig von Japan nach ÖsterreichPianistin Shiyo Matsuura begeisterte in Sandershausen mit Mozart, Brahms und Schumann

gründigen Interpretation. Siezeigte so, dass der zweite Satz,Andante Cantabile (singend),diese Bezeichnung zu Rechtträgt. Zu bemängeln waren le-diglich einige kleinere techni-sche Unsauberkeiten im Alle-grosatz, die aber nicht sonder-lich ins Gewicht fielen.

Neben vier Klavierstückenaus Op. 76 von JohannesBrahms stand mit SchumannsKreisleriana ein Schlüssel-werk der romantischen Litera-tur auf dem Programm. Wo

Matsuura in der Mozartsonatenoch mit leichtfüßiger Artiku-lation geglänzt hatte, zog siedie rund 30 Zuschauer nunmit einem sehr weichen undklangfarbenreichen Klavier-spiel in ihren Bann.

Viele Zuhörer schlossen ihreAugen und folgten der Inter-pretin durch die Welt des Ka-pellmeisters Johannes Kreisler.Schumann hatte dieser von E.T. A. Hoffmann erfundenen Fi-gur 1838 dieses Werk gewid-met. Kräftiger Beifall.

(Saskia Schmidts mit Kindernentstandene „Schaflandschaf-ten“) oder aus Schrottplatz-Kostbarkeiten („Ziemlich weitdraußen“ von Stefan Vogt,dessen Protagonistenpuppeals liebenswert verschrobenerCharakter in der Erinnerunghaften bleibt).

Sana Schönles „Quarz“, einzutiefst amoralisches Ge-schöpf von einem fernen Pla-neten, das sich in einem pitto-resk zerstörten Kassel tum-melt, beeindruckte durch sei-

VON V E R ENA JOOS

KASSEL. Die Trickfilmklasseder Kunsthochschule Kasselzeigte ihre Jahresproduktion,und alle, alle kamen. Der An-drang auf das große Bali-Kinowar so überwältigend, dass beiWeitem nicht alle Schaulusti-gen Platz fanden. Ein Trost fürdie zu kurz Gekommenen:Das Programm wird übermor-gen wiederholt.

Eine Tour durch das breiteSpektrum der Trickfilmtech-niken kündigten die Professo-ren Thomas Meyer-Hermannund Andreas Hykade an. Nichtzu viel versprochen, auchwenn diesmal, wohl aufgrundvon Hykades persönlicherAusrichtung, die animierteStrichzeichnung überwog. Indieser Sparte stachen Klein-odien heraus wie etwa das Mi-nidrama vom Pinguin Q (KunJia), dessen scheinbares sporti-ves Scheitern eine raffinierteUmdeutung erfährt, und „DerSchatten“ (Sun & Egg) eine ein-prägsame psychologisch un-terfütterte Angst-Studie. Einanderer Schwerpunkt zeigtesich in der couragierten Erfin-dung versponnener Fantasie-welten, ob aus Pappmaché

Wie im StrickfilmDie Jahreswerkschau der Trickfilmklasse als Publikumsmagnet

ne Balance aus Verspieltheitund grimmiger Ironie.

Vom Trickfilm zum Strick-film ist es nur ein kleinerSchritt, das demonstrierte Ka-tharina Vogel mit ihrer nachSuper-Mario-Manier belebtenHandarbeit. Verblüffend, wiegut alte Hausfrauen-Tugendenund moderne Computerspiel-Regeln zusammenpassen.

Den einprägsamen Schluss-punkt bildete Frauke Strieg-nitz’ Collagen-Trickfilm „Ma-ria durch ein Dornwald ging“.Eine Arbeit, für welche diepsychedelisch-poppig ver-fremdete Choralversion desKünstlerkollektivs „Arbeit“den Inspirationspool gebildethatte. Weit davon entfernt je-doch, das Lied plan zu illus-trieren, ersann Stiegnitz einebedrohlich unbehauste Welt,in der sie bearbeitete Schild-kröt-Puppen musiksynchroneinem ungewissen Schicksalaussetzte. Der atmosphäri-schen Dichte dieses geheim-nisvollen mit alter Ikonografiewie mit moderner Psychologiesouverän jonglierenden Alb-traums konnte sich wohl nie-mand entziehen.Wiederholung: Donnerstag,

22 Uhr, Großes Bali.

Albtraumhaft: „Maria durchden Dornwald ging“ von Frau-ke Striegnitz. Foto: nh

trationslager Matthausen in-haftierten, der den Verlust sei-ner Frau mit den verzweifel-ten Worten dokumentierte:„Töchter von Auschwitz undDachau, habt ihr meine Liebs-te gesehen?“

Diaprojektionen vertieftendie Wirkung. Doch diese Bil-der zeigten nicht nur leidvolleSzenarien, sondern auch Por-träts jüdischer Dichter, wiedas des israelischen Autors Je-huda Amichai, dessen Gedichtüber seine Jugendfreundin„Kleine Ruth“ Thobi besang.

VON S T E V E KUB ERCZYK -S T E I N

KASSEL. Es gibt Wunden, dienie verheilen. „Angesichts mei-ner Augen, die Schreckliches sa-hen, schwöre ich nichts zu ver-gessen, mich an alles zu erin-nern“, schrieb AbrahamSchlonski 1944 über das Leid,das sich wie ein blutverrosteterStacheldraht in die Seelen derHolocaust-Opfer bohrt.

Die Israelin Nizza Thobi hatviel zur jüdischen Leidens-, Kul-tur-, und Lebensgeschichte zusagen. Mit ihrem Programm„Jiddisch is gor nischt asojschwer - von Wilna nach Jerusa-lem“ gastierte sie am Interna-tionalen Holocaust-Gedenktagam Sonntag im KulturzentrumSchlachthof. Ihre Lieder, die siebegleitet von Dina Leini (Geige)und Peter Wegele (Piano) zu Ge-hör brachte, sind gefühlsstarke,melancholische Kompositio-nen, die von der Welt und denMenschen des OsteuropäischenJudentums erzählen.

Schicksale besingt sie wie dasvom kleinen „Mottele“, der sei-ne Aufnahme in der jüdischenGemeinde nicht mehr erlebte,weil er als Zwölfjähriger imWarschauer Getto starb. Oderden Schmerz eines im Konzen-

Nicht nur betroffenNizza Thobis Konzert zum Holocaust-Gedenktag im Schlachthof

Sie will nicht nur Betroffen-heit auslösen, sondern aufklä-ren und mit ihrem Publikumin einen persönlichen Dialogeintreten.

Deswegen stand sie nichtauf, sondern vor der Bühne.Und deswegen mochte sienicht nur vorsingen, sondernauch gemeinsam. Eine gefühl-volle Umarmung wäre zumAbschluss dieses so persönli-chen interkulturellen Dialo-ges angebracht - die Besucherdrückten dies durch herzli-chen Applaus aus.

Gefühlsstark: Nizza Thobi im Schlachthof. Foto: Schachtschneider

ßen wie Caesar, von der Liebezum Urlaub. Höhepunkt warsicher das Lied vom Urlaub aufdem Campingplatz, in atem-beraubendem Staccato gesun-gen und gespielt. Fatales, dasist das Markenzeichen vonHeinz Erhardt, liegt immereng neben dem Banalen, so inder traurigen Ballade vonHero und Leander, worin dieVereinigung der beiden Lie-benden an der Unzuverlässig-keit der Post scheitert.

Nichts ist dem Komiker hei-lig, nicht Goethes „Erlkönig“,nicht Schillers „Taucher“. Das„Klaschisch ... Klassis … dasAlte“ wird so geerdet. UndMartin Lüker, der einmal so-gar in einen Dialog mit demVorbild im Himmel tritt, weißalles bestens vorzutragen.Sein bestechendes, perlendes,quirliges Klavierspiel (sicherbesser als das Erhardts) würztdas Ganze mit einer sehr indi-viduellen Note, die das Pro-gramm weit über ein bloßesRevival hebt.

Schöner kann man den be-liebten Komiker, der nieman-dem wehtat außer den Lach-muskeln, nicht ehren. Am 20.Februar wäre er 99 geworden.Großer Applaus und eine gan-ze Zugabensequenz.www.martin-lueker.de

VON JOHANNE S MUNDRY

KASSEL. Ohne die kleineMade wäre der Abend nichtkomplett gewesen, und natür-lich kommt die traurige Balla-de vom Tier, das mit seinerMutter „unter eines BaumesRinde“ lebt, in Martin LükersHeinz-Erhardt-Hommage anprominenter Stelle vor. „Dan-ke Heinz!“ ist das Zweistun-denprogramm überschrieben,das der Kasseler Comedy- undPianomeister am Sonntag imGloria-Kino vorstellte.

In großer Verehrung hatsich der Ostwestfale Lüker mitdem 1979 verstorbenen lett-landdeutschen Komiker be-fasst, dessen Ruhm noch heu-te strahlt. Und das machte erüberaus brillant. Ohne denVersuch zu wagen, die Stim-me Erhardts zu imitieren,fand er doch mühelos zu des-sen schnodderigem Sprech-stil, den jeder im Ohr hat. ImPublikum in den ausverkauf-ten Reihen gab es offensicht-lich kaum Neulinge in SachenErhardt, sodass Lüker die Rei-me immer wieder den Zuhö-rern überlassen konnte.

In großen Themenblöckenging’s von kleinen Tieren wieder Maus (die immer im Ma-gen der Katze endet) zu gro-

Die Tückendes LebensMartin Lüker spielt Heinz Erhardt

AmKlavier besser als dasOriginal:Martin Lükermit seinemHeinz-Erhardt-Programm im Gloria-Kino. Foto: Socher

VON G EORG P E P L

KASSEL. Ein zartes Geflechtder vier Streichinstrumente,dazu ein Gebet der Klarinette,das sich in die hohe Lage auf-schwingt und wohl bei allen170 Zuhörern Bewunderung er-weckt: Was für eine Prägnanzdes Klangs! Ib Hausmann ver-eint die Kultiviertheit des Klas-sikvirtuosen mit der Spielfreu-de eines Folkloremusikers - eingrandioser Klarinettist. In derLutherkirche gestaltete er mitdem feinsinnigen FreiburgerPellegrini Quartett das Konzertaus Anlass des Holocaust-Ge-denktages.

Starken Eindruck hinterließdas großflächig angelegte, mitdramatischen Steigerungenund Brüchen hantierendeWerk „The Dreams and Prayersof Isaac the Blind“. Der 1960 ge-borene Komponist Osvaldo Go-lijov verwandelt traditionelleTänze und Gebete in eine Mu-sik, die modern und unelitär er-scheint: ein frischer Winddurch die Avantgarde-Szene.

Im Auftaktstück zelebriertendie Geiger Antonio Pellegriniund Thomas Hofer, der Brat-schist Fabio Marano und derCellist Helmut Menzler ein Mo-zart’sches Arrangement einerFuge von Bach mit subtiler Dy-namik. Der zweite Konzertteilerinnerte dann an den 1945 imKZ Fürstengrube ermordetenKomponisten Gideon Klein,dessen Streichquartett op. 2 wiedie Antwort eines Hochbegab-ten auf den Stil Alban Bergs an-mutet, und an Alexander Krejn(1883 - 1951), in dessen „Hebräi-schen Skizzen“ sich nochmalsdie ganze Ausdrucksstärke IbHausmanns bewährte.

Veranstaltet wurde das musi-kalisch reiche Konzert „Von jü-dischem Leben“, das EstherHaß, die Vorsitzende der Jüdi-schen Gemeinde Kassel, miteindringlichen Worten eröffne-te, von der Deutsch-IsraelischenGesellschaft, dem Evangeli-schen Forum, der Gesellschaftfür Christlich-Jüdische Zusam-menarbeit, der Jüdischen Ge-meinde Kassel und dem Hessi-schen Rundfunk.Sendetermin: Sonntag, 13.

April, ab 20.05 Uhr in hr2-kultur

Musik wieein GebetHolocaust-Gedenktag

Kultur TermineMusikWerke vonHugoDistler sowieChansonsvonMauriceRavelundClaudeDebussy singt der Uni-Chor Cantiamomorgen, 19.30Uhr, in der Karlskirche.Sergej Prokofjews „Peter und derWolf“ istmorgen, 10 und 12Uhr,als Schülerkonzert im Schauspiel-haus des Staatstheaters zu hören.

AusstellungenPorträts von Strafgefangenenaus der Kasseler JVA zeigt derKunststudent Joscha Schell in sei-ner Ausstellung „Außenansicht“,diemorgen, 18Uhr, in der Ein-gangshalle der Kasseler Justizbe-hörden, Frankfurter Straße 9, er-öffnetwird.Biszum13.Februar istsiemontags bis donnerstags 9 bis16.30Uhr und freitags 9 bis 15Uhr geöffnet.Selbermachen lautet dasMottoder Buchausstellung, die bis zum22. Februar in der Kasseler Stadt-bibliothek (Rathaus) Ratgeber zuRenovierung, Garten- undHaus-bau zeigt.

FührungDie Restaurierung des Jardiniè-ren-Paarsdes Pariser Kunsttisch-lersBernardMolitorwirdmorgen,12.30Uhr, in der Kunstpause amMittag imHessischen Landesmu-seumamBrüder-Grimm-Platz be-leuchtet.

Lesungen, VortragÜber die „Geschichte einer fastunmöglichen Liebe“berichtetBenjamin Prüfer in „Wohin duauchgehst“morgen,19.30Uhr, inderStadtbüchereiVellmar,Mittel-ring. Der Ex-Redakteur der „Finan-cial TimesDeutschland“ erzählt,wieer sich inKambodscha inSrey-keo verliebt und erfährt, dass sei-ne FreundinHIV hat.Gedichte zwischen ErschreckenundVertrauen liest Peter UlrichSchedensackmorgen, 19.30Uhr,im LutherkirchturmamLuther-platz. FürMusik unter demTitel„Orte suchen. VonNoah, Engelnund anderenWundern“ sorgt Ka-rinMenzel (Klarinette).Heiter-besinnlicheGeschichtenliestGerhartFuhrmorgen,15Uhr,im Projekt Gemeinsam,Oest-mannstraße 1.Über Kassel in derNS-Zeit refe-riert Dietfried Krause-Vilmarmor-gen, 19Uhr, im Stadtmuseum.Helmut Katleins für heute ange-kündigte Lesung imAugustinumfällt wegen Krankheit aus.

Dienstag, 29. Januar 2008KulturKreisKasselKS-KUL1