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Vom Bergischen Land aus betrachtet, liegt das Emsland schon ziemlich weit draußen. Wer in diese Gegend fährt und eine Über- nachtungsmöglichkeit sucht, findet noch ehr- liche Hinweisschilder, auf denen „Fremden- zimmer“ steht. Man ist insgesamt eher wort- karg. Die Fenster der Herberge haben Einfachver- glasung. Die Zeit scheint, von modernen Treckern mal abgesehen, ein wenig stehengeblieben. Der Naturhof Buschwiesen von Melanie und Günter Haver sticht mit seiner fröhlichen Betriebsamkeit ziem- lich raus. 2014 haben die beiden beschlossen, sich eine Unabhängigkeitsnische in Form eines Bauernho- fes zu schaffen. Zu diesem Zwecke haben der diplo- mierte Landschaftsökologe und die Steuerfachwirtin einen alten Betrieb mit einem Hektar Hoffläche und zwei Hektar Land gekauft sowie weitere vier Hektar dazugepachtet. Darunter ein Acker und zwei Streu- obstwiesen. Neben ihren Brotberufen widmen sie sich nun dem Erhalt alter Nutztierrassen. Zum Zeitpunkt unsres Besuches waren das zehn Thüringer Waldziegen, 26 Coburger Fuchsschafe, 40 Hühner (Sundheimer und Lachshühner), drei deutsche Pekingenten, zwei Schwäbisch-Hälli- sche Zuchtsauen und zwei Mastschweine derselben Sorte. Dazu gesellen sich ein Niederländisches Kalt- blut und zwei Minishetties, zwei Hunde (ein nerven- schwacher Collie und ein robuster Owtscharka), 21 Altdeutsche Landgänse sowie ein Volk Bienen, das von einem Imker betreut wird. Die Anzahl der Tiere auf dem Hof verändert sich aber mindestens durch Geburten ständig – das Bild oben zeigt schon drei neue Ferkelchen. Pferde, Hühner, Enten, Gänse, Ziegen und Schafe tur- nen draußen rum. Die Schweinchen leben in Auslauf- haltung. Was ursprünglich Rasen war, hat gleich der Nischen der Unabhängigkeit Schwäbisch-Hällische Turngruppe Bildquelle: Melanie Haver

Nischen der Unabhängigkeit - QUICUMQUE … · Die Coburger und die Schwäbisch-Hällischen stam- ... dis ... Pacht (4 ha) 600

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Page 1: Nischen der Unabhängigkeit - QUICUMQUE … · Die Coburger und die Schwäbisch-Hällischen stam- ... dis ... Pacht (4 ha) 600

Vom Bergischen Land aus betrachtet, liegt das Emsland schon ziemlich weit draußen. Wer in diese Gegend fährt und eine Über-nachtungsmöglichkeit sucht, findet noch ehr-liche Hinweisschilder, auf denen „Fremden-zimmer“ steht. Man ist insgesamt eher wort-karg. Die Fenster der Herberge haben Einfachver-glasung. Die Zeit scheint, von modernen Treckern mal abgesehen, ein wenig stehengeblieben. Der Naturhof Buschwiesen von Melanie und Günter

Haver sticht mit seiner fröhlichen Betriebsamkeit ziem-

lich raus. 2014 haben die beiden beschlossen, sich

eine Unabhängigkeitsnische in Form eines Bauernho-

fes zu schaffen. Zu diesem Zwecke haben der diplo-

mierte Landschaftsökologe und die Steuerfachwirtin

einen alten Betrieb mit einem Hektar Hoffläche und

zwei Hektar Land gekauft sowie weitere vier Hektar

dazugepachtet. Darunter ein Acker und zwei Streu-

obstwiesen. Neben ihren

Brotberufen widmen sie

sich nun dem Erhalt alter

Nutztierrassen.

Zum Zeitpunkt unsres

Besuches waren das zehn

Thüringer Waldziegen, 26

Coburger Fuchsschafe,

40 Hühner (Sundheimer

und Lachshühner), drei

deutsche Pekingenten,

zwei Schwäbisch-Hälli-

sche Zuchtsauen und zwei Mastschweine derselben

Sorte. Dazu gesellen sich ein Niederländisches Kalt-

blut und zwei Minishetties, zwei Hunde (ein nerven-

schwacher Collie und ein robuster Owtscharka), 21

Altdeutsche Landgänse sowie ein Volk Bienen, das

von einem Imker betreut wird. Die Anzahl der Tiere

auf dem Hof verändert sich aber mindestens durch

Geburten ständig – das Bild oben zeigt schon drei

neue Ferkelchen.

Pferde, Hühner, Enten, Gänse, Ziegen und Schafe tur-

nen draußen rum. Die Schweinchen leben in Auslauf-

haltung. Was ursprünglich Rasen war, hat gleich der

Nischen

der Unabhängigkeit

Schwäbisch-Hällische TurngruppeBildquelle: Melanie Haver

Ax Liebermann
QUICUMQUE 1/2017
Page 2: Nischen der Unabhängigkeit - QUICUMQUE … · Die Coburger und die Schwäbisch-Hällischen stam- ... dis ... Pacht (4 ha) 600

erste Wurf Schweine innerhalb von einer halben Stun-

de in eine stattlich Suhle verwandelt.

Die Coburger und die Schwäbisch-Hällischen stam-

men von Herdbuchtieren ab und sind ihrerseits ins

Herdbuch eingetragen. So wird deren reinrassige

Zucht sichergestellt. Der Erhalt der alten Nutztierras-

sen erfolgt durch deren Verwertung und Verwendung,

was Platz für Nachzucht schafft. Havers produzieren

und vermarkten Fleisch, Schinken, Wurst und Eier.

Dazu kommen handgemachte Marmeladen und Likö-

re. Eine weitere Einkommensquelle ist das Schweine-

leasing: Ein Schweinchen wird vom Kunden gekauft,

Coburger Fuchsschafe

Thüringer Waldziegen und Altdeutsche Landgänse

Ax Liebermann
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verbleibt aber bis zur Schlachtung mit zwölf Monaten

auf dem Hof. Es kann zweimal im Monat besucht wer-

den; wer weiter weg wohnt, bekommt Fotos ge-

schickt. Monatlich wird ein fester Betrag für Unter-

bringung und Futter, Schlachtung und Verwurstung

bezahlt. Am Schluss verarbeitet der Metzger das

Schwein nach Wunsch und macht alles, vom Schnitzel

über Koteletts, Braten, Schinken, Bratwurst, Salami

und andere Wurstwaren.

Wer sich nicht so gerne durch Verzehr der Lieblinge

am Erhalt der Rasse beteiligen will, kann auch eine

Tierpatenschaft über-

nehmen. Im Gegen-

zug gibt es Neuig-

keiten vom Hof und

20% Rabatt im Hof-

laden.

Havers machen ihr

Heu selbst und bau-

en auf einem Mor-

gen Futterrüben, Erb-

sen, Bohnen, Hafer

und Futtermöhren

an. Alles übrige Fut-

ter wird in Bioquali-

tät zugekauft. Der Betrieb gehört aber keinem Ver-

band an und bleibt lieber unabhängig. Stattdessen

sind Tür und Tor des Erlebnishofes geöffnet und jeder,

der mag, kann sich selbst einen Eindruck von Haltung

und Fütterung verschaffen.

Seit 2015 ist der Naturhof Buschwiesen ein eingetra-

gener gemeinnütziger Verein, weil er mit dem Erhalt

der alten Rassen den Natur- und Tierschutz fördert. Er

darf FÖJler (Freiwilliges Ökologisches Jahr) und Buf-

dis (Bundesfreiwilligendienst) anstellen.

Lustige Selbstversorger: Günter Haver und FÖJlerin Kerstin

Bildquelle: Melanie Haver

Vorne Sundheimer,hinten Lachshühner

Deutsche Pekingenten

Ax Liebermann
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Einnahmen

Schweinefleisch 12 €/kg

Schaffleisch 9 €/kg

Ziegenfleisch 9 €/kg

Schinken 28 €/kg

Wurst 12 - 25 €/kg

Hähnchen 15 €/kg

Suppenhuhn 15 €/kg

Eier 0,40 €/Stück

Marmelade 200g 4,50 €

Likör 200 ml 9 €

Kosten pro Jahr

Zugekauftes Futter 3.200 €

Wasser 400 €

Unterhalt Maschinen 500 €

Tierarzt 600 €

Metzger 1.400 €

Pacht (4 ha) 600 €

FÖJ 4.800 €

Die Kosten pro Jahr sind nur grob überschlagen und hängen natürlich stark von der Anzahl der Tiere auf dem Hof ab.

Noch klein und niedlich, bald riesengroß:Kaukasischer Owtscharka

Bildquelle: Melanie Haver

Ax Liebermann
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