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K AMA D EV - L EBEN FÜR DEN TANZ K AMA D EV UND W IEN K UCHIPUDI - C HHAU P ORTRÄT P RADEEP K AR ISSN-Nr.: 1021-2647 Sondernummer 2012

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KAMA DEV - LEBEN FÜR DEN TANZ

KAMA DEV UND WIEN

KUCHIPUDI - CHHAU

PORTRÄT PRADEEP KAR

ISSN

-Nr.:

102

1-26

47

Sondernummer

2012

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ImpressumNatya Mandir News - Zeitschrift für indische Tanzkultur in Österreich. Sondernummer 2012 (Neuauflage von NMN 3/1992/93).ISSN-Nr.: 1021-2647.Medieninhaber und Herausgeber: Natya Mandir Verein zur Förderung und Verbreitung der in dischen Tanzkunst. Alle Rechte vor-behalten. Nachdruck nur mit vorheriger Zustimmung des Herausgebers und mit Quellenangabe gestattet. Namentlich gezeichneteBeiträge müssen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wiedergeben. Redaktion und Verwaltung: 1010 Wien, Börseplatz 3, Tel. 0676/3125736, e-mail: [email protected]. Chefredakteurin: Radha Anjali. Redaktionelle Mitarbeit: Eva Srinidhi Schober. Grafik: Eva Srinidhi Schober.Texte in dieser Ausgabe von: Radha Anjali, Peter Jurkowitsch. Fotonachweis: wenn nicht anders angegeben: Archiv NatyaMandir. Preis: Einzelheft: Euro 2,-. Doppelnummer: Euro 4,- (für Ver eins mitglieder kostenlos). Erscheint dreimal jährlich. www.natyamandir.at

2 KAMA DEVPorträt

4 KAMA DEV - SEIN LEBEN FÜR DEN TANZRadha Anjali

12 KUCHIPUDI - CHHAU

14 PORTRÄT: PRADEEP KAR

15 KAMA DEV - EIN NACHRUFPeter H. Jurkowitsch

21. September 2012

Pranam in Memoriam Kama Dev

Radha Anjali und die Natya Mandir Dance Company zeigen Tänze aus dem

Repertoire von Kama Dev.

Der indische Tänzer Kama Dev (5. Juni 1938 - 22. September 1992) begründete

in Wien den klassischen indischen Tanzunterricht. Er kam 1976 das erste Mal

nach Wien und nach mehreren erfolgreichen Gastspielen begann er regelmäßig

zu unterrichten. Er selbst hatte Bharatanatyam bei Pandanallur Chokalingam

Pillai, Subriya Pillai, Kantchipuram EllapaMudaliar und Adyar K. Lakshman

studiert, Kuchipudi bei Dr. Vempati Chinna Satyam und Seraikella Chhau bei

Kedernath Sahoo. Radha Anjali wurde seine Schülerin und sie setzt fort was er

damals begonnen hatte.

Interkulttheater, Fillgradergasse 16, 1060 Wien

21. September 2012, 19.30 Uhr

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Kama Dev, der wunderbare Tänzer, der sichdurch die Perfektion der drei Tanzstile,Bharatanatyam, Kuchipudi und SeraikellaChhau einen bedeutenden Namen machte,starb unerwartet am 22. September 1992 inLondon. Für die indische Tanzkultur in Österreich istsein Name nicht mehr wegzudenken. Er hatin den späten siebziger Jahren den systema-tischen Unterricht für die drei oben erwähn-ten klassischen indischen Tanzstile in Wieneingeführt.

Pradeep Kar, sein Tanzpartner im ChhauTanz starb 1990 im Alter von 36 Jahren inIndien. Es ist darum naheliegend, dass dieseSondernummer auch Pradeep Kar gewidmetsein soll. Viele werden sich noch an unver -gess liche Tanzvorstellungen erinnern, indenen Kama Dev und Pradeep Kar dasPublikum mit dem Tanz "Ratri" (Nacht undMond) zutiefst bewegten.

Kommt die Nachricht vom Tode einesgeliebten Menschen so ist das ein Schock.Man hat das Gefühl, dass alles zu schnellgegangen ist. Man kann es nicht fassen. Dasgemeinsame Leben und die jahrelangeBeziehung die man miteinander hatte istnun vorbei. Man kann diesen Menschennicht mehr sehen, man kann ihn nichtsmehr fragen - aber man wollte ihm dochnoch sagen, dass.... Es geht eben nicht mehr.Es ist vorbei. Man konnte sich nicht einmalmehr verabschieden...

Die Erfüllung eines Tänzers liegt in demMoment, der so schnell wie in keineranderen Kunstform wieder vorbei ist.Dieser Moment, für den wir jahrelang ler-nen, trainieren, unseren Körper formen underforschen, und alle Mühe und Hingabe diedamit verbunden ist, opfern wir auf fürdiesen einen Moment, der kaum gewonnen,schon wieder vergangen ist. Der Tanz ist ein ein besonderes Gleichnis fürdas Leben. Die Vergänglichkeit ist so offen-sichtlich. Aber in unserem Herzen tanzt „es“weiter und weiter....

Radha Anjali

EDITORIAL

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KAMA DEV.

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Internationale Auftritte

Musee Guiment Paris,1970

St. Paul's Church, London,1970

Covent Garden, London,1971

The Place, London, 1971

The Coliseum , London, 1971

Londra , London, 1971

H.E.Cultural Hall, Bhopal, Indien, 1971

Defence Auditorium, Sikkim, 1971

Kalamandir, Calcutta, Indien 1971

Kalakshetra Auditorium, Madras, Indien

1973

Festival Internazionale di danza all

Anfiteatro Romano di Fiesole,1973

Shiraz Festival, Iran, 1973

City Theatre, Teheran, Iran, 1973

Festival dei Due Mondi, Spoleto 1973,

Palais des Beaux Arts, Brüssel, Belgien,

1975

Holland Festival 1975 und 1980,

Llubljana Festival 1976,

Theater an der Leopoldstrasse,

München, 1979

Biennale di Venezia 1980,

Festival Internazionale delle Maschere,

Rimini, 1980 Festival Pan Asiatico

Roma, 1981,

Malta International Arts Festival 1982,

Centre Georges Pompidou, Paris 1982

Festival Internazionale del folklore,

Vicenza 1983,

Rassegna Internazionale di danza

Agrigento e Siracusa, 1983,

Stagione estiva del Teatro Petruzelli,

Bari 1983,

Museo Civilita Romana, Rom 1983

Vignale Danza, Teatro Nuovo Torino,

1983

La Scala, Mailand 1983/84

Centre Culturel de LAerospatiale,

Toulouse, 1985

Theatre du roind point, Paris 1986

Theatre de Grenoble, Jänner 1987

Auftritte in Österreich

Porrhaus Wien, 25.Nov. 1976,

Serapionstheater, Wien, 1980

Dramatisches Zentrum, Wien, 1982

Palais Lichtenstein, Wien, Alte

Schmiede, wiederholt Palais Attems,

Graz, 1983

Panorama-Heim, Wien, 1983

Tage der Sakralmusik, Konzerthaus

Wien 1984.

Neues Mozarteum, Salzburg, 1984

Landeskulturzentrum Ursulinenhof ,

Linz, 1984

Minoritensaal, Graz, 1984

Internationale Schule, Wien, 1987.

KAMA DEV war einer der ganz großen indischen Tänzer. Er verbrachte die Jahre seiner Ausbildung unter

der Führung der besten, der klassischen Tradition verbundenen Tanzmeister und vertrat mit glei -

cher Virtuosität zwei Stilrichtungen des klassischen südindischen Tanzes Bharatanatyam und

Kuchipudi sowie den Chhau-Maskentanz aus Seraikella aus Nordostindien. Neben seinen

zahlreichen Tanzauftritten gab er in vielen Städten, wie München, Amsterdam, London Paris,

Monaco, Mailand, Florenz, Turin, Ferrara, Rom und Wien Seminare und Lecture-demonstrations

über diese drei Tanz-Stile. Kama Dev verbrachte sein ganz vom Tanz erfülltes Leben teilweise

in Indien und in Europa, wo er mehrere Jahre lang abwechselnd in Paris, Amsterdam, Wien,

Rom und zuletzt in London lebte.

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KAMA DEV IN KUCHIPUDI-POSE IM HYDE PARK, LONDON. FOTO ARCHIV NM.

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Kama Dev wurde am 5. Juni 1938geboren. Er stammte aus einer südindi -schen Familie, die sich in Englandniedergelassen hatte, und so kam er auchin London das erste Mal mit dem klassi -schen indischen Tanz in Berührung. Ererhielt dort seinen ersten Unterricht vonZohra Sehgal, der Tanzpartnerin vonUday Shankar und später in ganz Indienberühmten Filmschauspielerin. Kurzdaraufhin fuhr er nach Indien, um inBangalore von U.S. Krishna Rao undChandrabhaga Devi Bharatanatyam zulernen. Im Jahre 1965 machte er seinBharatanatya-Arangetram (Debut).Unter den Gästen war auch der Maharajavon Travancore. Er studierte dann weiterunter Subbaraya Pillai, dem Sohn vonPandanallur Chockalingam Pillai und beiKantchipuram Ellapa Mudaliar.Nachdem beide Meister verstorbenwaren und Kama Dev sich zu einemanerkannten Tänzer entwickelt hatte,ging er zu Adyar K. Lakshman in Madras,um unter dessen Führung seinBharatanatyam-Repertoire zu erweitern.Kama Dev studierte auch den KuchipudiTanzstil bei dem Meister Vempati ChinnaSatyam, von dessen Persönlichkeit undTanztechnik er besonders fasziniert war.Auf dem "Kal-ke-Kalakar"- Festival inBombay, bei dem Kama Dev 1969 auftrat,erntete er höchste Auszeichnungen fürdie Beherrschung der beiden TanzstileKuchipudi und Bharatanatyam. Er erhieltdie Titel des "Natya Visarada" und des"Singar Mani" für seine Verdienste umdie Tanzkunst. Eine andere Stilrichtungdes indischen Tanzes, die Kama Devbeherrschte, war der Chhau Maskentanz.Aufmerksam wurde er auf diesen Stildurch den Tanzkritiker Dr. Sunil Kothari,der ein Buch darüber veröffentlicht hatte.In Seraikella, im heutigen BundesstaatJarkhand, wo diese Art des Chhau Tanzesbeheimatet ist, studierte Kama Dev beidem ehemaligen Hoftänzer und Meister

Kedernath Sahu. Dort lernte er auchseinen langjährigen Tanzpartner PradeepKar kennen, mit dem er später auf vielenFestivals gastierte. Kama Dev bereiste Europa in vielenTourneen und in London sah RichardBuckle, ein Tanzkritiker der Times, eineseiner Vorstellungen. Begeistert schlug erihn daraufhin für den Gala-Abend "Thegreatest show on earth", mit MargotFonteyn und Rudolf Nureyew, imColiseum in London vor. Bei diesemAbend tanzte Kama Dev u.a. auch ineinem Kostüm von Vaslav Nijinsky,welches dieser in der Choreographie "Ledieu bleu" getragen hatte. Zwischen 1976 und 1987 hielt sich KamaDev wiederholt in Österreich auf. In Wienbegründete er den Bharatanatyam-Unterrricht am Dramatischen Zentrumin Wien, in der damaligen "Tanz -werkstatt", der von sehr vielen indisch -tanzbegeisterten Schülern und Schüler -innen besucht wurde. Kama Dev war einsehr einfühlsamer, wenn auch derTradition sich verpflichtend fühlenderLehrer, obwohl er sich selbst nie so ganzals Tanzlehrer, sondern vielmehr alsTänzer sah. Talentierte Schülerinnen ausseinen ersten Bharatanatyam Kursennahm er nach München und Schladmingzu seinen Vorstellungen mit und integri-erte sie mit kleineren Auftritten in seinProgramm. Er legte sehr viel Wert aufernstes üben, innere Anteilnahme,Sicherheit und Bühnenpräsenz. Ich erin-nere mich noch gut, als ich das erste Malgemeinsam mit ihm den Tanz Tillanatanzte bei einer Aufführung imDramatischen Zentrum 1982. Meine, aufeiner Schnur aufgefädelten Fußglockenlockerten sich und drohten infolge derschnellen Fußarbeit herunterzufallen. Ichspürte das natürlich sofort und dachtewährend Sekunden des Tanzens nach,was ich tun könnte, um sie erstens nichtzu verlieren und zweitens nicht über die

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Eine biographische Betrachtung über das Leben und Wirken Kama Devs.

RADHA ANJALI

Kama Dev - sein Leben für den Tanz

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TANZUNTERRICHT BEI ZOHRA SEGAL (RE.) IN LONDON. U.S.KRISHNA RAO UND CHANDRABHAGA DEVI, BHARATANATYAM.FOTO: CLASSICAL DANCES OF INDIA.

MIT DEM BHARATANATYAM-LEHRERSUBBARAYA PILLAI.

BHARATANATYAM-LEHRER KANTCHIPURAMELLAPA MUDALIAR.

CHHAU-LEHRER KEDERNATH SAHU.

MIT DEM KUCHIPUDI-LEHRER VEMPATI CHINNA SATYAM.BHARATANATYAM-LEHRER ADYAR K. LAKSHMAN.

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waren Choreographien, die er zusammenmit der Inderin Chandralekha tanzte."Navagraha" handelte von den neunPlaneten. Die Choreographie basierte aufden Planeten-Positionen. Die verwende-ten Gesänge waren Slokas aus demMahabharata sowie Navagraha-Kritisvon Muthuswami Dikshitar. Die Jatiswurden von Kantchipuram EllapaMudaliar komponiert. Ein durchausexperimentelles Vorgehen zeichnetediese Tanzvorstellung aus ebenso wie dasStück "The Primal Energy", welches dasThema Siva-Sakti, die männliche undweibliche Energie, behandelte. Mit der Kuchipudi-Tänzerin ShobaNaidu war Kama Dev des öfteren inIndien zu sehen. Die Tänzerin Rangamani Vivekanandanbegleitete ihn zum Shiraz-Festival nachPersien im Jahr 1973 wo er auch in CityTheater in Teheran auftrat. Farah Dibabot ihm an eine Schule in Teheran zugründen, aber Kama Dev zog es weiter inden Westen.Das Leben in Europa brachte Kama Devauch die Auseinandersetzung mit west-lichem Tanz und klassischer westlicherMusik. Er lernte den Komponisten KarlHeinz Stockhausen kennen. Beide tratenunabhängig voneinander im Jahr 1980beim Holland Festival auf. Stockhausenengagierte Kama Dev für den "Zungen -spitzentanz" in seinem Werk "Samstagaus Licht". Diese Vorführung fand an derMailänder Scala in der Saison 1983/84,statt. 1982 begegnete Kama Dev in Rom demBallett Tänzer Grant Muradoff, der ausder Kompanie des "Ballet Russe" kamund sich in Rom niedergelassen hatte.Kama Dev tanzte in seinem Ballett"Ananke". Im Jahr 1983 unternahmKama Dev mit seiner "Kama Dev IndianDance Company" eine weitgestreckteItalien-Tournee. Mit dabei warenK.Rama Rao als musikalischer Leiter,Pradeep Kar, Meena Raman und ich. Imdarauf folgenden Jahr bereiste Kama DevÖsterreich durch eine von JeunesseMusical organisierte Tournee. Diesmalhatte Adyar K. Lakshman die musika -lische Leitung inne und Pradeep Kar,Meena Venkataraman, ich und meineSchülerin Sita Devi, als Ansagerin, warendabei. Die Auftritte bei dieser Tourneekann man mit Recht zu denHöhepunkten der Kama Dev IndianDance Company in Österreich zählenzumal auch drei Tanzstile Bharata -natyam, Kuchipudi und Chhau voll-

Schnur zu stolpern. In diesen Sekundenfühlte ich deutlich Kama's Besorgnis anmeiner Seite, denn auch er dachte sich:Was wird sie jetzt wohl machen?Irgendwie gelang es mir dann, mit einerFußbewegung das gelöste Glockenbandan den Rand der Bühne zu befördern undzwar so, als ob nichts geschehen wäre. Ichriskierte keinen einzigen Blick, und keineMiene hatte es verraten, wenn manmeine Füße beim Tanzen nicht gesehenhätte. Der Tanz verlief weiter ohneHindernisse und ich fühlte wieder eindeutliches Aufatmen von Kama an mei -ner Seite. In die Garderobe zurück-gekehrt entschuldigte ich mich sofort beiihm für das Geschehene, aber zu meinerÜberraschung sagte er nur: " Das machtnichts, der "böse Blick" ist damit ge -bannt. Ich mag deine Bühnen-Sicherheit!" Ich war erleichtert. KamaDev konnte aber auch ein sehr strengerLehrer und Künstler sein. Es kam vor,dass Schülerinnen den Unterricht ver-lassen mussten, wenn sie ihn mitFragereien ständig unterbrachen. EineTänzerin wurde während einer Tourneewieder nach Hause geschickt, weil siesich nicht den geltenden Regeln unter-worfen hatte. Kama Dev selbst hatte sichstets respektvoll und bescheiden zuseinen Lehrern verhalten und so ver-langte er es auch von seinenSchülerInnen. Kama Dev hatte immer wieder ver-schiedene Tanzpartnerinnen, mit denener entweder auf Tournee ging oder neueChoreographien einstudierte. Hiermöchte ich an erster Stelle die FranzösinUrvasi erwähnen, die er in seinen frühenLehrjahren in Madras kennen lernte.Urvasis Mutter war schon Tänzerin in derGruppe von Ram Gopal und so unter-stützte sie auch den Wunsch ihrerTochter, in Indien Bharatanatyam undKuchipudi zu studieren. Kama Dev undUrvasi verband eine jahrelange tänz-erische und private Partnerschaft. KamaDevs erster Auftritt in Wien war gemein-sam mit Urvasi im damals nochexistierenden Porrhaus am Karlsplatz imJahre 1976. Er trat gemeinsam mit Urvasi, AnupamaNaidu und Bala Guttula neben vielenanderen Auftritten auch am Holland-Festival 1975 und im Borghese Palast vonFlorenz auf. Kama Dev war auchaufgeschlossen für tänzerische Experi -mente, sofern sie der Ästhetik undGrundidee des Tanzes entsprachen."Navagraha" und "The Primal Energy"

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KUCHIPUDI-VORSTELLUNG MIT SHOBA NAIDU.

URVASI

MUSIKERGRUPPE, BALA GUTTULA, KAMA DEV, URVASI, ANUPAMA NAIDU(V. LI. N. RE.)

MIT MALAVIKA IN „RAMAYANA“.

MIT CHANDRALEKHA IN „NAVAGRAHA“.

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Internationalen Schule nach Wien holte,wußte ich nicht, dass es das letzte Malsein würde. Wir waren gerade dabei, anmehreren Tänzen zu arbeiten, um sie inzukünftigen Vorstellungen gemeinsam zutanzen. Wir hatten den Plan in Madrasbeim Winterfestival aufzutreten. ImSommer übersiedelte Kama Dev vonParis nach London zu seinen Brüdernund Schwestern. Unzählige Telefonateund Briefe wurden ausgetauscht, aberKama wollte sich vom Tanzzurückziehen. 1988 besuchte ich ihn inLondon. Er schien zufrieden zu sein undwidmete sich der Malerei und derArchitektur, für welche er sein ganzesLeben lang große Vorlieben hatte.Pradeep Kar war inzwischen zurück nachIndien gegangen um eine Familie zugründen. Er heiratete, starb aber nochvor der Geburt seines Sohnes an einerGehirnhautentzündung im Jahr 1990. Erwar nur 36 Jahre alt geworden. Das warein großer Schlag für uns alle und fürKama umso mehr, war er es doch, derPradeep nach Europa holte und ihmdadurch ein so großes Ansehen ver-schaffte, dass er den Posten des Direktorsder Chhau Tanzschule erhielt, als er nachSeraikella zurückkehrte. In den letztenTelefongesprächen klang Kamas Stimmeoft sehr müde. Ich war gerade in denNiederlanden, in Eindhoven und bereit-ete mich für einen Solo-Tanzauftritt imTheater Het Klein vor als mich dieNachricht seines Todes erreichte. Erstarb überraschend am 22. September1992 mit 54 Jahren an Herzversagen. Ichkonnte es nicht fassen. Alle waren zu -tiefst bestürzt. War es ein gebrochenesHerz? Oder war es die vererbteHerzschwäche, an der auch schon seinVater gelitten hat? Ist der Beruf einesTänzers so anstrengend für sein Herzgewesen oder hätte er nicht aufhörensollen zu tanzen? All diese Fragen stelltensich, um nach einer tröstendenBegründung zu suchen, die es natürlichnicht gibt.Kama Dev hat sich durch sein Lebengetanzt und er hat den Tanz großzügigweitergegeben. Er zog sich amHöhepunkt seiner Karriere zurück. Erwird uns allen, die ihn persönlich kann -ten in bester Erinnerung bleiben und seinWirken welches durch Bilder undErzählungen weitergegeben wird istQuelle der Inspiration für junge Tänzerund Tänzerinnen.

ständig mit Live-Musik begleitet wurden.1986 tanzte Kama Dev gemeinsam mitseinem langjährigen TanzpartnerPradeep Kar und der französischenTänzerin Malavika Klein in derChoreographie "Ramayana " unter derRegie von Nita Klein im Theatre duRond-Point in Paris. Bevor Kama Dev nach Wien zog, lebte erzeitweilig in Amsterdam und München.Von 1978 bis 1980 lebte er ständig inWien. Danach übersiedelte er nach Romund später nach Paris, wo er am CentreMandapa unterrichtete. Seine späterenAufenthalte in Wien waren stets mitUnterricht und Workshops verbunden.In der "Alten Schmiede" machte er gernesogenannte "lecture demonstrations".Seine freundliche Art und die Nähe, diewegen des kleinen Raumes den Tanz fürdie Zuschauer besonders nahbar macht-en, waren sehr beliebt. Ebenso die bei -nahe privaten Tanzabende der Österrei -chisch-indischen Gesellschaft bei PeterJurkowitsch, vermittelten den Zu -schauern jedes Mal eine besondere Näheund Kama Dev's Austrahlung wirktebesonders intensiv. Jeder einzelneZuschauer fühlte sich als ein Teil desTanzes, der vor ihm auf kleinster Bühnestattfand. Als ich 1987 Kama Dev füreinen Workshop im Bodydynamic DanceCenter und einer Vorstellung in der

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KAMA DEV (NACHT) UND PRADEEP KAR (MOND) IM CHHAU-TANZ„RATRI“ AM UFER DES SERAIKELLA-FLUSSES, BIHAR, INDIEN.

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CHANDRALEKHA, KAMA DEV, BALASARASVATI, IHRE TOCHTER LAKSHMI, SUNILKOTHARI, IM HINTERGRUND KEDERNATH SAHU UND VEMPATI CHINNA SATYAM.

KAMA DEV, KEDERNATH SAHU UND RUKMINI DEVI.

BEGEGNUNG MIT INDIRA GANDHI ANLÄSSLICH EINER CHHAU-TANZVORSTELLUNG INDEN ACHTZIGER JAHREN.

KAMA DEV MIT SEINEM LIEBLINGSHUND CHAPATI.

MIT UDAY SHANKAR.

MIT DER TÄNZERIN RITHA DEVI.

NACH DER VORSTELLUNG MIT SEAN CONNERY.

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ARTIKEL AUS EINER INDISCHEN ZEITSCHRIFT VON DR. SUNIL KOTHARI.

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IN STOCKHAUSENS „ZUNGENSPITZENTANZ“.

BALLETT „ANANKE“.

BALLETT „ANANKE“.

PRADEEP KAR, MALAVIKA UND KAMA DEV IN „RAMAYANA“.

„RAMAYANA“: KAMA DEV UND PRADEEP KAR.

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Tatsachen weisen auf einen schamanisti -schen Ursprung des Chhau Tanzes hin.Ebenso hat der Chhau Tanz höchstkriegerische Aspekte. Tänze mit Stock undSchild und solche, in denen Schwert undSchild nur abstrakt angedeutet sind, kenn -zeichnen diesen Charakter. Während die Purulia und MayurbhanjChhau Tänze mehr volkstümlichen undkriege rischen Charakter haben, entwickeltensich die Chhau Tänze von Seraikella zu klas-sischer Gereiftheit, Beherrschheit undSymbolik, die zweifelsohne der höfischenKultur zu verdanken sind. Das Repertoire umfaßt eine lose An -einanderreihung einzelner, farbenprächtigerTänze mit abwechslungsreichen Inhalten,die entweder als Solo-Tanz, zu zweit oder zudritt, getanzt werden. Das Seraikella Chhau Repertoire umfaßt u.a.folgende Tänze: Sivatandava - der kraftvolleTanz Sivas, Ardhanarisvara - Siva in seinemmännlichen und weiblichen Aspekten,Haraparvati - ein Liebestanz, Chandra -bhaga - das Schicksal des Mondmädchens,welches aus Angst vor dem verliebtenSonnengott in einen See springt, Radha-Krsna - Krsnas Spiel mit den Gopis und mitRadha, Mayura - der Tanz des Pfaus, Ratri -das Spiel von Nacht und Mond. Themen ausdem Mahabharata und Ramayana sowie ausden Werken Kalidasas bilden die Inhaltevieler anderer Tänze. Darüber hinaus gibt esauch reine Nrtta-Tänze (d.s. Tänze, die keineGeschichte erzählen) und Schwert-Tänze -Pari (Schild) khanda (Schwert).

Die Chhau-Tänze von Seraikella sindMaskentänze schamanistischen Ursprungs,die ihre klassische Gereiftheit, Be -herrschtheit und Symbolik der höfischenKultur zu verdanken haben. Die Maharajasvon Seraikella im heutigen nordöstlichenBundesstaat Jarkhand waren traditionellgroße Förderer der Tanzkunst. ZurAusbildung aller jungen Prinzen gehörteauch eine Schulung im Chhau-Maskentanz.Die kunstvoll angefertigten Masken ausPapiermachee und Ton zeigen in mehrerenFarben verschiedene Charaktere, wie Götter,mythologische Gestalten, Dämonen,Menschen, Tiere und Himmelskörper(Sonne, Mond). Traditionell wurde der Chhau-Tanz nur vonMännern praktiziert. Heute gibt es jedochauch Frauen, die ihn erlernen und aufführen.Die Seraikella Chhau Tänze, zählen heute zuden klassischen Tanzarten Indiens. Es gibt drei Arten des Chhau Tanzes: DasChhau Tanztheater in Purulia, inWestbengalen, bei dem die ausschließlichmännlichen Tänzer Masken tragen, dieChhau Tänze von Mayurbhanj in Orissa,getanzt ohne Masken, und den Chhau Tanzaus Seraikella, bei dem die Tänzer wiederumMasken tragen. Die Tatsache, daß bei den MayurbhanjChhau Tänzen keine Masken getragen wer-den, läßt mehrere Interpretationen für dasWort chhau zu, welches man landläufig alsSanskritwort für “Maskierung“ oder“Schatten“ übersetzte. Das Wort chhak in derStammessprache Mundari bedeutet Geistund chhata von Geistern besessen“ (siehe :Eberhard Rebling: Die Tanzkunst Indiens,Henschelverlag, Berlin 1981). Diese

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KUCHIPUDI und Bhagavata Mela Der Kuchipudi-Tanz trägt seinen Namen vondem Dorf Kuchelapuram im südindischenBundesstaat Andhra Pradesh. Kuchipudi ist heute sowohl in Form desTanztheaters als auch im Solo-Tanz zu sehen.Ursprünglich ein Tanzdrama mit brahmani -scher Tradition wurde Kuchipudi nur vonMännern getanzt. Heute, vor allem alsSolotanzstil, tanzen ihn auch Frauen. Die Geschichte des Kuchipudi Tanzes läßtsich genau bis ins 15. Jahrhundert zurück-verfolgen. Tirtha Narayana Yati, ein BhaktiYogi, der aus einer Telugu Brahmanen familiestammte, war ein hingebungsvoller VerehrerKrsnas. Er verfasste die “Krsna LilaTarangini“‚ ein Tanzdrama (Bhagavata Mela)über das Leben Krsnas, welches bis heute

alljährlich während des Krsna Festes imBezirk Tanjore aufgeführt wird. Ein Schülervon ihm, Siddhendra Yogi, auch aus einerTelugu-Brahmanenfamilie stammendschrieb auch ein Tanztheater namens“Parijata Paharana“. Hier legte er seine ganzeTechnik des Kuchipudi Stiles nieder. SeineSchüler, ebenfalls aus Brahmanen familienabstammend, Söhne und Enkel tradierten soden Kuchipudistil bis in die heutige Zeit. Ähnlich dem Bharatanatyam Tanzstil hatKuchipudi eine Tanztechnik, die auf Adavus,Jatis und Abhinaya basiert. Das Kuchipudi-Repertoire umfaßt folgendeTänze: Puja Nrtva, Jatisvaram, Tillana,Tarangam, Sabdams, Bhama Kalapam.

CHHAU

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KUCHIPUDI ART ACADEMY: MIT GURU VEMPATI CHINNA SATYAM.

MAHARAJAS VON SERAIKELLA.

MIT DER „MAYURA“-MASKE.

RE.: ALS SIVAIN EINEMKUCHIPUDI-TANZDRAMA.

LI.: IM CHHAU-TANZ „MAYURA“.

KAMA DEV IN VISHNU-POSE.

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Sein jüngerer Bruder Ashish Kumar Kar,ein begabter Nachwuchstänzer desSeraikella Chhau gründete nach Pradeep'sTod im Januar 1990 den "Pradeep KarMemorial Trust" und versucht nun aufdiese Weise die Arbeit des Brudersfortzusetzen.

Pradeep Kar gehörte damals der jüngerenGeneration der Seraikella Chhau-Tänzeran. Er war zu seiner Zeit der Profiliertesteund Erfolgreichste unter ihnen, ein vielver-sprechender Tänzer von großer Ge -fühlsintensität. Ihm wurde als erstemTänzer aus Seraikella die Ehre einesStipendiums für Tanz durch die indischeRegierung zuteil. Er begleitete seinenLehrer Kedernath Sahu mehrfach aufGastspielreisen. Nach wiederholten Auf -enthalten in Europa, wo er mit der "KamaDev Indian Dance Company" auf vieleninternationalen Festivals auftrat, erhielt erden Posten des Direktors der Chhau-TanzSchule in Seraikella.

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PRADEEP KAR PORTRÄT

PRADEEP KAR MIT CHHAU-TANZMASKE.

PRADEEP KAR IM TANZ DES PRIESTERS.

RE.: MIT KAMADEV IN EINEMCHHAU-TANZ.

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zeigen hatte. Und auch zum Typischen: wardoch hier das alte Problem der Menschheit,die die Person in ihrer Eigenständigkeit undPersonalität so oft als Gegensatz zu derUnterwerfung unter alte, tradierte und fest-gelegte Regeln sieht, auf geniale Weise aufge-hoben, gegenstandslos geworden. Aus derVerschmelzung von Individuum und demkosmischen Ganzen gehen beide Seitengestärkt hervor, jedes hat in Allem seinen ihmeigenen Platz und der Mensch kann sich indiesem sinnvollen und auch als solcher er -kannten Kosmos voll entfalten. Auch dieseslehrt uns Bharatanatyam und es wurde inseiner perfekten und sehr bewußtenDarbringung durch Kama Dev überaus deut-lich. Die Zeitung “Kurier“ schrieb anläßlich einesAuftrittes von Kama Dev in Wien: “Kama Dev,der indische Tänzer, wie vom Quarz ge -steuert….“Dieser Anspruch des Genauen, des Perfekten,des zutiefst Ästhetischen und bis ins kleinsteDetail Ausgeformten kennzeichneten dieunermüdliche Arbeit Kama Devs. Jede seinerHand- und Fußbewegungen, jede Mimik,jeder Schritt und die Kombination undKoordination von Schritten, Fußbewegungenund Handbewegungen schienen stetsbeispielhaft und so als wären sie anders garnicht möglich; als entstammten sie einemJahrtausende alten Lehrbuch, als hätten siesich in langer Erfahrung nun in ihrerVollendung perfektioniert. Die Bemühung und Arbeit blieb aber nicht imbloß Formalen, Künstlerischen, Artistischenoder Artifiziellen stehen, sondern reichtedurch die Persönlichkeit Kama Devs weitdarüber hinaus. Dieser - nicht Künstler - sondern MenschKama Dev brachte, in tiefer, einfacherreligiöser Ehrfurcht und Demut demBharatanatyam das entgegen, was er immerwar: eingebettet in die alte indische Kultur,ein Tempeltanz, ein Gebet zu Ehren derGötter, Gottes, des Universums. Der ewigeund kosmische Tanz mit dem die Welt - diemenschliche Erfahrung der Wirklichkeit,immer aufs neue erschaffen wird, so wie sieauch im großen kosmischen Tanz wiederzugrunde geht. Ein ewiger Kreislauf, einAbbild der Kraft und der Größe, der Pracht.Ein aus dem Vollen der Schöpfung Schöpfens.Jedes Vergehen hat seinen Anfang und jederBeginn hat sein Ende. Dieser kreative Akt derandauernden Vergänglichkeit gebiert immerneue Vielfalt, neue Ideen, neue Farben undFormen vor dem Hintergrund derGesetzmäßigkeit und des Ewigen ….. geradeBharatanatyam zeugt hievon. Kama Dev warein begnadeter Tänzer, der diesem kulturellenund geistigen Hintergrund Gestalt, Form undAusstrahlung in höchster Vollendung zugeben vermochte. Kama Dev strahlte dieses sensible Bewußtseinauch hinter allen menschlichen Problemenoder Unvollkommenheiten, wie sie jeder hat,aus, und es machte ihn zu einer Persönlichkeit

Der Tod kommt immer plötzlich und uner-wartet und besonders er, Kama Dev, der unsallen als Bharatanatyam-Tänzer strahlend wieein junger Gott, als Shiva oder als der ero -tische Gott Krsna, als Inbegriff des Lebensund der Unvergänglichkeit in Erinnerung ist,er schien ewig lebendig, schön und jung zusein, gefeit vor Irdischem wie dem Tod …..Gerade Bharatanatyam, der faszinierendeklassische indische Tanz, als Abbild desewigen kosmischen Tanzes in seinemunendlich scheinenden Reichtum an Facettendes Ausdruckes, in seiner Vielfalt an Farbe,Pracht und Form, wurde von Kama Devgetanzt, als wäre er für ihn gemacht. Kama Dev, ein begabter Tänzer, wie ihn dieZeit nur selten hervorbringt, hochsensibel,mit unglaublichem Gefühl für Gestalt,Ausdruck und Form, für den Raum mit seinenStrukturen und Achsen, war der Interpret, jaSchöpfer und Neuschöpfer zahlloser Tänzeund Choreographien. Diese waren in gleicherund für Bharatanatyam in typischer Weiseeinerseits zutiefst der Tradition verpflichtetund andererseits lebendiger und belebterAusdruck seiner, Kama Devs, Person. SeinGestaltungswille, diese Brücke zwischen denbeiden Polen, des auf der einen Seite ewigGültigen und Überpersonalen und auf deranderen Seite der persönlichen Interpretationdieses seit Jahrtausenden gültigen kulturellenund geistigen Erbes, ergab Tanzaufführungenmit einer Harmonie und dichter Atmosphäre,wie sie kaum je zu finden sind. Kama Dev brachte in genialer Weise seinPersönliches, seine Person, in den Tanz, in dieErzählung der Geschichte des Göttlichen ein,ohne die Sicht auf das Große, das Kosmischein seinem Tanz zu verlieren. Nie stand er imMittelpunkt sondern immer das Inter -pretierte, das Geschaffene. Nicht der Schöpferwar es, sondern das auf alten TraditionenFußende, so Entstandene, Gewachsene. Erkonnte zurückstehen und trotzdem standseine Person fest und stark und strahlend da. Kama Devs Bühnenpräsenz schuf imZuschauer das geradezu unbedingte Gefühleiner wirklichen Begegnung mit demdargestellten Gott Siva oder Krsna, sie ließ diedargestellten Gefühle als archetypischeStrukturen erfahren. Die daraus entstandeneKraft und Authentizität war bei all seinenAufführungen spürbar und erlebbar undmachten diese zu dem besonderen Ereignisund zu dem Besten, was die indische Kultur zu

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zu seinem Tode im September 1992. Ein Nachruf von Peter H.Jurkowitschanläßlich der Gedenkfeier für Kama Dev am 30.10.1992 im Theater desAugenblicks in Wien

PETER H. JURKOWITSCH

KAMA DEV

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Kama Dev verströmte sich in seinen perfektenAnsprüchen, auch in seiner Treue zu sichselbst. Diese kraftverzehrende Bedingungslosigkeitin seiner Hingabe - vielleicht war sie auch einGrund für seinen frühen Tod. Diese Bedingungslosigkeit und Konsequenzwar sicher auch die Ursache als er, für uns alleüberraschend, 1987 abrupt mit dem Tanzaufhörte. Mir ist es im Jahre 1976 gelungen, den Leiterdes Dramatischen Zentrums, Herrn HorstForester, für Kama Dev zu interessieren undeinen für ihn hervorragenden, mehrjährigenVetrag auszuhandeln, der ihn als Lehrer undTänzer an Wien band. Die damaligenWorkshops sind heute Legende. DieserAufenthalt Kama Devs war der Beginn einerBharatanatyam-Tanztradition in Wien:Radha Anjali wurde seine Schülerin undführte und führt diese bis heute weiter. Ich erinnere mich noch ganz deutlich an dievielen Nachmittage und Abende, die KamaDev in meinem Hause, in intensiver,besinnlicher Atmosphäre, weilte. Ein Hauchvon Heiligkeit umfaßte meine Freunde undmich oftmals, wie wir da saßen und imGespräch über die Bedeutung alter, IndischerKultur dieses Denkens und Fühlens gewahrwurden und wenn uns bewußt wurde, daß wirin Kama Dev einen lebendigen Zeugen dieserKultur unter uns hatten. Einen Zeugen, dernoch tief auf den reichen und altenTraditionen fußte, sich auf die ungebrocheneÜberlieferung zahlloser Meister, Gurus undspiritueller Lehrer bezog. Dieser Reichtumwar es, der Reichtum ohne materiellen Besitz,der Reichtum, der im Erleben, ja im Lebenfußt, der immer wieder spürbar wurde undden ich als heilig bezeichnen möchte. Heilignicht als etwas Abgehobenes, weit Entferntes,sondern es ist vielleicht so wie man als Kindfühlt in dem Moment, wenn man zuWeihnachten, nach dem Läuten der Glocke,das erste Mal den Christbaum sieht. Etwassehr Wirkliches, sehr Konkretes. Reichtuminnerer Erfahrung, inneren Erlebens. Kama Dev bleibt mir, und ich glaube unsallen, als ein Tänzer in Erinnerung mit demAnspruch auf Perfektion und mit besondererkünstlerischer Ausstrahlung. Als Tänzer, derin seiner Genauigkeit, die er zum Beispiel derWichtigkeit jeder kleinen hasta (Handgeste)zukommen ließ, alle anderen übertraf undMaßstab geworden ist für viele andere. Aberes bleibt auch unvergessen der Mensch KamaDev, der um die Bedeutsamkeit und das men-schliche Maß im Umgang mit seinenMitmenschen und Freunden zutiefst Bescheidwußte - denn sein Verhalten war davongeprägt. Kama Dev ist tot, aber Kama Dev ist wiederge-boren in meinem, ich will sagen in unseremHerzen und Bewußtsein. Er hat Energie hin-terlassen, die den indischen Tanz in Wienimmer neu beseelt und ihm Dimensionengibt.

des unermüdlichen Suchens, aber auchWissens. Es gelang ihm schon vor jederVorstellung eine prickelnde Atmosphäre desaußerordentlichen, des besonderenEreignisses, ja eine Art von heiligem Raumaufzubauen. Es war der Raum des imaginärenTempels, in den er jedesmal, wenn er dieBühne betrat, hineinging, hineinschritt,hineintanzte. Ich erinnere mich noch sehr gut, es war 1976,als Kama Dev, damals im ehemaligenPorrhaus-Saal. das erste Mal in Wien vorgroßem Publikum auftrat. Ich kam in dieGarderobe und wurde ihm vorgestellt. Daserste Mal habe ich einen Tänzer in vollerSchminke so nah gesehen. Es ging ein eigen -artiger Reiz von diesem Menschen aus. DiesesUnwirkliche, ein imaginärer Raum, angefülltmit der Atmosphäre des nahen Unnahbaren,des Besonderen, ging von diesem Menschenaus. Es war der Raum, den Kama Dev jedes-mal vor der Vorstellung zu schaffen wußte,der Raum, in dem er den kulturellenHintergrund, seine Gurus hinter sich versam-melte. Damals habe ich das noch nicht begrif-fen, aber ich war von der sensiblenAusstrahlung und den Kräften, die vondiesem Menschen ausgingen, betroffen. Er nahm den Tanz und nicht nurBharatanatyam - er war ein außerordentlichguter Kuchipudi und Chhau Tänzer - ernst,sehr ernst, er war im wichtig. Es war mehr alsein künstlerischer Ausdruck oder eine persön-liche Entäußerung, es war ein Lebensweg, wiees für die indische Kunst der alten Zeit be -zeichnend erscheint. Religiös im Sinne einesbewußten Lebens. Der Geist des Tanzes hatKama Dev immer begleitet, hat sein Lebengeformt und bestimmt. Er ist aus demTempel, den er mit seinem Tanz immer aufsneue erbaut, beschritten und belebt hat, imGrunde niemals ganz herausgetreten, er warin ihm und dieser um ihn. Die Art und Weise, wie Kama Dev mitMenschen umging. seine Art empfindsam undsensibel mit seiner Umwelt umzugehen,machte ihn zu einem herzlichen Partner, aberauch zu einem verletzlichen Menschen. SeineArt zu leben machte es ihm nicht leicht, indieser Welt zu bestehen. Seine Familie lebteschon lange im Westen und auch er, ebenfallsim Westen aufgewachsen, schätzte die Er -rungenschaften und das Denken des Westensdurchaus sehr; doch verpflichtet zu seinerindischen Tradition in einer ihrer be ein - druckendsten und tiefsten Ausformungen,dem klassischen indischen Tanz, ließen KamaDev oft zwischen zwei Welten erscheinen.Oftmals zerrissen und in der Bemühung, bei-dem gerecht werden zu wollen, führte dies zustarken Spannungen in seiner Persönlichkeit.Übersensibel, ein Seismograph für Störungenund aber auch Qualitäten beider Kulturen,führten diese Spannungen zu immer tiefererAuseinandersetzung mit der indischen(Tanz)kultur, aber auch der abendländischenTradition, die Ausdruck in seiner Mitarbeit aneuropäischen Tanzaufführungen fand.

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ZEITUNGSARTIKEL AUSSUNDAY INDIAN NATION,PATNA, 26.10.1980.

UNTEN: ADYAR K. LAKSHMANUND MUSIKERGRUPPE,RADHA ANJALI, KAMA DEV,MEENA VENKATARAMAN UNDPRADEEP KAR,URSULINENHOF, LINZ, 1984.

RE.: LETZTE VORSTELLUNG IN WIEN MIT RADHA ANJALI,VIENNA INTERNATIONAL SCHOOL, 24. APRIL 1987.

UNTEN: KAMA DEVMIT K. RAMA RAOUND BALA -KRISHNAN, RADHAANJALI UNDPRADEEP KAR,BARI 1983.

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NATYA MANDIR - Verein zurFörderung der indischen Tanz -kunst (sanskrit: natya:Tanzkunst, mandir: Tempel, Ort)ist ein unab hängiger, nicht aufGewinn ausgerichteter Verein,der es sich zur Aufgabe gemachthat, den klassischen indi schenTanz in Österreich zu vertretenund seine Inhalte verständlich zumachen. Alle Vereinsaktivitätenwerden aus Mitgliedsbeiträgenund Spen den finanziert.Wir veranstalten indische Tanz - performances, Workshops mitanerkannten TänzerInnen undTanz pädagogInnen sowieKonzerte und Vorträge. Wir ver-mitteln Schul projekte fürösterreichi sche Schulen undpublizieren die Natya MandirNews - Zeitschrift für in di scheTanzkultur in Österreich. Durch Ihre Mitgliedschaft er mög -lichen Sie es uns, regel mäßigProgramme zu veranstalten und

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