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Schmitz Noch mehr Overheads in die Zentrale? Seite 28-32
28 1|2007
Einleitung und Zielsetzung
Den internen Leistungen der Unter-
nehmenszentrale lastet als Overheads all-
gemein hin ein schlechter Ruf an. Denn
deren Kosten sind definitionsgemäß
nicht direkt zurechenbar. Das heißt,
Kostenstellen und Kostenträger werden
ohne Prozesskostenerfassung häufig „mit
der Gießkanne“ unabhängig von der In-
anspruchnahme der Zentralleistungen
mit Overheads belastet. In internationa-
len Vertriebsorganisationen ist die Frage
der Verteilungsschlüssel für Overheads
der Zentrale daher ein wichtiger Streit-
punkt. Die Top-Führungskräfte interna-
tionaler Tochtergesellschaften fordern
häufig sogar, Overheads stark ab-
zubauen. Denn diese belasten in erheb-
lichem Maße die vorher den dezentralen
Erfolg so deutlich ausweisenden Jahres-
ergebnisse.
Die Wertschöpfung, die durch zentrale
Abteilungen, so z. B. die Koordination
der internationalen Vertriebsorganisation
oder die Unterstützung des dezentralen
Vertriebs erbracht wird, wird in diesen
Diskussionen meist vernachlässigt. Die
Kostendiskussion überlagert die Frage
danach, welchen Wertschöpfungsbeitrag
zentrale Abteilungen für die interna-
tionalen Vertriebsstellen leisten können
und welche Ressourcenausstattung in der
Zentrale zu wählen ist, die durch den
Wertschöpfungsbeitrag gerechtfertigt
wird.
Der vorliegende Beitrag zeigt auf, was
Unternehmen bei der Konfiguration
ihrer zentralen Vertriebsleistungen be-
achten müssen. Es handelt sich bei
diesem Beitrag um einen Diskussions-
beitrag. Die Rolle der zentralen Leis-
tungen für dezentrale Vertriebsprozesse
soll kritisch hinterfragt werden, neue Ein-
sichten werden aufgezeigt. Der Artikel
basiert auf verschiedenen heuristischen
Quellen sowie 45 teilstrukturierten
qualitativen Interviews, die mit Mit-
gliedern internationaler Vertriebs-
organisationen in der Industriegüter-
branche durchgeführt wurden. Es wird
damit ein konzeptioneller Beitrag an-
gestrebt, bei dem sich sämtliche Über-
legungen auf Aspekte der Vertriebsor-
ganisation beziehen, andere Leistungs-
bereiche der Zentrale, so z.B. im Bereich
der Produktion oder Beschaffung sind
nicht Gegenstand des Beitrags.
Die Zentrale als interner Dienstleister
Nach Reckenfelderbäumer (2001, S. 253)
übernimmt die Zentrale insbesondere
Aufgaben der Koordination und der
Unterstützung. Die Koordination durch
die Zentrale betrifft dabei verschiedene
Mechanismen, die auf die Realisierung
von Skaleneffekten, Synergien sowie eine
länderübergreifende Planung inklusive
Zielvereinbarungen und Ergebniskon-
trollen gerichtet sind (vgl. Kieser/
Walgenbach 2003, S. 299; Bartlett/
Ghoshal 1990, S. 132). Es bleibt fest-
zuhalten, dass die Wahrnehmung von
Koordinationsaufgaben durch die Zent-
rale zwangsläufig die Autonomie der Ver-
triebspartner einschränkt (vgl. Recken-
felderbäumer 2001, S. 254).
Neben der Koordination kommen der
Zentrale insbesondere Aufgaben der
Unterstützung zu. Hierbei handelt es sich
z. B. um die Übernahme verschiedener
Sekundäraufgaben, die dezentrale Be-
reiche entlasten (vgl. Reckenfelderbäumer
2001, S. 254). Auch hierbei spielen Sy-
nergieeffekte eine Rolle, allerdings ver-
spricht man sich häufig auch eine höher-
wertige Leistung, als dies bei einer
dezentralen Erstellung der Fall wäre (vgl.
Reckenfelderbäumer 2001, S. 254). Bei-
spiele für die Unterstützung sind z. B. die
Durchführung von Schulungen, Markt-
forschungen oder die Bereitstellung von
Produktdokumentationen sowie tech-
nische oder juristische Hilfestellungen
(vgl. Reckenfelderbäumer 2001, S. 254;
Lasserre/Schütte 1995, S. 253 ff.).
Noch mehr Overheads in die Zentrale? – Marketing- und Vertriebsressourcen alsinternationale Erfolgstreiber
Dr. Christian SchmitzHabilitand und Leiterdes Kompetenzzen-trums für Business-to-Business Marketing amInstitut für Marketingund Handel der Univer-sität St. Gallen,St. Gallen CH)
Die Leistungen der Unternehmenszentrale stehen häufig unter scharfer Kritik, da sieaus Sicht internationaler Führungskräfte die Treiber der Overheadkosten sind. DerWertschöpfungsbeitrag, den die zentralen Abteilungen erbringen, wird hingegen nurselten diskutiert. Nur wenn zentrale Marketing- und Vertriebsabteilungen es schaffen,ihren Wertschöpfungsbeitrag deutlich zu machen und auch in Taten umzusetzen, kanndie Existenz zentraler Abteilungen langfristig gesichert und Synergien realisiertwerden. Der folgende Beitrag zeigt, wie dies gelingen kann.
Noch mehr Overheads in die Zentrale? Schmitz
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Zentralbereiche verfügen in Bezug auf
ihr Angebot, häufig über eine inner-
betriebliche Monopolstellung. Mittelbare
Konkurrenz besteht bei unterstützenden
Leistungen, so z. B. dadurch, dass Leis-
tungen vor Ort selbst erstellt werden oder
extern beschafft werden können (vgl. Re-
ckenfelderbäumer 2001, S. 257). Die
Zentrale muss daher aufzeigen, dass sie
im Vergleich zu den anderen Alternativen
besser in der Lage ist, die benötigten in-
ternen Leistungen zu erstellen. Dieser be-
sondere Umstand gilt für die Unterstüt-
zungsleistungen der Zentrale, nicht aber
für die koordinativen Leistungen. Im
Folgenden wird daher der Fokus auf die
Unterstützungsleistungen der Zentrale
gelegt.
Interne Leistungssysteme für die Vertriebsorganisation
Durch eine professionelle Verkaufsunter-
stützung können Hersteller den Erfolg
ihrer internationalen Vertriebspartner
maßgeblich mitbestimmen. Häufig be-
sitzen Herstellerunternehmen keine
Kenntnisse darüber, welche systemati-
schen wertschöpfenden Leistungen sie für
dezentrale Prozesse erbringen können
(vgl. Reckenfelderbäumer 2001, S. 258).
Um die eigentliche industrielle Kernleis-
tung herum, die im Zentrum der
Beziehung zwischen Hersteller und Ver-
triebspartner steht (vgl. Hakansson 1982,
S. 15), bestehen zahlreiche „Unterstüt-
zungsleistungen“, die der Hersteller
einsetzen kann, um die lokale Wett-
bewerbsfähigkeit des Vertriebspartners zu
erhöhen. Zur Systematisierung der Kom-
bination interner Leistungen der Zentrale
wird hier eine Analogie zum Leistungs-
systemansatz nach Belz et al. (1997, S. 29)
herangezogen und anhand eines
Schalenmodells dargestellt. Die um-
hüllenden Schalen heben die Bedeutung
der begleitenden Leistungen in den Vor-
dergrund, durch die eine Differenzierung
beim Vertriebspartner möglich wird.
Im Kern des Schalenmodells steht das
industrielle Leistungsangebot, durch das
die Probleme des Kunden gelöst werden
sollen. Diese „Kernleistung“ ist un-
abdingbare Geschäftsgrundlage zwischen
Kunde und Vertriebspartner und be-
gründet damit überhaupt erst die
Beziehung zwischen Hersteller und Ver-
triebspartner. Die Gestaltung der Kern-
leistung bestimmt weitgehend über die
Fähigkeit des Vertriebspartners, Bedürf-
nisse des Kunden zu lösen. Sie bestimmt
deshalb in ebenso hohem Maße über die
Zufriedenheit des Vertriebspartners mit
dem Hersteller. Durch ein gemeinsames
Vorgehen können überlegene Kunden-
vorteile geschaffen werden, die Vertriebs-
partnern zu nachhaltigen Wettbewerbs-
vorteilen verhelfen.
Neben dieser Kernleistung stehen dem
Hersteller weitere Ansatzpunkte zur Ver-
fügung, um die lokale Wettbewerbsfähig-
keit des Vertriebspartners zu unter-
stützen. Diese zielen auf die Unterstüt-
zung bei den lokalen Verkaufs- und sons-
tigen Geschäftsprozessen ab. Herstellern
eröffnen diese Leistungen insbesondere
bei unabhängigen Vertretungen eine
Möglichkeit, sich gegenüber anderen
Herstellern im Portfolio zu differenzieren
(vgl. Rosenbloom 1990, S. 54 f.). Bezugs-
punkte der Unterstützungsleistungen des
Herstellers können vom konkreten
Kundenprozess bis hin zu internen Pro-
zessen der lokalen Organisation reichen.
Die Schalen des in Abbildung 1 dar-
gestellten Leistungssystems sind in ab-
nehmender Reihenfolge ihres Bezugs zu
den Kundenprozessen angeordnet.
Im Folgenden sollen kurz die einzelnen
Schalen erläutert werden:
Verkaufsunterlagen: Durch profes-
sionelle Verkaufsunterlagen kann der
Hersteller das Auftreten und die Kom-
petenz des Vertriebspartners beim
Kunden unterstützen. Gleichsam wird
die Einhaltung eines unternehmens-
weiten Corporate Designs sicher-
gestellt. Wichtige Verkaufsunterlagen,
die den Vertriebspartner im Kun-
denkontakt unterstützen können, sind
vorgefertigte Verkaufspräsentationen
für neue Produkte (vgl. Belz/Buss-
mann 2002, S. 281). Aber auch Argu-
mentationshilfen, die Vorteile im Ver-
gleich zu Konkurrenzprodukten auf-
zeigen, und Verkaufsvideos mit An-
wendungsdemonstrationen gehören
zu den Verkaufsunterlagen, die Her-
steller bereitstellen können. Um den
Informationsbedarf des Kunden
sowohl in Bezug auf technische De-
tails zu stillen als auch aufzuzeigen,
wie Kunden durch die Lösung des
Herstellers eigene Wettbewerbsvor-
teile erzielen können, können darüber
hinaus umfangreiche Dokumentatio-
nen wie Handbücher, Prospekte und
Datenblätter eingesetzt werden.
Interne Services: Neben den Materi-
alien für den Verkaufsprozess kann
der Hersteller auch interne Dienstleis-
tungen anbieten, bei denen er selbst
aktiv wird. Gemeinsame Kundenbe-
suche mit Vertretern aus der Zentrale
oder mit Anwendungstechnikern
können sowohl in der Beratungsqua-
lität für den Kunden als auch in der
diesem entgegengebrachten Wert-
Abb. 1: Schalenmodell eines Leistungssystems für Vertriebspartner
Quelle: In Anlehnung an Belz et al. 1997, S. 29.
Lokale Verkaufs-prozesse (Front-End)
Lokale Verkaufs-prozesse (Back-End)
Lokale Geschäftsprozesse
Kundenprozesse
{{
{
{
IndustrielleKernleistung
z. B. Maschine
Verkaufsunterlagen
Informationsversorgung
Infrastruktur
Finanzielle Zuschüsse
Interne Services
z.B. Subventionierung von lokalen Investitionen
z.B. Rundschreiben zu internen Projekten
z.B. IT-Tools zur Auftragsabwicklung
z.B. Begleitung durch Techniker
z.B. Produktprospekte
Kundenbezug
Schmitz Noch mehr Overheads in die Zentrale?
schätzung entscheidende Differen-
zierung gegenüber der Konkurrenz
bringen. Aber auch von der Zentrale
durchgeführte Marktforschungen,
Schulungen oder Events für Kunden
und Vertriebspartner erhöhen die
lokale Kompetenz und führen häufig
zu höheren Verkäufen.
Infrastruktur: Anstatt unmittelbaren
Support für den Verkauf beim Kunden
(Front-End) zu geben, können Her-
steller ebenso die Professionalität der
lokalen Infrastrukturen und Prozesse
(Back-End) unterstützen. Wichtige
Stellhebel sind hierbei der Einsatz von
IT-Systemen und Tools, so z. B. für eine
effiziente Auftragsabwicklung (vgl. Belz
et al. 1996, S. 78; Belz/Bussmann 2002,
S. 280).Vertriebspartner können durch
die Professionalisierung ihrer lokalen
Prozesse wiederum ihre Verlässlichkeit
gegenüber dem Kunden verbessern,
so z. B. in der Einhaltung von Lieferter-
minen oder der realistischen Ein-
schätzung von Verfügbarkeiten.
Darüber hinaus kann der Hersteller In-
frastruktur bereithalten, die lokale
Marketingaktivitäten ermöglichen. So
z. B. durch die zentrale oder regionale
Anschaffung von Messematerialien
und Messeständen, Demogeräten und
Muster, die für einzelne Vertriebspart-
ner nicht finanzierbar sind (vgl. Walti
1999, S. 208).
Informationsversorgung: Informatio-
nen bilden die Basis für eine lokale
Strategiefindung und die Anpassung
lokaler Prozesse. Auswertungen über
die lokale Verkaufsleistung im Län-
dervergleich bilden die Grundlage für
Selbsteinschätzungen und Zielsetzun-
gen. Produkt-, wettbewerbs- und kun-
denbezogene Daten wiederum er-
möglichen die Strategiebildung (Belz
et al. 1996, S. 78). Im operativen Kon-
text sind allerdings auch Projekte, Per-
sonalia und andere Interna des Her-
stellers für den Vertriebspartner von
Bedeutung, um eigene Vertriebs-
prozesse anzupassen und die Entwick-
lungen in der Herstellerorganisation
mitverfolgen zu können. Vielfach exis-
tieren aus diesem Grunde interne
Newsletter, die alle Mitglieder der Ver-
triebsorganisation über Neuigkeiten
auf dem aktuellen Stand halten oder
Intranetanwendungen, die einen di-
rekten Austausch ermöglichen (vgl.
Belz/Bussmann 2002, S. 281).
Finanzielle Zuschüsse: Als wichtiger
Ansatzpunkt der Unterstützung der
lokalen Geschäftsprozesse sind fi-
nanzielle Zuschüsse zu nennen. Diese
können in unterschiedlichen Formen
gewährt werden. Gerade beim Aufbau
oder der Erweiterung der lokalen
Präsenz werden häufig direkte Zu-
schüsse in Form von Budgets ge-
währt. In schwierigen Wettbewerbs-
situationen sind allerdings auch
Zuschüsse zu Werbekosten, Messen,
Nachlässe bei Transferpreisen oder
Vereinfachung von Zahlungsbedin-
gungen möglich, durch die die lokale
Finanzkraft gestärkt wird (vgl. Rosen-
bloom 1990, S. 55). So z. B. auch durch
Konsignationslager, die lokale Kapital-
bindungskosten senken und die Liqui-
dität der Vertriebspartner erhöhen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten,
dass dem Hersteller damit eine Vielzahl
von Ansatzpunkten zur Unterstützung
der Vertriebspartner zur Verfügung
stehen. Abbildung 2 zeigt noch einmal die
verschiedenen Ansatzpunkte im Über-
blick.
Ressourcenausstattung der Zentrale
Die Vielfalt der aufgezeigten Unterstüt-
zungsleistungen lässt bereits den Umfang
und die Komplexität der damit zu-
sammenhängenden Aufgaben des
Stammhauses erahnen. Selbst wenn die
Zentrale sich über die optimale Schwer-
punktsetzung in ihrem Leistungsangebot
bewusst ist, scheitern viele dieser Vor-
haben an ungenügenden Ressourcen des
Stammhauses (vgl. Belz/Reinhold 1999a,
S. 209). Belz/Reinhold (1999b, S. 29)
geben an, dass es z. B. in der Investitions-
güterbranche nicht außergewöhnlich sei,
dass zwei bis drei Mitarbeiter in der Zen-
trale 40 bis 60 Agenten oder Nieder-
lassungen in unterschiedlichen Märkten
betreuen. Dafür sprechen auch die Ergeb-
nisse der von Schmitz (2006, S. 37)
durchgeführten Befragung internatio-
naler Vertriebsorganisationen. Schmitz
(2006, S. 195 ff.) untersucht die Kon-
takthäufigkeit zwischen Stammhaus und
Vertriebsniederlassung und zeigt deutlich
die erheblichen Restriktionen, denen eine
Unterstützung der Vertriebspartner
unterliegt, wenn die Zentrale allenfalls
über eine geringe Ressourcenausstattung
verfügt. Reisezeiten, Konzepte für die
Mitarbeiterentwicklung durch Schu-
lungen und Weiterbildung, Mitarbeiter-
transfers, telefonische und elektronische
Betreuung sowie die Abwicklung von
Garantiefällen benötigen zentrale Mit-
arbeiterressourcen, die häufig nicht vor-
handen sind. Eine von Schmitz (2006,
S. 235) durchgeführte empirische Analyse
zeigt weiterhin deutlich, dass das Ver-
hältnis zwischen der Ressourcenaus-
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Abb. 2: Ansätze der Unterstützung von Vertriebspartnern durch den Hersteller
• Verkaufspräsen-tationen,
• Argumentations-hilfen,
• Handbücher,Prospekte undDatenblätter,
• Verkaufsvideos.
• GemeinsameKundenbesuche,
• Technische Ver-kaufs-unterstützung,
• Interne Markt-forschung,
• Events für Kun-den und Ver-triebspartner,
• Schulung undWeiterbildung.
• IT-Systeme,
• IT-Tools,
• Demogeräte,
• Muster,
• Messestand,Messemateria-lien, Exponate.
• Auswertungenzur Verkaufsleis-tung,
• Produkt-, Wett-bewerbs- undKundendaten,
• Rundschreibenzu Neupro-dukten,
• Newsletter zuInternas, Meilen-steinen etc.
• Werbekosten-zuschuss,
• Subventionie-rung von Bau-vorhaben,
• Messezuschüsse,
• Nachlässe beiTransferpreisen,
• Konsignations-lager,
• Rabattteilung.
Ansätze derUnterstützung vonVertriebspartnern
Verkaufs-unterlagen
InterneServices Infrastruktur Informations-
versorgungFinanzielleZuschüsse
Kunde Bezugspunkt Organisation
Noch mehr Overheads in die Zentrale? Schmitz
stattung der Zentrale und der Anzahl der
zu betreuenden Vertriebspartner eine
Auswirkung auf die Zufriedenheit der
Vertriebspartner besitzt. Das bedeutet im
Umkehrschluss, dass eine zufrieden
stellende Unterstützung der Vertriebs-
gesellschaften umso unwahrscheinlicher
wird, desto weniger Mitarbeiter der Zen-
trale pro Niederlassung zur Verfügung
stehen. Schmitz (2006, S. 235) unterstützt
damit die Vermutung, dass die Qualität
der Betreuung und damit die Zu-
friedenheit abnimmt, je mehr Vertriebs-
partner von einem Mitarbeiter der Zen-
trale betreut werden.
Vier Stellhebel für eine Professionalisierung in der Zentrale
Die vorangegangenen Überlegungen
haben gezeigt, dass eine professionelle
Planung von zentralen Leistungen und
den daraus folgenden Aufgaben sowie der
benötigten und verfügbaren Ressourcen
dem Hersteller die Möglichkeit eröffnen,
die Qualität zentraler Leistungen zu
optimieren. Als typisch führt Recken-
felderbäumer (2001, S. 258) an, dass viele
Zentralbereiche nur unzureichende und
ungenaue Vorstellungen über die
qualitativen und quantitativen Bedürfnis-
se der internen Kunden haben, obwohl der
„relevante Markt“ meist relativ eng und
abgegrenzt ist (vgl. Reckenfelderbäumer
2001, S. 258). Hieraus ergibt sich ein
wichtiger Stellhebel für das Management.
Stellhebel 1: Erfassen Sie die Bedürfnis-
se der internen Kunden systematisch und
kontinuierlich.
Auch überschätzen Mitarbeiter der
Zentrale häufig ihre eigenen Kenntnisse
und Leistungen (vgl. Hungenberg 1992,
S. 342). Mitarbeiter des Herstellers kon-
zentrieren sich oftmals auf die Pro-
fessionalisierung und Mobilisierung der
Vertriebspartner (vgl. Walti 1999, S. 167
ff.), schreiben diesen die Gründe für un-
zufriedenstellende Marktergebnisse zu
und übersehen leicht die Schwächen der
eigenen Führung und Unterstützung.
Stellhebel 2: Stellen Sie die einzelnen
Leistungen und Kompetenzen der Zen-
trale kritisch auf den Prüfstand!
Zentrale Vertriebseinheiten müssen
daher festlegen, welche Funktionen sie
mit welchem Ressourcenumfang erfüllen
wollen, um eine optimale Unterstützung
und Koordination der Vertriebspartner
zu erreichen. Dazu werden sämtliche
wertschöpfenden Aktivitäten erfasst und
strukturiert. Erst wenn sich die zentralen
Einheiten über die von ihnen zu er-
füllenden Funktionen und konkreten
Aufgabeninhalte bewusst sind, kann eine
Planung und Gestaltung erfolgen.
Stellhebel 3: Entwickeln Sie interne
Leistungen, die sich an der Wert-
schöpfung der internen Kunden orien-
tieren.
Die Zentrale wird in Ihrem Hand-
lungsspektrum wesentlich durch die
Ressourcen begrenzt, die ihr zur Ver-
fügung stehen. Um mit dieser Tatsache
umzugehen, stehen dem Stammhaus ins-
besondere die in Abbildung 3 dar-
gestellten Stoßrichtungen zur Verfügung.
Durch diese gelingt es, die Zentrale mit
den notwendigen Ressourcen aus-
zustatten, damit diese ihre versprochenen
Aufgaben zuverlässig erfüllen kann. Eine
Nutzwertanalyse zentraler Aufgaben
kann aus Sicht der Vertriebspartner wert-
volle Aufschlüsse geben, wenn über die
Reduktion von zentralen Aufgaben ent-
schieden werden soll. Es werden damit
die Voraussetzungen geschaffen, eine
optimale Unterstützung und Koor-
dination zu gewährleisten.
Stellhebel 4: Richten Sie die intern an-
gebotenen Leistungen ernsthaft an den
beschränkenden Ressourcen aus und
setzen Sie klare Prioritäten.
Eine die vier Stellhebel berück-
sichtigende "wertschaffende Unterstüt-
zung" der Vertriebspartner trägt dazu bei,
den internationalen Vertriebserfolg zu
erhöhen. Es handelt sich daher um eine In-
vestition mit Rückflüssen, eine einseitige
Kostenbetrachtung greift dabei zu kurz.
Wenn sich die Unternehmenszentrale als
Wertschöpfungspartner begreift und
klaren Mehrwert aufzeigen kann, entsteht
aus Sicht der Vertriebspartner eine klare
Kosten-Nutzenrelation. Wertschöpfende
Leistungen können entsprechend ihrem
Wertschöpfungsbeitrag zu internen
Preisen angeboten und verrechnet werden.
Eine Leistungsentwicklung, die sich an in-
ternen Kunden und internen Märkten
orientiert, sichert damit nicht nur die
Existenzberechtigung zentraler Bereiche.
Darüber hinaus sichert und erhöht sie die
Leistungsfähigkeiten in den externen
Märkten und ist daher wesentlich für die
Erfolge des Gesamtunternehmens.
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Abb. 3: Stellhebel zur Konfiguration zentraler Ressourcen
Aktivität
■ Ausweitung zentraler Vertriebsressourcen,Rekrutierung zusätzlicher Mitarbeiter.
■ Entlastung durch den Einsatz von Informationssystemen unddurch die Vereinfachung oder Standardisierung von Prozessen.
■ Gänzlicher Verzicht auf ausgewählte Aufgaben.
■ Dezentralisierung und Delegation von Aufgaben an Vertriebs-partner und Teams.
■ Konsequente Bündelung administrativer Aufgaben und Delegation an geringer qualifizierte Mitarbeiter mit geringerenLohnkosten.
Vergrößern
Entlasten
Einsparen
Übertragen
Umverteilen
Stoßrichtung
Schmitz Noch mehr Overheads in die Zentrale?
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