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Lbll SCHKlJ-il rUK ISSN 0722/5067 Informationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie November/Deze mber 1990- ll.jahrg. Leitartikel Neuere Definitionen für noso- komiale Infektionen ( CDC, Atlanta) Nosokomiale, d. h. im Krankenhaus erworbene, Infektionen stellen ein wesent- liches infektiologisches Problem dar. Die Besonderheiten dieser Erkrankungen sind durch zwei Faktoren bestimmt: Erstens sind von nosokomialen Infektionen aus- schließlich Patienten betroffen, bei denen bereits eine Grunderkrankung vorliegt, und zweitens finden sich durch die Selek- tion der Keime im Krankenhaus in der Regel Erreger mit einerkomplizierten Resi- stenzlage. Durch diese zwei Faktoren er- klärt sich eine erhebliche Morbidität und Mortalität dieser Infektionen. Die Kon- trolle von nosokomialen Infektionen setzt primär ihre Erkennung und Klassifizie- rung voraus. Bereits 1988 hat das "Center ofDisease Control" in Atlanta, USA, Defi- nitionen für die Überwachung von noso- komialen Infektionen veröffentliche. Die Definitionen für nosokomiale Infektionen stützen sich auf eine Untersuchung in einer großen Gruppe von amerikanischen Hospitälern, wo sie entwickelt und in ihrer Brauchbarkeit überprüft worden sind. Kürzlich sind diese Definitionen auch im deutschsprachigen Raum in einer Überset- zung erschienen 2 , die wir im folgenden ver- kürzt darstellen wollen. Die vom CDC gegebenen Definitionen basieren auf mehreren allgemeinen Prinzi- plen: 1. Die Diagnose einer nosokomialen Infek- tion gründet sich auf den klinischen Be- fund und die Ergebnisse von mikroskopi- schen Befunden, Kulturen, Antigen- oder Antikörpernachweisen. Als unterstützen- de Verfahren können endoskopische und/ oder bildgebende Verfahren herangezogen werden. 2. Die Diagnose einer nosokomialen Infek- tion gilt als hinreichend gesichert, wenn sie von einem Arzt gestellt wird, der den Patienten betreut und über alle zugäng- lichen Informationen verfügt. 3. Es darf keinerlei Hinweis vorliegen, daß die Infektion schon vor der Aufnahme im Krankenhaus bestand. 4. Diaplazentar erworbene Infektionen sind keine nosokomialen Infektionen; ebenso verhält es sich mit vorbestehenden Infektionen, die nach der Aufnahme pro- gredient sind. Eine Ausnahme ist gegeben, wenn ein nachgewiesener Erregerwechsel eingetreten ist. unteren Respirationstraktes, Harnwegs- infekte und chirurgische Wundinfektio- nen) dargestellt werden. Bakteriämie/ Sepsis 5. Bei jeder Infektion nach einem Kran- kenhausaufenthalt muß ohne zeitliche Begrenzung geprüft werden, ob es sich um eine nosokomiale Infektion handelt. Bei der Diagnose einer rimären Bakteri- ämie muß eines der drei folgenden Krite- rien erfüllt sein : Neben diesen allgemeinen Prinzipien gehen die CDC-Empfehlungen auf eine Fülle von einzelnen Problemen und Infek- tionen ein. Stellvertretend sollen im folgen- den die häufigsten nosokomialen Infektio- nen bei Erwachsenen (Bakteriämien und/ oder Sepsis, Pneumonien, Infektionen des 1. Die Isolierung eines Erregers aus der Blutkultur ohne Zusammenhang zu einer Infektion in einem anderen Körperbe- reich. 2. Klinische Symptomatik mit Fieber E;:: 38° C, Schüttelfrost oder Hypotonie kom- biniert mit dem Nachweis eines Erregers der Hautflora in zwei Blutkulturen oder mit einem positiven Antigennachweis (Pilze, Viren) . Inhalt 6'90 Leitartikel Seite 41-42 - Definitionen der nosokomialen Infektionen Aktuelle Übersicht Seite 42-44 - Neutrophile Granulozyten: Steuerung durch Cytokine/ Bildung von Defensinen Empfehlungen zur angewandten Infektiolohrie (54) Seite 43 - Toxoplasmose-Encephalitis bei AIDS Neueinfühnmg Seite 44-45 - Foscarnet Prophylaxe Seite 45-46 - Erfolgreiches Influenza-Vakzinationsprogramm - Vitamin A wirksam im Kindesalter Korrespondenz/Korrektur Seite 46 Glykopeptide Seite 46-48 - Resistenzentwicklung bei Endokarditistherapie möglich - Teicoplanin oder Vancomycin bei pseudomembranöser Kolitis - Parenterale Therapie der pseudomembranösen Kolitis Antibakterielle Chemotherapeutika- eine aktuelle Bewertung (24) Seite 47 - Mupirocin und andere Lokalantibiotika Nebenwirkungen Seite 48 - Gemeinsame Gabe von Zidovudin und tuberkulotischen Substanzen in eigener Sache: Die Herstellungspreise sind in den vergangeneo zwei Jahren erheblich gestiegen. Wir sehen uns daher gezwungen, ab Januar 1991 die Abonnementspreise auf DM 54,-, für Mehrfachleser auf DM 95,-, zu erhöhen. Wir bitten um Ihr Verständnis. 41

November/Dezember - infektio.de · Zeitschrift für Chemotherapie 1. Stimulierung neutrof1hiler GranulozY-ten Die Stimulation der NeutraphiJen im Rah men eines entzündlichen Prozesses

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Lbll SCHKlJ-il rUK ISSN 0722/5067

Informationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie November/Dezember 1990- ll.jahrg.

Leitartikel Neuere Definitionen für noso­komiale Infektionen ( CDC, Atlanta)

Nosokomiale, d. h. im Krankenhaus erworbene, Infektionen stellen ein wesent­liches infektiologisches Problem dar. Die Besonderheiten dieser Erkrankungen sind durch zwei Faktoren bestimmt: Erstens sind von nosokomialen Infektionen aus­schließlich Patienten betroffen, bei denen bereits eine Grunderkrankung vorliegt, und zweitens finden sich durch die Selek­tion der Keime im Krankenhaus in der Regel Erreger mit einerkomplizierten Resi­stenzlage. Durch diese zwei Faktoren er­klärt sich eine erhebliche Morbidität und Mortalität dieser Infektionen. Die Kon­trolle von nosokomialen Infektionen setzt primär ihre Erkennung und Klassifizie­rung voraus. Bereits 1988 hat das "Center ofDisease Control" in Atlanta, USA, Defi­nitionen für die Überwachung von noso­komialen Infektionen veröffentliche. Die Definitionen für nosokomiale Infektionen stützen sich auf eine Untersuchung in einer großen Gruppe von amerikanischen Hospitälern, wo sie entwickelt und in ihrer Brauchbarkeit überprüft worden sind. Kürzlich sind diese Definitionen auch im deutschsprachigen Raum in einer Überset­zung erschienen 2, die wir im folgenden ver­kürzt darstellen wollen.

Die vom CDC gegebenen Definitionen basieren auf mehreren allgemeinen Prinzi­plen:

1. Die Diagnose einer nosokomialen Infek­tion gründet sich auf den klinischen Be­fund und die Ergebnisse von mikroskopi­schen Befunden, Kulturen, Antigen- oder Antikörpernachweisen. Als unterstützen­de Verfahren können endoskopische und/ oder bildgebende Verfahren herangezogen werden.

2. Die Diagnose einer nosokomialen Infek­tion gilt als hinreichend gesichert, wenn sie von einem Arzt gestellt wird, der den Patienten betreut und über alle zugäng­lichen Informationen verfügt.

3. Es darf keinerlei Hinweis vorliegen, daß die Infektion schon vor der Aufnahme im Krankenhaus bestand.

4. Diaplazentar erworbene Infektionen sind keine nosokomialen Infektionen; ebenso verhält es sich mit vorbestehenden Infektionen, die nach der Aufnahme pro­gredient sind. Eine Ausnahme ist gegeben, wenn ein nachgewiesener Erregerwechsel eingetreten ist.

unteren Respirationstraktes, Harnwegs­infekte und chirurgische Wundinfektio­nen) dargestellt werden.

Bakteriämie / Sepsis

5. Bei jeder Infektion nach einem Kran­kenhausaufenthalt muß ohne zeitliche Begrenzung geprüft werden, ob es sich um eine nosokomiale Infektion handelt.

Bei der Diagnose einer rimären Bakteri­ämie muß eines der drei folgenden Krite­rien erfüllt sein :

Neben diesen allgemeinen Prinzipien gehen die CDC-Empfehlungen auf eine Fülle von einzelnen Problemen und Infek­tionen ein. Stellvertretend sollen im folgen­den die häufigsten nosokomialen Infektio­nen bei Erwachsenen (Bakteriämien und/ oder Sepsis, Pneumonien, Infektionen des

1. Die Isolierung eines Erregers aus der Blutkultur ohne Zusammenhang zu einer Infektion in einem anderen Körperbe­reich.

2. Klinische Symptomatik mit Fieber E;:: 38° C, Schüttelfrost oder Hypotonie kom­biniert mit dem Nachweis eines Erregers der Hautflora in zwei Blutkulturen oder mit einem positiven Antigennachweis (Pilze, Viren) .

Inhalt 6'90 Leitartikel Seite 41-42 - Definitionen der nosokomialen Infektionen

Aktuelle Übersicht Seite 42-44 - Neutrophile Granulozyten: Steuerung durch Cytokine/

Bildung von Defensinen

Empfehlungen zur angewandten Infektiolohrie (54) Seite 43 - Toxoplasmose-Encephalitis bei AIDS

Neueinfühnmg Seite 44-45 - Foscarnet

Prophylaxe Seite 45-46 - Erfolgreiches Influenza-Vakzinationsprogramm - Vitamin A wirksam im Kindesalter

Korrespondenz/Korrektur Seite 46

Glykopeptide Seite 46-48 - Resistenzentwicklung bei Endokarditistherapie möglich - Teicoplanin oder Vancomycin bei pseudomembranöser Kolitis - Parenterale Therapie der pseudomembranösen Kolitis

Antibakterielle Chemotherapeutika- eine aktuelle Bewertung (24) Seite 47 - Mupirocin und andere Lokalantibiotika

Nebenwirkungen Seite 48 - Gemeinsame Gabe von Zidovudin und tuberkulotischen

Substanzen

in eigener Sache: Die Herstellungspreise sind in den vergangeneo zwei Jahren erheblich gestiegen. Wir sehen uns daher gezwungen, ab Januar 1991 die Abonnementspreise auf DM 54,-, für Mehrfachleser auf DM 95,-, zu erhöhen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

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3. Bei Patienten mit einem intravasalen Zugang und dem Nachweis eines Erregers der Hautflora in der Blutkultur muß zu­sätzlich eine antibiotische Therapie vom b~handelnden Arzt angeordnet worden sem.

Eine sekundäre Bakteriämie liegt dagegen vor, wenn der Erreger mit einer Infektion in einem anderen Körperbereich in Verbin­dung zu bringen ist. Katheterinfektionen werden jedoch immer als primäre Bakteri­ämien gekennzeichnet, auch wenn eine Infektion am Punktionsort besteht!

Eine klinisch manifeste Se~ ist als noso­komiale Infektion anzusehen, wenn der Patient Fieber > 38° C, eine Hypotonie c~ 90mmHg systolisch) odereine Oligurie zeigt, keine Infektion in einem anderen Körperbereich nachweisbar ist, keine posi­tiven Blutkulturen vorliegen und ein Arzt eine antimikrobielle Therapie eingeleitet hat.

(Im deutschen Schrifttum erfolgt nur sel­ten die exakte Trennung zwischen Bakte­riämie (primär, sekundär) und Sepsis!)

Pneumonie Eine nosokomiale Pneumonie kann dia­gnostiziert werden, wenn der Patient den physikalischen und/ oder radiologischen Befund einer Pneumonie bietet und zusätz­lich eitriger Auswurf oder eine Bakteriämie neu aufgetreten sind oder wenn zusätzlich eine kulturelle Isolierung des Erregers vorliegt. Als entscheidend für die Diagnose einer Pneumonie wird vom CDC nicht der Sputumbefund angesehen, sondern der Be­fund einer Serie von Röntgenaufnahmen.

Infektionen des unteren Respirations­traktes Unter den Infektionen des unteren Respi­rationstrakres werden folgende Infektio­nen zusammengefaßt: Bronchitis, Bron­chiolitis, Lungenabszeß, Pleuraempyem. Eine Atemwegsinfektion liegt vor, wenn es keinen Anhalt für eine Pneumonie gibt und der Patient zwei der folgenden Sym­ptome zeigt : Fieber> 38°C, Husten, neu oder vermehrt aufgetretene Sputumpro­duktion und feuchte Rasselgeräusche oder wenn eine bronchiale Obstruktion besteht und zusätzlich ein Erreger oder ein spezi­fisches Antigen aus dem tiefen Tracheal­oder Bronchialsekret nachgewiesen wer­den konnten.

Harnwegsinfektionen Nosokomial erworbene Harnwegsinfek­tionen werden in symptomatische Harn­wegsinfektionen und asymptomatische Bakteriurien unterteilt. Eine symptomati­sche Harnwegsinfektion muß eines der fol­genden zwei Kriterien erfüllen:

1. Fieber> 38° C, Harndrang, Pollakisurie, Dysurie oder suprapubischer Druck­schmerz und ein Urinkultur-Ergebnis mit E;;; 105 Kolonie-bildende Keime (KBE/ml Urin) mit maximal zwei verschiedenen Keimen.

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2. Fieber> 38° C, Harndrang, Pollakisurie, Dysurie oder suprapubischer Druck­schmerz und einen der folgenden Befunde: Nitrat- oder Leukozyten-Esterase-Nach­weis, Pyurie (E;;; 10 Leukozyten/mm3),

Erreger im Grampräparat, zweimaliger Nachweis von gramnegativen Stäbchen oder S. saprophyticus mit E;;; 102 KBE/ ml Urin, eine Reinkultur eines Erregers mit ~ 105 KBE bei Patienten mit adäquater antibiotischer Therapie nach Antibio­gramm oder die Anordnung einer antibio­tischen Therapie durch einen Arzt.

Als Kriterien für eine asymptomatische Harnwegsinfektion gelten:

1. Nachweis von;;;;; 105 KBE/ml Urin mit maximal zwei verschiedenen Arten von Erregern im Urin eines Patienten, bei dem seit mehr als sieben Tagen ein Urinkatheter liegt und der keine Symptomatik zeigt.

2. Zweimaliger Nachweis von;;;;; 105 KBE/ ml Urin desselben Erregers (maximal zwei Erreger-Arten) bei asymptomatischen Patienten ohne Urinkatheter.

Chirurgische Wundinfektionen Bei den chirurgischen Wundinfektionen werden die Infektion der chirurgischen Inzisionswunde und die Infektion der tiefen chirurgischen Wunde voneinander unterschieden. Als Kriterium einer Infek­tion der Inzisionswunde gilt eine Infektion der Inzisionsstelle innerhalb von dreißig Tagen nach dem Eingriff. Diese Infektion ist auf die Haut, das subcutane Gewebe und die oberhalb der Faszien liegenden Muskel­schichten beschränkt. Zusätzlich muß mindestens einer der folgenden Befunde vorliegen: Eitriger Ausfluß aus der Wunde oder dem suprafaszialen Drain, kultureller Nachweis eines Keimes aus dem Wund­sekret, eine vom Arzt geöffnete Inzisions­wunde oder die von einem Chirurgen ge­stellte Diagnose einer Infektion.

Als Infektion einer tiefen chirurgischen Wunde (Körperhöhlen, subfasziale Mus­kelschichten, parenchymatöse Organe) wird angesehen: Eine Infektion im Wund­bereich innerhalb von dreißig Tagen nach dem Eingriff bzw. innerhalb eines Jah­res nach Fremdkörper-Implantation, die offenbar im Zusammenhang mit dem chirurgischen Eingriff steht.

Neben diesem Kriterium muß einer der folgenden Befunde vorliegen: Eitriger Ausfluß aus dem subfaszialen Drain, eine spontan klaffende oder vom Arzt wieder eröffnete Wunde wegen Fieber (> 38° C) und/ oder Druckschmerzen im Wundbe­reich, der Nachweis eines Abszesses durch Inspektion, Operation oder histologische Untersuchung oder die von einem Chirur­gen gestellte Diagnose einer Infektion.

Neben diesen Infektionen werden in der Darstellung des CDC noch ausführliche Definitionen für Knochen- und Gelenks­infektionen, Infektionen des kardivascu-

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lären Systems, des zentralen Nerven­systems, Augen-, Ohren-, Nasen-, Rachen­und Mundinfektionen, Infektionen des Gastrointestinaltraktes, des Genitaltraktes und von Haut- und Weichteilinfektionen gegeben.

ZUSAMMENFASSUNG: Die hier dar­gestellten sehr ausführlichen Definitionen des Centers of Disease Control, Atlanta, USA für nosokomiale Infektionen kön­nen als Instrumentarium zur Erfassung der Inzidenz von nosokomialen Infek­tionen dienen. Darüber hinaus stellen sie eine klar gegliederte Grundlage für die weitere wissenschaftliche Bearbeitung dieses wichtigen Gebietes der Infektio­logie dar.

1. Center of Disease Control Am.). Infect. Control16: 128-140, 1988

2. GARNER,J. S. et al. Hyg. Med. 14:259-270, 1989

Übersicht Neutrophilen-Aktivierung durch Cytokirie

Unter Cytokinen werden Substanzen ver­standen, die als Botenstoffe zur Signalüber­tragung zwischen Zellen und Zellsystemen dienen (vgl. "ZCT" 10:33-35, 1989). Cyto­kine sind Glykopeptide mit geringem Molekulargewicht, die ihre Wirkungen über spezifische Rezeptoren auf den Zell­oberflächen vermitteln. Die raschen Fort­schritte der molekularbiologischen For­schung und der Gentechnologie haben dazu geführt, daß eine Reihe dieser Sub­stanzen heute in ihrer genetischen Sequenz bekannt sind und rekombinant hergestellt werden können. Damit stehen schon jetzt einige dieser Substanzen zum therapeuti­schen Einsatz zur Verfügung. Zur Zeit sind etwa zwanzig Cytokine bekannt, die in komplizierten Regelkreisen die zelluläre und hormonelle Immunantwort der Zellen auf einen Krankheitserreger oder gegen­über Tumorzellen modulieren. Dabei spielt neben den direkten Effekten auf die Zellen insbesondere die wechselseitige Induktion der Cytokin-Sekretion eine entscheidende Rolle. Diese Interaktion macht die Ab­schätzung der Wirkung der Substanzen auf eine einzelne Zellpopulation schwierig.

Neutrophilen Granulozyten kommt bei der Abwehr von Bakterien und anderen Krankheitserregern eine besondere Bedeu­tung zu. Um ihre gesamten funktionellen Eigenschaften zu entwickeln, müssen Neu­trophile zuvor aktiviert werden. In jüng­ster Zeit ist eine Fülle von Daten ver­öffentlicht worden, die sich mit der durch Cytokine induzierten Aktivierung neutro­philer Granulozyten beschäftigt. Eine Ubersichtsarbeit zu diesem Thema faßt die wichtigsten Befunde zusammen (1) .

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1. Stimulierung neutrof1hiler GranulozY-ten Die Stimulation der NeutraphiJen im Rah­men eines entzündlichen Prozesses um faßt die Zellvermehrung am Ort des Gesche­hens und die Entwicklung funktioneller Eigenschaften. Eine vermehrte Akkum ula­tion der Zellen am Entzündungsort beruht auf einer Zunahme der Granulozytopoese sowie auf einer gesteigerten Adhärenz, Dia­pedese und Chemotaxis der Zellen. Die funktionellen Eigenschaften, die Neutro­phile im Rahmen des entzündlichen Ge­schehens entwickeln, sind die Sekretion von toxischen Produkten des Sauerstoff­metabolismus, die Sekretion von proteo­lytischen Enzymen und eine verstärkte Phagozytose.

2. Neutrof1hilen-Aktivierung durch ~ytokine Die wichtigsten auf Neutrophile wirken­den Cytokine sind die Kolonie-stimulie­renden Faktoren (CSF), G-CSF (Granulo­zyten-CSF) und GM-CSF (Granulozyten­Makrophagen-CSF), Interleukin 1, Tumor­Nekrose-Faktor und die Interferone.

Die Kolonie-stimulierenden Faktoren (CSF) bewirken eine intensive Induktion der Granulozytopoese, eine verstärkte Akkumulation der Zellen am Entzün­dungsort und eine Steigerung der Abwehr­leistungen; die Adhärenz der Zellen bleibt durch die CSF unbeeinflußt. Beide Cyto­kine liegen in rekombinanter Form vor, und es gibt bereits erste Erfahrungen über den therapeutischen Einsatz beim Men­schen.

Überwiegend wurden G-CSF und GM­CSF bisher bei Patienten mit Störungen der normalen M yelopoese eingesetzt, aber auch bei Patienten nach Zytostatika-be­dingter Granulozytopenie. In allen bisher untersuchten Gruppen zeigte sich eine intensive Stimulation der Granulozyto­poese und eine Verstärkung der zur Ab­wehr notwendigen meßbaren Zelleistun­gen. Die Probleme des günstigsten Zeit­punktes der Therapie und ihre Langzeit­folgen bei chronischen Markerkrankungen und Tumorkranken sind zur Zeit jedoch noch nicht ausreichend geklärt. Interleu­kin 1 (ILl) fördert insbesondere die Akku­mulation von NeutraphiJen am Entzün­dungsort Das Migrationsverhalten der Zellen und die direkte Adhärenz werden durch IL 1 dagegen herabgesetzt. Die direk­ten Wirkungen auf die Zellfunktionen im Rahmen des Abwehrgeschehens sind weniger ausgeprägt, als die Wirkung als "Priming-Faktor~ der die Zellen für an­dere Stimuli vermehrt empfindlich macht. Informationen über die Wirkung auf humane Zellen liegen bisher nur als in vitro-Daten vor. Insgesamt ist dieses Inter­leukinalso eine Substanz, die zur vermehr­ten Freisetzung von Granulozyten aus dem Markt führt und die Zellen in einen Zu­stand erhöhter Empfindlichkeit für andere Stimuli versetzt.

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Empfehlungen zur ungewandten lnfektiologie (54) Toxoplasmose-Encephalitis bei AIDS Toxoplasmagondii gehört zur Gruppe der Coccidien und ist ein ubiquitär verbreitetes Protozoon, welches obligat intrazellulär vorkommt. Man unterscheidet drei verschie­deneFormen: Trophozoiten, Zysten, Oozysten. Die Übertragung ist oral durch infizier­tes Fleisch, Katzenexkremente, diaplazentar und durch Blutprodukte möglich.

Die Toxoplasma-Encephalitis ist die häufigste opportunistische Infektion des ZNS bei Patienten mit dem erworbenen Immundefektsyndrom. Bisherige Erfahrungen sprechen für die Reaktivierung einer latenten Infektion. Die Patienten imponieren durch neurologische Ausfälle wie fokale/generalisierte Krampfanfälle, Hemiparesen, Sensitivitätsverlust, Cerebellaren Tremor, Hirnnervenausfälle, homonyme Hemi­anopsie, Erblindung, Analgetika-resistente Kopfschmerzen.

Diagnose Die Diagnose wird im Zusammenhang von klinischem Bild und Computertomo­graphie des Schädels gestellt. Radiologisch zeigen sich einzelne oder multiple isodense bzw. hypodense Herde, welche aber nicht pathognomisch sind. Mit Kontrastmittel erkennt man häufig ein ringförmiges oder auch noduläres Enhancement. Bei unauf­fälligem CT und neurologischer Symptomatik sollte eine Kernspintomographie angeschlossen werden.

Gleichzeitig läßt sich eine Infektion durch den Nachweis Erreger aus Körperflüssig­keiten wie z. B. Blut, durch histologischen Nachweis oder durch serologische Unter­suchungen sichern.

Bei einem Teil der Patienten können Antikörper im Liquor nachgewiesen werden. Der Antigennachweis im Liquor ist noch nicht standardisiert.

Indikationen zur Therapie sind 1. Neurologische Symptomatik und positiver Antikörperverlauf

(auch bei unauffälligem CT), 2. Typischer Befund im CT, positiver Antikörperverlauf, 3. Neurologische Symptomatik, typischer Befund im CT.

Therapie Es gibt keine großen, kontrollierten Untersuchungen, die eine genaue Standard­dosierung der Kombinationsbehandlung belegen. Gebräuchliche Dosierungen sind im folgenden dargestellt.

Pyrimethamin (DARAPRIM u. a.): Sättigungsdosis von 100-200 mg oral am 1. und 2. Tag; Erhaltungsdosis von 1 mg/kg KG ab 3. Tag Sulfadiazin (SULFADIAZIN): Sättigungsdosis von 75-100 mg/kg KG; Erhaltungs­dosis von 50-75 mg/kg KG/die oral Foliosäure (LEUKOVORIN): 5-20 mg/die oral Alternativen: Clindamycin (SOBELIN u.a.) 1800-2400 mg/die oder Spiramycin (SELECTOMYCIN u.a.) 2-4 g/die in Kombination mit Pyrimethamin bei aller­gischen Reaktionen auf das Sulfonamid. Therapiedauer: 3-6 Wochen.

Wenn innerhalb von 10 Tagen nach Einleitung einerempirischen Therapie keine klini­sche oder radiologische Besserung eintritt, sollten als Differentialdiagnosen bedacht werden: Tuberkulose, Kryptokokkose, Aspergilleninfektion, B-Zell-Lymphom.

Dauerprophylaxe: Nach der initialen Therapie sollte eine Dauerprophylaxe durch­geführt werden. Pyrimethamin: 25-50 mg/die S ulfadiazin: 1-4 g/ die Folinsäure: 5-20 mg/die Alternative zu Sulfadiazin : Clindamycin 1200-1800 mg/die

LUFT, B.J. et al. ). Jnfect. Dis. 157: 1-6, 1989 PEDROL, E. et al. AIDS 6: 511-517, 1990

Der Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) kommt in einer nicht-glykosilierten Form (alpha TNF) und einer glykosilierten Form (beta TNF) vor. BeideStoffe werden durch differente Gene codiert. Die wichtigste Partialwirkung von TNF ist die Verstär­kung der antitumoräsen Aktivität der Zel­len durch eine verstärkt ausgeprägte Zyto-

toxlZ!tät. Der Mechanismus dieser Wir­kung ist bisher nicht eindeutig geklärt. Die wichtigste Wirkung auf Granulozyten be­steht in der Steigerung der Adhärenz der Zellen und der Phagozytosefähigkeit. So­mit ergeben sich ausgesprochen synergisti­sche Effekte mit IL 1. Die bisher vorhande­nen Daten beziehen sich überwiegend auf

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in vitra-Versuche, da rekombinant herge­stellte TNF' s nur in wenigen experimentel­len Therapieansätzen Verwendung gefun­den haben.

Wesentlich mehr Erfahrungen bestehen mit Interferonen, die bereits in breitem Umfang Eingang in dieTherapiegefunden haben. Am Beispiel der Interferone - die unter anderem die direkten Abwehr­leistungen der Neutrophilen steigern, ob­wohl sie die Adhärenz und Migration nega­tiv beeinflussen- läßt sich gut die Schwie­rigkeit der Therapie mit Cytokinen auf­zeigen. Obwohl eine Fülle von in vitro­Daten vorliegen, die die einzelnen Effekte auf die Zellen belegen konnten, haben sich beim therapeutischen Einsatz die erhofften Effekte nur in sehr begrenztem Maße ge­zeigt. Dieses ist Folge des komplizierten Zusammenspiels der Cytokine unterein­ander. Interferone binden sich an eine große Zahl von verschiedenen Zellen, in denen sie eine von der Art der Zelle abhän­gige Sekretion anderer Cytokine induzie­ren. Die Wirkungen der so in Gang gesetz­ten verschiedenen Kaskaden von Reak­tionsabläufen sind aber sowohl synergi­stisch als auch antagonistisch. Der Netto­effekt der Veränderungen läßt sich auf q.rund der vielen beteiligten Zellpopula­tionen und Substanzen bisher nicht vorher­sagen. In vielen Fällen konnten aber die erwarteten therapeutischen Effekte in vivo nicht erreicht werden.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Mit den rekombinant hergestellten C ytokinen stehen heute auch für den therapeutischen Einsatz Substanzen zur Verfügung, die die Abwehrleistungen der neutrophilen Gra­nulozyten auf allen Stufen erheblich stei­gern können. Auch wenn die Wirkung der einzelnen C ytokine in vitro gut belegt ist, ergeben sich jedoch im therapeutischen Einsatz häufig bisher nicht vorhersagbare Wirkun~en, die durch die ausgeprägten lnterakuonen der Substanzen bedingt sind. Als weitgehend gesichert im Rahmen der therapeutischen Beeinflussung der Neutrophilenfunktion kann bisher nur der Einsatz der Kolonie-stimulierenden Faktoren gelten.

ST EIN BECK , M.J. , ROTH,J. A. Rev. Infect. Dis. 11 : 549- 568, 1989

Defensine: Natürliche Peptid-Antibiotika aus neutrophilen Granulozyten Der Beginn der Antibiotika-Ära muß auf Grund neuerer Forschungsergebnisse aus den USA um einige Millionen Jahre zu­rückdatiert werden. Neutrophile Granulo­zyten von Säugetieren sind demnach in der Lage eine ganze Reihe von Peptiden zu synthetisieren und zu sezernieren, die eine ausgeprägte antibiotische, antivirale und zytotoxische Wirkung besitzen. Diese neue Gruppe von "Breitspektrumantibio­tika" wird Defensine genannt. In einer

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Übersichtsarbeit wurde der Stand der For­schung auf diesem Gebiet dargestellt (1).

Bisher sind vier verschiedene humane Defensine (Human neutrophil protein: HNP 1, 2, 3 und 4) beschrieben. HNP 1 und 2 stellen 80 % der neutrophilen Defen­sine, die gemeinsam einen Anteil von 30-50 % der azurophilen Granula der Neu­trophilen ausmachen. Es handelt sich um kohlehydratfreie Peptide aus 29 bis 34 Aminosäuren, deren sechs Cysteinreste drei intramolekulare Disulfidbrücken bil­den, die zu einer komplexen Faltung der Peptide führen. Auch bei Säugetieren konnten Defensine nachgewiesen werden. Die Synthese der Defensine geht offen­sichtlich nur in den medullären Vorformen der Granulozyten vonstatten. Die reifen neutrophilen Granulozyten können die präformierten Substanzen lediglich sezer­nieren. Die Sekretion kann in das extra­zelluläre Milieu oder in die Vakuolen der Granulozyten erfolgen. Defensin -haltige Zellen werden besonders in den alveolären Kapillaren nachgewiesen. Die tägliche Gesamtproduktion der Defensine wird auf 5-10 mg/kg Körpergewicht geschätzt. Die Gene verschiedener Defensine des Men­schen und vom Tier konnten sequenziert und geklont werden. Neben neutrophilen Granulozyten enthalten auch Alveolarma­krophagen und Paneth-Zellen des Dünn­darmes Defensine. Hinweise auf die lang­fristige evolutionäre Entwicklung dieser Stoffe konnten aus dem Nachweis von Defensin-ähnlichen Molekülen aus Insek­ten gewonnen werden.

Eine große Zahl von grampositiven und gramnegativen Keimen sowie Candida albicans sind gegenüber Defensinen emp­findlich. Die antimikrobiellen Eigenschaf­ten der Defensine zeigen dabei eine Dosis­und Zeitabhängigkeit Bakterien werden durch Permeabilisierung der äußeren und inneren Membran abgetötet. Die Erhö­hung der extrazellulären Kalzium- oder Magnesiumkonzentration inhibiert die Defensine in erheblichem Ausmaß.

Defensine können nur aufVirenmit einem sogenannten "envelope '~ wie z. B. Herpes simplex wirken. Adenoviren ohne enve­lope" werden nicht in ihrer Vermeh~ungs­fähigkeit beeinträchtigt.

Weitere biologische Eigenschaften der De­fensine sind ein ausgeprägter hemmender Effekt auf die Proteinkinase C, chemotak­tische Eigenschaften für Monozyten und zytotoxische Wirkung aufTumorzellen.

FOLGERUNG DERAUTOREN: Defen­sine sind natürliche Peptid-Antibiotika mit ausgeprägten bakteriziden, fungizi­den, antiviralen und zytotoxischen Eigen­schaften, die insbesondere in neutrophilen Granulozyten vorkommen. Sie können unter Umständen als Muster für die Ent­wicklung neuer Antibiotika dienen. LEHRER, R. I. et al. ASM N ews 56: 315- 318, 1990

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Neueinführung Foscarnet - ein neues Virustatikum lx;i Infektionen durch Z ytomegalie­Vrren

Die Zahl der therapeutisch verfügbaren Virustatika wächst. Nachdem in den letz­ten Jahren mehrere Wirkstoffe aus der Gruppe der Nukleosid-Analoga, wie Aciclovir (ZOVIRAX), Zidovudin (RE­TROVIR) und Ganciclovir ( CYMEVEN) zur Behandlung bestimmter Virusinfektio­nen zugelassen wurden, wird seit kurzem mit Foscarnet (FOSCAVIR) ein Präparat mit völlig anderer chemischer Struktur (siehe Formel) und auch anderem Wir­kungsmechanismus angeboten. Diese Alternative ist besonders unter dem Aspekt der Resistenzentwicklung ver­schiedener Viren gegen die genannten Nukleosid-Analoga von Interesse ( vgl. "ZCT" 10: 21-22, 1989).

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NaO-P-COONa I ONa

Foscarnet

Foscarnet ( = Phosphonoameisensäure) in­hibiert verschiedene DNA-Polymerasen und reverse Transkriptasen. Es kann als Analogon zu Pyrophosphat angesehen werden, das beim Einbau von Nukleosid­Triphosphaten in die DNA anfällt. Fos­carnet bindet an die Pyrophosphatbin­dungsstelle der Polymerasen und blockiert damit die Enzyme. Die Selektivität der Wirkung scheint auf der Tatsache zu beru­hen, daß virusinduzierte Polymerasen emp­findlicher sind als die entsprechenden zellu­lären Enzyme. Die Hemmung erfolgt nicht-kompetitiv und unterscheidet sich in ihrem Mechanismus von der Wirkung der Nukleosid-Analoga 1

.

Foscarnet wirkt in vitro und - teilweise -auch in vivo ( tierexperimentell) gegen Herpes-simplex-Viren (HSV-1, HSV-2), Z ytomegalie-Viren, Epstein-Barr-Viren, Varicella-Zoster-Viren und HI-Viren. Da­neben konnte bei relativ hohen Konzentra­tionen auch eine Hemmung des Hepatitis­B-Virus gezeigt werden.

Foscarnet wirkt virustatisch; nach Abset­zen des Medikamentes kann eine Reakti­vierung der Viren stattfinden.

Pharmakakinetik Die Informationen zur Pharmakakinetik stammen aus klinischen Studien, da eine Untersuchung an gesunden Probanden wegen der schlechten Verträglichkeit von

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Foscarnet nicht durchgeführt werden konnte. Da die Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe gering ist (maximal ca. 20 %), wird die Substanz vorzugsweise parenteral verabreicht. Nach Gabe von 60 mg Fosca­vir/ kg KG alle acht Stunden lagen die mitt­leren Plasmakonzentrationen zwischen 98 und 509 ~mol/1 ( = 30 bis 150 mg/1) 2

• Auch nach zweiwöchiger Gabe lagen die Kon­zentrationen in diesem Bereich. Die Bin­dung an Plasmaeiweiß beträgt etwa 15 %. Zumindest bei HIV-Patienten scheint Foscarnet rasch in den Liquor zu penetrie­ren. Bei einer begrenzten Anzahl Patienten lagen die Liquorkonzentrationen etwa bei 50 % der Plasmakonzentrationen. Tier­experimentell konnte gezeigt werden, daß Foscarnet in den Knochen aufgenommen wird.

Foscarnet wird nicht metabolisiert und unverändert renal eliminiert. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion muß eine Dosisanpassung erfolgen. Die Plasma­konzentrationskurve zeigt einen mehrpha­sischen Verlauf: nach Dauerinfusion von 230 mg/kg KG wurden mittlere Elimina­tions-Halbwertzeiten von 1,4 und 6,8 Stun­den gefunden; bei der Urinausscheidung wurde eine mittlere Halbwertzeit von 88 Stunden errechnet.

Klinische Anwendung Wegen der schlechten Verträglichkeit ist Foscarnet bisher nur für die folgenden Anwendungsgebiete zugelassen: Lebens­bzw. Augenlicht-bedrohende Erkrankung durch das Zytomegalie-Virus bei Patien­ten mit erworbener Immunschwäche (AIDS) 3•

4. Die Behandlung mit dem neuen Präparat darf nur erfolgen, wenn das Zytomegalie-Virus nachgewiesen wurde. Das Indikationsgebiet entspricht damit weitgehend der Anwendung von Ganci­clovir.

Derzeit wird die Anwendung von Fos­carnet bei CMV-Pneumonie und gastro­intestinalen CMV-Infektionen klinisch erprobt. Von besonderem Interesse ist die Anwendung der Substanz bei Patienten mit Infektionen durch Aciclovir-resistente Herpes-simplex-Viren. Hierzu liegen erste positive Berichte vor.

Zu Beginn einer Behandlung sollte eine Kurzinfusion über 30 Minuten von 20 mg Foscarnet/ kg KG erfolgen. Die Therapie wird anschließend als Dauerinfusion fort­gesetzt, wobei innerhalb von 24 Stunden eine Dosis yon 200 mg/kg KG verabreicht wird.

Unerwünschte Wirkungen Unter der Therapie muß mit einer Ein­schränkung der Nierenfunktion bei etwa jedem dritten Patienten gerechnet werden. In Einzelfällen kann es zu einem Anstieg des Serumkreatinins bis über 400 ~mol/1 kommen. Durch parenterale Zufuhr von ausreichender Flüssigkeit (Natriumchlo-

rid- oder Glucose-Lösung) kann die Inzi­denz der unerwünschten Wirkungen redu­ziert werden . Nach Angaben des Herstel­lers4 wurden während der therapeutischen Anwendung von Foscarnet auch die fol­genden Reaktionen beobachtet: häufig Ubelkeit und Erbrechen sowie Abnahme der Hämoglobinkonzentration bei etwa einem Drittel der Patienten (jedoch keine Veränderungen der Leukozyten oder Thrombozyten) . Der Serumcalciumspie­gel kann sowohl ansteigen als auch abfal­len; eine Calciumsubstitution kann erfor­derlich werden. Hautreaktionen während der Behandlung und eine lokale Reizung peripherer Venen bei Infusion konzentrier­ter Lösungen (> 12 mg/ ml) wurden be­schrieben. Von Seiten des Nervensystems ist mit Kopfschmerzen und Müdigkeit, ge­legentlich auch mit Krampfanfällen zu rechnen. Da Foscarnet in hohen Konzen­trationen im Urin ausgeschieden wird, können Geschwüre am Penis auftreten, die durch entsprechende Körperhygiene nach dem Wasserlassen weitgehend verhindert werden kann.

Die gleichzeitige Gabe von Foscarnet und Pentamidin (PENTACARINAT) intrave­nös kann zu einer ausgeprägten Einschrän­kung der Nierenfunktion und zur Hypo­calcämie führen . Eine besondere Aufmerk­samkeit bei der Überwachung der Nieren­funktion ist grundsätzlich geboten, wenn gleichzeitig mit Foscarnet andere potentiell nephrotoxische Arzneimittel wie Aciclo­vir, Amphorericin B (AMPHOTHERI­CIN B), Ciclosporin (SANDIMMUN) oder Aminoglykosid-Antibiotika verab­reicht werden.

ZUSAMMENFASSUNG: Foscarnet (FOSCAVIR) ist ein alternatives Thera­peutikwn zur Behancllungvon Z ytomega­lie-Virus-Infektionen bei immunsuppri­mierten Patienten. Derzeit werden wei­tere Anwendungsmöglichkeiten, wie z.B. bei Infektionen durch Viren, die gegen­über anderen Virustatika resistent sind, klinisch geprüft. Es wird parenteral ver­abreicht und verursacht recht häufig unerwünschte Wirkungen (Nephrotoxi­zität, Anämie, ZNS-Symptome) . Auf­grund derinsgesamt ungünstigen Nutzen/ Risiko-Relation kommt es - wie andere Virostatika auch - nur bei diesem sehr begrenzten Einsatzgebiet in Frage, obwohl es in vitro auch gegen einige andere Viren aktiv ist.

1. ÖBERG, B. Pharmacol. Ther. 40: 213-285, 1988

2. AWEEKA, F. et al. Antimicrob. Agents. Chemother. 33: 736-741,1989

3. JACOBSON , M. et al. Antimicrob. Agents. Chemother. 33: 736-741, 1989

4. Foscavir-Fachinformation der ASTRA Chemieals GmbH (Mai 1990)

November/Dezember 1990 -ll.jahrg.

Prophylaxe Influenza -Vakzinations-Programm für Risikopatienten

Infektionen durch Influenza-Viren sind ein häufiger Grund für erhöhte Erkrankungs­raten, Letalität und vor allem auch für Verlust an Arbeitsproduktivität. Unter den zehn häufigsten Ursachen eines frühzeiti­gen Todes befindet sich auch in allen Alters­gruppen die Infektion mit Influenza­Viren; bei älteren Patienten steht diese Todesart an vierter Stelle. In den Vereinig­ten Staaten wird geschätzt, das 20.000 bis 40.000 Todesfälle jedes Jahr in Verbindung mit einer Influenza und ihren Komplika­tionen stehen. 80 bis 90 % dieser Todesfälle sind mit einem Lebensalter über 64 Jahren verbunden. Der jährliche Produktivitäts­verlust in den USA wird auf drei bis fünf Milliarden Dollar geschätzt. Die Empfeh­lungen in Nordamerika betreffen insbe­sondere Hochrisikopersonen, welche auch die älteren Patienten mit chronischen Grunderkrankungen und ferner diejeni­gen Patienten umfaßt, die in Pflege- oder Altersheimen wohnen. Eine sechzigpro­zentige Impfrate bei Hochrisikopersonen ist eines der Vorsorgeziele der zentralen amerikanischen Gesundheitsbehörde. Um die bisher sehr niedrige Rate von nur etwa 20 % zu verbessern, werden neue Programme entwickelt. In Minneapolis, Minnesota, wurde ein erfolgreiches Pro­gramm durchgeführt. In einer zentralen Universitätsklinik wurden unterschied­liche Ansätze zur Erreichung möglichst vieler Patienten vorgenommen:

1. Krankenschwestern konnten ohne schriftliche ärztliche Anordnung Influen­za-Vakzinationen vornehmen,

2. ein Erinnerungsstempel wies auf allen klinischen brieflichen Mitteilungen auf die Influenza-Impfung hin,

3. für zwei Wochen wurde eine Ambulanz mit der Möglichkeit zur schnellen Vakzina­tion eröffnet,

4. Impfstationen wurden im Bereich der am meisten frequentierten Klinikabteilun­gen positioniert,

). alle ambulanten Patienten wurden per Post auf die Impfaktionen hingewiesen.

In einer 500 Patienten umfassenden rando­misiert ausgewählten Erhebung wurde ge­prüft, wieviele Patienten durch die Aktion erreicht wurden. Zum Vergleich wurden 500 Patienten aus anderen Kliniken ohne ein derartiges Programm schriftlich be­fragt. Durch die gezielte Aktion wurden ungefähr 10.000 Vakzinationen im Jahre 1987 vorgenommen, was zweieinhalbmal mehr war als im Jahr zuvor. Von den ambu­lanten Patienten der Klinik in Minneapolis wurden 70,6 % als Hochrisikopatienten

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Zeitschrift für Chemotherapie

und damit als Kandidaten für die In­fluenza-Impfung eingestuft; 58,3 % dieser Patienten konnten geimpft werden. Im Vergleich hierzu waren bei anderen medizi­nischen Zentren in Minneapolis 69,9 % der ambulanten Patienten Hochrisikoperso­nen, von denen nur 29,9 % mit der Vakzina­tion erreicht wurden.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Das hier vorgestellte Influenza-Impfpro­gramm erwies sich als sehr erfolgreich und kann beispielhaft auch von anderen Zen­tren übernommen werden.

NICHOL, K. L. et al. Am.). Med. 89: l56-l60, l990

ANMERKUNG DER REDAKTION: Im Vergleich zu den USA wird in der Bundesrepublik Deutschland zuminde­stens im Erwachsenenalter zu wenig von den Nutzen moderner Impfungen Gebrauch gemacht. Auch die Influenza­Impfung sollte viel intensiver von ärzt­licher Seite empfohlen und angeboten werden. Hier könnte sicherlich auch im Bereich der niedergelassenen Ärzteschaft viel Positives im Bereich der Krankheits­vorbeugung bzw. Prävention erreicht werden.

Vitamin-A-Substitution als Infektionsprophylaxe im Kindesalter

Vitamin A spielt offensichtlich eine Rolle bei der Vorbeugung von Infektionskrank­heiten .im Kindesalter. Weltweit wird ge­schätzt, daß ca. 20 bis 40 Millionen Kinder an einem zumindest milden Vitamin-A­Mangelleiden. Unter diesen Aspekten sind zwei Studien von besonderem Interesse die sich jetzt mit den Effekten eine; Vitamin-A-Gabe bei Kindern beschäfti­gen. In Indien wurde eine randomisierte kontrollierte, maskierte klinische Studie! über ein Jahr bei 15.419 Vorschulkindern durchgeführt. Diese erhielten entweder eine Mischung von Vitamin A (8333 IU) und E ( 20 mg) oderVitaminEallein als ora­len Nahrungszusatz täglich. In der Gesamt­population kam es zu 124 Todesfällen, von denen 117 nicht durch einenUnfall bedingt waren. Das statistisch berechnete Risiko eines Todesfalles war in der mit Vitamin A behandelten Gruppe der Vorschulkinder um mehr als die Hälfte gegenüber der Kon­trollgruppe reduziert. Besonders ein­drucksvoll war die Reduktion des Sterb­lichkeitsrisikos bei Kindern unterhalb von drei Jahren, bei denen in der mit Vitamin A behan?elte~ Gruppe eine Verringerung der Sterbilchkelt um 50 % erreicht wurde. Auffällig war, daß in der Vitamin-behan­delten Gruppe deutlich weniger Kinder an Masern, Diarrhöen sowie zerebralen Krampfleiden starben.

Die Autoren folgern aus ihrer Unter­suchung, daß die Gabe von Vitamin A in einer Dosierung wie sie der in Mittel-

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europa üblichen Aufnahme durch die Nahrung entspricht, zu einer signifikanten Reduktion der Mortalität insbesondere bei Kindern unterhalb von drei Jahren führt.

Eine zweite Untersuchung aus Südafrika2

beschäftigt sich mit den Effekten einer Vit­amin-A-Gabe bei Patienten mit einer sch':"eren Masernerkrankung. Masern spie­len m den Ländern der Dritten Welt eine wesentliche Rolle bei der Sterblichkeit von Kindern; so schätzt man, daß jährlich ca. zwei Millionen Kinder an Masern verster­ben. Eine spezifische Therapie der Masern­infektion steht bisher nicht zur Verfügung. Aus vorangegangenen Untersuchungen war bekannt, daß an Masern erkrankte Patienten verminderte Serumspiegel von Vitamin A und Retinol aufwiesen. Aus diesem Grunde wurde bei 189 Kindern die wegen einer schweren Maserninfek: ti~n mit Komplikationen (Pneumonie, Dtarrhö, Krupp) hospitalisiert wurden, in emer doppelblinden, randomisierten Stu­die untersucht, welchen Einfluß die orale Gabe von 400.000 I. U. Vitamin A oral ver­abreicht auf die Erkrankung hat. Obwohl in Südafrika klinisch eindeutige Vitamin­A-Defizite selten sind, fand sich bei den Kindern eine deutliche Erniedrigung des Vi_tamin-A-Spiegels im Serum. Verglichen m1t der Placebogruppe konnte nachgewie­sen werden, daß die Erkrankungsdauer der Pneumonie und der Diarrhö bei den mit Vitamin A behandelten Kindern signifi­kant kürzer war. Darüber hinaus fand sich in ~er behandelten Gruppe eine signifikant genngere Häufigkeit eines Krupps. Von 12 Kindern, die im Rahmen der Unter­suchunggestorben sind, hatten zehn Place­bo und zwei Vitamin A erhalten. Die stati­stische A~s.wert~ng der Ergebnisse zeigte, daß das R!Slko emes Todesfalles in folge der Masernerkrankung bei den mit Vitamin A behandelten Kindern um die Hälfte redu­ziert worden ist.

Die Autoren folgern aus ihrer Unter­suchung, daß die orale Gabe von hohen Dosen Vitamin A während einer schweren Masernerkrankung im Kindesalter einen eindeutigen Nutzen in Hinblick auf die Erkrankungsdauer und die Sterblichkeit verspricht.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Die Erge~nisse der Untersuchungen weisen auf eme besondere Bedeutung des Vit­amin A bei Infektionskrankheiten hin. Insbesondere im Kindesalter scheint eine mangellufte Zufuhr von Vitamin A bzw. ein im Ral1men von Krankheiten auftre­tender Vitamin-A-Mangel mit einer erheblich erhöhten Mortalität einherzu­gehen. 1. RAHMATULLAH L. et al.

N. Engl.J. Med. 323: 929-934, l990 2. HUSSEY, G. D. et al.

N. Engl.J. Med. 323: l60-l64, l90

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Korrespondenz/ Korrektur In unseren Empfehlungen zur angewand­ten Infektiologie (53), "ZCT" 11: 35, 1990, Therapie der Pneumocystis carinii·Pneu· monie erreichten uns zwei Leserzuschriften mit dem Hinweis auf die korrekte Dosie­rung von Da12son mit 100 mg täglich. Ver­sehentlich war in dem Artikel 100 mg/kg KG angegeben worden. Wir bitten diesen Druckfehler zu entschuldigen.

Glykopeptide Resistenzentwicklung gegen Teicoplanin wahrend einer Enookarditis-Therapie

Glykopeptide wie Teicoplanin (TARGO­CID) und Vancomycin (VANCOMYCIN CP LILLY) sind wirksame Substanzen ins­besondere zur Behandlung von Infektio­nen mit ß-Laktamase-bildenden gramposi­tiven Erregern wie Staphylokokken oder ~uch Str~ptokokken. In den letzten Jahren 1st veremzelt von Glykopeptidresisten­zen berichtet worden. Ausgehend von der Kra?kengeschichte einer 3 5 Jahre alten rauschgtftabhängigen Patientin mit einer floriden Endokarditis an der Mitralklappe bedmgt durch Staphylococcus aureus wird über mögliche Resistenzprobleme mit der Teicoplanin- Behandlung derartiger Infek­tionen berichtet. Diese Patientin erhielt zweimal täglich 400 mg Teicoplanin i.v. gegen den nachgewiesenen Stamm von Staphylococcus aureus mit einem Teico­planin MHK-Wert von 1mg/l. Die Spitzen­konzentrationdes Teicoplanins am dritten Behandlungstag lag bei 40 mg/1, der Tal­spiegel bei 10mg/l. Da die Blutkulturen bei dieser Patientin positiv blieben, wurde die Dosierung auf zweimal 600 mg täglich mit nachfolgend einmal 600 bis 900 mg täglich erhöht. Der MHK-Wert des isolierten S. aureus gegenüber Teicoplanin war am zehnten Tag auf 8 mg/1 angestiegen. Trotz eines sofortigen Wechsels auf eine Behand­lung mit Nafcillin (in Deutschland nicht im Handel), Gentamiein (REFOBACIN u.a.) und Rifampicin (RIFA u.a.) verstarb die Patientin innerhalb von 24 Stunden. Die Autoren führten wegen dieses be­dauerlichen Behandlungsfalles Tierver­suche durch (Kaninchen-Endokarditis­modell). Sie konnten eine spontane Resi­stenzentwicklung gegenüber Teicoplanin aufKonzentrationen, die zwei- bis zehnmal oberhalb des MHK-Wertes des Ausgangs­stammes lagen, in einer Frequenz von 10-7

bis 10-9 nachweisen. Diese Resistenz war vom Mechanismus her konstitutiv und nicht Plasmid-vermittelt; der Erwerb die­ser Resistenz war nicht verbunden mit

Zeitschrift für Chemotherapie

einer Änderung in den Plasmamembran­proteinen. Teicoplanin war im Vergleich zu Vancomycin weniger wirksam bei der Hemmung der Peptidglykansynthese von resistenten Stämmen, was auf eine unter­schiedliche Diffusion des Teicoplanins zum Wirkort oder auch eine Interaktion mit dem Zielsubstrat hinweisen könnte.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Als Erklärungsmechanismus für die beobach­tete Resistenzentwicklung wird auf die hohe Proteinbindung des Teicoplanins (TARGOCID) hingewiesen, welche eine relativ niedrige Konzentration von freiem Teicoplanin zur Folge haben kann. Darüber hinaus ist es möglich, daß die bisher benutzten "break points" fürTeico­planin zu niedrig eingestuft wurden; wahr­scheinlich dürfte eine höhere Dosierung als bisher empfohlen derartige Resistenz­probleme seltener auftreten lassen.

KAATZ, G. W. et al. J. Infect. Dis. 162: 103-108, 1990

Teicoplanin oder Vancomycin bei pseudomembranöser Kolitis

Clostridium difficile kann ganz unter­schiedliche Erkrankungen verursachen: das klinische Spektrum reicht von einem asymptomatischen "Carrier-Status" bis zur pseudomembranösen Kolitis - einer po­tentiell tödlichen Komplikation während einer Antibiotikatherapie, bei der dieser Keim offenbar stets ätiologische Bedeu­tung hat. Auch bei etwa einem Drittel aller Fälle von Antibiotika-assoziierter Diarrhö (ohne endoskopisch nachweisbare "Pseu­domembranen"J ist der anaerobe Erreger offenbar ätiologisch beteiligt. Bisher gilt Vancomycin (VANCOMYCIN LILLY) als Mittel der Wahl zur Behandlung dieser Krankheitsbilder; nach oraler Gabe des Antibiotikums kommt es im allgemeinen zur raschen Besserung der Symptomatik. Bei bis zu 20 % der Patienten kommt es jedoch zu Rezidiven, und von einem Per­sistieren des Keimes nach Abschluß der Behandlung (ohne klinische Symptoma­tik) wurde sogar bei fast einem Drittel der Patienten berichtet.

Teicoplanin (TARGOCID) - ein neu es, verwandtes Glykopeptid-Antibiotikum -besitzt etwas günstigere Hemmwerte gegenüber C. difficile als Vancomycin (MHK 90: 0,25 vs. 1.0 mg/1). Seine Eignu"ng als Alternative zu Vancomycin bei der Antibiotika-assoziierten Diarrhö und Kolitis wurde an einer Klinik in Mailand untersucht. Die folgenden Dosierungen wurden verwendet: zehn Tage lang viermal täglich 500 mg Vancomycin oder dreimal täglich 200 mg Teicoplanin am ersten Behandlungstag und dann neun Tage lang zweimal täglich 200 mg.

Nach den Erfahrungen der italienischen Ärzte war die neue Substanz dem etablierten

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Antibakterielle Chemotherapeutika -eine aktuelle Bewertung (24) Mupirocin und andere Lokalantibiotika Warenzeichen: Mupirocin (EISMYCIN), Neomycin/Bacitracin (NEBACETIN), Tyrothricin (TYROSUR).

Daneben werden zahlreiche andere Antibiotika, die primär systemische Verwendung finden, auch zur topischen Anwendung angeboten (Gentamicin, Tetrazykline, Ery­thromycin, Fusidinsäure, Chloramphenicol).

Allgemeine Bemerkungen: Betrachtet man die Verkaufszahlen für Lokalantibiotika, wird klar, daß diese Anti­biotikatherapie eine nicht unerhebliche Rolle spielt, obwohl nur sehr wenig wissen­schaftliches Datenmaterial über diese Art der Anwendung vorliegt.

Insbesondere bei dem Einsatz von Substanzen, die auch systemisch verwendet werden, sollten die Risiken einer häufigen Anwendung sorgfältig mit dem (meist nicht klar nachgewiesenen Nutzen) verglichen werden (s. "ZCT" 2: 9-10, 1981).

In dieser Zusammenfassung sollen insbesondere Vorteile und Risiken einer Therapie mit Mupirocin dargestellt werden. Die Substanz ist unter allen "Lokalantibiotika" die neuesteund bietet den Vorteil, daß sie nicht zur systemischenantibakteriellen Therapie angeboten wird und mit keinem anderen Antibiotikum verwandt ist.

Antibakterielle Eigenschaften: Mupirocin hemmt in der Bakterienzelle dielsoleucyl-transfer-RNA-Synthetase- da die bakterielle Proteinsynthese von der Aktivität dieses Enzyms abhängig ist, entfaltet Mupirocin eine antibakterielle Wirkung; sie ist besonders gegen grampositive Bakte­rien wie Staphylokokken und Streptokokken ausgeprägt. Die meisten gramnegativen Bakterien sind wenig empfindlich oder resistent.

Aufgrund der neuartigen chemischen Struktur sind Kreuzresistenzen zwischen Mupi­rocin und anderen Antibiotika nicht zu erwarten. Dies ist ein bekanntes Problem, wenn Substanzen lokal angewandt werden (wie z. B. Neomycin ), die enge pharmakologische Verwandtschaft zu systemisch anwendbaren Antibiotika zeigen, oder sogar selbst für beide Anwendungsarten angeboten werden (z. B. Gentamicin).

Pharmakokinetische Eigenschaften: Nach oraler oder parenteraler Gabe wird M u pirocin rasch zu unwirksamen Metaboliten umgewandelt. Durch die intakte Haut sollen weniger als 1% der lokal applizierten Dosis in den Blutkreislauf gelangen. Tierexperimentell erwies sich Mupirocin als relativ wenig toxische Substanz.

Nach topischer Anwendung anderer Antibiotika mit ausgeprägter Toxizität (Amino­glykoside) sind unter ungünstigen Bedingungen systemische U nverträglichkeits­reaktionen beschrieben worden.

Therapeutische Anwendung~ Mupirocin ist bei primären Hautinfektionen wie Impetigo bei etwa 90 % der Patienten wirksam. Bei mehr als der Hälfte der Patienten war allerdings auch die Therapie mit der Salbengrundlage erfolgreich.

Weitere Vergleichsuntersuchungen sind erforderlich, um den Platz der neuen Substanz im Vergleich zu anderen Lokalantibiotika oder im Vergleich zu lokal wirksamen Des­infizienzien wie PVP-Jod (BETAISODONA u. a.) zu definieren. Grundsätzlich gilt auch nach der Einführung von Mupirocin, daß die lokale Behandlung mit Antibiotika mit großer Zurückhaltung erfolgen sollte.

Nebenwirkungen : Bei etwa 2% der Patienten kommt es nach Auftragen der Mupirocin-haltigen Salbe zu Unverträglichkeitsreaktionen der Haut (Schmerzgefühl, Rötung etc.); diese Erschei­nungen sind wahrscheinlich auf die Salbengrundlage zurückzuführen. Bisher gibt es keine Hinweise auf systemische U nverträglichkeitsreaktionen nach lokaler Anwen­dung von Mupirocin.

Zusammenfassende Bewertung~ Die Verwendung von Lokalantibiotika sollte auf ein Minimum reduziert werden! Anti­biotika, die nur lokal anwendbar sind und nicht mit anderen antibakteriellen Sustanzen verwandt sind, sollten anderen Substanzen, die auch parenteral angewandt werden können, vorgezogen werden. Unter diesen Prämissen kann Mupirocin als gewisser Fortschritt in der lokalen Antibiotikatherapie angesehen werden. Dergenaue Stellen­wert des Präparates kann derzeit noch nicht beurteilt werden.

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Zeitschrift für Chemotherapie

Präparat überlegen: es gab nur ein Rezidiv und keine asymptomatischen Keimträger nach Teicoplanin (22 Patienten), während nach der Vancomycin-Therapie (25 Patien­ten) drei Rezidive auftraten. Die Resultate stammen zwar aus einer Klinik, wurden allerdings während zwei unterschiedlichen Beobachtungsperioden erhoben und be­dürfen deshalb weiterer Bestätigung.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Die Ergebnisse einer Behandlung der Antibio­tika-assozüerten Diarrhö und Kolitis mit Teicoplanin (TARGOCID) waren erfolg­versprechend; die Substanz könnte dem Vancomycin (VANCOMYCIN LILLY) bei diesen Indikationen überlegen sein, doch müssen prospektive randomisierte Studien folgen, un1 das Ergebnis zu bestä­tigen. DeLALLA, F. et al. Antimicrob. Agents Chemother. 33: 1125-1127, 1989

Vorsicht bei der intravenösen Therapie mit Vancomycin und Metronidazol bei der Antibiotika­assozüerten Kolitis

Im ,Journal of Infectious Diseases" wird seit Ende 1988 eine intensive Diskussion geführt, wieweit eine intravenöse Behand­lung der Antibiotika-assoziierten pseudo­membranösen Kolitis (AAPC) möglich ist. Bekanntlich können praktisch alle Antibiotika, insbesondere Ampicillin (BINOTAL), Clindamycin (SOBELIN) und die Cephalosporine, in seltenen Fällen eine pseudomembranöse Kolitis verur­sachen. Die bewährte Behandlung für die­ses Krankheitsbild stellt dieorale Gabe.von Vancomycin (VANCOMYCIN "LILLY") oder Metronidazol (CLONT) dar. Da manche Patienten Medikamente oral nicht einnehmen können, erhebt sich die Frage, welche intravenöse Behandlung optimal ist. In mehreren Beiträgen zu diesem Pro­blem wird deutlich, daß nach intravenöser Gabe von Metronidazol bei etwader Hälfte der Patienten mit einem Versagen der Therapie zu rechnen ist, obwohl die Stuhl­konzentrationen nach oraler oder intra­venöser Applikation vergleichbar sind.

Fehlerraten, die zum Teil noch höher lie­gen, wurden über eine intravenöse Van­comycin-Therapie mitgeteilt. Inadäquate Antibiotikaspiegel in den Fäces infolge mangelnder enterohepatischer Exkretion des Vancomycins könnten eine Erklärung für die Mißerfolge sein. Auf der anderen Seite wird Metronidazol intensiv entero­hepatisch rücksorbiert, so daß dieses Argu­ment hier nicht anwendbar ist.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Zur Zeit gibt es kein Antibiotikum, welches für die parenterale Behandlungvon Patienten mit einer Antibiotika-assoziierten pseudo­membranösen Colitis durch Clostridium difficile empfohlen werden kann. Bei

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Postvertriebsstück A3140F

Zeitschrift für Chemotherapie, Eichenallee 36a, 1000 Berlin 19.

diesen zum Glück sehr seltenen Patienten, die oral nicht behandelt werden können, wird Metronidazol (CLONT) in einer Dosis von 3 x 500 mg täglich als Anfangs­therapie empfohlen, alternativ kann Van­comycin (VANCOMYCIN LILLY) i. v. mit 4 x 500 mg täglich eingesetzt werden, obwohl die Erfolgsaussichten deutlich geringer sind als nach oraler Gabe. OLIV AR, S. L. et al. ]. lnfect. Dis. 159: 1154-1155, 1989.

Nebenwirkungen Verträglichkeit der gemeinsamen Gabe von Zidovudin und antimykobakteriellen Substanzen

Im Jahre 1986 stieg- erstmals nach 33 Jah­ren eines kontinuierlichen Abfalls - die Häufigkeit der Tuberkulose in den Ver­einigten Staaten wieder an. Dieses ist in engem Zusammmenhang mit mykobakte­riellen Erkrankungen bei Patienten mit HIV-Infektionen zu sehen. Fünf Prozent der AIDS-Patienten in New York (Florida: 10 %) haben eine Tuberkulose. In einer retrospektiven Studie wurde untersucht, inwieweit unerwünschte Wirkungen nach Zidovudin [ = Azidothymidin (RETRO­VIR)] bei einer gleichzeitigen Therapie mit antimykobakteriellen Substanzen auftre­ten. Die Studiengruppe bestand aus acht Patienten, die mindestens 12 Wochen lang Zidovudin erhalten hatten. Diese Pa­tienten wurden wegen einer Tuberkulose außerdem mit 300 mg Isoniazid (NEOTE-

November/Dezember 1990 -ll.]ahrg.

Gebühr bezahlt

BEN u.a.), 600mgRifampicin (RIFA u.a.) und einige zusätzlich mit 600 bis 1200 mg Ethambutol (MYAMBUTOL u. a.) täglich behandelt. Die Kontrollgruppe bestand aus 56 Patienten, die nur Zidovudin in der üblichen Dosierung von 6x 200mg täglich erhalten hatten. Bei sieben der acht "Stu­dienpatienten" und 20 der 56 "Kontroll­patienten" kam es zu einem Abfall der Leu­kozyten um mehr als 10 % bezogen auf den Ausgangswert Dieses war statistisch signi­fikantzuungunsten der mit mehreren Me­dikamenten behandelten Patienten. In bei­den Gruppen zeigten Patienten mit einem manifesten "AIDS" stärker ausgeprägte bärnatologische Nebenwirkungen als Pa­tienten mit einem "ARC" ( = AIDS-related complex). Andere Parameter, wie Anzahl der Thrombozyten, Hämoglobingehalt des Blutes oder Leberfunktionswerte er­gaben keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Auch wenn die Aussagen in dieser Studie hin­sichtlich der Verträglichkeit von tuber­kulostatischen Medikamenten bei AIDS­Patienten wegen der relativ niedrigen Zalll derStudienpatienten(n = 8) nurbegrenzt sein können, kann doch gefolgert werden, daß unakzeptable Verträglichkeitsrisiken bei Patienten unter Zidovudin (RETRO­VIR) und gleichzeitiger tuberkulostati­scher Medikation wal1rscheinlich nicht zu befürchten sind.

KAVESH, N. G. et al. Am. Rev. Respir. Dis. 139: 1094-1097, 1989