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NR. 12 | Dezember 2013 Bad Segeberg, 66. Jahrgang Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein Flüchtlinge Defizite erschweren die medizinische Versorgung WEITERE THEMEN IN DIESEM HEFT Interview: Harald Spiegel vom Versorgungswerk Seite 20 Neue Versorgung: Brunsbüttel erarbeitet Blaupause Seite 28 Beske: Buch für Patienten Seite 55 Seite 12

NR. 12 | Dezember 2013 Bad Segeberg, 66. Jahrgang ......Cordsen (Vertreter des RKiSH – Assistenzstab für strategische Netzwerkarbeit) haben sich deshalb mit Sigrid Hildebrand (Krankenschwester

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  • NR. 12 | Dezember 2013 Bad Segeberg, 66. Jahrgang

    Schleswig-Holsteinisches

    ÄrzteblattHerausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein

    mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein

    Flüchtlinge

    Defizite erschweren die medizinische Versorgung

    weitere tHemen in dieSem HeFtinterview: Harald Spiegel vom Versorgungswerk Seite 20 neue Versorgung: Brunsbüttel erarbeitet Blaupause Seite 28 Beske: Buch für Patienten Seite 55

    Seite 12

  • 2 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

    Liebe Leserinnen und Leser des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts,

    mit der winterlichen Impression aus der schleswig-holsteinischen Halligwelt, dem Eindruck ihrer Klarheit und Ruhe möchten wir dieses Jahr ausklingen las-sen. Gemeinsam mit allen hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ärztekammer und ihrer Einrichtungen wünschen wir Ihnen und Ihren Familien ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes, erfolgreiches Jahr 2014.

    Mit adventlichen Grüßen aus Bad Segeberg Ihre

    Dr. med. Franz-Joseph Bartmann Präsident

    Dr. med. Carsten Leffmann Karsten Brandstetter Ärztlicher Geschäftsführer Kaufmännischer Geschäftsführer

    (Foto: Gemeinde Langeneß und Oland)

  • Ausgabe 12 | Dezember 2013 3

    Seite 3

    Vergessen, was war …

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses für diese „Weihnachtsausgabe“ des Schleswig-Holsteinischen Ärz-teblattes war das tatsächliche Zustandekommen der großen Koalition noch in der Schwebe. Trotz grundsätz-licher Einigung der Parteispitzen soll die angekündigte Auszählung des Votums von 473.000 SPD-Mitgliedern erst in diesen Tagen vorliegen. Möglicherweise kann man danach wieder alles vergessen, was in mühseligen Verhandlungen seit der Wahlentscheidung im September zwischen CDU/CSU und der SPD ausgehandelt ist – in vielen Bereichen Kompromisse, die nach Meinung vieler Beobachter eher zugunsten des kleineren Partners ausgefallen sind.

    Gut und nachhaltig erinnern können wir uns dagegen an einen anderen historischen Kompromiss der gleichen Partner, der gedanklich mit dem damaligen Verhandlungsort Lahnstein verknüpft wird und als Gesundheits-strukturgesetz 1993 einen Quantensprung in der schon damals langen Kette von Spargesetzen darstellte.

    Diese klassischen Zeichen für eine beginnende Demenz – Verlust des Kurzzeitgedächtnisses bei länger erhal-tenem Langzeiterinnern – wären in diesem Falle rein exogen traumatischer Natur.

    Bei der wirklichen Demenz im medizinischen Sinne (s. S. 26, 27) handelt es sich um neuronale Prozesse, deren pathotopologische und pathohistologische Erforschung mittlerweile mehr als nur Spekulationen zur Genese dieses gesundheitspolitisch hochrelevanten Phänomens zulässt. In erster Linie liegt die Herausfor-derung derzeit noch in den Bereichen Betreuung und Pflege. Mit Möglichkeiten zur Prävention und Therapie würde aus dieser von Altersforschern vielfach auch als Lebensform und Modus Vivendi betrachteten Alters-erscheinung eine echte Erkrankung, für deren Behandlung sicherlich das bekannte Zitat aus dem Briefwech-sel der Zeitgenossen Billroth und Brahms Anwendung fände: „Die steigende Vervollkommnung der ärztlichen Kunst kommt dem Individuum zugute, ruiniert aber die menschliche Gesellschaft.“

    Dies gilt erst recht für die mit großen Hoffnungen verbundenen biomolekularen Behandlungsverfahren auf ge-netischer Basis. Dabei sind nicht die vermutlich initial immens hohen Behandlungskosten das eigentliche Pro-blem, sondern die Höhe der bei globaler Betrachtung unkalkulierbaren Folgekosten.

    Gleichwohl ist weder das Einfrieren medizinischer Forschung und medizinischen Fortschritts noch dessen Vorenthaltung im Krankheitsfall eine wirkliche Handlungsoption. Denn durch die Globalisierung und Konglo-meration weltweiten Wissens sind regionale Restriktionen nur in engen zeitlichen Grenzen durchhaltbar, da dieses Wissen über heutige und künftige Kommunikationsformen potenziell jedem zur Verfügung steht. Der Einsatz aller denkbaren Behandlungsmöglichkeiten wird vehement eingeklagt – und erfüllt werden.

    Mit klassischen Denkmustern und Strukturen werden diese Herausforderungen nicht zu bewältigen sein. Da-bei sollten wir und andere von diesem Dilemma Betroffene uns nicht beschränken auf Forderungen an die Politik nach weiteren Ressourcen, sondern uns aktiv in die Veränderung von Strukturprozessen einbringen. Ansätze dafür sind durchaus vorhanden. Professionell organisierte Ärztenetze vermitteln eine erste Ahnung davon, dass Vernetzung nicht nur Globalisierung des Wissens, sondern auch die Möglichkeit globalisierten Handelns beinhaltet.

    Ich würde mir wünschen, dass die Notwendigkeit zum gemeinsamen, abgestimmten und ressourcenspa-renden Handeln aller Gesundheitsberufe möglichst rasch zu einer selbstverständlichen Wahrnehmung wird.

    Und Wünsche und Visionen sind gerade zur Weihnachtszeit doch wohl erlaubt!

    In diesem Sinne: Ihnen sowie Ihren Angehörigen und Freunden auch vom Autor an dieser Stelle

    Ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches und erfolgreiches Neues Jahr 2014.

    Mit freundlichen kollegialen Grüßen

    Ihr

    Dr. med. Franz-Joseph Bartmann Präsident

  • 4 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    Inhalt

    seite 3

    NachrichteN iN kürze 06

    Öffnungszeiten der Ärztekammer ..........................06

    Palliativmediziner starten Modellprojekt ................06

    Klinikallianz sammelte 20.000 Unterschriften ........07

    Moderne Schmerzmedizin lässt Selbstkritik zu .....08

    Kinderlähmung in Syrien – Rat des RKI .................08

    Neues OP-Zentrum der Schön Klinik Neustadt .....09

    Konzept für Geburtsabteilung gesucht ..................09

    30 Millionen Euro für neuen OP-Trakt ....................10

    SÄTAZ: Heilberufe feiern in Bad Segeberg ............10

    Dialog 11

    „Wer will denn so was?“ .........................................11

    titelthema 12

    Die Angst vor dem nächsten Stein: schwere Wege der Erinnerung ...............................12

    Tagung zur Versorgung von Flüchtlingen ..............15

    Syrischer Arzt arbeitet im MVZ in Itzehoe ..............17

    schleswig-holsteiN 18

    Kammerversammlung: für Einheit der Ärzteschaft ..18

    Interview: Versorgungseinrichtung gut aufgestellt ..20

    KV-Abgeordnete: massive Kritik an Berlin .............22

    Kammerdelegierte: Gemeinsam etwas verändern ..23

    Schlaganfall: Ideenwerkstatt in Kiel .......................24

    Per Video Demenzpatienten überwachen .............26

    Innovative Versorgung von Demenzkranken .........27

    Brunsbüttel: Zukunftskonzept gesucht ..................28

    Medizinstudium: Lübeck für Zukunft gerüstet .......30

    Vollmachten: hohe Unsicherheit unter Patienten ..33

    Lübecker Symposium zur Reha-Nachsorge ..........34

    Epilepsie: alle Behandlungseffekte erfasst ...........35

    Serie: aus der Arbeit der Patientenombudsleute ..36

    PersoNalia 38

    Geburtstage und Verstorbene ................................38

    Präventionspreis für Dr. Mark Dankhoff .................39

    Promotionspreis für Dr. Constanze Brucker ..........39

    Dr. Franz Bartmann ausgezeichnet ........................40

    48Dr. Daniela hansen gab

    in aukrug tipps zur

    stressbewältigung.

    Dr. mark Dankhoff wurde

    mit einem Präventions-

    preis ausgezeichnet.

    einsatz für die allge-

    meinmedizin: Dr. kurt

    lamprecht wird 80.

    39 43

  • Ausgabe 12 | Dezember 2013 5

    Inhalt

    übung auf einer tagung von Notfall- und akutmedi-

    zinern in hamburg. Die Puppe speichert krankheits-

    verläufe und simuliert thoraxbewegungen.

    „Gerade in Zeiten einer zunehmen-den Ökonomisierung der Medizin ist der Erhalt der Freiberuflichkeit des ärztlichen Berufs als Gegengewicht

    dazu von entscheidender Bedeutung.“

    Manuela Schwesig, Sozialministe-rin in Mecklenburg-Vorpommern

    59

    Neues Ärzteteam am MVZ Uetersen ......................40

    Forschungspreis für Dr. Karl-Werner Ratschko .....41

    Wechsel in der SKG-Geschäftsführung .................41

    Lübecker Wissenschaftspreise verliehen ..............42

    Lehrbeauftragter wird 80 Jahre alt .........................43

    Prof. Björn Hauptmann unterrichtet Therapeuten ..43

    mitteiluNgeN Der akaDemie 44

    meDiziN uND wisseNschaft 45

    Neue Ursache für Herzinfarkt entdeckt .................45

    DGINA: Simulation steigert die Routine .................46

    Symposium: dürftige Datenlage bei Burnout ........48

    Erfahrungsbericht: Die Endo-Exo-Prothese ..........50

    mitteiluNgeN Des ecs 53

    gesuNDheits- uND sozialPolitik 54

    Symposium zur Ökonomisierung ...........................54

    Bücher 55

    Ein bislang unbekannter Beske...............................55

    fortBilDuNgeN 56

    NachBarN 59

    Kammer betont Bedeutung der Freiberuflichkeit ..59

    Neue Dachmarke für Apotheken ............................60

    Tagung zur Burnout-Prophylaxe von Ärzten ..........61

    mitteiluNgeN Der Ärztekammer 62

    Anerkennungen nach Weiterbildungsordnung .....62

    kasseNÄrztliche VereiNiguNg 65

    aNzeigeN 72

    telefoNVerzeichNis 81

    (titelbild: frank elschner)(fotos: eßer DrV Nord/Dak/Privat/ug)

    46

  • 6 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    NachrichteN iN Kürze

    Ärztekammer schließt zwischen Weihnachten und Neujahr

    Die Ärztekammer Schleswig-Holstein schließt zwischen Weihnachten und Neu-jahr. Letzter Arbeitstag in diesem Jahr ist

    Freitag, der 20. Dezember. Erster Arbeitstag im neuen Jahr ist der 2. Januar. Die Ärztekammer bit-tet um Verständnis, dass Anfragen in den Tagen

    zwischen Weihnachten und Neujahr nicht beant-wortet werden können. Auch die Zentrale wird in diesem Zeitraum nicht besetzt sein. Ab 2. Januar 2014 erreichen Sie die Mitarbeiter der Ärztekam-mer wieder unter den bekannten Telefonnummern. (Red)

    Reanimation bei Palliativpatienten

    Der Rettungsdienst wird häufig zu sterbenden Pa-tienten gerufen und findet in dieser Situation oft An-gehörige vor, die überfordert sind, Angst haben und Beistand brauchen. Kommt es in dieser Situation zu einer lebensbedrohlichen Situation, ist der Rettungs-assistent verpflichtet, z. B. eine kardiopulmonale Re-animation bei Kreislaufstillstand zu starten. Dabei ist für Rettungskräfte nicht immer zu erkennen, dass es sich um einen Palliativpatienten handelt. In der Hektik weiß niemand in der Familie, ob eine Voll-macht oder eine Patientenverfügung vorliegt, ob be-sondere Vereinbarungen getroffen wurden und wer der erreichbare Palliativarzt oder Palliativpflege-dienst ist. Folge ist ein Einsatz, den der Patient wahr-scheinlich nicht gewollt hat und dessen Konsequenz vielleicht eine verlängerte Dauer seines Leids ist. Dr. Achim Marx (ltd. Notarzt der RKiSH) und Olaf Cordsen (Vertreter des RKiSH – Assistenzstab für strategische Netzwerkarbeit) haben sich deshalb mit Sigrid Hildebrand (Krankenschwester und Zen-tralkoordinatorin) und Dr. Wolfgang Behrmann (Pal-liativarzt) vom PalliativCareTeam West in Itzehoe getroffen, um Lösungen aus dieser für alle Seiten un-befriedigenden Situation zu finden. Das PCT-West ist der flächen- und zahlenmäßig größte Versorger in der speziellen ambulanten Palliativversorgung in Schles-

    wig-Holstein. Das Team mit 39 Ärzten versorgt mehr als 750 Patienten pro Jahr und kennt dieses Problem. Ziel ist es, den Rettungsassistenten und ggf. dem Notarzt Ansprechpartner anzuzeigen und ein Höchst-maß an Rechtssicherheit für die Retter in der Häus-lichkeit oder auf dem Transport zu schaffen. Dabei sollen nicht nur Reanimationen, sondern auch unnö-tige Krankenhauseinweisungen vermieden werden. Über allem steht aber der Wunsch des Patienten, den wir alle berücksichtigen und respektieren wollen. Das Gesprächsteam verständigt sich auf möglichst ein-heitliche Einbanddecken der HPK- bzw. SAPV-Akten, die bei Patienten mit einprägsamem Layout vorliegen müssen. Sie enthalten die Notfallnummer des pallia-tivmedizinischen Pflegedienstes, der Auskünfte über den zuständigen Palliativarzt, Vorsorgevollmachten und Adressen von Kontaktpersonen geben kann. Außerdem soll jeder SAPV-Patient ein ausgefülltes „PALMA“-Formular in seiner Akte haben, in dem alle Kernfragen der Palliativversorgung und der Patien-tenverfügung zusammengefasst sind (ggf. ausdrück-licher Verzicht auf CPR-Maßnahmen). Rettungsdienst, Klinik- und Palliativärzte der Kreise Steinburg, Pinne-berg und Dithmarschen wollen diese Abmachung zu-nächst testen, um später eventuell landesweit einen Standard vorgeben zu können. (PM/Red)

    Korrektur: Wert für „abnorme“ Nüchternglukose

    Im Text über die Diabetesprävention in Heft 11/13 muss der korrekte Wert für das Vorliegen einer „abnormen“ Nüchternglukose zwischen 100 bis

    125 mg/dl lauten und nicht, wie geschrieben, zwi-schen 100 und 120 mg/dl. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. (Red)

  • Ausgabe 12 | Dezember 2013 7

    www.aerzteblatt-sh.de

    Allianz gibt Rückenwind für eine faire Finanzierung

    Klinikmitarbeiter hatten in den vergangenen Monaten, wie berichtet, mehrfach auf Marktplätzen in verschie-denen Orten Schleswig-Holsteins Unterschriften für eine faire Krankenhausfinanzierung gesammelt. Das Ergebnis: 20.000 Menschen unterstützen mit ih-rer Unterschrift dieses von der Schleswig-Holsteini-schen Allianz für die Krankenhäuser formulierte Ziel. Eine Abordnung der Allianz überreichte Ende Novem-ber Gesundheitsministerin Kristin Alheit (SPD) vor dem Kieler Landeshaus die Unterschriften. Alheit und die Allianz versprechen sich davon Rücken-deckung für die Forderungen der Krankenhäuser. Dazu zählt u. a. eine zügige Angleichung der bundes-weit unterschiedlichen Basisfallwerte. Läge der Wert in Schleswig-Holstein im bundesweiten Durchschnitt, hätten die Kliniken in Schleswig-Holstein nach Be-rechnungen der Allianz jährlich 33,5 Millionen Euro mehr zur Verfügung.Die bislang beschlossene Annäherung der Lan-desbasisfallwerte reichen den Krankenhäusern in Schleswig-Holstein nicht. Das derzeitige Bundes-gesetz sieht zwar eine Annäherung an einen ein-heitlichen Basisfallwert bis Ende des kommenden Jahres vor. Die Regelung lässt aber Abweichungen von 1,25 Prozent unterhalb und 2,5 Prozent oberhalb des Durchschnitts weiter zu, was für Schleswig-Hol-steins Kliniken auch künftig eine Unterfinanzierung zur Folge hätte.

    „Die nicht nachvollziehbaren Unterschiede in den Landesbasisfallwerten müssen abgeschafft wer-den“, forderte deshalb Alheit. Die Aktion der Allianz bezeichnete sie als „wichtiges Zeichen der Patien-ten“. Zugleich verwies sie auf die Arbeitsgruppe Ge-sundheit in Berlin, wo Alheit das Thema Basisfallwert auf die Agenda der Koalitionsverhandlungen gesetzt hatte. Sie rechnet bis Jahresende mit einer Einigung und erwartet die Umsetzung einer gesetzlichen Neu-regelung ab dem Jahr 2016. Ihr Vorgänger Dr. rer. pol. Heiner Garg (FDP) dagegen bezweifelt, dass die Gegner aus Ländern mit höheren Basisfallwerten ih-ren Widerstand aufgeben werden. Garg warf Alheit in diesem Zusammenhang „wohlklingende Sprech-blasen“ vor und forderte von der Ministerin konkrete Aussagen über die sich wandelnde Struktur der Kran-kenhauslandschaft. Die Allianz dagegen lobte Alheits „energischen Ein-satz“ in Berlin. Das Bündnis hält die Sicherstellung einer wohnortnahen und vollstationären Patienten-versorgung unter den derzeitigen Bedingungen in Schleswig-Holstein für „extrem schwierig“. Der Alli-anz gehören u. a. die Krankenhausgesellschaft, die Ärztekammer, der Pflegerat, der Städteverband und ver.di an. Neben einem einheitlichen Basisfallwert drängen sie auch darauf, dass die Politik die Leis-tungsfähigkeit der Kliniken und ihrer Beschäftigten anerkennt und angemessen würdigt. (di)

    Gesundheitsministerin Kristin Alheit nahm die 20.000 Unterschriften symbolisch von Bernd Krämer (links im Bild), Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, entgegen. (Foto: di)

  • 8 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    NachrichteN iN Kürze

    Poliomyelitis in Syrien – Gefahr der Einschleppung

    Das Robert Koch-Institut (RKI) hat Empfehlungen in Zusammenhang mit Fällen von Kinderlähmung in Syrien und der Gefahr der Einschleppung nach Deutschland herausgegeben. Für den Fall, dass bei einer Person, die sich aktuell in Deutschland auf-hält, der Poliovirus nachgewiesen wird, werden von den Gesundheitsämtern Maßnahmen entsprechend dem „Leitfaden für Gesundheitsämter zum Vorge-hen bei Fällen von Poliomyelitis in der Bundesrepu-blik Deutschland“ ergriffen. Die RKI-Empfehlungen beinhalten: Impfung: Impfungen sollten zumindest bei allen ab

    2011 geborenen Kindern mit Herkunftsland Syrien nach STIKO-Empfehlung durchgeführt werden. Die Kostenübernahme ist im Asylbewerberleis-tungsgesetz geregelt. Sollte im Ausnahmefall kein Kostenträger vorhanden sein, können Impfun-gen im Auftrag eines Gesundheitsamtes erfolgen. Für diesen Fall ist die Kostenerstattung geregelt. Dieses setzt natürlich eine vorherige Kontaktauf-nahme zu dem jeweils zuständigen Gesundheits-amt des Kreises voraus.

    Stuhl-Surveillance bei syrischen Kindern: Soweit organisatorisch möglich, sollte von allen nach 2010 geborenen Kindern aus Syrien, die seit dem 15. Oktober in Deutschland eingetroffen sind, eine Stuhlprobe untersucht werden – unabhängig da-von, ob sie sich in einer Aufnahmestelle aufhalten oder nicht.

    Maßnahmen im Fall eines Nachweises von Polio-viren: Information der Fachöffentlichkeit, Umset-zung der Empfehlungen und Dokumentation der Maßnahmen.

    Das Landesamt für Ausländerangelegenheiten und die Gesundheitsämter der Kreise und kreisfreien Städte wurden gesondert informiert. Es ist davon auszugehen, dass Flüchtlinge aus Syrien vielfach nicht über die zentrale Anlaufstelle in Neumünster nach Schleswig-Holstein kommen, sondern direkt in den Kreisen ankommen. Die Ausländerbehörden der Kreise und kreisfreien Städte werden über die Ge-sundheitsämter informiert. Hintergrund der Empfeh-lungen ist eine Häufung akuter schlaffer Lähmungen (AFP) in Syrien. (PM)

    Moderne Schmerzmedizin lässt Selbstkritik zu

    Der Deutsche Schmerzkongress Ende Oktober 2013 in Hamburg hatte sich ein besonders aktuelles Thema gewählt: „Moderne Schmerzmedizin: Ist alles gut, was geht?“ Vor dem Hintergrund zahlreicher, zum Teil neu auf den Markt gebrachter, zum Teil recht teurer tech-nikgestützter Schmerzmittel sagte Prof. Thomas R. Tölle (Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft): „Unser Kongressthema schließt einen kritischen Blick ein auf eine zunehmend leitliniengesteuerte Versor-gung unserer Patienten, in der wir aber gleichzeitig beteuern, dass wir sie an den individuellen Bedürfnis-sen des Patienten orientieren.“ Tölle fragte in diesem Zusammenhang, ob etwa alles gut sei, was möglich sei, oder vielmehr (nach Gregor Kirchhof) das Pentagramm von genauer Diagnose, einwandfreier Aufklärung, Einwilligung des Patienten, Behandlung nach Stand von Wissenschaft und Tech-nik sowie korrekter Dokumentation der Behandlung. Scharf kritisierte der Präsident der Deutschen Mi-

    gräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Prof. Andreas Straube, die Zwangslage von Ärzten zwischen „zum Teil völlig unrealistischen Erwartungen“ von Patienten und den bestehenden ökonomischen Zwängen. Die beiden Kongresspräsidenten Prof. Shanaz Azad und Prof. Arne May (UKE) wiesen in Hamburg auf die er-zielten Erfolge bei der Behandlung von Akutschmer-zen hin, bedauerten aber zugleich die Stagnation in der Therapie chronischer Schmerzen sowie „häufig das Fehlen der geforderten Interdisziplinarität“. Denn gerade die Schmerzmedizin solle Musterbeispiel der interdisziplinären ärztlichen Zusammenarbeit sein, so die Kongresspräsidenten. Nachzulesen sind die Abstracts der Referate – darun-ter auch einige unter schleswig-holsteinischem Vor-sitz – nur in einer kostenpflichtigen Online-Version. Der nächste Schmerzkongress wird im kommenden Jahr wieder in Hamburg stattfinden, und zwar vom 22. bis 25. Oktober. (hk)

  • Ausgabe 12 | Dezember 2013 9

    www.aerzteblatt-sh.de

    Asklepios in der Pflicht für Geburtshilfe auf Sylt

    Die Zukunft der Geburtshilfe der Asklepios Nordsee-klinik in Westerland auf Sylt ist weiter ungewiss. Im ver-gangenen Monat hatte der Klinikkonzern dem Kieler Gesundheitsministerium mitgeteilt, dass der Träger die bisherige Belegarztregelung nicht aufrechterhal-ten wird. Bei einem im gleichen Monat anberaumten Gespräch im Ministerium hatte Asklepios der Aufsicht einen Vorschlag für eine künftige Geburtshilfe auf der Insel vorgelegt. Kern des Vorschlags ist ein Ge-burtshaus, das die Infrastruktur des Krankenhauses nutzt. Asklepios hat laut Mitteilung des Ministeriums angekündigt, ein Konzept mit allen Beteiligten abzu-stimmen. Dieses Konzept lag bis Redaktionsschluss

    noch nicht vor. „Sollte das von der Klinik vorgestellte Konzept nicht umsetzbar sein, muss der Klinikträger ein Alternativkonzept entwickeln. Die Asklepios-Klinik hat einen Versorgungsauftrag für die Geburtshilfe auf Sylt. Dieser gilt unbefristet“, stellte das Ministerium klar. Die derzeitige Geburtsstation ist nach Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) eine Geburtsklinik der niedrigsten von vier Versorgungs-stufen. Ein neues Konzept für die Geburtshilfe war er-forderlich geworden, nachdem einer der Belegärzte seinen Rückzug aus der Klinik angekündigt hatte. Da-raufhin war öffentlich über die Zukunft der Abteilung spekuliert worden. (PM/Red)

    Im Februar 2014 soll das neue OP-Zentrum der Schön Klinik Neustadt seinen Betrieb aufnehmen. Die sym-bolische Schlüsselübergabe fand bereits Mitte No-vember statt. Klinikgeschäftsführer Manfred Volmer und Dr. Gunda Ohm, Projektleiterin der Schön Klinik, nahmen den Schlüssel von Uwe Poganiatz-Heine, Projektleiter Bau, entgegen. „Ich freue mich, dass wir mit diesem Neubau unseren Patienten eine noch bes-sere medizinische Versorgung und unseren Mitarbei-tern ein modernes und freundliches Arbeitsumfeld bieten können“, erklärte Volmer.

    Das neue OP-Zentrum wird mit zwölf OP-Sälen aus-gestattet sein. Bislang waren es neun. Zusätzlich sind eine zentrale Sterilisationseinheit, großzügige Auf-wachräume sowie Aufenthalts- und Büroräume für Mitarbeiter eingeplant. Wartezeiten werden mit dem neuen Raumkonzept und den zusätzlichen OP-Sälen minimiert.Bis das OP Zentrum im Februar 2014 voll nutzbar sein wird, ist noch einiges zu tun. Zurzeit werden die me-dizinischen Geräte aufgebaut, die IT-Technik vernetzt und die logistischen Abläufe erprobt. (PM/Red)

    Uwe Poganiatz-Heine, Projektleiter Bau mit Dr. Gunda Ohm und Klinikgeschäftsführer Manfred Volmer (v. l.) (Foto: Schön Klinik)

    Schlüsselübergabe am OP-Zentrum der Schön Klinik Neustadt

  • 10 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    NachrichteN iN Kürze

    Bad Bramstedt investiert 30 Millionen Euro in neuen Kliniktrakt

    Die Schön Klinik Bad Bramstedt hat ein neues Bet-tenhaus mit vier Stationen eingeweiht und seine Kapazitäten mit einem Investitionsvolumen von 30 Millionen Euro auf rund 500 Patienten im Akut-bereich und in der Reha ausgeweitet. Damit ist das Haus nach eigenen Angaben die größte psychoso-matische Fachklinik Deutschlands. Im Rahmen der

    Erweiterung werden auch 60 zusätzliche Mit-arbeiter eingestellt.Laut Klinikleiter Marcus Baer eröffnen die ho-hen Patientenzah-len die Möglichkeit zu mehr Differenzierung und Spezialisierung im therapeutischen An-gebot. Dazu zählt ab dem kommenden Jahr etwa ein neuer Be-handlungsschwerpunkt für Schmerzpatienten, die zugleich unter ei-ner Persönlichkeitsstö-rung leiden. Daneben sind Depression, Burn-out, Essstörungen,

    posttraumatische Belastungsstörungen und Zwangserkrankungen weitere Spezialisierungen im Behandlungsangebot. Bislang behandelte die Klinik in Schleswig-Holstein rund 3.300 Patienten im Jahr und beschäftigt rund 400 Mitarbeiter. Fördermittel hat der private Klinikträger für die Erweiterung nach eigenen Angaben nicht in Anspruch genommen. (di)

    SÄTAZ: Heilberufe feiern in Bad Segeberg

    Der SÄTAZ-Ball findet im kommenden Jahr am 22. Februar in Bad Segeberg statt. Ärzte, Tierärzte, Apotheker und Zahnärzte sowie ihre Verwandten und Freunde sind eingeladen, im Festsaal des Vitalia See-hotels gemeinsam zu feiern. Das Festkomitee verspricht einen geselligen Abend mit Tanzvergnügen und Unterhaltung. Die Partyband „Creme Fresh“ sorgt während des 13. SÄTAZ-Balls für die Musik. Das Festkomitee, Dr. Bernhard Bambas, Dr. Joachim Hüttmann und Dr. Henning Achilles, bit-tet um festliche Abendgarderobe. Für Fragen und die Anmeldung steht Dr. Henning Achilles zur Verfügung (Fax: 04551 963 615 oder per E-Mail: [email protected]). Eine An-

    meldung ist noch bis zu 25. Januar 2014 möglich. Die Karten kosten 30 Euro pro Person. Bei der Be-stellung der Karten sollten die Begleitpersonen na-mentlich angegeben werden. Der Gesamtbetrag soll auf das Konto „Ärzteball“ Konto-Nr. 0402436825 bei der APO-Bank Lübeck, BLZ 230 926 20 überwiesen werden. Die Reservierung der Plätze erfolgt in der Reihen-folge des Zahlungseinganges. Eintrittskarten werden nicht versandt. Veranstaltungsort des SÄTAZ-Ball 2014 ist das Vita-lia Seehotel, Eingang Festsaal, Am Kurpark 1, 23795 Bad Segeberg. Der Ball beginnt um 19:30 Uhr.(PM/Red)

    Schön Klinik Bad Bramstedt mit Modellansicht des Erweitungsbaus (Foto: Schön Klinik)

  • Ausgabe 12 | Dezember 2013 11

    DiaLOG

    „Wer will denn so was?“Dr. Dietmar Frerichs, Norddorf auf Amrum, zum Thema Bürokratie

    Ein überbordender Papierkrieg wird in der Ärzte-schaft schon lange beklagt. Dabei tut die verfasste Ärzteschaft vieles, um ihren Mitgliedern das Leben noch schwerer zu machen. Im Ernst kann wohl kaum jemand, der nicht das Lambarene-Syndrom hat, sich für die Allgemeinmedizin und die hausärztliche Versorgung entscheiden. Neue Versorgungsformen in der Peripherie sind nicht ohne Grund schon in der Erprobungsphase.So unterscheidet sich die Weiterbildung zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein. Ein junger Kol-lege, der in einem Hamburger Haus beginnt, plant nicht die Chirurgie ein. Erfolgt ein Wechsel nach Schleswig-Holstein, werden sechs Monate Chirur-gie erwartet. Ich persönlich halte zwar die Chirurgie für wünschenswert, aber für noch wichtiger halte ich eine Einheitlichkeit. Nur „wo Allgemeinmedizin drauf steht“, sollte auch „Allgemeinmedizin drin“ sein.Der junge Kollege muss sich bei Berufsantritt von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) befreien lassen, um der Ärzteversorgung (Hamburg) beitre-ten zu können. Beim Wechsel zu einem neuen Ar-beitgeber in Schleswig-Holstein muss er sich erneut von der DRV befreien lassen. Darüber hinaus wird er jetzt Mitglied der Ärzteversorgung Schleswig-Holstein. Der typische berufliche Lebensweg führt unweigerlich dazu, dass dieser Kollege in der Mitte seines Lebens und auf seinem Karrierepeak Mitglied in bis zu fünf Ärzteversorgungswerken (Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern …) ist! Und das alles in der Metropol-region Hamburg. Wer will denn so was?Noch grotesker wird die Situation zum Ende des Berufslebens! Ich leite eine große Vorsorge- und Rehabilitationsklinik für Mutter und Kind auf einer Nordseeinsel. Wir sind vor Ort die letzte ärztliche In-stanz für bis zu 450 Personen. Bei uns tätige Kol-legen müssen erfahrene „Allrounder“ sein, die bei einem insgesamt wunderbaren Tätigkeitsfeld im Einzelfall auch weitreichende Verantwortung über-nehmen können. Jetzt erlebten wir in den letzten beiden Jahren, dass die Mobilität der Kollegen da-durch sehr eingeschränkt wird, dass sie nicht die Ärzteversorgung wechseln möchten.

    Wir arbeiten hier wie in einer harmonischen Ge-meinschaftspraxis ohne Hierarchie, zwar zusam-men, aber doch jeder in eigener Verantwortung. Für unsere Urlaube und Fortbildungen haben wir in der Vergangenheit Absprachen mit bekannten und befreundeten Kollegen getroffen, die uns vertreten haben. Jetzt wird hier von der DRV eine „Schein-selbstständigkeit“ gesehen, sodass auf dieser Ba-sis keine Vertretungen mehr zustande kommen können.Vertretende Kollegen müssen sich jetzt für einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen von der DRV befreien lassen. Stammen Sie aus einem anderen Bundesland und nicht aus dem hübschen, aber eben auch kleinen Schleswig-Holstein, müssen sie der hiesigen Ärzteversorgung beitreten. Die Situa-tion ist also anders bei einem Kollegen unter oder über 65 aus Schleswig-Holstein und wieder anders für Kollegen aus dem übrigen Bundesgebiet.Die Gewinner der neu entstandenen Rechtsun-sicherheit sind Rechtsanwälte und Unternehmens-berater, sprich Headhunter.Bei einer erneuten Volksabstimmung wie vor 100 Jahren würde ich für Dänemark votieren.

    Leserbriefe sind erwünschte Reaktionen auf unsere Artikel oder gesundheitspolitische und

    medizinische Themen, die Sie an [email protected] senden oder per Fax an 04551 803 188 schicken können. Die Redaktion

    behält sich das Recht auf Kürzungen vor.

  • 12 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    TITELTHEMA

    Traumata von Flüchtlingen

    Die Angst vor dem nächsten Stein: schwere Wege der ErinnerungViele Flüchtlinge tragen Bilder von Gewalt und Schmerz in sich. Maryam Rezai ist eine von ihnen. Im Kieler Zentrum für Integrative Psychiatrie fand sie Hilfe.

    Doch, dass ihr Name im Artikel genannt wird, damit ist sie einverstanden, sagt die junge Frau. Schließ-lich kann sie mittlerweile zu sich selbst stehen und ist stolz darauf, dass sie den Weg bis hierhin ge-schafft hat. Noch vor etwas mehr als einem Jahr hatte Maryam Rezai sich nicht vorstellen können, dass es überhaupt Sinn haben könnte, fremde Hilfe anzunehmen. Zu sehr war sie in den Erinne-rungen des Schreckens gefangen, den sie erlebt hatte. Immer wieder kamen ihr grauenhafte Bilder vor Augen. Sie konnte sich nicht gegen ihre Un-ruhe wehren, hatte Angst und war unfähig, etwas dagegen zu tun. „Ich fühlte mich immer schuldig, egal was ich machte“, sagt sie. „Das ist endlich vorbei.“ Inzwischen kann sie akzeptieren, dass es andere waren, die ihr und anderen Leid zugefügt haben.Vor gut einem Jahr kam Maryam Rezai zum Zen-trum für Integrative Psychiatrie (ZIP) in Kiel. Die Leiterin ihrer damaligen Unterkunft in Neumünster hatte sie dorthin vermittelt. Sie hatte erkannt, wie verzweifelt die damals 30-jährige Frau war. Das sei ein üblicher Weg, sagen die Mitarbeiter des Teams am ZIP. Meist sind es Kollegen kooperie-render Einrichtungen, die die Notwendigkeit einer psychiatrischen Behandlung von Flüchtlingen er-kennen. Doch nicht immer kann das multiprofessi-onelle Team des Zentrums, das als gemeinnützige Gesellschaft der Kieler Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Schles-wig-Holstein angegliedert ist, schnell helfen. „Wir haben eine Warteliste von bis zu 30 Patienten“, sagt Oberarzt Dr. Gunnar Paulsen. Gemeinsam mit einer weiteren Ärztin, Psychologinnen, Sozial-pädagogen und einer Ergotherapeutin bemüht er sich, die Wartezeit für Patienten nicht gar zu lang werden zu lassen. Dennoch kann es bis zu einem halben Jahr dauern, bis ein Therapieplatz frei ist.

    Wenn eine ambulante Therapie beginnen kann, dann gilt es in den ersten Sitzungen, die Probleme zu eruieren, die den Patienten so sehr belasten. Meist leben die Flüchtlinge, die hierher kommen, mit einer posttraumatischen Belastungsstörung, waren Zeuge oder Opfer von Gewalt und Gräu-eln. Dann leiden sie unter Albträumen und Schlaf-störungen, entwickeln Ängste und starke Unruhe, sind reizbar und empfinden Unfähigkeit, sich zu konzentrieren und aktiv zu werden. Oft kommen Depressionen hinzu, verbunden mit völliger An-triebslosigkeit, Rückzugstendenzen und Angst vor der eigenen Zukunft.„Meist haben wir es mit einer ausgeprägten Co-Morbidität zu tun“, erläutert Dr. Robert Göder, stell-vertretender Direktor des ZIP. Das macht die Hilfe nicht leichter. „Eine Traumatherapie allein ver-spricht durchaus Aussicht auf Erfolg“, weiß Dr. Astrid Pabst, eine der Psychologinnen im Team. „Aber die psychischen Erkrankungen der Patien-ten sind vielfältig.“Umso belastender, so die Experten des Kieler Zen-trums, sei die unklare Situation, der Asylbewerber in der Regel ausgesetzt seien. Verfahren zögen sich oft jahrelang in die Länge. Die Patienten könnten sich auf keine gesicherte Struktur einstellen, lebten monatelang mit der Angst, möglicherweise in die Verhältnisse, denen sie entflohen sind, zurückge-schickt zu werden. „Das ist natürlich eine denkbar schlechte Voraussetzung für eine Therapie“, weiß Psychiater Gunnar Paulsen. „Häufig werden de-pressive Verläufe dadurch eher noch unterstützt.“Auch für Maryam Rezai ist die Zukunft nach zwei Jahren noch immer nicht klar. Aber sie hat mithilfe der Therapie am ZIP wieder Mut gefasst, nach vorn zu schauen. Gemeinsam mit ihrer zehnjährigen Tochter ist sie gerade in eine eigene kleine Woh-nung gezogen. Die Tochter geht in Kiel zur Schule,

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    Auf der Flucht: Menschen aus zahlreichen Nati-onen suchen Sicherheit und neue Perspektiven. Viele von ihnen hatten traumatische Erlebnisse.

    (Foto: Frank Elschner)

  • 14 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    TITELTHEMA

    macht dort gute Fortschritte, und auch Maryam Re-zai selbst will lernen. Sie möchte sich endlich auf Deutsch verständigen können, würde gerne einen Beruf im kunsthandwerklichen oder kosmetischen Bereich erlernen. Geschick dafür hat die modebe-wusste junge Frau in ihrer persischen Heimat schon bewiesen. Einen Beruf ausüben durfte sie dort je-doch nicht, obwohl sie einen Schulabschluss ab-solviert hat, der dem Abitur gleichkommt.„Es ist, als sei ich erst jetzt am Start hier in Deutschland angelangt“, lässt sie Dolmetscherin Soudabeh Peter übersetzen. All die Monate zu-vor ließ ihr Geflecht aus Ängsten und Verletzun-gen keinen Neubeginn zu. Schon vor und während der Flucht hatte sie Gewalt und Bedrohung erfah-ren. In Deutschland angelangt erlebte sie eine be-

    sonders einschneidende, traumatische Situation. Wenn die junge Frau sich traut, davon zu erzählen, wird ihre Anspannung spürbar. Lesen möchte sie im Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt über das Erlebte nichts.Bis sie überhaupt über ihre Erlebnisse sprechen konnte, habe es lange gedauert, berichtet Maryam Rezai. Und es sei schmerzhaft gewesen. Therapeu-tin Astrid Pabst hatte mit ihr eine Kette aus den ein-zelnen Stationen ihres Lebens erstellt. Kleine und große Steine standen symbolisch für die negati-ven Einschnitte im Leben der 31-Jährigen. Blumen symbolisierten die glücklichen Erlebnisse; auch die gab es schon in ihrer unvollendeten Geschichte.Über Monate sollte Maryam Rezai Stück für Stück über jede Station auf der Lebenslinie sprechen. Vor

    jeder anstehenden Therapiesitzung war klar, wel-ches Ereignis als nächstes zur Sprache kommen würde. „Stand eine Blume bevor, fiel das Erzählen leicht“, berichtet die Patientin. Je größer aber der bevorstehende Stein, desto größer die Angst vor der Herausforderung, mit der Therapeutin darüber im Detail zu reden. „Es ist eine ungeheure Leistung von Frau Rezai, diesen Weg bis zum Ende beschritten zu haben“, weiß Psychologin Astrid Pabst. Nicht selten war ein Bericht nur unter Tränen möglich. Doch heute ist Maryam Rezai froh, sich auf die schmerzhafte Rückschau eingelassen zu haben. Sie hat ihr ge-holfen, all die belastenden Erlebnisse in ihre Le-bensgeschichte einzuordnen. Jetzt weiß sie, dass die Erfahrungen von Gewalt und Schrecken zu ih-rer eigenen Vergangenheit gehören. Dort aber kann sie sie verorten und muss sich in der Gegen-wart nicht mehr von diffusen Schreckensbildern ängstigen und lähmen lassen.Als sie am Ende ihrer aufgezeichneten Lebenskette angelangt war, habe sie Erleichterung verspürt, sagt Maryam Rezai, und auch Stolz, sich zu den vielen schmerzhaften Gesprächen überwunden zu haben. Heute weiß sie, dass Hilfe für Menschen, die Traumata durchleben mussten wie sie selbst, doch möglich ist. Und sie wünscht sich, dass diese und weitere mögliche Hilfen auch anderen Flücht-lingen leichter zugänglich werden.Das Team des Zentrums für Integrative Psychia trie pflichtet ihrem Wunsch bei. Die Kieler Ärzte und Therapeuten würden ihre Hilfen für Flüchtlinge mit posttraumatischen Belastungsstörungen und an-deren Erkrankungen gerne weiter ausbauen. Da-für, so Robert Göder und seine Mitarbeiter, seien aber einzelne Aspekte wie die dauerhafte Finan-zierung von Dolmetschern genauso nötig wie grundlegende Verbesserungen, etwa die generelle Absicherung der Gesundheitsversorgung von Asyl-suchenden und eine Beschleunigung des Asylver-fahrens.Maryam Rezai möchte sich zusammen mit ihrer Tochter weiter ein möglichst normales Leben in der Gemeinschaft erarbeiten. Mit ihrer Therapie hat die junge Frau einen ersten, entscheidenden Schritt dorthin getan. Ihre Vergangenheit soll ihr künftig nicht mehr im Weg stehen, sie kann ihr mittlerweile vielmehr Rückenwind verschaffen.Wolfram Scharenberg

    Dolmetscherin Soudabeh Peter (li.) im Gespräch mit Maryam Rezai. (Foto: ws)

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    Traumatisierte Flüchtlinge

    Traumata von Gewaltopfern oft zuspät erkannt und behandeltAuf einer Tagung in Kiel berichteten Fachleute von Defiziten in der Versorgung traumatisierter Flüchtlinge. Politische Entscheidungen angemahnt.

    78.000 Menschen haben im vergangenen Jahr in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Manche von ihnen haben in ihrem Heimatland extreme Men-schenrechtsverletzungen erfahren: Folter, Gefan-genschaft unter entwürdigenden Bedingungen, Vergewaltigung oder Ermordung von nahen Famili-enangehörigen. Nach Schätzungen leiden zwischen 25 und 40 Prozent der Asylbewerber als Folge die-

    ser Erfahrungen unter einer posttraumatischen Be-lastungsstörung (PTBS). Die zum Teil langwierigen Asylverfahren sind bei den Betroffenen von der Angst vor der Abschiebung be-gleitet und halten die psychische Erkrankung auf-recht. Erschwerend kommt hinzu, dass Traumata in den Aufnahmelagern oder Wohnunterkünften nicht immer erkannt werden, weil die Gewaltopfer ihre Ge-schichte verschweigen. Gerade Frauen wagen es oft nicht, etwa von Vergewaltigungen zu berichten. Wenn für die Betroffenen schließlich eine Therapie bewilligt wird, fehlt es oft an Behandlungsplätzen. Für eine ambulante Therapie beträgt die Wartezeit rund ein halbes Jahr. Dies ist nur ein Auszug aus einer langen Liste von Problemen, mit denen sich rund 140 Fachleute aus Behandlungs- und Beratungsstellen für traumati-sierte Flüchtlinge im vergangenen Monat auf Ein-ladung der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der

    Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folterop-fer (BAfF e. V.), des Paritätischen Wohlfahrtsverban-des, des Kieler Zentrums für Integrative Psychiatrie (ZIP) und der Diakonie Schleswig-Holstein auf einer Tagung in Kiel beschäftigten. Sie bemängelten au-ßerdem, dass die psychischen Probleme von Ge-waltopfern bislang nur selten erkannt und damit auch nicht behandelt werden, und forderten staat-liche Konzepte, wie traumatisierten Flüchtlingen in Deutschland zügiger und damit besser geholfen werden kann.Wie aktuell das Thema ist, zeigte die zeitgleich lau-fende Diskussion über die Zahl der aus Syrien aufzu-nehmenden Flüchtlinge in Deutschland. 5.000 sollen aufgenommen werden, für Schleswig-Holstein be-deutet dies 168 Flüchtlinge. Nach Ansicht von Dia-konie-Vorstandsmitglied Anke Schimmer sind dies zu wenig: „Wir müssen als Gesellschaft zeigen, dass wir bereit sind, Menschen, die dieser Hölle entflie-hen, Hilfe zu gewähren. Deutschland ist ein reiches

    „Dolmetscher für die Kommunikation mit Flüchtlingen

    müssen nicht nur geschult, sondern auch bezahlt werden.“

    PD Dr. Robert Göder (Foto: UKSH Campus Kiel)

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    TITELTHEMA

    Land und kann deutlich mehr Bürgerkriegsflücht-linge aufnehmen als das jetzt beschlossene Kontin-gent“, sagte Schimmer anlässlich der Tagung. 2012 hat Schleswig-Holstein insgesamt 2.277 Asylbewer-ber aufgenommen. In Kiel verwiesen die Experten auch auf die Verpflich-tung, die Deutschland mit Unterzeichnung der Anti-folterkonvention eingegangen ist. Danach ist für Menschen mit Traumatisierungen eine so vollstän-dige Rehabilitation wie möglich sicherzustellen. Die Bundesregierung und auch alle im Bundestag ver-tretenen Parteien stehen zu diesem Ziel und beto-nen oft, dass traumatisierte Flüchtlinge eine speziell ausgerichtete psychosoziale Versorgung benötigen. Deutlich wurde in Kiel, dass viele Teilnehmer dieses Ziel als noch nicht erreicht betrachten und sich ei-nen besseren Zugang für Flüchtlinge zu Therapie und Gesundheitsversorgung wünschen. Dies sei aber nur möglich, wenn sich die Verfahren für die Flüchtlinge von der Erstaufnahme bis zur Abschie-behaft verändern. Ein Beispiel schilderte der Paritätische Wohlfahrts-verband Schleswig-Holstein: Nicht etwa neutrale Gutachter entscheiden über den Zustand eines Flüchtlings, sondern die Prüfgremien der Ausländer-behörde oder Angestellte der Aufnahmelager. Medi-zinische Hilfe durch einen externen Arzt wird zwar bei lebensbedrohlichen Krankheiten gewährt. Ob eine psychische Störung zu einem Suizid führt, ließe sich aber nur durch eine Untersuchung klären, die derzeit nicht erlaubt wird. Zur Erinnerung: Im Som-mer hatte sich die Gesundheitsministerkonferenz der Länder einstimmig für eine bessere psychoso-ziale Versorgung von Flüchtlingen ausgesprochen. Dies würde man auch im Zentrum für Integrative Psy-chiatrie (ZIP) in Kiel begrüßen. Dort behandelt ein in-terdisziplinäres Team aus Fachärzten, Psychologen, Sozialpädagogen und anderen Therapeuten rund 100 Flüchtlinge mit PTSD oder Depression im Jahr. Den Bedarf allein im Großraum Kiel beziffert Ober-arzt PD Dr. Robert Göder etwa doppelt so hoch. Die Patienten im ZIP kommen u. a. aus dem Kosovo, Tschetschenien, Afghanistan oder Irak. Schon beim Erstkontakt gibt es Probleme in der Kommunikation. Dolmetscher müssten für diese spezielle Tätigkeit nicht nur geschult, sondern auch bezahlt werden, gab Göder zu bedenken. Derzeit schießt das ZIP da-für nach eigenen Angaben rund 10.000 Euro im Jahr zu, weil diese Kosten von keiner Stelle übernommen

    werden. Wenn ein Dolmetscher gefunden ist, müs-sen die Mitarbeiter neben der Behandlung hohe bü-rokratische Hürden nehmen, die den Aufwand mit anderen Patienten deutlich übersteigen. Zusätzliche Dokumentationen sind erforderlich, es muss mit An-wälten und Behörden korrespondiert werden.Eine Umsetzung der Forderung der Gesundheits-ministerkonferenz würde auch Günter Ernst-Basten, Vorstand des Paritätischen in Schleswig-Holstein, begrüßen. „Schnell und frühzeitig denjenigen zu hel-fen, die Hilfe brauchen, ist menschlich geboten, aber letztlich auch ökonomisch vernünftig, da es statio-näre Behandlungen vermeidet“, sagte Ernst-Basten. Dazu sei es nötig, ein Modell für eine Basisfinanzie-rung der psychosozialen Behandlungszentren zu fin-den, mit Mitteln des Bundes oder der Kommunen. Solche Zentren gibt es in einigen Bundesländern wie Bremen, in anderen nicht. Der Paritätische betreibt ein solches Zentrum, dessen Finanzierung aber auf schwachen Füßen steht. Öffentliche Förderung könnte helfen, dieses Zentrum zu etablieren. In Schleswig-Holstein bastelt man außerdem an ei-ner weiteren Lösung: Innenministerium, Brücke und der Paritätische arbeiten daran, die psychiatrischen Regeleinrichtungen für Flüchtlinge zu öffnen. Das Beispiel ZIP zeigt, dass in beiden Fällen eine Lö-sung für die Dolmetscherkosten gefunden werden müsste. Solange keine Lösung gefunden und finanziert ist, sind die Betroffenen weiter auf das Engagement von Flüchtlingsinitiativen und Helfern in den Beratungs-stellen angewiesen. Diese werden oft aus privaten Spenden finanziert. Die bundesweit 14 in der BAfF or-ganisierten Zentren haben zusammen 328 Beschäf-tigte, von denen viele nur teilzeitbeschäftigt sind. Sie haben im Jahr 2011 insgesamt 6.378 Flüchtlin-gen geholfen. Für jeden von ihnen standen damit im Durchschnitt pro Jahr nur zwei Stunden Arbeitszeit zur Verfügung.Die Bilanz der Veranstalter wurde in einer Presse-konferenz am Ende der Tagung mit einer klaren For-derung an die Politik verknüpft. Elise Bittenbinder, Vorstandsvorsitzende der BAfF, erinnerte an die Anti-folterkonvention und die Verpflichtung, die Deutsch-land damit eingegangen sei: „Dieses Versprechen muss in die Praxis umgesetzt werden, und dazu be-nötigen wir konsequente politische Entscheidun-gen.“Dirk Schnack

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    Dr. Ayham Said war Chefarzt an der Uniklinik in Damas-kus und erfolgrei-cher Praxischef – bis seine Praxis von einer Bombe zerstört wurde.

    Dr. Ayham Said ist zuversichtlich, dass er innerhalb von zehn Jahren in sein Heimatland Syrien zurück-kehren und seine Arbeit als Chefarzt der Kopf- und Halschirurgie an der Universitätsklinik von Damas-kus wieder aufnehmen kann. Er gilt nicht als politi-scher Flüchtling wie die 5.000 Landsleute, die von Deutschland aufgenommen werden. Said ist deut-scher und syrischer Staatsbürger, der seine Weiter-bildung in den 90er Jahren in Hamburg absolviert hat. 2001 ging er zurück nach Syrien und baute neben seiner Tätigkeit an der Universitätsklinik eine eigene Praxis in der Hauptstadt auf. Das Viertel, in dem er arbeitete, blieb bis vor Kurzem vom Bürgerkrieg ver-schont. Dann traf eine Bombe seine Praxis und Said und seine Familie beschlossen, das Risiko für das ei-gene Leben nicht länger auf sich zu nehmen und zu-rück nach Deutschland zu kommen.Seit Oktober arbeitet der 48-Jährige als angestellter Arzt in einem Klinik-MVZ in Itzehoe. Hier behandelt er Erkrankungen der Mundhöhle, des Rachenrau-mes und des Kehlkopfes. Er diagnostiziert Tinnitus und Erkrankungen der Nasennebenhöhlen, führt HNO-chirurgische und ästhetische Operationen durch. Die Arbeit mache ihm Spaß, Kollegen und Pa-tienten seien freundlich, versichert er in fließendem Deutsch. Fragt man ihn nach den Zuständen in sei-nem Heimatland, berichtet er von den privilegierten

    Verhältnissen, in denen er persönlich lebte – mit dem Bürgerkrieg war er kaum konfrontiert, konnte weit-gehend ungestört seiner Arbeit nachgehen. „Bei uns war es ruhig, ich persönlich war sehr zufrieden“, ver-sichert er. Politisch will er sich zu den Auseinandersetzungen in seiner Heimat nicht äußern. „Wir brauchen wie-der stabile Verhältnisse. Es ist schwer zu sagen, wer Recht hat“, sagt er zurückhaltend. Wie und unter wem diese stabilen Verhältnisse zu erreichen sind, dafür hat er kein Patentrezept. Die politische Diskussion in Deutschland, wo da-rüber gestritten wird, ob die Aufnahme von 5.000 Flüchtlingen angemessen ist, hat er nur am Rande verfolgt. Er verweist in diesem Zusammenhang auf andere europäische Länder, die weniger Menschen aufnehmen als Deutschland. Fest steht für den Me-diziner, dass er und seine Familie sich derzeit in Itzehoe wohlfühlen. Nach seinem Entschluss zur Ausreise hatte Said zunächst überlegt, in der Region zu bleiben. Doch die Verhältnisse in Jordanien, im Libanon, im Irak und auch in der Türkei erschienen ihm nicht sicher genug für einen langfristigen Ver-bleib seiner Familie. „Als Alternative zu Deutschland blieb nur Dubai, aber dort ist es zu heiß“, sagt Said unter Hinweis auf dort mögliche Temperaturen von bis zu 50 Grad.Dirk Schnack

    Dr. Ayham Said (Foto: di)

    Syrien

    Von Damaskusnach Itzehoe

  • 18 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    SchleSwig-holStein

    Kammerversammlung

    Kammer positioniert sich: klares Votum für Einheit der Ärzteschaft KBV-Streit beschäftigte auch die Kammerversammlung. KVSH wird in ihrer Position unterstützt. Jahresabschlüsse und Finanzen fallen positiv aus.

    Mit internen Auseinandersetzungen anderer Körper-schaften beschäftigt sich eine Kammerversammlung im Normalfall nicht. Schon gar nicht, wenn diese Kör-perschaft die KBV ist – zu groß ist die Gefahr, dass der Kammer Einmischung in innere Angelegenhei-ten vorgeworfen wird, die sie nichts angehen. Die

    jüngsten Auseinandersetzungen in der KBV – in der KBV-Vertreterversammlung, zwischen den beiden KBV-Vorstandsmitgliedern und zwischen einigen Haus- und Fachärzten – waren im November aber so stark eskaliert, dass auch Kammerpräsident Dr. Franz-Joseph Bartmann dazu Stellung nahm und die Versammlung anschließend darüber diskutierte. Zur Erinnerung: KBV-Vorstandsmitglied Regina Feld-mann strebt laut Berichten eine Trennung der KBV in Sektionen für Haus- und Fachärzte an, was u. a. von ihrem Vorstandskollegen Dr. Andreas Köhler und auch von vielen KVen, u. a. der KV Schleswig-

    Holstein, abgelehnt wird. Der zum Teil mit massiven persönlichen Vorwürfen geführte Streit hatte in der KVSH zu einer deutlichen Resolution geführt (siehe Bericht auf Seite 22), die Bartmann auch der Kam-merversammlung zur Zustimmung vorlegte – die diese Zustimmung auch einstimmig gab. Die De-legierten sehen dies keinesfalls als Einmischung, weil die Auseinandersetzung Auswirkungen auf alle Ärzte haben könnte. Vorstandsmitglied Dr. Thomas Schang stellte klar: „Eine geschlossene KBV ist ein Wert, der nicht gefährdet werden darf.“ Dass im Norden wenig Verständnis für die Politik von Hausärztin Regina Feldmann herrscht, mach-ten auch Äußerungen aus den Reihen der Delegier-ten deutlich. Allgemeinmediziner Dr. Frank Niebuhr

    sagte: „Die Einstellung von Frau Feldmann ist nicht die Haltung aller Hausärzte.“ Aber wie weit darf die Positionierung gehen und darf ein KBV-Vorstands-mitglied öffentlich so kritisiert werden? Die Vorge-hensweise in der KBV war nicht dazu angetan, sich Zurückhaltung aufzuerlegen, wie Dr. Hans-Joachim Commentz deutlich machte: „Ich habe keine Sorge, dass man Frau Feldmann damit zu nahe tritt.“ Deren Verhalten wertete Commentz als „Unverschämtheit“, die „abgestraft“ gehöre. Sorgen bereitet den Kammerdelegierten, dass Feld-mann mit ihrer Haltung in der Politik bereits auf Re-

    Kammerpräsident Dr. Franz Bartmann erwar-tet politischen Pragmatismus nach den Koali-tionsverhandlungen. Er berichtete außerdem von den turbulenten Ereignissen in der KBV und empfahl der Kammerversammlung eine Zustim-mung zu einer Resolution der KV Schleswig-Holstein, die sich deutlich gegen eine Spaltung der Ärzteschaft ausgesprochen hatte.

  • Ausgabe 12 | Dezember 2013 19

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    sonanz gestoßen war. In die Pläne der Arbeitsgruppe Gesundheit im Rahmen der Koalitionsverhandlun-gen hatte die Trennungsidee bereits Eingang ge-funden, wie die Ärztekammer noch am gleichen Tag in einer Pressemitteilung zum Thema informierte. Mit Umsetzung dieser Regelung befürchten die Kammer delegierten eine Spaltung der Ärzteschaft, die dem kollegialen Selbstverständnis und einer sachgerechten Patientenversorgung entgegensteht. „Auch würde eine solche Trennung nicht die gelebte Wirklichkeit wiedergeben, in der Haus- und Fach-ärzte täglich einvernehmlich zugunsten ihrer Patien-ten zusammenarbeiten“, hieß es in der Mitteilung.Eine konkrete Umsetzung ist mit den Plänen zu-nächst aber nicht verbunden. Bartmann erinnerte daran, dass auch in der Vergangenheit schon viele Punkte, die in Koalitionsverträgen festgehalten wur-den, anschließend nicht realisiert wurden. Bartmann hofft, dass dieses Schicksal auch der politisch gefor-derten Terminservicestelle blüht, die innerhalb von vier Wochen einen Facharzttermin vermitteln soll. „In Deutschland hat jeder kritisch Erkrankte innerhalb kürzester Zeit Zugang zu einer adäquaten medizi-nischen Versorgung. Und selbst eine elektive Vor-stellung erfolgt in der Regel rascher als bei härterer Indikation in Ländern mit staatlicher Planwirtschaft“, sagte Bartmann. Wenig hilfreich ist für den Präsidenten auch ein an-derer Punkt aus den Koalitionsverhandlungen. Dort lautet eine Überschrift: „Nicht nur in Ballungsräu-men, sondern auch in ländlichen Regionen muss die

    wohnortnahe Krankenhausversorgung der Bevöl-kerung im Rahmen des abgestuften Versorgungs-systems einander ergänzender Krankenhäuser gewährleistet sein.“ Bartmanns Kommentar hierzu: „Man muss kein Seher sein, um den Weg dieses Projektes vom populistischen Versprechen in die Umsetzung in der Realpolitik vorherzusagen.“ Der Präsident setzt darauf, dass am Ende der Koalitions-verhandlungen Pragmatismus die Oberhand über eine nach links tendierende Ideologie behält. Traditionell beschäftigte sich die letzte Kammer-versammlung im Jahr mit Finanzthemen. Die ein-stimmige Verabschiedung des Jahresabschlusses fiel den Delegierten angesichts eines Jahresüber-schusses von 793.000 Euro leicht. Das Geld wird der Betriebsmittelrücklage zugeführt. Laut Bericht von Bertram Bartel (Vorsitzender des Finanzaus-schusses) wurde der Überschuss u. a. durch eine Unterschreitung der geplanten Aufwendungen um rund zwei Prozent ermöglicht. Ebenfalls einstimmig wurde der Haushalt für das kommende Jahr geneh-migt. Die Aufwendungen und Erträge liegen 2014 bei 10,766 Millionen Euro, dies bedeutet eine Steigerung um 2,7 Prozent gegenüber dem laufenden Haushalt. Die aktuellen Zahlen aus der Versorgungseinrich-tung präsentierte anschließend deren Geschäftsfüh-rer Harald Spiegel (Bericht auf der folgenden Seite). Als Delegierte für den Deutschen Ärztetag wur-den Dr. Frank Niebuhr, Dr. Marita Mans, Stephanie Liedtke und Dr. Reiner Schäfer gewählt.Dirk Schnack

    Bertram Bartel (links), Vorsitzen-der des Finanzausschusses, und Harald Spiegel, Geschäftsführer der Versorgungseinrichtung, er-läuterten den Kammerdelegierten die Jahresabschlüsse 2012. Tra-ditionell bilden die Finanzthemen einen Schwerpunkt in der letzten Kammerversammlung des Jahres. (Fotos: di)

  • 20 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    SchleSwig-holStein

    Versorgungseinrichtung

    „Sicherheit hat im Zweifelsfall Vorrang vor Rentabilität“Harald Spiegel ist seit Januar neuer Geschäftsführer der Versorgungseinrich-tung. Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt sprach mit ihm über die Zukunft.

    Herr Spiegel, ist die Versorgungseinrichtung aus Ihrer Sicht gut aufgestellt? Spiegel: Die VE wird im kommenden Jahr 50 Jahre alt. Ihre Mitglieder können darauf stolz sein. Sie ist gut durch alle Kapitalmarktkrisen gekommen. Die Höhe ihrer Renten kann sich sehen lassen. Es gibt keine versicherungsmathematischen Altlasten aus etwaigen „Sünden“ der Vergangenheit. So wurden beispielsweise in ertragreichen Jahren Leistungs-erhöhungen stets vorausschauend und mit Augen-maß vorgenommen. Soweit ich bislang beobachtet habe, trägt maßgeblich hierzu bei, dass in den Gre-mien ein offener, ehrlicher und sachlicher Umgang gepflegt und darauf geachtet wird, dass die VE nicht in den Sog berufspolitischer Kontroversen verschie-dener Interessengruppen gerät. Wie sicher sind denn die Renten der schleswig-hol-steinischen Ärzte?Spiegel: Die Aufgabe der VE besteht darin, sie so sicher zu machen, wie es geht. Wir sind verpflich-tet, die Beiträge der Mitglieder – jetzt zitiere ich die maßgebliche Rechtsvorschrift – so anzulegen, dass „möglichst große Sicherheit und Rentabilität bei je-derzeitiger Liquidität unter Wahrung angemessener Mischung und Streuung erreicht wird“. Sicherheit hat im Zweifel den Vorrang vor Rentabilität. Es war schon immer schwierig, beides zugleich zu haben. Was sehr sicher erscheint, ist oft nicht rentabel. Und was sehr rentabel erscheint, kann sich als unsichere Geldanlage herausstellen. Hohe Zinsen zahlt nie-mand freiwillig. Sie zahlt nur der, der anders nicht an Geld kommt. Die VE setzt auf einen breiten Mix aus einlagengesicherten festverzinslichen Wertpa-pieren, Immobilien und Aktien. Damit sind wir auch in der Finanzkrise gut gefahren. Sind Aktien nicht unsicher?Spiegel: Sie unterliegen Kursschwankungen, was sie aber nicht unsicher macht. Die Aktien der VE

    sind in mehreren Aktienspezialfonds, die speziell für uns aufgelegt wurden, breit gestreut. Es han-delt sich dabei um Daueranlagen und Aktien re-nommierter Unternehmen. Die Banken und Asset Management-Gesellschaften, die wir dafür ausge-wählt haben und fortlaufend beaufsichtigen, spe-kulieren nicht frei mit dem ihnen anvertrauten Geld, sondern müssen von uns vorgegebene Anlagericht-linien beachten. Das Fondsvermögen steht ihnen langfristig zur Verfügung. Versicherungsmathema-tisch kalkuliert könnten diese Fonds ewig bestehen. Unser „Geschäftsmodell“ ist ja so angelegt, dass es immer weitergeht: Wir kalkulieren so, dass ständig neue Mitglieder zu uns kommen und Beiträge zah-len, der Kapitalstock also ewig bestehen bleibt. Er wächst gegenwärtig sogar noch, da wir jedes Jahr einen Zuwachs von mehreren hundert Mitgliedern verzeichnen. Die Verbindungen der VE zu unseren Fondsmanagern sind lang und bewährt. In einem Fall – bei der noch relativ jungen und erfolgreichen Hamburger Asset Management-Gesellschaft Ara-mea – ist die Verbindung zu den Fondsmanagern so-gar weitaus älter als die Gesellschaft. Wie kommt die VE mit der Niedrigzinsphase zurecht?Spiegel: Wir profitieren in den nächsten Jahren von höher verzinslichen Titeln, die in früheren Jahren erworben wurden. Die meisten dieser Titel werden erst Ende dieses Jahrzehnts fällig. Bei den in 2013 getätigten Neuanlagen in festverzinslichen Wert-papieren haben wir noch Renditen von knapp über vier Prozent erzielt, wobei wir lange Laufzeiten und besondere Ausgestaltungsvereinbarungen mit den Emittenten genutzt haben. Unterstützend wirken die stabilen Erträge unserer Immobilien, deren Be-stand wir weiter ausbauen wollen. In diesem Jahr hilft uns zudem die erfreulich gute Entwicklung der Aktienmärkte. Wir stellen uns allerdings darauf ein, dass es auch wieder ertragsschwächere Zeiten ge-

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    ben wird und wollen durch entsprechende Reserve-bildung vorsorgen. Ich verstehe, dass die niedrigen Zinsen vielen unserer Mitglieder Sorgen bereiten, auch bei ihrer privaten Geldanlage. Die Verzinsung unserer Kapitalanlagen liegt immer noch bei über vier Prozent. Ferner ist zu berücksichtigen, dass eine Mitgliedschaft im „Normalfall“ etwa 50 bis 60 Jahre beträgt – das gibt es in kaum einem anderen Le-bensbereich. Die Wahrscheinlichkeit, dass die aktu-ell niedrigen Zinsen in späteren Jahren der langen Mitgliedschaftsdauer durch höhere Zinsen ausgegli-chen werden, ist groß. Wichtig neben gutem Zins-ertrag ist nach meiner Überzeugung, dass Beiträge fortlaufend, d. h. monatlich und frei von Unterbre-chungen, eingezahlt werden. Stetigkeit zahlt sich am Ende aus. Welche Möglichkeiten haben die Mitglieder der VE, sich über ihre Rente und die zu leistenden Beiträge zu informieren?Spiegel: Unsere Mitarbeiter stehen telefonisch und persönlich in unserer Geschäftsstelle in der Bis-marckallee in Bad Segeberg zur Verfügung. Sie nehmen auf Wunsch auch Einzelberechnungen vor. Zudem liefert unsere Homepage www.veaeksh.de vielfältige Informationen. Wir wollen unseren Internet-auftritt zukünftig schrittweise weiter ausbauen. Haben Sie einen aktuellen Tipp, den Sie Ihren Mitglie-dern geben?Spiegel: Wir empfehlen Beiträge, die über den Pflichtbeitrag hinausgehen. Mit der Höherversiche-rung steht dafür eine geeignete Grundlage zur Verfü-gung. Bei einer neu abgeschlossenen Lebens- bzw. Rentenversicherung werden nur noch 1,75 Prozent garantiert. Das Deckungskapital unserer Anwart-schaften wird hingegen noch mit vier Prozent ver-zinst. Es lohnt sich also, den Höchstbetrag unserer Höherversicherung auszuschöpfen. Dies kann be-reits im Jahr der Beitragszahlung steuerliche Vorteile bewirken, da diese Beiträge ebenso wie die Pflicht-beiträge vom Finanzamt als Altersvorsorgeaufwen-dungen anerkannt werden.Was müssen die Mitglieder hierfür tun?Spiegel: Sie brauchen sich bei uns nur telefonisch zu melden. Die Zahlung kann per Überweisung oder per Lastschrifteinzug erfolgen. Der Höchstbe-trag der Höherversicherung beträgt 50 Prozent der allgemeinen Versorgungsabgabe, d. h. im Regelfall 50 Prozent des Betrages, den unsere Mitglieder in die Grundversorgung einzahlen.

    Die Versorgungseinrichtung hat das Jahr 2012 mit einem neuen Rekord an Mitgliedern abgeschlos-sen. Ende 2012 gehörten der VE 16.171 Mitglieder an, dies ist ein Zuwachs von 433 gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt gab es 3.887 Leistungsemp-fänger. Die Mitglieder zahlten Beiträge in einer Ge-samthöhe von 131 Millionen Euro (dies entspricht einem Anstieg von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr), ausgeschüttet wurden Rentenleistungen in Höhe von 91 Millionen Euro (sieben Prozent mehr als 2011). Die meisten Empfänger (2.405) erhalten Altersrente, außerdem wurde an 134 Empfänger eine Berufsunfähigkeitsrente gezahlt, 660 Witwen bzw. Witwer sowie 155 Waisen erhielten Leistun-gen. Hinzu kamen 533 Kinderzuschüsse. Die Ver-mögenserträge betrugen 2012 147 Millionen Euro. Dies ist ein Zuwachs in Höhe von 27 Prozent ge-genüber 2011. Sie stammen aus Kapitalanlagen, die einen Gesamtwert von 2,6 Milliarden Euro (plus sieben Prozent gegenüber 2011) aufweisen. Rund zwei Drittel der Kapitalanlagen sind Namen-schuldverschreibungen, Pfandbriefe und Schuld-scheindarlehen. 20 Prozent sind in Aktien (Fonds und Beteiligungen) angelegt, zehn Prozent in Im-mobilien. Fünf Prozent des Kapitals wurden in Rentenfonds investiert, 0,03 Prozent entfallen auf Hypothekendarlehen. (di)

    Erfolgreiches Jahr 2012 für die VE

    Harald Spiegel (Foto: di)

  • 22 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    SchleSwig-holStein

    KV-Abgeordnetenversammlung tagte im November

    Klare Positionierung gegenTrennungstendenzen bei der KBVDie Abgeordneten der KV Schleswig-Holstein verabschiedeten einstimmig eine Resolution zum Erhalt der Einheit innerhalb der Ärzteschaft.

    Zu ihrer letzten Versammlung in diesem Jahr trafen sich die Abgeordneten der Kassenärztlichen Vereini-gung Schleswig-Holstein im November in Bad Sege-berg. Im Mittelpunkt der Erörterungen stand neben Informationen über die aktuellen Honorarverhand-lungen, nachbessernden Beschlüssen zu HVM-De-tails und Finanzangelegenheiten der Bericht der KV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Monika Schliffke.Darin interessierten zunächst neue Gewichtungen der laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD. Neben der grundsätzlichen Stärkung der Grundversorgung im haus- und fach-ärztlichen Bereich zeichneten sich Punkte wie die erleichterte Wechselmöglichkeit zwischen Privater und Gesetzlicher Krankenkasse, die neuerliche Pla-nung eines Präventionsgesetzes oder die Schaffung eines Straftatbestands der Korruption im Gesund-heitswesen ab. Auch das Vorhaben, Wartezeiten bei Fachärzten gegebenenfalls durch Krankenhausam-bulanzen aufzuheben, stand zur Diskussion.Auf Landesebene beschrieb die KV-Vorsitzende kon-struktive Entwicklungen für eine Verbesserung der ärztlichen Versorgung gerade in ländlichen Regio-nen. So entsteht in Ostholstein ein Modellvorhaben zur sektorenübergreifenden Versorgung, dessen Form sich als beispielgebend für andere Gegenden entwickeln könnte.Einen hohen Stellenwert nehmen nach wie vor die Nachwuchsförderung sowie die Förderung von neuen Niederlassungen ein. Generell betonte Monika Schliffke die Offenheit der ärztlichen Körper-schaft, neue Entwicklungen und Modelle zu fördern und mitzugestalten. So sei beispielsweise in Lübeck eine neue Anlaufpraxis zur Notfallbetreuung in Zu-sammenarbeit mit der dortigen Sana-Klinik eröff-net worden. Im Kreis Husum, einem „Krisenkind“ in der Versorgungslandschaft, entstehe eventuell eine erste KV-Zielpraxis für drei bis fünf Ärzte.

    Mit Betroffenheit berichtete die Vorstandsvorsitzende von den Entwicklungen auf Leitungsebene der Kas-senärztlichen Bundesvereinigung. Hier, so Monika Schliffke, sei der Versuch unternommen worden, die Ärzteschaft zu spalten. Auf der letzten KBV-Ver-treterversammlung habe deren stellvertretende Vor-standsvorsitzende Regina Feldmann einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung gestellt. Ziel sei es gewesen, eine Trennung der KBV in eine haus- und eine fachärztliche Sektion zu erwirken. Jeder der Sei-ten sollte künftig ein eigener Vorstand vorstehen.Besonders negativ wertete Schliffke das Vorgehen der KBV-Vizechefin. Der Geschäftsordnungsantrag sei im Vorfeld nicht, wie übliche Gepflogenheit, ge-genüber ihrem Vorstandskollegen Andreas Köhler und den Verantwortlichen der Vertreterversammlung kommuniziert worden. Parallel zu den Bemühungen innerhalb der Selbstverwaltung habe Regina Feld-mann indes den Gedanken der Trennung erfolgreich in politische Kreise eingespielt. Die laufenden Koaliti-onsverhandlungen hatten das Modell in ihre Themen-liste aufgenommen.Nach eingehender Diskussion einigten sich die KVSH-Abgeordneten auf eine Resolution, die jede Tendenz zur Spaltung der Ärzteschaft deutlich ver-urteilt. Man bekenne sich zu einer starken gemeinsa-men Interessenvertretung der Vertragsärzte, heißt es darin. Die Versammlung stimmte für den Resolutions-text ohne Gegenstimme und Enthaltung.Auch wenn es naturgemäß Interessengegensätze zwischen Arztgruppen gebe, so könnten die stets in grundsätzlichem Einvernehmen diskutiert werden, postulierten die Abgeordneten. In Schleswig-Holstein geschehe das würdevoll und mit gegenseitigem Res-pekt, so der Tenor in Bad Segeberg. Der Vorsitzende der Abgeordnetenversammlung, Dr. Christian Sell-schopp: „Wir haben keinen Ärger.“ Wolfram Scharenberg

  • Ausgabe 12 | Dezember 2013 23

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    Dr. Ilka Petersen-VollmarBad Segeberg Fachärztin für AllgemeinmedizinJahrgang 1963

    Das Argument der Kollegen für ein Engagement in der Standespolitik war alles andere als überzeugend: Man brauche noch eine Frau auf der Liste, wurde Dr. Ilka Petersen-Vollmar vor der Wahl zur Kammerver-sammlung in diesem Jahr aus dem Kollegenkreis an-getragen. Und sie müsse sich keine Sorgen machen – die Wahrscheinlichkeit, dass sie gewählt werde, sei eher gering …Die Hausärztin aus Bad Segeberg entschloss sich trotz dieses wenig ermutigenden Antrags für die Kandidatur zur Kammerversammlung – und sie hatte entgegen den Erwartungen ihrer Kollegen auch die Motivation, in der Kammerversammlung mitzuarbei-ten. „Wenn man den ganzen Tag in seiner Praxis mit schwer kranken und weniger kranken Patienten, be-triebswirtschaftlichen Aspekten und einer immen-sen Bürokratie kämpft, ist es wichtig zu wissen, dass man gemeinsam vielleicht etwas verändern kann“, sagt sie zu ihrer Motivation. Die zur Wahl aufgeru-fenen Kollegen in ihrem Kreis fanden sie offenbar geeigneter als die, die sie zur Kandidatur überredet hatten, zunächst annahmen. Sie wurde gewählt, so-gar mit einem guten Ergebnis. Nun ist sie erstmals Delegierte in der Kammerversammlung der Ärzte-

    kammer, obwohl sie lange Sitzungen eigentlich nicht mag. Da kamen ihr die abwechslungsreichen Ver-sammlungen zum Start ihrer ersten Amtsperiode sehr entgegen – zahlreiche neue Kollegen kennen-gelernt, viel über die Ausschüsse erfahren und be-obachtet, wie sich Klinikärzte und niedergelassene Kollegen bei den Wahlen verhalten. Das dabei nicht zu vermeidende Säbelrasseln mancher Kandidaten gehört dazu, meint die Segeberger Ärztin, die sich über die breite Phalanx von hausärztlichen Kollegen in der aktuellen Versammlung freut. Die hausärzt-lichen Interessen will sie natürlich vertreten. Dane-ben hat sie sich für ihre erste Amtsperiode in der Kammerversammlung auch vorgenommen, für die Freiberuflichkeit einzutreten und die Kollegialität zu fördern. Im Kreis Segeberg ist Ilka Petersen-Vollmar auch au-ßerhalb ihrer Gemeinschaftspraxis längst keine Un-bekannte mehr. Auf Kreisebene engagiert sie sich seit rund einem Jahr als Vorsitzende im Ärzteverein des Kreises Segeberg e. V. zur Förderung des kolle-gialen Austausches und der gemeinsamen Fortbil-dung. Dirk Schnack

    Kammerversammlung

    Gemeinsam etwas verändern

    (Foto: ÄKSH)

  • 24 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    SchleSwig-holStein

    Schlaganfall

    Hummeln und Schmetterlinge belebten die Ideenwerkstatt Open Space: ein ungewöhnliches Format, das viele Beteiligte ansprach. Ihr gemeinsames Ziel: eine verbesserte Versorgung von Schlaganfallpatienten.

    Selten haben sich wohl Beteiligte aus so vielen un-terschiedlichen Bereichen zu einem Thema ausge-tauscht: Patienten, Ärzte, Vertreter von ärztlichen Körperschaften, Krankenkassen, Selbsthilfegrup-pen und Ministerium, Politiker, Wissenschaftler, Pfle-gende und Therapeuten waren zur Open Space Ideenfabrik des Unternehmens Pfizer zum Thema „Schlaganfall 2020 – gemeinsam neue Wege gehen“ nach Kiel gekommen. Das Format war nur wenigen Beteiligten bekannt: Es gibt kein Tagungsprogramm, keine Frontalvorträge und kein feststehendes Thema. Stattdessen kann jeder Teilnehmer zu Be-ginn ein Thema formulieren, über das an diesem Tag in Workshops gesprochen werden soll. Wer sich von dem Thema angesprochen fühlt, kommt zu einer festgelegten Uhrzeit für eine selbst gewählte Dauer in diesen Kreis und diskutiert mit. Starre Regeln exis-tieren nicht. Es gibt „Hummeln“, die von Workshop zu Workshop gehen und „Schmetterlinge“, die sich lieber an lockeren Tischgesprächen zwischendurch beteiligen.

    In erster Linie aber wurde konstruktiv in kleinen Zir-keln an Lösungen gefeilt. Insgesamt zwölf Themen hatten die Teilnehmer vorgeschlagen, an denen anschließend gearbeitet wurde: Schlaganfallprä-vention, Nachsorgenetzwerk Kiel und Umgebung, Überleitungsmanagement und Anschlussversor-gung in der Häuslichkeit, effiziente Schlaganfallnach-sorge, Finanzierungsmöglichkeiten, Verzahnung der Sektoren, Organisation der Akutversorgung, Sicher-stellung der Versorgung in der Fläche und Empower-ment zählten u. a. zu den Themen, an denen die rund 50 Teilnehmer arbeiteten.Die wichtigsten Ergebnisse: Es soll ein Schlaganfall-netzwerk etabliert und das Schnittstellenmanage-ment verbessert werden. Ein weiteres Netzwerk von Selbsthilfegruppen soll Patienten und Angehörige dabei unterstützen, nicht nur medizinische, sondern auch psychologische und familiäre Herausforde-rungen eines Schlaganfalls zu bewältigen. Hand-lungsbedarf sehen die Teilnehmer insbesondere in der Verzahnung aller an der Prävention und Nach-

    sorge beteiligten Part-ner. Hier schwebt ihnen ein Schnittstellen- und Überle i tungsmanage-ment etwa durch Pati-entenlotsen vor. Defizite sehen sie auch durch die Versorgungsunter-schiede in Stadt und

    Leitfaden zur Open Space-Veranstaltung: zwölf Arbeitsgruppen fanden sich zu unter-schiedlichen Themen rund um den Schlagan-fall zusammen.

  • Ausgabe 12 | Dezember 2013 25

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    Land. Standardlösungen wurden nicht präsentiert. Stattdessen setzten die Teilnehmer auf gezielte Maßnahmen für unter-schiedliche regionale Vo-raussetzungen.Jede Arbeitsgruppe hielt ihre Arbeit schriftlich fest. Die Gruppe Präven-tion etwa überlegte, ob landes- oder bundes-weite Informations- und Ausbildungsstrategien sinnvoll sind. Zugleich stellte sich für die Teil-nehmer die Frage, wie groß die Motivation ge-sunder Menschen für die Gesundheitsvorsorge ist. Die Arbeitsgruppe Finan-zierung hat als Vision das frühe Erkennen von Vor-hofflimmern zur Vermeidung von Schlaganfällen und damit das Einsparen von Kosten ausgemacht. Die Basisfinanzierung sei zwar vorhanden, die Men-schen müssten aber besser zur Vorsorge motiviert werden. „Open Space hat den Beteiligten einen interdiszi-plinären Austausch auf Augenhöhe ermöglicht. Eine solche Konstellation ist sonst kaum möglich“, sagte Initiator Dr. Herme Rijnberk von Pfizer. Positiv war

    nach seiner Ansicht, dass neben einem Erfahrungs-austausch auch ein Kennenlernen unterschiedlichs-ter Akteure aus dem Gesundheitsbereich stattfand.Der Auftaktkonferenz in Kiel sollen weitere folgen. Im nächsten Jahr werden die schleswig-holsteinischen Akteure erneut eingeladen. Bis dahin werden die kleinen Gruppen, die sich zum Auftakt gebildet ha-ben, auf Wunsch bei der Umsetzung ihrer Ziele vom Unternehmen unterstützt. Pfizer überlegt außerdem, vergleichbare Konferenzen auch in anderen Bundes-ländern anzubieten. Dirk Schnack

    Auftakt zur Open Space-Veranstaltung in Kiel: Jeder Teilnehmer konnte ein eigenes Thema vorschlagen.

    Workshop zu einem der vorgeschlagenen Themen. (Fotos: di)

  • 26 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    SchleSwig-holStein

    Demenz I

    Lernen von Südkorea: per Video Demenzpatienten überwachenEin Stipendiat aus dem Heinrich Sengelmann Krankenhaus will Erkenntnisse aus Seoul vor Ort umsetzen. Südkorea widmet sich der Demenz mit hohem Aufwand.

    Im Rahmen eines Stipendiums der Robert Bosch Stiftung konnte Psychologe und Psychogerontologe Stratos Vamvarapis aus dem Heinrich Sengelmann Krankenhaus für 14 Tage im südkoreanischen Seoul hospitieren. Das Stipendium ermöglichte dem Psy-chologen die Mitarbeit an der Universitätsklinik von Seoul sowie Einblicke in andere Kliniken und Insti-tutionen.An der Universitätsklinik Seoul lernte Vamvarapis auch ein 2006 eingeführtes Telemedizin-Projekt ken-nen, bei dem Patienten videoüberwacht werden. Die behandelnden Ärzte und Therapeuten können die Patienten nicht nur beobachten, sondern ihnen auch Fragen stellen und per Fernübertragung ihre Diag-nosen stellen. „Das erspart den älteren und oft we-nig mobilen Patienten den Weg in eine Arztpraxis“, teilte das Krankenhaus aus Bargfeld-Stegen hierzu mit. Auch Schulungen für Angehörige von Demenz-erkrankten seien bereits per Fernsehübertragung in Seoul angeboten worden.Bei der Betreuung von Pflegeheimbewohnern hät-ten die Mediziner in Seoul „erste positive Erkennt-nisse“ mit dem Verfahren gewonnen. Nach kurzer Zeit hätten die Patienten nach Angaben der Ange-hörigen eine deutliche Verbesserung des körperli-chen Befindens gezeigt. Südkorea widmet sich dem Thema Demenz seit mehreren Jahren und hat laut Klinikangaben bereits 2009 eine Milliarde Dollar aus Regierungs- und Versicherungsgeldern für Demenz-patienten ausgegeben. Die Regierung versuche mit unterschiedlichsten Maßnahmen – ein Beispiel ist die Telemedizin – der steigenden Zahl von Demenz-erkrankten gerecht zu werden. Bedingt durch den gesellschaftlichen Wandel (weniger Geburten, keine drei Generationen mehr unter einem Dach), entfalle die Betreuung der Demenzerkrankten durch jüngere Familienmitglieder. Darüber hinaus mache sich in Südkorea die Sorge breit, dass Demenz – dort bis-

    lang als „Geistersehkrankheit“ oder „zweite Kind-heit“ stigmatisiert – den traditionellen Respekt vor dem Alter minimieren könnte.Vamvarapis ist seit Mai 2012 Stationspsychologe auf der Gerontopsychiatrie und -psychotherapie des Heinrich Sengelmann Krankenhauses. Auf seiner Station werden ältere Menschen mit psychischen Er-krankungen wie Depressionen, Psychosen, affekti-ven Störungen, Alzheimer und anderen Demenzen behandelt. Demenz ist für Vamvarapis ein zentrales Thema. „In Deutschland sehen wir uns bekanntlich mit einer dramatisch zunehmenden Anzahl von De-menzkranken konfrontiert. Für uns gilt es, die Versor-gungsstruktur für erkrankte Patienten zu verbessen und diese optimal auf den Stationen im Krankenhaus integrieren zu können“, sagte der Psychologe. Sein Krankenhaus plant mittelfristig eine spezielle Gruppe für Menschen mit demenziellen Erkrankungen. Die Patienten sollen von einem interdisziplinären Team im Rahmen des stationären Aufenthalts betreut wer-den. Auch eine Gedächtnissprechstunde, bei der sich Angehörige von Demenzerkrankten Rat und Un-terstützung einholen können, ist geplant.Um von den Erfahrungen der Südkoreaner zu lernen und neue Erkenntnisse in Diagnostik und Therapie von demenzerkrankten Patienten zu erhalten, be-warb sich der Psychologe des Heinrich Sengelmann Krankenhauses um ein Stipendium bei der Robert Bosch Stiftung. Diese unterstützt mit dem Internatio-nalen Studien- und Fortbildungsprogramm Demenz Studierende und Fachkräfte im Versorgungsbereich Demenz, die sich im Ausland fort- und weiterbilden möchten. Seit Beginn der Vergabe von Stipendien der Robert Bosch Stiftung war dieses das erste für eine Hospitation in Südkorea. „Nun gilt es, diese neuen Erkenntnisse in meine Arbeit im Heinrich Sen-gelmann Krankenhaus einfließen zu lassen“, berich-tet der Psychologe nach seiner Rückkehr. (PM/Red)

  • Ausgabe 12 | Dezember 2013 27

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    Demenz II

    Geriatrie denkt innovativ bei der Versorgung von DemenzkrankenDas Malteser St. Franziskus-Hospital in Flensburg betreibt die älteste geriatri-sche Klinik im Land. Geriatrie heute noch Schwerpunkt – mit Fokus Demenz.

    Rund 200 Ärzte, Apotheker, Psychologen, Pflege-kräfte, Sozialarbeiter und Therapeuten interessierten sich für die Veranstaltung „Menschen mit Demenz im Krankenhaus“, die von der Geriatrie des Malteser Krankenhauses unter Mitwirkung des Kompetenz-zentrums Demenz Norderstedt, der Alzheimer Ge-sellschaft Flensburg sowie der Malteser Fachstelle Demenz in Köln ausgerichtet wurde.Neben aktuellen diagnostischen und therapeuti-schen Aspekten einer Demenz wurden durch die Referenten zukunftsweisende Versorgungsformen im Kontext einer demenziellen Erkrankung aufge-zeigt. Bei einer frühzeitigen Diagnostik spielt vor al-lem der Hausarzt der Betroffenen eine enorme Rolle, hier sei oft „kriminalistisches Forschen“ gefragt, wie Dr. Peter Landendörfer als niedergelassener Arzt in Bayern betonte. Ebenso bedarf es in den ambulan-ten und stationären Bereichen anderer Strukturen. Dr. Simone Gurlit, Anästhesistin am St. Franziskus-Hospital Münster, stellte das dortige perioperative OP-Management rund um demenziell erkrankte Pa-tienten vor, die dort eine individuelle kontinuierliche Betreuung erhalten.In Flensburg hat man die tolle Situation, Geriatrie und Psychiatrie im Rahmen des Medizinischen Kli-nikverbundes zusammenbringen zu können, wie PD Dr. Werner Hofmann, geriatrischer Chefarzt am FEK Neumünster, anerkannte. Dr. Frank Helmig, Chef-arzt der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an der DIAKO, stellte die geronto-psychiatrische Tagesklinik vor. Neben bereits exis-tierenden Angeboten wie Gedächtniskliniken und Spezialstationen, Maßnahmen zur Verhinderung von Verwirrtheitszuständen im Zusammenhang mit einer Krankenhausbehandlung oder einer erforderlichen Operation wurde das dreistufige Malteser-Konzept eines demenzfreundlichen Krankenhauses präsen-tiert. Die Klinik für Geriatrie am St. Franziskus-Hospital

    in Flensburg bietet seit längerer Zeit in Zusammen-arbeit mit der Alzheimer-Gesellschaft Flensburg eine Gedächtnissprechstunde sowie neuropsychologi-sche Diagnostik an, die ein entscheidender Baustein bei der Diagnose einer Demenzerkrankung ist. Seit Beginn dieses Jahres finden gemeinsam mit der Alz-heimer-Gesellschaft stark frequentierte Demenzfra-gestunden in den einzelnen Stadtteilen Flensburgs statt, wie zuletzt im November im Weiche Hus Flens-burg. Seit Juni ist zudem, wie Weil betonte, eine Di-rektaufnahme entsprechender Patienten, auch mit kognitiven Einschränkungen, aus der gemeinsam mit der DIAKO betriebenen Zentralen Notaufnahme in die Klinik für Geriatrie möglich. Dies ermöglicht einen rascheren Zugang zu spezialisierter geriatri-scher Versorgung. Zudem ist ein Demenzbereich für diese Patienten am St. Franziskus-Hospital im Auf-bau, wie der Geschäftsführer der Malteser Nord-deutschland gGmbH, Klaus Deitmaring, ausführte. Dr. Jochen Hoffman, Chefarzt der Geriatrie am Mal-teser Krankenhaus St. Hildegardis in Köln, sammelt seit vier Jahren Erfahrungen mit der integrierten Sil-viahemmet-Station und bilanziert: „Eine Spezialsta-tion hat positive Effekte auf die Verweildauer – der Outcome ist auch für die Kostenträger besser als auf einer Normalstation.“Die Bedeutung des Themas Demenz für eine Kom-mune hob Simon Faber, Oberbürgermeister der Stadt Flensburg, in seiner Grußrede hervor und be-tonte die Bedeutung eines entschleunigten, sicheren und ruhigen Krankenhausaufenthaltes für die Betrof-fenen. Der Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, Dr. Franz-Joseph Bartmann, beschrieb das demenzielle Syndrom weniger als eine Krankheit, sondern eher als eine Lebensform. Fest steht für den Initiator der Veranstaltung, Dr. Klaus Weill, dass die Ansprüche an die Versorgung von Demenzkranken kontinuierlich steigen. (PM/Red)

  • 28 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    SchleSwig-holStein

    Kooperation

    Blaupause aus Brunsbüttel für die medizinische Versorgung

    Entwickelt sich das Westküstenklinikum (WKK) Brunsbüttel vom Sorgenkind zum Vorzeigemo-dell? Das entscheidet sich bis 31. März kommen-den Jahres. Bis dahin haben sich die Beteiligten im Süden Dithmarschens Zeit gegeben für eine ge-meinsame Linie mit den Krankenkassen zur einem Versorgungskonzept, das die üblicherweise starren Grenzen zwischen dem ambulanten und stationä-ren Sektor überwinden soll. Gelingt diese Einigung nicht, wird weiter gestritten und wohl auch weiter prozessiert um den Sicherstellungszuschlag, den das WKK wie berichtet als erstes Festlandkranken-haus in Deutschland fordert und zuletzt auch zuge-sprochen bekommen hatte. 1,5 Millionen Euro sollen über den Sicherstellungs-zuschlag nach Brunsbüttel fließen, damit das kleine Krankenhaus sein Angebot vorhalten und die damit verbundenen Kosten decken kann. Die Krankenkas-sen sehen darin keine Zukunftslösung, sie fordern schon seit Jahren eine strukturelle Lösung. Die

    scheint jetzt in Sicht. Gelingt die Einigung, könnte in den kommenden zehn Jahren sogar ein Versor-gungsmodell entstehen, das als Vorbild für die künf-tige medizinische Versorgung in ganz Deutschland dienen könnte. Dafür aber müssen die Barrieren zwi-schen dem stationären und ambulanten Bereich fal-len und Mittel zwischen den Sektoren fließen. Ob am Ende ein regionales Versorgungsbudget stehen könnte, ließen die Verantwortlichen bei einer Presse-konferenz zum Thema im November in Brunsbüttel offen.Fest steht, dass das defizitäre WKK wegen der ho-hen Vorhaltekosten derzeit nicht wirtschaftlich zu betreiben ist. Aus dem WKK könnte deshalb ein Facharztzentrum werden, in dem Klinikärzte stati-onär arbeiten und zugleich Sprechstunden für die ambulante Versorgung anbieten. Die KV ist laut Kli-nikmanager Harald Stender grundsätzlich bereit, über zusätzliche Kassenarztsitze für die Region über die Bedarfsplanung hinaus nachzudenken. Neben

    (Foto: WKK)

    Statt weiter um den Sicherstellungszuschlag zu streiten, wollen das Westküstenkli-nikum (WKK) und die Krankenkassen ein neues Versorgungskonzept etablieren.

  • Ausgabe 12 | Dezember 2013 29

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    der KV, den Krankenkassen und dem Westküstenkli-nikum sind auch das Kieler Gesundheitsministerium, die Ärztegenossenschaft Nord und das Medizini-sche Qualitätsnetz Westküste (MQW) sowie der Ärz-teverein in die Überlegungen eingebunden.Träger der zusätzlichen Sitze könnte eine gemein-same Tochtergesellschaft von WKK und Ärztegenos-senschaft Nord werden. An dieser schon vor Jahren gegründeten Gesellschaft WestDoc GmbH halten beide Partner Anteile. Die WestDoc ist derzeit Träger von Medizinischen Versorgungszentren mit vielen Arztsitzen in Dithmarschen. Hier werden die Gren-zen zwischen Krankenhaus und Praxis räumlich und personell bereits überschritten – mit vielen positiven Erfahrurgen. Über eine Anstellung, die eine Tätig-keit im ambulanten und stationären Bereich bietet, glaubt Stender weitere neue Ärzte nach Dithmar-schen holen zu können. Interessenten für Einzelpra-xen sind dagegen wie berichtet rar.Parallel zum Ausbau der ambulanten Strukturen ist Stender bereit, Abstriche bei den stationären Kapa-zitäten zu machen. Derzeit verursachen diese Kapa-zitäten hohe Vorhaltekosten – bei gerade mal 5.100 stationär behandelten Patienten im vergangenen Jahr. Die Zahl der ambulant behandelten Patienten im WKK betrug dagegen 57.000. Das Problem für das WKK ist die geringe Bevölkerungszahl im Ein-zugsgebiet. Ein völliger Verzicht auf eine stationäre Versorgung ist nach Ansicht der Beteiligten aber keine Lösung. „Es wird weiterhin stationäre Versorgung geben“, stellt Stender klar. Bleiben soll nach bisheriger Ein-schätzung auf jeden Fall eine rund um die Uhr be-setzte Notfallbehandlungseinheit. Ein Abbau etwa in der Intensivmedizin sei aber denkbar, bestätigte Stender in der Pressekonferenz. Derzeit hält das WKK 140 Betten hauptsächlich für Innere (70), Chi-rurgie (35) und Geriatrie (13) vor. Außerdem sind drei Betten für HNO, zwei für Urologie, und jeweils eins für Gynäkologie und Hämodialyse ausgewiesen. Die psychiatrische Tagesklinik verfügt über 15 Betten. Die rund 330 Mitarbeiter (180 Vollzeitkräfte) müssten wegen des langen Übergangszeitraums von zehn Jahren nicht um ihren Arbeitsplatz fürchten.Die durch den Kapazitätsabbau frei werdenden Mit-tel könnten zum Teil in die ambulante Versorgung im neuen Facharztzentrum investiert werden. Auch der umstrittene Sicherstellungszuschlag könnte dann umgewidmet werden und in die neuen Strukturen

    fließen. Als größte Hürde hat Stender das „hochre-gulierte Gesundheitssystem“ ausgemacht. Eine Ver-schiebung von Mitteln aus dem stationären in den ambulanten Bereich ist nur unter bestimmten Be-dingungen möglich. Stender hält deshalb einen Mo-dellversuch für am wahrscheinlichsten. Beim Träger des WKK, zu dem auch das wesentlich größere – und unwirtschaftlich arbeitende – Krankenhaus in Heide zählt, stoßen die Pläne auf volle Zustimmung. Dr. Jörn Klimant, als Landrat Chef des WKK-Auf-sichtsrates, sprach bei der Vorstellung der Pläne von einem „beispielhaften Weg, der als Vorbild für Deutschland dienen könnte“. AOK Nordwest, Ersatz-kassenverband und Betriebskrankenkassen begrüß-ten die Bemühungen in Dithmarschen. „Wenn dieses Modell so funktioniert, wie wir uns das vorstellen, pro-fitieren davon alle“, sagte Dr. Dirk Janssen vom BKK Landesverband Nordwest. Martin Litsch, Vorstands-vorsitzender der AOK Nordwest, hält es für möglich, dass im gemeinsamen Dialog den Menschen der Re-gion künftig eine „moderne, wohnortnahe, qualitativ hochwertige und bezahlbare Versorgung“ geboten werden kann. Dafür ist nach Ansicht von vdek-Chef Armin Tank eine enge Verzahnung von Akteuren und Leistungen erforderlich. Ihm schwebt ein „Klinisches Versorgungszentrum“ vor, das ein stationäres Ange-bot vorhält und dabei niedergelassene Fachärzte, eine psychiatrische Institutsambulanz und eine Ret-tungswache einbindet. Auch aus der Politik gibt es bereits positive Reso-nanz auf den neuen Dithmarscher Dialog. Dies gilt nach Angaben der Initiatoren für das Kieler Gesund-heitsministerium, aber auch für die Opposition. Kars-ten Jasper, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, sprach von einem „zukunfts-trächtigen Modell, wenn alle Beteiligten auf Augen-höhe eingebunden werden“. „Ein starres Festhalten an Altem bringt die medizinische Versorgung gerade im ländlichen Raum kein Stück voran. Hier brauchen wir innovative Modelle. Die Aufhebung der Barrieren zwischen stationärer und ambulanter Leistung ist ein richtiger Ansatz“, sagte Jasper. In der Stadt Brunsbüttel selbst hofft Bürgermeister Stefan Mohrdieck auf ein innovatives Modell, weil zuletzt nicht mehr alle Praxen nachbesetzt werden konnten. Stender selbst ist überzeugt, dass die Eini-gung gelingt: „Wenn es hier nicht gelingt, gelingt es nirgendwo.“Dirk Schnack

  • 30 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

    SchleSwig-holStein

    Studium

    Das Medizinstudium der Zukunft: Lübeck sieht sich gut aufgestellt„Der Lübe