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nr. 71 7 / 8 / 2002 zeitung für den studiofilm im arthouse alba arthouse commercio arthouse movie 1+2 arthouse nord-süd arthouse le paris arthouse piccadilly riff raff uto e w s i e n o v m Studiofilm-Vorpremieren Arthouse Piccadilly, Zürich-Stadelhofen Sommerpause bis 5. September 2002 www.lunchkino.ch hable con ella hable con ella der schönste film von pedro almodóvar

nr. 71 7 8 2002 zeitung für den studiofilm imarthouse alba ... · sement oder zu Hause. Tanzt, hat Sex, streitet und ... Mit: Chartchai Ngamsan, Stella Malucchi ... Also macht sich

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nr. 71 • 7 / 8 / 2002 zeitung für den studiofilm im arthouse alba • arthouse commercio •

arthouse movie 1+2 • arthouse nord-süd • arthouse le paris • arthouse piccadilly • r i f f ra f f • uto

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Studiofilm-VorpremierenA r t h o u s e P i c c a d i l l y , Z ü r i c h - S t a d e l h o f e nS o m m e r p a u s e b i s 5 . S e p t e m b e r 2 0 0 2w w w . l u n c h k i n o . c h

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der schönste film von pedro almodóvar

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Den Ruf eines so sorgfältigen wie kompromisslosen Beobachters derGesellschaft hat sich Larry Clark schon mit «Kids» geholt. Nun doppelter nach: BULLY ist das ultimative Jugendbanden-Movie aus den USA.Ein Film in der Nachfolge von «Rebel Without a Cause»; aufwühlend,direkt und berührend in der ungebrochenen Darstellung der Hilflosig-keit, mit der eine Hand voll befreunde-ter Highschool-Kids aus Kalifornien Pro-bleme wie Beziehungen, Drogen undKlassengefälle nicht auf die Reihekriegt. Oder, wie das die «Chicago Sun-Times» formuliert: «BULLY ist auf seineArt ein Meisterwerk; die erschreckendeAnklage an eine Gesellschaft, die eini-gen ihrer Kinder absolut nichts offeriert– und eine Anklage an die Kinder,denen es an Ideen und Mut fehlt, dieserzu entfliehen.» BULLY zu Grund liegt einwahre Begebenheit aus dem Jahr 1993.

bully

Mit einem Vorhang, der sich über eine Bühne erhebt, endete «Todosobre mi madre», Pedro Almodóvars letzter Film – mit dem sich wiederöffnenden Vorhang beginnt HABLE CON ELLA, sein neustes Œuvre. Auf-geführt wird Pina Bauschs «Café Müller»: Zwei Frauen tanzen mit ge-schlossenen Augen durch einen Raum voller Stühle. Im Publikum sitzennebeneinander zwei Männer: Marco,der Reisejournalist, und Benigno, derKrankenpfleger. Die beiden kennen sichnicht. Marco, berührt von der Schönheitder Aufführung, weint; Benigno ist zuschüchtern ihn anzusprechen undnimmt die Rührung des Fremden mit insein Leben. Das ist der Anfang vonHABLE CON ELLA, dem berührendstenFilm von Pedro Almodóvar. BauschsTanz verweist auf Kommendes: Marcound Benigno werden sich an den Kran-kenbetten ihrer Geliebten, die beide im

Koma liegen, wieder begegnen und Freunde werden. Eingebettet istHABLE CON ELLA in ein unverkennbar Almodóvar’sches Szenario: Tanzund Stierkampf, Katholizismus und Schriftstellerei, Familienbanden undsexuelles Begehren. Dazu kommt das Schicksal: Marcos Freundin, eineTorera, wird bei einem Kampf verletzt. Benignos Alicia, von Beruf Tän-

zerin, von einem Auto angefahren.«Sprich mit ihr», rät Benigno, als erMarco hilflos am Bett seiner komatösenGeliebten sitzen sieht: HABLE CONELLA, meinte Almodóvar, sei ein Filmübers Kommunizieren und die Einsam-keit. Es ist aber auch ein Film über dieLiebe und über eine wunderschöneMännerfreundschaft.

Regie: Pedro Almodóvar. Mit: Javier Cáma-ra, Darío Grandinetti, Geraldine Chaplin.Monopole Pathé Films.

hable con ella – talk to her

Auf Aufriss lernen der knackige Bobby und sein schüchterner FreundMarty zwei Mädchen kennen. Derweil Bobby in seiner harschen Art diesexy Ali flach legt; gibt sich Marty mit der eher zurückhaltenden Lisa ab.Marty und Lisa werden ein Paar und kurze Zeit scheint BULLY dieGeschichte zweier durch Liebe geretteter Kids zu erzählen. Doch dann

wird Lisa schwanger und es gibt Pro-bleme. Vor allem Martys Abhängigkeitvon Bobby macht Lisa zu schaffen undeh man sich versieht, nimmt BULLY eineunverhofft ungute Wende... BULLY istso schonungslos, wie wichtig. Eben einFilm «wie ein Medikament gegen Krebs:Stark, schwer einzunehmen und absolutnotwendig». (New York Times)

Regie: Larry Clark. Mit: Brad Renfro, RachelMiner, Nick Stahl, Bijou Phillips. Verleih:Frenetic Films.

Wie bringt ein unbekannter Regisseur für einen Low-Budget-Film wieDON’S PLUM gleich zwei Superstars wie Leonardo DiCaprio und «Spi-derman» Tobey Maguire gemeinsam vor die Kamera? Die Antwort findetsich im ursprünglichen Produktionsjahr von DON’S PLUM: 1995.Damals, im Jahr der ersten dänischen Dogma-Filme, konnte der jungeAmerikaner RD Robb seine noch nichtim Superstar-Status verankerten Kum-pels DiCaprio und Maguire zu einemweitgehend improvisierten Buddy-Drehanimieren. Gedreht wurde auf Schwarz-Weiss-Material und gezeigt wird inDON’S PLUM, wie sich vier Freunde inihrer Stammkneipe mit gleichem Namentreffen. Jeder sollte zu diesem Treff eineFrau mitbringen und so sieht man dievier zunächst einmal nach Mädchenfischen. Der linkische Ian – TobeyMaguire – schleppt zu seiner eigenen

Verblüffung die hübsche Kellnerin Juliet an, Jeremy die AutostopperinAmy und Brad eine Ex-Bettgenossin. Bloss der selbstsichere Derek –Leonardo DiCaprio – kreuzt solo auf, macht das aber mit seinemgeschliffenen Mundwerk und seiner Lust an Provokation mehr als wett.DON’S PLUM ist ein witziges Generationenporträt in der Tradition von

«Diner» oder «Beautiful Girls». DassDiCaprio und Maguire, inzwischen zuSuperstars avanciert, die Vorführungvon DON’S PLUM in Nordamerika perGerichtsbeschluss verbieten liessen, istanbetrachts ihrer jeweiligen schauspie-lerischen Glanzleistung kaum verständ-lich – und macht die Schweizer Urauf-führung umso reizvoller.

Regie: RD Robb. Mit: Leonardo DiCaprio,Tobey Maguire, Amber Benson. Verleih:Frenetic Films.

don’s plum

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East meets West, alt umarmt neu: Nie ist Kino innovativer als da, woStile und Kulturen zusammentreffen. Hat letztes Jahr «Crouching Tiger,Hidden Dragon» als Paradebeispiel eines Fusion-Films die Weltkassengestürmt, so kommt mit TEARS OF THE BLACK TIGER nun ein noch weitgewagteres Exempel ins Kino: Das Regiedebut des Thailänders WisitSasanatieng ist eine gelungene Mi-schung von Western, Actionfilm und tra-ditionellem thailändischen Melodrama.Erzählt wird eine Lovestory: Bereits alsKinder lernen sich der BauernssohnSeua Dum und die GouverneurstochterRumpoey kennen. Die beiden erlebenin der Idylle einer Seerosen-Landschafteine kindliche Romanze, an deren Endedas elterliche Verbot des Sich-Wieder-sehens steht. Als junge Erwachsene lau-fen sich die Protagonisten von TEARSOF THE BLACK TIGER erneut über den

Hitzewelle und Wochenende in Niederösterreich. Die Sonne gleisst, imRadio wird von aufbrechenden Strassenbelägen gewarnt. Tagsüberschmoren die Menschen in der Sonne oder verkriechen sich in dunklenInnenräumen. Nachts verlustiert man sich. In der Disco, im Sex-Etablis-sement oder zu Hause. Tanzt, hat Sex, streitet und versöhnt sich wie-der: HUNDSTAGE heisst Ulrich Seidlsneuster Film und lässt den nebstMichael Haneke bösesten Buben desjungen österreichischen Kinos imbesten Licht erscheinen: An den Film-festspielen von Venedig hat Seidl mitseinen Spielfilmerstling den Preis derJury geholt. Verdienterweise, dennHUNDSTAGE, meint «Blickpunkt: Film»,ist «fraglos der radikalste, konsequen-teste, originellste und auf erschrecken-de Weise unterhaltsamste Film der Film-festspiele von Venedig». Tatsächlich

beschäftigt Seidl in HUNDSTAGE, was ihn schon in seinen preisgekürtenDokumentarfilmen wie «Models» und «Good News» umtrieb: Das ganznormale Mensch-Sein. Seine Protagonisten sind aus dem Leben gegrif-fene Anti-Helden: Herr Hubry geht als Vertreter von Alarmanlagen vonTür zu Tür. Witwer Walter pflegt seinen Rasen. Die blonde Klaudia

macht im Auto mit Macho Mario rum.Der Grieche und die Griechin legenschweigend einen Blumenstrauss aufsGrab ihrer Tochter. Hier und da lüpftSeidl den Vorhang der Wohlfeilheit. Gibtfür Sekundebruchteile den Blick inAbgründe frei. Und verpasst HUNDSTA-GE einen unvergesslich subtilen Dreh.

Regie: Ulrich Seidl. Mit: Alfred Mrva, MariaHofstätter, Georg Friedrich. Verleih: FamaFilm.

hundstage

Weg. Diesmal beschliessen sie, ihrer Liebe treu zu bleiben. Doch danntritt Dum unter dem Decknamen Black Tiger einer Gaunerbande bei undRumpoey heiratet ausgerechnet den Polizeioffizier, der mit deren Besei-tigung beauftragt ist. Tragisch, leidenschaftlich und humorvoll geht esin TEARS OF THE BLACK TIGER zu. Der Regisseur verpasst kein einziges

melodramatisches Klischee und lässtseine Helden inmitten kühner Farbkom-positionen zu einer wilden Mischungvon Western-Melodien, klassischer Mu-sik und traditionellen Thai-Songs umihr Glück ringen. Wobei den Kinosaalunvermittelt exotische Magie durch-zieht.

Regie: Wisit Sasanatieng. Mit: ChartchaiNgamsan, Stella Malucchi, Supakorn Kitsu-won. Verleih: Frenetic Films.

tears of the black t iger

Kein europäisches Land hat eine derartige lange Kinotradition wieFrankreich, kein Volk frönt dem einheimischen Filmschaffen mehr alsdie Franzosen. Satte zehn Prozent an Zuschauerzahlen zugelegt hat dasfranzösische Kino in seiner Heimat letztes Jahr, erreichte die Traumquo-te von 40 Prozent Marktanteil – und daran ist nicht nur die wunderbar-wunderliche Amélie von Montmartreschuld. Dass man in Zürich entdeckenkann, was ausser Hits wie «8 femmes»und «L’anglaise et le duc» die Nachbarnim Westen ins Kino lockt, führt die Art-house Commercio Movie mit Unterstüt-zung der Ambassade de France das 4.

FESTIVAL DU CINEMA FRANÇAIS durch.In bereits liebgewordener Tradition liegtder Augenmerk der Veranstaltung dabeiauf den Werken der kreativsten Vertre-ter von Frankreichs Regisseur-Gilde. DiePalette des Gezeigten ist breit und

bunt. Auf dem Programm stehen dieses Jahr nebst Benoît Jacquotsgenialer Tosca-Verfilmung auch Dominique Cabreras LE LAIT DE LATENDRESSE HUMAINE und Jean-Pierre Améris’ C’EST LA VIE. ErzähltLE LAIT DE LA TENDRESSE HUMAINE wie eine dreifache Mutter in den«Baby-Blues» schlittert und damit das Leben ihrer ganzen Familie auf

den Kopf stellt, so durchleben SandrineBonnaire und Jacques Dutronc in C’ESTLA VIE eine der zärtlichsten Liebes-geschichten dieses Sommers. So dassdas 4. FESTIVAL DU CINEMA FRANÇAISbleibt, was es immer war: Der heissesteFilmtipp des Zürcher Kinosommers.

4. FESTIVAL DU CINEMA FRANÇAIS vomJuni–September 2002 im Arthouse Nord-Süd.

4 . F E S T I V A L D U C I N E M A F R A N C A I S

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«Brombeerchen» nennt Lili ihren Freund Andi. Erlauben kann sich Lilidas nur, weil sei die schönste Kitsch-Queen der Welt ist, auf TV-Soapssteht, und weil Andi sie über alles liebt. Die beiden sind von zu Hauseabgehauen und fahren in BROMBEERCHEN im grasgrünen Peugeotdurch Spanien. Wie «ein Roadmovie im Stile der 80er Jahre» stellen siesich ihren Ferientrip vor, sind jung undlebensgierig, schmeissen Trips undstecken voller Träume, Wünsche undWidersprüche. Und haben keinen Sex.Denn Andi – gespielt von «Sonnenal-lee»- und «Crazy»-Star Robert Stadlober– ähnelt zwar Brad Pitt und ist rebel-lisch wie James Dean; doch von Sexhält er nichts. Lieber raucht er einenJoint, träumt am Strand und lässt Lili imHotel zurück. Wo diese prompt voneinem komischen Kauz namens Sylves-ter angemacht wird. Nichts von ihm

... «J’ai pas sommeil», «Nenette et Boni», «Chocolat» und «Le beautravail»: Neun hoch gelobte Spielfilme hat Claire Denis bisher gedrehtund gilt als eine der mutigsten und wichtigsten Filmemacherinnen derfranzösischen Post-Nouvelle-Vague. Nachdem sie für ihre Fremden-legions-Geschichte «Le beau travail» eine Reihe Preise einheimste,steuert sie mit TROUBLE EVERY DAYnun auf einen neuen Höhepunkt ihresSchaffens zu. Denn mit TROUBLE EVERYDAY dringt die Französin ins Reich derAlpträume und Science-Fiction vor inein Revier, das recht eigentlich DavidCronenberg gehört. Da ist das frischverheiratete, amerikanische Ehepaar:June und Shane Brown, auf Flitterwochein Paris. June ist jung, hübsch, quirlig;Shane einiges älter und von Beruf Arzt.Zärtlich sind die beiden, der überarbei-tet wirkende Doktor will nichts sehnli-

cher, als seine junge Ehe festigen. Doch mit seiner Libido hapert es.Also macht sich Shane auf die Suche nach dem Sexualforscher Dr. -Semeau, in dessen Team er früher gearbeitet hat. Doch Semeau ist vollbeschäftigt mit der Behandlung seiner Frau, die sich vor Jahren für Ver-suche zur Verfügung stellt und nun während dem Sexualakt seltsam

kannibalistische Lüste an den Tag legt.TROUBLE EVERY DAY präsentiert «BettyBlue»-Star Béatrice Dalle als sinnlicheVampirin und Vincent Gallo als ihrmännliches Pendant. Es ist eine hoch-ästhetische Love-Story, gedreht ausdem Stoff, aus dem üblicherweiseDavid Lynchs Horror-Filme bestehen.

Regie: Claire Denis. Mit: Béatrice Dalle,Vincent Gallo. Verleih: Frenetic Films.

trouble every day

wissen will Lili und fährt doch mit, als Sylvester sie und Andi für einpaar Tage in eine Villa einlädt. Da gibts Goldfische im Swimmingpoolund einen Hund auf Ecstasy. Partys, immer noch keinen Sex, aber einePistole und ein geknebeltes Ehepaar. «Die Jugend ist eine Zeit derSuche nach sich selbst», meint Jungregisseur Oliver Rihs und präsen-

tiert mit BROMBEERCHEN das Porträteiner «lost generation», die auf Trash,Trips und Tagträumereien abfährt, imPrinzip aber nach echten Gefühlensucht. Weil in BROMBEERCHEN nebstRobert Stadlober mit Mina Tander eineder hipsten Nachwuchsschauspielerin-nen Deutschlands spielt, ist Rihs Regie-debut einer der coolsten Filme desSommers 2002.

Regie: Oliver Rihs. Mit: Mina Tander,Robert Stadlober, Birol Ünel. Verleih: FamaFilm.

brombeerchen

Das titelgebende BIRTHDAY GIRL ist die hinreissende Nicole Kidman,für einmal nicht als Glamour-Katze, sondern als russische Internet-Braut mit Anhang. Gedreht wurde BIRTHDAY GIRL, noch vor «MoulinRouge», zum grössten Teil in Kidmans Heimat Australien. John Bucking-ham – Ben Chaplin – ist ein aufrechter britischer Angestellter, der sichüber die Website «From Russia withLove» die schöne Nadia nach Englandgeholt hat. Als er feststellt, dass ihrenglischer Wortschatz nur gerade dieSilbe «yes» umfasst, will er sie in Panikwieder zurückschicken. Aber Nadia lässtauch wortlos ihren Charme spielen undJohn kauft ihr ein Wörterbuch. AnNadias Geburtstag kommen aus Russ-land Nadias Bekannte Yuri and Alexei zuBesuch und der gute John, der sein Herzschon verloren hat, verliert nun auchnoch die Kontrolle über sein geordnetes

Leben. Geiselnahme, Bankraub und andere «very» unbritische Unzivili-siertheiten folgen. BIRTHDAY GIRL ist ein temporeiches, politisch wun-derbar unkorrektes Vergnügen, und den exzellenten Darstellern ist derSpass an der Sache jederzeit anzumerken. Insbesondere Nicole Kidman– für einmal nicht blond oder rot sondern mit langem, braunem Haar

und dunklem Augen-Makeup – spieltjede Sekunde ihrer Anti-Glamour-Rollemit russischem Akzent, russischer Kör-persprache und mit ihrem ureigenenaustralischen Schalk.

Regie: Jez Butterworth. Mit: Nicole Kid-man, Ben Chaplin, Vincent Cassel, MathieuKassovitz. Verleih: Ascot-Elite.

birthday girl

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Was wäre wenn? – Jeder hat sich im Geiste wohl schon vorgestellt, obsein Leben nicht anders hätte verlaufen können. Ob gewisse Begeg-nungen zu anderen Beziehungen, anderen Karrieren geführt hätten.Ausgehend von diesem Gedankenspiel hat die preisgekrönte brasiliani-sche Regisseurin Sandra Werneck einen Film gedreht und spielt inAMORES POSSIVEIS verschiedene Varia-tionen einer Lovestory mit Unterbrüchenund Fortsetzungen vor. An einem ver-regneten Sommerabend lässt die Kunst-studentin Julia ihren Geliebten Carlosam Eingang des Kino Odéon in Rio deJaneiro schnöde sitzen. Fünfzehn Jahrespäter begegnen sich die beiden wiederund verlieben sich erneut. Was war dieJahre dazwischen, fragt Werneck undspielt in AMORES POSSIVEIS Schicksals-Schmiedin. In Version eins ihrer Ge-schichte ist Carlos inzwischen verheira-

amores possiveis

Es gibt sie noch, diese magischen Filme, die einen verführen, betörenund nicht mehr loslassen. INNOCENCE ist einer davon. Schlicht, mit vielHumor und grosser Sensibilität erzählt er eine Liebesgeschichte, welcheein ganzes Leben umspannt. Eines Tages realisiert der pensionierte Or-ganist und Musiklehrer Andreas Borg, dass seine erste grosse LiebeClaire in der selben Stadt lebt wie er.Fünfzig Jahre früher waren die beidenleidenschaftlich ineinander verliebt,doch das Schicksal trennte ihre Wege.Behutsam nimmt Andreas wieder Kon-takt auf mit Claire. Es scheint, als habesich nichts verändert – doch selbstver-ständlich ist heute alles anders. Andreasist seit Jahrzehnten Witwer, Claire ver-heiratet. Gleichwohl geschieht, wasnicht aufzuhalten ist: Mit den Erinnerun-gen erwacht das längst erloschene Feu-er wieder. INNOCENCE ist eine Homma-

innocence

tet und Rechtsanwalt; die Wiederbegegnung mit Julia führt in eine letzt-endlich harmlose Affäre. In Story zwei haben Julia und Carlos geheiratetund zusammen ein Kind. Doch dann hat Carlos seine Liebe zu Männernentdeckt und lebt nun mit Pedro; die Wiederbegnung mit Julia ist Erin-nerung an eine Zeit, in der man zusammen glücklich war. Bleibt Versi-

on drei, die von Carlos, dem Frauenhel-den erzählt, der immer noch bei seinerMutter lebt. «Kann man fünfzehn Jahreauf eine Frau warten?», fragt Carloshier. Man kann, sagt Werneck. Denn imPrinzip ist AMORES POSSIVEIS eineHommage an die Liebe. Und die kannalle möglichen Formen haben.

Regie: Sandra Werneck. Mit: Carolina Fer-raz, Murilo Benício. Verleih: Fama Film.

ge ans Leben. Im Zentrum stehen nicht Jugend und erstes Verliebtsein,sondern die Liebe in ihrer ganzen Komplexität, pendelnd zwischen Lei-denschaft und Entbehrung, zwischen Zufälligkeit und Abhängigkeit. EinMeister sensibel inszenierter Stimmungen akzentuiert der AustralierPaul Cox die Gefühlslagen seiner Figuren mittels Naturaufnahmen und

Lichtgestaltung. Gepaart mit durchsBand überragenden Darstellerleistun-gen macht dieses aussergewöhnlicheGespür für das Visuelle INNOCENCE zueinem einzigartigen Ereignis. Seltenwurde im Kino derart differenziert überLiebe, Lust und Zärtlichkeit berichtet –und über die Tiefgründigkeit desAlterns.

Regie: Paul Cox. Mit: Julia Blake, CharlesTingwell. Verleih: Stamm-Film.

Alchemisten, nennt man sie, Geisterheiler oder Schamanen: NachdemClemens Kuby mit «Das alte Ladakh» und «Living Buddha» zwei grosseKinoerfolge feierte und sich in zehn Dokumentarfilmen mit demBuddhismus auseinandersetzte, beschäftigt er sich in UNTERWEGS INDIE NÄCHSTE DIMENSION nun mit anderen Formen spitirueller Kulturen.Sein Film beginnt im Amazonas-GebietPerus, beim Schamanen Don AgustinRivas Vasquez, der seine Patienten mitHilfe von Dschungelpflanzen von kör-perlichen und seelischen Leiden erlöst.Er führt in die Philippinen, zu denChirurgen ohne Messer, und nach Nepal,wo die inzwischen verstorbene LhamoDolkar Hilfesuchenden in schamanisti-schen Ritualen Krankheiten aus demKörper saugte. Im Wissen darum, dasses zur klassischen, westlichen Medizinverschiedene Ergänzungen und Alterna-

unterwegs in die nächste dimension

tiven gibt, stellt Kuby in UNTERWEGS IN DIE NÄCHSTE DIMENSIONunterschiedliche spirituelle Wege gleichwertig nebeneinander. Er begeg-net der tanzenden Schamanin aus Korea mit der gleichen Ehrfurcht wiedem burmesischen Alchemisten. Und er verfolgt die Erläuterungen desRussen Evgeni Bondarenko über mentale Kräfte so konzentriert wie die

Diskussionen, welche die Schamanenin einem extra arrangierten Treffenführen. UNTERWEGS IN DIE NÄCHSTEDIMENSION ist ein packendes Plädoyerfür mehr Toleranz und Achtsamkeit ge-genüber einer Art von Wissen und Wis-senschaft, die im westlichen Alltag vielzu wenig Beachtung finden.

Regie: Clemens Kuby. Dokumentarfilm.Verleih: Stamm Film.

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den Zuschauer neunzig Minuten lang mit Traudl Junge alleine lässt. Sel-ten mal nur ist Hellers Stimme zu hören, auf die herkömmliche Bebil-derung des Erzählten durch Dokumentarmaterial wurde verzichtet. Stattdessen schaut Junge Videoaufnahmen von sich selber an wodurch dieTragik ihres Schicksals erst recht deutlich wird: Geblendet von des Füh-

rers Charisma ist Junge ihm als naiveZweiundzwanzigjährige auf den Leimgekrochen. Und hat, auch wenn das inIM TOTEN WINKEL – HITLERS SEKRE-TÄRIN nur am Rande zur Sprachekommt, zeitlebens darunter gelitten,nicht bemerkt zu haben, welch mon-ströser Verbrecher ihr Arbeitgeber war.

Regie: André Heller, Othmar Schmiederer.Dokumentarfilm. Verleih: Xenix Filmdistri-bution.

«Jacob kriegt immer alles, was er will», meint Jørgen. Er muss es wis-sen. Schliesslich sind sie beiden seit Jahren miteinander liiert, teilenBett und eine schicke Wohnung. Wie Jacob zum Anfang von SHAKE ITALL ABOUT mit einer Riesenparty seinen Geburtstag feiert, darf er sichrühmen, der einzige Architekt Dänemarks zu sein, der in seiner Heimateine Moschee baut. «Willst du mich hei-raten», fragt Jacob mitten im Trubel,und Jørgen antwortet ihm in einergewitzten Rede vor aller Augen mit Ja:So einfach und natürlich ist das, wennMann und Mann offiziell ein Paar seindürfen. Doch auch Jacob ist nur einMann: In der gleichen Nacht noch liegter seiner Schwägerin in Spe in denArmen. Nun geht in SHAKE IT ALLABOUT alles drunter und drüber. Der-weil Carolines Gatte Tom nichts ahnt,läuft Jørgen Amok und verliert bei

einem Autounfall ein Auge. Jacob kann Jørgen nicht verlassen und Caro-line nicht vergessen. Und Caroline? Die wird zur Vervollkommnung derTurbulenzen nach kurzer Zeit schwanger. Nun ist Jacob plötzlich klar,dass er Vater werden will und Familie haben, aber Caroline merkt dasssie eigentlich Tom liebt... Manchmal, so das Fazit dieser so schwarz-

humorigen wie romantischen Komödieaus Dänemark, kriegt auch Jacob nichtalles, was er will. Oder anders gesagt:Anbetrachts gewisser Tatsachen kriegenselbst schwule Männer Torschlusspanik.Wie die gefeierte dänische Theaterre-gisseurin Hella Joof in ihrem glänzen-den Filmdebut SHAKE IT ALL ABOUT soüberzeugend wie unterhaltsam darlegt.

Regie: Hella Joof. Mit: Mads Mikkelsen,Troels Lyby, Charlotte Munck. Verleih: Film-coopi.

shake it all about

«Ich hätte auch nein sagen können», meint Traudl Junge retrospektiv.Aber sie hat nicht. Im Gegenteil. Von 1942 bis zum Zusammenbruch desDritten Reichs war Traudl Junge die Privatsekretärin von Adolf Hitler undkam bei ihrer Arbeit dem Führer täglich so nahe, wie kaum jemandanders. Jahrzehntelang hat sie geschwiegen, bis sie kurz vor ihremeigenen Tod zu erzählen begann. Dawurde «Hitlers Sekräterin», die sich andie Farbe von Eva Brauns Röcken unddas Gesicht des Führers vor demSelbstmord erinnern konnte, kurzberühmt. Im Frühjahr 2001 hat derösterreichische Filmemacher André Hel-ler einige Gespräche mit Traudl Jungegeführt und die zehn Stunden Materialanschliessend mit Othmar Schmiedererzum Film montiert. Das Resultat: IMTOTEN WINKEL – HITLERS SEKRETÄRIN,ein aufwühlender Dokumentarfilm, der

im toten winkel – hitlers sekretärin

Entspannt fläzt sich ein Orang-Utan Weibchen im Urwald von Südborneo. DasJunge auf ihrer Brust döst: Ein friedliches Bild, eingefangen in freier Wild-bahn. Später wird das Kleine aktiv. Klettert, purzelt vom Baum, balgt sich mitGleichaltrigen. Die Mutter lässt ihren Sprössling laufen und holt ihn wiederzurück. Ist mal streng, mal gelassen: «Der kleine Affe ist von der Mutter soabhängig wie der Mensch», heisst es in Gérard Viennes LE PEUPLE SINGE.Das gilt nicht nur für die Orang-Utans, sondern für alle Affen. Über 120 Artenleben auf der Welt, ungefähr zwanzig haben Vienne und Team vor die Linsegekriegt. Sie haben in der Savanne Kenias Anubis-Paviane beobachtet, inSüdbrasilien das Geschrei der Brüllaffen eingefangen. Sie haben im tiefenWinter Japans den Rotgesichtmakaks beim Bad in heissen Quellen zuge-schaut und im Amazonas-Dschungel Bilder des seltenen Scharlachgesichtsgeschossen. LE PEUPLE SINGE besticht durch grandiose Kameraarbeit undden spürbaren Respekt gegenüber den Tieren. Es ist der erste Teil der aus-sergewöhnlichen und erfolgreichen Naturfilm-Trilogie, zu der des weitern«Microcosmos» und «Das Geheimnis der Zugvögel» gehören.

Regie: Gérard Vienne. Dokumentarfilm. Verleih: JMH Distributions SA.

le peuple singe

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