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Prof. Dr.Urs Sequin: Organische Chemie fur Studierende der Medizin Einfuhrungsblock im 1. Jahreskurs fur Studierende der Medizin Organische Chemie fur Studierende derMedizin HS 2009 Prof. Dr.UrsSequin Departement Chemie der Universitdt Basel Organische Chemie O Prof. Dr. Urs Sequin 16.7.2009

O rg a n is c hCeh e m iesequin/Med_Neu_16_Sc_T1.pdf · P ro f.D r.U rsS e q u in : O rg a n is c hCeh e m iefu rS tu d ie re n ddee rM e d iz in E in fu h ru n g s b loimc k1 .J

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Prof. Dr. Urs Sequin: Organische Chemie fur Studierende der Medizin

Einfuhrungsblock im 1. Jahreskurs fur Studierende der Medizin

Organische Chemiefur Studierende der Medizin

HS 2009

Prof. Dr. Urs SequinDepartement Chemie der Universitdt Basel

Organische Chemie

O Prof. Dr. Urs Sequin 16.7.2009

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nische Chemie für Studierende der Medizin

INHALT

1. E in le i tung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. Kohlenstof fchemie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9

2 . 1 . E i n l e i t u n g . . . . . . . . . . . . . . . . 32 . 2 . E i n t e i l u n g d e r o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n . . . . . . . . . . . . . . . 3

2 . 2 . 1 . N a c h d e m S k e l e ü . . . . . . . . . . . . 32.2.2 Nach den funkt ionel len Gruppen . . . . . . .4

2 .3 .Fo rme lsp rache . . . . s2 . 3 . 1 . K o n s t i t u t i o n s f o r m e l n . . . . . . . . . . s2 . 3 . 2 . S t e r e o f o r m e l n . . . . . . . . . . . . . . s

2 . 4 . N o m e n k l a t u r . . . . . . . . . 52 . 4 . 1 . T r i v i a l n a m e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.4.2. Systematische Namen... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9

2.5. Reakt ionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .g2.5.1. Reaktiv - unreaktiv . . . .g2 . 5 . 2 . R e a k t i o n s t y p e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 02 . 5 . 3 . R e a k t i o n s m e c h a n i s m e n . . . . . . . . 1 0

3 . S t e r e o c h e m i e 1 . . . . . . . . . . . . . . . . 1 23 . 1 . E i n l e i t u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 23 . 2 . l s o m e r i e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 23.3. Konformat ion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .143.4. Stereoisomer ie . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.4.1. Def in i t ionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .153 4 2 . c i s - t r a n s - l s o m e r i e . . . . . . . . . . . . . . . 1 53.4.3. Chi ra l i tä t . . . . . . . . . . . . . . . . . .12

4. Funkt ionel le Gruppen und deren Reakt iv i tä t . . . . . . . . . . . .21

i,ä, IiNri'n ' -. -.--

4 . 4 . A l k i n e . . . . 2 64.5. Arene . . . . . . . . . . . . , . .264.5. Halogenverb indungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .004.6. Alkohole, Phenole, Ether und verwandte Verbindungen.. . . . . . . . . . . . 31

4.6.1. Phys ika l ische Eigenschaf ten. . . . . . . . . . . . . . 344.6.2. Chemische Eigenschaften der Alkohole und Phenole.. . . . . . . .3S4 . 6 . 3 . E t h e r . . . . . . . . . 4 04.6.4. Schwefelanaloga... . . . . . . . . . . . .404 . 6 . 5 . l n t e r e s s a n t e V e r b i n d u n g e n . . . . . . . . . . . . . . . 4 0

4 . 7 . A m i n e . . . . . . . . . . 4 24.8. A ldehyde und Ketone. . . . . . . . . . . . . . .444 . 9 . C a r b o n s ä u r e n . . . . . . . . . . . . . . 4 94.10. Carbonsäureder ivate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .524.11. Carbonsäuren mi t wei teren funkt ionel len Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55

5 858

5 .

5960

@ Prol. Or. Urs Söquin 23.6.2008

Diastereoisomeren 60

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Prof. Dr. Urs S anische Chemie für Studierende der Medizin

7 .

8 .

Ana ly t i sche Methoden . . . . . . . . 616.1. Trennver fahren . . . . . . . . . . . .616.2. Spektroskopische Methoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636 . 3 . R ö n t g e n s t r u k t u r a n a l y s e . . . . . . . . . . . 6 86 . 4 . R e i n h e i t s k r i t e r i e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 9

Übers i ch t übe r d ie w ich t i gs ten Verb indungsk lassen . . . . . . . . . . . . . . . . 71Ü b u n g s f r a g e n . . . . . . . . . . . . . 7 6

O Prof. Dr. Urs Sequin 23.6.2008

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Prof. Dr. Urs Sequin: Organische Chemie fur Studierende der Medizin 1

LEHR. UND LERNZIELE

Nach dem Vorlesungsteil ,,Organische Chemie,, sollen die Studierenden

. einen knappen Uberbl ick uber die grundlegenden Kapitel derorganischen Chemie haben

. stereochemische Belange, deren Bezeichnungen undKonsequenzen kennen

. die wichtigsten Substanzklassen und die dazu gehorendenfunktionellen Gruppen sowie deren physikalische Eigenschaften undReaktivitdten kennen und verstehen

. die wichtigsten Vertreter jeder Substanzklasse kennen

' die wichtigsten Reaktionstypen und ihre Mechanismen kennen undverstehen

. BezUge der vermittelten Sachverhalte zum tdglichen Leben, zurUmwelt , zur Biologie und zur Medizin erkennen konnen

' in der Lage sein, weiteren Vorlesungen, die sich mit den molekularenProzessen in der Biosphdre befassen, zu folgen

Basel, im Jul i 2009 Prof. Dr. Urs Sequin

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Prof. Dr. Urs Sequin: Organische Chemie fur Studierende der Medizin

1 . E in le i tung

Dieser Tei l des Einfuhrungsblockes ist die Fortsetzung der Einfuhrung in die al lgemeineund anorganische Chemie meines Kol legen Prof. Th. Mindt. Die Kenntnisse, welche dortvermittelt worden sind, werden hier vorausgesetzt.

Als Ergdnzung fur diesen Tei l der Vorlesung empfehle ich lhnen ebenfal ls das Lehrbuch..Chemie fur Mediziner,, von Axel Zeeck, Stephanie Grond, Ina Papastavrou und SabineC6ci le Zeeck (6. Auflage, Urban & Fischer Verlag/Elsevier, Munchen, 2005). Auch dasBuch "Chemie fur Mediziner> von Benno Krieg und Christoph Janiak (7. Auflage, Walterde Gruyter, Berlin, N-ew York, 2004) kann verwendet werden. Beachten Sie, dass die indiesen Buchern als Ubungen gestel l ten Fragen nicht identisch sind mit den Fragen, diehier in Basel in der Prufung vorkommen werden.

lm Rahmen meiner Vorlesung, die lhnen - auf Grund der ausserst knappe n Zei l , welchemir zur Verfugung gestel l t worden ist, - nur die al lerwicht igsten Grundlagen vermittelnkann, wird immer wieder auf biochemische Aspekte hingewiesen werden. DieseThemenkreise werden al lerdings erst in spdteren Vorlesungen detai l l ierter behandeltwerden. Sie f inden aber in den anqegebenen Lehrbuchern einfuhrende Informationenuber Aminosduren/Peptide/Protein6, Saccharide (Kohlenhydrate), OrganischeVerbindungen der Phosphorsdure sowie Lipide, was lhnen bereits ein paar Ausbl icke indiese Richtung ermoglicht.

Bedenken Sie bit te, dass das vorl iegende Skript kein Lehrbuch ist. Es ist eineZusammenfassung des lnhaltes meiner Vorlesung - zum Tei l in St ichworten - undenthdlt daruber hinaus noch einige Ergdnzungen. Sie werden auch nicht darum herumkommen, sich in den Vorlesungsstunden zusdtzl ich eigene Notizen zu machen. ReissenSie aus diesem Skript keine einzelnen Sdtze aus dem Zusammenhang, um sie dann zu"buffeln,, : Ein solches Vorgehen hdtte nichts mit . .Studieren>> zu tun.

Am Ende des Skripts f inden Sie einige Ubungsaufgaben (mit Losungen), wie sie in derMC-Prufung vorkommen konnten. Zudem habe ich dem Skript eine Ubersicht uber diewicht igsten Verbindungsklassen und ihre funkt ionel len Gruppen angefugt.

Wichtig noch: Wenn Sie mir auf elektronischem Weg Fragen stellen mochten, so sendenSie diese bit te ausschl iessl ich an meine e-Mail-Adresse: [email protected].

Mit den besten Wunschen fur ein wenig Spass an der Chemie und ein erfolgreichesMediz instud ium,

Basel. im Jul i 2009 Urs Sequin

2

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Prof. Dr. Urs S6quin: Organische Chemie für Studierende der Medizin 3

2. Kohlenstoffchemie

2.1 . E in le i tung

. Kohlenstoff: "Kohle" für naturwissenschaftliche Laien, existiert in mehrerenModifikationen: Diamant, Graphit, Fulleren (Coo, erst seit einigen Jahren gut untersucht).

Ausschnitt aus dem Ausschnitt aus derDiamantgitter Graphitstruktur

Die chemische Forschung und auch die Entdeckungen

coo

gehen weiter, selbst beimKohlenstoff !

Sonderstellung des Kohlenstoffs im Periodensystem: 2. Periode (Oktettregel gilt streng),4. Gruppe 1C4+ oder Ca- sind kaum möglich).

Kohlenstoff geht deshalb vorwiegend kovalente Bindungen ein; es gibt stabile Doppel-und Dreifachbindungen, es bi lden sich Ketten, Ringe, verzweigte dreidimensionaleGerüste. Folge: Es gibt eine grosse Vielfalt von Kohlenstoffverbindungen, mehr als"anorganische" Verbindungen (Verhältnis grösser als 20:1 ).

' Zwischen "typisch anorganischen" und "typisch organischen" Verbindung gibt esUnterschiede; sie sind in einer Tabelle zusammengefasst. Dazwischen gibt es sämtlicheZwischenformen.

. Kohlenstoffverbindungen bestehen aus einem- Skelett (Gerüst): Meist reaktionsträge- funktionellen Gruppen: Träger der Reaktivität, verantwortlich für die typischen Eigen-schaften einer Verbindung. + Zuordnung zu einer Verbindungsklasse (Substanzklasse)

2.2. E in te i lung der organischen Verb indungen

2.2.1. Nach dem Skelett

. Acyclische Verbindungen: Offenkettig, enthalten keine Ringe, können aber verzweigtsein und Mehrfachbindungen enthalten.. Carbocyclische Verbindungen: Enthalten Ringe aus C-Atomen, können zusätzlich"Seitenketten" tragen und auch im Ring Mehrfachbindungen enthalten.. Heterocyclische Verbindungen: Die Ringe enthalten als Glieder "Heteroatome" (= alleAtome ausser C und H; meist O, N, S, aber auch andere).

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Organ ische Verb indungen

nicht salzartig

thermisch nicht sehr stabil; verkohlbar,brennbar (Produkte: COz und HzO);bei RT flüssig oder fest (Smp. < 400")

meist schwer oder unlöslich in Wasser*. keine stabi len lonen, ungeladen. keine elektrische Leitfähigkeit von

Lösungen und Schmelzen

* Ausnahmen: Salze von org. Säuren undBasen sowie niedermolekulare, polareVerb indungen

Reaktionsgeschwindigkeiten klein ;Reaktionen meist nicht quantitativ

Zahl der vorkommenden Elemente be-schränkt auf C, H, O, N, S, P, Halogeneund weitere

Zahl der Verbindungen sehr gross;96% der bekannten Verbindungenenthalten Kohlenstoff

Anorganische Verb indungen

oft Salze,Verbindungen zwischen Metal len undNichtmetal len

relativ stabil,nicht brennbar;Salze fest, sehr hohe Smp.

oft gut löslich in Wasser. stabile lonen, Hydratation. elektrische Leitfähigkeit von

Lösungen und Schmelzen

Reaktionsgeschwindigkeiten gross ;Reaktionen quantitativ und stöchio-metrisch

alle Elemente des Periodensystems

Zahl der Verbindungen rel. klein

Tabel le : Organische und anorganische Verb indungen im Verg le ich

Prof. Dr. Urs S6quin: Organische Chemie für Studierende der Medizin 4

. Cyclische Verbindungen können monocyclisch, bicyclisch, ..., polycyclisch sein.

I o n

A , .j{? d " f f r^i#\rz cHg

-(u-(uo'

Geraniol Limonen o-Pinen Testosteron Nicot in

2.2.2. Nach den funkt ionel le Gruppen

Die funktionellen Gruppen prägen die Eigenschaften und das Reaktionsverhalten einerVerbindung; - Substanzklasse.Wir unterscheiden funktionelle Gruppen, die Teil des Kohlenstoff-Molekülgerüstes sind(Substanzklassen Alkene, Alkine...), und funktionelle Gruppen mit Sauerstoff, Stickstoff,Schwefel. . .

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Chemie für Studierende der Medizin

2.3. Formelsprache

2.3.1 . Konstitutionsformeln

H Ht t

. Vol l ausgeschrieben: H-C-?-O-H ;

H H. Abgekürzt: CH3-CH2-OH, CH3-CH2OH,

H Ht l

Lewis-Formel: H-C-?-O-H

H H

CHgCHzOH

cooHI

H.C/CYf,

Milchsäure

. Noch kürzer mit Strichformeln: 4Oft

Regeln für Strichformeln :- Jedes Ende, jede Ecke, jede Abzweigung bzw. Kreuzung entspricht einem C-Atom.- C-Atome sind vollständig (soweit noch möglich) mit H-Atomen bestückt.- Heteroatome und deren H-Atome werden ausgeschrieben.

' Kombinationen davon sind möglich und sinnvoll: Das, was besonders interessiert, wirdausgeschrieben.

2.3.2. Stereoformeln

Stereoformeln geben den räumlichen Bau der Moleküle wieder; die Darstellung musseindeutig sein: Bei sich kreuzenden Bindungen werden dazu in den perspektivischenDarstel lungen die hinten l iegenden Bindungen unterbrochen.

'ho

Campher

Bei sehr grossen Molekülen, z.B.Proteinen, wird unter Umständen nur noch die groberäumliche Struktur angegeben; Einzelatome sind dabei nicht mehr sichtbar.

Hämoglobin laus Krieg/Janiak)

2.4. Nomenklatur

Namengebung zur Verständigung und zur Registr ierung von Verbindungen; wie bei derFormelsprache gibt es Regeln.

liegt in der Zeichenebene

< liegt vor der Zeichenebene

'.."" l iegt hinter der Zeichenebene

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Grundsätz l icher Aufbau e ines systemat ischen Namens:(Su bst i tut ionsnomenklatu r)

_ STAMM _ ENDUNGEN.I - ENDUNG.2\

\

VORSILBEN/

Substituenten, Stamm-Molekülrangniedere (Grundkörper)funktionelle Gruppen

Gr iechische <Zahlwör ter> für d ie(für den Stamm)

1 Metha2 Etha3 Propa4 Buta5 Penta6 Hexa7 Hepta8 OctaI Nona

10 Deca1 1 Undeca12 Dodeca

gesättigVungesättigt

Nomenklatur :

13 Tr ideca14 Tetradeca15 Pentadeca1 6 Hexadeca17 Heptadeca18 Octadeca1 9 Nonadeca20 lcosa21 Henicosa22 Docosa23 Tricosa24 Tetracosa

ranghöchstefunktionelle Gruppe

Beispiele (in Klammern: entsprechende Trivialnamen):

Q H s Q H sl - l

H . C - 9 - C H z - C H - C H 3

C H s

2

ftonl 1 1

2,2,4-T rimethyl pe ntan

(lsooctan)

3, 7-Dimethylocta-2,6-dien- 1 -ol

(Geranioll

H inweise zur Subst i tu t ionsnomenklatur

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Prof. Dr. Urs 56 e Chemie für Studierende der Medizin

Auswahl aus der "Rangfo lge, der funkt ionel len Gruppen

Substanzklasse Formel Vorsi lbe Endung(für Substituenten) (für ranghöchste

funktionelle Gruppe)

Carbonsäuren -COOH carboxy- -carbonsäure-(C)OOH -säure

Aldehyde -CHO formyl- -carbatdehyd-(c)HO -al

Ketone -CO- oxo- -on

Alkohole -OH hydroxy- -ol

Amine -NHz amino- -amin

B e i s p i e l e

o H o oll

YoHtlo

2-Oxopropansäure(Brenztraubensäure)

(Biogenetischer Vorläufer desPflanzenhormons Ethen)

4Ao,Br

2-Brom-3-hyd roxybutansäu re

(Sal icylaldehyd,2- Hyd roxybenzaldehyd)

x:::'2-Hydroxybenzolcarbaldehyd 1 -Aminocyclopropancarbonsäure

Weitere Hinweise zur Substi tut ionsnomenklatur

2.4.1. Tr iv ia lnamen

Wir unterscheiden zwischen Trivialnamen und systematische Namen (dazu kommen allemöglichen Zwischenformen).Systematischer Name: Erlaubt die eindeutige Herleitung der Konstitution des Moleküls.Trivialname: Hat keinen Bezug zur Konstitution, weder zum Skelett noch zu denfunktionel len Gruppen. Trivialnamen muss man 1:1 lernen! Auch bei modernenVerbindungen werden oft Trivialnamen verwendet, vor allem auch, wenn die Verbindungsehr gross und daher der systematische Name sehr kompliziert ist.

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Prof. Dr. Urs S6quin: Organische Chemie für Studierende der Medizin 8

Beisp ie le :

: P ? O HH t c - c , . . - . . ö . . . . . . ro H H ' N - - - N H , H O - C H z - C H _ C H 2 - O H

Essigsäure Harnstoff Glycerin(Herkunft, Verhalten) (Herkunft) (Geschmack)

2.4.2. Systematische Namen

Es gibt eine Fül le von Regeln, die von der IUPAC (lnternational Union of Pure andApplied Chemistry) herausgegeben werden. Etwa 7 verschiedene Nomenklatursystemewerden verwendet, das wichtigste und entsprechend die erste Wahl ist die "Substi-tut ionsnomenklatur".

Vorgehen bei der Konstruktion eines Namens bei vorgegebener Konstitutionsformel(siehe auch die Zusammenstel lungen):- Grundkörper bestimmen (unter Berücksichtigung der "rär'lghöchsten,, funktionelleGruppe).- Grundkörper numerieren (+ kleinste Platzziflern für die "interessanten" Struktur-elemente.- Namen vervol lständigen.

2.5. Reakt ionen

Reaktionen sind Umsetzungen, bei denen Verbindungen in andere umgewandeltwerden.

2.5.1. Reaktiv - unreaktiv

Das Brechen und Neuknüpfen von Bindungen steht im Zusammenhang mit

. polarisierten Bindungen

. überschüssigen Elektronen / Mangel an Elektronen (im Extremfall: freies Elektronen-paar I Elektronenpaarlücke)[. gut zugängl ichen, "Ssyyegl ichen" Elektronen (ru-Bindungen)]

Verbindungen, denen diese Eigenschaften fehlen, sind weitgehend unreaktiv ( inert).

Beisp ie le :

H Ht l

H-C-C-H nur unpolare Bindungen unrekativt lH H

H HI l r . A -

H-C-C"-C| polare Bindung reaktivt l

H H

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Prof. Dr. Urs S6quin: Organische Chemie für Studierende der Medizin I

I c l ' . c l lr ct-c-trHomolyse

..._

CH3O- >

C H 3 N H 2 >

I_

Radikale, ungepaaneElektronen

reaktiv

reaktiv

C H ot "

H 3 C - C - C l

C H g

H.c-cöt .P ronenC H s

H s C - C H = C H - C H 3 n-Elektronen rel. gut zugänglich reaktiv

Nun wird auch der Begriff der funktionellen Gruppe klarer (im Gegensatz zum inertenGerüst).

Wichtige Begri f fe in diesem Zusammenhang:

. nukleophi l (bzw. das Nukleophi l)

. elektrophil (bzw. das Elektrophil)

Nukleophle sind Systeme mit freien (oder gut verfügbaren) Elektronenpaaren; ev.Anionen. Sie suchen ( l ieben) den (posit iven) Kern (Atomkern; meist C-Kern).

Nukleophile sind umso stärker, je weiter links und je weiter unten im Periodensystem dieentsprechenden Elemente stehen; Anionen sind bessere Nukleophi le als dieentsprechenden neutralen Verbindungen:

CH3OH

CH30H

cr-

Elektrophile sind Systeme mit Elektronenmangel, ev. Kationen.

Bei grösseren Molekülen bezieht sich diese Betrachtungsweise oft nur auf einenbestimmten Tei l des Moleküls, eben eine funkt ionel le Gruppe. z. B. Methionin:

A hier nukleophil

rn goo" {\,/

H g N - C H - C H z - C H 2 - S - C H 3

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anische Chemie für Studierende der Medizin

2.5.2. Reaktionstypen

Eine Auswahl:

Addit ion

El iminat ion

Substi tut ion

Oxidation

H 3 C - C H = C H - C H 3 + B r z

O H

c H3-c H-cH3

C H3-C Hz-Cl + ,O

O HI

CHs-CH-CHs + KMnOa

Br BrI

+ H g C - C H - C H - C H 3

C H 3 - C H = C H z + H z O

CH3-CH2- I + C ,O

.r.o-Q + Brz

ot l

+ C H 3 - C - C H s

Reduktion

Weitere Reaktionstypen (bereits bekannt): Säure-Basen-Reaktionen, Komplexbildungs-Reaktionen etc.

Beachte: Organische Reaktionsgleichungen werden oft NICHT stöchiometrisch korrekt(vollständig) geschrieben

2.5.3. Reaktionsmechan ismen

Der Reaktionsmechanismus beschreibt, wie wir uns eine bestimmte chemische Reaktionim Detail vorstellen. Er beschreibt den Ablauf in allen kleinen Teilschritten. Da bei einerReaktion meist Bindungen gebrochen und neue geknüpft werden, bedeutet das eineUmverteilung von Elektronen. Auch dies wird beim Beschreiben des Reaktionsmecha-nismus angegeben.

Beisp ie l :

H

G*o, + znt*el G*',

H_ \ 7 |

I I | "--------->

HQC-C-H +" l

I

r c l l

Die Pfeile deuten die Verschiebung eines Elektronenpaares an. Sie deuten an, wie manvon den Formeln links vom Reaktionspfeil zu denjenigen rechts kommt (eine Art "Ge-brauchsanweisung").

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Prof. Dr. Urs S6quin: Organische Chemie für Studierende der Medizin 11

Auch das Phänomen der Mesomerie lässt sich gut mit solchen Elektronenverschie-bungspfei len andeuten:

e -r l O Ir l̂

Hrcl"\rPH,

f 'o'\ l l

H.c-c<iH, IMesomeriepfeilGrenzformel 1 Grenzformel 2

Der wahre Zustand des Moleküls (hier: Essigsäureamid)liegt zwischen den beiden Grenzformeln;

das Molekül hat Eigenschaften von beiden Grenzformeln.

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Prof. Dr. Urs S6quin: Organische Chemie für Studierende der Medizin 1 2

3. Stereochemie I

3 . 1 . E i n l e i t u n g

Die Stereochemie ist derjenige Bereich der Chemie, der den räumlichen Bau von Mole-külen und den räumlichen Verlauf von Reaktionen beschreibt.

Wir sehen uns damit mit einem allgemeinen (und sehr alten) Problem konfrontiert: Wiestel le ich räumliche Sachverhalte auf einem f lachen Papier dar? (vgl. bi ldende Künste;Stichwort " Perspektive")

3.2. lsomer ie

Bevor wir zur eigentlichen Stereochemie kommen, muss etwas ausgeholt werden: DerBegriff der lsomerie. Er hängt sehr eng mit stereochemischen Aspekten zusammen.

Die Summenformel (Bruttoformel) ist eine Aufzählung al ler in einem Molekül vorkom-mender Atome. Z. B. lür das Antibiot ikum Penici l l in G lautet die SummenformelCr oHraNzO+S.

Penici l l in G hat folgende Struktur:

Diese Art der Verknüpfung ist aber für die genannten Atome nur EINE von sehr vielenMöglichkeiten.

Verschiedene Moleküle, die aus dem gleichen Satz von Atomen aufgebaut sind (also diegleiche Summenformel haben), aber sich in ihrer Struktur unterscheiden, nennt manlsomere. Das Phänomen heisst lsomerie.

Ein einfaches Beispiel: CzHoO; hier gibt es zwei Mögl ichkeiten

H H

n--f"r.z" )-*J "'O ' r -

cooH

CHs-CHz-OH

Ethanol

u n d

u n d

der Verknüpfung.

CH3-O-CH3

Dimethylether

Diese beiden Verbindungen haben verschiedene Konsti tut ionen; es sind alsoKonsti tut ionsisomere (siehe die Zusammenstel lung von einigen Defini t ionen).

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Konsti tut ion: Art und Reihenfolge, in welcher die Atome einer Verbindung mit einanderverbunden sind.

lsomere: Zwei oder mehrere Moleküle mit gleicher Summenformel, die sich aber in derArt oder Reihenfolge, in welcher ihre Atome mit einander verbunden sind, oder inder räumlichen Anordnung der Atome unterscheiden.

Konsti tut ionsisomere: lsomere, die sich in ihrer Konsti tut ion unterscheiden.Konsti tut ionsisomere, welche mit einander im Gleichgewicht stehen, heissenTautomere.

Konfigurat ion: Die Anordnung der Atome eines Moleküls im Raum bei gegebenerKonstitution, ohne Berücksichtigung von Anordnungen, welche durchDrehungen um Einfachbindungen zustande kommen.

absolute Konfiguration: die wahre räumliche Anordnung der Atome aneinem Chiral i tätselement.

relative Konfiguration: die räumliche Anordnung der Atome an einemChiralitätselement bezogen auf ein anderes Chiralitätselement im selbenMolekül (ev. auch in einem anderen Molekül).

Stereoisomere (Konfigurationsisomere): lsomere mit gleicher Konstitution, die sichdurch die räumliche Lage der Atome unterscheiden (ohne Berücksicht igung vonAnordnungen, welche durch Drehungen um Einfachbindungen zustandekommen).

Enantiomere: Stereoisomere, die sich zueinander wie Bi ld und Spiegelbi ld verhalten.

Diastereoisomere (Diastereomere): Stereoisomere, welche nicht Enantiomere sind.

cis/trans-lsomere: Stereoisomere (mit "starrer" Struktur), die sich nur in der Lage vonbestimmten Atomen bezüglich einer Referenzebene unterscheiden.

Konformere (Konformationen, Rotamere; manchmal auch ungeschickterweise Konfor-mationsisomere genannt): Die verschiedenen räumlichen Anordnungen einesMoleküls, die durch Drehungen um Einfachbindungen zustande kommen.

Ein ige Def in i t ionen zu <<Struktur> und <Stereochemie>

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3.3. Konformat ion

Die Formeln, die wir auf dem Papier schreiben, geben meist die wahre räumlicheStruktur der Moleküle nicht wieder. Butan schreiben wir oft als l ineares Molekü1,CH3-CH2-CH2-CH3, wäs aber nicht zutrifft. Die Bindungswinkel betragen ja alle etwa109.5o, Zudem herrscht um Einfachbindungen freie Drehbarkeit . Solche Drehungenfinden bei Zimmertemperatur bei kleinen Molekülen sehr leicht statt.

Nachfolgend sind zwei besonders ausgezeichnete Anordnungen dargestellt, die sichdurch den Torsionswinkel um die mitt lere C-C-Einfachbindung unterscheiden:

voll gestaffelte Konformationdie energetisch günstigste Konf.- geringste räumliche Behinderungzwischen den CH3-Gruppen- geringste elektrostatische Abstossungzwischen den Bindungselektronenpaaren

Dies sind verschiedene Konformationen (Konformere) EINES Moleküls; sie können imallgemeinen nicht getrennt und einzeln " in Flaschen abgefül l t" werden, stel len somitkeine lsomeren im eigentl ichen Sinne dar.

Ein weiteres wichtiges Beispiel ist das Cyclohexan. Wir schreiben die Formel oft eben,was aber die Wirklichkeit schlecht wieder gibt. lm ebenen regelmässigen Sechseck be-tragen die Winkel 120'; der ideale Tetraederwinkel ist aber 109.5' . Die Bindungswinkelwären deshalb in einem ebenen Cyclohexan gespannt (verzerrt), was energetisch un-günstig ist . Cyclohexan fal tet sich deshalb durch Drehung um die C-C-Bindungen, bisdie Winkel ideal und damit ungespannt sind. Daraus result iert eine energetisch günstigeAnordnung, die "Sesselkonformation".

Ungünstige ebene Konformation vonCyclohexan

Günstige Sesselkonformation vonCyclohexan

- al le Bindungswinkel betragen109 '28 ' .- al le Bindungen sind zueinandergestaffelt (2. T. "schief gestaffelt").- an jedem C-Atom führt eine Bindungnach oben und eine nach unten (zuden H-Atomen oder Substi tuenten).- an jedem C-Atom hat es eine axiale(a) und eine äquatoriale (e) Bindung.

voll ekliptische Konformationdie energetisch ungünstigste Konf.

"Aquatorebene'

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polqhe sechsgliedrige Ringe (Sechsring-Heterocyclen verhalten sich ähnlich) sind sehrhäufig in Naturstoffen (Steroidhormone, Kohlenhydrate etc.) anzutreffen.

Auch Makromoleküle können in verschiedenen Konformationen vorliegen. Nucleinsäu-ren und Proteine sind meist nur in EINER bestimmten Konformation biölogisch funktions-fähig, oder haben je nach Konformation verschiedene Eigenschaften.

Beispiele: DNA und DNA mit einem Intercalator; Allosterie bei Enzymen; verschiedeneFaltung von Prionen.

normale Konformation krank machende Konformation

3.4. Stereoisomerie

3.4.1. Definit ionen

Stereoisomere lasen sich in zwei Gruppen unterteilen (siehe auch Zusammenstellungder Definitionen):- Enantiomere- Diastereoisomere

Oft werden - entgegen obiger strenger Einteilung - noch andere Untergruppen gemacht;deren Bezeichnung lehnt sich an das jeweilige Phänomen an.

3.4.2. cis-trans-lsomerie

Es geht um lsomere, die sich dadurch unterscheiden, dass sich bestimmte Gruppen aufder gleichen bzw. auf verschiedenen Seiten einer Referenzebene befinden (siehe auchZusammenstellung der Definitionen). Beispiele:

. Gewisse planare Komplexe; die Referenzebene steht senkrecht auf der Ebene desKomplexes. Beispiel : Platinkomplexe.

Zwei Konformationen eines Prions:

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' Ringverbindungen, werden eben angeschaut; die Referenzebene ist die Ringebene.Beispiel: lsomere des 1,2-Dimethylcyclopentans:

* t* \ , / * "

Pt

c t / t . ,

crs-Verbindung..Cisplat in" ein Medikamentgegen Tumoren

cis-VerbindungMethylgruppen auf dergleichen Seite derReferenzebene (Ring)Sdp. 99.5"

H"N C I" \ , /

Pt, / \

c t ' NHs

frans-Verbindung

frans-VerbindungMethylgruppen auf ver-schiedenen Seiten derReferenzebene (Ring)Sdp . 91 .9 "

tran s- 1, 2- D ich lorethenChloratomeauf verschiedenen Seitender ReferenzebeneSmp. -50" / Sdp. 47"

Es handelt sich also um zwei verschiedene Verbindungen, die sich nicht in einanderüberführen lassen (ohne dass Bindungen gebrochen und neu geknüpft werden).

' Doppelbindungen, planar; die Referenzebene steht senkrecht auf der Ebene derDoppelbindung und enthält die beiden sp2-6-Atome. Um eine Doppelbindung herrschtKEINE frei Drehbarkeit (im Gegensalz zur Einfachbindung). Entsprechend tritt cis-trans-lsomerie auf. Beispiel: Die lsomeren 1,2-Dichlorethene:

cis-1 ,2-DichlorethenChloratomeauf der gleichen Seiteder ReferenzebeneSmp.-80" / Sdp. 60"

H C I\ /C : C

/ \c r H

H C I\ /C : C

/ \c r H

H H\ /c :c

/ \c r c l

Auch hier handelt es sich um zwei verschiedene, stabi le Verbindungen. Sie können nurdurch eine chemische Reaktion in einander übergeführt werden: Die n-Bindung mussgebrochen und nach einer Drehung um die o-Bindung wieder geknüpft werden. Manspricht bei dieser Reaktion, bei der ein lsomeres in ein anderes umgewandelt wird, voneiner lsomerisierung; hier speziel l von einer cis-trans-lsomerisierung.

H

,,!-ö*5H H

\ /c :c

, / \c r c l

cHs cHs H C H s

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Zum Brechen der n-Bindung muss Energie (Licht oder Wärme) zugeführt werden. DasGleichgewicht stellt sich so ein, dass diejenige Verbindung überwiegt, die thermody-namisch stabiler ist. Das ist diejenige, wo sich die an den sp2-C-Atomen sitzendenGruppen gegenseit ig am wenigsten behindern.

Die cis-trans-lsomerie spielt eine wichtige Rolle beim Sehprozess, siehe Formelschema.

3.4.3. Chiral i tät

. Optische AktivitätEs gibt Material ien, welche die Schwingungsebene von l inear polarisiertem Licht zudrehen vermögen. Sie sind .(opt isch akt iv". Dieses Phänomen wird in einem Polarimetergemessen. Eine Drehung, die vom Betrachter her im Uhrzeigersinn erfolgt, erhält einpositives Vorzeichen.

Polar isat ionsebenedes eingestrahlten

Lichts

Probe in Lösung(ch i ra les Med ium)

Polar isat ionsebenenach dem Durchgang

dabei bedeuten

atLIc

beobachteter Drehwinkel in "

TemperaturWel len längeSchichtdicke in dmKonzentration in g/100 ml

in Lösung gi l t

o f = l s . l t t c

L " L 1 0 0

D ie Proportionalitätskonstante

1o1f neisst *spezif ische Drehung,,"L

Rhodopsin, das l ichtempfindl iche Pigmentder Stäbchenzellen in der Netzhaut,besteht aus einem Protein (Opsin) unddem Aldehyd 1 1 -crs-Retinal.

Bei Belichtung lagert sich das crs-Retinalins stabilere frans-Retinal um, was letztlichdann zu einer Nervenerregung führt, dieim Gehirn als Lichteindruck registriert wird.

Vorläufer der Retinale ist derentsprechende Alkohol, das Retinol(Vitamin A).

fransRetinal

c is- t rans- lsomer is ierung im Sehprozess

Die Grössen o und [o] hängen auch stark vom verwendeten Lösungsmittel ab.

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. Chirale ObjekteChirale Materie - soweit mit Licht durchstrahlbar - zeigt optische Aktivität. Wir bezeich-nen Objekte dann als . .chiral", wenn sie nicht mit ihrem Spiegelbi ld identisch sind, alsonicht mit ihm zur Deckung gebracht werden können.

l inker Handschuh rechterHandschuhBi ld * Spiegelb i ld

Henkel l inks Henkel rechtsBi ld = Spiegelb i ld

Hand ist chiral Tasse ist achiral

Bei chemischen Substanzen kann Chiralität auf die Kristallstruktur oder die Molekül-struktur zurück gehen.

. KristallsrukturenHier geht die optische Aktivität verloren, wenn die Kristallstruktur durch Lösen oderSchmelzen zerstört wird. Beispiel: Quarz, Chiralität ist makroskopisch sichtbar an den -spiegelbi ldl ichen - hemiedrischen Formen.

Hemiederf lächen

Hemiedrische Quarzkristalle

. MolekülstrukturenBei Verbindungen (speziell organischen), die auch in Lösung optische Aktivität zeigen,muss die Molekülstruktur dafür verantwortlich sein.1841 fand Louis Pasteur, dass gewisse Weinsäuresalze in hemiedrischen Formenkristallisieren. Er sortierte die Kristalle von Hand und löste die beiden so erhaltenenPortionen je in Wasser auf : Die wässerigen Lösungen waren immer noch optisch aktiv;sie zeigten entgegengesetzte Drehwerte.1874 erfolgte die Deutung durch Jacobus Henricius Van't Hoff und Joseph Achille LeBel: Moleküle, die optisch aktiv sind, enthalten (mindestens) ein C-Atom, das tetraedrischgebaut ist (sp3; und vier verschiedene Substituenten trägt. Diese Anordnung ist chiral.Es sind zwei spiegelbi ldl iche Formen möglich.

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Diese beiden Formen haben die gleiche Konsti tut ion; die räumliche Anordnung derAtome ist aber verschieden. Es handelt sich also um Stereoisomere: und da sie sich wieBild und Spiegelbi ld verhalten, sind es Enantiomere.

Bisher haben wir von Einzelmolekülen gesprochen - wie sieht es nun im Molekülver-band aus, also bei einer aus sehr vielen Molekülen bestehenden makroskopischenProbe?

An und für sich gibt es unendl ich viele Mischungsverhältnisse der beiden enantiomerenFormen; drei Möglichkeiten sind besonders interessant.

- rechtsdrehende Milchsäure, (+)-Milchsäure, t--Milchsäure, optisch aktiv, Drehsinn O,lo,l925 = +3.33, Smp. 53o, pKs = 3.79, aus Muskelgewebe.- l inksdrehende Milchsäure, (-)-Milchsäure, o-Milchsäure, opt isch akt iv, Drehsinn O,["]o25 = -3.33, Smp. 53o, pKs = 3]9, aus Vergärung von Zuckern.- racemische Milchsäure, (+)-Milchsäure, optisch inaktiv, Smp. 17o, pKs = 3]g, bestehtaus je 50% D-Milchsäure und l-Milchsäure.

Ein solches 1:1-Gemisch aus zwei Enantiomeren heisst Racemat oder racemischeMischung.

MERKE:- Enantiomere haben gleiche physikal ische und chemische Eigenschaften (solangeachirale Bedingungen herrschen).- Unter chiralen Bedingungen ( in Gegenwart von chiralen Lösungsmitteln, Reagenzienoder Katalysatoren; in polarisiertem Licht) zeigen Enantiomere verschiedene Eigen-schaften, namentlich entgegengesetzte optische Drehungen und verschiedenephysiologische (biochemische) Eigenschaften (Enzyme sind chiral !) , siehe Beispiele.

Unter achiralen Synthesebedingungen erhält man im Labor ein Racemat, wie zumBeispiel bei der durch Platinmetall katalysierten Hydrierung von Brenztraubensäure zuMi lchsäure:

Milchsäure

o//

H .C-C -C +" i l \

ö o HBrenztraubensäure

Chiralitäts-zentrum \("chirales \ COOHC-Atom") \ I

\ l -r-

- / " \ " HHsc- o Ht--Milchsäure

Konstitution:

PtHz ----_)

H o C - C H - C" t \

O H O H

cooHl .

E'{"-rr.o-Mi lchsäure

o//

H " C - C H - C" t \

O H O H

Milchsäure

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nt l

\..\ t'"'

l l l . , c=cH^Y H

Z

(,9)-(-)-Carvonaus PfefferminzölPfefferminzgeruch

otl

ll 1 ,.r,-\.^6--CH,

ch.

(S)-(+)-Carvonaus KümmelölKümmelgeruch

a-fX

<>(,

:,,\

(19)-(+)-Limonenaus OrangenschalenölGeruch nach Orangen

a!

lt

Z>.4I ll trt"" ( Fo\,,\ )-r.r'

\\ // lJo o

(F)-(+)-ThalidomidContergan@Beruhigungsmittel

(S)-(-)-Limonenaus Edeltannen- und ZitronenölGeruch nach Zitronen

(J

II

4>^l l l N { F o\,/Y )-r.r'\\ // llo o

(S)-(-)-Thalidomid

führt zu Missbildungen (teratogen)

Beisp ie le für Enant iomerenpaare, wo d ie be iden Enant iomeren deut l ichverschiedene phys io log ische Eigenschaf ten haben.

Erklärung für die Entstehung eines Racemates:

H"C COOH" ''.1C

H.C COO H" ' ' - |

Ct lo

Hooc.crHs\ 1

c - H/

H O

ft+

t '9poot Hoocr9Hsp1-g' +

'6- g\ /

H"C COOHpt

" ' . 1

< _ c H

i l lO H

l lo

H

IH

entstehen mit gleicher Wahrscheinlichkeit,also im Verhältnis 1:'1 "Racemat"

Gegensatz: Wird die analoge Reduktion enzymatisch durchgeführt, so entsteht dieenantiomerenreine t--Milchsäu re :

Lactatdehydrogenase aus Muskel

NADH + H+