7
51.5 Röntgenstrahlung 693 Weil beim Übergang von einem höheren in ein niedrigeres Energieniveau ein Lichtquant ausgesendet wird und das Atom ein abgeschlossenes System darstellt, in welchem der Satz von der Erhaltung des Drehimpulses gilt, muß die durch den Übergang des Elektrons er- folgte Drehimpulsänderung vom Lichtquant übernommen werden. Jedes Lichtquant hat die Spinquantenzahl s = 1 und somit anschaulich den Drehimpuls h/(2Jt). 51.5 Röntgenstrahlung Wichtige Beiträge zur Aufklärung des Atombaus lieferte auch die 1895 entdeckte Rönt- genstrahlung, eine sehr kurzwellige elektromagnetische Strahlung mit Wellenlängen zwi- schen 1 o-s und 1 o- 13 m. Sie entsteht beim Auftreffen schneller Elektronen auf einen festen Körper. Die in der Röntgenröhre (Bild 51.13) von der Glühkatode K emittierten Elektronen werden von einer Hilfselektrode G gebündelt und im Vakuum durch die Be- schleunigungsspannung U zur Anode A beschleunigt. Je nach Verwendungszweck liegt U zwischen 1 kV und einigen 100 kV. Die Anode besteht meist aus einem Metall, oft aus Wolfram. / Bild 51.13: Prinzip einer Röntgenröhre: UH Heizspannung der Katode, U Beschleunigungsspannung Bild 51.14: Eine der ersten Röntgenaufnahmen: die Hand von RöNTGENS Frau Fällt die StrahlungRauf einen Fluoreszenzschirm L, wird sie durch Anregung der Leucht- schicht (mit Silber aktiviertes Zinksu1fid) infolge der Fluoreszenz indirekt sichtbar. Die Röntgenstrahlung hat folgende Haupteigenschaften: - Großes, aber unterschiedliches, vom betreffenden Stoff abhängiges Durchdringungsver- mögen (s. 51.5.1 Absorption). - Schwärzung fotografischer Schichten (Röntgenfotografie, Bild 51 .14) - Zerstörende Wirkung auf lebende Zellen (Strahlenschutz beachten). - Die Brechzahl aller Stoffe weicht für die Röntgenstrahlung nur wenig von eins ab. - Gase werden ionisiert, Luft wird dadurch elektrisch leitend.

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51.5 Röntgenstrahlung 693

Weil beim Übergang von einem höheren in ein niedrigeres Energieniveau ein Lichtquant ausgesendet wird und das Atom ein abgeschlossenes System darstellt, in welchem der Satz von der Erhaltung des Drehimpulses gilt, muß die durch den Übergang des Elektrons er­folgte Drehimpulsänderung vom Lichtquant übernommen werden.

Jedes Lichtquant hat die Spinquantenzahl s = 1 und somit anschaulich den Drehimpuls h/(2Jt).

51.5 Röntgenstrahlung

Wichtige Beiträge zur Aufklärung des Atombaus lieferte auch die 1895 entdeckte Rönt­genstrahlung, eine sehr kurzwellige elektromagnetische Strahlung mit Wellenlängen zwi­schen 1 o-s und 1 o- 13 m. Sie entsteht beim Auftreffen schneller Elektronen auf einen festen Körper. Die in der Röntgenröhre (Bild 51.13) von der Glühkatode K emittierten Elektronen werden von einer Hilfselektrode G gebündelt und im Vakuum durch die Be­schleunigungsspannung U zur Anode A beschleunigt. Je nach Verwendungszweck liegt U zwischen 1 kV und einigen 100 kV. Die Anode besteht meist aus einem Metall, oft aus Wolfram.

/

Bild 51.13: Prinzip einer Röntgenröhre: UH Heizspannung der Katode, U Beschleunigungsspannung

Bild 51.14: Eine der ersten Röntgenaufnahmen: die Hand von RöNTGENS Frau

Fällt die StrahlungRauf einen Fluoreszenzschirm L, wird sie durch Anregung der Leucht­schicht (mit Silber aktiviertes Zinksu1fid) infolge der Fluoreszenz indirekt sichtbar.

Die Röntgenstrahlung hat folgende Haupteigenschaften: - Großes, aber unterschiedliches, vom betreffenden Stoff abhängiges Durchdringungsver-

mögen (s. 51.5.1 Absorption).

- Schwärzung fotografischer Schichten (Röntgenfotografie, Bild 51 .14)

- Zerstörende Wirkung auf lebende Zellen (Strahlenschutz beachten).

- Die Brechzahl aller Stoffe weicht für die Röntgenstrahlung nur wenig von eins ab.

- Gase werden ionisiert, Luft wird dadurch elektrisch leitend.

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694 51 Atomhülle

Es ist üblich, kurzwellige energiereiche Röntgenstrahlung als "hart" (sie ist durchdrin­gend), längerwellige und wegen E = hf energieärmere als "weich" zu bezeichnen.

Je nach der Entstehung unterscheidet man die Röntgenbremsstrahlung, die ein kontinu­ierliches Röntgenspektrum erzeugt, und die ein charakteristisches Linienspektrum des Anodenmaterials verursachende charakteristische Röntgenstrahlung. Beide treten meist gleichzeitig aufund überlagern sich gegenseitig (Bild 51.15)

).-

Bild 51.15: Röntgenspektren

13 'g> 12 .2! ~77 ~ 10 .!?>9 ~ ._ 8 ~ 7 :t5 ..... 6

~ 5 .s ~ 4-:g 3 "a3 Cl< 2

1

I/"'" 50 kV

I \ I I ~

1\ I \ I IIJ)kv'

........ 1\ 1\ I I t\\ \ I I J~.V\ \ I V "'\.: \.\ \. I I I 25kV '" :\. ~ 1/ T I / 20~ t.::::::: ~. ~ ...::::::: 111 II /

0 2 3 4- 5 6 7 8 9 10

Wellenlänge in 10-11 m

Bild 51.16: Spektrum der Röntgenbremsstrahlung bei verschiedenen Spannungen

51.5.1 Röntgenbremsstrahlung

Die Röntgenbremsstrahlung entsteht durch Abbremsung schneller freier Elektronen in den Kraftfeldern der Atomhüllen des Anodenmaterials. Der Verlust an kinetischer Energie !J.E setzt sich in elektromagnetische Strahlung unterschiedlichster Frequenzen f um. Da­her entsteht ein kontinuierliches Spektrum (Bild 51.16). Dieses ist nach der kurzwelligen Seite hin scharf begrenzt, denn die größte Energieabgabe !J.Emax des Elektrons ist durch die an der Röhre liegende Anodenspannung U bestimmt. Daraus ergibt sich die maximale Energie eines Röntgenquants aus hfmax = eU = !J.Emax, und es folgt für die maximale Grenzfrequenz

~ ~

Grenzfrequenz der Röntgenbremsstrahlung (51.20)

Für die meisten Anwendungsfälle in Technik und Medizin nutzt man die unterschiedliche Absorption der Röntgenstrahlung durch die einzelnen Materialien aus. Die Absorption der Strahlung durch einen Stoff mit der Schichtdicke d wird durch die Gleichung

Schwächungsgesetz für Röntgenstrahlung (51.21)

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51.5 Röntgenstrahlung 695

beschrieben. Hierin ist 1/f die hindurchgehende Energieflußdichte (auch Intensität ge­nannt), 1/fo die auftreffende Energieflußdichte und f.L der Schwächungskoeffizient des Stof­fes für die auftreffende Strahlung. Diese Gesetz ist zwar äußerlich dem der y-Strahlung gleich (s. 53.3), jedoch wird hier f.L fast ausschließlich durch Absorption (Fotoeffekt) be­stimmt. Während bei der y-Strahlung Streuung (COMPTON-Effekt) und Paarbildung noch eine Rolle spielen, können diese Schwächungseffekte hier meist vernachlässigt werden.

Der Schwächungskoeffizient ist von vielen Faktoren abhängig und wird experimentell er­mittelt. Für polychromatische Röntgenstrahlung mit einem breiten Wellenlängenspektrum gilt er dann nur näherungsweise. Denn jeder Stoff hat für verschiedene Wellenlängen un­terschiedliche Schwächungskoeffizienten. Es gilt etwa

Schwächungskoeffizient für Röntgenstrahlung (51.22)

Q ist die Dichte, Z die Kernladungszahl, ER = hf = hcjJ... die Energie eines Röntgen­quants, A die Massenzahl, und der Exponent x liegt zwischen 3 und 4. k ist ein Proportio­nalitätsfaktor, der für den abschätzenden Vergleich der Schwächungskoeffizienten unerheb­lich ist. Aus (51.22) erkennt man, daß für einen Stoff bei zunehmender Frequenz und damit Quantenenergie der Schwächungskoeffizient geringer wird. Bei bestimmten Energien be­obachtet man sprunghafte Änderungen von f.L und erklärt diese aus den Ionisierungsener­gien der durch Fotoeffekt herausgelösten Elektronen. Man erkennt auch die starke Abhän­gigkeit des Schwächungskoeffizienten von der Ordnungszahl Z des Absorberstoffes. Daher rührt auch die gute Eignung von Blei für den Strahlenschutz (große Dichte, vor den insta­bilen Elementen über der Ordnungszahl 84 mit Z = 82 das einzige häufig vorkommende stabile Element).

Auf den unterschiedlichen Schwächungskoeffizienten beruht auch der unterschiedliche Kontrast bei den Röntgenbildern.

Statt des Schwächungskoeffizienten wird auch oft die anschauliche Halbwertsdicke d1 ; 2 angegeben. Das ist die Schichtdicke, welche die Strahlungsflußdichte auf die Hälfte min­dert. Aus (51.21) erhält man

Halbwertsdicke (51.23)

So ist z. B. für J... = 0,02 nm bei Aluminium die Halbwertsdicke 9,2 mm und für Blei 0,13 mm. Oft gibt man für Blei die Halbwertsdicke in Abhängigkeit von der Röhrenspan­nung an. So beträgtd1;2 fürdie Spannungen 100 kV, 200 kV, 400 kV, 1000 kV entsprechend 0,25 mm, 0,5 mm, 2,2 mm, 8 mm.

Die Bremsstrahlung wird in der Technik bei Grobstrukturuntersuchungen verwendet (Feh­lersuche in Schweißnähten u. a.) und in der Medizin vorwiegend für diagnostische (Rönt­genuntersuchungen), aber auch für therapeutische Zwecke (Bestrahlung).

Auch die Computertomografie beruht auf der unterschiedlichen Schwächung der Röntgen­strahlen durch einzelne Gewebearten. Dabei wird die Röntgenröhre um den Körper geführt.

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696 51 Atomhülle

Die Strahlungsdetektoren sind ortsfest angeordnet. Das entstehende Röntgenbild wird im Computer mathematisch aufbereitet und kann durch die bessere Bildqualität gegenüber der Fotografie nach elektronischer Wiedergabe gut ausgewertet werden.

Beispiele: 1. Wie groß sind für eine Beschleunigungsspannung U = 30 kV die Grenzfrequenz fmax und die

zugehörige Grenzwellenlänge Amin?

Aus (51.20) ergibt sich fmax = eU / h = 7, 25 ·1018 Hz. Mit Amin = cj fmax ist Amin = 4, 14 · w- 11 m.

2. Die Halbwertsdicke eines Absorbermaterials wurde mit 0,80 mrn ermittelt (Eisen für A = 0,02 nm). Wie dick muß eine Schicht sein, welche die auftreffende Strahlung auf 1150 schwächt?

Aus (51.21) folgt 1/Jo · 1/ 50 = 1/foe- 1" 2dfdi J2 und daraus d = d1; 2 ln 50jln 2 = 4, 5 mrn.

51.5.2 Charakteristische Röntgenstrahlung

Im Gegensatz zur Röntgenbremsstrahlung ist die charakteristische Strahlung diskontinu­ierlich. Wurde bisher zur energetischen Anregung der Atome Wärme bzw. Licht verwendet, reichte die Energie nur aus, die äußersten Elektronen in höhere unbesetzte Energieniveaus zu bringen. Beim Zurückspringen wurden Lichtquanten im infraroten bis in den ultravio­letten Bereich ausgesandt, deren Energie einige e V betrug. Sollen Elektronen besetzter innerer Schalen entfernt werden, reicht die Energie von Lichtquanten nicht aus. Wie heute bekannt ist, sind energiereiche Teilchen (Elektronen, Protonen u. a.) bzw. Röntgenquanten oder y-Quanten nötig, um Elektronen aus der vollbesetzten K-, L- oder weiteren Schalen herauszulösen. Treffen also Elektronen in der Röntgenröhre mit der nötigen Energie auf das Anodenmaterial und lösen aus den inneren Schalen Elektronen heraus, entstehen die Quanten der charakteristischen Strahlung durch Übergang von Elektronen aus höheren in niedrigere Energieniveaus beim Auffüllen der nun nicht mehr voll besetzten kernnahen Schalen. Im Bild 51.17 wird schematisch dargestellt, wie eine in der K-Schale entstande­ne Lücke durch ein Elektron aus höheren Schalen aufgefüllt wird. Der dort frei werdende Platz wird durch ein Elektron aus höheren Schalen geschlossen usw.

0

t E

-EM KI

-EL KD

K.

-EK

1 ~.._.~

~ I~

L. -~

Seriengrenze

0 -Scha/e

N-Schale

M-Schale

L-Schale

K-Schale

Bild 51.17: Schematische Darstellung der Übergänge zwischen Energieni­veaus der inneren Schalen und der Entstehung charakteristischer Rön~­genstrahlung. Die Feinstruktur der LI­nien (z. B. Ka

1 und Ka2 ), die sich

durch Übergänge aus den Niveaus 2s und 2p ergeben, sind nicht dargestellt. • bedeutet ein Elektron, o ein fehlen­

des Elektron.

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51.5 Röntgenstrahlung 697

Die charakteristische Röntgenstrahlung entsteht bei Auffüllung innerer nicht voll besetzter Schalen durch Energieabgabe beim Übergang von Elektronen aus höheren Schalen.

Das Spektrum der charakteristischen Strahlung läßt sich wie das des sichtbaren Lichtes in einzelne Serien gruppieren, die mit einer gewissen Verschiebung bei allen Elementen wiederkehren.

In die K-Schale zurückfallende Elektronen geben die frei werdende Energie .D.E = hf als Strahlungsquant mit der entsprechenden Frequenz f der sogenannten K-Serie ab. Quan­tensprünge in die L-Schale ergeben die L-Serie usw. Die entstehenden charakteristischen Röntgenlinien sind dem kontinuierlichen Spektrum überlagert (Bild 51.15). Die Spektralli­nien der K-Serie werden, entsprechend den Übergängen von der L-, M-, ... Schale, mit den Indizes a, ß, ... versehen. Dabei macht sich auch noch die Aufspaltung der Hauptquanten­zahl n in die Nebenquantenzahlen l bemerkbar (s. 51.3.3). So besteht z. B. die Linie Ka aus den dicht nebeneinander liegenden Linien Ka1 und Ka2. da die zur Hauptquantenzahl n = 2 gehörigen Elektronen der L-Schale auch 2 unterschiedliche Energiezustände auf­weisen.

Die Untersuchung einander entsprechender (homologer) Linien (z. B. alle Kat-Linien) bei verschiedenem Anodenmaterial führte zum Moseleyschen Gesetz:

Die Frequenzen homologer Serienlinien sind dem Quadrat der Ordnungszahl proportional.

f"' Z2 bzw. ,Jl""' Z (s. auch MOSELEY-Diagramme Bild 51.18).

70

9

8

7

t 6

~5 .!:; 4 "'

3

2

0

700

90

80

70

60

~50 40

/ Jlf~ /

\ ~ y / ~

\ / / \ / /g \ / / RH

/ V

20-10 9

~ I ...

75 ·/0 4 I~ .s;

tt 70-70.

30

20

70

P<_,V

~ f'... 1"-...

5·70 4

0 70 20 30 IHJ so 60 70 80 90 700 z--

Bild 51.18: MOSELEY­

Diagramme für die Ka-Serie

Bei der Aufstellung einer genaueren Gleichung für die Linien der K-Serie ist noch zu be­rücksichtigen, daß das zweite noch in der K-Schale befindliche Elektron die wirksame Kernladung Z um eine Einheit vermindert. Das die K-Linie verursachende Elektron un-

(Z- l)e2 terliegt jetzt also der verringerten COULOMBsehen Kraft F =

2 . Eine ähnliche

4nsor

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698 51 Atomhülle

Berechnung wie in 51.3 .2 führt zu der Serienformel

2 ( 1 1 ) f = (Z - 1) RH - - -12 m2

Frequenzen der K-Serie des Röntgenspektrums

(51.24)

Hierin ist für dieKa-Linie m = 2, für die Kß-Linie m = 3 usw. RH = 3, 289 842 ·10 15 Hz ist die dort ebenfalls schon genannte RYDBERG-Frequenz. Nach (51.24) geben Metalle mit großer Ordnungszahl auch die höchsten Frequenzen f, d. h. die kurzwelligsten (härtesten) charakteristischen Röntgenstrahlen ab. Das Gesetz zeigt auch, daß die Ordnungszahl für diese Eigenschaften eines Elements maßgeblich ist und nicht von der Atommasse bestimmt wird.

Reicht z. B. für Al eine Anodenspannung von 1,56 kV für die Aussendung derKa-Linie mit).. = 0, 8210 nm aus, sind es bei Cu 9,0 kV bei 0,1537 nm und bei Wolfram 69,5 kV bei 0,0209 nm.

Die charakteristische Röntgenstrahlung wird wegen ihrer definierten Wellenlänge für Feinstrukturuntersuchungen (LAUE-, DEBEYE-SCHERRER-, Drehkristallverfahren u. a.) verwendet. Es können der Kristallaufbau sowie Gitterabstände im Kristallgitter ermittelt werden. Wichtig für derartige Untersuchungen ist die Gleichung von BRAGG:

I nJ.... = 2d sin a I Gleichung von Bragg (51.25)

Hierin ist ).. die Wellenlänge der Röntgenstrahlung, d der Netzebenenabstand im unter­suchten Kristall, a der Winkel zwischen auftreffendem bzw. reflektiertem Strahl und der reflektierenden Netzebene und n die Ordnung der Interferenz (Bild 51.19).

~~:%(Röntge-nstrahl-en ~~ lm-l=-.....+:="'k-P+:mtt=q..".foC4-+-+--+'f ~ Rontgenstrahl

a) b)

Bild 51 .19: Zur Gleichung von B RAGG

a) Reflexion an einer Netzebenenschar, b) Prinzip des Drehkristallverfahrens: K drehbarer Kristall, D auf Kreisbahn geführter Detektor bzw. auf dem Kreis ein Röntgenfilm.

Trifft Strahlung mit der Wellenlänge A. auf einen Kristall, werden nach (51.25) nur dann Reflexe beobachtet, wenn der Winkel a ganz bestimmte Werte annimmt. Daraus kann dann der Netzebenenabstand d bestimmt werden. Andererseits sind bei bekanntem d Wellenlän­genmessungen möglich. Röntgenbeugungsbilder können auch zur Identifizierung von Ele­menten herangezogen werden (Röntgenspektroskopie). Für die Analytik ist auch die Rönt­genfluoreszenzanalyse von Bedeutung. Hierbei löst ein Röntgenquant ein Elektron des zu untersuchenden Atoms aus einer inneren Schale. Beim Auffüllen durch äußere Elektro­nen entsteht charakteristische Röntgenstrahlung, deren Linienspektrum über das bestrahlte

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51.6 Energiebändermodell 699

Material Auskunft gibt. Über Computerauswertung können ganze technologische Prozesse (z. B. Zementproduktion u. a.) gesteuert werden. Mit Hilfe der sogenannten Röntgenklein­winkelstreuung lassen sich auch die Größen von Makromolekülen bestimmen. Röntgen­untersuchungen dieser Art stellen somit eine wichtige Ergänzung elektronenmikroskopi­scher Untersuchungen dar.

Beispiele: 1. Welche Wellenlänge A. hat dieKa-Linie von Kupfer, und wie groß ist die Quantenenergie?

Nach (51.24) istmitm = 2 fürdie Ka-Linie und Z = 29 für Kupfer f = (29- 1)2 RH(l - 1122 ).

Dann ist f = 1, 93 · 10 18 Hz, und aus A. = c 1 f folgt A. = 0, !55 nm. Die Quantenenergie ist E = hf = 8, 00 keV. Ein Vergleich mit Bild 51.17 ergibt für Z = 29 den Wert ..j !I RH ~ 25 und daraus f ~ 2 ·10 18 Hz. Die Wellenlänge ist danach A. ~ 0, 15 nm.

2. Eine Röhre mit Molybdän-Anode sendet die Wellenlänge A. = 0, 0708 nm aus. Wie groß ist der Netzebenenabstand, wenn bei einem Reflex 1. Ordnung ein Winkel von 14,5° gemessen wird?

Aus der BRAGGschen Gleichung folgt mit n = 1 d = A.l(2 sin a) = 0, 141 nm.

3. Welches Anodenmaterial eines in der Natur vorkommenden Elementes würde die kürzeste Wel­lenlänge der Ka-Serie liefern? Welch Röhrenspannung wäre dafür mindestens nötig?

Nach (51.24) mit Z = 92 für das Element Uran folgt f = 2, 04·1019 Hz. Es gilt eV > hf und daraus V > hf I e, also V > 85 kV . Diese Spannung würde jedoch nur der Energiedifferenz entsprechen, die zwischenK-und L-Schale besteht. Die Spannung muß also wesentlich größer sein als der errechnete Wert. Es wurde 115 kV ermittelt.

51.6 Energiebändermodell

Aus den Abschnitten 51.3 und 51.4 geht hervor, daß die Elektronen eines Atoms nur ganz bestimmte Energiezustände einnehmen können, die durch die Quantenzahlen und das Ausschließungsprinzip von PAULI bestimmt werden. Irgendwelche Zwischenzustän­de sind nicht möglich. Diese scharf definierten Energieniveaus lassen sich schematisch als übereinander liegende Energielinien in einem Energiediagramm darstellen (s. z. B. Term­schema des Wasserstoffs Bild 51.4). Die Zwischenräume sind sogenannte verbotene Be­reiche, deren Energieniveaus kein Elektron besetzen kann. Die Elektronen in festen und flüssigen Stoffen existieren nicht unabhängig voneinander. Sie sind in kleinsten Abständen von 0,1 bis 1,0 nm eng aneinander gepackt. Die Hülle eines jeden Atoms, insbesondere ih­re äußeren Teile, befinden sich im elektrischen Feld der benachbarten Atome. Die scharfen Energieniveaus der Einzelatome werden dadurch in sehr viele dicht nebeneinander liegen­de Niveaus aufgespalten. Ihre Anzahl ist so groß, daß sich ein praktisch kontinuierliches Band von Energiewerten bildet.

Ein Körper mit z Atomen spaltetjedes Energieniveau in z so eng benachbarte Niveaus auf, daß quasi ein kontinuierliches Energieband entsteht.

Diese Energiebänder sind (wie die Energieniveaus der freien ungestörten Atome) durch verbotene Bereiche, auch Energielücken oder Gaps genannt, voneinander getrennt. Da die äußeren Niveaus dem Feld der benachbarten Atome am meisten ausgesetzt sind, i t hier die Breite des Bandes besonders groß, während sie in Kernnähe vernachlässigt werden