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Spurensuche in Wurzen -Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus Gruppe 1: Stolperstein Familie Helft Erläuterungen zu den Aufgaben: Die Gruppe zur Familie Helft ist eine der 3 Gruppen, die sich explizit mit der Geschichte einer jüdischen Familie, die den Nationalsozialisten zum Opfer gefallen ist, beschäftigen. Die Namen der Opfer sind auf einem Stolperstein in Wurzen verewigt. Um die Tragweite des Schreckens, den die Shoah verursacht hat, zu zeigen, wird hier wie bei den anderen Stolpersteingruppen auch eine Aufgabe gestellt, die den Lebensweg ausgewählter Familienmitglieder nachvollzieht. Die persönliche Dimension des Verlustes kommt vor allem in der zweiten Aufgabe zum Tragen, wo ein Brief eines durch die Flucht vor den Nationalsozialisten von der Mutter getrennten Mädchens geschrieben werden soll. Im Hintergrund beim Schreiben dieses Briefes, der den Wunsch nach einem baldigen Wiedersehen widerspiegeln soll, steht die Tatsache, dass die Tochter letztlich von den Nationalsozialisten gefangen genommen und ermordet wurde. Die Aufgabe zum Reisepass dient dazu, den Unterschied von heute zu damals nachzuvollziehen, da dank des Schengen-Abkommens innerhalb der EU keine Reisepässe mehr benötigt werden und manche Schüler sich ein Leben mit festen Grenzen wohl kaum noch vorstellen können. Zur Zeit des Nationalsozialismus dagegen war der Reisepass für viele Juden eine Sache von Leben und Tod, von Freiheit oder Ermordung. Die letzte Aufgabe dient einerseits dem Textverständnis, da sich mit diesem genau befasst „Spurensuche in Wurzen“ von Universität Leipzig (Manske, Weber, Holzhauer) ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz. 1 2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 3 4 5 6 8

oer.uni-leipzig.de  · Web viewNach dem Ersten Weltkrieg trat Ludwigs Sohn Alfred 1918 mit ins Geschäft ein und wurde nach dem Tod seines Vaters 1932 Alleininhaber. Doch schon 1936

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Spurensuche in Wurzen -Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus

Gruppe 1: Stolperstein Familie Helft

Erläuterungen zu den Aufgaben:

Die Gruppe zur Familie Helft ist eine der 3 Gruppen, die sich explizit mit der Geschichte einer jüdischen Familie, die den Nationalsozialisten zum Opfer gefallen ist, beschäftigen. Die Namen der Opfer sind auf einem Stolperstein in Wurzen verewigt. Um die Tragweite des Schreckens, den die Shoah verursacht hat, zu zeigen, wird hier wie bei den anderen Stolpersteingruppen auch eine Aufgabe gestellt, die den Lebensweg ausgewählter Familienmitglieder nachvollzieht.

Die persönliche Dimension des Verlustes kommt vor allem in der zweiten Aufgabe zum Tragen, wo ein Brief eines durch die Flucht vor den Nationalsozialisten von der Mutter getrennten Mädchens geschrieben werden soll. Im Hintergrund beim Schreiben dieses Briefes, der den Wunsch nach einem baldigen Wiedersehen widerspiegeln soll, steht die Tatsache, dass die Tochter letztlich von den Nationalsozialisten gefangen genommen und ermordet wurde.

Die Aufgabe zum Reisepass dient dazu, den Unterschied von heute zu damals nachzuvollziehen, da dank des Schengen-Abkommens innerhalb der EU keine Reisepässe mehr benötigt werden und manche Schüler sich ein Leben mit festen Grenzen wohl kaum noch vorstellen können. Zur Zeit des Nationalsozialismus dagegen war der Reisepass für viele Juden eine Sache von Leben und Tod, von Freiheit oder Ermordung.

Die letzte Aufgabe dient einerseits dem Textverständnis, da sich mit diesem genau befasst werden muss, um die Namen in den Stammbaum einzutragen, andererseits soll anhand der Todesdaten der Familienmitglieder auch hier die Shoah als einschneidendes Ereignis in der Geschichte vieler Familien verstanden werden.

Als Arbeitsmaterial wird, wie bei den anderen Stolpersteingruppen, eine Zusammenfassung der Biografie der Familie beigefügt.

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Aufgaben

1. Erzähle mithilfe des Textes (M1) die Geschichte Hiltrud und Inge Helfts mit

eigenen Worten nach!

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Foto: Hiltrud Helft (Quelle: ndk Wurzen CC BY SA)

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2. Schreibe aus der Sicht von Inge, die sich im französischen Exil befindet,

einen Brief an ihre Mutter Hiltrud im Jahr 1940! Versuche dabei, dich in das

Mädchen hineinzuversetzen, das im Alter von 13 Jahren unter schwierigen

Umständen von seiner Familie getrennt ist!

Liebe Mutter,

Deine Inge

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3. Im Jahre 1939 erhielt Hiltrud Helft einen der damals sehr begehrten

Reisepässe.

a) Überlege, wozu man Reisepässe benötigt!

b) Erkläre den Nutzen und die Bedeutung eines solchen Reisepasses

für Juden in der damaligen Zeit!

Beantworte die Aufgaben in Form eines Textes!

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Reisepass Hiltrud Helft(Quelle: ndk Wurzen CC BY SA)

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Material Gruppe 1

M1 Informationstext des Netzwerks für Demokratie und Kultur Wurzen e.V.

Familie Helft

[…] Inge Helft […] war das einzige Kind von Hiltrud und Alfred Helft, einer alteingesessenen jüdischen Kaufmannsfamilie in Wurzen. Alfreds Eltern, Jenny und Ludwig Helft, hatten neben ihrem jüngsten Kind Alfred noch zwei Töchter, Gertrud und Alice. Alle drei Kinder wurden in Wurzen geboren. Nachdem die Mutter, Jenny Helft, gestorben war, heiratete Ludwig Helft 1896 in Breslau (heute Wroclaw / Polen) seine 2. Ehefrau Rosa Cohn. Sie schenkte ihm 1898 eine weitere Tochter namens Jenny Fanny. Aber schon 1919 starb auch Rosa. […]

Nach dem Ersten Weltkrieg trat Ludwigs Sohn Alfred 1918 mit ins Geschäft ein und wurde nach dem Tod seines Vaters 1932 Alleininhaber. Doch schon 1936 starb auch er mit nur 43 Jahren. Er hinterließ seine Frau Hiltrud Helft, geb. Hartmann, und seine kleine Tochter Inge, die gerade erst zehn Jahre alt geworden war. Als Kind besuchte Inge den 1. Wurzener Kindergarten, einen Fröbel-Kindergarten, in der heutigen Theodor-Körner-Straße. Später ging sie in Wurzen in die Grund- und Handelsschule. […] Der damalige Schuldirektor Lippold ordnete […] an, dass Inge nicht mehr mit den anderen Kindern gemeinsam frühstücken durfte. Jedoch waren nicht alle Schüler und Lehrer an den Demütigungen beteiligt, viele behandelten Inge auch weiterhin freundlich.

In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 musste auch Familie Helft miterleben, wie ihr Geschäft zerstört wurde, SA-Leute die Auslagen mit den Stiefeln zertraten und auf die Straße warfen. […] Inges Mutter Hiltrud musste das Geschäft bald schließen und versuchte, ihre Familie so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. […]

Da auch Helfts, wie alle jüdischen Einwohner der Stadt, immer mehr in Bedrängnis gerieten, sollte Inge ins Ausland gebracht werden. Als jüngstes Kind aus Wurzen bekam sie im Juni 1939 einen der begehrten und viel zu wenigen Plätze auf einem der von den israelitischen Religionsgemeinschaften organisierten Kindertransporte nach Belgien. Mit nur 13 Jahren wurde Inge von ihrer Familie getrennt.Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Belgien im Mai 1940 flüchteten sie weiter nach Frankreich in ein kleines Dorf in den Pyrenäen. Dort lebte Inge für zwei Jahre relativ sicher mit 100 weiteren jüdischen Kindern

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Informationstext: ndk Wurzen (CC BY SA) abrufbar unter: http://www.ndk- wurzen.de/Material/Downloads/447/

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in einer Kinderkolonie im alten Schloss „La Hille“ […]. Doch stets war Vorsicht geboten. So durften die Kinder z.B. nur auf Französisch sprechen, damit niemand erfuhr, dass hier deutsche jüdische Kinder lebten. Ab 1942 wurde es vor allem für die älteren Kinder gefährlich, denn mit 15 Jahren drohte denen die Deportation. Auch Inge lebte in der ständigen Angst, verhaftet zu werden und versteckte sich während der Hausdurchsuchungen der Gendarmerie (französische Polizei, Anm.). […] Inges Mutter war es 1939 gelungen, nach England zu fliehen und mehrmals versuchte sie verzweifelt, ein Visum der USA für Inge zu bekommen, leider vergeblich. […]

Nachdem es in La Hille immer gefährlicher wurde, plante Inge Helft gemeinsam mit vier weiteren Jugendlichen die Flucht über die Berge in die Schweiz, obwohl diese keine Flüchtlinge mehr aufnahm. Trotzdem gelang es ihnen, dorthin zu entkommen. Kurz nach ihrer Ankunft wurden Inge und drei ihrer Begleiter von Schweizer Gendarmen gefasst und an die SS ausgeliefert. Vom berüchtigten Lager Drancy bei Paris wurde Inge mit hunderten anderen jüdischen Kindern in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie am 27.02.1943 als jüngstes Wurzener Holocaustopfer kurz vor ihrem 17. Geburtstag ermordet wurde.

Ihre Mutter Hiltrud Helft überlebte als Einzige ihrer Familie. […] Nach Deutschland kehrte sie nie wieder zurück.

„Spurensuche in Wurzen“ von Universität Leipzig (Manske, Weber, Holzhauer) ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

Informationstext: ndk Wurzen (CC BY SA) abrufbar unter: http://www.ndk- wurzen.de/Material/Downloads/447/

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Erwartungshorizont Aufgaben Gruppe 1

Aufgabe 1:

Nach dem Tod Alfred Helfts im Jahre 1936 waren Inge und Hiltrud Helfts die einzigen Familienmitglieder. Es sollen in dieser Aufgabe die ersten Diskriminierungsmaßnahmen der Nationalsozialisten (Inge Helft in der Schule) sowie die Folgen der Reichspogromnacht beleuchtet werden. Außerdem die verschiedenen Fluchtwege (Inge nach Belgien, Frankreich; Hiltrud England), die zur Folge hatte, dass eine erneute Familienzusammenführung bis zur Verhaftung und Ermordung Inges trotz aller Anstrengungen nicht mehr möglich wurde.

Aufgabe 2:

Hierbei handelt es sich um eine Kreativaufgabe, bei der sich in die Gefühlswelt Inges hineinversetzt werden soll, die lange Zeit von ihrer Mutter getrennt ist. Was könnte in dem Mädchen vorgehen? Es geht vor allem darum, zu verstehen, dass der Holocaust nicht nur ein Phänomen in Büchern ist, sondern, dass er Auswirkungen auf viele tragische Einzelschicksale hatte.

Aufgabe 3:

Heutzutage, in Zeiten von Schengen, müssen sich die meisten Leute keine Gedanken mehr über Reisepässe machen. Vielleicht sind einige Kinder (möglicherweise mit Migrationshintergrund) in der Klasse, die sich dennoch mit den Schwierigkeiten des Reisens in vergangenen Zeiten auskennen, um zu verstehen, welche Bedeutung ein Reisepass hat. Am Wichtigsten ist jedoch, dass die Kinder nachvollziehen, dass der Reisepass für Hiltrud eine lebenswichtige Bedeutung hatte, sozusagen ein Fenster in der Freiheit, das möglicherweise sogar zwischen Leben und Tod entscheidet.

Aufgabe 4:

Ludwig Helft:

- Erste Ehe Jenny Helft: Kinder: Alice Helft, Gertrud Helft, Alfred Helft- Zweite Ehe Rosa Cohn: Kind: Jenny Fanny- Ehe Alfred Helft – Hiltrud Helft: Kind: Inge Helft

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Gruppe 2: Reichspogromnacht

Erläuterungen zu den Aufgaben

Die Aufgaben zur Reichspogromnacht basieren größtenteils auf Zeitzeugenberichten einiger Wurzener. Dabei dient die Jacobsgasse in unserem Projekt exemplarisch als Stätte des Gedenkens an dieses Ereignis, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, da sich in dieser Straße einige jüdische Geschäfte befanden, von denen die Zeitzeugen berichten. Auch die Aufschrift der „Fleischerei Schubert“ kann man dort heute noch lesen, von welcher Hr. Adler berichtet. Weiteres Material ist ein Ausschnitt aus dem Faltblatt für die Familie Luchtenstein, welches anlässlich der Verlegung der Stolpersteine für diese angefertigt wurde und einige Informationen zu dem Kaufhaus Lichtenstein enthält.

In der ersten Aufgabe sollen die SuS sich noch einmal kurz mit dem Thema Reichspogromnacht allgemein auseinandersetzen, wann diese war und was in dieser Nacht passiert ist. Dies soll dazu dienen, das erforderliche Vorwissen zu aktivieren und aufzufrischen, da diese Informationen für die Bearbeitung der weiteren Aufgaben notwendig sind.

In der zweiten Aufgabe gilt es herauszufinden, welche Geschäfte es damals in und um die Jacobsgasse gab. Dabei geht es nicht darum, dass die SuS lediglich die Daten aufschreiben. Beim Lesen der Interviews und Notieren der Geschäfte soll deutlich werden, dass die „Kristallnacht“ auch direkt vor der eigenen Haustür stattgefunden hat.

In der dritten Aufgabe müssen die SuS „zwischen den Zeilen“ lesen und versuchen nachzuempfinden, wie die Stimmung in Wurzen in dieser Nacht war. Dazu bieten die Zeitzeugenberichte viele unterschiedliche Emotionen und Gefühlsausdrücke, die es zu interpretieren gilt.

Grundlage für die vierte Aufgabe ist das Interview mit Fr. Kunze. Dabei sollen die SuS kreativ werden und sich in den Kopf der damals 7-8 jährigen hineindenken, um einen Tagebucheintrag zu verfassen, der ihre Wahrnehmungen, Gedanken und Emotionen bezüglich der Ereignisse umfasst.

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Aufgaben

1. Informiert euch in euren Aufzeichnungen aus diesem Schuljahr, im Lehrbuch

oder auch im Internet allgemein über die Reichspogromnacht. Erstellt dann

daraus einen Lexikoneintrag (Anlass, Verlauf und Ergebnis der

Reichspogromnacht).

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2. Lies die Zeitzeugenberichte M1-M3. Von welchen

Geschäften berichten die Zeitzeugen Fr. Schneider, Fr.

Dietrich und Hr. Adler? Was findet in dem Text „Kaufhaus

Lichtenstein“ dazu Erwähnung? Fülle die Tabelle anhand

dieser Informationen aus! (Es bleiben einige Tabellenfelder

frei, da nicht zu jedem Geschäft alle Informationen verfügbar

sind.)

Geschäft Besitzer Warenangebot Straße

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Foto: Warenhaus Lichtenstein (Quelle: NDK Wurzen CC BY SA)

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3. Beschreibt die Stimmung während der Reichspogromnacht in Wurzen!

Bezieht dazu die Meinung und Position der Bewohner der Stadt mit ein. Haben

diese die Geschehnisse befürwortet oder nicht? Nutzt dazu die

Zeitzeugenberichte.

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4. Lies den Zeitzeugenbericht (M5) von Fr. Kunze. Schreibe dann einen fiktiven

Tagebucheintrag, in dem sie ihre Eindrücke, Erfahrungen und Gefühle versucht

zu verarbeiten. Beachte dabei ihr Alter zu dieser Zeit.

Liebes Tagebuch,

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Material Gruppe 2

M1: Interview mit Fr. Schneider (Ausschnitt)

Fr. Schneider: geboren 1928 in Wurzen

(I=Interviewer)

I.: Und wie hat sich der Krieg hier... wie hat das angefangen? Es gab ja auch Juden hier, glaube ich...Fr. Schneider: Ja, die Juden, die waren hier schon[...], die kamen hier schon in der Kristallnacht, haben sie da hier schon was gemacht.I.: Haben Sie das miterlebt? Können Sie sich daran erinnern?Fr. Schneider: Da war ich noch junger, aber ich weiß, dass sie hier die Scheiben eingeschmissen haben und so in der Stadt drinnen und die Juden raus gehauen haben.I.: Und waren die Wurzener da... haben die sich da zurückgehalten oder waren die aktiv?Fr. Schneider: Das haben wir damals noch nicht verstanden, mit dem Alter. Na klar, es war Tumult, eine kam sogar mit dem Pferd und hat so Steine ins Fenster geschmissen, ins Schaufenster – da kann ich mich noch entsinnen.I.: Haben Sie das selber gesehen?Fr. Schneider: Das hab ich selber gesehen, das war eine Fabrikstochter.I.: Davon hab ich schon mal gehört...das hat mir schon mal jemand, aber nur aus einer Erzählung, berichtet...Fr. Schneider: ...und meine Schwester ging auch beim Juden essen. [Es war so,] bei minder bemittelten Leuten, also Familien, da haben die reichen Leute immer jemanden mitgenommen [zum Essen]. Ich ging auch bei jemanden essen, das war einmal in der Woche oder im Monat oder so.I.: Was haben Sie da gedacht, wenn Sie das sehen, dass jemand ein Stein ins Fenster wirft?Fr. Schneider: Furchtbar! … und dann haben sie, glaube ich, auch was angebrannt, aber das weiß ich nicht mehr so genau.I.: Und wie sind Sie an die Leute, wenn sie irgendwo essen waren, wie hat sich das ergeben? Wer kam zu wem?Fr. Schneider: Das waren von den Schulfreundinnen die Eltern. Und meine Schwester war beim Juden, und ich war bei einer anderen Gastfamilie.

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M2: Interview mit Fr. Dietrich (Ausschnitt)

Fr. Dietrich: geboren 1920 in Wurzen

(I=Interviewer)

I.: Und hat sich das im Alltagsleben nicht so deutlich gezeigt? Jetzt außer bei der Reichskristallnacht, denke ich, da war hier – wie ich hörte – auch einiges los.Fr. Dietrich: Oh das war furchtbar! In meine Klasse da ging ein Kind, das war ein Judenkind, wie hieß der gleich... Da hab ich gestaunt, den haben die Lehrer sehr gut behandelt, die ganze Zeit...Luchtenstein. Vom Kaufhaus die hießen Lichtenstein und der nannte sich Luchtenstein, die hatten ein hübsches Haus in der Fischerstraße. Ich meine der war nicht besonders gescheit, aber so ein Mittelmaß, und den haben die Kinder... und der hatte noch einen älteren Bruder, der war Primus omnium, das war der Gescheiteste in der Klasse, hieß das. Bis so zum Abitur die haben die den wirklich sehr anständig behandelt. Da muss ichsagen, wir hatten eigentlich bloß zwei verrückte Nazis in unserer Schule, das war Herr Kelterborn und – wie hieß der andere? – und Schröder, die waren so verrückte Nazis. Die anderen waren alle gemäßigte Menschen so. Was sie mussten haben sie gemacht, aber nicht mehr, in der Schulzeit. Und dann immer der Fliegeralarm und der schreckliche Schluss mit dem Russen dann.I.: Und dieser Junge... ist er dann in der Klasse geblieben?Fr. Dietrich: Nein, die sind fort, die haben sich nach England abgesetzt, Gott sei Dank noch zur Zeit! Gott sei Dank, da sind sie nicht ins Lager gekommen.I.: Das war dann schon bekannt, dass die dahin deportiert wurden, oder...Fr. Dietrich: Ja, ja, das sie so schlimm waren. Ja, ja, das hat sich rum gesprochen... das war ganz furchtbar. Und sie waren seit hunderten von Jahren in Deutschland!I.: Und in der Kristallnacht wurde dann diese Kaufhaus auch gestört oder die Läden?Fr. Dietrich: Ja, das war schrecklich, ja, das war ganz schlimm. In der Wenceslaigasse gab es Textilgeschäft Helft, das war, wenn man von oben, von Süden guckt, auf der linken Seite. Ich weiß noch, da ging ich durch die Stadt, zufällig war ich da in der Stadt, da rannten die dort rein... Da war ein Schokoladengeschäft, da war der Mann ein Deutscher, der hat eine Jüdin geheiratet, da sind die auch rein und haben denen die Schaufenster, die Auslagen durcheinander geworfen und drauf rumgetreten und bei Helfts auch, das war so schlimm! Noch bei Lichtensteins! Da haben wir gedacht, die sind wahnsinnig geworden, hier.I.: Und das waren dann so „paar verrückte Nazis“, oder?Fr. Dietrich: Das war, denke ich, von der Behörde aus. Da gab es ja eine richtige Organisation, die Partei und die hatten ja auch die meisten Ämter inne in der Stadt. Die haben das dann auch noch gefördert diese schlimmen Sachen.I.: Und ihr Vater? Weil Sie immer von Ihrer Mutter sprechen, die so streng dagegen war...Fr. Dietrich: Ja, mein Vater der sagte: „Mein Gott, man muss ja hier leben, und das müssen wir in Kauf nehmen“, war der mehr so der Meinung. Also er war nie und nimmer ein Nazi, aber er sagte immer: „Wir müssen sehen, dass wir durchkommen hier...“ Und eigentlich unsere Bekannten alle, die Schladebachs, war deutschnationaler Abgeordnete, der hatte ein Stadtgut in Wurzen, in Dresden... Die Eltern haben deutschnational gewählt, das weiß ich noch. Aber der Vater war nicht ganz so wütend, der sagte klar: „Der Hitler macht lauter Mist oder so“, aber er war nicht so wie die Mutter, gemäßigter eben.

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M 3: Interview mit Hr. Adler (Ausschnitt)

Hr. Adler: geboren 1935 in Wurzen

(I=Interviewer)

Hr. Adler: Fleischerei Schubert, in diesem Geschäft war meine Mutter einkaufen, die Kristallnacht war doch im November 38, und als ich das erste Mal meiner Frau davon später erzählte, meinte die du kannst dich doch als 3jähriges Kind + 3 Monate überhaupt nicht daran erinnern, schon rein biologisch. Und ich sage, dass war für mich so einprägend, ich kann mich noch daran erinnern. Und ich habe dort in dem Schaufenster gesessen und auf einmal schmissen, ich sag jetzt mal Erwachsene, egal jetzt wer es war, gegenüber bei Eplinius, jetzt Schlecker, die Schaufensterscheiben ein. Nun können sie sich denken, wenn ein 3-jähriges Kind dort sitzt und geraderüber schmeissen andere Leute die Schaufenster ein, so was merkt man sich doch! Und in der Jakobsgasse, da ritt eine auf einem Pferd und meine Mutter hat mir gesagt, dass ist Schütz Mariele, auch ein Begriff in Wurzen, und die hätte diese die Scheiben einschlagenden Personen, wahrscheinlich die SA, angefeuert. Und Schütz Mariele war, wenn sie so wollen, Pferdesportlerin. Also das war praktisch, wie soll ich sagen...und Schütz Mariele war die Tochter, hing vom Namen her mit dieser Firma G.A. Schütz, später MaFa, zusammen.I.: Die Reichskristallnacht war also auch in Wurzen? Hr. Adler: Ja, war auch hierI.: Was waren das für Geschäfte, die jüdischen Geschäfte?Hr. Adler: Also geraderüber, der Eplinius, das war so ein Allerweltskaufhaus, so wie Pfennigfuchser oder … wo es alles gab, vom Spielzeug über die Tischdecke bis zum Schuh, es gab alles da drin. Und die anderen weiß ich jetzt nicht.I.: Und die waren dann irgendwann weg?Hr. Adler: Die waren dann irgendwann weg. Eplinius wurde dann in der Folge, die werden das repariert haben, Bauer & Co, so hieß dann der Laden.I.: Das wurde dann aber zu der Zeit nicht groß thematisiert und zu Ostzeiten auch nicht, oder?Hr. Adler: Es war kein großes Thema,(es wurde nicht drüber geredet) oder man hat es bewußt ausgeklinkt. Aber... aber...verflacht.

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M4 – Informationstext zum Kaufhaus Lichtenstein:

Eine geschätzte Adresse in Wurzen war das Kaufhaus Lichtenstein in der

Jacobsgasse 8. Wegen seiner großen Auswahl, seiner guten Qualität, den

ansprechenden Preisen und nicht zuletzt wegen der freundlichen und

angenehmen Atmosphäre kauften die Wurzner gern hier ein. Der Besitzer

und Kaufmann Hugo Luchtenstein war bei seiner Kundschaft und seiner

Belegschaft außerordentlich beliebt und in der Stadt ein hoch geachteter

Bürger. […] Seine Eltern, die einst aus dem Osten Europas nach Wurzen

kamen, hatten das Geschäft bereits 1885 gegründet. 1935 wurde das

50jährige Geschäftsjubiläum gefeiert. Mittlerweile waren hier mehr als 20

Angestellte tätig. […]

Als die Nazis 1933 die Macht ergriffen, kam das Unheil auch auf die Familie

Luchtenstein zu. Mehrere Wochen vor der Pogromnacht versuchten SA-Leute

vor dem Kaufhaus die Kundschaft einzuschüchtern und sie vom Kauf

abzuhalten. Am 9. November 1938 stürmten Wurzener Nazis mit Fackeln und

Eisenstangen durch die Straßen, zerschlugen im Kaufhaus die Fensterscheiben

und warfen die Auslagen auf die Gasse. Sie plünderten und raubten das Geschäft

aus und zerstörten damit die Lebensgrundlage der Familie. Damit noch nicht

genug - die Luchtensteins mussten alles wieder ins Geschäft tragen und die

Scherben beseitigen. […] Hugo und Hedwig Luchtenstein betraten ihr

„arisiertes“ Geschäft nur noch einmal, um sich von ihrer Belegschaft zu

verabschieden. […]

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Text: NDK Wurzen (CC BY SA)Online im Internet: http://www.ndk-wurzen.de/Material/Downloads/447/ [12.03.2016]

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M 5: Interview mit Fr. Kunze (geboren ca. 1930/31) (Ausschnitt)

Frau Kunze: …gefrühstückt, um uns für die Schule fertig zu machen, mein Vater mit, um in seinen Laden zu gehen und dann sagt er: „Aber heute haben die Müllleute Krach gemacht, das war ja ein Lärm beim Frühstück.“ Es war November, es war ja noch dunkel und so, und naja, da sind wir los, wir wohnten in der ersten Etage, runter auf die Straße und gehen in Richtung unserer Schule, meine Geschwister und ich. Mein Vater ging in den Laden. …so’ ne dicke Brühe und Zeug auf die Straße, wie Quellen. Dann der nächste Laden war normal, der andere Laden: Scherben, auch wieder das ganze Inventar irgendwie auf der Straße. Und von der alten Frau war nichts weiter zu sehen, die darin…. Das war der Eindruck – wie jetzt Trümmer aus den Läden, Ladeneinrichtungen, der eine Buchladen war total geplündert und alles rausgefetzt und einige Läden so, einige waren wieder wie so normal. Und da hieß es, das waren Juden. Frau Adlerholz, bei der wir unsere Hefte kauften... Wieso den Juden? Was sind das...?...Das war doch unsere liebe...Frau Adlerholz, das kapierten wir nicht in unserem Kindergehirn. Was sie so für andere Menschen [sein sollen], denen man das alles kaputt macht – wieso denn? Und dann die Radiokommentare, die man da sich mit anhören musste, wir haben’s einfach nicht begriffen. Wir fanden das schrecklich, wir haben irgendwie seitdem in irgendeiner Angst gelebt. So muss ich das mal sagen. Dass, man den helfen kann oder irgendwas, das haben wir nun... ich war sieben, acht Jahre, das war... das konnten wir nicht verstehen. Aber wieso das andere Menschen sein sollen, mit denen man Guten Tag [sagte] und die uns dies und das gezeigt hatten,... das konnten wir einfach nicht begreifen. Aber seitdem ging Angst rum, weiß ich, was Angst ist, so muss ich das mal schildern. Und dann kam auch bald der Krieg. Die Sirene [wurde uns] auf Haus montiert, der Laden mussten wir zumachen, mein Vater wurde zur Luftschutzpolizei einberufen, musste da so Sirenenwagen fahren. Und dann eben noch diese Reden: Goebbels. Ich weiß noch, ich kam aus der Schule und meine Schwester Pauline, die war eher da und mein Bruder kam immer später, der ging schon auf die Wirtschaftsschule im Stadtinneren, so eine Gymnasiumsart, und ich kam da und die haben schon angefangen zu essen und das Radio lief. Da hör’ ich die Stimme und die war mir so widerlich, da sage ich: „Nee, das ist ein Kriegshetzer!“ Also das, was er gesagt hat, das hab’ ich ja gar nicht begriffen, aber der Klang! Und sagte meine Großmutter meiner Mutter: „Helga, um Gottes Willen sag’ das gar nicht, das ist der Goebbels... also pssst, Mund zu und gar nicht so was sagen!“ Ich hab’ so instinktiv aus dieser Stimme heraus gesagt: „Aber das ist ein Kriegshetzer!“ Das wurde uns ja von immer von denen und denen erzählt, das waren ja alles immer Kriegshetzer... Und das war so meine Emotion und da wurde ich ohhhh... alle beide Frauen [= Mutter und

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Interview: NDK Wurzen (CC BY SA)

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Großmutter] auf mich ein und gesagt: „Das darfst du überhaupt nicht sagen, nie, das behältst du jetzt für dich!“ Seitdem ging Angst rum, so muss ich das mal sagen.

Erwartungshorizont Aufgaben Gruppe 2

Aufgabe 1:

Folgende Inhalte sollte der Lexikoneintrag beinhalten:

- Nacht vom 9. auf den 10. November 1938- Ausraubung fast aller jüdischen Gotteshäuser und Geschäfte unter der

Leitung der SA und SS- Wurde von der Reichsregierung als spontane Aktion propagiert, war

tatsächlich jedoch gezielt vorbereitet - Hunderte Menschen wurden verletzt oder ermordet, Tausende in

Konzentrationslager deportiert

Aufgabe 2:

- Kaufhaus Lichtenstein / Besitzer Familie Luchtenstein / gemischte Waren / Jacobsgasse 8

- „Allerweltskaufhaus“ / Eplinius / „vom Spielzeug über die Tischdecke bis zum Schuh“ / Jacobsgasse

- Fleischerei Schubert / Besitzer Schubert / Fleischwaren / Jacobsgasse- Textilgeschäft Helft / Besitzer Helft / Textilwaren / Wenceslaigasse- Schokoladengeschäft

Aufgabe 3:

Es sollte erkennbar sein, dass es keine klare Positionen der Bürger Wurzens gab. Während die einen mitmachten oder es zumindest befürworten, fanden andere es schrecklich und wieder andere vertraten keine klare Meinung. Die Stimmung sollte als aufgeheizt, undurchsichtig beschrieben werden. Auch das Unverständnis vieler, vor allem der Kinder, für das Geschehen sollte Erwähnung finden.

Aufgabe 4:

In dem Tagebucheintrag sollte das Unverständnis der damals 7 bis 8-jährigen Fr. Kunze für das Geschehen deutlich werden, Fragen, warum manche Läden zerstört waren und andere nicht, warum Fr. Adlerholz auf einmal keine gute

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Frau mehr sein soll. Auch der Missmut über den Krieg, über Goebbels aber auch die Angst vor dem Regime sollten erkennbar sein.

Gruppe 3: Stolperstein Familie Luchtenstein

Erläuterungen zu den Aufgaben:

Die Gruppe zur Familie Helft ist eine der 3 Gruppen, die sich explizit mit der Geschichte einer jüdischen Familie, die den Nationalsozialisten zum Opfer gefallen ist, beschäftigen. Die Namen der Opfer sind auf einem Stolperstein in Wurzen verewigt. Um ein besseres Verständnis vom Leben und dem Einschnitt, den die Shoah in den persönlichen Biographien der Familienmitglieder darstellte, soll sich wie bei den anderen Stolpersteingruppen vorerst mit dem Lebensweg zweier Familienmitglieder, in diesem Fall der Brüder Hans und Walter, beschäftigt werden. Anschließend stehen bei dieser Gruppe zwei spezifische Dimensionen im Vordergrund:

Einerseits steht der Nutzen, den die Nationalsozialisten aus der Vernichtung der Juden zogen, im Vordergrund. Durch die Einziehung der Vermögen wohlhabender Juden und Regimegegner wurden „verdiente“ Parteikader zufriedengestellt und der Eindruck einer gerechten Verteilung der Mittel erweckt. Um dies nachvollziehen zu können, dient die Aufgabe 2.

Aufgabe 3 und 4 dagegen haben einen völlig anderen Zweck: Sie betrachten die Geschehnisse aus der Retrospektive. Vorerst soll sich mit einem Ausschnitt aus den Erinnerungen Hans Luchtensteins befasst werden. Dieser erinnert sich nicht nur an die Diskriminierung und die Flucht, sondern im Besonderen an persönliche und teilweise positive Ereignisse in Wurzen, wie die Erlebnisse mit einem guten Freund. Diese Aufgabe soll den Schülern helfen, sich besser in die Opfer des Nationalsozialismus hineinversetzen zu können. Die geschichtlichen Daten sind nicht nur harte Fakten, sondern haben einen direkten Bezug zum Leben der betroffenen Menschen.

Aufgabe 4 stellt die Versöhnung in den Vordergrund. Die Rückkehr der Nachfahren der Familie Luchtenstein ist eine Reise in die Vergangenheit der Familie, im Positiven wie im Negativen. Zu verinnerlichen, dass man verzeihen und sich verständigen kann, ist ein wichtiges Ziel dieser Aufgabe.

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Als Arbeitsmaterial wird wie bei den anderen Stolpersteingruppen eine Zusammenfassung der Biografie der Familie beigefügt. Außerdem ein englischer Text mit dem Ausschnitt aus den Erinnerungen Hans Luchtensteins, der außerdem dazu dient, die Englischkenntnisse der Schüler zu verbessern.

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Aufgaben

1. Erzähle mithilfe der Materialien M1 und M2 die Geschichte der Brüder Hans

und Walter Luchtenstein mit eigenen Worten nach!

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Foto: Hans und Walter Luchtenstein(Quelle: NDK Wurzen, CC BY SA)

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2. Betrachte das Bild von Hedwig und Hugo Luchtenstein. Was lässt sich über

die gesellschaftliche Stellung der Familie vermuten? Erkläre, welchen Nutzen

die Nationalsozialisten aus der Enteignung von Personen wie den Luchtensteins

hatten!

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Foto: Hedwig und Hugo Luchtenstein(Quelle: NDK Wurzen, CC BY SA)

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3. Lies die Erinnerungen Hans Luchtensteins (M2)! Arbeite heraus, welche

Ereignisse ihm besonders in Erinnerung geblieben sind!

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4. Im Jahre 2013 wurde im Beisein der Nachfahren der Familie Luchtenstein ein

Stolperstein in Wurzen verlegt. Erkläre, welche Bedeutung die Rückkehr nach

Deutschland für die Luchtensteins gehabt haben könnte!

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Material Gruppe 3

M1: Informationstext zur Familie Luchtenstein

Eine geschätzte Adresse in Wurzen war das Kaufhaus Lichtenstein in der Jacobsgasse 8.

[…] Der Besitzer und Kaufmann Hugo Luchtenstein war bei seiner Kundschaft und

seiner Belegschaft außerordentlich beliebt und in der Stadt ein hoch geachteter Bürger.

[…] Seine Eltern, die einst aus dem Osten Europas nach Wurzen kamen, hatten das

Geschäft bereits 1885 gegründet. […]

Hugo Luchtenstein, 1879 in Ostpreußen geboren, hatte im Ersten Weltkrieg das

„Eiserne Kreuz“ erhalten, welches, für jedermann sichtbar, im Geschäft ausgestellt war

und so seine patriotische Einstellung demonstrierte. Er heiratete […] Hedwig

Markowitz, eine stets fröhlich und warmherzige Person. Sie bekamen die beiden Söhne

Walter (geb. 1917) und Hans (geb. 1921). 1928 baute Hugo Luchtenstein in der

Fischerstraße 3 (heutige Heinrich-Heine-Straße 3) eine Stadtvilla und lebte darin einige

glückliche Jahre mit seiner Familie. […] Beide Jungen besuchten in Wurzen die

Volksschule, danach das Gymnasium. Sie waren nicht nur beliebte und geachtete

Kameraden, […] sondern Walter war auch ein sehr guter Schüler und der beste

Abiturient des ganzen Gymnasiums. […]

Als die Nazis 1933 die Macht ergriffen, kam das Unheil auch auf die Familie

Luchtenstein zu. Mehrere Wochen vor der Pogromnacht versuchten SA-Leute vor dem

Kaufhaus die Kundschaft einzuschüchtern und sie vom Kauf abzuhalten. Am 9.

November 1938 stürmten Wurzener Nazis mit Fackeln und Eisenstangen durch die

Straßen, zerschlugen im Kaufhaus die Fensterscheiben und warfen die Auslagen auf die

Gasse. Sie plünderten und raubten das Geschäft aus und zerstörten damit die

Lebensgrundlage der Familie. Damit noch nicht genug - die Luchtensteins mussten

alles wieder ins Geschäft tragen und die Scherben beseitigen. Anschließend wurden

Hugo und sein ältester Sohn Walter verhaftet und im Schloss eingesperrt. Walter kam

ins KZ Sachsenhausen. Er konnte nach seiner Freilassung 1939 nach England

emigrieren. Auch hans folgte seinem Bruder im gleichen Jahr ins Exil.

Hugo und Hedwig betraten ihr „arisiertes“ Geschäft nur noch einmal, um sich von der

Belegschaft zu verabschieden. Sie flohen nach Berlin zu Verwandten […]. Beide

wurden am 18.10.1941 in das damalige Ghetto Litzmannstadt (das heutige Lodz)

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deportiert. Am 08.05.1942 kamen Hugo und Hedwig Luchtenstein in das

Vernichtungslager Kulmhof (das heutige Chelmno) und wurden sofort in den Tod

geschickt.

Die beiden Söhne Walter und Hans überlebten die Shoa und nannten sich in England

nun Walter und John Ludlow. Sie wurden beide über 80 Jahre alt und hatten viele

Kinder und Enkel. Walter Ludlow hielt bis zuletzt immer wieder Kontakt zu seiner

Geburtsstadt und besuchte ehemalige Angestellte seines Vaters. Er starb 1999. John

Ludlow aber sah Wurzen nie wieder. Er starb 2005.

Umso erfreulicher ist es, dass am 26.09.2013 in Wurzen im Beisein von vielen Kindern

und Kindeskindern der Familie Luchtenstein / Ludlow Stolpersteine zur Erinnerung an

deren Schicksal verlegt wurden.

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M2: Hans Luchtensteins Erinnerungen (Auszug)

Dieter was the same age that I was and we went through school together. We

went to school and came home together every day and spent as much of our

waking time as possible together. Together, as we grew older, we rode our

bicycles to the countryside and walked in the extensive woods around.

At the opposite side of the town, where we lived, there was a place that we

treasured in the summer, a swimming pool in the natural setting. It wasn’t a

lake, but it was a river that had been dammed up and made into a very nice

facility. This swimming bath was called Golden Valley. In the summer, weather-

permitting, we spent days and days there, days which give me happy memories.

His immediate uncle was a commander-in-chief of the German-Army. His name

was von Brauchich. I met him once before. He didn’t say much to me. The

important thing I want to convey was that although he was a top-ranking

General, he and most of his immediate family was strongly against Hitler all the

time, which was, of course, one of the reasons why Dieter stayed an honest and

closed friend to me all through the years. I did love this boy; I have even now

the most tender feelings for him, and I’m very sad that he did not survive.

to treasure - schätzen

facility - Anlage

commander-in-chief - Oberbefehlshaber

tender - zart, weich

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Text: NDK Wurzen (CC BY SA)

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Erwartungshorizont Aufgaben Gruppe 3

Aufgabe 1:

Hans und Walter Luchtenstein sind auf dem Arbeitsblatt die Personen, über die am meisten berichtet wird. Es soll über ihre Schulzeit erzählt werden (beide gute Schüler), die Diskriminierung durch die Nationalsozialisten (Walter wurde verhaftet und musste ins KZ Sachsenhausen), Beide Brüder konnten ins Exil nach England fliehen, überlebten den Holocaust, hielten Kontakt zu Wurzen und besuchten es aus Anlass der Stolpersteinlegung wieder.

Aufgabe 2:

Bei der Familie Luchtenstein handelt es sich um Mitglieder des gehobenen Standes mit höherem Wohlstand und von höherer Bildung. Mit deren Enteignung verfolgten die Nationalsozialisten auch das Ziel, sich einflussreicher Personen, die für die nationalsozialistische Ideologie nicht einzunehmen waren, zu entledigen. Desweiteren konnten man mit dem eingezogenen Vermögen bzw. den Immobilien nach der Zwangsenteignung Parteimitglieder versorgen und ihnen zu Wohlstand verhelfen, ohne dass es große Teile der Gesellschaft gestört hätte.

Aufgabe 3:

Diese Aufgabe hat die zusätzliche Schwierigkeit, dass der zugehörige Text auf Englisch ist. Es geht darum, sich mit einer authentischen Quelle auseinanderzusetzen. Hans erinnert sich besonders stark an einen Freund namens Dieter, zu dem er ein sehr enges Verhältnis hatte sowie an deren gemeinsame Aktivitäten. Außerdem erwähnt er dessen Onkel, ein hoher Wehrmachtsoffizier, der den Nationalsozialisten gegenüber negativ eingestellt war. Die Tragik besteht darin, dass Dieter nicht überlebt hat.

Aufgabe 4:

Trotz des Holocaust und der traumatischen Erfahrung für Hans und Walter Luchtenstein blieb die Bindung an Wurzen für beide stets eng. Die Rückkehr dorthin hatte für deren Kinder auch die Bedeutung als ein Besuch der Stätten, an denen sich die Geschichte der Vorfahren abgespielt hat. Die Wichtigkeit der Versöhnung als Ziel geschichtlicher Aufarbeitung soll in dieser Aufgabe ebenfalls deutlich hervorgehoben werden.

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Gruppe 4: Stolperstein Familie Goldschmidt

Erläuterungen zu den Aufgaben:

Die Gruppe zur Familie Goldschmidt ist eine der 3 Gruppen, die sich explizit mit der Geschichte einer jüdischen Familie, die den Nationalsozialisten zum Opfer gefallen ist, beschäftigen. Die Namen der Opfer sind auf einem Stolperstein in Wurzen verewigt. Es geht im Allgemeinen darum, nicht nur die Shoah zu betrachten, sondern auch das Leben nachzuvollziehen, das vernichtet wurde. Daher die ersten beiden Aufgaben, die den Lebensweg der Familie, aber auch schon deren Schicksal nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nachvollziehen sollen. Hier soll sich von den harten Fakten der Geschichte gelöst und die persönliche Dimension anhand einiger Biographien sowie der verzweigten Lebensläufe der verschiedenen Familienmitglieder verstanden werden.

Bei der dritten Aufgabe geht es darum, den Flucht- und Leidensweg der Familienmitglieder nachzuvollziehen, die durch die Repressionen der Nationalsozialisten fliehen mussten. Dass ganze Familien dabei getrennt und auseinandergerissen wurden, ist hierbei von zentraler Bedeutung.

Die letzte Aufgabe dient dem Verständnis der Willkür, mit der die Menschen im Nationalsozialismus diskriminiert wurden. Mit der Unterscheidung der Leute nach verschiedenen Graden, je nachdem, wie viele Juden sich unter den Vorfahren befanden, obwohl die Betroffenen sich teilweise selbst nicht einmal als Juden fühlten, soll sich in dieser Aufgabe befasst werden.

Als Arbeitsmaterial wird, wie bei den anderen Stolpersteingruppen, eine Zusammenfassung der Biografie der Familie beigefügt.

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Aufgaben

1. Erzähle die Geschichte der Familie Goldschmidt mithilfe des

Informationstextes (M1) in eigenen Worten nach. Konzentriere dich dabei

insbesondere auf die Bedeutung des Judentums für die Familie, die Folgen der

Reichspogromnacht und die unterschiedlichen Fluchtwege der

Familienmitglieder!

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Foto: Familie Goldschmidt(Foto: NDK Wurzen CC BY SA)

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Spurensuche in Wurzen -Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus

2. Betrachte den Stammbaum der Familie Goldschmidt (M2) . Beschreibe

die Schicksale der einzelnen Familienmitglieder!

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3. Markiere auf der Karte mithilfe von Pfeilen den Weg der einzelnen Mitglieder

der Familie Goldschmidt. Erkläre mithilfe der Karte, warum Liselotte im

Gegensatz zu den anderen Familienmitgliedern nicht gefangengenommen

wurde!

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Spurensuche in Wurzen -Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus

4. Auf dem Einlieferungsschein des KZ-Buchenwald wird Friedrich

Goldschmidt als „Mischling 2. Grades“ bezeichnet. Recherchiere mithilfe der

Aufzeichnungen in deinem Hefter, dem Lehrbuch oder dem Smartphone, welche

Kategorisierungen die Nationalsozialisten vornahmen!

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Foto: Einlieferungsschein von Friedrich Goldschmidt (NDK Wurzen CC BY SA)

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M1 Informationstext zur Familie Goldschmidt

Die Familie Goldschmidt steht in der Wurzener Erinnerung für ein beliebtes

Konfektionsgeschäft für Herren- und Knabenbekleidung in der Jacobsgasse 11 - 13.

Kaufmann Eduard Goldschmidt ist seit Anfang der 1880er Jahre von Halle kommend

zuerst als Geschäftsführer der Firma Cohen in Wurzen nachgewiesen. […] Mit seiner

Ehefrau Franziska, geb. Eichengrün lebte er in der Wurzener Fischerstraße 16 (heute

Heinrich-Heine-Straße) im Gartenhaus. Die beiden hatten einen Sohn, Friedrich

Goldschmidt, der 1885 in Wurzen geboren wurde. […] Friedrich Goldschmidt heiratete

1919 die 1896 in Wittenberg geborene Kaufmannstochter Bianca Baumann. 1920

wurden ihnen in Wurzen die Tochter Liselotte und 1924 der Sohn Manfred Wolfgang

geboren. […]

Die Familie Goldschmidt zählte zur israelitischen Gemeinde Leipzig, war jedoch in

Wurzen völlig assimiliert, wie die meisten Juden. Mit den jüdischen Ritualen wurde

nicht zu streng umgegangen, denn als bei Wolfgangs Geburt der Leipziger Rabbi nicht

rechtzeitig zur Beschneidung kommen konnte, unterblieb diese einfach. Ein Umstand,

der Wolfgang später in Auschwitz wahrscheinlich das Leben gerettet hat. […] Der

Machtantritt der Nazis 1933 brachte für die Wurzener Juden bald die ersten

Repressalien (Maßnahmen zur Unterdrückung, Anm.). Wie bei den anderen jüdischen

Geschäften in der Stadt stand die SA auch vor Goldschmidts Laden und versuchte, die

Leute am Einkaufen zu hindern. […] Eine befreundete Familie berichtete ihnen (den

Goldschmidts, Anm.) von den geheimen Plänen der Faschisten. So gab Friedrich noch

vor der Pogromnacht sein Geschäft schweren Herzens in „arische Hände“ und

verhinderte so, dass es in der Nacht des 09.11.1938 zerstört wurde. Aber der

aufgebrachte Mob zog auch vor sein Wohnhaus. Nichts Gutes ahnend hatte der

inzwischen fest angestellte Fritz Freimark seinen Chef nach Hause begleitet und erlebte

die schrecklichsten Szenen. Einige namhafte und angesehene Bürger der Stadt Wurzen

schmähten und beschimpften die Goldschmidts und warfen mit Steinen. […]

Mitte der 30er Jahre emigrierte Liselotte, wo sie später in Manchester Kinderpflegerin

wurde. 1939 gelangten Friedrich, Bianca und Wolfgang schließlich nach Sluis /

Holland. Dort warteten sie in einem katholischen Flüchtlingslager auf die Ausreise,

während ihr Hab und Gut versiegelt im Hamburger Hafen lagerte. Nach dem Einmarsch

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der Wehrmacht mussten sie wiederum flüchten, diesmal nach Belgien und später nach

Frankreich. 1941 wurde ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Zuletzt lebten

sie in Levallois Perret / Frankreich, wo sie schließlich denunziert (verraten, Anm.) und

verhaftet wurden. Nach einer fünfjährigen Odyssee endete die Flucht im berüchtigten

Lager Drancy. Am 27.03.1944 deportierte man sie mit dem 70. Transport nach

Auschwitz, wo sie am 30.03.1944 ankamen. Die Eltern wurden sofort ermordet.

Wolfgang musste bei der IG Farben Zwangsarbeit leisten. Von den mehr als 1000

Menschen dieses Transports haben nur 152 überlebt. Am 26.01.1945 kam der

inzwischen als Manfred registrierte Wolfgang mit einem sehr großen Transport von

3.873 Gefangenen in das KZ Buchenwald. Unter unmenschlichen Zuständen starben

dabei 473 Häftlinge. Schließlich erlebte er die Befreiung durch die Amerikaner mehr tot

als lebendig. Liselotte lernte in England ihren Mann Michael Thompson kennen. Sie

bekamen die Kinder Nick, Andrew und Judith […]. Später ging die Familie nach

Kalifornien / USA.

Liselotte starb infolge ihrer Herzkrankheit bereits 1968 in Carrito. Manfred

Goldschmidt ging nach dem Krieg zurück nach Frankreich und heiratete Suzanne

Grundmann, eine überlebende Jüdin aus dem Elsass. Sie bekamen die Kinder Nicole

und Michel. […]

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Informationstext: ndk Wurzen (CC BY SA) abrufbar unter: http://www.ndk- wurzen.de/Material/Downloads/447

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Text: NDK Wurzen (CC BY SA), Online im Internet: http://www.ndk-wurzen.de/Material/Downloads/447/ [12.03.2016]

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M2 Stammbaum der Familie Goldschmidt :

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Stammbaum: NDK Wurzen (CC BY SA), online unter: : http://www.ndk-wurzen.de/Material/Downloads/447/ [12.03.2016]

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Erwartungshorizont Aufgaben Gruppe 4

Aufgabe 1:

Bekleidungsgeschäft Goldschmidt Wurzen, Umgang der Familie mit dem Judentum – eher säkular. Diskriminierung durch die Nationalsozialisten, Reichspogromnacht – Geschäft zerstört. Ermordung der Eltern, gelungene Flucht der Kinder.

Aufgabe 2:

Wie verlief die Flucht der einzelnen Familienmitglieder? Liselotte schon Mitte der 20er Jahre nach England, die übrige Familie Niederlande. Einmarsch der Wehrmacht in den Niederlanden, weitere Flucht nach Belgien, Frankreich. Denunzierung, Verhaftung, Lager Drancy. Transport nach Auschwitz, Ermordung der Eltern, Befreiung des Sohnes Manfred in Buchenwald.

Aufgabe 3:

Weg der Familienmitglieder auf der Karte einzeichnen: Liselotte Großbritannien, weiteren Weg in die USA andeuten. Andere Familienmitglieder: Niederlande, Belgien, Frankreich, Deportation nach Auschwitz, Abtransport nach Buchenwald (Manfred). Bei dem kurzen Text unter der Karte geht es darum, dass die Kinder nachvollziehen, dass England als von den Nationalsozialisten nicht erobertes Land sicher war, während die übrigen Familienmitglieder trotz der Flucht noch im eroberten Frankreich verhaftet wurden.

Aufgabe 4:

Für diese Aufgabe sollen die Aufzeichnungen aus dem Hefter, das Lehrbuch oder auch die Recherche im Internet genutzt werden. Die zu ermittelnden Informationen sind: Jüdischer Mischling (ein jüdisches Elternteil), jüdischer Mischling zweiten Grades (ein jüdisches Großelternteil), Unterscheidung Mischlinge ersten Grades - Halbjuden, durch Heirat mit Juden – Volljude. Es geht hierbei darum, zu verstehen, wie willkürlich die Diskriminierungsmaßnahmen waren.

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Gruppe 5: Todesmarsch

Erläuterungen zu den Aufgaben:

Die SuS werden sich in der Gruppe 5 mit den Todesmärschen auseinandersetzen. Die Aufgaben zu diesen Märschen sind gestaffelt. Vom Allgemeinen soll auf das Detail, d.h. auf den Verlauf der Todesmärsche in bzw. um Wurzen geschlossen werden. Bis hin zu der Umsetzung des heutigen Gedenkens, sei es in Form von Denkmälern oder aber durch Gedenkmärsche. Der Fokus der ersten Aufgabe zielt darauf ab, dass sich die SuS allgemein mit dem Begriff Todesmarsch beschäftigen. Für diejenigen, die die Begrifflichkeit bereits im Unterricht kennenlernten, stellt diese Aufgabe lediglich eine Wiederholung dar. Im Gesamten geht es in der ersten Aufgabe darum sich bewusst zu machen, dass es Todesmärsche gab, aus welchem Grund die entstanden und war ihr Ziel bzw. Ergebnis war.

In der folgenden Aufgabe geht es bereits um den konkreten Einzelfall. Die SuS wissen bereits, dass Todesmärsche zur Zeit des Nationalsozialismus stattgefunden haben. Nun lernen sie anhand des Materials, dass auch ihre Heimatstadt Wurzen einerseits nicht von den Märschen verschont geblieben ist und andererseits, dass diese auch bis heute ihre Spuren hinterlassen. Anhand des Materials 2 sollen die Schülerinnen vom Verlauf der Todesmärsche in und um Wurzen berichten.

Die dritte Aufgabe betrifft die Kreativität und das Einfühlungsvermögen der SuS. In einem Brief an eine fiktive Schwester sollen sie die Geschehnisse und Gefühle aus der Sicht eines Beobachters H. N beschreiben. Das dazugehörige Material 3 beinhaltet einen Augenzeugenbericht von H. N. Die SuS haben darüber hinaus die Möglichkeit ihre bisherigen Materialien für diese Aufgabe zu verwenden, denn bereits Material 2 beinhaltet Augenzeugenberichte aus der Sicht von Beobachtern und Teilnehmern. In dieser Aufgabe geht es darum, dass erworbene Wissen über die Todesmärsche (s. Aufgabe 1) mit Gefühlen zu verbinden. Geschichte wird durch Quellen lebendig und besser vorstellbar.

Aufgabe 4 bildet den Abschluss und das Ende des roten Fadens der Aufgaben. Die SuS wissen was Todesmärsche sind und kennen ihren Ablauf in bzw. um Wurzen. In dieser Aufgabe beurteilen sie den heutigen Sinn des Gedenkens an die Todesmärsche. Mit Hilfe ihrer Materialien sollen sie darüber hinaus über die Notwendigkeit diskutieren, warum Nachkriegserinnerung, am Beispiel der Todesmärsche, heute weiterhin von Bedeutung ist. Der Fokus zielt darauf ab die Auswirkungen des Holocaust/Shoa in der eigenen Stadt zu sehen und sich dessen bewusst zu werden.

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Aufgaben

1. Informiert euch im Text M1 über die Todesmärsche. Erstellt daraus einen

Lexikoneintrag, der Anlass, Ziel, Verlauf und Ergebnis der Todesmärsche

beinhaltet.

Todesmarsch:

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2. Beschreibt mit Hilfe des Materials 2 und euren Ausarbeitungen aus

Aufgabe 1 den Verlauf des Todesmarsches und seine Wirkung in Wurzen sowie

der Wurzener Umgebung mit eigenen Worten.

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3. Am 15. April 1945 zieht ein Häftlingszug über die Dresdener Straße in

Wurzen. Schreibe aus der Sicht des Beobachters H.N. einen fiktiven Brief an

seine Schwester Marie in Zürich. Teile in diesem Brief seine Beobachtungen

sowie Empfindungen bezüglich des Häftlingszuges mit. Nutze Material 3.

Liebe Marie, ________________________________________________________________

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Dein H.N.

4. Beurteilt den Sinn des Gedenkens an die Todesmärsche. Erläutert, warum

diese Nachkriegserinnerung von Bedeutung ist. Zur Hilfe sind die vorhanden

Materialien zu nutzen.

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Spurensuche in Wurzen -Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus

Material Gruppe 5

M1 Informationstext über die Todesmärsche in und um Wurzen

Nach der Entfesselung des Krieges radikalisierte die NS-Führung die Verfolgung der „unerwünschten“ Menschen und leitete den systematischen Massenmord ein.

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges 1944 rückten die alliierten Truppen immer weiter Richtung Westen vor und gleichzeitig kam die Rote Armee aus Richtung Osten immer näher. So erhielten bestimmte Führungsgremien am 17. Juni 1944 von Heinrich Himmler den Befehl zur Evakuierung und Auflösung der Arbeits- und Konzentrationslager.

Die Vergasungen in den Konzentrationslagern wurden eingestellt und die Lager schrittweise aufgelöst. Die Räumung der Vernichtungslager bedeutet nichts anderes, als dass tausende unterernährte, kranke, leicht bekleidete und vollkommen geschwächte Menschen unter Aufsicht der Schutzstaffel (SS) die jeweiligen Lager verlassen mussten. Ein Teil wurde abtransportiert und andere zu einem oft über hunderte Kilometer langen Marsch zu Fuß gezwungen. Durch den Abtransport der Häftlinge konnte die SS eine Befreiung dieser verhindern, denn kein Gefangener durfte in die Hände des Feindes fallen. Möglichst viele Menschen sollten bei diesen Hungermärschen ums Leben kommen. Bei den Abtransporten unter unmöglichen Bedingungen, ob zu Fuß oder per Bahn, starben sehr viele Menschen. Sie erlagen ihrer Erschöpfung oder Hunger, erfroren und wurden von den SS-Leuten misshandelt und getötet oder starben durch Krankheiten. Zunächst erfolgten die Abtransporte von Osten nach Westen. Kurz vor der Befreiung wurden noch einmal viele deutsche Lager geräumt und die Häftlinge auf Todesmarsch geschickt. Diese Märsche oder Transporte bezeichneten die betroffenen Menschen selbst als „Todesmärsche“.

Ohne die Todesmärsche hätten viele Menschenleben gerettet werden können. Auf den „Todesmärschen“ ins Innere des Reiches kamen noch im Frühjahr 1945 unzählige Menschen ums Leben. Insgesamt fielen um die 6 Millionen europäische Juden dem NS-Rassenwahn zum Opfer. Mindestens 500000 andere „unerwünschte“ Menschen, v.a. Sinti und Roma, fanden ebenso den Tod. Es gibt bis heute keine genauen Zahlen darüber wie viele Menschen genau bei den Abtransporten starben. Obwohl der Krieg bereits verloren war verloren noch einmal tausende Menschen ihr Leben. Heute erinnern viele Gedenktafeln an diese Todesmärsche.

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Text: NDK Wurzen (CC BY SA)

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Spurensuche in Wurzen -Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus

M2 Informationstext zu den Ereignissen des Jahres 1945 in und um WurzenDas Jahr 1945, die Abtransporte der Häftlinge infolge der Auflösung der Vernichtungslager ist nach denÜberlieferungen bei vielen Menschen nachhaltig im Gedächtnis geblieben. Auch zogen mehrere Todesmärsche durch Wurzen. Eine konkrete Anzahl ist bis heute nicht bekannt. Im Folgenden werden einzelne Ereignisse, Wurzen undder Umgebung betreffend, geschildert:

Die alliierten Truppen standen kurz vor Leipzig. Mit großer Eile begann die SS am 13. April 1945; die Leipziger Buchenwalaußenlager aufzulösen. Diese waren mit fast 10.000 Häftlingen belegt und wurden erst 8 Monate zuvor eingerichtet. Tausende Häftlinge wurden in vielen Kolonnen zur F6 in Richtung Wurzen getrieben. Die Muldenbrücke bei Wurzen war für die Wachmannschaften, die einzige Möglichkeit, den amerikanischen Streitkräften zu entkommen. Für einige Todesmärsche führte die Strecke weiter bis über die Elbe bis Riesa und wegen der angreifenden Roten Armee wieder zurück Für andere Kolonnen ging es über das Erzgebirge bis nach Tschechien. […]

In und um Wurzen gab es mehr als 17 kleine Zwangsarbeiterlager. Die Zwangsarbeit darin begann 1940. Die größten waren am Doktorteich mit vorwiegend Ostarbeitern, einigen zivilen Italienern und Franzosen und das Zwangsarbeiterlager im Waggonbauwerk Uerdingen (Ringfederwerk, später Motorenwerk).

26. Februar 1945 im Wurzener Land

Mit der Auflösung des Konzentrationslagers in Auschwitz gingen 98.000 Häftlinge auf „Transport“ nach Groß-Rosen und mit deren Evakuierung weiter. Eine Kolonne, die nach Dehnitz kam, war nur eine unter vielen. Es Traf eine Marschkolonne 950 Häftlinge und 4 Wagen in Dehnitz ein. Drei Tote blieben zurück.

Eine weitere Häftlingskolonne zog auf der Flucht vor der Roten Armee durch Nemt über Sachsendorf und Burkartshain. Wolfgang K., ein Augenzeuge des Todesmarsches, berichtet:

„Es dauerte lange bis sie alle vorbei waren. So etwas hatte hier noch niemand gesehen. Sie führten Wagen mit, die von vielen Häftlingen gezogen und geschoben wurden. Augenzeugen berichten von bis zu 100 Häftlingen je Wagen. Ihr Gang war anstrengend und schwer. Keiner von uns wusste woher und wie lange sie schon unterwegs waren. Sehr lange schauten ich und viele andere Dorfbewohner der Kolonne nach, die langsam in Richtung Dehnitz marschierte und ebenso langsam verschwand. Später erfuhr ich vom Aufenthalt in Dehnitz.“

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Informationstext: ndk Wurzen (CC BY SA) abrufbar unter: http://www.ndk- wurzen.de/Material/Downloads/447/

Foto: Gedenkstein TodesmärscheNDK Wurzen (CC BY SA)

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Wurzen

Die erste Evakuierung zur Auflösung der Leipzig Lager begann am 06. April 1945 in Taucha aus dem HASAG-Werk II. Der Bahntransport ging über Wurzen nach Riesa und Teplice in der heutigen tschechischen Republik. Die Kenntnisse über die vielen Häftlingstransporte, die u.a. den Bahnhof Wurzen passierten, sind lückenhaft überliefert. Die Güterwagons wurden nicht immer als solche erkannt, da auch zivile Flüchtlinge, Truppen und andere den Bahnhof passierten. Der Transport in ungeheizten, geschlossenen, nur mit kleinen, stacheldrahtvergitterten Luftklappen ausgestatteten und überfüllten Güterwaggons mit mindestens 70 Häftlingen, lässt ahnen, welche ungeheuren Dramen sich auf diesen Fahrten abgespielt haben, wenn am Aufenthaltsort auch Leichen entladen wurden. Platz zum Sitzen gab es kaum und an jeder Luke entbrannte ein Kampf um ein wenig frische Luft. […]

Der Vorstoß der Alliierten und Roten Armee veranlasste die SS zu überstürzter Eile bei der Räumung und Abtransport der Häftlinge. Am 13. April 1945 erreichten die Amerikaner Weißenfels. Der größte Teil der Leipziger Lager ging an diesem Tag am späten Nachmittag auf Nachtmarsch in Richtung Wurzen. Vorgegebenes Ziel war der kürzeste Weg zur Überquerung der Mulde bei Wurzen und der Elbe bei Riesa bis Glaubitz. […] Von den Lagern führten die Wege zur Hauptroute, zur damaligen Fernverkehrsstraße F6. Der erste und längere Halt nach diesen 28 Kilometern war in Brennewitz und auf den Muldenwiesen bei Wurzen. Der Todesmarsch für die Leipziger und Tauchauer Lager (HASAG und Erla-Werke) sowie andere beginnt am 13./14. April 1945 über Borsdorf, Machern, Wurzen, Oschatz, Riesa, Glaubitz und zurück. Einige davon kamen zwischen Riesa, Oschatz und der Dahlener Heide am 26.April frei. Andere erst bei Kriegsschluss am 9. Mai 1945 in Lauenstein bei Altenberg und Krupka.

Von den Muldenwiesen kamen um den 19. April 1945 die ersten Häftlinge nach Wurzen zurück. Diese Züge waren wesentlich kleiner, so um die hundert Häftlinge […]. Der Grund hierfür ist fraglich, ob es Absetz- oder Auflösungserscheinungen unter Druck der herannahenden Front waren

Am 13.April 1945 wird das Außenkommando Markleeberg-Wolfswinkel evakuiert. Der Weg führte über Liebertwolkwitz, Beucha, Brandis, Machern, F6, Wurzen, Meißen am 19. April und weiter.

Berichte von Augenzeugen und Teilnehmern

Frau H. N. aus Brennewitz erzählte:

„Ich kam am 14. April 1945 mittags aus Wurzen, wo ich als Sprechstundenhilfe beim Zahnarzt arbeitete. Mir kam ein Elendszug von Häftlingen in gestreifter Uniform aus der Beethovenstraße entgegen. Es waren Frauen und Männer in Holzschuhen, einige hatten nur Lappen um die Füße gebunden. Ich fuhr den Crostigall hinunter. Auf den Muldenwiesen, beim Stadtbad, lagen Häftlinge, vorwiegend Frauen, die wie ich erfahren habe, polnische Frauen gewesen sein sollten. Solche Bilder kannte ich nicht.

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Informationstext: ndk Wurzen (CC BY SA) abrufbar unter: http://www.ndk- wurzen.de/Material/Downloads/447/

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Angst hatte ich auch, weil mein Mann in Gefangenschaft war und ich dachte, wer weiß, was sie mit ihm machen, wenn deutsche Faschisten andere Menschen so behandeln. Mir wurde immer klarer, dass so etwas nie wieder passieren darf.“

P.S. aus Darmstadt, ein Teilnehmer des Evakuierungsmarsches, berichtet:

a) von der Belagerung der Muldenwiesen am 14. April 1945 und den Bedingungen.

„[…] Die Häftlinge lagen getrennt nach Arbeitskommando, Kolonne, Frauen und Männer, nach Nationalität für sich – französische Frauen an der Bahnbrücke, Polnische Männer in einer Koppel […]. Es waren Tausende, gezeichnet von den entsetzlichen Leiden der Zwangsarbeit, die genaue Zahl wird wohl nie ermittelt werden können. Es gab Züge, die weitergezogen sind. Dann gab es Nachzügler. Alle hatten einen Marsch von mehr als 25 Kilometern hinter sich. Sie waren erschöpft und todmüde. Hier geschah so viel Tragisches. Für alle war es die erste Nacht im Freien und in Freiheit. Sie waren weg von einer von Stacheldraht umzäunten Welt mit schlimmen unmenschlichen Bedingungen und wo es stank.“

b) von den Marsch durch Wurzen.

„ Es waren viele Menschen auf der Straße als unser Zug Wurzen passierte. Die SS-Leute jagten alles beiseite, verloren aber keinen von uns außer Augen. Wer kümmerte sich von uns um die Neugierigen, die aus dem Fenster sahen? In Wurzen war es, als sich plötzlich Fenster öffneten, Zigarren und Zigaretten in unseren Zug geworfen wurden.“ […]

Gedenken

Auf dem Wurzener Friedhof erinnern 2 Gedenksteine an 15 ermordete KZ-Häftlinge.

Eine Gedenkstätte auf dem Ortsfriedhof erinnert an 60 KZ-Häftlinge eines Todesmarsches von einem Außenlager des KZ Buchenwald, die im April 1945 von SS-Männern ermordet wurden.

Der Gedenkmarsch soll an die Leiden und Opfer der Marschierenden von damals erinnern. […] An bestimmten Orten werden Geleitworte gesprochen und Informationstafeln erinnern an die Geschehnisse jener Zeit auf dieser Strecke. Sich zu erinnern gehört zur Würde des Menschen. Die Bewältigung und Auseinandersetzung mit der Nazikultur und der Vergangenheit schließt Taten zur Verhinderung von Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und Rechtsextremismus ein.

Am 3. Mai 2015 fand der 16. Gedenkmarsch für die Opfer der Todesmärsche statt.

„Spurensuche in Wurzen“ von Universität Leipzig (Manske, Weber, Holzhauer) ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

Informationstext: ndk Wurzen (CC BY SA) abrufbar unter: http://www.ndk- wurzen.de/Material/Downloads/447/

Text: NDK Wurzen (CC BY SA)

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Spurensuche in Wurzen -Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus

Material 3 Häftlingszug durch Wurzen – Bericht eines Augenzeugen

In der Dresdener Straße (Victoriakurve) in Wurzen waren Herr H. N., desertiert vor dem Volkssturm, und dessen Sohn, kaufmännischer Lehrling, 17 Jahre, Augenzeugen der Vorbeiziehen der Häftlinge.

Herr H. N. schrieb: „In den Morgenstunden des 15. April 1945 saß ich an meinem Arbeitstisch und konnte die Dresdener Straße gut übersehen. Plötzlich sah ich etwas, was ich vorher noch nie gesehen hatte. Langsam und schleppend werden halbverhungerte entkräftete Häftlinge von SS- Wachmannschaften mit Knüppeln vorwärts getrieben. Viele waren nur noch Haut und Knochen. Selbst ihre notdürftige Kleidung, die gestreifte Häftlingskleidung, hing vielen von ihnen nur noch läppisch am Leibe. Wie viele Anstrengungen kostete ihnen allein das? Die Füße in klobigen Holzschuhen, die das Laufen noch anstrengender machten. Und dann die Rufe der SS-Leute ‚Los, weiter, weiter!‘. Wer nicht weiter kam, wurde geschlagen. In der Mitte der Kolonne wurde ein großer Wagen mitgeführt. Die Häftlinge, die den Wagen schoben oder zogen waren in derselben Verfassung wie die anderen. Viele hatten sich untergehakt und stützten sich gegenseitig. Das Kopfsteinpflaster erschwerte das Gehen in Holzschuhen. Der Menschenstrom dieser Kolonne schien endlos, es dauerte fast zwei Stunden. Es müssen mindestens mehr als 2.000 Häftlinge gewesen sein. Wer im Weg stand, wurde weggejagt.“

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Informationstext: ndk Wurzen (CC BY SA) abrufbar unter: http://www.ndk- wurzen.de/Material/Downloads/447/

Text/Interview: NDK Wurzen (CC BY SA)

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Spurensuche in Wurzen -Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus

Zusätzliches Material

Karte mit den Strecken der Todesmärsche

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Karte aus: NDK Wurzen (Hrsg.): Verschleppt, gequält, ausgebeutet, vertrieben. Wurzen. 2012. S.34. (CC BY SA)

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Zusätzliches Material

Karte mit den Marschrouten

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Karte aus: NDK Wurzen (Hrsg.): Verschleppt, gequält, ausgebeutet, vertrieben.Wurzen.2012. S.34. (CC BY SA)

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Spurensuche in Wurzen -Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus

Erwartungshorizont Aufgaben Gruppe 5

Aufgabe 1:

Anlass:

Ende des Zweiten Weltkrieges = 1944/45 rückten die alliierten Truppen immer weiter Richtung Westen vor und gleichzeitig kam die Rote Armee aus Richtung Osten immer näher.

Ziel:

Durch den Abtransport der Häftlinge konnte die SS eine Befreiung dieser verhindern, denn kein Gefangener durfte in die Hände des Feindes fallen.

Möglichst viele Menschen sollten bei diesen Hungermärschen ums Leben kommen.

Verlauf:

Häftlinge der Arbeiter und Vernichtungslager wurden abtransportiert (zu Fuß. Bahn) > Begriff Todesmarsch

Ergebnis: Insgesamt fielen um ca. 6 Millionen europäische Juden dem NS-Rassenwahn zum

Opfer > Mind. 500000 andere „unerwünschte“ Menschen, v.a. Sinti und Roma, fanden ebenso den Tod.

bis heute keine genauen Zahlen darüber wie viele Menschen genau bei den Abtransporten starben

Heute erinnern viele Gedenktafeln an diese Todesmärsche.

Aufgabe 2:

Mehrere TM zogen durch > genaue Anzahl unbekannt In und um Wurzen gab es mehr als 17 kleine Zwangsarbeiterlager. 26. Februar 1945 im Wurzener Land:

o Auflösung des Konzentrationslagers in Auschwitz gingen 98.000 Häftlinge auf „Transport“ nach Groß-Rosen und mit deren Evakuierung weiter > Marschkolonne in Dehnitz 950 Häftlinge und 4 Wagen (3 Tote blieben zurück)

o Weitere Häftlingskolonne zog auf der Flucht vor der Roten Armee durch Nemt über Sachsendorf und Burkartshain.

06. April 1945 erste Evakuierung zur Auflösung der Leipzig Lager begann in Taucha aus dem HASAG-Werk II > Bahntransport ging über Wurzen nach Riesa und Teplice (heutigen tschechischen Republik)

13./14. April 1945 Beginn des Todesmarsches für die Leipziger und Tauchauer Lager (HASAG und Erla-Werke) über Borsdorf, Machern, Wurzen, Oschatz, Riesa, Glaubitz und zurück >einige davon kamen zwischen Riesa, Oschatz und der Dahlener Heide am 26.April frei, andere erst bei Kriegsschluss am 9. Mai 1945 in Lauenstein bei Altenberg und Krupka.

13.April 1945 wird das Außenkommando Markleeberg-Wolfswinkel evakuiert. > Weg führte über Liebertwolkwitz, Beucha, Brandis, Machern, F6, Wurzen, Meißen am 19. April und weiter

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Spurensuche in Wurzen -Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus

Aufgabe 3:

In den Morgenstunden des 15. April 1945 saß ich an meinem Arbeitstisch und konnte die Dresdener Straße gut übersehen. Plötzlich sah ich etwas, was ich vorher noch nie gesehen hatte. Langsam und schleppend werden halbverhungerte entkräftete Häftlinge von SS- Wachmannschaften mit Knüppeln vorwärts getrieben. Viele waren nur noch Haut und Knochen. Selbst ihre notdürftige Kleidung, die gestreifte Häftlingskleidung, hing vielen von ihnen nur noch läppisch am Leibe. Wie viele Anstrengungen kostete ihnen allein das? Die Füße in klobigen Holzschuhen, die das Laufen noch anstrengender machten. Und dann die Rufe der SS-Leute ‚Los, weiter, weiter!‘. Wer nicht weiter kam, wurde geschlagen. In der Mitte der Kolonne wurde ein großer Wagen mitgeführt. Die Häftlinge, die den Wagen schoben oder zogen waren in derselben Verfassung wie die anderen. Viele hatten sich untergehakt und stützten sich gegenseitig. Das Kopfsteinpflaster erschwerte das Gehen in Holzschuhen. Der Menschenstrom dieser Kolonne schien endlos, es dauerte fast zwei Stunden. Es müssen mindestens mehr als 2.000 Häftlinge gewesen sein . Wer im Weg stand, wurde weggejagt.

unterstrichten: Beobachtungfett: Empfindung

Aufgabe 4:

Gedenken

Wie wird gedacht?o Auf dem Wurzener Friedhof erinnern 2 Gedenksteine an 15 ermordete KZ-

Häftlinge.o Eine Gedenkstätte auf dem Ortsfriedhof erinnert an 60 KZ-Häftlinge eines

Todesmarsches von einem Außenlager des KZ Buchenwald, die im April 1945 von SS-Männern ermordet wurden.

o Gedenkmarsch

Der Gedenkmarsch soll an die Leiden und Opfer der Marschierenden von damals erinnern. […] An bestimmten Orten werden Geleitworte gesprochen und Informationstafeln erinnern an die Geschehnisse jener Zeit auf dieser Strecke. Sich zu erinnern gehört zur Würde des Menschen. Die Bewältigung und Auseinandersetzung mit der Nazikultur und der Vergangenheit schließt Taten zur Verhinderung von Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und Rechtsextremismus ein > 3. Mai 2015 fand der 16. Gedenkmarsch für die Opfer der Todesmärsche statt.

„Spurensuche in Wurzen“ von Universität Leipzig (Manske, Weber, Holzhauer) ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

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