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Offensive der Ebenbilder

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Atlan ‐ Die Abenteuer der SOL Nr. 546 All‐Mohandot  

Offensive der Ebenbilder von Arndt Ellmer  

Die Sol am Scheideweg  

Seit  Dezember  des  Jahres  3586,  als  die  SOL  unter  dem  Kommando  der Solgeborenen auf große Fahrt ging und mit unbekanntem Ziel  in den Tiefen des Sternenmeeres  verschwand,  sind  mehr  als  zweihundert  Jahre  vergangen,  und niemand  hat  in  der  Zwischenzeit  etwas  vom  Verbleib  des  Generationenschiffs gehört. Schließlich  ist es  jedoch soweit – und ein Mann kommt wieder  in Kontakt mit 

dem verschollenen Schiff. Dieser Mann ist Atlan. Die Kosmokraten entlassen ihn, damit er sich um die SOL kümmert und sie einer neuen Bestimmung zuführt. Jetzt  schreibt man  an Bord des Schiffes den Anfang des  Jahres 3792, und der 

Arkonide hat trotz seines relativ kurzen Wirkens auf der SOL bereits den Anstoß zu entscheidenden positiven Veränderungen im Leben der Solaner gegeben – ganz davon  abgesehen,  daß  er  gleich  nach  seinem  Erscheinen  die  SOL  vor  der Vernichtung rettete. Während  Atlan  sich  gegenwärtig  mit  der  abgekoppelten  SZ‐2  in  Flatterfeld 

aufhält, wo er sich mit den Dienern der unbekannten Macht auseinandersetzt, die für  die  planetenvernichtenden  Nickelraubzüge  verantwortlich  sind,  bekommt Chart Deccon auf der Rest‐SOL mehr und mehr die Folgen seiner mit den Alphas eingegangenen  Verbindungen  zu  spüren.  Lähmendes  Entsetzen  macht  sich  an Bord des Schiffes breit, denn es kommt zur OFFENSIVE DER EBENBILDER … 

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 Die Hauptpersonen des Romans:  Chart Deccon ‐ Der High Sideryt flieht. Order‐1 bis Order‐10 ‐ Die Ebenbilder beginnen ihre Offensive. Die Troiliten ‐ Eine unheimliche Macht wird aktiviert. Hage Nockemann ‐ Der Galakto‐Genetiker ist ratlos. Teddy ‐ Ein Extra auf der Jagd.  

PROLOG  »Chart, küß mich. Küß mich zum letzten Mal!« Die  dünne  Stimme  Tineidbha  Daraws  sank  zu  einem  Flüstern 

herab, und ein Zittern durchlief ihren Körper. »Chart, schnell!« Mit  steinernem  Gesicht  stand  Chart Deccon  am  Todeslager  des 

High Sideryt. Mit dunklen, tiefliegenden Augen musterte er den mit einem leichten Tuch bedeckten Körper der abgemagerten Frau. Er  sah, daß  es  zu  spät war. Tineidbha  erstarrte  in  einem  letzten 

Aufbäumen. Dann sank ihr Körper auf die weiche Unterlage zurück. Chart Deccon senkte den massigen Kopf, daß das  fleischige Kinn 

sich an der Brust zu einem Wulst aufstaute. Er seufzte. Tineidbha  Daraw  hatte  ihn  geliebt.  Die  alte  Frau  hatte  einen 

Narren an dem jungen Solaner gefressen. Er hatte in seinem Amt als Magnide eine Krise der SOLAG erfolgreich gemeistert. Das hatte ihn in ihren Augen zusätzlich aufgewertet. Deccon sah wieder auf. Einen letzten, langen Blick warf er auf die 

Tote,  dann  schritt  er  langsam  hinaus.  Es  war  ihm  manchmal schwergefallen, die Liebe dieser Frau zu erwidern. Er hatte es getan, weil  er  schnell  erkannt hatte, daß  sie  ihm den Weg  ebnen würde, den Weg nach ganz oben. War es nun endlich soweit? Deccon  verließ  die  Klause  des  High  Sideryt  und  schritt  den 

Korridor  entlang bis  zum Eingang der Hauptzentrale. Er betätigte den Öffner und trat ein. 

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Da  standen  sie,  die  übrigen  Brüder  und  Schwestern  der  ersten Wertigkeit.  Ihre  Augen  waren  auf  seine  Gestalt  gerichtet,  sie schienen  mehr  zu  wissen  als  er  selbst.  Gallatan  Herts  verzog geringschätzig  den Mund.  Der  kleine,  verwachsene Magnide mit dem  Spitznamen  »Rumpelstilzchen«  verhehlte  nicht,  daß  ihm  die bevorstehende  Entscheidung  mißfiel.  Gleichzeitig  aber  trat  er zurück und machte Deccon Platz. »Ist es an der Zeit?«  fragte der alte Nurmer. Merkwürdigerweise 

schwiegen  die  anderen  alle.  Lediglich  Homer  Gerigk  flüsterte halblaut  vor  sich  hin,  bis  Deccon  ihn  mit  einem  Wink  zum Schweigen brachte.  In diesem Augenblick begriffen alle Magniden, daß das, was kommen würde, nur noch eine Formalität war. »Sie  ist  tot.  Wir  haben  keinen  High  Sideryt  mehr«,  erwiderte 

Deccon  zurückhaltend.  Seine Worte  verbreiteten  den  Hauch  des Todes  in der Zentrale, den  er aus der Klause mit herübergebracht hatte. Seine Gestalt straffte sich. »Nurmer, bitte!« winkte er und kreuzte die Arme vor der Brust. Der älteste unter den Magniden  trat an die Kontrollanlagen und 

berührte mit den Fingerspitzen eine Taste. »Nurmer  an  SENECA«,  sagte  er  langsam.  »Der High  Sideryt  ist 

tot!« »SENECA  an  Schiffsführung«,  erklang  die  wohlmodulierte 

Stimme der Biopositronik auf. »Ich habe mich vom Tod Tineidbha Daraws überzeugt. Damit tritt die Nachfolge‐Speicherung in Kraft.« Wieder spürte Chart Deccon aller Augen auf sich ruhen, und  für 

einen Augenblick bereiteten ihm die brennenden Blicke Unbehagen. Dann  aber  hatte  der mächtige Mann  sich wieder  unter Kontrolle. Mit  keiner  Bewegung  und  keinem Wort  ließ  er  erkennen, was  er dachte und fühlte. SENECA  sagte: »Der High Sideryt  ist  tot. Es  lebe der neue High 

Sideryt. Es ist Chart Deccon. Ende der Durchsage!« Die Magniden traten ehrerbietig zurück. Sie warteten darauf, daß 

Deccon  etwas  sagte,  daß  er  seine  Zustimmung  kundtat,  seine 

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Annahme des höchsten Amtes in der SOL erklärte. Der neue High Sideryt holte tief Luft. »Schafft  die  Leiche  weg«,  sagte  er  unbewegt.  »Sie  erhält  ein 

offizielles Raumbegräbnis!« Die Magniden  starrten  ihn an wie einen Geist. Ahnten  sie etwas 

von  der  Energie,  die  in  ihm  steckte, mit  der  er  sein Amt  erfüllen würde?  Langsam wandten  sie  sich  ab  und  gingen  ihrer Aufgabe nach. Chart Deccon  verfolgte  sie mit  seinen  hellgrauen Augen,  bis  sie 

draußen waren. In ihm war ein unendliches Glücksgefühl. Er lachte befreit  auf.  Er  war  am  Ziel,  hatte  die  oberste  Sprosse  der gefährlichen Leiter erklommen. Chart Deccon, der High Sideryt. Reglos  blieb  er  mitten  in  der  Zentrale  stehen.  Er  wartete  auf 

Nurmer, der  ihm das Zepter seines Amtes brachte, den Codegeber, mit  dem High  Sideryt  direkt mit  SENECA  in  Verbindung  treten konnte.  Tineidbha  Daraw  hatte  ihn  noch  im  Tod  umklammert gehalten.  Ohne  zu  zögern,  nahm  er  ihn  entgegen.  Freundlich lächelnd sah er zu, wie der alte Magnide sich entfernte. War Nurmer neidisch? Waren sie das nicht alle? Deccon  strich  gedankenverloren über den Codegeber.  Sie waren 

es, wenn  sie es auch nicht zugaben. Es machte  ihm nichts aus. Sie würden  sich  an  die  Umstellung  gewöhnen  wie  jedesmal,  wenn Magniden einen neuen High Sideryt erhielten. Chart Deccon wandte den Kopf und blickte zum Datumsanzeiger 

hinüber. Es war der 4. Dezember 3788.   

1.  Es war das Gesicht, das ihn erschreckte. Deccon  saß  in  seinem  Thronsessel  und  stierte  vor  sich  hin, 

umfangen von einer Aura der Lähmung. Es war sein Gesicht! 

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Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Nein, schrien sie, es ist unmöglich. Bilder  durchzogen  das  Innere  des  High  Sideryt.  Er  sah  eine 

bezaubernd schöne Frau vor sich. Sie trug ein rosafarbenes Kleid mit goldgelben  Streifen, das  locker um  ihren Körper  schwang. Es  ließ die  samtbraune  Haut  und  das  brünette,  von  dunklen  Streifen durchzogene  Haar  besonders  gut  zur  Geltung  kommen.  Die wohlgeformten,  lieblichen  Gesichtszüge  und  die  schlanke,  gut proportionierte  Figur  ließen  die  Frau  wie  eine  Komposition erscheinen, wie sie vollkommener nicht sein konnte. »Alpha!«  flüsterte  Deccon  sehnsüchtig.  Mit  dem  einen  Wort 

verbanden  sich  für  ihn  Wochen  innigsten  Glücks.  Die  Wirkung dieser Frau war auf ihn so intensiv, so anhaltend, daß sich jede Faser seines  Körpers  und  seines  Geistes  dagegen  wehrte,  die  Realität anzuerkennen. Das  langsame Begreifen,  es war  ein  Prozeß, der  schleppend  vor 

sich  ging,  der  jene,  die  die  Verantwortung  trugen,  beinahe  zur Raserei trieb. War es wirklich so schwer? Deccon  schluckte  und  versuchte  krampfhaft,  die  neuen 

Erkenntnisse zu verarbeiten. Alpha gar nicht Alpha, sondern zehn! In  Bruchteilen  einer  Sekunde  zog  all  das  vor  seinem  geistigen 

Auge vorbei. Es war die Antwort seines Bewußtseins auf das, was seine Augen in diesem Moment sahen. Es war sein Gesicht! Chart Deccon hätte nicht sagen können, was er zuerst vernommen 

hatte. Das Öffnen der Tür oder das  leise Lachen des Eintretenden. Fassungslos  starrte  er  in  das  Gesicht,  das  dem  seinen  bis  in  die letzten Fleischfalten an den Augenwinkeln glich. Und dann hörte er seine Stimme, seine eigene Stimme. Ich bin wirklich verrückt, dachte Deccon in panischer Angst. Sein 

Körper begann zu beben und die Lähmung zu überwinden, die den High  Sideryt  bisher  in  ihren  Klauen  gehalten  hatte.  Der  große, mächtige Körper kam  langsam  aus dem  Sessel hoch.  Schwankend 

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blieb er stehen. »Wer bist du!« krächzte er. »Was willst du?« »Dich will ich!« sagte der Doppelgänger nüchtern. »Du bist mir im 

Weg!« Deccon  sah Deccon  an. Der  Eindringling  trug  eine  der  üblichen 

hellen  Bordkombinationen,  wie  es  sie  überall  gab,  seit  die Robotfabriken einwandfrei arbeiteten. Es war das einzige, worin er sich von dem High Sideryt unterschied. Der Unterschied der Farben ernüchterte Chart Deccon ein wenig. 

Verblüfft stellte er fest, daß er selbst wieder seine Kleidung aus den blau  schimmernden Metallschuppen  trug,  die  er  im Umgang mit Alpha  abgelegt  hatte.  Er  hatte  sie  wieder  angezogen,  ohne  sich dessen bewußt zu sein. Realität! Das Wort  setzte  sich  in  seinem Gehirn  fest  und wollte 

nicht mehr weichen. Erst  jetzt  erkannte  Deccon,  was  vor  sich  ging.  Aus  weit 

aufgerissenen Augen verfolgte er, wie sein Doppelgänger zu ihm an den Thronsessel trat. »Mein Sessel!« forderte er und hob die rechte Hand. Jetzt  war  es  endgültig  aus  mit  den  Nerven  des  High  Sideryt. 

Aufschreiend  sprang  er nach vorn und  stieß die  fleischgewordene Truggestalt  zur  Seite.  In  wenigen  Sätzen  hatte  er  den  Ausgang erreicht.  Er  stieß  mit  den  Ellenbogen  gegen  das  kalte  Material, trommelte mit den Fäusten dagegen, weil sich die Tür nicht schnell genug öffnete. Endlich glitt sie zur Seite. Der High  Sideryt  stürzte  hinaus  auf  den Gang. Wie  von  Furien 

gehetzt  eilte  er  davon,  blindlings,  ohne  sich  umzusehen  oder  ein Ziel zu haben. Nur weg von hier, von dieser Stätte des Grauens. Von unsichtbarer Hand war alles weggewischt. Die Versuche, mit 

sich  selbst  ins  reine  zu  kommen,  die  Worte  der  Magniden  zu verdauen  und  die  Sehnsucht  zu  bewältigen,  die  der  Gedanke  an Alpha nach wie vor auf ihn ausübte. 

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Chart Deccon war  in diesen Minuten ein wimmerndes, zitterndes Bündel,  das  viel  besser  in  den  Armen  seiner Mutter  aufgehoben gewesen wäre, als in den nachtdüsteren Gängen und Korridoren des riesigen  Schiffes,  das  annähernd  hunderttausend Menschen  durch das All trug. Chart  Deccon  taumelte.  Er  wußte,  daß  etwas  Furchtbares 

geschehen sein mußte, und eine Ahnung stieg  in  ihm auf, die  ihm fast das Bewußtsein raubte. Wer war der andere Deccon? Der High Sideryt floh. In panischer Angst verließ er den Mittelteil 

der SOL und wechselte in die SZ‐1 über. Stundenlang  war  er  unterwegs.  Nur  langsam  hellte  sich  sein 

Verstand  auf,  konnte  er  wieder  einen  klaren  Gedanken  fassen. Atemlos erreichte er eine Gegend, in der er sich auskannte. Gehetzt blickte er sich um. War ihm sein Ebenbild gefolgt? Chart Deccon verharrte in einer Nische neben einem Interkom und 

raffte seine Gedanken zusammen. Er mußte ein Versteck finden. Er lauschte angestrengt. Niemand kam hinter ihm her, es war auch 

unwahrscheinlich. Nein,  dachte  Deccon  ergrimmt,  wahrscheinlich  hat  er  bereits 

meinen Platz eingenommen und gibt den Magniden Befehle.   

*  »Ich  weiß  keinen  Weg!«  schrillte  Gallatan  Herts  und  sah  seine Amtskollegen herausfordernd an. Ohne  Ausnahme wirkten  die Magniden  blaß  und  verunsichert. 

Die Berichte des Galakto‐Genetikers Hage Nockemann hatten ihnen letzte Klarheit über die Lage verschafft. »Eines  steht  fest«, klang die Stimme Ursula Growns auf. »In der 

Klause  neben  der  Zentrale  sitzt  ein  falscher  Deccon.  Die Kratzspuren,  die  Nockemann  dem  Duplikat  beigebracht  hat, 

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beweisen es eindeutig. Nur, wie sollen wir es beweisen? Vor allem, wo ist der echte Chart Deccon jetzt?« Der High Sideryt war spurlos verschwunden. Er hatte ihnen keine 

Nachricht hinterlassen und  sich  auch nicht  gemeldet. Es  sah nach einer überstürzten Flucht aus. »Wenn  zehn Kopien  in der  SOL unterwegs  sind, können  sie  ein 

Durcheinander anrichten, gegen das wir machtlos sind«, nickte jetzt auch Arjana Joester. Sie deutete auf Kölsch. »Wajsto hat angedeutet, daß er eine Idee hat«, fuhr die Magnidin 

fort. »Willst du nicht …?« »Sie  nützt  jetzt  auch  nichts mehr«,  brummte  er.  »Wenn wir  die 

Solaner aufrufen, nach den Kopien des echten Deccon Ausschau zu halten, gibt es ein Chaos, wie es sich niemand wünschen kann. Und es  läßt sich der richtige doch nicht herausfinden. Seht euch nur die Gestalt in der Klause an. Auf irgendeine Weise hat sie sich Deccons Kästchen angeeignet, das dieser  immer um den Hals  trug. Oder es handelt sich um eine Fälschung.« »Also  sind  uns  die  Hände  gebunden«,  seufzte  Nurmer 

unglücklich. »Wer hätte das damals gedacht, als Deccon  sein Amt antrat, daß er eines Tages von seinem eigenen Ebenbild vertrieben würde.« »Wir  können  nur  eines  tun«,  stellte Curie  van Herling  nüchtern 

fest.  »Wir  müssen  uns  an  die  Anweisungen  des  Doppelgängers halten und uns  in keiner Weise anmerken  lassen, daß wir nicht an seine  Identität  glauben.  Auf  diese Weise müßte  es  uns  gelingen, näher  an  ihn  heranzukommen. Vielleicht  gibt  er  sich  eines  Tages eine Blöße, und wir haben den endgültigen Beweis für Nockemanns Ausführungen.« Die Brüder und Schwestern der ersten Wertigkeit hatten sich nicht 

getraut, die Zusammenkunft  in der Hauptzentrale  abzuhalten.  Sie waren in einen verlassenen Raum in der Nähe von Nurmers Kabine ausgewichen, von dem sie wußten, daß er nicht überwacht wurde. Hier  fühlten  sie  sich vor den Nachstellungen des  falschen Deccon 

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einigermaßen sicher. Die  Magniden  waren  ratlos.  Anfangs  hatten  sie  versucht, 

konsequente  Entscheidungen  in  bezug  auf  die  zehn  Frauen  zu treffen.  Sie  hatten  versucht,  Chart  aus  seinem  Wachtraum  der Glückseligkeit zu reißen, es war ihnen nicht gelungen. Im Gegenteil, der High  Sideryt hatte  sie  verdächtigt,  für das Verschwinden  von Alpha  verantwortlich  zu  sein.  Sie  hatten  ihn  vom  Gegenteil überzeugen müssen, und  so war wertvolle Zeit verlorengegangen. Als  sie  die  Wahrheit  herausgefunden  hatten  und  Deccon nachdenklich wurde, war es zu spät gewesen. Der High Sideryt selbst hatte sich ihnen in den Weg gelegt. Er war 

der eigentliche Verantwortliche für den jetzigen Zustand. »Deccon  ist  die  große Unbekannte  in  unserer  Rechnung«,  sagte 

Wajsto Kölsch. »Wir müssen annehmen, daß er sich  in der Gewalt seiner Ebenbilder befindet, falls er überhaupt noch lebt.« »Was ist, wenn er nicht mehr lebt?« schrillte Herts. »Dann wird  sein Nachfolger das Amt antreten. Erinnert euch an 

das  letzte Mal. SENECA wird es nicht entgehen, wenn Chart stirbt oder getötet wird.« »Wir können also wirklich gar nichts  tun«, nickte Ursula Grown. 

»Kehren wir in die Zentrale zurück!« »Wer informiert Bit, die ihren Dienst versieht?« fragte Nurmer. »Ich werde das übernehmen«, erklärte Gallatan Herts.   

*  Deccon zog den Strahler und hechtete sich durch die Tür, die sich nach drei Sekunden zu schließen begann.  Im aufflammenden Licht sah der High Sideryt sich um. Die  Ausweichzentrale  in  der  oberen  Hälfte  der  SZ‐1  war 

unbesetzt. Nicht einmal Roboter konnte der Bruder ohne Wertigkeit ausmachen. 

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Chart Deccon  setzte  sich  in Bewegung und durchstreifte den  als Rundraum angelegten Saal. Alle Anlagen waren stillgelegt. Die AZ wurde  nur  ihm  Gefahrenfall  benutzt,  wenn  die  SOL‐Zelle  nicht mehr  von  der  eigentlichen Zentrale  aus  gesteuert werden  konnte. Die  Positronik  der  Ausweichzentrale  war  direkt  mit  der Hauptpositronik gekoppelt. Der  Saal  war  leer.  Der  High  Sideryt  atmete  auf.  Seine 

Aufmerksamkeit  ließ  augenblicklich  nach,  und  er  setzte  sich erschöpft  in  einen  der  Sessel  vor  den  Kontrollen  und  schloß  die Augen. Die Flucht hatte ihn alle Kraft gekostet. Der  85jährige,  schwere  Mann  hustete  hart.  Auf  seinem  kahlen 

Kopf  hatte  sich  ein  Meer  aus  Schweißperlen  gebildet,  das  jetzt langsam abkühlte und den Hünen mit seinen dicken Fleischwülsten und Muskelpaketen  frösteln  ließ. Er  sehnte  sich nach  einer heißen Dusche, aber die konnte er sich im Augenblick nicht leisten. Wenn es nur das wäre, dachte Deccon. Ich würde viel dafür geben, 

wenn einer kommen würde, um mir zu sagen, daß es ein Alptraum ist, den ich erlebe. Es  war  kein  Traum,  und  die  Erinnerung  an  die  Erlebnisse  der 

letzten Tage und Wochen war  so  frisch, daß das Unterbewußtsein sie unmöglich verarbeitet haben konnte. Deccon warf  einen  flüchtigen  Blick  auf  sein Armband,  das  ihm 

Datum und Uhrzeit zeigte. Das Datum erschreckte ihn. »Unmöglich!« stammelte er. »Es kann doch nicht sein, daß so viel 

Zeit vergangen ist!« Deccon  kam  es  so  vor,  als  habe  er  unendlich  viel Zeit  verloren, 

und  er wußte nicht  einmal  zu  sagen, wo und wofür  er  sie vertan hatte. Alpha! Schmerzhaft  und  sehnsüchtig  zugleich  dachte  er  an  die  Frau. 

Nein, es waren zehn Frauen! »Ich muß Gewißheit haben«, stöhnte er. Wieder  keimte  die Ahnung  des Ungeheuerlichen  in  ihm  auf,  er 

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spürte,  daß  sein  innerer Widerstand  gegen  die  Erkenntnis  immer mehr erlahmte, und schrieb es seiner Erschöpfung zu. Du  leidest  unter  Entzugserscheinungen!  redete  er  sich  ein  und 

ahnte nicht, wie  recht  er damit  hatte. Man  hatte  ihm  seine Alpha entzogen und gab ihm keine Gelegenheit, sie wiederzusehen, sie alle wiederzusehen. Sein Gegenspieler, der Unheimliche, dessen Maske so gut war, daß 

niemand  ihn  von dem  echten High  Sideryt  unterscheiden  konnte, was  tat  er  im  Augenblick?  Würden  die  Magniden  den  Betrug bemerken? Deccon  sprang  überhastet  auf  und  trat  an  die  Kontrollen  des 

Interkomnetzes. Er mußte Gewißheit haben, was geschah. Er mußte das Schiff davor bewahren, in das Chaos getrieben zu werden. Dicht über den Tasten und Sensoren blieben die wulstigen Finger 

hängen.  Die  Armaturen  erschienen  dem  High  Sideryt  plötzlich kochend heiß zu sein. Konnte er es wagen? In ihm war das Bedürfnis, erst einmal Ruhe zu finden, klar denken 

zu  können.  Die  zehn  Frauen,  die  Alpha  waren  und  sein Doppelgänger; er brauchte einfach mehr Zeit, das zu verdauen. Noch  zögerte  der  bisher  mächtigste  Mann  an  Bord  des 

Generationenschiffs.  Er  begriff mit  einem Mal,  daß  es  nicht mehr weit her war mit seiner Macht. Was war nur geschehen? Er  hatte  den  Robotern  keinen  Befehl  gegeben,  den  Fremden 

einfach  zu  ergreifen,  der  aussah  wie  er.  Nein,  er  war  vor  ihm geflohen wie vor einem Aussätzigen. Er hatte etwas getan, was ihm früher nie  eingefallen wäre, was  ihm die Magniden nie  verzeihen würden, falls sie es erfuhren. Ich  habe  meine  Entscheidungskraft  eingebüßt,  stellte  Deccon 

verstört fest. Ich habe mich verändert. Er kam  sich nackt und bloß vor,  fühlte  sich  schwach und  elend. 

Bleierne Müdigkeit senkte sich über ihn, und er setzte sich wieder in den Sessel, wo er augenblicklich einschlief.  

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 * 

 Chart Deccon  schrak  auf. Er  stellte  fest, daß  er  fast  zehn  Stunden geschlafen  hatte.  Ein  paar  Augenblicke  benötigte  er,  sich  zu orientieren, dann schnaufte er erleichtert. Niemand war außer  ihm anwesend,  es war  auch  niemand  in  der Zwischenzeit  dagewesen, wie die automatische Aufzeichnung bewies. Chart  stellte  sie  ab  und  löschte  das  Magnetband  von  dem 

Augenblick an, als er den Öffner für die Zentrale‐Tür betätigt hatte. Es durfte niemand erfahren, daß er sich hier aufgehalten hatte. »Wie  gehe  ich  vor,  um  einen  schnellen  Erfolg  zu  erzielen?« 

flüsterte er. »Was kann ich tun, um das Schiff zu retten?« Der  High  Sideryt  zögerte  nicht  mehr.  Die  SOL  befand  sich  in 

Gefahr,  solange  sein  Doppelgänger  unerkannt  agierte  und unumschränkte Handlungsfreiheit besaß. Entschlossen  trat  er  vor  und  aktivierte  den  Interkom  und  die 

Monitoranlagen. Über die Hauptpositronik der SZ‐1 waren sie mit dem Mittelteil gekoppelt und damit an SENECA angeschlossen, der im Notfall eingreifen und die richtige Entscheidung treffen konnte. Der Gedanke an SENECA schmerzte den High Sideryt. Es waren 

nun  schon  etliche Wochen,  daß  sich  die  Biopositronik  nicht mehr gemeldet  hatte.  Mit  einer  Ausnahme.  Das  Manöver  der Neuspeicherung  eines  Nachfolgers  Deccons  und  die Rückgängigmachung dieses Entschlusses nach einem Gespräch mit Atlan waren  von  SENECA  einwandfrei  erledigt worden.  Für  alles andere aber stand er nicht mehr zur Verfügung. In der  SOL hatte  sich vieles verändert und gebessert  seit Atlans 

Erscheinen, aber die wirklich schweren Probleme waren geblieben. Chart  aktivierte  die  Bildschirme,  die  ihm  Ausschnitte  aus 

verschiedenen  Etagen  der  SZ‐1  und  des  Mittelteils  zeigten.  Er beobachtete,  wie  die  Solaner  arbeiteten  und  lebten,  doch  es 

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interessierte  ihn  nicht.  Er  kannte  diese  Dinge  aus  eigener Anschauung. Wie oft war er in Verkleidung durch die SOL gestreift und hatte  ihnen dabei zugesehen oder  sich mit  ihnen unterhalten. Nein, er suchte etwas anderes. Mit  brennenden  Augen  musterte  er  die  Schirme,  holte  sich 

Ausschnittsvergrößerungen  heran,  wechselte  die Beobachtungsabschnitte.  Er  ließ  sich  Szenen  von  Arbeitern  in funktionierenden  Robotfabriken  und  SOL‐Farmen  vorführen.  Die Klause  konnte  er  von  außen  nicht  erreichen,  lediglich  SENECA besaß  die Möglichkeit,  den High  Sideryt  in  seinem Heiligtum  zu beobachten. Dafür  sah Deccon  etwas  anderes, und  es  trieb  ihn  an den Rand 

einer  Ohnmacht.  Deutlich  stand  ihm  seine  eigene,  momentane Hilflosigkeit vor Augen. Er war dazu verurteilt, nur beobachten zu können.  Zum  eigenen  Eingreifen war  es  zu  früh,  es  hätte  nichts bewirkt,  denn  niemand  konnte  ahnen,  daß  ein  Rollentausch vorgenommen worden war. Unfreiwillig. Chart entdeckte die Gestalt, die er für diejenige hielt, die  in seine 

Klause eingedrungen war. Sie  trug die hellgrüne Kombination und das  Kästchen  um  den  Hals,  bei  dessen  Anblick  Deccon  laut aufstöhnte. Er glaubte  sich düster zu  erinnern, daß der Fremde  in der Klause kein Kästchen getragen hatte. Fahrig griff er sich an die Brust,  wo  sein  eigenes  Kästchen  hing,  das  sich  von  dem  des Doppelgängers  in  keiner  Weise  unterschied.  Auch  nicht  die Bildvergrößerung änderte etwas an der Tatsache. »Er  ist  identisch!«  murmelte  Chart  mit  bebenden  Lippen,  aus 

denen das Blut  gewichen war.  »Alles  ist  identisch!  So  ein  exaktes Abbild  eines  Lebewesens  kann  nicht  existieren.  Es  ist  biologisch unmöglich!« Deccon  bemühte  sich  krampfhaft,  seiner  inneren  Panik Herr  zu 

werden.  Er  führte  gezielte  Atembewegungen  durch,  um  den Kreislauf  zu  stabilisieren.  Gleichzeitig  aber  machte  er  eine Entdeckung,  die  seinen  Herzschlag  erheblich  beschleunigte.  Ihm 

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wurde heiß. In zwei völlig auseinanderliegenden Schiffsabschnitten, der eine in 

der SZ‐1, der andere im Mittelteil, beobachtete er zwei Deccons, die sich in der Art und Weise des High Sideryt aufführten. Der eine von ihnen gab Anweisungen an einen Trupp von Ferraten aus, die sich in der Nähe der Schiffswandung mit Reparaturen beschäftigten, der andere  führte  ein  längeres Gespräch mit  einem Vystiden,  dem  er auseinanderzusetzen versuchte, warum die SZ‐2 abgekoppelt hatte und noch nicht zurück war. Atlan, dachte Deccon vor den Bildschirmen. Was ist aus ihm und 

der SZ‐2 geworden? Kann er Hilfe bringen? Wie  gebannt  starrte  er  die  beiden  Doppelgänger  an,  die  die 

Bildschirme  lieferten.  Und  dann  sah  er  den  dritten.  Dieser debattierte mit einer aufgebrachten Gruppe von Buhrlos. Es gelang ihm, sie davon zu überzeugen, daß die SZ‐2 bald zurückkehrte und die Symmetrie der Heimat wiederhergestellt würde. »Sie  sprechen  wie  ich,  sie  denken  wie  ich,  ja,  es  gibt  keinen 

Unterschied zwischen meiner Handlungsweise und ihrer. Ich würde mich  in den verschiedenen Situationen genauso verhalten«, ächzte Chart. Mit  fliegenden  Händen  holte  er  andere  Räume,  Korridore  und 

Wohngebiete des riesigen Schiffes heran. Seine tief  in  ihren Höhlen liegenden Augen tränten bereits, und er wischte sie mit den blanken Händen trocken. Er  fand  einen  dritten,  vierten,  dann  noch  drei  weitere.  Eine 

Vielzahl von Kopien bewegte  sich durch die beiden Teile der SOL und ließ ihn an seinem Verstand zweifeln. »Roboter«, stöhnte er, »es sind geschickt nachgemachte Roboter.« 

Aber er wußte, daß das nicht mehr als ein kläglicher Versuch war, sich  selbst  zu  beruhigen. Was  er  vor  sich  sah, waren Wesen  aus Fleisch und Blut. Er selbst war es, in vielfältiger Kopie. Chart Deccon schwankte. Wenn eine achte Kopie in seiner Klause 

saß? 

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Aus  den Augenwinkeln  heraus  nahm  er wahr,  daß  er  zwei  der Doppelgänger  auf  einem  einzigen  Schirm  hatte.  Durch  Zufall betraten sie von zwei verschiedenen Seiten her einen kleinen Raum, der  als  Kleiderlager  diente.  Sie  stutzten  kurz,  dann  gingen  sie aufeinander zu. Es  überraschte Deccon,  daß  sie  sich  so  ungezwungen  bewegten 

und nicht daran dachten, daß der Raum überwacht wurde. Er warf einen Blick auf die Koordinaten des Raumes. Es  ist  mir  selbst  neu,  daß  es  dort  Überwachungsanlagen  gibt, 

stellte er verblüfft  fest. Dann konzentrierte er  sich darauf, was die beiden Ebenbilder sprachen. »Der Weg zum Ziel, ich kenne ihn, aber ich weiß nicht, wie lang er 

ist.  Es  ist  jedenfalls  ein  weiter  Weg!«  sagte  Deccon.  »Dennoch werden wir ihn schaffen.« »Wir sind  in diesem Schiff, um das Ziel zu erreichen«, erwiderte 

Deccon.  »Als  Order‐8 werde  ich  das  Amt  des High  Sideryt  bald übernehmen.« »Es spielt keine Rolle, wer von uns es ist. Wir sind zehn, und jeder 

kann der sein, der das Ziel erreicht. Der Plan ist unfehlbar.« »Mein Vorgehen eignet sich am besten dazu, Order‐3«, erwiderte 

Order‐8. »Du wirst es sehen!« »Ich spreche nicht mit dir über meine Taktik«, sagte Order‐3. »Es 

hätte  keinen  Sinn,  da  doch  nur  einer  von  uns  die Rolle  des High Sideryt übernehmen kann. Es wird nicht dazu kommen, daß wir uns gegenseitig behindern.« »Das  ist  richtig.  Jeder  von  uns  erfüllt  seine  Funktion  in  diesem 

Plan, und  auch die  Selbstaufgabe  gehört dazu. Dennoch  erfüllt  es mich mit  innerer Genugtung, den Wettbewerb voranzutreiben.  Ich bin  siegessicher,  aber  ich  werde  nicht  enttäuscht  sein,  wenn  ich verliere«, bekannte Order‐8. »Im Augenblick  sitzt Order‐5  in der Klause des High Sideryt. Er 

füllt  seine  Rolle  aus,  aber  er wird  die Klause  bald  verlassen. Der Plan sieht eine Reaktion vor.« 

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»Es  wird  Zeit  brauchen,  es  ist  notwendig. Warten  wir  auf  die Reaktion, sie ist vorhersehbar.« »Haben wir uns sonst noch etwas zu sagen?« fragte Order‐3. »Es  ist  nichts  vergessen,  ich  ziehe mich  zurück«,  stellte Order‐8 

fest. »Wir sehen uns am Ziel wieder.« »Auch ich mache mich auf den Weg«, erwiderte Order‐3. Deccon nickte Deccon zu, dann verließen sie die Kleiderkammer. 

Sie gingen  in verschiedenen Richtungen auseinander. Sie gesellten sich zu den übrigen acht Ordern, die sich auf den Mittelteil und die SZ‐1 verteilt hatten. Die Order handelten. Sie kannten das Schema und wußten, wohin 

ihre Tätigkeit führen würde. Nichts war unbedacht geblieben. Der Plan war perfekt, und der Planer noch mehr.   

*  »Zehn!«  Chart  Deccon  schrie  es.  Plötzlich  war  ihm  die  Ahnung gegenwärtig.  Das  Gefühl,  das  ihn  immer  wieder  wie  Übelkeit überkommen hatte, verdichtete sich zur Erkenntnis. Er erkannte die Wahrheit. Alpha  war  die  Ursache  von  allem.  Sie  hatten  ihn  mit  ihrem 

Charme  bezaubert,  mit  ihrer  Aura  eingefangen,  die  zehn unwiderstehlichen  Frauen,  die  sich  in  nichts  voneinander unterschieden.  Er  war  auf  sie  hereingefallen.  Hatte  in  einem tranceähnlichen Zustand jede Verantwortung gegenüber dem Schiff vergessen. Er war  taub gewesen gegenüber den Ermahnungen der Magniden. Alles war seine Schuld. Er  wiederholte  die  Beobachtungen,  die  viele  Solaner  und 

Solanerinnen  in seinem Auftrag  im Schiff gemacht hatten. Er hatte ihnen aufgetragen, Alpha zu  suchen. Sie hatten  ihm berichtet, daß sie  sie  gesehen  hätten,  an  verschiedenen  Orten  gleichzeitig  und 

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hochschwanger.  Jetzt, wo  er  um  die  zehn  Frauen wußte,  lag  die Erklärung  auf  der  Hand.  Abwechselnd  und  ohne  daß  er  es bemerkte,  hatten  sie  die  Zeit  mit  ihm  verbracht  und  waren schwanger geworden. Alle. Zehn Order liefen herum und verursachten das Chaos in der SOL. Deccon brach der Schweiß aus. Er hatte einen Gedanken, aber er 

verwarf  ihn wieder,  denn  er war  zu  phantastisch.  Es mußte  eine andere Erklärung geben. Bestimmt würden die Alphas eines Tages gefunden werden. In Deccon stritten sich die Gefühle um ein Problem mehr. Es war 

völlig unmöglich, daß Alpha nach wenigen Tagen hochschwanger war. Und doch schien es der Wahrheit zu entsprechen. Die Order – seine Kinder? Der High  Sideryt  sank  in  seinen  Sessel  zurück  und  schlug  die 

Hände  vor das Gesicht. Ein  trotziges  Schluchzen  kam  aus  seinem Mund, während er versuchte, seine Hilflosigkeit zu bekämpfen. Er dachte wieder an die Vergangenheit, verglich sie mit dem Jetzt. Wie viele Fehler hatte er gemacht, die sich nun auswirkten! Der Körper Charts schüttelte sich. Der einst unnachgiebige Mann 

war ein kleines Kind, daß sich nicht helfen konnte und doch wußte, daß etwas getan werden mußte. Er  dachte  an  Atlan.  Wie  würde  der  Arkonide  die  Situation 

anfassen? War es möglich, ihn zu finden und um Hilfe zu bitten? Erschüttert erinnerte sich Chart daran, daß sie nicht einmal einen 

Hinweis darauf hatten, ob es die SZ‐2 und ihre Besatzung überhaupt noch gab. Dennoch … Seit Atlan an Bord gekommen war und von seinem Auftrag und 

den  kosmischen  Mächten  gesprochen  hatte,  war  Deccon nachdenklich geworden. Zunächst hatte er die Worte des Arkoniden für  Angeberei  gehalten. Nach  und  nach  aber  hatte  er  Anzeichen dafür gefunden, daß Atlans Ziel doch nicht so eigennützig war, wie es ausgesehen hatte. Die Abenteuer auf Osath und Chail, waren sie nicht rätselhaft genug, um seine Aussagen zu bestätigen? Und  jetzt 

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Flatterfeld mit der seltsamen Sternenballung Bumerang! Deccon erkannte, daß er nun selbst etwas von diesen Vorgängen 

an  sich  verspürte,  über  die  er  immer  nur  gelächelt  hatte. Und  er fragte sich, welche fremde Macht die zehn Frauen an Bord der SOL geschickt hatte, um deren mächtigsten Mann auszuschalten. Längst hatte er begriffen, daß es um die SOL ging. Für  ein  paar  Augenblicke  bekam  der  High  Sideryt  es  mit  der 

Angst zu  tun. Hatte nicht sein Doppelgänger  in der Klause gesagt, daß er ihm im Weg war? Deccon sah sein Leben bedroht und fluchte haltlos.  Innerlich  beschimpfte  er  sich  selbst,  daß  er  so  kurzsichtig gewesen war,  auf  Alpha  oder  die  Alphas  hereinzufallen.  Es war nicht zu ändern. Aus seiner persönlichen Situation heraus begann Chart die Dinge 

plötzlich mit anderen Augen zu sehen. Zum ersten Mal glaubte er tatsächlich an die Existenz  solcher Mächte, die  sich  in diesem Teil des Universums ein Stelldichein gaben, den die SOL durchstreifte. Und  er  konnte  sich  mit  einem  Mal  für  Atlans  Beteuerungen erwärmen, daß  dies  kein Zufall war,  daß  überhaupt  nichts Zufall war, sondern einer Bestimmung folgte, die von anderen vorgegeben wurde. Höhere  Mächte,  Kosmokraten,  wie  sie  auch  immer  heißen 

mochten. Sie beschäftigten sich mit der SOL. Eine hatte die Frauen geschickt, die auf übernatürliche Weise für die Order verantwortlich waren.  Sie  arbeiteten  gegen  die  bestehende  Ordnung  an  Bord, wollten  das  Schiff  für  einen  Fremden  oder  eine  fremde  Macht beanspruchen. Die SOL würde nicht mehr ihr eigener Herr sein. Sie käme  in  eine  innere  Zwangslage,  denn  die  Erkenntnis  der Verhältnisse  hätte mit  Sicherheit  Tod  und Wahnsinn  unter  vielen Solanern zur Folge. Wenn  tatsächlich  einer der zehn Order an die Macht kam, so bedeutete das mehr als Chaos für das Schiff, wie sie es in der Vergangenheit oft erlebt hatten. Das Schiff stand auf dem Spiel. Und das war alles, was sie hatten. Ohne das Schiff waren sie ein 

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Nichts und so gut wie tot. Chart sprang auf und stürzte zum Interkom. Er mußte die Solaner 

vor der drohenden Gefahr warnen  und  sie  auffordern,  alle Order festzunehmen.  Im  letzten  Augenblick  besann  er  sich.  Durch derartige  Eröffnungen  würden  Panik  und  Gefahr  in  dem  Schiff ausbrechen. Wer weiß, wie die Buhrlos und die Unsymmetrischen und alle anderen Gruppen sich verhalten würden. Deccon schüttelte den Kopf und begann  in der Ausweichzentrale 

auf  und  ab  zu  laufen.  Es  mußte  anders  gehen.  Er  mußte  einen vernünftigen  Plan  entwickeln.  Wenn  jemand  gezielt  gegen  die Ebenbilder vorgehen konnte, dann war nur er es, da er als einziger jetzt alle Fakten kannte, wenngleich noch manches rätselhaft war. »Wenn  jemand  es  tun muß, dann bin  ich  es«,  flüsterte der High 

Sideryt  entschlossen  und widmete  sich wieder  den Monitoren.  In seinem Kopf  reifte ein Plan, und das, was er über die Bildschirme von einem Solaner namens Hage Nockemann mitbekam,  sah nach einer Unterstützung aus, die wichtig war. Nockemann hatte sich mit den Alphas und ihrem Erscheinen befaßt. Er hatte zu denen gehört, die die zehn gleichen Frauen an Bord geholt hatten. Und er befaßte sich mit den Ebenbildern des High Sideryt, die ihm bereits bekannt waren. »Ich  kenne  den  Galakto‐Genetiker«,  stellte  Chart  Deccon 

aufatmend  fest. »Er besitzt meine Daten.  Ihm dürfte es ein  leichtes sein, meine  Identität unter Beweis zu stellen. Dann sind die Order geliefert!«   

2.  Bora  St.  Felix  war  durch  ihr  Temperament  bekannt.  Die  fünfzig Jahre  alte  Buhrlofrau  unterschied  sich  noch  durch  weitere Eigenschaften von den eher melancholischen und in sich gekehrten Mitgliedern  ihres  Volkes.  Ihre  Haut  schimmerte  unter  dem 

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glasartigen  Überzug  braun  bis  schwarz  und  verlieh  der  Trägerin einen Hauch  von  Exotik. Dazu war  die  Frau  extrem  schlank,  fast dürr, bei einer Körpergröße von 1,71 Meter. Bora hielt mit ihrer Meinung nie zurück. In jeder Lage zeigte oder 

sagte sie, was sie wollte oder von einer Sache hielt. Auch  jetzt, am 21. Januar 3792, war sie nicht davon abzubringen, unter den Augen der  SOLAG  eine  Kundgebung  einzuberufen,  eine  Versammlung aller  Buhrlos  aus  ihrem  Wohnsektor.  Es  waren  etwas  mehr  als dreihundert.  Sie  kamen  und  sie  lagerten  in  der  Nähe  des Antigravschachts, wo der Korridor  sich  zu  einer Halle  verbreitete und ihnen allen Platz bot. Bora  hatte  ihre  beiden  Kinder  in  der  Spielkabine  gelassen,  den 

achtjährigen Pjotter und den vierjährigen Foster. Statt dessen hatte sie  eine  Plastikkiste mitgebracht,  die  sie  verkehrt  herum  auf  den Boden stellte und darauf stieg. So gewann sie einen Überblick über alle und konnte von ihnen besser verstanden werden. »Hört mir zu!« rief sie mit ihrer dunklen Stimme, die so gar nicht 

mit  ihrer  zierlichen  Figur  harmonierte.  Ihre  Stimmfülle war  groß, die Worte  tönten  nach, wenn  die Akustik  einigermaßen  gut war. Hier  in der Halle,  in der mehrere Korridore  zusammenliefen, war das der Fall. Die Zuhörer  standen  oder  saßen  gespannt und warteten darauf, 

daß Bora mit der  Sprache  herausrückte.  Ihre Körper  schimmerten rötlich und unterschieden sich dadurch von dem der Frau, die aus der  Familie  der  St.  Felix  stammte,  einer  der  geachtetsten  Buhrlo‐Familien an Bord. Selbst zu Zeiten, als der Durchgang zwischen den einzelnen  Schiff  steilen  nicht möglich war,  hatten  sich  immer  ein paar  Mitglieder  der  St.  Felix  in  jedem  der  drei  Schiffsteile aufgehalten. Der Umweg über den Weltraum war  für die Buhrlos der normale Weg gewesen, und die neue Regelung empfanden sie als etwas Faszinierendes. Die Heimat gehörte eben voll zusammen. Daß dem zur Zeit nicht so war, galt die Versammlung. »Noch  ist  nichts  geschehen,  seit Wochen  halten  uns  der  High 

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Sideryt  und  die Magniden  hin.  Es  ist  ein  unhaltbarer  Zustand«, erklärte Bora. »Wir können nicht tatenlos zusehen.« »Was  willst  du  tun,  was  schlägst  du  vor?«  antworteten  die 

Buhrlos. Bora musterte die Versammelten. Sie stellte fest, daß auch ein paar 

Halbbuhrlos sich eingefunden hatten, Solaner mit Buhrlonarben. Sie standen  in  einigem Abstand  an  den Mündungen  der Gänge  und beobachteten, was geschah. Was geht  in  ihnen vor? dachte Bora kurz.  Sie  sind  aus unserem 

Stamm,  aber  sie  sind  von  der  Natur  benachteiligt  worden. Irgendwie  sind  sie  Außenseiter.  Sie  gehören  weder  hierhin  noch dorthin. Mit  der  linken Hand  formte  sie  deutlich  einen Kreis  aus Daumen und Zeigefinger, das Zeichen für Zuneigung. »Der High Sideryt zieht zur Zeit durch das Schiff, betrachtet die 

Fortschritte,  die  gemacht  worden  sind.  Er  spricht  mit  allen möglichen Wesen,  sogar  einer Gruppe  von  Extras  hat  er  kürzlich Gehör  geschenkt.  Nur  unserem  Anliegen  schenkt  er  keine Beachtung. Warum?« Bora  unterstrich  ihre  Worte  mit  mehreren  Gesten.  Es  war  ein 

Ausdruck  ihres  Temperaments.  Gleichzeitig  aber  wirkten  sie beruhigend  und  beherrschend.  Nicht  ein  einziger  Buhrlo  erhob seine Stimme, um seinem Unmut Ausdruck zu verleihen. Der unhaltbare Zustand hielt zu  lange an. Die Trennung von der 

SZ‐2 war ein schmerzhaftes Ereignis gewesen, und der Schmerz war bis  jetzt  nicht  abgeflaut. Gerade  die  Buhrlos,  die  auf Grund  ihres Minderheitenbewußtseins  (in  der  Gesamt‐SOL  mit  ihren  über neunzigtausend  Bewohnern  gab  es  nur  rund  4650  Buhrlos)  einen stärkeren  Gruppeninstinkt  und  ein  größeres Zusammengehörigkeitsgefühl  besaßen,  empfanden  die  Trennung von  ihren Artgenossen  in  der  zweiten  SOL‐Zelle  als Amputation. Manche bildeten sich ein, daß ein unsichtbarer Faden gerissen war. »Wir müssen den High Sideryt zu einer Entscheidung zwingen«, 

fuhr Bora  fort.  »Deshalb wird  eine Gruppe unter meiner Führung 

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ihn aufsuchen. Wir werden mit ihm sprechen. Wenn er kein Einsehen mit uns zeigt, werden wir  ihn hierher  in 

unser  Wohnquartier  bringen.  Es  muß  doch  gelingen,  ihn  zu überzeugen.« Ein männlicher Buhrlo hob den  linken Zeigefinger. Es bedeutete 

»Aufpassen, ich will etwas mitteilen«. Die  Zeichensprache  benötigten  sie  eigentlich  nur  im Weltraum, 

um  sich untereinander  zu  verständigen. Aber  sie war  ihnen  so  in Fleisch  und  Blut  übergegangen,  daß  sie  sie  auch  im  Innern  der Heimat benutzten. »Sprich, Pret Cherch!« forderte Bora ihn auf. »Die Gründe, mit denen ein Flug des verkrüppelten Schiffes zum 

vermutlichen  Standort  der  SZ‐2  abgelehnt  worden  sind,  besitzen lediglich  für  die  Schiffsführung  Überzeugungskraft«,  erklärte  er. »Wo  sind  die Gefahren,  von  denen Deccon  sprach  oder  über  die Magniden sprechen ließ? Ich kenne sie nicht. Wer hindert das Schiff, weiterzufliegen und die Wiedervereinigung zu vollziehen?« Bora  nickte,  aber  sie  sprach  es  nicht  aus.  Sie  kannte  die 

Unzufriedenheit  am  besten,  die  sich  von  Stunde  zu  Stunde mehr anstaute.  Und  wenn  die  SZ‐2  in  Gefahr  war,  weil  sie  sich  nicht meldete,  war  es  das  Gebot  der  Stunde,  ihr  nachzufliegen  und beizustehen. Bora St. Felix wußte um die Problematik des Ganzen. Sie kannte 

auch die Gründe, warum die Schiffsführung dagegen war. Und sie verstand auch, daß irgendwo im High Sideryt das Bewußtsein war, daß  ja Atlan die SOL‐Zelle  lenkte. Sie erinnerte  sich daran, daß es Buhrlos gewesen waren, die den Arkoniden  an Bord des  fremden Schiffes gefunden hatten, das wie eine Burg ausgesehen hatte. Zwei Namen fielen ihr ein, Kartron Amer und Shia Deen. »Es sind zwei Dinge, die berücksichtigt werden müssen, wir haben 

sie  schon  oft  durchgekaut«,  antwortete  sie  Cherch.  »Die Schiffsführung hat Angst um den Bestand der SOL, gleichzeitig aber hofft  sie auf Atlan, daß er die SZ‐2 nicht  in Gefahr bringt. Deccon 

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hat  sie  ihm  zur  Verfügung  gestellt,  er  kann  erwarten,  daß  der Arkonide sie heil zurückbringt. Das ist allerdings kein Ausweg aus unserem Dilemma.« Bora erblickte ein paar Buhrlos in der Menge, die in der einseitigen 

Haltung der Unsymmetrischen auf dem Boden saßen. Unwillkürlich spreizte  sie  die  rechte  Hand.  Es  bedeutete  Müdigkeit  oder Krankheit, war aber in diesem Fall eher ein Zeichen der Resignation. Die  Buhrlofrau  befürchtete,  daß  sich  ihr  Volk  auf Dauer  in  zwei Lager  spalten  würde,  wenn  es  nicht  schnell  gelang,  die  SOL  zu vereinen. »Wir geben dem High Sideryt noch eine Chance«, sagte sie. »Wir 

organisieren einen Schweigemarsch zur Hauptzentrale, um unserer Forderung noch einmal Nachdruck zu verleihen, daß das Restschiff der SZ‐2 nachfliegt.« »Die Unsymmetrischen werden Krawall machen!« rief jemand. »Es  ist  mir  klar«,  antwortete  Bora.  »Wir  selbst  müssen  dafür 

sorgen, daß es nicht zu Zwischenfällen kommt.« Sie stieg herunter von der Kiste und setzte sich zu den Männern, 

Frauen und Kindern. Erschreckend viele waren darunter, die bald in die Nähe  des  hundertfünfzigsten  Lebensjahres  kamen,  in  dem  im Durchschnitt die ersten Schwierigkeiten mit den Papillos auftraten, die  zu  versagen  begannen. Die  Buhrlohaut war  dann  nicht mehr dicht für einen gefahrlosen Aufenthalt im Weltall, ihr Träger mußte im  Schiffsinnern  bleiben,  so  daß  sich  die  Hornhaut  immer mehr verdickte,  bis  der  Betroffene  in  seinem  eigenen  Körper  erstickte, weil die Hornhaut ihn wie ein luftdichter Panzer umgab. Es war das Schicksal  dieses  seltsamen  Zweiges  der  Menschheit,  von  dem niemand wußte, wie und warum er entstanden war. Bora  St.  Felix  zog  sich  zurück.  Sie war  sich  ihrer  vermittelnden 

Rolle bewußt, erkannte aber auch, daß sie die radikalen Kräfte unter ihrem Volk und der neuen Gruppe der Unsymmetrischen nicht auf Dauer zurückhalten konnte. Es mußte etwas geschehen.  

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 * 

 Manchmal  war  Hage  Nockemann  froh,  daß  er  sich  damals entschlossen  hatte,  nicht  zu  den Ahlnaten  zu  gehen,  sondern  ein eigenes Forschungslabor zu unterhalten. Ab und zu war  es  in der Vergangenheit allerdings schon vorgekommen, daß er sich bessere Verbindungen zur SOLAG gewünscht hätte. Das war  immer dann, wenn  er durch die  äußeren Einflüsse und Zustände  im Schiff von seiner Arbeit abgehalten worden war. Jetzt  war  es  anders.  Nockemann  arbeitete  fieberhaft  an  seinem 

Problem.  Er  zählte  nicht,  wie  oft  er  die  gewonnenen  Resultate wiederholte. Sie blieben  immer dieselben, und Nockemann begriff, daß es keine andere Möglichkeit gab. »Was  sagst  du  dazu,  Blödel?«  fragte  der  Wissenschaftler  den 

Computer, mit dem er arbeitete. In einer Laune hatte er ihm diesen Namen gegeben. »Deine  Schlußfolgerungen  sind  in  großen  Teilen  einwandfrei, 

Chef«,  erklärte  Blödel.  »Die  ständigen  Prüfungen,  die  du  mich durchführen läßt, haben lediglich einen hohen Energieverbrauch zur Folge. Ich würde für die nächsten Tage davon abraten!« Nockemann  brummte  etwas  Unverständliches.  Seine  Gedanken 

waren  bereits  anderswo.  Er  war  den  zehn  Frauen  auf  die  Spur gekommen, die Alpha  genannt worden waren. Er hatte durch die Positronik  ihres Bedienungsrobots herausgefunden, daß  sie  sich  in ihrer Unterkunft  in  einer  fremden  Sprache  unterhalten  hatten.  Sie hatten sich gegenseitig mit Ordnerin‐1, Ordnerin‐2 usw. bezeichnet. Die  Tatsache,  daß  sie  keine  richtigen  Namen  trugen,  hatte  ihn hellhörig gemacht. Er vermutete einen Plan hinter  ihrem Verhalten und setzte sich auf  ihre Fährte. Er untersuchte  ihr Zellgewebe und stellte  fest,  daß  es  keine  Chromosomen  enthielt,  wie  es  bei Lebewesen  normal  war.  Dann  waren  die  Doppelgänger  Deccons aufgetaucht,  er  hatte  einen  am  fehlenden  Kästchen  erkannt.  Von 

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einem  anderen  besorgte  er  sich  ebenfalls  eine  Probe,  die Gewebe enthielt,  das  identisch mit  dem  der  Zehnlinge war,  aber  nur  die Chromosomen Deccons enthielt, dessen Daten Nockemann in Blödel vorliegen  hatte.  Den  Rest  reimte  sich  der  Galakto‐Genetiker zusammen.  Er war  bereit  zu wetten,  daß  demnächst  zehn  falsche Deccons in der SOL auftauchen würden und eine große Schweinerei im Gang war. Der Wissenschaftler war auf Grund seiner Kenntnise in der Lage abzuschätzen, wie mächtig der Gegner sein könnte, der über solche Möglichkeiten einer Reduplikation, verbunden mit einer nur mehrtägigen, im Zeitraffertempo ablaufenden Schwangerschaft, verfügte. Die Erkenntnis trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Hage  Nockemann  war  Junggeselle  und  als  kauziger 

Wissenschaftler bekannt. Nicht  alle nahmen  ihn  ernst, weil  er nur seine Arbeit kannte. Mit seinen 1,69 Meter und den  langen, grauen Haaren  erweckte  er  den  Eindruck  eines  Einzelgängers.  Daß  er gebückt ging, ließ ihn älter erscheinen, als er mit 95 Jahren eigentlich war. Es störte ihn wenig, denn er hatte sich seine körperliche Fitneß erhalten. Wer  ihn  in  seiner  abgeschabten,  fleckigen Kleidung  sah, hätte ihn fast mit einem SOL‐Bettler verwechseln können. Nockemanns  größter  Schatz  jedoch  war  sein  ausgezeichnet 

arbeitender  Verstand,  mit  dem  er  in  Bruchteilen  von  Sekunden mehrere Beobachtungen verarbeiten konnte. Der  Galakto‐Genetiker  hatte  den  High  Sideryt  warnen  wollen, 

aber  er  war  zu  spät  gekommen.  Einer  der  Doppelgänger  hatte bereits seinen Platz  in der Klause eingenommen. Nockemann hatte es sofort erkannt. Mit einer Ausrede hatte er sich zurückgezogen in die SZ‐1, wo sein Labor lag. Er dachte nach, prüfte, überlegte wieder. Und er kam  immer nur 

zu dem einen Schluß. »Es muß  eine Möglichkeit geben, den High Sideryt  ausfindig  zu 

machen«, erklärte er. »Wie willst du das anstellen? Du kannst alle elf einfangen und dir 

einen aussuchen«, erwiderte Blödel. 

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»So war das nicht gemeint«, stellte der Wissenschaftler fest. »Wir  müßten  den  echten  Deccon  finden.  Er  ist  doch  leicht  zu 

unterscheiden!« »Weil  er  ein  unzerstörbares  Kästchen  trägt«,  stimmte  der 

Computer bei. »Und weil seine Zellstruktur vorliegt. Soll  ich einen Vergleich herstellen?« »Später. Zunächst müssen wir ihn haben.« Nockemann blickte auf seine Uhr und fuhr auf. »Die Nachtperiode hat schon begonnen, ich werde mich in meine 

Kabine zurückziehen«, sagte er. »Gute Nacht, Blödel!« »Es  besteht  die  Möglichkeit,  daß  der  High  Sideryt  dich  aus 

eigenem  Antrieb  aufsucht,  wenn  er  sich  an  dich  erinnert«, antwortete  der  Computer.  »Allerdings  dürfte  er  sich  in  einem Zustand  der  Verwirrung  befinden,  der  auch  auf  seinen  Geist Auswirkungen haben dürfte. Gute Nacht!« Nockemann schaltete den Computer ab und verschloß das Labor 

mit  der  ihm  eigenen Gewissenhaftigkeit.  Er  konnte  es  dem High Sideryt wirklich nicht verübeln, daß dieser nach dem Vorgefallenen verwirrt  war.  Aber  er  traute  ihm  zu,  daß  er  sich  schnell  fangen würde. Der  Wissenschaftler  überlegte,  während  er  seine  eine 

Viertelstunde  entfernte Kabine  aufsuchte, wie  er  den Kontakt mit dem echten Deccon beschleunigt knüpfen konnte. Es  fiel  ihm aber nichts  Gescheites  ein,  und  er  redete  sich  ein,  daß  es  an  seiner Müdigkeit lag, die ihn plagte. Er war überarbeitet. Nockemann  legte sich schlafen, und sein  letzter Gedanke war, ob 

die  Doppelgänger,  mit  denen  er  zu  tun  gehabt  hatte,  auf  ihn aufmerksam  geworden waren  und  ihn  suchten.  Befand  er  sich  in Gefahr, weil er zuviel wußte?   

*  

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Nockemann  wachte  auf,  weil  er  ein  Geräusch  gehört  hatte,  das ungewöhnlich  war.  Er  bildete  sich  ein,  das  Knacken  der Türverriegelung sei an sein Ohr gedrungen. Er lauschte. Der Galakto‐Genetiker war  kein  furchtsamer Mensch.  Er  schloß 

seine Kabinentür  im Gegensatz zum Labor nie ab. Nicht einmal  in Zeiten erhöhter Gefahr hatte er es getan. Es konnte durchaus sein, daß sich  jemand  in seine Kabine verirrte, der  fremd war. Ein Extra vielleicht. Etwas  rumpelte, und Nockemann wußte  sofort, daß  sich  jemand 

durch den Raum bewegte. Er war gegen einen Sessel gerannt. Ein unterdrückter Fluch erklang, ein Kratzen von Fingernägeln an der Wand war zu hören. Dann sagte eine Stimme: »Nockemann, bist du da? Wo ist denn der Lichtschalter?« Die Stimme kam dem Galakto‐Genetiker bekannt vor. Mit einem 

Satz war er aus dem Bett. »Licht!«  rief  er  laut  in  die  Richtung  zur  rechten Wand, wo  die 

Membran angebracht war, mit der er seine kleine Spielerei steuerte. Augenblicklich  flammte  die  Deckenbeleuchtung  auf.  Hage 

Nockemann  sah  eine große, massige Gestalt  an der Wand  lehnen. Ihre Stirn war feucht, Schweißperlen glitzerten wie kleine Edelsteine darauf. »High Sideryth?« sagte der Galakto‐Genetiker erstaunt. Dann aber 

fiel  ihm  die  Aussage  Blödels  wieder  ein.  Nur,  war  es  der  High Sideryt? Du mußt vorsichtig sein, redete Nockemann sich ein. Vorerst ist es ein High Sideryt. Was will er? »Hage  Nockemann«,  grollte  der  High  Sideryt.  »Du  mußt  mir 

helfen. Du bist der einzige, der es kann!« Nockemann  schielte  nach  einem Gegenstand, den  er  notfalls  als 

Waffe gebrauchen konnte. Er  fand nur eine Vase, die mit Papieren und Berechnungen gefüllt auf einem kleinen Beistelltisch stand. Er trat  auf Deccon  zu,  bis  sich die Vase  in Reichweite  neben  seinem rechten Arm befand. 

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»Was willst du?« Deccon seufzte und deutete auf die Tür. »Kannst  du  die  für  eine  Weile  verschließen?«  fragte  er.  »Ich 

wunderte mich, daß sie offenstand.« »Gewohnheitssache!«  erklärte  Nockemann  und  zwirbelte  an 

seinen buschigen Schnauzbart. Er tat es immer, wenn er nachdachte. Er deutete auf einen Sessel. »Setz dich, High Sideryt«,  forderte  er den nächtlichen Störenfried 

auf. »Ich bin der High Sideryt, mein Wort darauf«, sagte Deccon. »Es 

tut mir leid, dich stören zu müssen, aber es bleibt mir keine andere Wahl.« Er  beobachtete  Nockemann,  der  sich  ebenfalls  niederließ,  noch 

immer in der Nähe der Vase. Deccon begann zu erzählen. Er berichtete von dem Zeitpunkt an, 

als er zum ersten Mal Alpha gesehen hatte. Er wußte nicht viel, was sich  während  seines  Zusammenseins  mit  den  Zehnlingen  in  der SOL  abgespielt hatte,  aber  er hatte Nockemann  ja  beobachtet und kannte die Ergebnisse seiner Nachforschungen. »Ich  habe  erkannt,  daß  du  der  einzige  bist,  der  meine  wahre 

Identität nachweisen kann«, schloß Deccon den Bericht. »Und  deshalb  störst  du mich  in meiner Nachtruhe?«  fragte  der 

Galakto‐Genetiker.  Gespannt  beobachtete  er  die  Reaktion  seines Gegenübers. Deccon  schluckte.  Er  rang mit  sich, was  er  sagen  sollte.  Früher 

wäre er mit Sicherheit anders aufgetreten, hätte Nockemann einfach zu sich in die Klause gerufen. Jetzt war es anders. »Die Order sind mir auf der Spur«, vermutete er. »Sie wissen, daß 

sie nur Erfolg haben können, wenn sie mich aus dem Weg räumen. Darum  bin  ich  in der Nachtphase  gekommen. Niemand  hat mich gesehen. Ich halte mich an einem geheimgehaltenen Ort auf.« Er informierte Nockemann darüber, daß ein falscher Deccon in der 

Klause saß, doch der Galakto‐Genetiker reagierte nicht. 

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»Es wissen vermutlich alle Deccons, daß es so ist«, sagte er nur. Er erhob sich abrupt. »Es liegt mir selbst daran, Licht in die Vorgänge zu bringen«, fuhr 

er  fort.  »Deshalb  greife  ich  deine  Bitte  auf.  Wir  gehen  in  mein Labor!« Deccon nickte erleichtert. Er folgte dem Wissenschaftler hinaus in 

den  Korridor.  Schweigend  gingen  sie  nebeneinander  her,  bis Nockemann an der Tür stehenblieb. »Hier ist es«, eröffnete er, »aber das weißt du vermutlich.« Deccon nickte. Zögernd  schloß  Nockemann  die  Tür  auf  und  trat  ein.  Sein 

Begleiter  folgte  ihm  auf  den  Fuß. Der Galakto‐Genetiker  ließ  sich Zeit.  Die  ganze  Zeit  über  beobachtete  er  den  angeblichen  High Sideryt. Er hatte genug über die Kopien Deccons erfahren, um sich zusammenreimen  zu  können, wieviel  sie wußten.  Sie waren  nicht nur  äußerlich  identisch,  das  hatte  das  Auftreten  verschiedener Kopien bewiesen. Er aktivierte seinen Computer. »Es  tut  mir  leid,  daß  ich  dich  aus  deinem  Schlaf  reißen  muß, 

Blödel«, sagte er. »Aber wir haben zu tun.« »Ist es schon Morgen?« erkundigte sich der Computer. Seine Frage 

war rhetorisch, denn er hatte die Zeit im »Kopf«. Noch  immer musterte Nockemann den High Sideryt. Dieser  trug 

das  Kästchen  an  der  Brust,  das  er  oftmals  mit  beiden  Händen umklammerte. Der Wissenschaftler fixierte es. Deccon schüttelte den Kopf und verzog schmerzlich das Gesicht. »Alle  tragen es  inzwischen«,  teilte er  ihm mit und berichtete von 

seinen Wahrnehmungen. Nockemann lächelte. »Du sitzt irgendwo in einer Ausweichzentrale, denn nur dort hast 

du die nötigen technischen Voraussetzungen zu einer umfassenden Überwachung der Vorgänge«, stellte er fest. Deccon nickte zögernd. »Mach den Test, Hage«,  forderte  er  ihn auf. »Ich darf keine Zeit 

verlieren!« Für einen kurzen Augenblick  spiegelte  sich  im Gesicht des High 

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Sideryt  all  das,  was  er  in  den  letzten  Stunden  und  Tagen mitgemacht hatte. Nockemann sah den Ausdruck, und er erschrak ein wenig. Deccon verunsicherte  ihn,  aber  es konnte Absicht  sein, damit er ungenau arbeitete. »Ich  brauche  die  Daten  vom  High  Sideryt,  dem  echten!«  sagte 

Nockemann  zu  Blödel.  Ein  grünes  Licht  leuchtete  auf  als Bestätigung,  daß  er  die Daten  parat  hatte. Nochmals wandte  sich der Wissenschaftler an Deccon. »Wir haben es gleich«, bestätigte er. »Die Werte der Proben, die ich 

der  Orderin  auf  einem  Duplikat  entnommen  habe,  liegen  im Computer vor. Ich brauche sie nur zu vergleichen.« Deccon nickte auffordernd. »Tu es«, verlangte er. »Du hast es gehört, Blödel«, wandte Hage Nockemann sich an den 

Computer. »Wie sieht es aus?« »Ich beschränke mich auf das Ergebnis des Vergleichs«, gab Blödel 

bekannt. »Eine Interpretation ändert nichts daran.« »Na also«, sagte Deccon erleichtert. »Die Werte stimmen überein. Es kann nicht zwischen dem echten 

High  Sideryt  und  seinen  Doppelgängern  unterschieden werden!« eröffnete der Computer.   

*  Chart Deccon war leichenblaß. Der Hühne mit dem aufgedunsenen, roten  Gesicht  wirkte  eingefallen  und  klapprig.  Die  tiefliegenden Augen  verschwanden  völlig unter den Augenwülsten, weil  er die Augen zusammenkniff. »Hage …«,  stöhnte er. »Das muß ein  Irrtum  sein. Der Computer 

arbeitet mit falschen Werten. Er wurde manipuliert.« Nockemann  verneinte  energisch,  wiederholte  den  Test  aber 

dennoch. Es blieb beim ersten Ergebnis. 

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»Ich habe das Ergebnis auch nicht erwartet«, gestand der Galakto‐Genetiker.  »Ich  habe  mit  allem  gerechnet,  nur  nicht  mit  einer völligen Übereinstimmung. Der Test ist sinnlos. Es wird sich so nie herausfinden lassen, wer der echte High Sideryt ist.« Chart nickte gequält. »Es war umsonst«, flüsterte er mit brüchiger Stimme. »Was jetzt?« In  seinem  Kopf  summte  es  wie  in  einem  Bienenschwarm.  Die 

vergangenen Stunden hatte er sich so  intensiv an Nockemann und den Test geklammert, daß er sich nun vorkam wie nach einer großen Niederlage. Seine Schultern hingen kraftlos herab, und sein Inneres bebte unter dem Druck der Erkenntnis, daß alles zu spät war. »Ich  kann  es  nicht  ändern«,  sagte, Nockemann  leicht  reserviert. 

»Die  verläßlichste Methode  des Nachweises  hat  versagt.  Ich  kann dir nicht bestätigen, daß du der High Sideryt bist.« Chart  Deccon  nickte  betrübt.  Minutenlang  versank  er  in 

Schweigen.  Er  starrte  den  Computer  an,  der  das  schriftliche Ergebnis auf dem Bildschirm abwechselnd  löschte und wieder neu projizierte,  als wolle  er  damit  die  Eindringlichkeit  unterstreichen. Deccon faßte Nockemann am Arm. »Es  muß  eine Möglichkeit  geben,  Hage«,  rief  er,  »sonst  ist  das 

Schiff verloren. Wir dürfen nicht aufgeben!« »Du  darfst  mir  glauben,  daß  es  mir  auch  um  das  Schiff  geht. 

Solange  elf  High  Sideryts  herummarschieren,  ist  es  bedroht«, antwortete der Galakto‐Genetiker. Er schaltete Blödel ab und verließ das Labor. »Ich muß nachdenken«,  ließ er Deccon wissen. »Ich werde meine 

Kabine aufsuchen.« »Ich komme mit!« entschied Deccon. Sie  kehrten  denselben Weg  zurück,  den  sie  gekommen  waren. 

Nichts  deutete  darauf  hin,  daß  es  in  ihrer Nähe  Leben  gab.  Die Gänge und Verteilerstationen, sogar die Einstiege  in die Antigravs, waren ausgestorben. »Es  ist  die  Ruhe  vor  dem  Sturm«, murmelte  der High  Sideryt. 

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Wieder wurde ihm in aller Schärfe bewußt, wie hilflos er war. Nockemann öffnete die Tür zu seiner Wohnkabine und trat ein. Er 

versuchte  sich  zu  erinnern,  ob  er  die  Beleuchtung  hatte  brennen lassen, als sie das Labor aufsuchten. Der High  Sideryt  blickte  dem Wissenschaftler  über  die  Schulter 

und  fuhr  zurück. Er preßte  sich draußen neben den Eingang und schielte vorsichtig um die Ecke. Nockemann aber sagte: »High Sideryt! Ich habe es nicht anders erwartet.« Chart Deccon  erhob  sich  schwerfällig  aus dem Sessel,  in dem  er 

gewartet hatte. »Na  endlich«,  grollte  er  und  massierte  die  wulstigen  Lippen. 

Langsam strich er die Falten seiner grünen Bordkombination glatt. »Ich brauche deine Hilfe.« »Ich weiß, worum  es  geht«,  sagte Nockemann.  »Es  ist mir nicht 

verborgen geblieben.« »Dann weißt du auch, daß es an Bord von Doppelgängern nur so 

wimmelt«,  sagte Deccon  eindringlich. »Das muß aufhören.  Ich bin der echte High Sideryt und bitte dich, es zu beweisen. Du bist der einzige, der das kann.« »Ich kenne das Ergebnis bereits, und kann es dir gleich mitteilen«, 

hörte  Deccon  draußen  die  Stimme  des Wissenschaftlers.  »Es  läßt sich nichts beweisen.« Der  High  Sideryt  begann  zu  kochen.  Die  Dreistigkeit  seines 

Ebenbildes ließ ihn  jegliche Vorsicht vergessen. Er zog den Strahler und stürzte in die Kabine. In ihm war nur ein einziger Gedanke. Ich  bringe  ihn um!  redete  er  sich  ein.  Ich  bringe  sie  alle um. Er 

brachte die Waffe in Anschlag. Hage  Nockemann  kam  nicht  dazu,  einzugreifen.  Fassungslos 

starrte er die Waffe an, blickte dann zu Deccon, der aus dem Sessel emporgefahren  war  und  aus  schreckgeweiteten  Augen  in  die Mündung der Waffe sah. Da aber  ließ Chart Deccon den Strahler sinken. Er stöhnte wie  in 

einem  inneren Kampf  auf. Er  erkannte das Kästchen, das um den 

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Hals des anderen hing und dem seinen aufs Haar glich! Langsam  steckte  der High  Sideryt  die Waffe  ein.  Er  faßte  nach 

seinem Kästchen, als wolle er es schützen. Es war mit Ornamenten verziert  und  sah  aus,  als  sei  es  aus  Elfenbein  geschnitzt.  Struktur und Farbe  täuschten  jedoch. Der quaderförmige Körper bestand  in Wirklichkeit  aus  einem  federleichten,  praktisch  unzerstörbaren Kunststoff. Es war  eine  einmalige Anfertigung. Folglich konnte  es sich bei dem Kästchen seines Doppelgängers nur um eine Imitation handeln. Erneut  zog  der  High  Sideryt  seinen  Strahler.  Er  stellte  auf 

minimalste Energie, dann  zielte  er  auf das Kästchen des  anderen, das sich unter dem dünnen Strahl sofort auflöste. Nur die Kette um den Hals baumelte noch. Deccon  hatte  das  Vorgehen  seines  Gegenübers  mit  düsterem 

Gesicht verfolgt. Er nahm die Kette und  ließ  sie  achtlos  zu Boden fallen. Er grinste. Der High Sideryt reichte Nockemann seine Waffe. Er streifte sein 

Kästchen ab und stellte es auf den Boden. »Du kannst die Energiezufuhr auf Maximum erhöhen«,  sagte er. 

»Es wird dem Kästchen nichts anhaben. Schieß!« Nockemann nickte wie  in Trance. Er  löste den Abzug der Waffe 

aus, und ein heißer Strahl schoß auf das Kästchen und hüllte es ein. Der  Kunststoffboden  der  Kabine  begann  zu  dampfen,  aber  das Kästchen stand . unversehrt an seinem Platz. »Das  ist  der  Beweis«,  sagte  der  High  Sideryt  erleichtert.  »Nun 

wirst du mir hoffentlich glauben und mir helfen, diesen Halunken da und seine Komplizen festzunehmen!« Er  deutete  auf  Deccon,  der  ihn  durchdringend  ansah.  Unter 

seinem  eigenen  Blick  wurde  es  Chart  Deccon  mulmig,  und  sein Wunsch verstärkte sich, daß alles doch ein Traum sein möge. »Es  ist  kein  Beweis«,  antwortete Deccon,  und Nockemann  fuhr 

fort:  »Es  ist  durchaus  möglich,  daß  ein  Order  dem  echten  High Sideryt das echte Kästchen abgenommen hat und ihr mir ein Theater 

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vorspielt, um mich  zu übertölpeln. Es  ist kein  eindeutiger Beweis, mit  dem  ich  Chart  Deccon  von  seinen  Duplikaten  unterscheiden kann.« »Ich bin der echte Deccon!« schrie der High Sideryt verzweifelt. »Ich  bin  der  echte  Deccon!«  schrie  Chart  Deccon  zurück  und 

verbiß sich mit Mühe ein Grinsen. »Nockemann hat völlig recht!« Der Galakto‐Genetiker zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wo mir der Kopf  steht«, gestand  er.  »Ihr macht 

mich noch verrückt!« Chart Deccon klammerte sich an seiner Waffe fest. Nochmals zielte 

er  für  ein  paar  Augenblicke  auf  sein  Ebenbild,  dann  fuhr  der massige Körper nach vorn. Es hatte keinen Wert mehr. Wenn das Kästchen  kein  Beweis war, war  es  die  unterschiedliche  Kleidung auch  nicht.  Die  Kleidung  aus  blauen  Metallplättchen,  die  einer Rüstung glich, konnte ebenso nachgemacht sein. Noch ehe Chart Deccon und Hage Nockemann reagieren konnten, 

faßte Deccon  das Kästchen.  Im Drehen  hängte  er  es  sich  um  den Hals, dann stürmte er aus der Kabine des Wissenschaftlers hinaus. Sein Rückzug glich einer Flucht, und es war in gewisser Weise eine Flucht vor sich selbst, Chart Deccon traute sich selbst nicht mehr. Der High Sideryt sah ihm nach. Auch er setzte sich in Bewegung. »Damit  bist  du  überfordert«,  sagte  er  zu  Nockemann.  Der 

Wissenschaftler gab keine Antwort. Stumm schloß er die Tür hinter dem zweiten Deccon. Chart Deccon  hetzte  in  sein Versteck  zurück.  Es war  ihm.  nicht 

gelungen, den Galakto‐Genetiker als Helfer zu gewinnen. Er konnte nur hoffen, daß dieser durch das Erlebnis  aufgerüttelt wurde und selbst weitere Nachforschungen anstellte. Der High Sideryt begriff endgültig, daß er allein zu schwach war, 

um das Problem zu  lösen. Er mußte einen anderen Weg gehen. Er war jetzt bereit, das Risiko einer Panik oder eines zeitlich begrenzten Chaos  auf  dem  Schiff  einzugehen,  weil  es  wirklich  die  letzte Möglichkeit  war,  die  existierte.  Die  Solaner  mußten  gemeinsam 

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gegen den Feind vorgehen.   

3.  »Sie kommen!« Ursula Growns Ausruf hallte in der Zentrale nach. »Was sollen wir tun?« fragte Lyta Kunduran. »Eines  weiß  ich.  Wenn  es  zu  einem  auch  noch  so  geringen 

Zwischenfall  kommt,  setze  ich  die Vystiden  gegen  das  Pack  ein«, keifte Gallatan Herts. Wajsto Kölsch  trat zu  ihm und maß  ihn mit einem verächtlichen 

Blick. »Du  solltest dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern«, 

zischte er, »sonst könnten wir uns daran erinnern, daß du bei den Solanern besonders beliebt bist!« Kölsch  legte  die  Betonung  auf  das  »besonders«  und  verfolgte 

amüsiert, wie Rumpelstilzchen sich vor ihm aufbaute. »Auch  du  als  ehemaliger  Monsterjäger  könntest  bei  ihnen  auf 

große Gegenliebe  stoßen«, erwiderte er kichernd. »Was meinst du, sollen wir es gemeinsam versuchen?« Er  erhielt  keine Antwort,  denn  der  Bildschirm  erhellte  sich  und 

zeigte das düstere Mobiliar der Klause. Deccons Gesicht war ernst. »Was hat der Auflauf zu bedeuten?« erkundigte er sich. »Es  ist  eine  Demonstration  der  Buhrlos  und  der 

Unsymmetrischen«,  erklärte Curie  van Herling  und musterte  den High Sideryt eingehend. »Sie  fordern, daß wir uns endlich auf die Suche  nach der  SZ‐2 machen. Es  sind  sehr  entschiedene  Stimmen darunter,  die  mit  einer  allgemeinen  Erhebung  drohen.  Eine Delegation  der  Unsymmetrischen  hat  gedroht,  notfalls  das Kommando über das Schiff an sich zu reißen.« »Was gedenkt ihr zu tun?« »Wir  werden  sie  gewähren  lassen.  Sie  werden  eine  schriftliche 

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Forderung überreichen, die wir entgegennehmen. Mehr können wir nicht tun.« »Wenn sie zudringlich werden, laßt sie in die Zentrale«, sagte der 

High  Sideryt.  »Es  ist  sowieso  bald  Gewohnheitsrecht,  daß  jeder Zutritt hat, wenn er glaubt, etwas Wichtiges vorzubringen. Und sagt den Solanern, daß  ich beabsichtige, der SZ‐2 zu  folgen,  sobald die Lage  im  Schiff  übersichtlicher  geworden  ist  und  dieʹ  Ebenbilder gefaßt sind.« Die Magniden blickten überrascht  in die Kameras. Nurmer  faßte 

sich als erster. »Wir  werden  es  ihnen  sagen,  Chart«,  antwortete  er  und 

beobachtete, wie der High Sideryt die Verbindung unterbrach. Ob der falsche Deccon etwas gemerkt hat? fragte der älteste unter 

den Magniden sich. Er hoffte es nicht. Es war äußerst schwierig, sich so zu stellen, als wüßte man nichts. Sie  verfolgten  die  Übertragung  der  langen  Prozession.  Sie 

schätzten  die  Zahl  der  Teilnehmer  auf  rund  zehntausend,  ein Vorgang, den es früher nie gegeben hätte. »Alles  ändert  sich,  es  ist  nicht  aufzuhalten«,  murmelte  Wajsto 

Kölsch. Er hatte es am eigenen Leib erlebt, und die Abenteuer auf Chail  hatten  in  dem  Traditionalisten  zwar  keine  Bekehrung hervorgerufen, aber einen nachhaltigen Eindruck hinterassen. Und manchmal ertappte er sich bei dem Gedanken, daß er die Schuld an den  eingefahrenen,  verknöcherten  Zuständen  der  Vergangenheit der langen Isolierung gab, die das Schiff und seine Bewohner erlebt hatten. Jetzt wischte der Magnide das alles mit einer Handbewegung weg. 

Ein  anderer Gedanke war  ihm  gekommen.  Sie mußten  etwas  tun, um  dem  falschen Deccon  ihre Ahnungslosigkeit  unter  Beweis  zu stellen. »Ich gehe hinaus«, verkündete er. »Du  willst  dich  dem  Pöbel  entgegenstellen?«  riefen  die  Brüder 

und  Schwestern der  ersten Wertigkeit wie  aus  einem Mund.  »Bist 

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du lebensmüde?« »Nein«, sagte er über die Schulter zurück. Er hatte den Öffner des 

Ausgangs bereits betätigt. Wajsto Kölsch schritt  langsam den Korridor entlang, am Eingang 

zur Klause des High Sideryt vorbei. Er erreichte einen Antigrav und ließ sich zwei Etagen hinuntertragen. Er stieg aus und machte sich auf den Weg. Von weitem schon hörte er Gesänge und  laute Rufe, dann  sah  er  die  Volksmenge, wie  sie  sich  träge  durch  einen  der Hauptkorridore schob. Die Männer und Frauen drängten vorwärts, aber  sie  waren  umsichtig  genug,  kein  Chaos  daraus  werden  zu lassen. Niemand hatte Interesse, daß jemand zu Schaden kam. Von weitem erkannte Wajsto Bora St. Felix. Sie hob sich als dunkle 

Gestalt  vor  den  rot  schimmernden  Buhrlos  ab.  Ein  paar  Schritte hinter  ihr kamen maßgebliche Vertreter der Unsymmetrischen. Sie wirkten in ihrer Weise heiterkeitserregend. Die  Unsymmetrischen  gingen  mit  einer  Körperseite  voran.  Sie 

hielten ein Auge geschlossen und sprachen mit schiefem Mund. Sie bewegten  nur  einen Arm  und  behaupteten,  daß  eine Hälfte  ihres Körpers abgestorben sei. Der Magnide verzog geringschätzig den Mund und konzentrierte 

sich auf die Buhriofrau. Als sie heran war, stellte er sich neben sie und ging mit ihr den Weg zurück, den er gekommen war. Viele der Solaner hatten ihn erkannt, es entstand Unruhe. »Unsere Geduld  ist am Ende«, eröffnete Bora St. Felix  ihm, ohne 

ihn zu begrüßen. Kölsch machte eine zustimmende Handbewegung. »Wir  haben  dafür  Verständnis.  Auch  der  High  Sideryt  ist  der 

Ansicht, daß etwas getan werden muß. Wichtige Dinge verhindern ihn im Augenblick allerdings. Er hat uns aber mitgeteilt, daß er der SZ‐2 folgen wird, sobald gewisse Schwierigkeiten bereinigt sind.« »Was  sind  das  für  Schwierigkeiten?«  erkundigte  Bora  sich. 

»Hängen  sie  noch  immer  mit  dieser  Alpha  zusammen,  die verschwunden sein soll? Wer ist diese Frau?« Kölsch schüttelte den Kopf. 

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»Nein«, sagte er zurückhaltend, »das ist es nicht, was ihn in Atem hält. Es muß etwas anderes sein.« Bora St. Felix kam nicht mehr dazu, weitere Fragen zu stellen. Überall  im Schiff erklang die Stimme des High Sideryt. Langsam 

und eindringlich sprach er zu allen Solanern. Und was er zu sagen hatte, hätte den Buhrlos die Haare zu Berge stehen lassen, wenn sie welche  gehabt  hätten.  So  aber  führte  es  lediglich  bei manchen  zu einer  unkontrollierten Reaktion  der  Papillos, was  zur  Folge  hatte, daß  sich  die  von  verstärkten Wülsten  der  Buhriohaut  umgebenen Körperöffnungen  schlossen  und  so  vorübergehend  eine Vakuumbereitschaft entstand. Über sechzigtausend Solaner lauschten Chart Deccon.   

*  Dem  High  Sideryt  brannte  die  Haut  unter  den  Nägeln.  In  die Ausweichzentrale  zurückgekehrt,  hatte  er  sich  sofort  in  alle verfügbaren Interkomkanäle eingeschaltet. Überall  im Schiff war er in  Wort  und  Bild  zu  empfangen.  Er  wußte,  daß  es  nicht  lange dauern konnte, bis  jener Order  sich einschaltete, der  sich  in  seiner Klause  aufhielt.  Er würde  die  Sendung  unterbrechen  lassen  oder den Versuch wagen, SENECA eine Anweisung zur Unterbrechung zu geben. Das war der Punkt, den Chart berücksichtigte. SENECA würde nach wie vor schweigen. »Hier  spricht Chart Deccon,  der High  Sideryt«,  begann  er  seine 

Ansprache.  »Ich habe  euch nach Alpha  suchen  lassen.  Inzwischen hat sich die Situation weiter zugespitzt. Zehn Doppelgänger von mir bewegen  sich  durch  die  SOL  und  stiften  Verwirrung.  Ihnen  gilt meine Durchsage.« Zum  ersten  Mal  erfuhren  die  Solaner  nun  den  ganzen 

Hintergrund der Affäre, die damit begonnen hatte, daß Deccon die angreifende  Station  zurückschlug  und  die  Zehnlinge  an  Bord 

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bringen ließ. Der High Sideryt klärte sie darüber auf, wie es zur Entstehung der 

zehn Ebenbilder gekommen war, und machte Andeutungen, wozu sie  dienen  sollten.  Geschickt  brachte  er  sie mit  der  angreifenden Station  und  dem  Gegner  zusammen,  der  irgendwo  in  Flatterfeld lauerte.  Er  vermied  es,  darauf  hinzuweisen,  daß  die  SZ‐2  sich  in jenem  Sektor  aufhielt,  in  dem  der  Gegner  daheim  war.  Es  hätte unter den Buhrlos und den Unsymmetrischen neue Unruhen und Aufstände ausgelöst. Deccon  beobachtete  zahlreiche  Bildschirme  und  versuchte,  die 

Reaktion  zu  erkennen.  Die  Solaner  lauschten  angestrengt  seinen Worten.  Sie  wären  gar  nicht  auf  den  Gedanken  gekommen, zwischen  den  Zeilen  zu  lesen.  Die  Fakten  waren  überwältigend genug für sie. Sie verstanden eines ganz deutlich, und Chart beeilte sich, es ihnen einzuprägen. »Die SOL, unsere Heimat, befindet sich in Gefahr, wenn wir nicht 

sofort reagieren. Befolgt meinen Rat!« Er überlegte hastig, ob er ihnen Vorschläge machen sollte, wie sie 

vorgehen mußten. Er entschied sich dagegen, obwohl er  in diesem Fall ein ungutes Gefühl im Magen hatte. Was  ist nur mit mir  los, dachte er. Früher hätte es mir überhaupt 

nichts  ausgemacht,  einen  Befehl  zu  erteilen.  Jetzt,  in  dieser wichtigen  Angelegenheit,  bringe  ich  es  nicht  einmal  fertig,  einen Vorschlag zu machen. Wieder wurde der High Sideryt daran erinnert, daß es Mächte aus 

dem  Hintergrund  waren,  die  die  Order  steuerten.  Waren  es dieselben Mächte, von denen Atlan gesprochen hatte oder handelte es sich um andere, fremde? Chart  sah  die  erwartungsvollen  und  fragenden  Gesichter  der 

Solaner auf den Bildschirmen. Sie erinnerten  ihn daran, daß er mit seinen Ausführungen noch nicht zu Ende war. »Es  gibt  eine Möglichkeit,  die  falschen Deccons  vom  echten  zu 

unterscheiden«,  teilte  er  ihnen  mit.  »Alle  tragen  das  seltsame 

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Kästchen an der Brust, aber nur eines  ist unzerstörbar. Sein Träger ist der echte High Sideryt.« Er machte eine kurze Atempause und  fuhr dann  fort: »Helft mir, 

die zehn Ebenbilder zu  fangen und unschädlich zu machen, bevor sie das Schiff ins Chaos gestürzt haben. Sucht sie überall und prüft, ob ihre Kästchen dem Beschuß eines Strahlers standhalten!« Er schaltete die Mikrofonübertragung ab, ließ die Bildschirme aber 

weiterhin eingeschaltet. Er blendete andere Bereiche des Schiffes ein und beobachtete. Chart entdeckte Wajsto Kölsch bei einer Meute von Buhrlos und 

Unsymmetrischen,  von  denen  er während  seines  Zusammenseins mit Alpha nebenbei gehört hatte. Der  High  Sideryt  beobachtete,  wie  die  Menge  sich  langsam 

auflöste.  Er  hörte,  daß  Kommandos  ertönten  und  die  Solaner  in ausgesprochene  Hektik  verfielen.  Vergessen  war  all  das,  was  sie soeben  noch  bewegt  hatte. Das  Schiff  befand  sich  in Gefahr,  alle würden versuchen, bei deren Abwendung zu helfen. »Tod  den  Duplikaten!«  hörte  Chart  jemanden  schreien,  und  er 

dachte mit Grauen  daran, was  bei  einer Verwechslung  geschehen konnte. Ich muß die Magniden anrufen und so tun, als sei ich mitten unter 

den  Solanern,  redete  er  sich  ein.  Ich  muß  ihnen  weitere Anweisungen geben. Er blendete die Hauptzentrale des Mittelteils  ein,  fand  aber Bild 

und  Ton  blockiert.  Da  wußte  er,  daß  ihm  einer  der  Order zuvorgekommen war. Chart Deccon  schaltete die Übertragungsanlagen ab. Er brauchte 

Zeit zum Nachdenken, und er mußte den Solanern Zeit zum Suchen lassen.  Solange  er  sich  in  der  Ausweichzentrale  aufhielt,  war  er sicher,  nicht  das Opfer  einer Verwechslung  zu werden.  Er würde immer wieder  beobachten  und  abwarten,  bis  alle  zehn Duplikate ergriffen worden waren. Dann würde er sich zeigen und an seinem Kästchen die Probe durchführen lassen. 

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Für  einen Augenblick  überkam  den High  Sideryt  so  etwas wie Siegesgewißheit. Er rechnete damit, daß es vielleicht eine Tag‐ und eine  Nachtperiode  dauern  würde,  bis  alle  Deccons  eingefangen waren. Länger würde es auf keinen Fall dauern. Hätte Chart Deccon in diesem Augenblick gewußt, daß alles ganz 

anders  kommen würde, daß  ihm  ein  ganz  anderer Weg  bestimmt war, das Problem der Doppelgänger zu lösen, er hätte mit Sicherheit resigniert. So aber schwelgte er  in Zuversicht, die übertrieben war, die auf Grund der seelischen Erschütterungen, die er  in der nahen Vergangenheit durchgemacht hatte, aber völlig verständlich war. Chart  Deccon  war  leichtsinnig.  Er  dachte  nicht  daran,  daß  die 

Order  ihn  suchten.  Er  rechnete  nicht  damit,  daß  sie  ihn  finden würden. Er vergaß  für kurze Zeit, daß  es  seine Ebenbilder waren, die in seinen Bahnen dachten und handelten. Zehn Deccons hielten nach einem Ausschau, und es war gar nicht 

schwer, seinen Aufenthaltsort zu finden.   

*  Das elektronische Schloß zischte, und es  sprühten Funken aus der Öffnung  für  den  Magnetschlüssel.  Dann  knirschte  es  in  der metallenen Türfüllung. Mit einem Ruck öffnete sich die Tür. »Wir sind  richtig«, grollte Chart Deccon zu seinem Begleiter. »Es 

ist  die  Spezialwerkstatt.  In  ihr  ist  alles  enthalten,  was  wir benötigen.« »Gut«, erwiderte der zweite Mann. Nebeneinander traten sie ein. Die Werkstatt wurde von mehreren 

Lichterketten  erhellt,  die  sich  an  der  Decke  und  den  Wänden hinzogen.  Sie  waren  auf  Sparstrom  geschaltet,  und  die  beiden Männer nahmen die Widerstände  im Stromkreis weg, nachdem sie die Tür zugeschoben hatten. Richtig  schließen  ließen  sie  sich nicht mehr, denn das Schloß war zerstört. 

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Das Licht wurde  intensiver und  leuchtete  jetzt den ganzen Raum aus.  Die  Spezialwerkstatt,  früher  hatte  sie  zur  Erledigung schwieriger  Kleinstreparaturen  gedient,  war  lange  nicht  mehr benutzt worden. Die Bänke und Terminals, die Tische und Regale waren gleichmäßig mit Staub bedeckt. Chart  Deccon  hustete,  und  eine Wolke  dieser  feinsten  Partikel 

erhob sich vor  ihm  in die Luft und verteilte sich gleichmäßig über ihn und seinen Begleiter herum. »Gut, daß unsere Erinnerung so perfekt ist«, meinte Deccon. »Wir 

sollten  das  Versteckspielen  aufgeben.  Niemand  kann  uns  hier belauschen.« »Ich bin einverstanden, denn  ich verfüge über dasselbe Wissen«, 

grollte sein Begleiter, der das genaue Abbild Deccons war. Die beiden Order sahen sich um. Sie waren  in die  Spezialwerkstatt  eingedrungen, weil  es  sich  als 

nötig  erwiesen  hatte,  daß  mindestens  ein  Teil  der  Order  jene Kleidung  tragen  sollte,  in  die  sich  der  echte Deccon  kleidete. Die Order  hatten  die  »Rüstung«  aus  kleinen,  blauen Metallschuppen gesehen.  Mit  Hilfe  ihres  besonders  ausgeprägten Erinnerungsvermögens war  es  leicht,  die  Kleidung  nachzubilden. Noch  etwas  anderes  gab  es, das  sie  zu  ihrem Vorgehen  veranlaßt hatte. Order‐7‐A  und  Order‐7‐B  hatten  den  Aufruf  Chart  Deccons 

verfolgt.  Sie  hatten  erkannt,  daß  es  sich  um  den  echten  Deccon handelte und wußten nun, daß es  in erster Linie auf das Kästchen ankam  und  nicht  auf  die  Rüstung.  Sie  hatten  die  Reaktion  der Solaner beobachtet und erkannt, daß diese sich unverzüglich auf die Suche  nach  den  Doppelgängern  machten.  Es  galt,  keine  Zeit  zu verlieren. »Hier sind die Folien mit den Beständen der Lagerregale«, machte 

Order‐7‐A seinen Bruder aufmerksam. »Aktiviere das Lesegerät am Computerterminal.  Wir  benötigen  einen  unzerstörbaren Kunststoff.« 

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Sie machten sich an die Arbeit. Über das Aussehen des Rohstoffs hatten  sie  eine  klare  Vorstellung, wie  sie  auch  über  das  gesamte Wissen Deccons verfügten, das zur Schiffsführung notwendig war. Über  einen  parapsychischen  Trick  hatten  sie  es  im  Lauf  ihres schnellen Heranwachsens erhalten. »Ich möchte wissen, was sich in dem Kästchen befindet«, brummte 

Order‐7‐B.  »Ohne  dieses  Wissen  sind  wir  gegenüber  dem  High Sideryt immer im Nachteil. Er kann sich damit identifizieren, wenn es sein muß.« »Wie viele Solaner wissen darum?« »Es wird  sich  nicht  feststellen  lassen. Außerdem wird  es  kaum 

möglich  sein,  den  Inhalt  und  die  Struktur  des  Kästchens  zu bestimmen.« »Ich  habe  etwas  gefunden!«  sagte  Order‐7‐B  in  diesem 

Augenblick. Er  deutete  auf  den  Bildschirm  des  Lesegeräts.  Es  war  ein 

Kunststoff, wie er im Triebwerksbau und auch zur Herstellung von Dämpfern  für  Handwaffen  verwendet  wurde.  Er  war  praktisch hitzeunempfindlich und gegen jede Art von Zerstörung gefeit. Order‐7‐A trat hinzu und musterte die Angaben der Folie. »Ein hochwertiges Plastikgranulat. Es wird  in eine Form gegeben 

und unter Zusetzung eines Katalysators zu der gewünschten Masse geformt. Nach Entfernung aus der Form verfestigt es sich innerhalb einer  Viertelstunde  zu  einer  widerstandsfähigen  Substanz.  Es  ist das, was wir brauchen.« »Dann  laß  uns  die  Form  für  das  Kästchen  anfertigen«,  sagte 

Order‐7‐B mit Grabesstimme. »Der Computer wird uns helfen, die Umrisse und Ornamente des Kästchens genau herauszuarbeiten.« Sie machten sich an die Arbeit und besorgten das Material für die 

Form,  die  sie  nach  den  Angaben  des  Computers  bauten.  Eine Abtastung  mit  dem  Mikrometer  ergab,  daß  sie  den  beiden Vorstellungen der beiden Order entsprach. Dann  füllten sie sie mit dem  Granulat  und  gaben  die  Reaktionsmasse  dazu,  unter  deren 

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Einwirkung  sich  das  Granulat  zuerst  verflüssigte  und  dann erhärtete.  Nach  einer  halben  Stunde  waren  alle  Arbeiten abgeschlossen. Sie nahmen die Form auseinander und warfen sie in den Abfallvernichter. Order‐7‐A  nahm  das  fertige Kästchen  in  die Hand  und wog  es 

prüfend. »Es  ist  schwerer als unsere zerstörbaren  Imitationen, die wir aus 

der Not heraus gemacht haben«, stellte er fest. »Es ist dem richtigen Kästchen ähnlicher. Wer von uns beiden soll es erhalten?« »Es spielt keine Rolle«, erwiderte Order‐7‐B. Nachdem  sie alle Spuren  ihrer Arbeit beseitigt hatten, entfernten 

sie  sich  voneinander.  Order‐7‐A  schritt  zur  Tür  und  stellte  sich daneben an der Wand auf. Order‐7‐B entfernte sich entgegengesetzt bis zur hinteren Wand der Werkstatt. Die beiden Order verharrten und fixierten sich mit den Augen. »Wir werden  losen«, stellten sie nüchtern und ohne Zeichen von 

Erregung fest. Order‐7‐A hob die massigen Arme und hielt  sie über dem Kopf 

empor.  Er  verschränkte  die  Hände  ineinander  und  begann,  die Arme rechts herum kreisen zu  lassen. 7‐B  tat es  ihm nach. Aber er bewegte sich  in entgegengesetzter Richtung. Sie  ließen die Arme  in synchronen Rhythmus  pendeln,  und  die Anstrengung  trieb  ihnen den Schweiß auf die Glatzen. Plötzlich hielten sie  inne. Sie senkten die Arme und streckten sie 

mit  noch  immer  gefalteten  Händen  von  sich  weg,  dem  anderen entgegen. Die beiden Order machten einen Sprung nach vorn, dann noch einen. Zweimal drehten sie sich um sich selbst, dann rannten sie, so schnell sie konnten, dem Mittelpunkt der Werkstatt zu.  Ihre Augen richteten sich auf einen imaginären Punkt. In der Mitte stießen sie zusammen. Sie taumelten, aber Order‐7‐B 

hatte  seinen  rechten  Fuß  ein  paar  Zehntelsekunden  früher  in  die Mitte  gebracht  als  sein  Spiegelbild.  Gleichzeitig  traten  sie  einen Schritt zurück und verneigten sich leicht. 

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»Du  hast  gesiegt«,  stellte  Order‐7‐A  fest.  »Das  Kästchen  gehört dir!« Order‐7‐B nickte zustimmend. Er nahm sein eigenes, zerstörbares 

ab  und  trat  zu  dem  Tisch,  auf  dem  das  neue,  unzerstörbare  lag. Rasch  tauschte er die goldene Kette aus, hängte sich das neue um. Order‐7‐A  nahm  das  überzählige  Kästchen  und  warf  es  in  den Abfallverwerter. »Damit  haben  wir  den  entscheidenden  Schritt  getan«,  sagte  er. 

»Nun wollen wir die Kleidung anfertigen.« Mit den Mitteln der Werkstatt war es  ihnen ein  leichtes, auch die 

blaue Plättchenkleidung des High  Sideryt  so  zu  imitieren, daß  sie nicht von der echten unterschieden werden konnte. Sie vertauschten ihre grünen Kombinationen damit und waren nun von dem echten Deccon  nicht  mehr  zu  unterscheiden.  Nur  die  Stabilität  ihrer Kästchen war eine unterschiedliche. »Wir brechen auf«, entschied Order‐7‐B, nachdem sie die grünen 

Kombinationen hatten verschwinden lassen. »Du wirst dich unter die Solaner mischen und darauf warten, daß 

sie dich auf die Widerstandsfähigkeit des Kästchens prüfen«, sagte Order‐7‐A. »Ich dagegen werde meiner Aufgabe nachkommen.« »Sie  ergibt  sich  aus  dem  Vorgefallenen  von  selbst«,  antwortete 

Order‐7‐B. »Du bist von jetzt an nicht mehr Order‐7‐A, sondern nur noch Order‐7.« »Ja. Und es ist meine Aufgabe, Chart Deccon zu finden und dafür 

zu  sorgen,  daß  er  sein  Kästchen  verliert.  Es  dürfen  keine  zwei unzerstörbaren Kästchen an Bord des Schiffes sein.« Sie löschten das Licht vollständig und gingen hinaus. Alle Spuren 

waren  verwischt,  und wer das  zerstörte  Schloß  entdecken würde, konnte nicht wissen, was sich in der Spezialwerkstatt ereignet hatte. »In  diesem Raum  hat  sich  das  Schicksal  der  SOL  erfüllt«,  sagte 

Order‐7 zu seinem Abbild, das das unzerstörbare Kästchen trug.   

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*  Joh  Wakelin  schloß  den  Deckel  der  Selbstbedienungsanlage  der Küche und lauschte in sich hinein. Dann schüttelte er den Kopf. »Ronallde!« rief er laut. »Komm sofort zu mir!« Irgendwo  knarrte  ein  ausgeleierter,  notdürftig  geflickter  Sessel. 

Schwere Schritte dröhnten durch die Wohnung, dann trat Ronallde in die Küche. »Was  gibt  es,  Joh?«  säuselte  die  Frau,  die  ihren Mann  um  zwei 

Kopfeslängen  überragte  und  vom  Körpergewicht  her  um  das Doppelte übertraf. Ärgerlich musterte sie die Küchenanlage und die Abdrücke  von  Johs  schmutzigen  Händen,  die  überall zurückgeblieben waren. »Ich  möchte  wissen,  was  du  mit  dem  Programmierer  gemacht 

hast«, brummte Wakelin und warf einen Schraubenzieher und einen Schlüssel  weg.  »Er  stellt  sich  tot,  obwohl  er  ordnungsgemäß angeschlossen ist. An einem Stromausfall kann es nicht liegen.« Ronallde Wakelin zuckte mit den breiten Schultern. »Ich habe dir gleich gesagt, daß einer von der SOLAG her muß«, 

erklärte sie. »Aber du glaubst mir ja nie. Immer willst du alles selbst erledigen.  Wer  weiß,  was  du  angerichtet  hast.  Vielleicht  ist  die Anlage nun ganz im Eimer.« Joh richtete seine Augen zornig auf die Frau. Sein Kahlkopf ruckte 

hin und her, er schluckte vernehmlich. »Es  ist  immer dasselbe. Aber bitte, wenn du wülst, dann besorge 

dir einen Ferraten oder  jemanden, der deiner Meinung nach mehr davon versteht«, brummte er gekränkt. Er  zwängte  sich  an  seiner  Frau  vorbei  und  suchte  die 

Hygieneeinrichtung  auf,  um  sich  die Hände  und Unterarme  vom Schmutz  zu  reinigen.  Anschließend  griff  er  sich  seine Kombinationsjacke, zog sie an und verließ die Wohnung. »He,  wo  gehst  du  denn  hin?«  rief  Ronallde  hinter  ihm  nach. 

»Willst  du wieder  nach Deccons  suchen? Alles  Einbildung, weißt 

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du. He!« Aber  da war  Joh  schon  längst  draußen  und  eilte  den  Korridor 

entlang, der  ihn  in die belebteren Bereiche der Wohnetage brachte. Er wußte, wo er sich hinwenden konnte. Wakelin war ein waschechter Solaner. Er besaß keinen Beruf, hatte 

mit seiner Familie immer nur vor sich hingelebt. Sie hatten schwere Zeiten durchgemacht,  in denen sie manchmal nicht gewußt hatten, was  sie  essen  sollten.  Einmal  war  ihre  Verteilerstation  für Nahrungsmittel  eine  ganze  Woche  geschlossen  gewesen,  eines Überfalls wegen.  Damals  hatten  sie  buchstäblich  am Hungertuch genagt. Inzwischen war das anders. Die Robotfabriken arbeiteten, und es 

hieß, daß sie  lediglich vernachlässigt worden waren  in all der Zeit. Die  SOL‐Farmen  erlebten  einen  neuen  Aufschwung,  und  die automatischen Küchenanlagen,  die  in  einem  Teil  der Wohnungen und Kabinen des  riesigen Schiffes eingebaut waren, konnten  ihren Betrieb  wieder  aufnehmen.  Aber  –  Wakelin  fluchte  bei  dem Gedanken  innerlich  –  es  funktionierte  nicht.  Seine  Küchenanlage streikte,  und  Ronallde  machte  seit  Wochen  ein  unzufriedenes Gesicht. »Bestimmt  liegt  es  daran,  daß  sie  zu  lange  außer  Betrieb war«, 

redete  der  Solaner  sich  ein.  »Alle  mechanischen  Teile  sind eingerostet, die elektronischen Teile verharzt oder verpecht, nichts läuft mehr. Mal sehen, was Teddy dazu sagt.« Joh Wakelin  erreichte  einen  sogenannten  Bahnhof.  Es war  eine 

ovale  Verbreiterung  des  Korridors,  in  die  sechs  andere  Gänge mündeten.  Der  Bahnhof  war  nur  zwanzig Meter  lang  und  zehn Meter breit, aber es reichte, um den neuen Aufschwung in der SOL auch an dieser Stelle sichtbar zu machen. Aus alten Tischen, Plastikkisten und Abfallmetall aus den Lagern 

der  Ferraten  hatte  Teddy  sich  einen  kleinen  Stand zusammengezimmert.  Er  besaß  annähernd  geschlossene Seitenwände  und  ein  Dach  mit  einem  Vorsprung.  Darunter 

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befanden  sich  die  Tische,  auf  denen  der  Extra  seine  Waren ausgebreitet hatte. Von weitem sah er Wakelin kommen. »Hallo Joh!« rief er mit schmatzender Stimme. Joh Wakelin  trat  heran  und  musterte  die  Auslagen.  Sie  waren 

zahlreicher geworden, der Extra hatte sein Angebot vergrößert. Joh sah  Spielzeug,  Gebrauchsgegenstände,  Ersatzteile  für Wohnungseinrichtungen,  aber  auch  Nahrungsmittel.  Wakelins Augen  wurden  besonders  von  einer  bohnenähnlichen  Frucht angezogen, die klein und runzlig auf einem Papier ausgebreitet war. »Was ist das denn?« flüsterte er. Teddy  kam  hinter  seinem  Verkaufsstand  hervor  und  klopfte 

Wakelin mit einer Pranke freundschaftlich auf die Schulter. »Lange nicht gesehen«, gurgelte der Extra. Er war einen Meter und 

siebzig groß, nur zwei Zentimeter fehlten ihm zu Johs Größe. Dafür besaß  er  ungefähr  den  dreifachen  Körperumfang  des  Solaners. Teddys Haut war glatt und rosig und völlig haarlos. Nur mitten auf seinem Kopf  thronte  ein  Büschel  grüner Gräser,  von  denen  jedes einzelne  einen  anderen  Farbton  aufwies.  Der  kugelrunde  Kopf wurde  eingerahmt  von  zwei  tellerförmigen  Ohren,  und  die  weit auseinanderstehenden, kugeligen Augen blickten  treuherzig drein. Teddy schneuzte sich sein Stupsnäschen und lachte dann, wie er es von den Solanern her kannte. Dabei öffnete er seinen bis fast zu den Ohren  reichenden  Mund  und  entblößte  zwei  Reihen  gefährlich scharfer Zähne. Er kicherte. »Du  staunst,  ja?«  sagte er, und  seine Stimme klang  jetzt  so  rauh 

wie die eines Motors ohne Öl. Joh Wakelins rechte Hand glitt nach vorn. »Ich darf mal«,  sagte er und hielt bereits eine der Früchte  in der 

Hand. »Klaster«, heulte Teddy los und klatschte begeistert in die Hände. 

»Ein ganzer Haufen Klaster.« »Was ist Klaster?« wunderte Joh sich. »Kann man das essen?« »Es  schmeckt  sehr  gut. Man muß  es  nur  in  eine wohlriechende 

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Soße tauchen und dann trocknen.« »Ich weiß noch immer nicht, was es ist«, gestand Wakelin. Teddy 

nahm ihm die Dörrfrucht aus der Hand. »Es  wird  in  einer  der  Robotfabriken  hergestellt  und  soll  für 

Notzeiten  eingelagert  werden.  Klaster  ist  praktisch  unbegrenzt haltbar«,  erklärte  der  Extra.  »Es  wird  aus  Algen  hergestellt  und luftgetrocknet. Ich habe die Lieferung von einem Ferraten erhalten. Es kommt noch mehr.« »Wieso bringt der Ferrate das Zeug zu dir, wo es doch eingelagert 

werden soll?« »Die Schiffsführung hat sich bis jetzt noch nicht dazu entschließen 

können,  Lagerräume  herzurichten.  Solange  das  nicht  geschieht, wird  Klaster  an  die  Solaner  verteilt,  die  sich  dafür  interessieren. Hast du die Durchsage des High Sideryt gehört?« Joh Wakelin nickte nachdenklich. »Ja«, sagte er, »ich habe sie gehört. Es gefällt mir nicht, was er uns 

mitgeteilt hat. Warum erfahren wir  erst  jetzt davon? Wer  sind die Doppelgänger und was wollen sie von uns?« »Sie streben nach der Schiffsführung, und das ist nicht gut«, rollte 

Teddy  und  richtete  sich  vor  Joh  auf.  »Wir  müssen  alle  zehn Ebenbilder fangen und unschädlich machen.« Und in der Stimmlage Deccons fuhr er grollend fort: »Jemand greift nach der Herrschaft in der  SOL.  Es  ist  eine  fremde,  unheimliche  Macht.  Alle  Solaner müssen dabei helfen,  ein Unglück  zu verhindern. Es geht um das Überleben des Schiffes!« »Woher  weißt  du  das  alles?«  rief Wakelin  aus.  Er  kannte  das 

Talent des Extras,  jede beliebige Stimme zu  imitieren.  Jetzt war sie wirklich nicht von der Deccons zu unterscheiden gewesen. »Ich  habe  es  aus  dem  herausgelesen,  was  der  High  Sideryt 

verkündet hat«, sagte Teddy bereitwillig. »Es  ist seine Rede, nur  in anderen Worten.« Er nahm eine der getrockneten Früchte auf und schob sie in den Mund. Genüßlich kaute er darauf herum. Er blickte an Wakelin  vorbei,  und  seine  Augen  begannen  vor  Erregung  zu 

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leuchten. »Da kommt er ja!« rief der Extra aus. Joh Wakelin fuhr herum. Der Mann, der mit gewichtigen Schritten den Bahnhof betrat und 

auf  den  Stand  des  Extras  zuschritt, war  Chart Deccon,  der High Sideryt. Die mächtige Gestalt  des wichtigsten Mannes  in  der  SOI wirkte auf den Solaner wie eine Erscheinung aus höheren Sphären. Ehrfurchtsvoll  wollte  er  zurückweichen,  aber  er  stieß  an  Teddys Tisch und kam nicht weiter. Aus großen Augen verfolgte er, wie der High Sideryt ihn erreichte. Deccons Brauen zuckten, die tiefliegenden Augen waren kaum zu 

sehen. »Du  bist  tatsächlich  der  High  Sideryt?«  fragte  Teddy  zu  Johs 

Überraschung. »Keine Kopie?« »Nein, ich bin es selbst«, sagte Deccon und strich sich den Brustteil 

seiner Kombination  glatt.  »Ich  habe mich  nach meiner Durchsage aufgemacht,  um  die  Solaner  bei  der  Suche  nach  den  Kopien  zu unterstützen.« »Wir  können  dir  nicht  helfen,  wir  haben  keine  Beobachtungen 

gemacht«, sagte Wakelin unterdrückt. Aus lauter Ehrfurcht wäre er am  liebsten  in den Boden  versunken. Das war der Mann, der die Station besiegt hatte, die das Schiff mit Asteroiden beschossen hatte. Teddy runzelte die glatte Stirn. »Wo hast du denn dein Kästchen, High Sideryt?« fragte der Extra 

mit merkwürdig hohler Stimme. Deccon zog die Augenbrauen hoch. »Ich habe es  selbstverständlich  in meiner Klause zurückgelassen. 

Die  Gefahr  ist  zu  groß,  daß  einer  meiner  Doppelgänger  es  mir abnehmen könnte.« »Meinst  du?«  Teddys  Stimme  war  zu  einem  Flüstern 

herabgesunken. »Und wenn du lügst?« »Hör mal!«  fuhr Wakelin  auf  und  starrte  den  Extra  erzürnt  an. 

»Du kannst doch nicht den High Sideryt verdächtigen, daß er  lügt. Der Bruder ohne Wertigkeit lügt nie!« 

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»Sehr richtig«, sagte Deccon grollend. »Es gibt mich nur einmal.« »Nein, elf mal!« rief Teddy erbost und griff nach einem Ding, das 

wie ein knorriger Knüppel aussah. Aber der Extra  legte es wieder weg. »Joh, du mußt mir  jetzt helfen!«  forderte Teddy den Solaner auf. 

»Du  erinnerst  dich  an  den  Aufruf  Deccons?  Wir  müssen  alle festnehmen,  die  so  aussehen  wie  er,  vor  allem,  wenn  sie  keine Kästchen tragen.« Und zu dem angeblichen High Sideryt gewandt, fuhr er fort: »Ich 

kann  dich  nicht  gehen  lassen,  du wirst  es  verstehen. Wir müssen dich  den Magniden  übergeben,  damit  sie  deine  Echtheit  prüfen. Wenn  du  wirklich  Deccon  bist,  hast  du  ein  unzerstörbares Kästchen!« Chart  Deccon  wandte  sich  ab.  Eilig  schritt  er  auf  einen  der 

Korridore  zu,  doch  Teddy  kam  ihm  zuvor.  Mit  katzenhafter Geschwindigkeit griff der Extra hinter  einen der Tische und holte eine  kleine  Schachtel  hervor,  an  deren  einem  Ende  er  auf  eine Erhebung drückte. Ein dünnes Drahtseil schoß auf den High Sideryt und wickelte sich mehrmals um seinen Körper. Deccon konnte sich nicht mehr fortbewegen und fluchte lautstark. »Nein«, würgte Wakelin hervor. Teddy trat zu dem High Sideryt und maß ihn mit kalten Augen. »Ich werde jetzt ein paar Solaner rufen, die dich zur Hauptzentrale 

transportieren«,  eröffnete  er  seinem  Gefangenen.  Und  zu  Joh Wakelin sagteer: »Geh  du  und  benachrichtige  deine  Bekannten  und  Freunde.  Ich 

bleibe hier und bewache ihn.«   

*  »Bruder, wohin gehst du?« Hart erklang die Frage aus dem Halbdunkel der Reparaturnische, 

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und Vinderman blieb abwartend stehen. »Wer  spricht da?«  erkundigte  sich der Ferrate und  stellte  seinen 

Werkzeugkasten ab, mit dem er auf dem Weg zu einer Schadstelle war. »Es ist unwichtig, wie ich heiße«, erklang wieder die Frage. »Aber 

sage mir eines: Hast du in den vergangenen Stunden zufällig Chart Deccon gesehen?« Vinderman verneinte. »Ich bin  ihm seit Tagen nicht begegnet, und  ich weiß nicht, ob es 

der echte war, den ich gesehen habe.« »Ich  habe  einen  Auftrag  für  dich«,  sagte  die  Stimme  des 

Unbekannten.  »Wenn  du  einem  dieser  Doppelgänger  begegnest, dann  komme  hierher  und melde  es mir,  damit  ich mich  danach richten kann.« »Wer bist du, daß du einem Ferraten einen Auftrag gibst?« fragte 

Vinderman vorsichtig. In der Nische  entstand  ein Rascheln. Das  Stück  eines Gewandes 

kam zum Vorschein, aber es genügte. Vinderman sah das Hellblau und  das  bronzefarbene  Atomsymbol.  Der  Unbekannte  war  ein Ahlnate. Der Ferrate unterdrückte die Frage, warum sein Vorgesetzter sich 

des  Versteckspiels  befleißigte.  Er  hob  seinen Werkzeugkasten  auf und sagte: »Du  kannst  dich  auf mich  verlassen.  Ich  werde  dir  umgehend 

Bescheid geben.« Aus der Nische kam keine Antwort mehr. Vinderman setzte sich 

in Bewegung und suchte jenen Teil des Schiffes auf, in dem sein Ziel lag.  Es war  eine  kleine Kontrollzentrale  vier  Etagen  unter  seinem jetzigen  Standort.  Dort  war  ein  Schaden  im  Belüftungssystem entstanden,  das  wie  die Wasserversorgung,  Abwasserentsorgung und die damit zusammenhängenden Systeme der Vakuumwarnung und  Stromversorgung  von  der  kleinen  Kontrollzentrale  aus gesteuert  wurde.  Gleichzeitig  besaßen  die  Kontrollsysteme  eine 

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Diagnoseeinheit,  mit  deren  Hilfe  der  Schaden  schnell  lokalisiert werden konnte. Während  Vinderman  sich  vom  Antigrav  hinabtragen  ließ, 

überlegte  er,  warum  der  Ahlnate  sich  nicht  gezeigt  hatte.  Was steckte hinter der Geheimnistuerei? Der Ferrate entschied sich dafür, nicht darüber zu grübeln, es ging 

ihn nichts an. Wenn er einen der Deccons ausfindig machte, würde er es melden. Es  geht  in  letzter  Zeit  vieles  vor,  was  unglaublich  ist,  dachte 

Vinderman  bei  sich.  Ist  ein  Problem  beseitigt,  taucht  ein  neues, größeres auf. Und laut sagte er: »Seit die SZ‐2 abgekoppelt hat, ist hier der Teufel los.« Er  verließ  den  Antigravschacht  und  orientierte  sich  an  den 

Leuchtmarkierungen,  die  im  Unterschied  zu  früher  in  Betrieb waren.  Ohne  Schwierigkeiten  fand  er  den  Eingang  in  die  kleine Zentrale  und  ging  zielstrebig  auf  die  Kontrolltafeln  zu,  um  die Fehlerquelle zu suchen. Er sah sich um. Außer  ihm  hielt  sich  niemand  in  dem  Raum  auf. Alles machte 

einen unberührten Eindruck. Nur das rote Blinklicht deutete darauf hin, daß eines der Systeme einen Schaden hatte. Vinderman stellte den Werkzeugkasten mit dem Spezialwerkzeug 

in  einen  Sessel und machte  sich  an die Arbeit. Erstaunlicherweise fand  er  den  Fehler  bald.  Er  befand  sich  noch  im  Bereich  der Kontrollzentrale. Vinderman mußte nur ein im Boden eingelassenes Reparaturluk  öffnen  und  sich  in  das  Gewirr  unterirdischer Versorgungsleitungen hinablassen. Er tat es. Der  Einstieg  war  in  der  rechten  hinteren  Ecke  neben  den 

Kontrollaggregaten.  Das  Luk  war  nicht  versiegelt,  nicht  einmal verriegelt. Er packte es am ausziehbaren Griff und zog es empor. Muffiger  Geruch  drang  ihm  entgegen  und  erinnerte  ihn  daran, 

daß die meisten Schächte und Kanäle dieser Art dringend gereinigt und  erneuert  werden  mußten.  Er  stieg  hinein,  ertastete  mit  den Füßen die Sprossen der kurzen Leiter. Er zog seinen Kasten an sich 

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und schob sich langsam abwärts. Als er mit den Händen weit genug nach  unten  fassen  konnte,  aktivierte  er  die  Notbeleuchtung  und stieg auf den Boden des engen Schachtes hinab. Vinderman sah sich um. Vor  ihm war die Richtung,  in der er zu gehen hatte. Hinter  ihm 

aber  hörte  er  das  Keuchen  eines  Menschen.  Jemand  kam  den Reparaturschacht  entlang,  vermutlich  aus  demselben  Grund, weshalb Vinderman ihn aufgesucht hatte. Wie viele Ferraten waren mit der Behebung des Schadens beauftragt worden? Der Ferrate merkte erst, daß etwas nicht  stimmte, als der andere 

heran war und seine Augen auf ihm ruhen ließ. »Deccon!« stieß er hervor. »Was tust du hier?« »Ich  bin  auf  der  Flucht!«  ächzte  der  High  Sideryt.  »Ich  habe 

meinen Verfolger abgehängt!« Vinderman  sah,  daß  die  grüne Kombination Deccons  schmutzig 

war, er mußte eine  längere Strecke  im Schacht zurückgelegt haben. Das  Kästchen  baumelte  vor  seiner  Brust  und  wogte  mit  den Atemzügen  des  Riesen  auf  und  ab.  Vinderman  sammelte  seine Gedanken. »Vor wem fliehst du, High Sideryt?« fragte er zögernd. »Hast  du meine  Durchsage  nicht  gehört?  Die  Ebenbilder  jagen 

mich. Ich muß mich verstecken!« Vinderman überlegte, dann leuchteten seine Augen auf. »Du weißt, daß du dich  auf die  SOLAG  verlassen  kannst, High 

Sideryt«, sagte er. »Ich werde dir in  jeder Beziehung behilflich sein, aber ich muß mich vorher vergewissern.« »Worüber?« keuchte Deccon und wischte sich kleine Tropfen von 

der Stirn. »Über die Echtheit deines Kästchens!« »Du phantasierst!« entgegnete der High Sideryt hart. »Ich bin der 

echte Deccon und im Besitz des echten Kästchens!« »Gib es mir, damit ich es untersuchen kann!« Bereitwillig  zog Deccon  das  Kästchen  vom Hals  und  reichte  es 

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dem Ferraten. Zusammen stiegen sie in die Kontrollzentrale empor. Dort  legte  Vinderman  das  Kästchen  zu  Boden.  Er  zog  seinen Strahler und justierte ihn. Er schoß. Der fein gebündelte Strahl umhüllte das Kästchen und löste es auf. 

Nichts  blieb  davon  übrig,  und  die  gefährliche Waffe  des  Ferraten zeigte plötzlich auf Deccons Bauch. »Du  bist  einer  der Doppelgänger!«  stellte  Vinderman  eisig  fest, 

doch Deccon lachte schallend. »Du  begreifst  wirklich  nicht!«  rief  der  High  Sideryt  aus.  »Was 

glaubst du, würde geschehen, wenn ich das echte Kästchen bei mir trüge?« Der Ferrate überlegte. »Ich glaube, ich verstehe dich«, sagte er dann. »Sie würden es dir 

abnehmen. Aber warum trägst du dann ein falsches?« »Gerade  deshalb.  Die  Doppelgänger  sollen  mich  für  einen  der 

Ihrigen  halten.  So  kann  ich  ungestört meine  Anhänger  um mich versammeln.« Vinderman  senkte  langsam  die Waffe.  Er  wußte  nicht,  was  er 

glauben sollte und was nicht. »Ja,  du  hast  sicher  recht«,  entgegnete  er,  aber  es  klang  wenig 

überzeugend. »Gut, dann kann  ich  ja gehen«, sagte der High Sideryt. »Ich muß 

mir schnell eine weitere Imitation des Kästchens besorgen.« Er schritt zum Ausgang. In  Vinderman  jagten  sich  die  Gedanken.  Anhänger  um  sich 

sammeln,  von  den  Doppelgängern  für  einen  der  Ihren  gehalten werden,  aber  trotzdem  auf  der  Flucht  vor  ihnen  in  einem Reparaturstollen. Ein Widerspruch! Vinderman fingerte an seiner Waffe. »Halt!« sagte er. Deccon stand unter der Tür und wandte ein wenig den Kopf. »Zu spät!« lächelte der High Sideryt, aber da hatte der Ferrate die 

Waffe  schon  ausgelöst.  Von  einem  wohldosierten  Lähmstrahl 

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getroffen brach Deccon unter der Tür zusammen. Vinderman drehte sich um und aktivierte den  Interkom. Er alarmierte weitere Brüder und Schwestern der sechsten Wertigkeit. Er trug ihnen auf, Deccon in  den Mittelteil  zu  den Magniden  zu  bringen.  Sollten  sie  selbst entscheiden, ob es der richtige war. Dann  machte  der  Ferrate  sich  auf.  Er  vergaß  nicht  sein 

Versprechen und suchte die Nische auf, wo er berichtete, was sich ereignet hatte. Er erhielt lange keine Antwort. Endlich aber sagte der sich versteckende Ahlnate: »Es ist gut, du kannst gehen!« Vinderman entfernte sich und rätselte, was das zu bedeuten hatte. 

Er  wollte  nochmals  zurückkehren  und  die  Nische  beobachten, unterließ es jedoch. So versäumte er den Abgang des Unbekannten, der  das  Gewand  eines  Ahlnaten  achtlos  fallen  ließ,  sich  aus  der Nische zwängte und eilig davonschritt. Es war Chart Deccon. Einer von zehn falschen. Oder der echte? Wer konnte es schon sagen. Das Chaos warf seine Schatten voraus.   

*  Arjana Joester strich sich mit zwei Fingerspitzen über ihr hübsches, leicht asiatisch geschnittenes Gesicht. Sie trat zu Wajsto Kölsch und lächelte  ihn  an. Die  intimen Beziehungen dieser beiden Magniden waren ein offenes Geheimnis. »Ich  habe  eine  Idee«,  flüsterte  sie  und  sah  Kölsch  fest  in  die 

Augen. Das vorspringende Kinn im Gesicht des Magniden bewegte sich  hin  und  her.  Auch  die  übrigen Magniden  traten  herzu  und warteten gespannt darauf, was kommen würde. »Wenn wir  einfach  in  die  Klause  gehen  und  Deccon  zu  einem 

Beweis  zwingen,  können  wir  ihn  ohne  weiteres  loswerden  oder festnehmen«,  sagte  Arjana,  nachdem  Nurmer  ihr  beruhigt zugewinkt  hatte.  Die  Hauptzentrale  stand  im  Augenblick  nicht 

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unter Überwachung von der Klause des High Sideryt aus. »Du glaubst, er läßt uns an sich heran?« fragte Curie van Herling 

zweifelnd. »Er wäre dumm, wenn er es täte.« »Ihr seid viel zu schüchtern«, zischte Gallatan Herts hinter Curies 

Rücken. »Wenn er der echte Deccon  ist, wird er nicht zögern, den Beweis anzutreten.« »Aber wir wissen  doch,  daß  es  ein Doppelgänger  ist!«  ereiferte 

Lyta Kunduran sich. »Was soll das Theater?« »Deccon weiß  nicht, daß wir  es wissen«,  antwortete Arjana.  »Er 

muß glauben, daß wir ganz einfach eine Sicherheit haben wollen. Er kann  sie uns nicht  verweigern. Er muß uns  gegenüber weiter der echte High Sideryt sein. Er muß uns so lange wie möglich hinhalten. Sind wir erst von seiner Unechtheit überzeugt, hat er es schwer  in seiner Klause.« »Du willst also, daß wir zu ihm gehen«, stellte Wajsto Kölsch fest. 

»Wann?« Arjana blickte sich um. »Wir sind vollzählig«, sagte sie. »Am besten gleich.« »Und wer übernimmt die Herstellung des Kontakts?« »Ich!«  Lyta  Kunduran  sagte  es.  Die  Magniden  nickten 

zustimmend.  Bit  trat  zur  Funkzentrale  und  rief  Chart  Deccon. Augenblicklich  erschien das massige Gesicht des High Sideryt auf dem Bildschirm. »Was gibt es?« fragte er mürrisch. »Wir  müssen  dich  sprechen,  Chart«,  sagte  Lyta  mit  weicher 

Stimme. »Es ist sehr wichtig. Wir haben schwere Sorgen!« »Ich weiß, was euch bedrückt«, entgegnete der High Sideryt. »Es 

hängt  mit  meinen  Doppelgängern  zusammen.  Wann  wollt  ihr kommen?« »Du kannst auch herüber in die Zentrale kommen«, schlug Bit vor, 

aber Deccon schüttelte den Kopf. »Nicht nötig«, sagte er. »Ich erwarte euch.« Die  Übertragung  erlosch,  und  die  Magniden  sahen  sich 

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bedeutungsvoll an. Bit winkte herausfordernd. »Gehen wir«, sagte sie ein wenig erleichtert. »Wir werden ja sehen, 

was uns erwartet.« Gemeinsam verließen sie die Zentrale durch das Hauptschott und 

gingen  hinüber  zum  Eingang  der Klause. Wajsto Kölsch  betätigte den Öffnungsmechanismus, dann traten sie ein. Chart Deccon  empfing  sie  auf  seinem Thron  sitzend. Er  lächelte 

erheitert, als er die Prozession der Magniden sah. Dann aber wurde er übergangslos ernst. »Es ist nicht nötig, daß ihr große Worte macht«, erklärte er ihnen. 

»Ich weiß, was  ihr wollt. Aber  sprecht  euch  ruhig  aus.  Ich werde euch nach besten Kräften unterstützen!« »Es  sind  zehn  Doppelgänger  von  dir  in  der  SOL  unterwegs, 

Chart«, ergriff Arjana Joester das Wort. »Ich weiß«, erwiderte Deccon knapp. »Diese Doppelgänger sehen aus wie du, sie sind in nichts von dir 

zu  unterscheiden.  Wir  könnten  nicht  einmal  mit  Bestimmtheit sagen, ob du der echte High Sideryt oder ein falscher bist.« Hage Nockemann hatte den Beweis geführt, daß der Deccon in der 

Klause ein Doppelgänger war. Die Kratzspuren an seinem Schädel hatten  es  deutlich  gezeigt.  Inzwischen  waren  die  Spuren  jedoch verheilt, oder bei diesem Deccon überhaupt nie dagewesen, denn sie waren nicht  zu  erkennen. Dennoch war  sich Arjana  sicher,  es mit einem Doppelgänger zu tun zu haben. »Es gibt nur eine Möglichkeit, es zu beweisen!« Sie deutete auf das 

Kästchen,  das  an  der  Brust  des  High  Sideryt  hing.  »Ist  es  das unzerstörbare?« »Eine  Antwort  erübrigt  sich  eigentlich«,  sagte  Deccon  betont 

deutlich.  »Natürlich  ist  es  das  echte  Kästchen, wie  ich  der  echte Deccon bin.« Arjana  überlegte  kurz.  Sie  beschloß,  ihren  wichtigsten  Trumpf 

auszuspielen. »Nockemann  hat  in  dir  einen  falschen  erkannt«,  sagte  sie.  »Er 

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konnte  es  uns  beweisen.  Wir  müssen  davon  ausgehen,  daß  du immer  noch  der  bist,  den Nockemann  angetroffen  hat,  als  er mit Nurmer und Ursula bei dir war.« Deccon beugte sich  in seinem Sessel vor und atmete  laut ein. Der 

Reihe  nach  sah  er  sie  an,  und  sie  schienen  unter  seinen  Blicken kleiner zu werden. Herts räusperte sich, es wurde ihm ungemütlich. »Ich weiß, wer Nockemann ist«, eröffnete Deccon den verblüfften 

Magniden, »aber ich habe ihn lange nicht gesehen. Erst recht war er nicht mit zwei Magniden bei mir in der Klause.« Arjana war irritiert, sie geriet fast ins Stottern. »Dann …  dann  war  es  doch …  ein  anderer!«  stieß  sie  hervor. 

»Dann bist du noch nicht lange in deiner Klause!« »Die  Situation  erfordert  es,  daß  ich  die  Klause  immer  wieder 

verlasse. Aber  ist es möglich, daß  sich einer meiner Doppelgänger eingeschlichen hat?« Die Magniden murmelten  untereinander. Nurmer  zupfte Arjana 

am Ärmel  ihres  langen Gewands. Er wollte  ihr  etwas  sagen, doch die Magnidin reagierte nicht darauf. Sie starrte Deccon an, als sei er ein Geist.  Ihre Brust  hob  und  senkte  sich.  Schließlich  gab  sie  sich einen Ruck. »Kannst  du  das  beweisen?«  fragte  sie  schnell.  Deccon  lächelte 

wieder. »Wie  sollte  ich?«  fragte  er  zurück.  »Ich  habe  keinen Zeugen  für 

den  Zeitpunkt,  an  dem  ich  zum  letzten  Mal  in  die  Klause zurückkehrte.« »Er muß die Kästchenprobe machen!« rief Ursula Grown. »Es  gibt  einen  Beweis  für  die  Wahrheit  meiner  Worte«,  sagte 

Deccon.  »Ich  muß  der  echte  High  Sideryt  sein,  da  ich  nur  von meiner Klause aus den Aufruf habe durchführen können, der an alle Solaner gegangen ist. Das ist der Beweis für meine Identität.« Er  faßte  nach  seinem  Kästchen  und  hielt  es  fest.  Aus  halb 

geschlossenen  Augen  beobachtete  er,  wie  die  Magniden  enger zusammenrückten und sich leise berieten. Dann trat Nurmer vor. 

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»Ich glaube, es genügt«, teilte er mit. »Wir glauben dir.« »Habt  ihr  weitere  Fragen  oder  Probleme?«  brummte  Deccon 

freundlich. Die Magniden verneinten und zogen sich aus der Klause zurück. »Planst du weiterhin, der SZ‐2 nachzufliegen?« rief Arjana Joester 

unter der Tür, aber der High Sideryt antwortete nicht mehr darauf. Sie hatte gehofft, er würde sich verraten, denn der von Nockemann als falsch entlarvte Deccon hatte dies beabsichtigt. Die Magniden zogen sich in die Zentrale zurück. »Ich weiß, was du wolltest«, sagte Wajsto zu der Frau. »Aber wer 

kann schon sagen, wann welcher Deccon in der Klause ist.« Die  Brüder  und  Schwestern  der  ersten  Wertigkeit  nickten 

schwermütig. Sie hatten es wirklich nicht  leicht, und  jetzt sahen sie die größtes Bewährungsprobe auf sich zukommen, seit sie in ihrem Amt waren. Die  vorangegangenen  Schwierigkeiten,  sie waren  ein Kinderspiel gewesen im Vergleich zu dem, was sich  jetzt ereignete. Das  Verwirrspiel  lief  auf  vollen  Touren,  und  die  Magniden gestanden sich ein, daß ihr Besuch bei Deccon sinnlos gewesen war. Welcher  war  nun  der  richtige  Deccon,  lebte  der  High  Sideryt 

überhaupt  noch? Oder  hatten  seine  Ebenbilder  ihn  aus  dem Weg geräumt? Die Gedanken in den Gehirnen der Magniden waren alles andere 

als ruhig und beherrscht. Sie warfen sich gegenseitig Blicke zu, und diese  legten  Zeugnis  davon  ab,  daß  sie  jetzt  mehr  verunsichert waren als vor ihrem Besuch in der Klause.   

5.  Bora  St.  Felix  atmete  auf. Die  innere  Situation  im  geteilten  Schiff schien  vorerst  entspannt. Die  Solaner  beteiligten  sich  an  der  groß angelegten  Suchaktion  nach  den  Doppelgängern.  Aus verschiedenen Sektoren kamen einzelne Erfolgsmeldungen, und es 

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sprach  sich  herum,  daß  die  Magniden  persönlich  sich  um  die Deccons kümmerten. Erleichternd wirkte die Verkündigung des High Sideryt, bald der 

SZ‐2  nachzufliegen  und  sie  zu  suchen. Diese Nachricht  hatte  sich inzwischen  im  gesamten  Schiff  herumgesprochen,  so  daß  die Unsymmetrischen  vorerst  schwiegen  oder  ab  und  zu  mit  ihrem einen, geschlossenen Auge blinzelten. Ein Hoffnungsschimmer. Bora hatte sich Zeit genommen, eine endgültige Entscheidung zu 

treffen. Jetzt war sie gefällt, und ihre Anhänger erzählten sie herum. Die Buhrlo‐Frau hatte sich für den Bordfrieden ausgesprochen, und es  bedurfte  ihres Hinweises  auf  die  verzwickte  Situation mit  den Ebenbildern gar nicht. Die Solaner hatten sie auch so verstanden. Manchmal, in stillen Minuten, zweifelte Bora noch. Dann fragte sie 

sich,  wie  es  weitergehen  würde,  wenn  die  Doppelgänger eingefangen waren. Hielt der High Sideryt Wort, oder war die SOL dann gar nicht mehr  in der Lage, dem Willen des Schiffsführers zu folgen? Das  unerwartete  Erscheinen  von  Deccons  Ebenbildern  hatte  zu 

neuer  Unruhe  geführt.  Die  Solaner  wußten  nicht,  wie  sie  sich verhalten sollten. War der Deccon, der ihnen begegnete, ein falscher oder  der  echte?  Noch  mehr,  kam  das  Versprechen,  die  SZ‐2  zu suchen,  von  dem  wirklichen  High  Sideryt  oder  einer  seiner Nachahmungen? Die Buhrlo‐Frau wurde durch die Vorgänge an das erinnert, was 

das Schiff  im Bann des Zugstrahls von Mausefalle VII  erlebt hatte und was auf und um Chail geschehen war. Es waren geheimnisvolle Vorgänge gewesen, aber die zehn Doppelgänger und die mysteriöse Alpha übertrafen jene Ereignisse um ein Vielfaches. Wo  kommen  sie  her?  überlegte  Bora, was  ist  ihre  Absicht?  Sie 

hätte  viel  darum  gegeben,  es  zu  wissen,  aber  wie  sollte  sie  es erfahren? An  einer  Abzweigung  des  Korridors  entdeckte  sie  vier  junge 

Buhrlos, die sich unauffällig bewegten, aber dennoch auf etwas zu 

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warten schienen. Sie sahen der Frau fragend entgegen. »Was tut ihr hier?« erkundigte Bora sich. »Wir  warten  auf  jemanden«,  erklärten  die  Halbwüchsigen 

ausweichend. Bora sah, daß sie mit Knüppeln bewaffnet waren. Einer hielt eine 

Metallstange hinter seinem Körper versteckt. »Kannst  du  es  dir  nicht  denken?«  Die  Buhrlos  wurden  immer 

kleinlauter. »Wir wollen einen der Doppelgänger fangen!« Bora deutete auf die Stöcke und zog die Stange hinter dem Rücken 

des einen hervor. »Damit?«  fragte  sie.  »Seid  ihr  verrückt  geworden?  Wollt  ihr 

jemanden so umbringen?« »Nein«, hauchten die Halbwüchsigen und  sahen zu Boden. Bora 

überlegte. »Wartet  mal«,  sagte  sie,  »vielleicht  habt  ihr  recht.«  Sie  mußte 

Klarheit haben.  Ihr Ziel konnte sie nicht besser erreichen, als wenn sie  einen der Doppelgänger  fing und  ihn verhörte. Dabei konnten ihr die Halbwüchsigen helfen. »Kommt  mit  mir,  wir  fangen  ihn  gemeinsam«,  erklärte  sie. 

»Behaltet  eure  Waffen,  aber  ihr  dürft  keinen  Gebrauch  davon machen. Sie sollen nur zur Abschreckung dienen.« Gehorsam  setzten  sich die vier  in Bewegung und gingen mit  ihr 

weiter. Sie steuerten eine Nottreppe an, die in eine Etage über ihnen führte.  Bora  vergewisserte  sich,  daß  die  Treppe  sicher war,  dann winkte  sie  ihren  Begleitern. Auf  leisen  Sohlen  stiegen  sie  hinauf. Von weitem  sahen  sie,  daß  der Ausgang  oben  geöffnet war.  Ein helles Licht brannte dort, viel heller  als die Tagesbeleuchtung, die überall in Betrieb war. Bora  stutzte  und  verzögerte  ihren  Schritt.  Sie  kamen  dem  Licht 

immer  näher,  waren  jetzt  höchstens  noch  zwanzig  Meter  davon entfernt. Wie  eine  Rotationsleuchte  bewegte  es  sich  schräg  über ihnen.  Sie  erkannten,  daß  es  rotes  Licht  war,  das  ihnen entgegenglühte. 

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Ein  roter, wabernder  Vorhang  hing  über  dem  oberen  Ende  der Treppe.  Er  trieb  hin  und  her, mal  dem Ausgang  entgegen,  dann wieder  zur  Treppe.  Dabei  verdunkelte  er  sich  immer  mehr,  die Rotglut in ihrer Gefährlichkeit schien zu erlöschen. Bora  St.  Felix  verspürte  eigenartigerweise  keine  Hitze.  Das 

leuchtende  Gebilde  war  kalt.  Es  war  kalte  Energie,  die  sich  da veränderte. Instinktiv erkannte Bora die Gefahr. Da war etwas Unheimliches 

im Gang,  und  sie  glaubte,  daß  vor  ihr  etwas  stand, was  nie  und nimmer  zur  SOL  gehören  konnte.  Sie  hielt  auf  der  nächsten Treppenstufe an, jeden Moment bereit, sich zur Flucht zu wenden. »Vorsicht!« flüsterte sie heiser. Die  Glut  vor  ihnen  war  fast  erloschen.  Eine  dunkle  Wand 

versperrte ihnen den Weg zum Ausgang, und sie wurde zusehends dichter  und  kompakter.  Sie  verfestigte  sich  zu  einem  unförmigen Gebilde. Hinter  Bora  begannen  die  vier  Halbwüchsigen  die  Treppe 

hinabzurennen.  Ihre  Nerven  waren  dem  Vorgang  nicht  mehr gewachsen. »Nur weg!« schrien sie, und einer sagte: »Bora, komm endlich!« Aber  Bora  St.  Felix  antwortete  nicht.  Erstarrt  stand  sie  auf  der 

Treppe und beobachtete aus weit geöffneten Augen, was da wenig entfernt über ihr vor sich ging. Aus  der  schwarzen  Wand  schälten  sich  die  überlebensgroßen 

Umrisse dreier menschlicher Gestalten  heraus.  Sie  nahmen  immer deutlichere  Konturen  an, während  die Wand  (Oder  der  Vorhang von  einer  unsichtbaren  Kraft  zusammengezogen  wurde.  Kein Geräusch entstand, Bora hörte nur ihren eigenen rasselnden Atem. Bora  wollte  umkehren,  aber  sie  kam  nicht  vom  Fleck.  Wie 

angewurzelt  verharrte  sie  auf  der  Stelle,  und  starrte  die  drei unheimlichen Figuren an, die da vor ihr materialisierten, und sie aus dunkel  glühenden  Augen  musterten.  Diese  Augen  versandten Lichtblitze, und sie schienen die Buhrlofrau durchbohren zu wollen. 

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»Wer  …  wer  seid  ihr?«  krächzte  sie,  während  sie  aus  ihrer seltsamen  Lähmung  heraus  verfolgte,  wie  die  Gestalten  sich  zu bewegen begannen. Sie kamen die Treppe herunter auf sie zu. Eine der schwarzen Gestalten begann zu sprechen, ohne daß Bora 

einen Mund sah. Dumpfe, dröhnende Laute drangen an ihr Ohr. Bora St. Felix stieß einen Schrei aus.   

*  Waren  die  Magniden  anfangs  in  ihrer  innerlichen  Unsicherheit wenig von einem Erfolg der Aktion überzeugt,  so mußten  sie  sich bald  eines  Besseren  belehren  lassen.  Eine  Gruppe  von  Ferraten brachte  Chart  Deccon  an,  der  in  eine  grüne  Bordkombination gekleidet war und kein Kästchen bei sich trug. Sprecher der Brüder der sechsten Wertigkeit war ein gewisser Vinderman. Er berichtete von  den  Umständen,  unter  denen  er  den  High  Sideryt festgenommen  hatte,  und  sprach  gleichzeitig  die Vermutung  aus, daß er ihn für eines der Ebenbilder hielt. Die  Magniden  nickten.  Erst  vor  kurzer  Zeit  hatten  sie  Chart 

Deccon  in  seiner  Klause  aufgesucht  und  festgestellt,  daß  er  ein Kästchen  trug. Der Gefangene der Ferraten mußte also unter allen Umständen  ein  Doppelgänger  sein.  Da  aber  begann  dieser  zu sprechen. »Nurmer, Wajsto, Lyta und ihr anderen, habt ihr keine Augen im 

Kopf?«  rief  Deccon.  »Glaubt  doch  nicht  diesem  Wichtigtuer. Natürlich habe ich ein imitiertes Kästchen bei mir getragen, aber ich tat  es doch nur, um das  echte zu  schützen. Wozu nehmt  ihr mich fest? Laßt mich gehen, und ich hole das unzerstörbare, das mich als den richtigen High Sideryt ausweist!« »Wenn schon«, knurrte Herts und baute sich vor Deccon auf. »Wir 

glauben dir  kein Wort. Der  richtige Deccon  sitzt drüben  in  seiner Klause  und  beobachtet  uns.«  Und  an  die  übrigen  Magniden 

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gerichtet, fragte er: »Was sollen wir mit dem Duplikat anfangen?« Die Magniden  fühlten  sich nicht wohl  in  ihrer Haut. Sie  starrten 

Deccon  an,  der  dem Original wie  ein  Ei  dem  anderen  glich,  und fragten  sich, wie  so etwas möglich war. Sicher, Hage Nockemann, der  Galakto‐Genetiker,  hatte  die  Erklärungen  dazu  geliefert,  aber die Konfrontation mit dem Doppelgänger war etwas ganz anderes. Der Verstand und die Sinne weigerten  sich, die Realität  zu  sehen. Wie erging es da erst den einfachen Solanern, die zum größten Teil den High Sideryt noch nie persönlich gesehen hatten? Erkannten sie die Doppelgänger  oder waren  sie hingerissen  von der Begegnung und  brachten  den  Ebenbildern  Ehrfurcht  und  Unterstützung entgegen? Ursula Grown seufzte. »Wir können nur eines tun«, sagte sie. »Wir sperren sie ein, bis wir 

alle  zusammen  haben.  Elf  müssen  es  sein,  den  wirklichen  High Sideryt eingeschlossen.« Wajsto Kölsch gab den Ferraten Anweisungen und begleitete  sie 

zu  einer  in  der  Nähe  der  Magnidenwohnungen  liegenden Kabinenflucht, die ausbruchsicher war. Auch ein Deccon mit seinem umfassenden  Wissen  hätte  hier  keine  Möglichkeit  gefunden,  zu entkommen. Sie  sperrten den High Sideryt ein und kehrten  in die Zentrale  zurück,  um  zu  warten.  Vinderman  und  seine  Männer blieben bei ihnen, um weitere Duplikate in Empfang zu nehmen. Es dauerte nicht  lange, bis der nächste gebracht wurde. Ein Extra 

namens  Teddy  erschien  in  Begleitung  mehrer  Solaner  an  der Zentrale und lieferte ein fest verschnürtes Bündel ab, ebenfalls einen Deccon. Unter dem Kopfschütteln der Magniden nahm er denselben Weg, wurde ebenfalls  in eine Kabine gebracht,  in der er sich nicht mit seinem bereits gefangenen Genossen verständigen konnte. Zwei  weitere  Order  konnten  in  kürzester  Zeit  gestellt  werden, 

zusammen mit dem Deccon in der Klause waren es fünf. Er bereitete den Magniden  die meisten  Probleme. Nurmer war  es  schließlich, der den Ausschlag gab. 

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»Wir müssen konsequent bleiben, wenn wir keinen Fehler machen wollen«,  erklärte  er.  »Auch  Deccon  in  der  Klause  gehört  zu  den Verdächtigen. Wir müssen ihn einsperren wie alle!« Sie  holten  ihn  und  wunderten  sich  im  stillen  darüber,  daß  er 

keinen Widerstand  leistete. Er  setzte keine Roboter  ein, obwohl  er das hätte  tun  können. Er  begleitete  sie unter denselben  Sprüchen, die schon vier Deccons vor ihm gemacht hatten. Auch sein Kästchen bestand die Probe nicht. Es handelte sich um eine Fälschung, und sie sperrten ihn ein, obwohl er ständig beteuerte, der echte zu sein. Erst als  Curie  van  Herling  ihn  anschrie,  er  solle  sich  endlich  einmal etwas Neues  einfallen  lassen, machte  er  den Mund  zu  und  sagte nichts mehr. Die Magniden kehrten in die Zentrale zurück und berieten sich. »Wir müssen warten. Sicher sind bald alle gefunden«, sagte Lyta 

Kunduran. Sie täuschte sich. Ein  Tag  und  eine  Nacht  vergingen,  ohne  daß  die  ständigen 

Aufrufe  der  Magniden  zum  Erfolg  führten.  Ab  und  zu  trafen Meldungen  ein,  daß  einer  der  Deccons  gesehen  worden  war. Ergriffen wurde keiner, und die Magniden begannen  langsam aber sicher zu verzweifeln. Die Zeit verging, und sie redeten sich ein, daß doch noch alles gut werden würde. Aber es geschah nichts. Am  darauffolgenden  Tag  erst  ereignete  sich  etwas, was  sie  nie 

erwartet  hätten.  Es  verschaffte  ihnen  keine  Gewißheit,  ganz  im Gegenteil.  Es  kam  ein  neues  Rätsel  dazu  und  vergrößerte  ihre Unsicherheit nur. Aber es war immerhin ein Hoffnungsschimmer. »SENECA an Hauptzentrale!« erklang die melodische Stimme. Die  Magniden  erstarrten.  Hatten  sie  sich  verhört?  Ungläubig 

wanderten ihre Augen zu den Lautsprechern empor und dann zum Bildschirm  hinüber,  wo  das  Wort  »wichtig«  erschien  und eindringlich flackerte. SENECA  meldete  sich!  Nach  langem  Schweigen  trat  die 

Biopositronik wieder in Aktion. Die Magniden sahen sich fragend an. Wie lange war es schon her, 

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daß  sie  die  vertraute  Stimme  des  gigantischen  Computers vernommen hatten? Und jetzt! Die  Brüder  und  Schwestern  der  ersten Wertigkeit wußten,  daß 

SENECA sich vor ihnen verschlossen hatte. Selbst Chart Deccon war es  in vielen Wochen nicht gelungen, Kontakt zu der Biopositronik herzustellen. Mit Atlan,  ja, mit dem sprach sie, was sie aus den Schilderungen 

des High Sideryt herausgehört hatten. Aber sonst? Lyta  »Bit«  Kunduran  stellte  plötzlich  fest,  daß  die  Augen  aller 

Magniden  auf  ihr  ruhten. Die Computerspezialistin mit  ihrer  fast paranormalen  Fähigkeit  für  positronische  Vorgänge  stand  von einem Augenblick zum anderen  im Mittelpunkt. Sie hob hilflos die Schultern. Dann aber raffte sie sich auf. »Was  gibt  es,  SENECA?«  fragte  sie.  »Warum  hast  du  so  lange 

geschwiegen?« SENECA zögerte einen Moment mit der Antwort. »Es hat nichts zu bedeuten«, antwortete er. »Es war nicht nötig.« »Aber Deccon wollte  doch …«,  begann Wajsto Kölsch,  doch  Bit 

winkte ab und legte einen Finger auf die Lippen. »Und jetzt?« erkundigte sie sich. »Es  ist ein Problem aufgetreten, das die Solaner nicht aus eigener 

Kraft lösen können«, erklärte SENECA. »Es sind die Doppelgänger!« Lyta Kunduran  hatte  sich  längst  angewöhnt,  hinter  den Worten 

SENECAs  ganz  andere Absichten  zu  vermuten,  als  dieser  zugab. Daß  es  Schwierigkeiten mit  den  Ebenbildern  Chart  Deccons  gab, wußte  jeder.  Das  Problem  war  nicht  neu.  Allem  Anschein  nach versuchte SENECA  jetzt, Einfluß  auf die Entwicklung  zu nehmen. Niemand konnte sagen, was dabei herauskommen würde. »Ich glaube nicht, daß ein Eingreifen nötig  ist«, sagte Bit deshalb. 

»Chart  hat  selbst  zur  Jagd  auf  die Doppelgänger  aufgerufen,  und wir sind sicher, daß wir sie in wenigen Tagen sichergestellt haben.« »Das dauert zu lange«, sagte SENECA knapp. »Was willst du dann?« 

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»Ihr wißt nicht, daß ihr das Problem nicht lösen könnt, denn es ist ganz  anders,  als  ihr  glaubt.  Selbst wenn  es  euch  gelingt,  alles  zu bewältigen, was damit zusammenhängt, ist es nicht gelöst.« Die Magniden  verstanden  nichts,  rein  gar  nichts. Wovon  sprach 

die Biopositronik? Die Magniden wußten um die Störung SENECAs, aber sie konnten 

nichts dagegen tun. Trotz der Haltung des High Sideryt waren sie in letzter Zeit fast froh gewesen, daß sich die Positronik nicht gemeldet hatte. Und  jetzt, mitten  in dem Chaos, das die Doppelgänger unter den Solanern erzeugten, mischte SENECA sich ein. Unsicher  begann  Bit  zu  sprechen.  Sie  rechnete  damit,  daß 

SENECA  ihnen  ins Handwerk  pfuschte.  »Wie  kann  das  Problem dann  gelöst  werden?«  fragte  sie.  »Wie  willst  du  damit  fertig werden?« »Auch ich bin dazu nicht in der Lage«, entgegnete SENECA. »Ich 

kann  meine  Störungen  nicht  kontrollieren.  Ein  Eingreifen meinerseits wäre also nicht sinnvoll.« Jetzt  verstanden  die Magniden  überhaupt  nicht  mehr,  was  die 

Biopositronik wollte. Der Gedanke verstärkte sich in ihnen, daß die Störung  immer  weiter  um  sich  griff  und  SENECA  in  einer ernsthaften Krise  steckte. War  sein positronisches Gehirn  schon  so verwirrt, daß er nicht merkte, welchen Unsinn er redete? »Wir  sollen  es  nicht  lösen  können,  und  er  ist  nicht  dazu  in  der 

Lage!«  rief Galatan Herts  giftig.  »Was  soll  das  heißen,  SENECA? Willst du uns klarmachen, daß die SOL endgültig verloren ist?« Erschrockene  Blicke  trafen  den Magniden. Mit  allem  hatten  die 

Männer  und  Frauen  in  der  Hauptzentrale  gerechnet,  nur  nicht damit. »Nein«,  sagte  SENECA  freundlich,  als  habe  er  die  Gedanken 

gelesen.  »Es  ist  etwas  anderes.  Es muß  eine  dritte Kraft  ins  Spiel gebracht  werden,  die  das  Problem  bereinigt.  Dieser  Kraft  muß völlige Handlungsfreiheit eingeräumt werden.« Unruhe  entstand  unter  den  Magniden.  Sie  konnten  sich  nicht 

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vorstellen, wer oder was die dritte Kraft  sein  sollte.  Innerhalb der SOL  gab  es  keine  weiteren  Kräfte,  die  an  dem  Problem  hätten arbeiten können. Dann meinte SENECA  eine Kraft von außerhalb. Und  dagegen  hatten  die  Magniden  triftige  Gründe  für  eine Ablehnung. Oft genug hatten sie in der nahen Vergangenheit gegen solche Kräfte  kämpfen müssen. Die Demontageroboter  von Osath waren nur eine gewesen; eine gefährliche allerdings, denn sie hatten die Substanz der Heimat SOL gefährdet. »Was ist es?« erklang zögernd die Frage. »Es handelt sich um die Troiliten!« erklärte SENECA. »Die gibt es doch gar nicht!« rief Curie van Herling laut. Sie alle kannten die Berichte, die sich um die Troiliten rankten. Es 

war einfach undenkbar, daß diese Kaste existierte. Ein paar Solaner hatten sich für sie ausgegeben, mehr nicht. »Die Troiliten sind ein Hirngespinst!« nickte auch Lyta Kunduran. »Ihr  irrt,  die  Gerüchte  sind  wahr«,  erwiderte  SENECA 

eindringlich.  »Es  gab  Troiliten  schon  immer,  sie  hatten  nur  keine Aufgabe. Es sind nicht die, von denen in letzter Zeit geredet worden ist.  Ein  paar  Scharlatane  hatten  sich  für  sie  ausgegeben,  um persönliche Vorteile daraus ziehen zu können.  Ihr Anführer hat es mit dem Tod bezahlt. Nein,  die  wirklichen  Troiliten  sind  ein  Sicherheitsfaktor  für 

besondere Notfälle.  Sie  treten  nur  dann  in  Erscheinung, wenn  es sich um rein interne Probleme der SOL handelt.« »Gab es in der Vergangenheit nicht genug interne Schwierigkeiten 

in der SOL?« rief Wajsto Kölsch aus. »Wo waren da die Troiliten, die auch Brüder der fünften Wertigkeit genannt werden? Was ist das für eine seltsame Kaste?« SENECA  schwieg eine Weile, als müsse er eine Antwort  suchen. 

Dann sagte die Biopositronik: »Ihr habt euch die Worte des Magniden Kölsch inzwischen durch 

den  Kopf  gehen  lassen  und  erkannt,  daß  sie  nicht  haltbar  sind. Bisher  konnten  alle  Schwierigkeiten  von  den  Solanern  oder  der 

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Schiffsführung  gemeistert  werden.  Jetzt  aber  steht  der  geistige Untergang des Schiffes bevor!« Die Magniden  zuckten  zusammen.  Betroffen  sahen  sie  einander 

an. Nicht  einmal  Bit war  in  der  Lage,  eine  Frage  zu  stellen  oder etwas zu sagen. Der geistige Untergang der SOL! Es klang in ihren Ohren wie eine 

furchtbare  Drohung,  und  langsam  setzte  sich  in  ihnen  das Bewußtsein  durch,  daß  SENECA  recht  hatte,  wenn  er  von Hilflosigkeit sprach. Langsam begriffen sie, daß die Gefahr größer war als vermutet. Sie 

war in Form von zehn gleichen Frauen aus der angreifenden Station gekommen,  die  einwandfrei  der  Zivilisation  in  der  Galaxis Flatterfeld zuzuordnen war, von der sie durch Atlan und Palo Bow erfahren  hatten.  Die  SZ‐2  befand  sich  dort  drinnen  in  der Kleingalaxis, auch sie war in Gefahr. »Ein Plan des unbekannten Gegners«,  flüsterte Nurmer plötzlich. 

»Es  war  sein  Plan,  die  SOL  zu  teilen.  Gemeinsam  wären  die Schiffszellen stärker.« SENECA antwortete nicht. Lyta Kunduran wandte sich an die Magniden. »Wir können nur für den Mittelteil und die SZ‐1 handeln«, stellte 

sie  fest.  »Die  SZ‐2 muß  durch Atlan  vor  dem Untergang  gerettet werden. Oder durch Palo und Brooklyn. Vielleicht ist es gut, daß sie weit weg  von uns  ist. Wenn wir  nur  endlich  Funkkontakt  hätten, wir könnten sie warnen!« Die  Gedanken  an  die  SOL‐Zelle  2  wurden  wieder  durch  die 

Probleme  verdrängt,  die  sie  im  Restschiff  hatten.  Gab  es  keine andere Möglichkeit als die von der Biopositronik genannte? »SENECA, wer sind die Troiliten tatsächlich?« fragte Bit laut. Die  Biopositronik  meldete  sich  nicht  mehr.  Sie  hatte  längst 

abgeschaltet. Was zu sagen war, war gesagt worden. »Was können wir tun?« klagte Ursula Grown. »Nichts«,  seufzte Bit nach  einer Weile.  »Nichts  als die Hände  in 

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den Schoß legen und warten, bis die Troiliten auftauchen.«   

6.  Chart Deccon erblickte die kleine Gruppe Solaner, als es fast zu spät war.  Sie  bewegten  sich  den  Korridor  entlang,  an  dem  die Ausweichzentrale  lag,  in  der  der  High  Sideryt  sich  noch  immer versteckt  hielt.  Begleitet wurden  die  Solaner  von  einem  Ferraten, dessen  dunkelblaue  Uniform  sich  deutlich  von  ihren  hellen Kombinationen abhob. Deccon  holte  die  Gruppe  mit  der  Vergrößerungsoptik  zu  sich 

heran. Die Männer und Frauen trugen mehrere Geräte mit sich, die der High Sideryt kannte. Es waren Zusatzspeicher für Computer. »Sie  kommen  hierher«,  flüsterte  er  erregt.  »Es  gibt  in  der Nähe 

keinen  anderen  Computer,  auf  den  sie  es  abgesehen  haben könnten!« Mit wenigen Handgriffen  legte er sämtliche Bildschirme still und 

stürmte  hinaus  auf  den Korridor.  Er  konnte  bereits  ihre  Stimmen hören. Deccon  rannte, als gelte  es  sein Leben. Er  spurtete an der Wand 

entlang  bis  zur  nächsten  Tür.  Er  stieß  sie  auf  und  trat  eilig  ein. Nachdem er sie vorsichtig geschlossen hatte, machte er Licht. Er  befand  sich  in  einem  Maschinenraum,  von  dem  aus  die 

wichtigsten Reinigungsroboter operierten. In langen Reihen standen die Maschinen an den Wänden. In der Mitte des Raumes  lagen auf dem  Boden  zylinderförmige  Behälter,  an  deren  Oberseite  vier Lämpchen  angebracht waren. Es waren  automatische  Staubsauger für Luftschächte  und Rohrleitungen. Alle Maschinen waren  außer Betrieb. Chart Deccon  eilte  in den  hinteren Teil des Raumes, wo  er  sich 

zwischen  den Robotern  verstecken  konnte,  ohne  von  der  Tür  aus gesehen zu werden. Er ließ sich nieder und dachte nach, während er 

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durch die Wand hindurch auf Geräusche aus der Ausweichzentrale lauschte. Über die Bildschirme hatte er High Sideryt die Wirkungen seines 

Aufrufs verfolgt. Er hatte erkannt, daß die  Jagd auf die Ebenbilder nicht so  leicht war, wie er es sich vorgestellt hatte. Außer ein paar Beherzten besaßen die meisten solche Achtung vor der Person des High Sideryt, daß sie nicht Hand an ihn zu legen wagten. Einige der Doppelgänger  wehrten  sich  auch  gegen  tätliche  Übergriffe  oder ergriffen  die  Flucht.  Alle  aber  versuchten,  die  Solaner  von  ihrer Echtheit zu überzeugen. Chart  seufzte.  Wie  leicht  es  doch  war,  die  Menschen  zu 

beeinflussen. Und wie  tölpelhaft benahmen  sie  sich, wenn  es galt, die Vernunft zu gebrauchen. Hage Nockemann war das deutlichste Beispiel  gewesen.  Der  Galakto‐Genetiker  hatte  das  unzerstörbare Kästchen  nicht  als  Beweis  gelten  lassen.  Sicher,  es  war  ein schwacher Beweis, aber immerhin einer. Dem High Sideryt brannte der Boden unter den Füßen. Er wußte, 

daß  es  Zeit  war,  weitere  Schritte  einzuleiten.  Er  hatte  auch  das Gespräch zwischen SENECA und den Magniden verfolgen können. Die Eröffnungen der Biopositronik hatten  ihn überrumpelt. Er war verwirrt, denn er wußte über die Troiliten auch nicht mehr als die Magniden. Warum äußerte sich SENECA nicht ausführlich dazu? Deccon  erkannte,  daß  er  unbedingt  ein  Gespräch  mit  der 

Biopositronik  führen mußte.  Er  hatte  ein  paar  Fragen,  von  denen das Schicksal der SOL abhing. Und es war auch das Bedürfnis, sich nicht einfach auf das Abstellgleis schieben zu lassen, das ihn trieb. Chart Deccon hatte  sich  seit  seiner Flucht aus der Klause wieder 

beruhigt.  In  eifrigen  Selbstanalysen,  die  er  während  seiner dauernden Bildbeobachtungen durchführte, war er zu der Einsicht gelangt,  daß  noch  eine  winzige  Hoffnung  bestand,  das  Ruder herumzureißen. Dazu aber durfte er nicht verwirrt und blind sein. Er benötigte einen klaren Kopf, um handeln zu können. Der  High  Sideryt  strengte  sich  an.  Er  machte 

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Konzentrationsübungen  und Gymnastik,  um  seinen Körper  frisch zu halten. Und  er nahm gehörige Portionen Nahrung  zu  sich, die ihm  ein  Ausgabefach  in  der  Ausweichzentrale  lieferte.  Er  trug Trockenwürfel und kleinere Packungen mit Konzentraten mit  sich herum. Chart nahm einen Würfel aus einer der Taschen  seiner Kleidung 

und steckte  ihn  in den Mund. Als er sich mit Speichel vollgesogen hatte, begann der High Sideryt zu kauen. Er wußte, daß ein Würfel Hunger machte auf  ein paar weitere, aber er beherrschte  sich und schluckte den entstehenden süßlichen Brei genüßlich hinunter. Die  Solaner hatten  sicher nicht  lange  in der Zentrale  zu  tun.  Sie 

würden sich entfernen, ohne bemerkt zu haben, daß sie seit Tagen bewohnt  war.  Dann  konnte  er  zurückkehren  und  seinen  Kampf fortsetzen. Ja, er hatte sich entschlossen, bis zuletzt zu kämpfen. Es war die erste Bewährungsprobe, die wirklich nur die Wahl zwischen der Selbstaufgabe und dem Sieg ließ. Deccon  blickte  auf  sein  Vielzweckarmband.  Es  zeigte  den  27. 

Januar 3792, und der High Sideryt rechnete aus, daß es in genau drei Wochen  ein  Jahr  her  war,  daß  die  SOL  in  den  Zugstrahl  von Mausefalle VII geraten war. Wieviel hatte sich seither ereignet. »Es kann nicht das Ende  sein«,  redete Deccon  sich  ein.  »Es darf 

nicht das Ende sein!« Er  lehnte  sich  an  die  kühle Wand  und  ließ  Erlebnisse  aus  der 

Vergangenheit vor seinem geistigen Auge passieren. Welche seiner Entscheidungen hatten zum jetzigen Zustand geführt? Wie würde Atlan an meiner Stelle handeln, fragte Chart sich und 

erkannte plötzlich, wie sehr ihm der Arkonide fehlte. Atlan, besaß er das Wissen und die Macht, die SOL zu retten? Deccon  erinnerte  sich  daran,  als  er  Atlan  um  die  Unterredung 

gebeten  hatte.  Damals  war  ihm  klar  geworden,  daß  er  den Arkoniden völlig  falsch eingeschätzt hatte. Atlan wollte nicht High Sideryt  werden,  er  brauchte  das  Schiff  für  eine  wesentlich wichtigere Aufgabe, die  er  als High  Sideryt nicht  erfüllen  konnte. 

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Von da an war Chart Deccon geneigt, dem silberhaarigen Mann zu glauben, der sich so vorbehaltlos für die Solaner einsetzte. Chart hatte sich bisher immer geweigert, der SZ‐2 nach Flatterfeld 

zu  folgen.  Jetzt war  ihm  klar,  daß  es  ein  Fehler  gewesen war.  Er glaubte  daran,  daß  der  Rest‐SOL  gar  nichts  anderes  übrigbleiben würde, als Atlan nachzufliegen und  ihn um Hilfe zu bitten. Wenn SENECA mitmachte! Chart  hörte Geräusche  an  der  Tür  und  kauerte  sich  noch mehr 

hinter den Reihen der Roboter zusammen. Die Tür öffnete sich, und eine Stimme sagte: »Wir  lagern  sie  hier  ein,  bis  wir  sie  brauchen.  Es  ist  ein 

Abstellraum für Reinigungsmaschinen.« Die Antwort  verstand der High  Sideryt  nicht. Er  hörte  nur, wie 

mehrere Solaner hereinkamen und etwas ablegten. Dann fiel die Tür in ihr positronisches Schloß, und die Stimmen entfernten sich. Rasch  kam  der High  Sideryt  in  die Höhe. Mit  großen  Schritten 

eilte  er  zur  Tür  und  lauschte.  Als  er  minutenlang  nichts  hörte, öffnete er sie leise. Draußen war alles ruhig, und er schlüpfte hinaus. Wie ein Schatten kehrte er in die Ausweichzentrale zurück und sah sich  um.  Keine  Spuren,  nichts.  Die  Solaner  hatten  keine Veränderungen vorgenommen. Sie wollten die Zusatzspeicher erst später einbauen. Das gab dem High Sideryt vorläufig Luft. Aber er mußte jederzeit 

damit rechnen, daß sie zurückkehrten. Deccon aktivierte alle Bildschirme. Der High  Sideryt  betätigte  die  Ruftaste. Nachdem  er  sich  kurz 

vergewissert hatte, daß die Verbindung stand, begann er. »Deccon  an  SENECA«,  sagte  er.  »Chart  Deccon  an  SENECA! 

SENECA, bitte melden!« Der High Sideryt hatte der Biopositronik verschiedene Fragen zu 

stellen, die über  sein weiteres Vorgehen  entscheiden  sollten. Noch war  es  den  Solanern  nicht  gelungen,  mehr  als  die  Hälfte  aller Doppelgänger festzunehmen. 

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Deccon wartete. »SENECA,  bitte  melde  dich!«  wiederholte  er,  aber  die 

Biopositronik  schwieg.  Sie  schien  von  dem  High  Sideryt  nichts wissen zu wollen. Müde schüttelte Chart den Kopf. Warum? dachte er. Warum nur? 

Er  unterbrach  die Verbindung  und  stellte  eine  neue  her. Diesmal verband  er  sich mit der Positronik  in der Hauptzentrale der  SZ‐1 und  gab  ihr  den  entsprechenden  Impuls.  Sie  schaltete  sofort  eine Verbindung  zur  Hauptzentrale  im  Mittelteil.  Jeden  Augenblick konnte einer der Magniden auf dem Bildschirm auftauchen und sich nach  seinem  Vorhaben  erkundigen,  aber  es  geschah  nichts.  Die Positronik  im  Mittelteil  konnte  SENECA  nicht  erreichen.  Die Biopositronik hatte sich abgeblockt. Deccon  fuhr  sich  über  die  Glatze,  auf  der  sich  Schweißperlen 

gebildet  hatten.  Er  suchte  nach  einer Möglichkeit,  doch  noch mit SENECA sprechen zu können. Hastig  löschte  er  die  Verbindung  und  schaltete  sich  in  den 

Interkomverkehr  ein.  Er  ließ  sich  gezielt  mit  einer  jener Ansprechstellen  verbinden,  die  rund  um  die  Sicherheitskugel  der Biopositronik  angebracht  waren.  Über  sie  konnten  autorisierte Personen direkt mit dem Rechner in Verbindung treten. Es knackste mehrmals. Die Tür zur Ausweichzentrale öffnete und 

schloß  sich. Deccon hörte  es nicht. Aus  fiebrigen Augen  starrte  er auf  die  Anzeigen  und  die  Schirme.  Es  mußte  etwas  geschehen, SENECA  konnte  sich  doch  nicht  totstellen!  Er wußte,  um was  es ging. Chart wollte  nicht  begreifen,  daß  die  Biopositronik  alles Nötige 

gesagt  hatte  und  sich  jetzt  ihren  eigenen  Problemen widmete.  Er richtete  sich  erwartungsvoll  auf,  als  ein  kurzer  Blitz  über  einen Schirm zuckte. Eine harte Hand packte  ihn an der Schulter, wirbelte  ihn herum. 

Auge in Auge standen sie sich gegenüber. »Deccon!«  schrie  Chart  Deccon  gequält  auf.  »Du  bist  eines  der 

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Ebenbilder!« »Deccon!« erwiderte Chart Deccon. »Es war nicht schwer, dich zu 

finden.  Die  energetische  Aktivität  dieser  Zentrale  war unübersehbar!« Chart Deccon stöhnte auf. »Nein«, stammelte er und machte einen Schritt zurück. »Ich  bin Order‐7«,  lachte  sein Gegenüber  hämisch.  »Du  bist  dir 

selbst in die Falle gegangen!« Chart  Deccon  hatte  sich  weiß  gefärbt.  Er  zitterte  am  ganzen 

Körper,  während  Order‐7  die  Begegnung  nichts  auszumachen schien. Der High  Sideryt  schwankte und  zuckte mit den Händen. Sein Gegenüber tat es ihm nach. Langsam ließ Chart Deccon die Hände sinken. Er brachte sie in die 

Nähe der  Stelle, wo  er das Futteral des  Strahlers  spürte. Aber die Waffe war nicht da. Er hatte  sie  im Nebenraum bei den Robotern liegen lassen. Order‐7 schüttelte den Kopf, als habe er seine Gedanken erraten. 

Dann griff das Ebenbild bedingungslos an. Chart Deccon erhielt einen Faustschlag gegnen die Brust, der  ihn 

beinahe  stürzen  ließ.  Er  spürte  die  Kraft,  die  hinter  dem  Hieb steckte,  und  brüllte  auf.  Es  war  seine  eigene  Kraft,  die  ihn bezwingen  wollte.  Er  fuhr  ruckartig  zur  Seite,  machte  einen Ausfallhieb nach links und trat gleichzeitig mit dem rechten Bein zu. Er  hatte  auf  das  Knie  der  Orders  gezielt,  aber  der  war  mit  der Kampftechnik des High Sideryt vertraut. Mühelos wich er aus und griff seinerseits an. Schweigend  umrundeten  sich  die  beiden  Männer,  die  bloßen 

Hände zu Fäusten geballt, die tiefliegenden Augen fest aufeinander gerichtet. »Ich  verfluche  euch  alle,  Alpha  eingeschlossen«,  schrie  Deccon 

wütend. Der Order grinste sein Deccon‐Grinsen. Plötzlich schlug er wieder zu. Chart Deccon  riß den  linken Unterarm  hoch und  fing den Hieb 

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auf. Gleichzeitig drückte er den  rechten Arm des Orders zur Seite und erwiderte den Schlag. An der  linken seines Gegners streifend, gelang es ihm, den Order am Kinn zu treffen. Order‐7 war so überrascht, daß er einen Schritt zurück machte und 

in die Finte Deccons lief. Der wirbelte mit beiden Armen und lenkte die  Augen  seines  Gegners  ab.  Für  einen  kurzen  Augenblick schwebte  die massige  Gestalt  des High  Sideryt  in  der  Luft.  Sein rechter Fuß traf den Magen des Orders. Order‐7 stürzte, und Deccon warf sich auf ihn. Er holte zu einem fürchterlichen Schlag mit beiden Fäusten aus. Chart Deccon wurde  herumgewirbelt. Der Order  hatte  die Knie 

angezogen und  sie  ihm  voll  in den Unterleib  gerammt. Der High Sideryt  schrie  gepeinigt  auf  und  erhob  sich.  Dann  aber  trat  er abwechselnd mit den Beinen auf den Liegenden ein, bis dieser sich durch eine Rolle aus dem Gefahrenbereich brachte und aufsprang. Keuchend standen sich die beiden Kontrahenten gegenüber. »Du Ausgeburt der Hölle!« kreischte Deccon und duckte sich wie 

zum  Sprung.  »Was  wollt  ihr  von  unserem  Schiff? Wer  hat  euch geschickt?« Lauernd umkreisten sie einander. Order‐7 hustete. »Gib  auf«,  forderte  er Deccon  auf.  »Dein Widerstand hat keinen 

Sinn mehr. Du  kannst den Gang der Dinge  nicht mehr  aufhalten. Die Macht, die uns geschickt hat, hält alle Trümpfe in der Hand.« »Welche  Macht?«  kreischte  Deccon  und  schlug  nach  seinem 

Gegner. Order‐7 wich geschickt aus. »Die Macht will wissen, ob die SOL  stark genug  ist, um  für  ihre 

Zwecke  verwendet  werden  zu  können.  Wenn  es  sich  als  falsch herausstellen sollte, wird die SOL auch der Gegenseite dieser Macht nicht mehr zur Verfügung stehen!« Chart  Deccon  hatte  nicht  zugehört.  Er  landete  zwei  Schwinger 

zwischen den Rippen des anderen und  trieb  ihm die Luft aus den Lungen. »Eine Macht!« zischte er. Dann aber wurde er aufmerksam. »Zwei 

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Mächte?« »Zwei Mächte  bemühen  sich um die  SOL«,  japste Order‐7.  »Die 

eine hat die Order geschickt, das sind wir. Diese Macht wird es nicht zulassen, daß die SOL in andere Hände gerät.« Chart Deccon war  nachdenklich  geworden. Die  Erwähnung  der 

zwei Mächte  ließ  ihn an das denken, was er von Atlan wußte. War die  SOL  wirklich  zwischen  zwei  Fronten  geraten?  Mußte  sie  es sogar, damit ein Ziel erreicht wurde? Er begriff die Rolle nicht, die das Schiff spielte, die er spielte. Erneut bedauerte er, daß er Atlan mit der SZ‐2 hatte ziehen lassen. 

Ohne den Arkoniden war  er  verloren. Aber  tief  in  seinem  Innern war  eine  Stimme.  Und  die  Stimme  redete  ihm  ein,  daß  er  die Initiative ergreifen mußte. Er durfte nicht warten, bis der Arkonide ihm half. Langsam ließ Deccon die Hände sinken. Er fixierte seinen Gegner, 

aber er übersah das Aufblitzen in dessen Augen. Order‐7 sprang vor und  riß Deccon  zu  Boden. Der High  Sideryt  erhielt  einen  Schlag gegen  die  Schläfe,  daß  er  fast  das  Bewußtsein  verlor.  Mühsam kämpfte er sich hoch. Er riß die Arme empor, es war zu spät. Order‐7  hatte  ihm  das  unzerstörbare  Kästchen  bereits  von  der 

Brust genommen und die goldene Kette über den Kopf gezogen. Mit ein paar schnellen Schritten war er am Abfallvernichter und warf es hinein. »Nein!« schrie Deccon und taumelte dem Order hinterher. Dieser 

ergriff  ihn am Arm und drehte  ihm diesen auf den Rücken. Dann untersuchte er ihn nach Waffen. »Merkwürdig,  ich  glaubte,  daß  du  bewaffnet  bist«,  murmelte 

Order‐7. Deccon schwieg. Der Order schob seinen Gegner aus der Ausweichzentrale hinaus 

und in den danebenliegenden Raum, in dem Deccon sich kurz zuvor noch versteckt hatte. Order‐7 öffnete  eine niedrige Tür, hinter der eine  zusätzliche  Kammer  lag,  kaum  zehn  Quadratmeter  groß.  Er stieß Deccon hinein und verriegelte die Tür. 

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»Hier  kannst du mir  nicht  entkommen«,  hörte Deccon  ihn  noch sagen,  dann  zeigten  ihm  die  sich  entfernenden  Schritte,  daß  er verloren hatte. Chart Deccon kauerte sich auf den Boden. Er konnte noch  immer 

nicht  richtig  begreifen,  was  geschehen  war.  Der  Schlag  an  die Schläfe  hatte  ihn  mitgenommen.  Plötzlich  aber  sprang  der  High Sideryt auf. Er dachte an die Waffe, die da draußen irgendwo lag. Er konnte ja nicht ahnen, daß der Order sie gesehen und mitgenommen hatte. Er dachte nur an ihre Wirkung. Chart  begann  laut  zu  rufen  und  zu  schreien.  Wie  ein 

Wahnsinniger  polterte  er  gegen  die  metallene  Tür.  Es  half  alles nichts, er war eingesperrt und mußte warten, bis jemand vorbeikam. Aufschluchzend  sank der High  Sideryt  zu Boden. Alle Knochen 

taten  ihm weh, aber  sie erreichten nicht die Stärke des Schmerzes, der ihm sein eigenes Versagen bereitete. Deccon schloß die Augen. Ja, er hatte versagt. Er war dem Problem 

nicht gewachsen. Die Solaner waren es nicht. Hatte SENECA recht? Blieb nur eine dritte Möglichkeit? Mit einem Mal erschienen ihm die Troiliten wie Engel in der Not. Chart  kramte  in  den  Taschen,  wo  er  die  Würfel  und 

Konzentratpackungen hatte. Er war jetzt froh, sie zu sich gesteckt zu haben. Es war  eine Notration. Ein paar Tage, vielleicht  auch  zwei Wochen  konnte  er  mit  ihr  überleben.  Dann  war  es  aus.  Bis  zu diesem  Zeitpunkt  mußte  er  sich  befreit  oder  sich  bemerkbar gemacht haben.   

7.  Die drei dunklen Gestalten wirkten unheimlich und unwirklich. Sie besaßen zwar menschliche Umrisse, aber es war deutlich erkennbar, daß  es  sich  nicht  um Wesen  aus  Fleisch  und  Blut,  sondern  um künstliche  Geschöpfe  handelte.  Die  Körper  waren  glatt  und  von 

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tiefschwarzer  Farbe.  Sie  trugen  keine  Kleidung,  besaßen  keine Haare,  Augenwimpern  oder  Ähnliches.  Ihre  Augen  waren  vom übrigen Gesicht kaum zu unterscheiden, und der angedeutete Mund bewegte sich nur unmerklich, wenn sie sprachen. »Ja,  wir  sind  es«,  sagte  die  drei  mit  dumpfen,  dröhnenden 

Stimmen. »Wir treten immer zu dritt auf.« »Troiliten!« hauchte Bora St. Felix, unfähig sich zu rühren. »Es gibt nur uns drei«, sagten die drei Unheimlichen. Endlich  kam  in  die  Buhriofrau  Leben.  Sie  bewegte  sich  rasch 

rückwärts  und  stürzte  fast  die  Treppe  hinunter.  Krampfhaft klammerte sie sich am Geländer fest. »Ihr seid keine natürlichen Wesen!« brach es aus ihr hervor. Die Troiliten  folgten  ihr die Treppe hinunter, wobei Bora  immer 

mehr vor ihnen zurückwich. »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagten sie, doch blieben ihre 

Stimmen angsteinflößend. »Wir  tun dir nichts. Wir  treten auf, weil wir  gerufen  wurden.  Dies  ist  unser  erster  Auftrag,  seit  wir geschaffen wurden.« Boras Gedanken überschlugen sich. Wer war in der Lage, so etwas 

zu vollbringen? Wer konnte aus einem glutroten Nebel heraus drei düstere  Geschöpfe  entstehen  lassen,  die  Angst  und  Schrecken verbreiteten? »Wer  hat  euch  geschaffen?«  würgte  sie  hervor.  Sie  wollte  Zeit 

gewinnen. Sie sah in den Troiliten eine Gefahr. Die drei Männer mit  ihren  zwei Metern Größe  ragten über Bora 

und die Treppe hinaus. Sie  traten eng zueinander und warfen sich dunkle Blicke zu. »Wir berichten es dir«, erklärten sie. Bora kannte die Sage von den Troiliten, wußte, daß  sie auch die 

Brüder der fünften Wertigkeit genannt wurden. Sie müßten also mit der  SOLAG  und  dem High  Sideryt  zu  tun  haben.  Chart  Deccon mußte Bescheid wissen. Der  Bericht  der  drei  Gestalten  aber  widersprach  dem.  In 

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Wirklichkeit  gehörten  sie  nur  scheinbar  in  die  Hierarchie  der SOLAG. Einer der ersten High Sideryt hatte sie als Sicherheitsfaktor erschaffen und an SENECA übergeben. Die Biopositronik setzte sie jedoch nur im äußersten Notfall ein. Und dieser war jetzt zum ersten Mal eingetreten. »Wir  haben  den  Auftrag,  die  sich  noch  frei  bewegenden 

Doppelgänger  des  High  Sideryt  einzufangen«,  erklärten  die Troiliten. »Wir haben nicht viel Zeit.« Bora hatte den Treppenabsatz erreicht und blieb stehen. »SENECA  hat  euch  jetzt  geschickt«,  erkannte  sie.  »Er  will  den 

Solanern helfen. Ich werde euch unterstützen.« Die drei dunklen Gestalten  rückten noch  enger  aneinander.  Ihre 

Körper bewegten sich, als schüttelten sie die Köpfe. »Wir  arbeiten  allein«,  sagten  sie.  »Wir  stehen  dauernd  mit 

SENECA  in Verbindung,  aber unser Handeln  ist  eigenständig. Du wirst uns verlassen, denn du bist uns im Weg.« Bora stellte  fest, daß die drei Geschöpfe unbewaffnet waren, und 

sie  fragte sich, über welche Machtmittel sie verfügten, um sich das erlauben  zu  können.  Sie  nickte  geistesabwesend  und wandte  sich um, um sich zu entfernen. Aber ein kurzer Ruf der Troiliten hielt sie auf. »Du wirst  niemandem  von  uns  erzählen«,  schärften  sie  ihr  ein. 

»Die  Überraschung  ist  auf  unserer  Seite.  Die  Ebenbilder  Chart Deccons ahnen nicht, daß wir eingesetzt werden.« »Woher sollten sie es wissen?« »Sie  besitzen dasselbe  technische Wissen wie Chart Deccon  und 

das Wissen über alles, was die Schiffsführung betrifff. Das und  ihr Aussehen  haben  sie mit  dem High  Sideryt  gemeinsam«,  betonten die Troiliten. »Geh jetzt!« Bora  setzte  sich  in Bewegung, die  restlichen  Stufen hinab  in die 

nächste Etage. Fluchtartig verließ sie das Treppenhaus und eilte den Korridor entlang. Von den vier  jugendlichen Buhrlos war weit und breit nichts mehr zu sehen. 

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Sie werden es bereits weitererzählt haben, was sie gesehen haben, dachte sie. Wenn die Ebenbilder nur annähernd über die Funktion der  Troiliten  Bescheid  wissen,  können  sie  sich  denken,  was  die Stunde geschlagen hat. Bora wußte, was sie zu tun hatte. Als erstes mußte sie die Zentrale 

informieren, was  sie über die Troiliten und  ihre Aufgabe  erfahren hatte. Mit Schrecken dachte  sie daran, daß die drei die Ebenbilder womöglich  töteten.  Was  geschah,  wenn  sie  den  High  Sideryt erwischten?  Konnten  sie  ihn  von  den  Doppelgängern unterscheiden? Bora  erreichte  einen  Interkomanschluß  und  blieb  stehen.  Mit 

fliegenden Fingern tippte sie eine Verbindung zur Zentrale ein.   

*  Order‐4  legte  den  Weg  vom  Übergang  zur  SZ‐1  bis  zu  deren Hauptzentrale in wenigen Minuten zurück. Er ging das Wagnis ein, im zentralen Antigravschacht nach oben zu fliegen. Er baute darauf, daß die Solaner nicht damit rechneten, daß er so etwas  tun würde. Tatsächlich begegnete ihm kein einziger Mensch, und er verließ den Schacht ungesehen. Der Order trat in die Zentrale und sah sich um. Erwartungsgemäß 

war niemand da. Solange die SOL‐Zelle mit dem Mittelteil vereinigt war,  bestand  keine  Notwendigkeit,  sie  mit  einer  Besatzung  zu versehen. Order‐4  lächelte,  wie  Deccon  immer  lächelte,  wenn  er  etwas 

vorhatte, was keiner erwartete. Langsam trat er zum Interkom und aktivierte  ihn.  Grüne  Lämpchen  leuchteten  auf,  und  der Videoschirm  über  dem  Gerät  erhellte  sich.  Order‐4  rieb  sich  die fleischigen Hände. »Ich werde ihnen den Spaß ein wenig verderben«, flüsterte er. »Ich 

werde  die  Suche  abblasen.  Es  wird  die  Verwirrung  ein  wenig 

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erhöhen.« Er setzte zum Sprechen an, stockte aber. Enttäuscht fuhr er herum. 

Drei Schotte waren gleichzeitig auf geglitten. Aus den Türen traten drei  hohe,  schwarze  Gestalten,  deren  Umrisse  nur  unscharf  zu erkennen waren. Order‐4 wußte sofort, daß es sich nicht um Solaner handelte. Fremde? Extras? »Was wollt  ihr hier?« herrschte  er  sie  in  befehlsgewohntem Ton 

an. »Seht  ihr nicht, daß  ihr stört? Als euer High Sideryt befehle  ich euch, die Zentrale sofort zu verlassen!« Die  unheimlichen Gestalten  antworteten  nicht.  Stumm  näherten 

sie sich dem Order, der nur ein wenig kleiner als sie selbst war. Von drei  Seiten  kamen  sie  heran,  die  vierte  Seite  war  von  den Steueranlagen der SZ‐1 versperrt. Ein Entkommen war unmöglich. »Wer seid ihr? Was wollt ihr?« schrie Order‐4, der langsam begriff, 

daß etwas nicht stimmte. Seine rechte Hand fuhr nach unten, wo der Strahler baumelte. »Er weiß  es  nicht«,  klang  es  aus den Körpern der Troiliten:  »Er 

sucht nach den Informationen!« Noch fünf Meter waren sie von Order‐4 entfernt, da verlor dieser 

die Nerven. Er riß den Strahler heraus, stellte  ihn eilig auf höchste Intensität und schoß. Die  Troiliten  waren  für  Sekunden  in  ein  waberndes  Feld  aus 

gleißender  Energie  gehüllt.  Sie  traten  ein  wenig  zusammen,  als könnten  sie  sich  dadurch  besser  schützen.  Dann  begannen  sie dröhnend zu lachen. Order‐4  stellte  fluchend das Feuer  ein und warf den  Strahler  zu 

Boden. »Ich weiß  jetzt, wer euch gesandt hat«, zischte er kalt. »Was wird 

geschehen?« »Wir  führen  den  Auftrag  aus,  mehr  nicht«,  erwiderten  die 

Troiliten. Sie packten den  falschen Deccon und nahmen  ihn  in  ihre Mitte.  Dann  geleiteten  sie  ihn  aus  der  Zentrale  hinaus.  Ihr Weg deutete auf den Mittelteil des Schiffes hin. 

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Die Troiliten erregten erhebliches Aufsehen. Sie wurden mit ihrem Gefangenen  von  etlichen  Solanern  gesehen,  die  zuerst  neugierig näher kamen, bei  ihrem Anblick aber  schreiend davonrannten. Sie nahmen es kommentarlos zur Kenntnis. Als sie sich der Hauptzentrale im Mittelteil näherten, da waren sie 

schon  so bekannt, daß es kein Versteckspiel mehr gab. Das hatten die  Troiliten  auch  nicht  im  Sinn.  Sie  erledigten  ihren  Auftrag konsequent. Am  Eingang wurden  sie  bereits  erwartet. Die Magniden waren 

vollzählig  erschienen.  Schweigend  nahmen  sie  das  gefangene Duplikat Deccons in Empfang und reichten es weiter. »Wir sind von SENECA unterrichtet und wissen von Bora St. Felix 

das Nötige«,  erklärte Wajsto Kölsch.  »Ihr  zählt  euch  also nicht  zu SOLAG.« »Wenn du damit meinst, daß wir uns euch nicht unterordnen, hast 

du  recht«,  antworteten  die  Troiliten.  Wie  immer  sprachen  sie gemeinsam. »Was  ist  an  euch Besonderes, daß  ihr die Ebenbilder müheloser 

einfangen  könnt,  während  wir  über  fünf  Doppelgänger  nicht hinauskamen?« fragte Kölsch. »Es  liegt  an  unserer  Fähigkeit,  weitere  Entfernungen  ohne 

Zeitverlust zurückzulegen. Wir lokalisieren unser Opfer und kreisen es ein. Das ist der Grund unserer Dreiheit.« »Und ihr geht ohne Waffen vor!« erkannte Kölsch richtig. Die  Troiliten  erwiderten  nichts  darauf.  Sie  überließen  es  dem 

gefangenen Order, zu berichten. Sie hatten das Nötigste gesagt und verabschiedeten sich auf ihre Weise. Vor den Augen der Magniden verschwammen die Konturen der drei Geschöpfe und lösten sich in rote Glut  auf,  die  überganglos  verschwand. Die Magniden waren mit Order‐4 allein.   

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 Teddy  wackelte mit  den  großen,  tellerförmigen  Ohren  und  legte leicht den Kopf zur Seite. Er nickte fortwährend. »Alles schön und anschaulich«, sagte er. »Und es ist noch schöner, 

wenn man  es mit  eigenen  Augen  erleben  kann.  Ich  werde  euch begleiten.« Er  sagte  es  und  tat  es. Die  drei  Troiliten  ließen  keine  Reaktion 

erkennen,  aber  sie  taten  nichts,  ihn  an  seiner Absicht  zu  hindern, und so  folgte  ihnen Teddy  im Abstand von wenigen Metern  in die SOL hinein. Den Extra hatte das  Jagdfieber  gepackt. Die Troiliten hatten das 

Pech  gehabt,  in  der  Nähe  seines  Standes  im  »Bahnhof«  zu materialisieren. Sie wurden den Extra nicht mehr los. Teddy  folgte  ihnen  auf  Schritt  und  Tritt.  Ja,  er  entwickelte  eine 

beachtliche Ausdauer. Mehrmals  lösten  sich die Troiliten auf, weil sie  eine  Spur  gefunden  hatten,  jedoch  eine  größere  Distanz überbrücken  mußten.  Dann  stellte  sich  Teddy  an  den  nächsten Interkom,  lauschte  den  Meldungen  und  setzte  sich  mit  einem Tempo  in  Bewegung,  das  man  seinem  behäbig  erscheinenden Körper nicht zugetraut hätte. Er fand die Troiliten und sagte: »Ihr könnt weitermachen, ich bin wieder da!« Die  drei  Geschöpfe  taten,  als  hätten  sie  ihn  nicht  bemerkt.  Sie 

eilten  schnell  und  mit  fließenden  Bewegungen  durch  das  Schiff. Plötzlich aber blieb Teddy stehen. »Was  soll  das?«  brummte  er  und  versuchte,  hinter  den  Sinn  zu 

kommen. Die Troiliten trennten sich und eilten in verschiedenen Richtungen 

davon.  Teddy  überlegte  kurz,  dann  folgte  er  dem  hintersten  von ihnen. Es  ging  durch  zwei  Wohnungen  hindurch  auf  einen 

Parallelkorridor,  von  dort  aus  eine  Befehlsleiter  empor  zu  einem Oberlicht,  von  dem  aus man  in  eine  Halle  sehen  konnte.  Teddy kletterte fleißig mit. 

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Der Troilite schlug aber nicht etwa das Fenster ein. Er äußerte sich auch nicht.  Schnell kletterte  er  zurück und  stieß dabei Teddy von der Leiter. Der  Extra  fing  sich mit Händen  und  Füßen  ab  und  entging  so 

schmerzhaften Verletzungen. Aber er hatte Mühe, sich aufzuraffen und der schwarzen Gestalt weiter zu folgen. Er sah sie um eine Ecke verschwinden, aber als er dort ankam, war von  ihr nichts mehr zu sehen. Diesmal war Teddy ratlos. Er fragte herum, doch niemand konnte 

ihm einen Hinweis geben. Der Extra war ein wenig traurig. Er hatte für seine große Tat, einen 

der Deccons zu fangen, kein Lob erhalten. Die Magniden hatten ihm nicht gedankt. Jeder andere hätte sich zurückgezogen und beschlossen, nie mehr 

einen Finger  für das Schiff  zu  rühren. Nicht  so Teddy. Er gehörte bereits der zweiten Enfeddi‐Generation an, die in der SOL lebte, seit die  Pyrriden  einen  ganzen  Schwarm  dieser  Wesen  mit  an  Bord gebracht  hatten.  Ein  Teil  der  Familie  war  den  immer wiederkehrenden  Monster  Jagden  zum  Opfer  gefallen,  aber inzwischen  waren  diese  furchtbaren  Zeiten  ja  vorbei.  Teddy bewegte sich wie alle Extras frei und konnte überall hingehen, wo er hingehen wollte. Für  Teddy  war  das  Schiff  die  Heimat  für  alle  Solaner, 

insbesondere  die  Buhrlos,  zu  denen  er  sich  hingezogen  fühlte. Irgendwann, hatte er sich vorgenommen, würde er einmal in einem Raumanzug mit hinausgehen. Noch nie hatte  er beobachtet, wenn die Gläsernen um das Schiff tanzten. Teddy wurde zu weiterer Leistung angestachelt. Er hatte sich auf 

die  Spur  der  Troiliten  gesetzt,  um  einen  neuen  Erfolg  feiern  zu können  oder  zumindest  dabeizusein,  wenn  sie  einen  der Doppelgänger fingen. Er  hatte  Pech  gehabt,  niemand  konnte  ihm  den  neuen 

Aufenthaltsort der Schwarzen mitteilen. Da half der Zufall. 

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Teddy schlich gedrückt zum nächsten Antigrav, als er hinter sich ein  Geräusch  hörte.  Jemand  kam  gerannt.  Ruckartig  wandte  der Extra  sich  um  und  starrte  in  das  schweißnasse  Gesicht  Chart Deccons. Die meisten  Solaner wären  anstandslos  zur  Seite  gewichen  und 

hätten viel zu spät daran gedacht, daß es nicht der High Sideryt sein könnte. Nicht so Teddy. Der Order hatte ihn bereits erreicht und hastete an ihm vorbei. Teddy streckte geistesgegenwärtig einen Fuß aus, und der falsche 

Deccon flog in hohem Bogen durch die Luft und landete klatschend auf  dem  glänzenden  Korridorboden,  wo  er  ein  paar  Meter entlangrutschte. Benommen blieb er liegen. Der Extra sah, daß vor  ihm der Gang rot zu  leuchten begann. Er 

kannte die Erscheinung schon. Im selben Augenblick erschienen die Troiliten  als  schwarze  Schemen und nahmen Konturen  an. Ruhig, fast  interesselos  schritten  sie auf den am Boden Liegenden zu, der die Augen geschlossen hielt. Sie bückten sich, hoben den Order auf, als  sei  er  ein  Stück  Papier,  und  trugen  ihn  davon.  Teddy  blickte ihnen sprachlos nach. »Danke  auch«,  flüsterte  er  und  dachte  daran,  daß  die  Troiliten 

unbedingt Geschöpfe  der  Solaner  sein mußten,  denn  die  besaßen auch keine Manieren. Er gab es auf, weitere Ebenbilder des High Sideryt zu  fangen. Er 

kehrte  zu  seinem  Stand  zurück  und  wartete  auf  die  weitere Lieferung Klaster.   

8.  Es waren  elf.  Innerhalb  kürzester Zeit  hatten die  Troiliten  alle  an Bord befindlichen Ebenbilder aufgestöbert und zu den Magniden in die Hauptzentrale gebracht. Teilweise waren sie auf Schwierigkeiten gestoßen, aber es hatte sie nicht behindert. 

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Die  Magniden  erkannten,  daß  die  Zeit  der  Entscheidung gekommen  war.  Sie  waren  nervös.  Kölsch  schickte  Nurmer  und Herts  zusammen mit  ein  paar  Ferraten  zu  den  Kabinen,  um  alle Deccons in die Hauptzentrale zu holen. Fünf hatten sie dort stecken, alle hatten  sie ein  falsches Kästchen gehabt. Bei den übrigen  sechs hatten sie noch keine Probe gemacht. Lyta Kunduran führte das Kommando in der Zentrale. Sie schärfte 

allen Magniden ein, daß diese sich nicht durch das unterschiedliche Aussehen  der  Kleidung  täuschen  lassen  sollten.  Vier  der Doppelgänger trugen nicht die grüne Bordkombination, sondern die aus  kleinen,  blauen  Plättchen  angefertigte,  rüstungsähnliche Uniform  des High  Sideryt.  Es war  durchaus möglich,  daß  keiner von diesen der echte Deccon war. Die Magnidin  wandte  sich  ab.  Sie  konnte  die  ohne  Ausnahme 

schweigenden  Ebenbilder  nicht mehr  ansehen.  Bis  in  die  feinsten Haarfasern  glichen  sie  Chart  Deccon,  nicht  einmal  Hage Nockemann  hatte  einen  Unterschied  herausfinden  können.  Der Galakto‐Genetiker befand sich auf dem Weg in die Zentrale. In diesem Augenblick sah Bit aus den Augenwinkeln die rote Glut, 

die  sich mitten  in  der Zentrale  bildete.  Sie  dunkelte  rasch  ab,  die Gestalten  der  drei  Troiliten  schälten  sich  heraus.  Sie  bildeten  sich aus  der  seltsamen  energetischen  Erscheinung,  als  sei  es  das Alltäglichste  auf  der Welt,  nach  Belieben  zu  erscheinen  oder  zu verschwinden.  Für  die  Solaner  war  es  ganz  im  Gegenteil  ein gespenstischer Vorgang,  und  die  Troiliten  hatten  in  den wenigen Stunden  ihrer Suche ausreichend Verwirrung und Panik unter den Solanern ausgelöst. »Unser Auftrag  ist ausgeführt«, erklärten sie mit  ihrem dumpfen 

Stimmen.  »Damit  ist  unsere  Existenz  unnötig  geworden,  und wir werden an unseren Ausgangsort zurückkehren.« »Wo  ist  dieser  Ort?«  fragte  Bit  schnell.  »Liegt  er  innerhalb  der 

Fünfhundert‐Meter‐Kugel SENECAs?« Die Troiliten antworteten nicht darauf. Sie  sagten  lediglich noch: 

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»Alle Deccons sind aufgespürt.« Gebannt  verfolgten  die  in  der  Zentrale  anwesenden Magniden, 

wie  sich  die  drei  geheimnisvollen  Wesen  auflösten.  Sie verwandelten  sich  in  einen  schemenhaften, dunklen Vorhang, der immer  heller  wurde,  bis  er  intensiv  strahlend  verschwand.  Und Wajsto Kölsch rief: »Nichts mehr, aus. Die Meßgeräte zeigen nichts an.« Bit trat zu Kölsch und ließ sich die Aufzeichnungen zeigen, die der 

Magnide  während  der  mehrfachen  Anwesenheit  der  Troiliten gemacht hatte. Diese bestanden ohne Zweifel aus Energie, aber sie ließ  sich  nicht  identifizieren.  Curie  brummelte  etwas  von Formenenergie, das Lyta aufhorchen ließ. »Ich weiß aus verschiedenen Aufzeichnungen in untergeordneten 

Speichern,  daß  SENECA  früher  ausreichende  Kontakte  hatte, mit denen  ein Vorgang, wie die Troiliten  ihn  bildeten,  erklärt werden könnte«,  sagte  sie.  »Den  Hauptteil  des  Wissens  darum  dürfte allerdings  jener High  Sideryt  besessen  haben,  der  die  Entstehung der  drei  Wesen  verursachte.  Wissenschaftler  haben  sicher  dabei geholfen!« Kölsch meinte: »Formenergie ist meßbar und nachweisbar. Es muß 

eine Variante sein oder eine uns völlig unbekannte Energieart.« Sie hätten sich bestimmt weiter darüber unterhalten, wenn es ein 

erstrangiges Problem gewesen wäre.  So  aber  standen ganz  andere Dinge  im Vordergrund.  SENECA hatte  sie wissen  lassen, daß mit dem Abschluß der Arbeit der Troiliten die Gefahr für das Schiff und seine Bewohner beseitigt sein würde. War alles wieder in Ordnung? Nurmer und Herts betraten die Zentrale, hinter sich die Ferraten 

mit  den  fünf Doppelgängern.  Es war  ein  gespenstischer Anblick, wie die Deccons zu den übrigen  traten. Sie bildeten eine Reihe, als könnten  sie  dadurch  eine Abwehrfront  gegenüber  den Magniden aufbauen. Die Brüder und Schwestern der ersten Wertigkeit waren sich nicht 

einig,  wie  sie  nun  reagieren  sollten.  Schweigend  starrten  sie  die 

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Mauer aus Doppelgängern an, elf an der Zahl, von denen einer der echte Deccon sein mußte. Einer! In Lyta Kunduran verstärkte sich das Gefühl der Beklemmung. Sie 

glaubte  für  ein paar Sekunden, daß man  ihnen Theater vorspielte, daß  alles  ein groß  angelegtes Täuschungsmanöver war, um  sie  zu verwirren.  Hatten  die  Troiliten  tatsächlich  in  SENECAs  Auftrag gehandelt? Die  Biopositronik  hatte  sich  nicht  mehr  gemeldet.  Auch  ein 

Versuch  der  Magnidin,  sie  anzurufen,  war  fehlgeschlagen.  Die Erklärung  dafür  existierte  schon  lange,  sie  lag  in  der Unberechenbarkeit der Störung begründet, die von SENECA selbst auch erkannt worden war. Die Ferraten postierten sich auf einen Wink Ursula Growns an der 

Wand  neben  dem  Eingang.  Sie  trugen  die  Strahler  offen  in  den Händen.  Die  Waffen  waren  schußbereit,  aber  ihre  Mündungen zeigten zu Boden. Daneben gab es noch Roboter, die  immer reglos an den Wänden standen und auf einen Einsatzbefehl warteten. Bit hatte  sie desaktivieren  lassen. Sie gehorchten  in erster  Instanz den Anweisungen  High  Sideryt,  und  angesichts  von  elf  Ausgaben Deccons  hätte  es  leicht  zu  positronischen  Defekten  und unvermuteten  Handlungen  der  Roboter  kommen  können.  Denn auch  sie  besaßen  keine Möglichkeit, den  echten High  Sideryt  von den falschen zu unterscheiden. Die Magniden warteten weiter. Sie warteten auf das Eintreffen von 

Hage  Nockemann,  der  sie  auf  Umwegen  von  seinen  jüngsten Erlebnissen mit  den  Ebenbildern  unterrichtet  hatte.  Der  Galakto‐Genetiker hatte seither unermüdlich gearbeitet. Tag und Nacht hatte er nach einer Möglichkeit gesucht, doch noch eine Unterscheidung treffen  zu  können.  Dutzende  von  Malen  hatte  er  die Gewebestrukturen der Orderinnen untersucht,  sie mit denen  ihrer Kinder, der Order, verglichen und Deccons Struktur hinzugezogen. Je länger er es getan hatte, desto stärker war in ihm das Bewußtsein einer unheimlichen Gefahr gewachsen. Er wußte nicht, was es sein 

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könnte.  Aber  er  glaubte  langsam,  daß  das  Problem  nicht  in  den vordergründigen Dingen zu suchen war, die sich vor  ihren Augen abspielten. Nockemann beschloß, ganz besonders wachsam zu  sein und alle 

Ereignisse auf ihre Interpretationsmöglichkeiten hin zu überprüfen. Wie er das tun könnte, wußte er allerdings noch nicht.   

*  »Hage, was meinst du dazu?« Die Frage des Magniden klang  fast wie ein Hilferuf. Nockemann 

musterte die nebeneinander aufgereihten Deccons und zählte zum wiederholten Mal nach. Es waren und blieben elf. Der Galakto‐Genetiker zögerte mit einer Antwort. Er selbst hatte ja 

auf  die  Problematik  des Kästchen‐Beweises  aufmerksam  gemacht. Wie es aussah, hatten sie keine andere Wahl. Nockemann  sah  die Magniden  an,  blickte  dann wieder  auf  die 

Ebenbilder, die sich nach wie vor in Schweigen hüllten. »Ich  kann  nicht  beweisen,  welcher  es  ist«,  antwortete  er 

schließlich. »Aber einer muß der echte Deccon sein.« Er deutete auf die sechs, die noch  ihr Kästchen besaßen. Unter  ihnen waren auch die vier, die die blaue Kleidung trugen. Die Auswahlmöglichkeiten waren nicht sehr groß. »Also  gut!«  Wajsto  Kölsch  gab  sich  einen  Ruck.  Er  winkte 

Vinderman, der seine Waffe hob und vortrat. »Kleinste  Intensität!« mahnte  der Magnide  den  Ferraten.  »Fang 

an!« Vinderman  trat  an  die  Reihe  der  Ebenbilder  heran.  Langsam 

richtete er die Waffe von der Seite auf das erste Kästchen, drückte ab und  stieß  einen  Ruf  aus.  Unter  dem minimalen  Strahl,  der  nicht einmal die Kleidung des Deccon versengte,  löste sich das Kästchen in Nichts auf. Nur noch die Kette, mit der es um den Hals getragen 

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worden war, hing an der Brust des Doppelgängers. Vinderman zögerte, aber Gallatan Herts gab ihm einen Wink. »Weiter!« schrillte der Magnide. Der Ferrate zielte auf das zweite Kästchen, und auch dieses  löste 

sich  auf.  Ebenso  das  dritte  und  vierte.  Alle  waren  Imitationen gewesen. Die Spannung in der Zentrale stieg sprunghaft an. Gebannt hingen 

die  Augen  der  Anwesenden  an  dem  Strahler,  den  Vinderman bediente.  Der  nächste  Deccon  trug  eine  gewöhnliche Bordkombination.  Er  zuckte  nicht mit  der Wimper,  als  der  Strahl jetzt auf sein Kästchen traf, ein wenig schräg und die Kombination verfärbend.  Das  Kästchen  verschwand,  und  Vinderman  ließ erleichtert die Waffe sinken. »Der  da  ist  es!«  sagte  er  und  deutete  auf Deccon,  der  noch  als 

einziger ein Kästchen trug. Lyta Kunduran rief  laut: »Keine Tricks. Auch sein Kästchen muß 

getestet werden!« Wieder  hob  Vinderman  die Waffe  und  zielte.  Er  schoß  auf  das 

Kästchen, aber es  reagierte nicht. Er drehte am Energie  regier und probierte es erneut. Das Kästchen blieb und löste sich nicht auf. Der  Ferrate  nahm  den  Finger  vom  Feuerknopf  und  steckte  den 

Strahler wieder ein. Er ging hinüber zu seinen Kameraden, die ihm bewundernd entgegenblickten. Noch  immer  blieb  die  Spannung  erhalten.  Vor  den  Magniden 

stand Hage Nockemann, und noch  immer  lasen  sie die Zweifel  in seinem Gesicht. Der Galakto‐Genetiker hätte ein beruhigendes Wort sagen können, das die Situation geklärt hätte. Er konnte es nicht tun, er war mit seinem Wissen am Ende. Er nickte nur und trat zur Seite, um  den Magniden  Platz  zu machen.  Sie  sollten  die  Entscheidung ohne ihn treffen. In  diesem  Augenblick  wurde  ihnen  die  Entscheidung 

abgenommen. Der Deccon, dessen Kästchen unzerstörbar war und der auch noch die blaue Kluft des High Sideryt trug,  löste sich aus 

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der Rehe der Ebenbilder und schritt den Magniden entgegen. »Ihr glaubt nicht, wie  froh  ich bin, daß alles vorbei  ist«,  sagte er 

mit  seiner grollenden Stimme. »Wir haben gewonnen. Der Einsatz der Troiliten hat uns gerettet.« Die Magniden atmeten auf. Die Spannung fiel von ihnen ab. Rufe 

der Erleichterung wurden  laut. Aber noch  etwas anderes geschah. Nurmer  entdeckte  es  als  erster.  Mit  weit  aufgerissenen  Augen deutete er auf die Ebenbilder. »Nein«, krächzte auch der Galakto‐Genetiker. Die Körper der zehn Ebenbilder veränderten sich auf schreckliche 

Weise.  Sie  alterten  in  Sekundenschnelle. Die  fleischigen Gesichter, die  in  hohem  Rot  glänzten,  wurden  faltig  und  rissig.  Auf  den Glatzen  bildeten  sich  Falten.  Wie  ein  im  Zeitraffertempo ablaufender Film zeigten sie einen Prozeß, der genau so unglaubhaft wirkte wie alles, was bisher geschehen war. Die Körper der Order zerfielen zu Staub und  regneten als kleine 

Häufchen zu Boden. Nur ihre Kleidung blieb erhalten. Sie legte sich wie ein Leichentuch über den Staub, deckte ihn zu. Hage Nockemann  sprang  vor.  Er  faßte  die  grünen  und  blauen 

Kleidungsstücke, wühlte  darin.  Er  schüttelte  sie  aus,  aber  es  kam nichts anderes zum Vorschein als Staub. Die zehn Order hatten sich aufgelöst. Der  Galakto‐Genetiker  war  blaß,  als  er  sich  aufrichtete.  Seine 

letzten  Zweifel  waren  jetzt  beseitigt.  Bei  dem  Ebenbild mit  dem unzerstörbaren Kästchen handelte es sich um den High Sideryt. Es war der echte Deccon. »Die Erklärung für den Vorgang ist ebenso schwer wie die für die 

kurze Schwangerschaftszeit und das schnelle Erwachsenwerden der Order«,  sagte  Nockemann.  »Wir  werden  es  wahrscheinlich  nie erfahren,  warum  es  geschehen  ist  und  wie  die  Vorgänge zusammenhängen, aber wir können froh sein, daß es vorbei ist.« Er nickte den Magniden und Deccon zu und bat darum, den Staub 

zu  letzten Untersuchungen  in  sein  Labor  bringen  zu  dürfen. Der 

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High Sideryt gab ihm die Erlaubnis. Er wirkte ebenfalls erleichtert. Der Galakto‐Genetiker sammelte den Staub ein und transportierte 

ihn  ab.  Er  rechnete  nicht  damit,  daß  er  zu  neuen  Erkenntnissen gelangen würde. Er würde auf dem  jetzigen Wissensstand bleiben, ohne  jemals zu erfahren, was alles bedeutete und was  letztendlich die besondere Aufgabe der Orderin‐7 gewesen war, über die er von dem  von  ihm  auseinandergenommenen  Versorgungsroboter erfahren hatte. Und dabei  schien  es  ihm  irgendwie, daß das  einer der wichtigen Punkte überhaupt war. Chart Deccon sah ihm nach, dann musterte er die Magniden. »Erwartet keine Entschuldigung von mir«, sagte er nüchtern. »Es 

würde  zu  nichts  führen.  Wir  haben  es  überstanden,  das  ist  die Hauptsache!«   

EPILOG  Die  lange  Zeit  des  geduldigen Wartens  war  endlich  vorbei.  Der Sturm, den das Erscheinen der Ebenbilder  entfacht  hatte, war  am Abflauen, und bald würde er sich ganz gelegt haben. Nichts gab es dann noch, was die Situation beeinträchtigen würde. Chart Deccon saß in seiner Klause im Thronsessel und brütete vor 

sich  hin.  Er  wußte,  daß  die  Magniden  ihn  vom  Bildschirm  her verstohlen musterten. Nach einer Weile erhob er sich und nickte. »Euer Vorschlag ist gut«, sagte er. »Führt ihn aus.« Mit  einem  Handgriff  schaltete  er  ab.  Sie  waren  beruhigt, 

akzeptierten  ihn  als High  Sideryt. Das Ergebnis des Kästchentests würde  sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Niemand zweifelte mehr an ihm. Deccon setzte sich wieder in seinen Thron und massierte sich das 

fleischige Kinn. Alles hatte  funktioniert, die  erste Teilaufgabe war erfüllt.  Jetzt galt es, die SOL der Bestimmung zuzuführen, die  ihm aufgetragen worden war. 

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Deccon  wußte,  daß  es  sich  nicht  augenblicklich  in  die  Tat umsetzen ließ, denn dazu brauchte er auch die SZ‐2. Sie wollte er als erstes suchen. Sie operierte  in Flatterfeld, und er wußte, daß sie  im Begriff  war,  etwas  gegen  jene  Macht  zu  unternehmen,  die  ihn geschickt hatte. Das zu verhindern, würde zu seiner nächsten, kleinen Teilaufgabe 

werden.  Es  würde  nicht  weiter  schwierig  sein,  denn  die  Solaner standen fast geschlossen hinter ihm. Sie drängten ihn, endlich nach Atlan und der verlorengegangenen SOL‐Zelle zu suchen. Die  Troiliten  haben  die  Sache  sehr  beschleunigt,  dachte Deccon 

zufrieden. Ein guter Schachzug. Und dann versank der High Sideryt  in Gedanken  an die Macht, 

die hinter  allem  stand und der  er diente. Und  er wußte, daß  ihm nichts mehr  im Weg  stand, den gesamten Auftrag durchzuführen. Der Weg war frei. Order‐7‐B  lächelte  versonnen  und  betrachtete  das  Muskelspiel 

seiner  mächtigen  Oberarme.  Arme,  die  etwas  leisten  konnten. Langsam  strich  er  an  der  goldenen  Kette  entlang,  an  der  das Kästchen über seiner Brust hing. »Die SOL, unser Schiff«, flüsterte er, und er meinte sich und seinen 

Auftraggeber.   

ENDE   Zehn  Deccon‐Duplikate  fielen  der  Auflösung  zum  Opfer  –  doch  das  elfte konnte den Platz des echten High Sideryt übernehmen und beherrscht nun die SOL an Deccons statt. Wozu  das  führt,  das  schildert  Falk‐Ingo  Klee  im  Atlan‐Band  der  nächsten Woche. Der Roman erscheint unter dem Titel: DECCON GEGEN DECCON