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M. Riat, Grundlagen der Musik 81 TONERZEUGUNG IN MUSIKALISCHEN INSTRU- MENTEN Es gibt hauptsächlich zwei Arten, Schall zu erzeugen. Im ersten Fall wird der Schall durch eine einmalige Energieabgabe erzeugt, die sich in akustische Energie verwandelt. Es entstehen sogenannte Übergangsschwingungen. Solche werden etwa beim Niederdrücken einer Klaviertaste oder beim Anschlagen einer Glocke mit dem Klöppel erzeugt. Übergansgschwingungen haben eine begrenzte Dauer, da sich die beigetragene Energie allmählich in Wärmeenergie verwandelt. Die zweite Art der Tonerzeugung beruht auf der stetigen Zufuhr von Energie und erlaubt theoretisch, zeitlich unbegrenzte Töne zu erzeugen. Man spricht von unterhaltenen Schwingungen. Sobald die Energiezufuhr unterbrochen wird, befinden sich die Schwingungen in einer ähnlichen Lage, wie die Übergangsschwin- gungen und flauen ab. Wie schon Tyndall in seinem Buch "Lectures on Sound" bemerkte, äussert sich die Reibung immer in rhythmi- scher, nicht in kontinuierlicher Form, und dieser Rhythmus liegt dem erzeugten Ton zugrunde. So kann etwa das Pfeifen eines Ge- schosses in der Luft, aber auch das Anstreichen eines Bogens auf ei- ner Violinsaite als Beispiel angeführt werden. Wie wir es bereits im Kapitel 'DIE SAITE ALS TONERZEUGER' sa- hen, kann eine gespannte Saite Schwingungen der beiden hier be- sprochenen Arten erzeugen. Im Fall der Geige werden die beiden Schwingungsarten in einem einzigen Instrument vereint, werden die Saiten der Geige doch zumeist mit dem Bogen angestrichen, zeit- weise aber auch mit den Fingern angezupft, was mit dem italieni- schen Namen Pizzicato bezeichnet wird. Ohne uns weiter mit den Saiteninstrumenten zu beschäftigen, ge- hen wir hier zu einer ganz anderen Schallquelle über, dem Rohr (oder Pfeife), in dem eine Luftsäule in Eigenresonanz schwingt. Die Luftsäule bildet die Grundlage der meisten Blasinstrumente. Ihr Typ entspricht fast ausschliesslich den unterhaltenen Schwingungen. Wir erwähnten bereits ein schönes Beispiel einer Schwingenden Luftsäule, nämlich die in der Kundtschen Röhre schwingende, um die Erscheinung der STEHENDEN WELLE zu erläutern. Die Kundtsche

ONERZEUGUNG IN MUSIKALISCHEN NSTRU MENTEN · eingeteilt werden, die Mundstücke mit einfachem Rohrblatt, wie in der Klarinette oder dem Saxophon, die Mundstücke mit doppeltem Rohrblatt,

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M. Riat, Grundlagen der Musik 81

TONERZEUGUNG IN MUSIKALISCHEN INSTRU-MENTEN

Es gibt hauptsächlich zwei Arten, Schall zu erzeugen. Im erstenFall wird der Schall durch eine einmalige Energieabgabe erzeugt, diesich in akustische Energie verwandelt. Es entstehen sogenannteÜbergangsschwingungen. Solche werden etwa beim Niederdrückeneiner Klaviertaste oder beim Anschlagen einer Glocke mit demKlöppel erzeugt. Übergansgschwingungen haben eine begrenzteDauer, da sich die beigetragene Energie allmählich in Wärmeenergieverwandelt. Die zweite Art der Tonerzeugung beruht auf der stetigenZufuhr von Energie und erlaubt theoretisch, zeitlich unbegrenzteTöne zu erzeugen. Man spricht von unterhaltenen Schwingungen.Sobald die Energiezufuhr unterbrochen wird, befinden sich dieSchwingungen in einer ähnlichen Lage, wie die Übergangsschwin-gungen und flauen ab. Wie schon Tyndall in seinem Buch "Lectureson Sound" bemerkte, äussert sich die Reibung immer in rhythmi-scher, nicht in kontinuierlicher Form, und dieser Rhythmus liegtdem erzeugten Ton zugrunde. So kann etwa das Pfeifen eines Ge-schosses in der Luft, aber auch das Anstreichen eines Bogens auf ei-ner Violinsaite als Beispiel angeführt werden.

Wie wir es bereits im Kapitel 'DIE SAITE ALS TONERZEUGER' sa-hen, kann eine gespannte Saite Schwingungen der beiden hier be-sprochenen Arten erzeugen. Im Fall der Geige werden die beidenSchwingungsarten in einem einzigen Instrument vereint, werden dieSaiten der Geige doch zumeist mit dem Bogen angestrichen, zeit-weise aber auch mit den Fingern angezupft, was mit dem italieni-schen Namen Pizzicato bezeichnet wird.

Ohne uns weiter mit den Saiteninstrumenten zu beschäftigen, ge-hen wir hier zu einer ganz anderen Schallquelle über, dem Rohr(oder Pfeife), in dem eine Luftsäule in Eigenresonanz schwingt. DieLuftsäule bildet die Grundlage der meisten Blasinstrumente. Ihr Typentspricht fast ausschliesslich den unterhaltenen Schwingungen.

Wir erwähnten bereits ein schönes Beispiel einer SchwingendenLuftsäule, nämlich die in der Kundtschen Röhre schwingende, umdie Erscheinung der STEHENDEN WELLE zu erläutern. Die Kundtsche

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Röhre ist beidseitig abgeschlossen. Eine an einem Ende der Röhreerzeugte Welle durchläuft die ganze Röhre, wird an der gegenüber-liegenden Wand reflektiert, durchläuft die Röhre im entgegenge-setzten Sinn und wird an der ersten Wand reflektiert. Stimmt die Pe-riode T der erzeugten Schwingung mit der Zeit überein, welche dieWelle braucht, um den erwähnten Weg zurückzulegen, befindet sichdie Luft im Rohr in Resonanz und es entsteht eine stehende Wellemit einem Knoten an jedem Ende der Röhre. Da die beiden Formeln

T· v L· 2 = und T

1 f = gelten, ist die Grundfrequenz der Re-

sonanz in einer Röhre L· 2

v f = .

Wird die Luft in der Röhre mit einer der Frequenzen 2·f, 3·f,4·f, ..., n·f gereizt, entsteht wieder Eigenresonanz, aber diesmal miteiner stehenden Welle mit n+1 Knoten.

Dank dieser Tatsache kann die Kundtsche Röhre zur indirektenMessung der Schallgeschwindigkeit in der Luft (oder einem anderenin der Röhre befindlichen Gas) dienen. Newton hatte eine Formelerarbeitet, um diese Geschwindigkeit zu berechnen. Leider ist dieÜbereinstimmung der experimentell ermittelten Resultate und dertheoretischen Werte unbefriedigend. Die Formel wurde von Laplaceverbessert und die neue Formel wurde 1829 durch Dulong erprobt,der die Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Gasen ermittelte,wobei er eine der Kundtschen Röhre ähnliche Einrichtung verwand-te. Dulong versetzte die Röhre in Resonanz, indem er einen Luft-strahl einblies, der schnell genug war, um höhere Partialtöne zu er-wecken. Dann wurde der Kolben vorgeschoben, bis der gleiche Tonwieder zu hören war. Nun hatte es einen Bauch und einen Knotenweniger und der Abstand zwischen den beiden Kolbenstellungenentsprach der halben Wellenlänge des Tons. Eine Laborsirene er-laubte es, die Höhe des Prüftons genau zu ermitteln. Dies sind einpaar der von Dulong gefundenen Resultate:

Gas Schallgeschwindigkeit in m/sLuft 333,00Sauerstoff 317,17Wasserstoff 1269,50Kohlendioxid 261,60Kohlenmonoxid 337,40

Die Bauweise der in Musikinstrumenten eingesetzten Rohre ha-ben mit der Kundtschen Röhre im allgemeinen nicht viel gemein-

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sam. Vielmehr kommen ein- oder beidseitig offene Röhren zur An-wendung.

Mit einem einseitig offenen Rohr kann ein ähnliches Experiment,wie mit der Kundtschen Röhre angestellt werden. Diese Anordnungentspricht dem weiter oben beschriebenen Resonator. Um uns dieLage besser vorstellen zu können, stellen wir uns vor, die Luftsäulesei in eine Folge von Scheiben mit veränderlichem Druck aufgeteilt.Die Welle besteht aus der Weitergabe eines gewissen Überdrucksvon einer Scheibe zur nächstfolgenden. Stösst am Ende der Röhredie Welle gegen eine Wand, wird die Richtung der Übermittlung desÜberdrucks umgekehrt, die Welle wird reflektiert. Was aber ge-schieht, wenn das Ende der Röhre offen ist? Die Kompressionswellewird durch die Öffnung dringen und hinter sich eine Unterdruckzonemit umgekehrter Fortsetzungsrichtung hinterlassen. Hier findet eineReflexion mit umgekehrtem Vorzeichen statt, die mit der Reflexionder letzten Kugel des Wellenmodells am Anfang dieses Buches ver-gleichbar ist, wenn die Kugel nicht an die Wand prallt. Also wurdedie Überdruck-Zone (oder Scheibe) zur Unterdruck-Zone, die in ge-genläufigen Sinn das Rohr durchlaufen wird, bis sie auf die Wandauftritt, wo sie (ohne Vorzeichenwechsel) reflektiert wird. Dann be-wegt sie sich wieder in Richtung der Öffnung fort.

Wir sehen also, dass bei einem offenen Rohr die Welle das Rohr 4mal durchlaufen muss, um einen Zyklus zu beenden. Ähnlich wiebei der Kundtschen Röhre können wir für die Grundfrequenz denfolgenden Wert berechnen:

L · 4

v f =

Diese Formel, sowie die nächste, die den Fall der beidseitig offe-nen Röhre beschreibt, wird dem Mathematiker Daniel Bernoull i zu-geschrieben.

Schaffen wir schliesslich eine Überdruckzone in einem beidseitigoffenen Rohr, wird der zu durchlaufende Weg folgendermassen aus-sehen: Reflektion mit verändertem Vorzeichen an einem Ende, Bil-dung einer Unterdruckwelle, welche das Rohr gegen die andere Öff-nung hin durcheilt , wo sie unter Vorzeichenwechsel reflektiert wird,so dass eine neue Überdruckwelle entsteht. In diesem Fall muss dieWelle nur zwei Rohrlängen durchlaufen, um einen Zyklus zu voll-enden. Die Formel von Bernoull i kann abgeleitet werden:

L · 2

v f =

Die stehende Welle in einer Kundtschen Röhre weist bei derGrundfrequenz einen Knoten an jedem Ende und einen bauch in derMitte auf. Das Gegenteil ist bei der beidseitig offenen Röhre de Fall.

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Wir symbolisieren diese Tatsache mit (kbk) im ersten und (bkb) imzweiten Fall. Verdoppeln wir die Frequenz, erhalten wir (kbkbk) imersten und (bkbkb) im zweiten Fall.

Vergleich der Rohre mit den Saiten

Bei der einseitig geschlossenen Röhre finden wir die Konfigurati-on (kb). Betrachten wir die nächste mögliche Konfiguration, (kbkb)bemerken wir, dass das Rohr in drei Segmente aufgeteilt wurde. Dienächste mögliche Unterteilung (kbkbkb) weist 5 Segmente auf. Dar-aus können wir den folgenden Schluss ziehen:

Eine beidseitig offene (oder beidseitig geschlossene) Röhre stehtzu allen natürlichen Vielfachen der Grundfrequenz in Resonanz,während eine einseitig geschlossene Röhre nur mit den ungeradenvielfachen der Grundfrequenz in Resonanz steht.

Auf den Gegenstand der Musik angewandt, kann diese Tatsachewie folgt ausgedrückt werden:

BEIDSEITIG OFFENE (ODER GESCHLOSSENE) ROHRE KÖNNEN ALLE

HARMONISCHEN PARTIALTÖNE DES GRUNDTONS WIEDERGEBEN;EINSEITIG OFFENE (ODER GESCHLOSSENE) ROHRE KÖNNEN NUR DIE

UNGERADEN PARTIALTÖNE ERZEUGEN.

Es sei auf die Tatsache hingewiesen, dass sich in diesem Zusam-menhang (wie auch bei den schwingenden Saiten) die Begriffe vonKnoten und Bäuchen auf die Geschwindigkeit der Partikel (nichtFrequenz!) in der entsprechenden Zone beziehen. Betrachten wir anStelle der Geschwindigkeiten den Druck in den entsprechenden Zo-nen, entsprechen den Druck-Bäuchen Geschwindigkeits-Knoten undumgekehrt.

Die Praxis hat gezeigt, dass die Formeln von Bernoulli nur einegute Annäherung an die Wirklichkeit bieten. Die Abweichungen vonden Formeln wurden mittels komplizierter mathematischer Modellezu erklären versucht, die aber nie volle Befriedigung gebracht haben.

Das ist vor allem in der Tatsache begründet, dass die offenen En-den eines Rohrs nie genau einem Bauch entsprechen, wie dies die

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Theorie verlangt. Die Instrumentenbauer haben diesen Mangel stetsdurch empirisch ermittelte Formeln auszugleichen versucht, wie et-wa die vom berühmten Orgelbauer Aristide Cavail lé-Coll entwik-kelten.

Wie bei jedem beliebigen Resonator, muss auch die Luftsäule ineinem Rohr erst angeregt werden. Dazu werden in den verschiede-nen Blasinstrumenten verschiedene Mundstücke eingesetzt. Diesekönnen in zwei Gruppen unterteilt werden: die ausschliesslich aufLuftschwingungen begründeten und die anderen, bei denen ein Be-standteil durch die strömende Luft zum Schwingen angehalten wer-den.

Die erste Gruppe von Mundstücken, die Flötenmundstücke oderLippenpfeifen, funktionieren aufgrund von Wirbeln, die die strö-mende Luft hinter einem Hindernis bilden. Die Frequenz mit dersich diese Wirbeln bilden, die man mit den Wirbeln vergleichenkann, die sich in einem Fluss hinter einem Stein bilden, bestimmt dieHöhe des Tons, der meist geringe Intensität aufweist, die aber dochdazu ausreicht, die Luft im Rohr zur Resonanz anzuregen. Diese ArtMundstücke erzeugt Töne derselben Klasse, wie das Pfeifen, dasstarker Wind erzeugt, wenn er sich an ein Hindernis, wie etwa an ei-ne Fernsehantenne, stösst.

Das Flötenmundstück kann mit einem Schnabel versehen sein,wie im Fall der Blockflöte. Bei der Querflöte haben wir es mit einemanderen Mundstück zu tun, bei dem die Resonanz im Rohr durchBlasen über ein Querloch erzeugt wird, was eine grössere Klangfar-ben-Variation zulässt, als das Schnabelmundstück. Es handelt sichum das gleiche Prinzip, wie bei der Panflöte. Je schärfer die Kanteist, über die geblasen wird, desto reicher ist der entstehende Ton anPartialtönen.

Die Blattmundstücke oder Zungenpfeifen können in drei Typeneingeteilt werden, die Mundstücke mit einfachem Rohrblatt, wie inder Klarinette oder dem Saxophon, die Mundstücke mit doppeltemRohrblatt, wie bei der Oboe, und schliesslich die Mundstücke mittönender Metallzunge, wie im Harmonium oder der Ziehharmonika.

Das Mundstück der Trompete und der meisten Metallblasinstru-mente können als Spezialfall der Mundstücke mit doppeltem Rohr-blatt angesehen werden, wobei die Lippen des Spielers die Funktionder beiden Blätter übernimmt. Die Form des Mundstücks und dieStellung der Lippen sind zwei Faktoren, welche die Klangfarbe die-ser Instrumente wesentlich beeinflussen.

In einer Luftsäule können verschiedene harmonische Töne erzeugtwerden. Harmonische Töne sind nicht mit Obertönen oder Partialtö-nen zu verwechseln, da ein Partialton (oder Oberton) einen reinen

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Sinuston darstellt , während ein harmonischer Ton mit der gleichenFrequenz seine eigenen Partialtöne aufweist. Dies gilt natürlich füralle Tonquellen, insbesondere auch für Saiteninstrumente.

Um die Blasinstrumente von ihrer Beschränkung auf die harmoni-schen Töne zu befreien wurden verschiedene Systeme eingesetzt.Das erste ist die Anordnung von verschiedenen Rohren, jedes für ei-ne bestimmte Note, wie bei der Orgel oder der Panflöte. Im Fall derBlechblasinstrumente bemerkten die Musiker schon seit dem XVIIIJahrhundert, dass sie durch Einführen der Hand in den Schallt richterdie wirksame Länge des Rohrs verändern konnten, was eine gewisseVeränderung der Tonhöhe bewirkte. Aber diese Manipulation zogauch eine meist unerwünschte Veränderung der Klangfarbe nachsich.

Später wurden die Ventile entwickelt, eine Art Hähne, die es er-laubten, ein zusätzliches Stück Rohr per Knopfdruck dazwischenzu-schalten. Mit drei oder vier Ventilen wurden die meisten Blechblas-instrumente zu chromatischen Instrumenten.

Im Fall der Flöte, der Klarinette usw. ist das Rohr in verschiede-nen Abständen mit Löchern versehen, und man könnte meinen, derAbstand vom Mundstück zum ersten offenen Loch bestimme die ef-fektive Länge des Rohres. Aber die Dinge sind nicht so einfach, undeine Flöte benimmt sich auch ein wenig wie ein Resonator vonHelmholtz, bei dem die Frequenz sich hauptsächlich in Funktion derinneren Oberfläche verändert. Die Anordnung der Löcher in einemBlasinstrument ist Frucht der Erfahrung von Generationen von In-strumentenbauern und kann nicht in eine einfache mathematischeFormel gekleidet werden.

Hier sei auch ein weiterer Nachteil der Blasinstrumente erwähnt,der sich vor allem in den Epochen äusserte, als die Höhe des LasOrtsabhängig war: Das Problem der Stimmung. Eine Flöte kanndurch Einstellen des Abstandes zwischen dem Mundstück und demersten Loch gestimmt werden. Aber nur in einem ganz bestimmtenAbstand behalten die Frequenzen der verschiedenen Töne die opti-malen Verhältnisse zueinander. Andererseits muss beachtet werden,dass bei kräftigem Blasen der Ton einer Flöte leicht anzusteigenpflegt, was dazu ausgenutzt werden könnte, kleine Stimmungsdiffe-renzen auszugleichen.

Ein durch seine spezielle Anfertigung auffallendes Musikinstru-ment verdient es, hier erwähnt zu werden, nämlich die OKARINA, einganz aus Terrakotta bestehendes Blasinstrument. Es handelt sich da-bei im wesentlichen um einen Helmholtzschen Resonator mit einemFlötenmundstück und einer Anzahl Löcher, um die Resonanzfre-quenz zu variieren. Normalerweise hat es zwei Lochgrössen, eine für

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die Halbtöne, eine für die Ganztöne. Jedes mit einem Finger ver-stopfte Loch erniedrigt die Tonhöhe um den der Lochgrösse entspre-chenden Betrag, wobei, zumindest theoretisch, die Lage des Lochskeinen Einfluss hat. Nur seine Oberfläche ist ausschlaggebend.

Obwohl die Saiteninstrumente und die Blasinstrumente die beidenwichtigsten Gruppen von Musikinstrumenten darstellen, können dieOrchester auf eine weitere Gruppe von Instrumenten nicht verzich-ten, die besser geeignet ist, den Rhythmus zu markieren, als dieMelodie und die Harmonie darzustellen. Wir beziehen uns auf dieSchlaginstrumente35. Diese sind meist auf die von STANGEN,PLATTEN und MEMBRANEN hervorgerufenen Schwingungen begrün-det.

Die Stangen in Form eines Parallelepipeds können im Wesentli-chen auf vier Arten schwingen: Längsschwingungen, Querschwin-gungen in die eine oder andere Richtung und Drehschwingungen.Die Kombination der verschiedenen Schwingungen hängt im we-sentlichen von der Anregung (also vom Ort, der Richtung, der Kraftdes Anschlags oder der Reibung, von der Konsistenz des anregendenObjekts usw.), von der Befestigung der Stange (an einem Punkt odereinem anderen, an zwei Punkten) und schliesslich vom Material ab,aus dem der Stab besteht. So schwingt etwa ein elastischer und ver-hältnismässig homogener Stab aus Stahl nicht gleich wie ein Stabaus einem ausgeprägt anisotropischen Material, wie Holz.

Der von Stäben erzeugte Schall ist nicht harmonisch. Oft ist derTon, den wir einem Stab zuordnen nicht scharf festgelegt und stelltnur ein Maximum in einer stetigen Verteilung von Frequenzen dar.Dies ist etwa bei den Holzstäben der Fall, die zu einem Xylophongehören.

Ein anderes auf die Stange begründetes Instrument ist der Trian-gel, den man als ein in zwei Punkten gekrümmter zylindrischer Stabauffassen kann.

Auch vom Stab abgeleitet ist die Stimmgabel, in der Form, wie sie1711 durch John Shore erfunden wurde. Wie jedermann weiss, bil-det die Stimmgabel kein Musikinstrument im strengen Sinn, dientaber gewissermassen als speziell geeignetes Kaliber um Musikin-strumente zu stimmen, da sein Grundton seine nichtharmonischenPartialtöne deutlich übertönt. Zudem ist der zweite Partialton weitvom Grundton entfernt, so dass das Gehör praktisch einen Sinustonvernimmt. Die Stimmgabel kann als ein in einem Punkt gekrümmterStab oder auch als Zusammenschluss von Zwei Teilstäben auf ei-nem gemeinsamen Griff betrachtet werden. 35 Wir sprechen hier nicht vom Klavier, das die Charakteristika des Schlaginstruments und desSaitenisntruments in sich vereinigt.

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Wie im Fall der Saiten, muss auch der Ton der Stimmgabel miteinem Resonanzboden verstärkt werden, etwa mit einem beliebigenBrett oder Tisch. Wie stark die Intensitätsverteilung der verschiede-nen Partialtöne vom Anschlagspunkt und von der Beschaffenheit desanschlagenden Objekts abhängt, kann auf einfache Weise gezeigtwerden, indem man eine Stimmgabel einmal mit einem weichenSchlägel (etwa einem Gummihammer) und ein anderes Mal mit ei-nem harten Gegenstand, wie etwa einer Stahlstange, anschlägt.

Im ersten Fall erhalten wir einen fast ausschliesslich aus demGrundton bestehenden Schall, während wir im zweiten Fall hohePartialtöne vernehmen, die den Eindruck eines schrill en, unange-nehmen Tons erwecken.

Im Laufe der Geschichte wurden verschiedene auf der Stimmga-bel begründete Tasteninstrumente erbaut. So sind etwa das Dulcito-ne, das Typophone und das Adiaphon zu erwähnen, die nur kurzzei-tigen Erfolg aufwiesen.

Unter den heute noch gebräuchlichen Instrumenten, ist dasjenige,das diesen historischen Instrumenten am nächsten kommt, die vonMustel erfundene Celesta.

In der Akustik versteht man unter einer PLATTE eine Tafel auskonsistentem Material, die zum Schwingen befähigt ist. Vor allemrunde und quadratische Platten sind wichtig. Je nach der Befestigungund der Anregung können Platten auf recht komplizierte Artenschwingen, wie Chladni bereits um 1787 beobachtete.

Chladni befestigte eine quadratische Metallplatte mit einerSchraube durch den Schnittpunkt der beiden Diagonalen auf einem

senkrechten Stab. Auf die Plattenoberflä-che streute er feinen Sand oder Korkpulverund brachte die Platte durch Anstreichenmit einem Geigenbogen gegen die Kantezum Schwingen. Auf der Plattenoberflächeformten sich mehr oder weniger kompli-zierte Figuren von Knoten und Bäuchen.Die Zonen mit der stärksten Schwingung,die Bäuche, durchrüttelten das feine Pul-ver, das sich in den ruhigen Zonen, den

Knoten anhäufte. Berührt man zudem gewisse Punkte des Platten-randes oder der unteren Plattenseite, werden diese Punkte zu Kno-ten, wodurch die Zeichnung auf der Platte vollständig verändertwird36. Chladni erzeugte bereits mehr als 200 verschiedene Figurenauf diese Weise. Die Abbildung stellt schematisch eine Auswahl der 36 Die Abbildungen "Eine Platte zum Schwingen bringen" und "Chladnische Figuren" wurdeneinem Physikbuch des XIX Jh. entnommen.

Eine Platte zum Schwingenbringen

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möglichen Chladnischen Figuren auf quadratischer Platte dar. DieseFiguren stellen nicht nur ein bril lantes Experiment dar, sie botenspäter auch den Geigenbauern ein nützliches Werkzeug um die In-strumentenböden vor dem Zusammenbau der Instrumente zu vollen-den. Die Erfahrung von Generationen von Geigenbauern hat nämlichgezeigt, dass die Instrumentenböden (die sich wie komplizierte aku-stische Platten verhalten) ganz bestimmte Chladnische Figuren er-zeugen müssen, wenn sie auf bestimmte Weise fixiert und in denvorbestimmten Punkten angestrichen oder angeklopft werden.

Figuren von Chladni

Auch die GLOCKEN können als gekrümmte schwingende Plattenaufgefasst werden. Wegen der grossen mathematischen Komplexitätder Glockenschwingungen, ist der Glockenguss ein Handwerk, dasauf Jahrhundertealte Erfahrung beruht, und heute gibt es nur nochein paar wenige Werkstätten, die qualitativ zufriedenstellende Glok-ken erzeugen.

Die in diesem Zusammenhang fälschlicherweise als Membranenbezeichneten Platten finden in verschiedenen akustischen oder elek-troakustischen Transduktoren ihre Anwendung, wie etwa in derphonographischen Kapsel von Koenig, im Telephon, usw.

Auch die Kelchgläser der Glasharmonika oder Glasharfe könnenals gekrümmte Platten bezeichnet werden. Die Glasharmonika, diedurch Anstreichen der Glasränder mit fettfreien Fingern gespieltwird, wobei die Stimmung jedes Kelches durch Einfüllen einigerTropfen Wasser vorgenommen wird, genoss in der klassizistischenEpoche eine gewisse Beliebtheit, und die meisten damaligen Kom-ponisten schrieben die eine oder andere Komposition für dieses ku-riose Instrument. Aber der schrill e, an unharmonischen Partialtönenreiche Klang mit den entsprechenden Schwebungen, und vielleichtnicht zuletzt auch der Glaube, dass die Klänge der GlasharmonikaNervenkrankheiten hervorrufen könnte, trugen zum allmählichenVerschwinden des Instrumentes bei. Und heute können wir denKlang der Glasharmonika fast ausschliesslich dank der Tonauf-

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zeichnungen eines der letzten grossen Virtuosen dieses Instrumentsvernehmen, Bruno Hoffmann.

Während die Schwingungen der Platten auf deren Elastizität be-gründet ist, schwingen die Membranen, weil sie gespannt sind, wiedies bei den Trommeln der Fall ist. Man könnte eine Membrane alseine zweidimensionale Saite interpretieren: Die Spannkraft und dieAusbreitung liegen im Fall der Saite auf einer Geraden, im Fall derMembrane in einer Ebene. Die Membrane hat viele akustische Ei-genschaften mit der Platte gemeinsam.

Schliesslich sei ein mechanischer Tonerzeuger beschrieben, derstrikt periodische Töne erzeugt, keine musikalische Anwendung fin-det, aber für die Forscher des XIX Jh. ein wichtiges Werkzeug dar-stellte. Wir beziehen uns auf die 1819 durch den französischen Inge-nieur Cagniard de la Tour erfundene LOCHSIRENE. Der Name Sirenesoll von der Tatsache herstammen, dass diese auch unter WasserTöne erzeugen kann. Das einfachste Modell einer Sirene besteht auseiner konzentrisch in regelmässigen Abständen gelochten Dreh-scheibe, deren Löcher nacheinander bei ihrem Vorbeiflitzen vor derentsprechenden Düse einen Luftstrom passieren lassen. Die Fre-quenz des erzeugten Tons entspricht genau der Anzahl Löcher, diepro Sekunde vor der Luftdüse vorbeijagen.

Die hier beschriebene Sirene ist nur ein Vorführmodell, aber diein der Praxis eingesetzten Sirenen sind auf dem selben Prinzip be-gründet. Es soll hier nicht von den verbesserten Modellen der Sirenedie Rede sein, aber es sei erwähnt, dass verschiedene Labormodellegebaut wurden, welche die Erzeugung eines Tons mit genau festge-legter Frequenz erlaubten. Dank ihrem schrill en Klang und derMöglichkeit, sehr laute Töne zu erzeugen, wird die Sirene auchheute noch als akustisches Alarmgerät eingesetzt. Solche Sirenenpflegen variable Drehgeschwindigkeit aufzuweisen, so dass sich dieTonfrequenz ständig verändert.

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DIE KLANGFARBE

Im ersten Kapitel seines Buches "Die Lehre von den Tonempfin-dungen", unterscheidet Helmholtz zwischen MUSIKALISCHEN TÖ-

NEN, die periodisch sind und den aperiodischen GERÄUSCHEN oderLÄRM. Die meisten Musikinstrumente können (zumindest annä-hernd) periodische Töne, also Töne mit harmonischen Partialtönen,erzeugen. Es gibt Ausnahmen, vor allem im Bereich der Schlagin-strumente. Helmholtz wies den musikalischen Tönen drei grundle-gende Eigenschaften zu: ihre Intensität, ihre Tonhöhe (Frequenz)und schliesslich ihre Klangfarbe. Bisher haben wir von den erstenbeiden Charakteristika gesprochen und die dritte und komplexesteEigenschaft, die Klangfarbe, nur andeutungsweise erwähnt. DieKlangfarbe ist aus dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung das Kenn-zeichen, das es erlaubt, Töne gleicher Lautstärke und Frequenz von-einander zu unterscheiden. So ist es jedem Menschen mit einemdurchschnittlichen Gehör möglich, das von einer Klarinette erzeugteLa mit 440 Hz, vom gleichen Ton zu unterscheiden, der von einemKlavier oder einer Geige erzeugt wird.

Einer der wichtigsten Faktoren, der zum Aufbau einer Klangfarbeeines bestimmten Tons beiträgt, ist sein Partialtonspektrum. ReineSinustöne unterscheiden sich voneinander ausschliesslich durch zweider drei Charakteristika der periodischen Töne, nämlich durch Fre-quenz und Lautstärke. Zwei Töne hingegen, die je aus dem selbenGrundton und dem zweiten harmonischen Partialton (also einemOberton, der die doppelte Grundfrequenz aufweist) bestehen, unter-scheiden sich voneinander durch ihre Klangfarbe, die dem Intensi-tätsverhältnis zwischen dem Grundton und dem einzigen Obertonentspricht. Das selbe ist der Fall für periodische Töne, welche einengemeinsamen Grundton und 3, 4, ..., n harmonische Partialtöne auf-weisen. Ist die Intensität der ersten Partialtöne verhältnismässighoch, vernehmen wir einen süssen, weichen Ton. Weisen im Ge-genteil die hohen Partialtöne hohe Intensitäten auf, haben wir es miteinem schrill en Ton zu tun. Zwischen den beiden Extremfällen sindalle Kombinationen möglich. Einen bemerkenswerten Spezialfallfinden wir bei den einseitig gedeckten Orgelpfeifen, die ausschliess-

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lich Partialtöne mit ungeradem Index erzeugen. Die Sirene jedocherzeugt eine beinahe dreieckige Welle (Sägekurve), in der wir prak-tisch harmonische Partialtöne mit beliebigem Index finden können,wenn wir uns des Satzes von Fourier erinnern. Das erklärt denschrill en Ton der Sirene.

Je nach der Tonerzeugung werden verschiedene Partialtonstruktu-ren erzielt, die von der Erregung jedes einzelnen Partialtons abhän-gen. Das erklärt etwa den unterschied in der Klangfarbe eines glei-chen Klaviers, je nach der Härte und Beschaffenheit der Hämmerund dem Anschlagpunkt auf der Saite.

Bisher haben wir den Einfluss der Phasendifferenzen auf dieKlangfarbe eines konstanten Tons nicht berücksichtigt. Dazu sei dassogenannte HELMHOLTZSCHE GESETZ ÜBER DIE PHASEN der Partial-töne zitiert:

DIE KLANGFARBEN DER MUSIKALISCHEN TÖNE SIND DURCH DIE

ANWESENHEIT (ODER ABWESENHEIT) DER EINZELNEN HAR-

MONISCHEN PARTIALTÖNE BESTIMM T, UND SIND VON DEN

PHASENDIFFERENZEN UNABHÄNGIG.

Obwohl es möglich ist, künstlich Beispiele zu konstruieren, beidenen die Klangfarbe eines Tons unter der Veränderung der Phasender Partialtöne leicht variiert, beschreibt das Helmholtzsche Gesetzdie Lage recht gut. Daher beschreibt die sonographische Darstellungeines Tons (welche die Phasendifferenzen nicht berücksichtigt) diebetrachteten Schallstrukturen recht zuverlässig.

Ohne die (relative) Gültigkeit des Helmholtzschen Gesetzes wäreein Telephongespräch kaum verständlich, da in diesem Fall die Pha-sen der Töne in Funktion ihrer Frequenz verschoben werden.Fletcher zitiert ein Beispiel einer Phasenverschiebung, die zur Qua-dratwurzel der Frequenz proportional ist. Trotzdem verursacht dieseVerschiebung keine Klangfarbenverwechslung, und das ist einGlück, denn die Klangfarbe ist die einzige Charakteristik, die es unserlaubt, die Vokale voneinander akustisch zu unterscheiden, wie wirspäter sehen werden.

Dank den verschiedenen Stellungen, die zwei oder mehr Si-nuskurven zueinander haben können, ist es praktisch unmöglich, dieZerlegung einer periodischen Phonographischen Kurve in Sinuskur-ven visuell vorzunehmen. Indem wir zwischen den verschiedenenharmonischen Partialtönen eines musikalischen Tons Phasenver-schiebungen vornehmen, können wir Kurven erzeugen, deren Visu-eller Aspekt vollständig voneinander abweicht. Diese Tatsache wirdin den Teilbildern 3 und 4 der Abbildung des Kapitels 'GRAPHISCHE

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DARSTELLUNG DES TONS UND MASSEINHEITEN' mit dem Titel "4 pe-riodische Kurven" gezeigt. Es ist auch möglich, wenn auch etwasschwieriger, anhand von total verschiedenen Partialtonstrukturenzwei phonographische Kurven zu konstruieren, die sehr ähnlich aus-sehen.

Wirkung der Formanten

Spannen wir eine gleiche Violinsaite auf zwei verschiedenenViolinen auf, pflegen die resultierenden Klangfarben meist starkvoneinander ab. Die Resonanzboden der beiden Instrumente spre-chen auf die verschiedenen Frequenzen nicht gleich gut an. Ein Tonoder eine Region von Frequenzen, die von der Resonanztafel einesInstruments besonders wirkungsvoll verstärkt wird, heisst einFORMANT. Da die Formanten bei zwei Violinen ungleich verteiltsind, variieren die Frequenzspektren der verschiedenen Töne von ei-nem Instrument zum anderen in einer für jedes Instrument charakte-ristischen Weise. Um diese Erscheinung graphisch darzustellen,zeigt uns die Figur "Die Formanten" die Verwandlung eines glei-chen Frequenzspektrums aus zueinander harmonischen Frequenzendurch zwei verschiedene Verstärkungskurven A und B. Die mit Fbezeichneten Punkte entsprechen den Formanten des Beispiels derFigur.

Die Geigenbauer oder Erbauer beliebiger mit Resonanzböden ver-sehener Instrumente versuchen eine Verstärkungskurve mit ganz be-stimmten Eigenschaften zu erreichen. Unter anderem müssen starkbetonte Formanten im Bereich des Tonumfangs vermieden werden,da sonst einzelne Töne unerwünscht stark hervortreten würden. Die

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Erfahrung hat gezeigt, dass erstklassige Violinen in der Region um1500 Hz eine Mulde, und eine starke Erhebung zwischen 2000 und3000 Hz aufweisen.

Mit Saiteninstrumenten können besonders weiche Töne erzeugtwerden, wenn die Saite in einem seiner Knoten mit einem Fingerleicht berührt wird, während die Saite auf die übliche Art angestri-chen wird. Diese Töne werden harmonische Töne oder IN-

STRUMENTALE HARMONISCHE TÖNE genannt und es soll wieder daranerinnert werden, dass diese von den harmonischen Partialtönen zuunterscheiden sind, da die harmonischen Töne aus einem Grundtonund einer Reihe von Partialtönen bestehen, während ein Partialtonein reiner Ton ist, also ein Sinuston ohne eigene Partialtöne. Instru-mentale harmonische Töne stellen ein typisches Hil fsmittel der ge-strichenen Saiteninstrumente dar, insbesondere der Violine.

Die Formanten spielen nicht nur für die Klangfarbe der Musikin-strumente eine hervorragende Rolle, sie sind auch für die phoneti-sche Unterscheidung der gesprochenen Vokale ausschlaggebend.Die verschiedenen Vokale, die die menschliche Stimme erzeugenkann unterscheiden sich tatsächlich nur durch ihre Klangfarbe, dennwir können ein 'o' und ein 'u' nacheinander auf der gleichen Tonhöheund während derselben Dauer singen, ohne sie zu verwechseln. Of-fenbar erahnte der englische Physiker Wheatstone um 1837 als einerder ersten diese Tatsache. Unsere Stimmbänder erzeugen einen an-nähernd periodischen Ton, mit einem einigermassen ausgeglichenenPartialtonspektrum. Die Frequenz dieses Tons ist individuell ver-schieden und hängt vor allem von Alter und Geschlecht ab. Der vonden Stimmbändern abgegebener Ton wird in drei Körperhöhlen ver-stärkt, die wie Resonatoren wirken: Der Rachen, die Mundhöhle unddie Nasenhöhle. Der Gaumensegel übernimmt die Aufgabe, die Luftauf die beiden letztgenannten Körperhöhlen zu verteilen. Die Eigen-resonanzfrequenz der Mundhöhle kann durch die verschiedenenStellungen der Zunge, der Lippen und der Kieferknochen zueinandervariiert werden. In beschränktem Mass gilt dasselbe auch für denRachen und die Nasenhöhle. Alle drei Körperhöhlen verhalten sichalso wie abstimmbare Resonatoren, welche die drei Hauptformantenjedes Vokals darstellen, den wir von uns geben. Es ist interessantfestzustellen, dass sich zwar der Grundton der Stimme dem Alterund Geschlecht anpasst, nicht aber die Formanten der Vokale. Soentsprechen etwa dem 'a' Formanten im Bereich der Noten Fa # (4),Do # (5) und Re # (6), ganz egal, ob das 'a' von einem zehnjährigenMädchen oder einem erwachsenen Mann ausgesprochen wird. Na-türlich variieren die Formanten je nach der gesprochenen Sprache

M. Riat, Grundlagen der Musik 95

oder Dialekt. Die Figur stellt auf stark schematisierte Art die Lageder drei Körperhöhlen und der Stimmbänder zueinander.

Wir verstehen jetzt auch, wieso es so schwierig ist, auf einer mitdoppelter Geschwindigkeit wiedergegebenen Tonaufzeichnung dasgesprochene Wort zu verstehen, selbst dann, wenn der Sprecher aufder Originalaufzeichnung mit tiefer Stimme, speziell langsam unddeutlich spricht.

Dank den für jeden Vokal charakteristischen Formanten, hängt dieKlangfarbe einer gesungenen Komposition von den in jeder Tonhö-

he gesungenen Vokalen ab. Ande-rerseits wird durch die Verteilungder Formanten das Singen einzel-ner Vokale in einzelnen Stimmla-gen geradezu verunmöglicht; sokann etwa der Vokal 'o' auf einemsehr hohen Ton nicht wiedergege-ben werden. Diese beiden Tatsa-chen bieten den Gegnern derÜbersetzung von Vokalmusik einegut begründete Argumentation.

Um 1855 baute Helmholtz einGerät, das man als den erstenTonsynthesizer betrachten kann.Das Gerät bestand aus einer Reihevon Stimmgabeln, die mittels

Elektromagneten zum Schwingen angeregt wurden. Mit diesem Ge-rät konnte jeder beliebige Vokal aufgrund seiner Formanten erzeugtwerden.

Dank dem elementaren Prinzip der Vokalerzeugung konnte um1870 der Amerikaner Faber seine Zeitgenossen mit einer selbstge-bauten sprechenden Maschine in Erstaunen versetzen. Das Gerät warauf akustische Resonatoren mit verstellbaren Wänden begründet, diemit einer Tastatur gekoppelt waren. Gewisse Quellen berichten unsvon einem sprechenden Kopf, den schon der Philosoph Albert derGrosse im XIII Jh. besessen haben soll, und der für seine Zeitgenos-sen als teuflische Erfindung gegolten hätte. Es heisst, Sankt Thomasvon Aquino hätte schliesslich den Apparat zerstört. Dies spräche fürdessen Funktionstüchtigkeit.

Neben den Vokalen gibt es im Zusammenhang mit der Sprachenoch andere wichtige Erscheinungen, wie etwa die kurzen, nicht pe-riodischen Konsonanten. Bei den Konsonanten spielen die Über-gangserscheinungen von einer Schwingungsart zur anderen, einewichtige Rolle, die auch entscheidend zur Klangfarbe verschiedener

Entstehung der Vokale

M. Riat, Grundlagen der Musik 96

Instrumente beitragen. Die periodischen Schwingingen werden dabeidurch eine sogenannte Lautstärkehüllkurve moduliert.

Nimmt man den Ton eines Klaviers oder einer Gitarre auf Bandauf und klebt dann einen Abschnitt dieses Bandes zu einer Schleifezusammen, so dass sich beim Abspielen ein kleiner Abschnitt derAufnahme ständig wiederholt, werden wir mit Verblüffung feststel-len, dass wir den charakteristischen Klang eines Klaviers oder einerGitarre plötzlich nicht mehr erkennen können. Das kommt von derAusschaltung der Übergangserscheinungen, also vor allem von derLautstärkenkurve, die unseren Ton durchläuft. Ein normaler musi-kalischer Ton weist in der Tat während seiner Existenz nicht einekonstante Lautstärke auf, so dass er streng genommen nicht währendseiner ganzen Dauer periodisch ist. Die Dauer eines Tons wird übli-cherweise in drei Phasen unterteilt: Den Anklang, die periodische

Phase und das Abklingen. Diesedrei Phasen sind nicht mit ma-thematischer Genauigkeit aufzu-fassen.

Soll der Klang eines Instru-ments mit elektronischen Hil fs-mitteln nachempfunden werden,

müssen selbstverständlich die Übergangserscheinungen berücksich-tigt werden, und eine periodische Kurve muss entsprechend modu-liert werden, wie in der Figur schematisiert.

Aber die Dinge sind komplizierter, als es scheint: kürzlich unter-nommene Untersuchungen haben ergeben, dass in den meisten Fäl-len jeder Partialton seine eigene Übergangskurve aufzuweisenpflegt, und dass vor allem in der Phase des Anschlags (die bei ein-zelnen Orgelpfeifen eine halbe Sekunde überschreiten kann) stetigoder zufälli g verteilte Frequenzen auftreten können. Das alles ver-mag die grossen Schwierigkeiten zu erklären, die mit der vom äs-thetischen Standpunkt befriedigenden elektronischen Reproduktion(mit Synthesizern oder dem Computer) der Klänge der herkömmli-chen Musikinstrumente verbunden ist.

Obwohl sich dieses Werk speziell der Untersuchung musikali-scher Töne widmet, also der periodischen oder annähernd periodi-schen Schwingungen, darf nicht vergessen werden, dass die meistenTöne nicht musikalisch sind, sondern dem Bereich der Geräuscheangehören.

Es kann seltsam anmuten, dass unter gewissen Bedingungen unserGehör die Tendenz hat, sogar den Geräuschen eine gewisse Tonhöhezuzuordnen, auch wenn diese nicht so klar festgelegt ist, wie imFalle eines Sinustons. In der Tat kann unser Gehörorgan aus einem

Die Übergangsphasen

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Geräusch eine mittlere Frequenz oder eine durch überdurchschnittli-che Lautstärke ausgezeichnete Frequenz heraushören, also einemGeräusch etwas wie eine statistische Tonhöhe zuordnen. Dieser Ef-fekt kann etwa dadurch gezeigt werden, dass wir mit einem Hammerverschiedene Bretter anklopfen. Wenn wir auf das erste Brett schla-gen, wird es uns vermutlich schwierig sein, mit dem Geräusch einegewisse Tonhöhe in Verbindung zu bringen. Aber sobald wir daszweite Brett anklopfen, werden wir imstande sein, zu entscheiden,ob das entstandene Geräusch als höher oder tiefer eingestuft werdenkann als das erste. Mit speziell auserwählten Brettern kann auf dieseWeise eine richtige Geräuschtonleiter zusammengesucht werden.

Ist ein Geräusch aus einer homogenen Verteilung aller hörbarenFrequenzen zusammengesetzt, spricht man von einem weissen oderGaussschen37 Geräusch.

In früheren Kapiteln haben wir gesehen, dass zwei Töne unterein-ander Schwebungen, Differenztöne und sogar Summentöne erzeu-gen können. Diese Erscheinungen werden objektiv genannt, wennsie ausserhalb des Gehörs zustandekommen. In diesem Fall bildensie eine physikalische Realität, die auch gemessen werden kann,zum Beispiel unter Zuhil fenahme von Resonatoren. Kombination-stöne werden oft im Gehör selber erzeugt und sind in diesem Fall alssubjektiv einzustufen. In derselben Weise wie zwei Sinustöne zu-sammenwirken und objektive oder subjektive Schwebungen oderKombinationstöne erzeugen oder einander maskieren können, kön-nen auch Partialtöne zweier zusammengesetzter Töne oder sogarPartialtöne eines einzelnen zusammengesetzten Tons zusammenwir-ken.

So würde die Quinte (Do (3), Sol (3)) eines gleichmässig tempe-riert gestimmten Klaviers keine hörbaren Schwebungen erzeugen,wenn die beiden Töne keine Partialtöne hätten. Der dritte harmoni-sche Partialton von Do (3) und der zweite von Sol (3) fallen beinahezusammen (sie würden sogar genau zusammentreffen, wenn dieQuinte natürlich wäre, wenn also das Schwingungsverhältnis derbeiden Töne 3 : 2 wäre). Wie wir leicht berechnen können, ent-spricht der dritte Partialton von Do (mit 261,625 Hz) einer Frequenzvon 784,876 Hz, während der zweite Partialton (die Oktave) von Sol(mit 391,995 Hz) die Frequenz von 783,990 Hz aufweist. Wir er-halten ganz langsame Schwebungen von 0,88 Hz. Diese Schwebun-gen verleihen dem Klavierton eine Spannung, die er nicht hätte,würde das Instrument nach der natürlichen Tonleiter (auch Tonleitervon Zarlino genannt) gestimmt. Wir sehen also, dass sogar die Ton-

37 Nach dem grossen deutschen Mathematiker Carl Friedrich Gauss (1777-1855).

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leiter, nach der das Instrument gestimmt wird, dessen Klangfarbebeeinflussen kann.

Ein ähnlicher Klangfarbeneffekt kommt zustande, wenn in einemOrchester mehrere Instrumente dieselbe Melodie spielen. Da dieverschiedenen Instrumente nicht mit mathematischer Präzisionspielen, kommen zwischen den leicht voneinander abweichendenTonhöhen Schwebungen zustande, die zumeist zu langsam sind, umals solche wahrgenommen zu werden. Aber die Schwebungen derzweiten Partialtöne (welche die doppelten Frequenzen aufweisen)weisen ihrerseits auch die doppelten Frequenzen auf. Das Zusam-menspiel der Schwebungen zwischen allen Partialtönen beeinflusstdie Klangfarbe, und das erklärt, wieso eine Violine aus 3 m Abstandnicht gleich tönt, wie vier Violinen aus 6 m Abstand38.

Hier sei bemerkt, dass in einem periodischen Ton alle zwischenden Partialtönen auftretenden Differenztöne oder Summentöne einganzzahliges Vielfaches des Grundtons darstellen. Andererseits darfnicht vergessen werden, dass viele der in der Musik verwandten Tö-ne nur annähernd periodisch sind.

Experimentell konnte festgestellt werden, dass das Gehör sogarDifferenztöne zwischen zwei bereits dem Ultraschall angehörendenFrequenzen zu erzeugen vermag. Das bedeutet, dass zwei an sichdank ihrer hohen Frequenz unhörbare Obertöne einen Differenztonzu erzeugen vermögen, der die Partialtonstruktur und somit dieKlangfarbe beeinflussen kann. Diese Tatsache wirft die Frage auf,ob der Tonumfang elektroakustischer Geräte auf den Bereich derhörbaren Töne beschränkt sein darf, oder ob sich eine echte Quali-tätssteigerung durch die Erweiterung bis in den Ultraschallbereicherreichen lässt.

Die Begriffe der KONSONANZ und der DISSONANZ sind stark mitdem Klangfarbenbegriff Verbunden. Im Laufe der Geschichte wurdeder Begriff der Konsonanz unterschiedlich erklärt. Schon Pythagorasstellte fest, dass sich alle konsonanten Intervalle durch ein kleinesganzzahliges Verhältnis zwischen den Tonfrequenzen auszeichneten.Das absolut konsonante Intervall, die Oktave, entspricht dem Ver-hältnis 2 :1, die natürliche Quinte dem Verhältnis 3 :2, usw. In derersten Hälfte des XVIII Jh. schlug Euler vor, den grössten gemein-samen Teiler des Verhältnisses (in seiner vollständig gekürztenForm) der in einem Akkord vorkommenden Töne als Mass für dieDissonanz einzusetzen. So entspräche etwa dem Akkord (Do (1),

38 Auch nicht, was die Lautstärke anbelangt; denn die Lautstärken zweier Violinen werden nichtaddiert, da ein Teil der abgestrahlten Schallwellen sich gegenseitig kompensieren.Glückli cherweise tritt dieser Effekt auch im Strassenlärm auf, der sonst unerträgli che Masseannehmen würde.

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Mi (5/4), Sol (3/2)) mit der Proportion 4 : 5 : 6 ein Dissonanzgradvon 60. Diese Definition führt schnell einmal zu allen möglichenWidersprüchen und muss daher verworfen werden. So entsprächeetwa der "natürlichen" Quinte mit der Proportion 3 : 2 ein Disso-nanzgrad von 6. Würde unsere Quinte ganz leicht auf die Proportion2213 : 1477 = 1,49830 verstimmt, wüchse der Dissonanzgrad au f3268601. Diese Quinte liegt zwischen der "natürlichen" und dertemperierten Quinte. Verstimmen wir nun unsere Quinte wesentlichstärker, bis zur Proportion 31 : 21 = 1,47619, vermindert sich derDissonanzgrad auf 651, was offensichtlich absurd ist. Hier irrte sich

der grosse Euler.Helmholtz erklärte den Konsonanzeffekt anhand der Schwebun-

gen zwischen den Partialtönen der Töne eines bestimmten Intervalls.Nach dieser Theorie von Helmholtz hängt der Grad der Konsonanzvon den Klangfarben der zusammenklingenden Töne ab, was diePraxis bestätigt. Helmholtz stellte fest, dass die Härte eines aus Si-nustönen bestehenden Intervalls dann am ausgeprägtesten ist, wenneine Schwebung von 33 Hz auftritt, und dass dann das Intervall so-wohl bei Annäherung, wie bei Entfernung der beiden Töne weicherwurde. Helmholtz berechnete den Dissonanzgrad eines Intervalls,indem er alle auf Schwebungen zwischen den Partialtönen zurückzu-führenden "Härten" addierte.

Die folgenden Bedingungen lieferten das sogenannte Helmholtz-diagramm: Es wurde der Zusammenklang zweier Violintöne be-trachtet, wobei der erste konstant dem Do (3) entsprach. Der zweitebewegte sich im dem durch Do (3) und Do (4) begrenzten Intervall.Das Diagramm weist mehrere Kurven auf: Die erste berücksichtigtnur die Grundtöne. Die zweite Kurve berücksichtigt die ersten bei-den Partialtöne, usw. In unserer Abbildung werden nur die demGrundton alleine und die den ersten 5 Partialtönen entsprechenden

Diagramm von Helmholtz

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Kurven dargestellt (punktierte Linie). Offensichtlich ist der Disso-nanzgrad minimal, wenn eine Höchstzahl an Partialtönen zusam-mentreffen. Diese Theorie von Helmholtz liefert ein gewichtigesArgument zugunsten der natürlichen Tonleiter, befriedigt aber auchnicht ganz. Wird etwa das Diagramm für die nächste Oktave erstellt,erhält man bereits abweichende Resultate, da alle Partialtöne dop-pelte Frequenzen gegenüber den entsprechenden Tönen in der unte-ren Oktave aufweisen. So werden gegenüber dieser Oktave einzelne"Härten" gemildert, während andere verschärft werden. Untersuchenwir die niedrigen Tasten des Klaviers im Lichte der HelmholtzschenTheorie, müsste die Quinte (Do (1), Sol (1)) vollständig dissonantsein, erzeugen doch die Grundtöne untereinander Schwebungen von32,6 Hz. Andererseits können laut der Helmholtzschen Theorie zweireine Sinustöne keine Dissonanz erzeugen, wenn sie nur weit genugauseinanderliegen. In diesem Zusammenhang muss beachtet werden,dass sogar bei Sinustönen, die zu weit auseinander liegen, um hörba-re Schwebungen zu erzeugen, subjektive harmonische Obertöne ver-nommen werden können, wenn die beiden Sinusschwingungen imGehörapparat verzerrt wurden. Diese Obertöne sind in der Fourier-zerlegung der verzerrten Sinuskurven begründet. Dank der Schwe-bungen zwischen diesen Obertönen der beiden verzerrten Sinustönekönnen wir einen gewissen Grad von Dissonanz zwischen den bei-den reinen Sinustönen empfinden.

Die Physiologen des XX Jh. stellten fest, dass zwei mit demselbenOhr gehörte Töne ein unangenehmes Gefühl erzeugen, wenn sie zunahe beieinander liegen. Dieser Eindruck verschwindet, sobald diebeiden Töne aus einer gewissen kritischen Bandbreite gerückt wer-den, die jeden Ton umgibt, oder aber, wenn die beiden Töne je voneinem einzelnen Ohr vernommen werden. Diese Theorie führt zuganz ähnlichen Resultaten, wie die Theorie von Helmholtz, erlaubtes aber, gewisse Erscheinungen zu interpretieren, die mit demHelmholtzschen Dissonanzbegriff nicht auf befriedigende Weise er-klärt werden können.

So konnte etwa die Härte eines periodischen Tons mit hohen Par-tialtönen nicht mit der Helmholtzschen Theorie erklärt werden, da indiesem Fall jede Differenz zwischen den Frequenzen von zwei Par-tialtönen ein ganzzahliges Vielfaches der Grundtonfrequenz dar-stellt. Ist die Frequenz des Grundtons höher als 100 Hz, schwingensämtliche Schwebungen oder Differenztöne mit Frequenzen vonmindestens 100 Hz.

Mit der Bandbreitentheorie jedoch, kann die Härte erklärt werden:Ab einem bestimmten Partialtonindex finden wir Schwingungen, diein die kritische Bandbreite eines ihrer Nachbarn fallen. Das heisst,

M. Riat, Grundlagen der Musik 101

dass ein einzelner periodischer Ton eine Art innere Dissonanz auf-weisen kann!

Es muss unterstrichen werden, dass die beiden Dissonanztheorien,die Schwebungstheorie von Helmholtz und die Bandbreitentheorieauch auf Töne Anwendung finden, die unharmonische Partialtöneaufweisen, also streng genommen unperiodische Töne, wie etwa dievon Glocken erzeugten.

Die musikalische Wirklichkeit bildet eine gewisse Annäherung anden Fall der periodischen Töne. So haben etwa Saiteninstrumentefast-harmonische Partialtöne, da keine Saite den Idealfall erfüllt .Wie wir später sehen werden, bewirkt diese Tatsache im Falle desKlaviers eine gewisse Abweichung von der errechneten temperiertenTonleiter. Ferner erschwert auch dieser Effekt die elektronischeSynthese der den akustischen Instrumenten eigenen Klangfarben.

Bis hierher haben wir die Begriffe Konsonanz und Dissonanz wieAntagonisten behandelt: Je grösser die Konsonanz, desto kleiner dieDissonanz, und umgekehrt. In den Fünfzigerjahren des XX Jh.durchgeführte Experimente weisen jedoch daraufhin dass die Kon-sonanz eine zentral im Gehirn erzeugte Sinnesempfindung darstellt,während die Dissonanz bereits im Ohr entsteht. Mit Kopfhörernwurde jedem einzelnen Ohr je ein verschiedener Sinuston zugeleitet.Man hört den unangenehmen Effekt von nicht klar festgelegten In-tervallen und manchmal, je nach den Frequenzen empfindet man soetwas wie eine Konsonanz. Werden die beiden Sinustöne durch zu-sammengesetzte Töne (mit harmonischen Partialtönen) ersetzt, hörteman Konsonanz, aber nie Dissonanz. Um zu zeigen, dass die binau-ralen Töne auf ähnliche Weise schmolzen, wie es die monauralen zutun pflegen, wurde das folgende Experiment vorgenommen: EineTeilmenge der harmonischen Obertöne eines synthetisierten Tonswurde einem einzelnen Ohr zugeführt, der Rest dem anderen. Dabeiempfand der Hörer ungefähr dasselbe, wie beim Anhören des ge-samten Tons auf die gewohnte Weise, also mit beiden Ohren. Derunbedeutende Unterschied in der Klangfarbe ist der Abwesenheitgewisser Differenztöne zuzuschreiben.

Schliesslich stossen wir auf eine verblüffende Tatsache: DieKlangfarbe verändert sich je nach der Lautstärke, mit der ein Mu-sikstück angehört wird. Möchten wir etwa mit unserer Stereoanlageeine bestmögliche Klangfarbentreue erreichen, müssten wir theore-tisch den Verstärker so einstellen, dass wir die Musik in Original-lautstärke vernehmen. Wie ist diese Tatsache zu erklären? Den Iso-sonie-Kurven im Diagramm von Fletcher können wir folgendes ent-nehmen: Vermindern wir die Lautstärke von zwei verschiedenenTönen um die gleiche Anzahl dB (physikalische Einheit), werden die

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entsprechenden Werte in Phon (psychologische Einheit) nicht unbe-dingt um den gleichen Betrag vermindert. Wird die Lautstärke gene-rell abgeschwächt, verändert sich etwa die Wahrnehmung der Tönemit niederer Frequenz und schwacher Intensität stärker als dieWahrnehmung der Töne mittlerer Frequenzen. Um diesem Effektentgegenzuwirken, werden moderne Stereoanlagen vielfach mit ei-nem EQUALIZER ausgerüstet, mit dem die Intensitäten verschiedenerFrequenzbereiche individuell geregelt werden können.

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DIE REPRODUKTION DES SCHALLS

Unter diesem Titel wollen wir nicht die verschiedenen Aspekteder Wiedergabe einer musikalischen Komposition anhand seinerPartitur besprechen, eventuell mit Hil fe von schriftlichen Zeugnissenaus der Zeit des Komponisten, vielleicht sogar unter Einsatz vonOriginalinstrumenten, um die akustische Atmosphäre des Zeitaltersdes Komponisten möglichst treu wiederzugeben. Nebenbei sei er-wähnt, dass eine derartig treue Widergabe aus dem KünstlerischenStandpunkt nicht unbedingt wertvoller ist, als eine Widergabe mitgeeigneten modernen Instrumenten. Ich glaube zum Beispiel, dassBach seine meisten Werke für Cembalo dem Klavier gewidmet hät-te, wären damals so perfekte Instrumente zu seiner Verfügung ge-standen, wie die modernen Flügel von Steinway & Sons, Bösendor-fer oder Bechstein. Ich glaube ferner, dass man zwischen der Musikunterscheiden muss, die speziell der Technik eines bestimmten In-struments gewidmet ist und der universellen Musik, die praktisch je-der beliebigen Instrumentierung angepasst werden kann, ohne an Es-senz einzubüssen, sofern die gewählten Instrumente dies erlauben.So kann eine Fuge von Bach auf dem Cembalo, dem Klavier oderdurch mehrere Instrumente gespielt werden. Aber die Nocturnes vonChopin dürfen nicht auf einem Cembalo wiedergegeben werden.Dies aber sind rein persönliche Ansichten.

Dieses Kapitel behandelt ein anderes Thema, nämlich die auto-matische Reproduktion der Musik, der menschlichen Stimme undsogar beliebigen Schalls. Das Kapitel ist in zwei Hauptabschnitteunterteil t: Die INDIREKTE REPRODUKTION, bei der ein automatisiertesMusikinstrument eingesetzt wird, und die DIREKTE REPRODUKTION,bei der es sich um Vorrichtungen handelt, die den Schall direkt re-produzieren, ohne sich um dessen Herkunft zu kümmern.

Die Entwicklung der Musikautomaten im Laufe der Geschichteläuft mit dem Fortschritt der Mechanik, insbesondere der Uhrma-cherkunst einher. Wir können die Glockenspiele39 als die frühestenmusikalischen Offenbarungen im Bereich der Uhrmacherkunst be-

39 Das französische Wort "Carillon" stammt ethymologisch vom lateinischen quaternio,Vierergruppe (von Glocken) ab.

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trachten. Im Laufe der Zeit entstanden dank der zunehmenden me-chanischen Perfektion regelrechte Wunderwerke, wie etwa das um1802 von Maelzel erbaute Panharmonicon mit einer Gruppe von 42Musikautomaten, die ein Orchester formten, das imstande war, mitmechanischer Vollkommenheit verschiedene Kompositionen desklassischen Repertoires wiederzugeben. Es ist bemerkenswert, dassBeethoven seine Ouvertüre op. 91 (Der Sieg von Wellington) fürdiesen Automaten und nicht für ein richtiges Orchester schrieb.

45 Jahre später konstruierte der Patriarch der Firma Welte, Mi-chael Welte, ein Orchestrion mit 590 Instrumenten.

Zweifelsohne schufen die herrlichen Automaten jener Zeit dieEingebung für die märchenhafte Olympia aus einer der berühmtenHoffmannschen Erzählungen. Die schöne, aber etwas kühle Olympiaaus der Dichtung spielt mit grosser Virtuosität Klavier und tanzt imRhythmus der Musik. Welch schreckliche Enttäuschung musste derverliebte Anbeter erleiden, als er erfuhr, dass seine Geliebte nichtsanderes als ein mechanisch perfekter Automat war.

In der ersten Zeit war die Grenze zwischen Uhr und Musikauto-maten unscharf, wie der Ausdruck 'Flötenuhr' bezeugt, der im XVIIIJh. auf einen von Johann Gottfried Kauffmann erbauten Musikauto-maten angewandt wurde, der keine Zeitangabe bot. Eines der erstenmechanischen Geräte zur automatischen Widergabe von Musik istim Buch von 1615 "Les raisons des forces mouvantes" des französi-schen Ingenieurs De Caus beschrieben. Diese Maschine arbeitete be-reits mit einer Stiftwalze, welche die chronologische Abfolge dereinzelnen Töne koordinierte.

Die Tatsache, dass anerkannte Künstler wie Friedemann Bach,Haydn und Mozart Werke für Musikautomaten schrieben, beweist,dass diese damals nicht ausschliesslich als mechanische Kuriositätenoder als Jahrmarktsattraktionen betrachtet wurden.

Um 1800 wurde eine Walzenorgel unter den ambulanten Musi-kanten unter dem Namen "Orgue de Barbarie" populär, ein Aus-druck, der etymologisch auf den Namen des vermutlichen italieni-schen Erbauers hinzuweisen scheint, Barberi oder Barbieri.

Auch die beiden Automaten die Vaucanson 1738 in Paris vor-stellte wurden mit einem Zylinder koordiniert.

Engramelle stellte auf methodische Art und Weise die Technikder musikalischen Programmierung von Zylindern in seinem 1775erschienenen Buch "La Tonotechnie..." dar

Im Laufe des XIX Jh. wuchs die Automatenkonstruktion zu einemwichtigen Industriezweig heran, und gegen 1900 widmeten sich al-leine in Deutschland über 50 Fabriken dieser Tätigkeit. Heutzutagehat die elektroakustische Reproduktion von Musik die Musikauto-

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maten abgelöst, wenn wir von einigen nostalgischen Ausnahmen,wie der Fabrikation von Musikdosen absehen.

Die von Jacquard erfundene Lochkarte, welche für die Automati-sierung von Webstühlen gedacht war, trug entscheidend zur Ent-wicklung der automatischen Musikinstrumente bei, indem sie dieZylinder weitgehend ablöste, in einzelnen Fällen auch in Form vonLochbändern oder Lochscheiben.

Unter allen automatischen Musikinstrumenten, die im Laufe derGeschichte erbaut wurden und denjenigen, die uns nur durch die Le-gende bekannt sind, werden wir uns hier auf einen der nobelstenVertreter beschränken, auf das mechanische Klavier oder Pianola40.

Der Automat kann fest in ein Klavier eingebaut werden oder aberals individuelles Gerät vor die Tastatur eines beliebigen Klaviers ge-schoben werden, wobei jedes seiner mit Filz bezogenen "Finger"über die entsprechende Taste zu liegen kommen muss, so dass derAutomat gewissermassen die Funktion des Pianisten übernimmt. Einsolches Gerät wird üblicherweise mit dem deutschen Namen Vorset-zer bezeichnet. Der Vorsetzer hat den Vorteil , dass er vor einen gro-ssen Konzertflügel gestellt werden kann, ohne diesen zu verderben,wil l man etwa anhand Schallplattenaufnahmen anhand von Klavier-rollen herstellen, die von einem berühmten Pianisten bespielt wur-den.

Im Laufe des XIX Jahrhunderts erfuhr das mechanische Klaviereine intensive technische Entwicklung, die in den Produkten derFirmen Welte, Hupfeld und Aeolian gipfelte, um nur die wichtigstenzu nennen. Eines der ersten funktionstüchtigen Modelle wurde durchDebain erbaut, der auch das Harmonium erfand.

Während die Musikautomaten damals zumeist durch Stiftwalzengesteuert wurden, gingen die fortschrittlichsten Erbauer zu denLochstreifen über, die wesentlich längere Kompositionen enthaltenkonnten und sich aufrollen liessen. Ab 1883 baute die Firma Weltesolche Rollen in ihre Musikautomaten ein, wobei vorerst ein pneu-matisches Überdrucksystem eingesetzt wurde, das ab 1890 durch einVakuumsystem abgelöst wurde, das gegenüber dem Überdrucksy-stem gewisse Vorteile bot.

Um 1880 hatten die ersten Musikrollen eine Breite von ca. 15 bis20 cm und erlaubten die Wiedergabe in einem Tonumfang von etwa15 oder 20 Noten. Allmählich wuchs die Breite der Bänder, währendzugleich der Abstand zwischen den Pisten abnahm, bis die klassi-schen 28,5 cm breiten Rollen entstanden, die anlässlich des Kon-

40 "Pianola" war eigentli ch der Markenname des 1900 von Votey erschaffenen mechanischenKlaviers, aber heute wird der Begriff allgemein auf beliebeige mechanische Klaviereangewandt.

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gresses der wichtigsten Nordamerikanischen Klavierfabrikanten inBuffalo im Jahr 1908 zur Norm erwählt wurden. Diese Rolle wardazu vorgesehen, die Lochspuren der 88 Klaviertasten aufzunehmen,nebst einer Spur, die das Pedal steuerte, und ein paar Zusatzspuren.

Die mechanischen Klaviere können in drei Hauptgruppen unter-teilt werden, nämlich die ELEKTROMECHANISCHEN KLAVIERE, auchelektrische Klaviere genannt, die normalen PIANOLAS und dieREPRODUKTIONSKLAVIERE.

Die elektromechanischen Klaviere zeichnen sich durch einen voll-ständigen Automatismus aus, bei dem kein menschlicher Eingriffzur Regulierung der Geschwindigkeit oder der Lautstärke vorgese-hen ist. Diese Klaviere pflegten mit einem von einem Elektromotorangetriebenen pneumatischen System ausgerüstet zu sein. Es han-

delte sich hier um das typische Rollenklavier, wie es gegen Ende desXIX Jh. in gewissen öffentlichen Lokalen anzutreffen war, meist mitendlosen Lochstreifen versehen, um den Rollenwechsel vermeidenzu können. Elektromechanische Klaviere schliessen manchmal demKlavier fremde Klangerzeuger mit ein, wie etwa Orgelpfeifen oderGlocken. Die Bedienung erfolgte in vielen Fällen über einen Mün-zautomaten.

Während das elektromechanische Klavier vornehmlich den lärmi-gen Effekten gewidmet war, erlaubt das klassische Pianola, dasmeist mittels Pedalen mit Energie versorgt wird (wie im Falle des

Ausschnitt aus einer Klavierrolle

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Harmoniums), die manuelle Regulierung der Dynamik und desTempos mit den dafür vorgesehenen Hebeln. Die klassischen Kla-vierrollen sind meist mit aneinandergereihten aufgedruckten Farb-klecksen versehen, welche die DYNAMISCHE MODULATIONSLINIE

darstellen41. Der entsprechende Hebel ist so angeordnet, dass dervom Hersteller empfohlenen Modulationslinie mühelos gefolgt wer-den kann, ohne aber dazu gezwungen zu sein. So kann eine gewisseInterpretationsfreiheit anhand von serienmässig metronomisch ge-lochten Streifen gewährt werden. Später fingen einige Hersteller an,eine weitere Linie einzufügen, die METROSTYLISCHE LINIE, welchedie in jedem Moment optimale Geschwindigkeit vermittelte.

In den früheren Pianolas mussten alle gleichzeitig gespielten No-ten mit derselben Lautstärke wiedergegeben werden, so dass es un-möglich war, die Melodie vor der Begleitung hervorzuheben. Umdieser Beschränkung auszuweichen, führte ab 1900 die amerikani-sche Firma Aeolian unter dem Namen THEMODIST Rollen mit zu-sätzlichen Lochungen ein, welche die so markierten Noten akzentu-ierte. Ein ähnliches System wurde 1908 von der Firma Hupfeld unterdem Namen SOLODANT vertrieben. Wie aber wurde erreicht, dassaus einem Akkord eine einzelne Note (oder zwei, drei Noten) ak-zentuiert werden konnten? Dazu wurden die entsprechenden Töneden anderen zeitlich leicht vorangesetzt (oder nachgesetzt), was da-mals übrigens auch namhafte Pianisten zu tun pflegten.

Um die Papierrollen herzustellen, mussten vorerst die den einzel-nen Tönen entsprechenden Löcher aufs Papier gezeichnet werden,metronomisch genau nach Partitur und unter Zuhilfenahme vonSchablonen. Dann wurden die einzelnen Noten mit Lochgeräten, diesich in den entsprechenden Pisten bewegen konnten, perforiert. Dieso bearbeitete Rolle konnte auf einem Pianola geprüft werden. JedeArt von Korrektur war noch möglich: es konnten neue Lochungenangebracht werden, oder durch Überkleben mit Papier konnten be-stehende Lochungen beseitigt werden. Die so entstandene Original-rolle wurde in eine spezielle Kopiermaschine gegeben, mit der einebeliebige Anzahl von Kopien hergestellt werden konnten. Zuletztwurden die Hinweise auf Dynamik und Agogik so aufgedruckt, dasssie von dem vor dem Pianola sitzenden Menschen verfolgt werdenkönnen. Zuletzt musste der Streifen nur noch aufgespult werden. Inden ersten Jahrzehnten des XX Jh. beschäftigte die Herstellung vonKlavierrollen einen beachtlichen Industriezweig. In Katalonien wur-de etwa die erste Fabrik 1912 in la Garr iga gegründet.

41 Unsere Abbildung "Teilansicht einer Pianola-Rolle" zeigt diese Linie im Falle der RolleNummer 2089 der Serie 'Rollos Victoria', welche die sogenannte Militär-Polonaise Op. 40,Nummer 1 von Chopin wiedergibt.

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Ab 1905 begannen verschiedene Klavierrollenhersteller die me-trostylische Linie durch rhythmisch flexible Lochungen abzulösen,welche der reellen Geschwindigkeit angepasst wurde, anstelle derherkömmlichen metronomischen Lochung. Das setzte die Herstel-lung unter der Aufsicht eines kompetenten Musikers voraus, der demProdukt selbstverständlich einen gewissen Grad an Subjektivitätaufprägte, welche allerdings im Moment des Abspielens wiederweitgehend mit dem Geschwindigkeitshebel des Pianolas kompen-siert werden konnte. Diese Rollen, die nicht uneingeschränkt akzep-tiert wurden, trugen die Bezeichnung "Künstlerrolle". Auch bei denKünstlerrollen musste die Dynamik noch manuell eingestellt wer-den, indem man mit dem entsprechenden Hebelchen der gedrucktenModulationslinie oder der eigenen Inspiration folgte.

Schliesslich entstanden die sogenannten Reproduktionsklaviere,welche die anhand der Interpretation eines Künstlers hergestelltenKlavierrollen abspielen, wobei auf erstaunliche Weise die Agogikund die dynamische Modulierung des Pianisten wiedergegeben wird.Einzelne Fachleute meinen, eine derartige mechanische Reprodukti-on könne nie den gleichen klanglichen und gefühlsmässigen Reich-tum wiedergeben, wie die direkte Interpretation eines sensiblen Pia-nisten. Dieser Ansicht können allerdings verschiedene Argumenteentgegengehalten werden. Erstens müssen wir feststellen, dass beimNiederdrücken einer Taste die Klangfarbe nur von der Geschwin-digkeit des Impulses (die durch die auf die Taste angewandte Kraftbestimmt ist) abhängt, da sich die Bewegung des Hammers nach-träglich nicht mehr beeinflussen lässt. Die phonographischen Kurvenund die auf elektronischem Weg aufgezeichneten Sonogramme ha-ben bestätigt, dass sich ein Klavierton, der durch Niederfallen einesGewichts auf die Taste erzeugt wurde nicht von einem Ton unter-scheiden lässt, den ein sensibler Künstler durch Niederdrücken der-selben Taste erzeugte. Dieses und andere Experimente widerrufenaus dem wissenschaftlichen Standpunkt manche der romantischenAnsichten über den Einfluss des Anschlags auf die Klangfarbe.

Ein einzelner Klavierton ist also durch die Kraft des Anschlagsund die Dauer des Tones sonographisch vollständig festgelegt. Diesebeiden Faktoren können, zumindest theoretisch, auf mechanischemWeg aufgezeichnet und wiedergegeben werden, so dass sich die Re-produktion durch nichts von der Originalinterpretation unterscheidet.

Wir haben gesagt 'theoretisch', da die Reproduktionsklaviere desbeginnenden XX Jh. (die Firma Welte baute das erste Reprodukti-onsklavier im Jahr 1904) die beiden Faktoren (Kraft und Dauer)nicht für jede einzelne Note individuell notierte.

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Aber die Annäherung gelang so gut, dass die meisten Klavierwer-ke mit erstaunenswerter Treue wiedergegeben wurden.

Die Idee, ein Tasteninstrument zu bauen, das jedes darauf ge-spielte Stück aufzeichnen könnte, war nicht neu, als die Firma Welteihr Modell "Welte Mignon" schuf. Man denke etwa an die Legende,die bereits Engramelle eine Maschine zuschrieb, die auf einem Ta-steninstrument gespielte Improvisationen notieren konnte. Ein sol-cher Apparat, der Mélographe, wurde gegen Ende des XIX Jh. durchden französischen Ingenieur Carpentier erbaut. Carpentier schufauch den Wiedergabeapparat zu seinem Mélographe, den er Mélo-trope benannte. Die beiden Geräte von Carpentier kannten noch kei-ne dynamische Differenzierung.

Auch bei den Reproduktionsklavieren war die Dynamische Diffe-renzierung eingeschränkt. Einzelne Modelle wiesen eine bestimmteAnzahl Lautstärkenstufen auf. Die Psychologen haben festgestellt,dass die meisten Leute, darunter auch Berufsmusiker, nicht imstandesind, mehr als 6 oder 8 Lautstärkestufen voneinander zu unterschei-den. Es sollte daher ausreichen, wenn ein Reproduktionsklavier 8Lautstärkestufen besitzt. Aber selbst wenn wir bei Einzeltönen nur 8Intensitätsbereiche unterscheiden können, sind wir befähigt, in einerReihe von aufeinanderfolgenden Tönen feinere Abstufungen wahr-zunehmen, als diejenigen zwischen den 8 Lautstärkepegeln. DieseErscheinung tritt auch im visuellen Bereich auf: Unser Gedächtnisvermag 6 oder 8 Graustufen zu unterscheiden, aber wenn wir eineGraustufenskala vor uns haben, vermögen wir viel mehr Grauwertevoneinander zu unterscheiden.

Wir sehen also, dass 8 Lautstärkestufen genügen, um die generel-len dynamischen Eigenschaften eines Werks wiederzugeben; aberfür die treue Wiedergabe aller Crescendi und Diminuendi reichendiese Abstufungen nicht aus, wodurch die Reproduktion gegenüberder Originalinterpretation etwas verfälscht wird. Die Firma Welteversuchte diesen Mangel folgendermassen auszugleichen: ihre Re-produktionsklaviere wiesen 3 starre Lautstärkestufen auf, die wir alspp, mf und ff bezeichnen könnten. Um von einer Stufe zur anderenzu wechseln, verfügten die Instrumente über zwei pneumatische Sy-steme, die ein stufenloses Crescendo, respektive ein stufenloses Di-minuendo bewirkten. Der Hauptnachteil bestand darin, dass es prak-tisch unmöglich war eine zwischen zwei Stufen gelegene Lautstärkekonstant einzuhalten.

Die zweite Beschränkung in der dynamischen Differenzierung be-stand in der mangelnden Unabhängigkeit der 88 Töne des Tonum-fangs. So arbeiteten die Reproduktionsklaviere mit einer Aufteilungder Tastatur in 2 oder mehr Regionen. Im Fall der Reproduktions-

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klaviere der Firma Welte wurde die Tastatur zwischen Fa # (3) undSol (3) in zwei Zonen aufgeteilt . Für viele Kompositionen ist dieseUnterteilung ungenügend, was in der Praxis durch manuelles Bear-beiten der Lochstreifen geschah, wobei künstliche Arpeggien ge-schaffen wurden, ähnlich wie beim Themodist des berühmten Pia-nolas der Firma Aeolian.

Der schwedische Ingenieur Nyström erfand ein Reproduktions-klavier mit Aufnahme und Wiedergabe, bei dem die Eigenart jedereinzelnen Note erfasst wurde. Leider wurden die mit der serienmä-ssigen Herstellung des Instruments verbundenen Probleme nie ge-löst, so dass nur ein paar wenige Exemplare gebaut wurden. Einähnliches Schicksal erfuhr ein Reproduktionsklavier der amerikani-schen Firma "AMerican PIano COmpany", bekannt unter dem Namen"Ampico".

Heutzutage sind alle Einzelheiten der Funktionsweise der ver-schiedenen Reproduktionsklaviere bekannt, da die vielen noch er-haltenen Instrumente, zusammen mit den bespielten Rollen, wie siezum Teil heute noch für die Einspielung auf Schallplatten der Inter-pretationen der grossen Pianisten von damals eingesetzt werden, unskeine technischen Geheimnisse vorbehalten können. Das Geheimnishingegen, mit dem die Aufnahmetechnik in den Tonstudios der gro-ssen Firmen umhüllt wurde, konnte bis heute nicht restlos geklärtwerden, und es leben heute nur noch ganz wenige Zeugen, die da-mals bei den Aufnahmearbeiten mitwirkten. Der Aufnahmemecha-nismus wurde damals sogar vor den Betriebstechnikern, wie etwaden Klavierstimmern, geheimgehalten. Heute kann man nur Ver-mutungen darüber anstellen, wie die Töne, ihre Dauer und ihre Laut-stärke in den verschiedenen Klavierrollen-Aufnahmestudios aufge-zeichnet wurden. Verschiedene spezialisierte Autoren behaupten,dass unter jeder Taste ein senkrechtes Stäbchen angebracht war, dasbeim Niederdrücken in ein Quecksilberbad getaucht wurde, wodurchein elektrischer Stromkreis solange geschlossen wurde, wie die Ta-ste niedergehalten wurde. Diese Autoren meinen ferner, die Ein-tauchtiefe, die mit der Anschlagskraft variierte, sei anhand des elek-trischen Widerstandes gemessen worden und hätte die Lautstärkedes betreffenden Tons bestimmt. Es ist auch möglich, dass beimNiederdrücken der Taste zuerst ein Stromkreis unterbrochen wurde,der dann beim Eintauchen des Stiftes ins Quecksilberbad wieder ge-schlossen wurde. Aus der Länge des Unterbruchs wäre dann dieLautstärke ablesbar gewesen. In jedem Fall musste das künstlicheArpeggio zur Differenzierung der Dynamik zweier in derselben Un-terteilung der Tastatur gelegener Töne von Hand vorgenommenwerden. Und wir vermuten, dass dies nicht die einzige Retusche war,

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die nach der Einspielung vorgenommen wurde. Es konnten relativproblemlos falsche Noten, unsaubere Rhythmen oder fehlende Notenkorrigiert werden. Pedaleffekte wurden mitunter durch Aushaltengewisser Noten (Fingerpedal) ersetzt, was die Anatomie der Handvielfach nicht ermöglicht. Andererseits wurde der Einsatz des linkenPedals nicht aufgezeichnet. Halbpedaleffekte gingen ebenfalls verlo-ren.

Trotz allem können Klavierrollenaufnahmen für das Studium desStils und der Technik von historischen Pianisten äusserst nützlichsein. Man bedenke, dass die Pianisten selber die durchzuführendenRetuschen zu überwachen pflegten. Schon seit Jahren werden dieinteressantesten Aufnahmen auf Schallplatten und neuerdings aufCD übertragen und so dem grossen Publikum zur Verfügung ge-stellt. Heute bieten viele Rollenaufnahmen den einzigen Weg, umauf annehmbar objektive Art die Interpretation vieler Pianisten desfrühen XX Jh. zu bewerten.

Neben grossen Virtuosen wie Eugène d'Albert, Joseph Hofmann,Frédéric Lamond oder Paderewsky, unter vielen anderen, habenauch mehrere grosse Komponisten Aufnahmen ihrer Werke auf Kla-vierrollen hinterlassen. Hier seien die Aufnahmen von Claude De-bussy, Maurice Ravel, Enric Granados, Alexandre Scriabin und Ser-gej Rachmaninof erwähnt.

Das Pianola hat neben seinem reproduktiven Aspekt auch einekreative Seite: verschiedene Künstler des XX Jh. haben Werke fürPianola geschrieben, die für einen Pianisten unspielbar wären, schonwegen der anatomischen Eigenschaften der Hand oder wegen ande-ren unbesiegbaren technischen Schwierigkeiten. Diese Komponistenhaben die Möglichkeit, die Papierrolle manuell zu perforieren. Einerder ersten grossen Komponisten, der diese Möglichkeiten aus-schöpfte war Strawinsky mit seiner "Étude pour Pianola" (op. 7,Nº 1). Andere Komponisten, die Werke für Pianola geschrieben ha-ben, sind Eugene Goossens, Herbert Howells, Hindemith (Toccatafür Mechanisches Klavier, 1926) und Malipiero.

In der Mitte des XX Jh. schien das Zeitalter des mechanischenKlaviers definitiv beendet zu sein. Aber gegen Ende des Jh. geselltesich die mikroelektronische Technologie zur Idee des Reprodukti-onsklaviers und die Firma Yamaha stellte ihr Disklavier vor. DieseSystem erlaubt es, die auf dem mit der entsprechenden Apparatureingerichteten Klavier gespielte Musik auf einer Diskette festzuhal-ten, die mit dem PC-Format kompatibel ist. Das heikle Medium dergelochten Klavierrolle mit 88 Pisten wurde durch ein elektronischesMedium ersetzt, mit dem die pianistischen Interpretationen mit ei-

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nem Computerprogramm elektronisch bearbeitet, kopiert und sogarper E-Mail versandt werden können.

Die wichtigsten direkten Schallwiedergabeapparate, die anschlie-ssend kurz beschrieben werden, sind die folgenden: Das Telephon,der Phonograph und das Tonbandgerät (Magnetophon). Das Tele-phon, wie die meisten komplexen Erfindungen, wurde nicht von ei-nem einzelnen Menschen entwickelt, obwohl zweifelsohne derwichtigste Name im Zusammenhang mit der Telephonie A.G. Belllautet. Bevor hier das elektrische Telephon vorgestellt wird, sollenzwei Systeme akustischer Telephonie kurz erwähnt werden. Das er-ste System, das Schnurtelephon, hat sein Stadium als Physikexperi-ment und Kinderspielzeug nie überschritten. Dieses Tonübertra-gungssystem besteht aus zwei Bechern aus Blech oder Pappe, dessenBoden in der Mitte gelocht wurde, um den Knoten einer Schnur auf-zunehmen. Wird die Schnur zwischen den beiden Bechern gespannt,kann der Schall von einem Becher zum anderen übertragen werden:an einem Ende der Leitung hält eine Versuchsperson ihr Ohr an denBecher, während auf der anderen Seite die andere Versuchspersonleise in den Becher spricht.

Ein anderes akustisches Telephonsystem ist in der Eigenschaft derRöhren begründet, den Schall ohne wesentliche Abschwächung übergrössere Distanzen weiterzuleiten. Eine Person, die ihr Ohr an einEnde der Röhre hält, vermag die Worte der Person zu verstehen, dieam anderen Ende leise in die Röhre spricht, wenn auch mit der ent-sprechenden Verzögerung. Dieses System kann etwa zwischen demSpeisesaal und der Küche eines Hotels eingesetzt werden oder anBord eines Schiffs, obwohl heutzutage in den meisten Fällen elek-troakustische Systeme das Rohrtelephon abgelöst haben.

Die Beschreibung aller Versuche, die schliesslich zum heutigenTelephon geführt haben könnten den Inhalt eines ganzen Buchs bil-den. Hier werden wir uns auf ein paar der wichtigsten Daten be-schränken müssen. Eine notwendige Bedingung für die Entwicklungaller elektrischen Telephonsysteme bildete die Entdeckung desElektromagnetismus durch Örsted im Jahre 1819. Örsted bemerkte,dass ein elektrischer Strom ein elektromagnetisches Feld induziertund umgekehrt.

Eine andere Entdeckung führte direkt zum Telephon von Reis,dem Gerät, das wir als erstes elektrisches Telephon betrachten kön-nen, nämlich die Entdeckung des Page-Effekts. Page war ein ameri-kanischer Professor, der 1837 bewies, dass eine rasche Folge vonMagnetisierung und Entmagnetisierung eines Eisenstabs durch hoch-frequenten elektrischen Wechselstrom von einer akustischen Er-

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scheinung begleitet werden: Es wird ein Ton mit der Frequenz deselektrischen Wechselstromes abgegeben. Heute wissen wir, dass dieMagnetisierung eines Eisenstabs durch elektrischen Strom mit einerextrem kleinen Längenveränderung des Stabs einhergeht, die mit derOrientierung seiner Atome zusammenhängt. Durchläuft etwa einWechselstrom von 50 Hz die Windungen eines Elektromagnets,wird der Eisenkern 100 Längenveränderungen pro Sekunde ausge-setzt werden, was bewirkt, dass er einen extrem schwachen Ton von50 Hz von sich gibt, welcher nicht zu verwechseln ist mit dem Ton,den ein VOR DEM STAB angeordnetes magnetisiertes Stück Stahlblechvon sich gibt, weil es alternierend angezogen und abgestossen wird.Dieser Ton ist auch von demjenigen verschieden, den ein VOR DEM

STAB angeordnetes NICHT MAGNETISIERTES Stück Stahlblech vonsich gibt, das unabhängig von der Polarität des Eisenstabs 100 Malpro Sekunde angezogen wird, und damit einen um eine Oktave hö-heren Ton von sich gibt.

Der Page-Effekt bildet auch die Grundlage einer verhältnismässigneueren industriellen Anwendung: die Bearbeitung von Materialienunter Anwendung von Ultraschall. In der üblichen Anordnung wirdein Stahlstab mittels einer von Hochfrequenzstrom durchströmtenSpule in Schwingung gebracht. Unter Mitwirkung eines Schleifmit-tels dringt der Stab in das zu bearbeitende Werkstück ein. Dank die-ser Technik können prismatische Löcher beliebigen Querschnitts er-zeugt werden, während ein herkömmlicher Bohrer nur zylindrischeLöcher liefert. Es kommen meist Frequenzen von über 20000 Hz zurAnwendung. Die Anwendung des Ultraschalls dehnt sich auch aufdas Schweissen von Kunststoffen und auf die Präzisionsmessungenaus.

Einer der Vorgänger des heutigen Telephons war das 1861 vomDeutschen Reis vorgestellte Gerät. Reis scheint auch der Schöpferdes Ausdrucks "Telephon" gewesen zu sein. Durch seine Bauart eig-nete sich das Telephon von Reis besonders für die Übertragung vonTönen (nicht von Schall im allgemeinen Sinn) und war daher für dieÜbertragung der Sprache weniger geeignet, was auch erklärt, warumdas Gerät von Zeitgenossen als "musikalisches Telephon" bezeich-net wurde.

Der Überträger oder Sender des Reisschen Telephons besteht auseinem Kasten, der in einen Trichter mündet. Eine Wand des Kastenswird durch eine Membrane aus Pergament ersetzt, in dessen Mittesich eine mit einem Pol einer Batterie verbundene Platinscheibe be-findet, während der andere Pol der Batterie mit der Linie verbundenist, welche den Sender mit dem Empfänger verbindet. Eine in kur-zem Abstand von der Scheibe angebrachter Stift ist mit der zweiten

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Phase der Linie verbunden. Der Empfänger besteht aus einem gera-den Elektromagneten mit einem dünnen Eisenkern, der über zweiStege mit einer Resonanzplatte verbunden ist. Wird die Membranmit einer Frequenz n in Schwingung versetzt, findet zwischen derPlatinscheibe und der entsprechend eingestellten Platinspitze eineReihe von Verbindungen und Unterbrechungen des Batteriestromesstatt, in einer Anzahl von n pro Sekunde. In der Empfängerstationwird der Elektromagnet n mal pro Sekunde magnetisiert und wiederentmagnetisiert; durch den Page-Effekt wird der Kern in diesemRhythmus verlängert und verkürzt. Diese Schwingung wird auf denResonanzboden übertragen und unter idealen Bedingungen an dieumgebende Luft in Form einer hörbaren Schallwelle abgestrahlt.

Das Telephon von Bell

Was geschieht, wenn die Lautstärke des Tons von n Hz, der dieMembrane zum Schwingen bringt, plötzlich zunimmt? Die Mem-brane des Überträgers schwingt mit einer grösseren Amplitude mit,aber der Takt der Unterbrechungen zwischen der Platinscheibe undder Spitze bleibt unverändert; an der Empfangsstation wird keineLautstärkesteigerung hörbar. Darum beschränkt sich das "musikali-sche Telephon" von Reis im wesentlichen auf die Übertragung derGrundfrequenzen der Töne, ohne Intensitäten und Klangfarben zuunterscheiden.Das Telephon von Bell aus dem Jahr 1876 liefert uns ein schönesBeispiel für die Verwandlung der Energie von einer Form in die an-dere. Ein Gerät, das Energie von einer Form in eine andere verwan-delt, heisst ein TRANSDUKTOR. Das Bellsche Telephon ist im we-sentlichen ein mit einer Wicklung aus dünnem Kabel umgebenerzylindrischer Permanentmagnet, vor dem senkrecht eine dünne run-de Eisenblechplatte an der Umgrenzung festgehalten wird, die(fälschlicherweise) als Membrane bezeichnet wird, obwohl es sich

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streng genommen um eine schwingende Platte handelt. Fängt nundiese Membran unter dem Einfluss der Schallwellen der menschli-chen Stimme zu schwingen an, werden in den Windungen des Ma-gnets elektrische Spannungen im Takt der Schallschwingungen in-duziert. Der so erzeugte Wechselstrom wird durch die Leitung demin einiger Entfernung gelegenen anderen Gerät zugeführt, das in sei-nem Aufbau identisch ist. Hier erzeugen die elektrischen Schwin-gungen entsprechende Veränderungen in der Stärke des Elektroma-gnets, so dass in diesem zweiten Apparat die Membrane zumSchwingen angeregt wird. Dasselbe Gerät dient also als Sender undEmpfänger und benötigt dazu nicht einmal eine Energiequelle, wieetwa eine Batterie, da die akustische Energie alleine ausreicht, um eszu betreiben.

Im Gegensatz zum Reisschen Telephon reproduziert das BellscheTelephon die Frequenz, die Lautstärke und die Klangfarbe, da der imSender induzierte Strom wie eine phonographische Kurve verläuft,wenn wir die Distorsionen vernachläs-sigen. Die Symmetrie des BellschenTelephons ist so perfekt, wie die desSchnurtelephons oder des Rohrtele-phons, da der Überträger gleichzeitig alsSender dient. Aber der Widerstands-verlust und die von unabhängiger Seiteinduzierten Parasitenströme begrenzenden Einsatz dieses Telephons auf sehrkurze Strecken. Wie bei allen elektroa-kustischen Transduktoren ist es wichtig,dass die Eigenfrequenzen der Membra-ne ausserhalb des Tonumfanges des zu vermittelnden Schalls fallen.

Die nächste entscheidende Erfindung im Bereich der Telephoniewar das Mikrophon von im Jahr 1877. Ein Mikrophon ist ein Trans-duktor, der Schallwellen in elektrische Schwingungen verwandelt.Im weiteren Sinn bildet das Bellsche Telephon bereits ein Mikro-phon. Das Mikrophon von Hughes ist ein im Takt der Schwingungenveränderlicher elektrischer Widerstand. Es ist auf der Tatsache be-gründet, dass sich der elektrische Widerstand zwischen zwei Kohlenoder anderen elektrischen Leitern mit dem Druck zwischen denKontaktpunkten verändert.

Ein einfaches Modell eines Hugheschen Mikrophons kann mitdrei Eisennägeln gebaut werden. Zwei davon werden parallel auf ei-ne isolierte Platte befestigt und folgendermassen angeschlossen: dererste Nagel entspricht einem Pol einer Batterie, der andere wird mit

Das Mikrophon von Hughes

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einem Pol eines Lautsprechers oder eines Bellschen Telephons ver-bunden, während der verbleibende Pol des Lautsprechers mit demnoch freien Pol der Batterie verbunden wird. Der Stromkreis wirdgeschlossen, indem der dritte Nagel quer auf die beiden Nägel gelegtwird. Wird das Experiment unter günstigen Bedingungen durchge-führt, erzeugen kleine Erschütterungen und lauter Schall entspre-chende Geräusche im Lautsprechers. Das gängigste Modell einesHugheschen Mikrophons bestand aus einem an beiden Enden zuge-spitzten Kohlenzylinder, der senkrecht zwischen zwei Griffen ausdemselben Material angebracht wurde. Diese Anordnung wird voneinem senkrechten Holzbrettchen getragen, das als Resonanzbodenwirkt. Jede Schwingung, die das Brettchen in Bewegung versetzt,verändert rhythmisch den Druck, den die beiden Zylinderspitzen aufdie beiden Träger ausübt, und mit ihm den elektrischen Widerstandzwischen den beiden Trägern. Ein mit diesem Mikrophon und einerBatterie in Serie geschaltetes Telephon oder Lautsprecher reprodu-ziert mit einer gewissen Treue die Töne, die den Resonanzbodenzum Schwingen gebracht haben. Es wurden schon bald verbesserteVersionen des Hugheschen Mikrophons gebaut, wie etwa das in derFigur anhand eines zeitgenössischen Holzstichs abgebildete Modell.Verschiedene Erfinder änderten die Erfindung von Hughes in man-nigfaltiger Art und Weise ab. Hier sei nur eine der ausgereiftestenVersionen des Kohlenmikrophons erwähnt, das Modell von Edison,bei dem der senkrechte Kohlenstab durch eine Füllung aus Kohlen-kügelchen ersetzt wurde. Unsere Figur, welche anhand eines Holz-stichs aus dem frühen XX Jh. reproduziert wurde, stellt einen Quer-schnitt durch eine perfektionierte Ausführung eines solchen Mikro-phons dar. Im Zentrum der Membran, gleich gegenüber demSprechtrichter befindet sich eine Schraube, die auf die Metallplatte,die das mit Kohlekügelchen gefüllte Gefäss abschliesst, Druck aus-übt. Die Wände des Behälters bestehen aus isolierendem Material,heute meist Kunststoff , während die beiden Membranen, die dieKohlenkügelchen einschliessen aus Metall bestehen und den beidenAnschlusspolen des Mikrophons entsprechen. Je nach der momenta-nen Stellung des Bodens und der schwingenden Membrane zueinan-der sind die Körnchen mehr oder weniger Druck ausgesetzt, der ei-nen indirekt proportionalen elektrischen Widerstand und damit einendirekt proportionalen elektrischen Stromfluss zur Folge hat. Da dieKörnchen zur Zusammenballung neigen, sollten solche Mikrophoneab und zu etwas geschüttelt werden. Um den Wirkungsgrad zu erhö-hen wurde schon bald die Induktionsspule eingesetzt, welche wie einTransformator wirkt und auf ähnliche Art geschaltet wird, wie dies

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beim weiter unten erwähnten sprechenden Lichtbogens von Duddellder Fall ist.

Aber erst dank der Verstärkerröhre wurde es später möglich, Te-lephongespräche ohne Lautstärkenverluste über grössere Strecken zuführen. Heute wurde die auf der Verstärkerröhre begründete Tech-nologie weitgehend durch die Halbleitertechnik (Transistor) ersetzt.

Der Fall des Mikrophons bietet eine glänzende Gelegenheit, umdie verschiedenen Sorten von Transduktoren vorzustellen, die imLaufe der Geschichte eingesetzt wurden.

Das KOHLENMIKROPHON ist zweifelsohne eines der ältesten Sy-steme, da das Telephon von Reis schon einen Spezialfall derselbenAnordnung darstellt. Und in seiner modernsten Form, als Kohlen-körnchenmikrophon können wir es auch heute noch antreffen.

Das ELEKTROMAGNETISCHE MIKROPHON ist ein direkter Nachfol-ger des Bellschen Telephons. Während bei der Fassung von Bell derTransduktor selber als Stromversorger wirkte, wird beim elektroma-gnetischen Mikrophon ein Elektromagnet von einem Gleichstromdurchflossen, dessen Intensität durch die Schwingungen der eisernenMembran, die vor dem Eisenkern angebracht ist, moduliert wird.

Das ELEKTRODYNAMISCHE MIKROPHON oder TAUCHSPULEN-

MIKROPHON ist eine verbesserte Bauart davon, bei der die Spule aufdem Eisenkern hin- und herschwingt. Da die Spule leichter insSchwingen gebracht werden kann, als die eiserne Membrane, ist die-se Anordnung empfindlicher.

Das PIEZOELEKTRISCHE MIKROPHON oder STATISCHE MIKROPHON

ist auf der Eigenschaft gewisser Kristalle, wie etwa dem Quarz, be-gründet, elektrische Spannungen zu erzeugen, wenn sie zusammen-gepresst oder wieder gedehnt werden. In einem piezoelektrischenMikrophon bewirken die akustischen Schwingungen Druckänderun-gen in den Kristallen, die sich als veränderliche elektrische Poten-tiale bemerkbar machen, die mittels Elektroden von den Kristall-oberflächen abgelesen werden können.

Im KONDENSATORMIKROPHON wird eine der beiden Platten eineselektrischen Kondensators durch die akustischen Schwingungen be-wegt, wodurch die elektrische Kapazität entsprechenden rhythmi-schen Veränderungen unterworfen wird.

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Das MAGNET-KONSTRIKTIONS-MIKROPHON beruht auf der Eigen-schaft von Magneten aus geeignetem Material, ihre Anziehungskraftje nach dem Druck, dem sie ausgesetzt werden, zu verändern.

Das GLÜHFADEN-MIKROPHON weist extrem dünne Platin-drähtchen auf, die mit Gleichstrom geheizt werden und unter demEinfluss des allerkleinsten Luftzugs, wie ihn die akustischenSchwingungen zu erzeugen vermögen, ihren elektrischen Wider-stand (fast) augenblicklich verän-dern.

Die meisten dieser Prinzipiensind auch auf den Tonabnehmer(Pick-up) anwendbar. Die inversenAnordnungen sind weitgehend aufden entgegengesetzten Transduktoranwendbar, nämlich auf den Laut-sprecher.

Ein guter Transduktor solltemöglichst lineare Resultate liefern.Man spricht von linearem Verhal-ten eines Transduktor, wenn dieAusgabe eine lineare Funktion (imalgebraischen Sinn des Ausdrucks) der Eingabe ist:

Ausgabe = a · Eingabe + b

Ist dies nicht der Fall, spricht man von NICHTLINEAREN DISTOR-

SIONEN.Bei der normalen Schaltung zwischen der telephonischen Sende-

station und der Empfängerstation mittels zwei Phasen kann einer derbeiden Drähte weggelassen werden, indem man die Erde als zweitenLeiter benutzt. Wie jedermann weiss, kann beim Senden vonSchallwellen mittels RUNDFUNK

42 ganz auf Leitungslinien verzichtetwerden. Die Grundlagen zu dieser grossartigen Erfindung wurdengegen 1900 von Marconi und Popov entwickelt. Der Rundfunk be-ruht auf der Modulation der von einem Sendegerät ausgestrahltenHertzschen Wellen43 durch die phonographische Kurve des Schalls.Bei der AMPLITUDENMODULATION, AM, besteht die Modulation auseiner Kombination der von einem elektronischen Schwingkreis er-zeugten sinusförmigen Trägerwelle und der phonographischen Kur-ve des Schalls. Da letztere streng genommen fortlaufend die Fre- 42 Man spricht auch von Radiotelephonie, Radiophonie oder kurz Radio.43 Die elektromagnetischen Wellen werden zu Ehren ihres Entdeckers Heinrich Hertz (1857-94)auch als Hertzsche Wellen bezeichnet.

Das Kohlenmikrophon

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quenz der Trägerwelle modifiziert, darf sich der Empfänger nicht aufdie Erfassung einer einzigen Wellenlänge beschränken; vielmehrwird der Empfänger so eingestellt, dass eine kleine Bandbreite auf-genommen wird, in dessen Zentrum sich die Frequenz der Träger-welle befindet. Daher kommt der Effekt, dass mit einer allzu grossenTrennschärfe eines Empfängers eine Einbusse der Tonqualität einhergeht. Der Rundfunkempfänger trennt die Trägerwelle wieder von derphonographischen Kurve, die schliesslich auf elektronischem Wegverstärkt wird. Die technischen Einzelheiten, die in vielen speziali-sierten Büchern nachzulesen sind können hier nicht beschriebenwerden.

Ein anderes wichtiges Rundfunksystem besteht in der Modulationder Frequenz der Trägerwelle, anstatt der Amplitude. Es handelt sichum das unter dem Namen FREQUENZMODULATION, FM, bekannteVerfahren.

Zur Zeit wird mit einem neuen Verfahren experimentiert, dem di-gitalen Rundfunk, bei dem der zu sendende Schall vor der Aus-strahlung in digitale Form gebracht wird. Digital dargestellte Datenhaben den Vorteil, dass sie ohne jeglichen Qualitätsverlust mit ent-sprechenden Vorrichtungen beliebig oft hintereinander kopiert wer-den können.

Aber bereits schon vor der Erfindung des Rundfunks konnte derSchall drahtlos übertragen werden. Unter den verschiedenen Syste-men sei hier das Verfahren erwähnt, das Ruhmer gegen Ende desXIX Jh. entwickelte. Dieses Gerät arbeitete mit einer manometri-schen Kapsel von Koenig. Das von der Flamme abgestrahlte Lichtwurde über einen Parabolspiegel zur Empfangsstation weitergeleitet,wo das im Rhythmus des Schalls schwankende Licht auf eine photo-elektrische Zelle einwirkte (einen Seleniumhalbleiter, dessen elektri-scher Widerstand sich mit der Lichtintensität verändert), die alsTransduktor wirkte, wie eine Art Mikrophon. Abgesehen von dermangelhaften Qualität, die heutzutage durch Einsatz einer wenigerträgen Lichtquelle, etwa eines Laserstrahls, wesentlich verbessertwerden könnte, hat das System den Nachteil, dass sich das Licht aufeiner geraden Linie verbreiten muss, die leicht durch irgendwelcheHindernisse, wie etwa eine Wolke oder einen Vogel unterbrochenwerden kann.

Wie alte Legenden beweisen, war es schon immer ein Traum derMenschheit gewesen, einen Apparat zu besitzen, mit dem jederzeitder Schall, vor allem die menschliche Stimme, aufgenommen undspäter wieder abgespielt werden könnte. Es sei etwa der utopischeRoman von Cyrano de Bergerac "Histoire comique des États et Em-pires de la Lune" aus dem Jahr 1656 erwähnt, in welchem ein phan-

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tastisches Buch beschrieben wird, das spricht, wenn eine Nadel aufdas entsprechende Kapitel gelegt wird. Wir denken auch an dasphantastische Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen, in dembei bitterer Kälte die Töne eines Jagdhorns einfroren. Später, beimAuftauen spielte das Horn selbständig seine Melodien...

Vermutlich bestand der erste Schritt zur technischen Verwirkli-chung der Schallaufzeichnung aus dem Apparat von Young, der um1807 die phonographische Kurve des Tons einer Stimmgabel auf ei-nen mit Russ bedeckten Stahlzylinder aufzeichnete.

Eine Verallgemeinerung dieses Verfahrens wurde im Jahre 1857von Scott entwickelt, der sein Gerät als Phonautographe bezeichne-te. Jetzt fehlte "nur" noch das System, das es erlaubte, die vom Pho-nautographe aufgezeichneten Kurven wieder in Form von Schallwiederzugeben. Schliesslich wurden sich 1877 zwei Erfinder, Edi-son und Charles Cros, offenbar unabhängig voneinander, bewusst,dass die Maschine von Scott umkehrbar war und es entstand die Ur-form des Phonographen. Jetzt wo wir die Lösung des Problems ken-nen, scheint uns der 1877 voll führte Schritt trivial und wir staunen,dass es so lange gebraucht hatte, um zu diesem Schluss zu kommen.Genau wie beim berühmten Ei des Columbus. Aber es ist doch inter-essant festzustellen, dass weder Scott, noch die berühmten zeitge-nössischen Physiker, wie Helmholtz oder Koenig, die mit der Ma-schine von Scott gearbeitet hatten, den entscheidenden Schritt voll-brachten.

Der erste Phonograph von Edison (der Apparat von Cros wurdenie gebaut) bestand aus einem Zylinder auf einer gewundenen Ach-se, der sich bei jeder Umdrehung einer Kurbel um eine der Windungentsprechende Distanz seitlich fortbewegt und einer Membran, unterder eine Gravurnadel angebracht ist. Wird die Membran in Aufnah-mestellung gebracht, wird die Nadel auf den Zylinder gedrückt, dervon einem hauchdünnen Zinnblech überdeckt wurde, in das der Wegder Nadel leicht eingegraben wurde. Wird der Zylinder gleichmässiggedreht, während in den über der Membrane angebrachten Schall-trichter gesprochen wird, gräbt sich die Nadel im Rhythmus derSchwingungen mehr oder weniger tief in die Zinnschicht ein, so dassvon der Seite her betrachtet eine phonographische Kurve entsteht.Man spricht von Tiefengravur. Nach der Aufnahme wird die Mem-brane zusammen mit der Nadel wieder in die Ausgangsstellung ge-rückt. Versetzen wir nun den Zylinder wieder in gleichmässige Ro-tation, folgt die Nadel wieder der Ril le und wird in dieselbenSchwingungen versetzt, die bei der Aufnahme in das weiche Metallgedrückt wurden, womit der Schall einigermassen treu wiedergege-ben wird, wenn wir die Distorsionen vernachlässigen. Leider kann

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der auf diese Art aufgenommene Schall nur wenige Male angehörtwerden, bis die Rill e endgültig von der Nadel zerstört wird.

Eine wesentliche Verbesserung in der Wiedergabequalität desPhonographen wurde 1888 von G. Bell, Chichester Bell und Taintermit dem Einsatz von mit Wachs beschichteten Zylindern erzielt. Derangepasste Apparat wurde von seinen Erfindern als Graphophonebezeichnet. Bei der Phonographie auf Wachszylinder wurden zweiverschiedene Nadeln eingesetzt, eine Stichelförmige für die Auf-nahme, die andere mit einer abgerundeten Spitze für die Wiederga-be. Durch die geeignete Auswahl der meist aus Parafin, Bienen-wachs und Carnaubawachs zusammengesetzten Schicht konnte einefast unbegrenzte Anzahl Wiederholungen erreicht werden. GegenEnde des Jh. wurden Phonographen in grossen Serien für den Haus-halt hergestellt und die Herstellung bespielter Zylinder wurde zu ei-nem wichtigen Industriezweig. In dieser ersten Epoche der Phono-graphie wurden die Aufnahmen mit rein akustischen Mitteln produ-ziert, ohne elektroakustische Transduktoren. Vor den Orchestern undden Solisten mussten grosse Schallt richter aufgestellt werden undder so eingefangene Schall wurde über Schläuche den Aufnahmege-räten zugeführt. Gegen Ende des Jh. erfand der Deutsche A. Stroheine extravagant aufgebaute Violine, die keinen Resonanzbodenhatte; vielmehr wurden bei der Strohgeige die Schwingungen desSteges einer Membrane mit einem Schallt richter weitergeleitet, wiebei einem Phonographen. Dieses Instrument, das heute nur noch einkurioses Museumsstück darstellt, verrichtete für die damalige pho-nographische Industrie wertvolle Dienste, da der Schalltrichter ge-gen einen akustischen Schlauch ausgetauscht werden konnte, derden Schall direkt einem Aufnahmegerät zuführte. Vermutlich habenwir die meisten qualitativ akzeptablen Aufnahmen berühmter Violi-nisten jener Zeit, wie etwa von Joseph Joachim, der Strohgeige zuverdanken.

Ab 1925 oder 1930 gingen die Aufnahmestudios zur elektroaku-stischen Tonaufnahme über. Der Schall wurde dabei mit einem Mi-krophon aufgenommen und elektronisch verstärkt. Der Grabstichelarbeitete auf ähnliche Weise wie beim reinen akustischen Verfahren,wurden aber mit einem Transduktor gesteuert, der die vom Verstär-ker gelieferten Schwingungen in entsprechende mechanischeSchwingungen verwandelte, ähnlich wie dies bei einem Lautspre-cher geschieht. Später wurde auch das der Wiedergabe entsprechen-de Gegenstück dazu entwickelt, der Tonabnehmer oder Pick-up, derdie Membrane und den Schallt richter ablöste und die phonographi-sche Kurve der Ril le direkt in elektrische Schwingungen verwan-

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delte. Heutzutage arbeiten die meisten der noch eingesetzten Pick-ups elektrodynamisch, aber es gibt auch piezoelektrische Pick-ups.

Ungefähr ab 1895 begann ein neuer phonographischer Tonträgerden Zylinder abzulösen, die 1887 von Berliner erfundene Grammo-phonplatte. Die Rill en dieses neuen Mediums wurden quer ge-schnitten (seitliche Aufzeichnung), im Gegensatz zu dem bei denZylindern üblichen Tiefenschnitt (oder senkrechte Aufzeichnung).Betrachten wir also eine Platte von Berliner unter einem Mikroskop,können wir eine schlängelnde Linie beobachte, während die entspre-chende Linie bei den Zylindern senkrecht verläuft und punktweiseveränderliche Tiefen aufweist.

In den ersten von Berliner hergestellten Platten verlief die einge-grabene spiralförmige Ril le von einer Zone in der Nähe des Zen-trums gegen aussen. Auch Edison schuf ein auf Platten gegründetesphonographisches System, allerdings mit vertikaler Gravur, wie beiden Zylindern. Später wurde universell die Quergravur auf Plattenmit einem Durchmesser von 30 cm mit der Spirale von aussen nachinnen und 78 Umdrehungen pro Minute als Standard eingeführt.

Um den Vertrieb in grossen Auflagen zu erlauben, war die Indu-strie auf Verfahren angewiesen, die es erlaubten, die Platten serien-mässig herzustellen. Schon früh entwickelte Berliner ein System, mitdem er seine quer geschnittenen Platten vervielfältigen konnte: DieOriginalaufnahme wurde auf eine mit einer Wachsschicht belegtenZinkplatte vorgenommen. Der Grabstichel aus Platiniridium warüber eine Membrane mit einem Schall rohr verbunden. Um die beider Aufnahme entstehenden Wachsspäne vom Grabstichel zu entfer-nen, wurde der Rotationsteller vollständig in ein Wasserbecken un-tergetaucht, so dass die Späne an die Oberfläche auftauchen. Nachder abgeschlossenen Tonaufnahme wurde die Platte in ein Säurebadgetaucht und geätzt, wie eine Radierung, bei der die Wachsschichtals Ätzreserve diente. Anhand dieser Aufnahme wurden auf galvani-schem Wege Matrizen gemacht, die ihrerseits der Prägung der end-gültigen Schallplatten auf thermoplastischem Material dienten.

Dieses Verfahren hatte einen Nachteil, der in der ersten Zeit wohlnicht richtig beurteilt wurde und der möglicherweise die Hauptursa-che für den geringen wirtschaftlichen Erfolg darstellte, den diesePlatten im Vergleich zu den Zylindern hatten. Die Säuren haben dieEigenschaft, die kristalli ne Struktur des Metalls an der angeätztenOberfläche hervorzuheben. Im Fall der Platten von Berliner verur-sachte dieser Effekt ein Grundrauschen bei der Wiedergabe, das dieQualität der Wiedergabe wesentlich beeinträchtigte. Ab 1897 wur-den die galvanischen Matrizen direkt ab der Originalwachsschichthergestellt, und das wird auch heute noch so gemacht.

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Heutzutage44 wird die Originalplatte aus Wachs anhand einerTonbandaufnahme hergestellt . Das Wachsrelief wird auf elektrolyti-schem Wege mit einer Metallschicht bedeckt, wonach der Wachsweggeschmolzen wird. Wegen der Feinheit seines Korns wird zual-lererst eine dünne Goldschicht aufgetragen. Daher der Ausdruck"Goldene Schallplatte". Nachher folgt meist eine Kupferschicht. Dieso entstehende Matrize könnte bereits zum Pressen der Auflageplat-ten dienen. Meist werden aber von dieser ersten Matrize eine AnzahlGegenreliefs gebildet, die als Patrize bezeichnet werden. Erst vondiesen Patrizen werden die definitiven Matrizen gewonnen.Schliesslich werden die Matrizen für die Prägung in einer vorge-heizten Presse gegen ein Stück thermoplastisches Material (heutemeist Vinyl) gepresst. Zuletzt wird die Matrize45 der Presse ent-nommen, gekühlt und von der Platte getrennt, welche nur noch ineiner Art Drehbank abgerundet werden muss.

Die Hersteller von Phonographenzylindern mussten ein wesent-lich schwierigeres Problem lösen, denn es scheint auf den erstenBlick unmöglich, einen bespielten Zylinder durch eine Pressungoder Injektion von Material zu duplizieren, da danach das Originalnicht mehr von der Kopie getrennt werden könnte. Es boten sichdamals folgende Auswege an:

- Das Musikstück so oft mal spielen lassen, wie Zylinderhergestellt werden mussten.

- Die Schallwellen mittels akustischer Rohre auf mehrereAufnahmegeräte verteilen.

- Einen bespielten Zylinder mit einem speziellen Kopier-gerät auf einen oder mehrere Rohzylinder überspielen.

Wenn man bedenkt, dass die bespielte Wachsschicht nicht dauer-haft genug war, um beliebig viele Kopien davon herstellen zu kön-nen, waren die Aussichten der Fabrikanten eher düster. Edison undseinen Mitarbeitern gelang 1903 nach vielem Experimentieren derentscheidende Durchbruch dank einer genialen Idee, die es ihnenerlaubte, praktisch beliebig viele Kopien von einer Wachswalze her-zustellen. Das Verfahren war folgendes:

Das erste Problem war die Behandlung der bespielten Wachs-schicht, so dass diese die Elektrizität leitete. Zuerst versuchten sie,den zu bespielenden Zylinder mit einer Mischung aus Wachs undGraphit zu beschichten, wie sie bei der Anfertigung von Galvanosfür das Druckereigewerbe eingesetzt wurde. Aber das Resultat warfür die Zwecke der Tonaufnahme zu grob, vielleicht weil es nicht

44 Die meisten Tonaufnahmen werden inzwischen ausschliessli ch auf CD vertrieben; die Tageder herkömmlichen Schallplatte sind gezählt.45 Normalerweise handelt es sich um zwei Matrizen, eine für jede Seite der Platte.

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möglich war, einen genügend reinen und feinen Graphit zu gewin-nen. Schliesslich gelang es, die bespielten Zylinder mit einer hauch-dünnen Goldschicht zu bedecken, und zwar in einer Vakuumkam-mer, in der der Zylinder gleichmässig zwischen zwei Goldplattenrotierte, zwischen denen ein elektrischerBogen unterhalten wurde. Die Elektro-nen, die von der Kathode zur Anodesprangen, entrissen der Goldplatte einpaar Goldatome, die auf der Wachs-schicht der Zylinder haften blieben.

Diese hauchdünne Goldschicht er-laubte es, den Zylinder auf galvanopla-stischem Weg mit einer Kupferschicht zuüberziehen. Die Wachsschicht des Origi-nalzylinders wurde anschliessend mitentsprechenden Lösungsmitteln abgelöstund die Kupfermatrize wurde in einMessingrohr mit etwa 5 mm Wandstärkeeingebaut. Um einen Abdruck dieses Zylinders zu erhalten, wurdedas Rohr senkrecht in ein Bad aus einer Art flüssigem Wachs mit ei-ner bestimmten Temperatur getaucht und diesem sofort wieder ent-nommen. Nach dem Abkühlen haftete eine dünne und harte Wachs-schicht im Inneren des Rohrs. Da sich beim Abkühlen der Wachsstärker zusammenzog als das kalte Metall rohr und andererseits dieTiefe der Ril len minimal war (etwa in der Grössenordnung einesZehntelmill imeters) erlaubte es dieser Grössenunterschied, die Ko-pie aus dem Rohr zu schieben. Der Prozess wurde mit einem mecha-nischen Vorgang abgeschlossen, der dem Zylinder die definitiveForm gab.

Ein anderes Problem, das mit der Phonographie der ersten Epocheverbunden war, war die Schallverstärkung. Wie jedermann weiss,wird der Schall heute auf elektronischem Wege verstärkt. Die elek-tronische Verstärkung wurde durch die TRIODE möglich, die um1907 von Lee De Forest erfunden wurde. Ab 1950 wurde die aufVakuumröhren basierte Technologie durch die auf den Halbleiternbegründete Elektronik abgelöst. Der TRANSISTOR war der Ersatz fürdie Verstärkerröhre. Aber war die Schallverstärkung vor dem Zeit-alter der Elektronik überhaupt möglich? Wie konnte etwa eineSchallplatte einem ganzen Saal voller Publikum hörbar gemachtwerden?

Anschliessend seien drei verschiedene Verfahren beschrieben, dieetwa ab 1900 zu diesem Zweck eingesetzt wurden. Das erste Verfah-ren, um den Schall des Phonographen zu verstärken, der SPRECHEN-

Anordnung von Wawrina

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DE LICHTBOGEN, ist auf einer verblüffenden Erscheinung begründet:Werden die beiden Pole einer starken Gleichstromquelle mit je einerKohlenelektrode verbunden, können wir einen Lichtbogen erzeugen,indem wir die beiden Elektroden kurz berühren und dann sofort bisauf eine kleine Distanz voneinander zurückziehen. Ganz ähnlich wiebeim elektrischen Schweissen. Auf diese Weise erhalten wir einenextrem grellen Lichtbogen, dessen Temperatur bei über 3'500 ºC lie-gen kann. Um 1900 wurde der von Davy erfundene Lichtbogen beider Strassenbeleuchtung eingesetzt. Heute wird der Lichtbogen fastausschliesslich zum Schweissen von Metallen verwendet. Der engli-sche Ingenieur Duddell hatte beobachtet, dass der Bogen dazu neig-te, bei kleinsten Spannungsschwankungen Geräusche zu erzeugen.Er hatte den Einfall, diese Spannungsschwankungen mit einem Mi-krophon bewusst zu erzeugen.

Schema des sprechenden Lichtbogens

In dieser Anwendung des Lichtbogens ist es wichtig, über einemöglichst gleichmässige Stromquelle zu verfügen, und aus diesemGrunde ist eine Batterie oder ein Akkumulator als Stromquelle ei-nem dynamo-elektrischen Generator vorzuziehen. Das Mikrophondarf nicht in den Haupt-Stromkreis eingeschlossen werden, daLichtbogen nur unter Stromintensitäten zustandekommen, die jedesMikrophon sofort zerstören würden. In der einfachsten Anordnungdes sprechenden Lichtbogens von Duddell, wirkt das Mikrophonüber eine Induktionsspule, eine Art Transformator, auf den Strom-fluss des Hauptstromkreises. Die Buchstaben in der Figur bedeuten:M Mikrophon, S Induktionsspule, W Wechselwiderstand, LB spre-chender Lichtbogen. Das Mikrophon bewirkt unter dem Einfluss derSchallwellen im Nebenstromkreis kleine Spannungsschwankungen,welche dank dem Transformator im Hauptstromkreis entsprechendeSchwankungen erzeugen. Letztere schwingen im Einklang mit demSchall, der sie erzeugte und bringen ihrerseits den Lichtbogen dazu,den ursprünglichen Schall verstärkt wiederzugeben.

Wird der von der Membran eines Phonographen abgegebeneSchall über einen Schlauch dem Mikrophon zugeleitet, können pho-nographische Aufnahmen vor einem zahlreichen Publikum abge-spielt werden, wie bei einer elektronischen Verstärkeranlage. Aber

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trotz den experimentellen Erfolgen hat dieses System nie kommer-ziellen Erfolg erzielen können, vermutlich nicht zuletzt wegen desbeträchtlichen Energiebedarfs. Man bedenke, dass elektrische Licht-bogen ab 100 V Spannung und über 20 A Stromstärke funktionieren.Beim elektrischen Schweissen werden Stromstärken eingesetzt, diemanchmal 200 A übertreffen können.

Der FADENVERSTÄRKER, ein auf Reibung begründetes Verstärker-system wird dem Erfinder Wawrina zugeschrieben. Ein Faden, derzwei- oder dreimal um einen drehenden Stahlzylinder gewickelt istverbindet die Nadel eines Phonographen mit einer grossen Membra-ne, die einen wesentlich grösseren Durchmesser aufweist, als diesbei Phonographen üblich ist. Wird der Faden leicht in Richtung derNadel gezogen, zieht sich dieser über den Drehzylinder zusammen,wodurch der Widerstand anwächst, so sich der Faden zwischen demZylinder und der Membran spannt und letztere gegen den Zylinderhin angezogen wird. Sobald der Zug seitens der Nadel gelockertwird, nimmt die Reibungskraft ab und die Membrane wird freigege-ben. Diese Erscheinung kann dazu eingesetzt werden, um dieschwachen Schwingungen, welche die Schallplattenril le der Phono-graphennadel mitteilt, mechanisch zu verstärken.

Ein mechanische Verfahren zur Schallverstärkung, das bis zu ei-nem gewissen Masse Erfolg aufwies, war das AKUSTISCHE VENTIL.Bei diesem System wird ein starker Luftstrahl mit einem Ventil re-guliert, das sich durch die von der Ril le einer Grammophonplattegelieferten Schallwellen steuern lässt. Das Resultat war eine kräftigeVerstärkung des Schalls. Die Luft pflegte aus einer Gasflasche zuge-führt zu werden. Die ersten Modelle von akustischen Ventilen ar-beiteten nach dem in unseren Figur dargestellten Schema. Späterwurden dazu Kämme eingesetzt, welche im Rhythmus der Schall-wellen quer zueinander hin und her glitten, was weitgehend dieRückkopplungseffekte der Pressluft auf den Schwingungserzeugerunterband. Die Ähnlichkeit der Schemata des akustischen Ventils,der Verstärkerröhre und des Transistors ist beachtenswert.

Die Platte mit 78 Umdrehungen war pro Seite auf ungefähr5 Minuten Musik beschränkt. So mussten unter anderem die meistenSymphonischen Sätze in Abschnitte aufgeteilt werden. Um längereMusikstücke auf eine Plattenseite unterbringen zu können, musstenvor allem zwei Probleme gelöst werden: Die Drehgeschwindigkeitmusste reduziert werden und die Ril le musste verschmälert werden,beides ohne Qualitätseinbusse. Schon ab 1931 führte Leopold Sto-kowski eine Anzahl Experimente durch, die auf die Lösung der bei-den Probleme und die Einführung von Platten mit 33 1/3 Umdre-

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hungen pro Minute abzielten. Das System kam um 1950 auf denMarkt und konnte sich gute 50 Jahre lang bewähren.

Das akustische Ventil Tonabnahme an den Rill enflanken

Bei diesen als LP (Long Play) bezeichneten Platten wurde derSchellack, der lange zur Erzeugung der Platten gedient hatte, durchVinyl und manchmal durch PVC ersetzt, was den grossen Vorteilhatte, dass die neuen Platten unzerbrechlich waren. Eine neue Tech-nik erlaubte den Tonschnitt der Originalplatte mit einem heissenGrabstichel. Anfangs war ein grosses Problem zu lösen: die Ril lemusste breit genug sein, um auch die breitesten Amplituden aufzu-nehmen. Das folgende Verfahren wurde eingesetzt, um eine Rill emit variabler Breite zu erhalten: Während der Aufnahme anhand ei-nes Tonbands, wurde dieses nacheinander vor zwei Tonabnehmerndurchgezogen, mit einem Abstand, der ungefähr der Zeit entsprach,welche die Platte brauchte, um eine Umdrehung durchzuführen, alsoungefähr 1,8 Sekunden. Die vom ersten Tonabnehmer ermitteltenDaten dienen im wesentlichen dazu, den Betrag zu bestimmen, umden sich die Nadel im Laufe der nächsten Umdrehung dem Zentrumder Platte nähern muss. So wird erreicht, dass die Ril le immer gera-de breit genug ist, um sich der Lautstärke des aufzuzeichnendenTonmaterials anzupassen, was in den meisten Fällen das Fassungs-vermögen der Platte steigert. Da bei musikalischen Aufnahmen dieSchwingungen der Töne unterhalb von 440 Hz die grössten Ampli-tuden einnehmen, wurde ein weiterer Trick eingesetzt: die Tönewerden einer elektronischen Bearbeitung unterworfen, bei welcherihnen für jede Oktave, die sie unter 400 Hz liegen, eine gewisse An-zahl dB abgezogen wird. Die Grenze von 400 Hz wurde wil lkürlichfestgelegt. Der Reproduktionsapparat muss mit einem elektronischenSystem ausgerüstet werden, das diese Manipulation wieder kompen-

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siert. Auf diese Weise kann die Breite der Ril le besonders in tiefenund lauten Passagen wesentlich vermindert werden.

Um den kleinen Störungen entgegenzuwirken, die sich besondersim Bereich der höheren Frequenzen dank Materialfehlern störendbemerkbar machen, wurde das komplementäre System eingesetzt:Die Ampli tude der Frequenzen über 2500 Hz wurden proportionalzur Anzahl Oktaven, die sie über dieser Grenze lagen, gestaucht.

Gegen Ende der Fünfzigerjahre erschienen stereophonischeSchallplatten auf dem Handel. Diese funktionieren folgendermassen:Jede Flanke der Ril le entsprach je einem der beiden Aufnahmeka-näle. Der phonographische Tonabnehmer oder Pick-up, mit einereinzigen Nadel ausgerüstet, enthält zwei Spulen (im Falle eineselektrodynamischen Tonabnehmers), die räumlich so ausgerichtetsind, dass jeder die Schwingungen der senkrecht zu seiner Achsestehenden Ril lenflanke aufnimmt. Die Figur stellt dieses System instark schematisierter Form dar.

Die Möglichkeit stereophonischer Übertragung von Musik wurdezum ersten Mal 1881 anlässlich der elektrischen Ausstellung in Parisdurch Clément Ader organisiert. Dabei wurde die Musik direkt ausder Pariser Oper über Telephonleitungen den Kopfhörern der Zuhö-rer zugeführt.

Ab 1958 wurde es möglich, stereophonische Schallplatten herzu-stellen. Damals erschienen auch die ersten stereophonischen Ton-bandgeräte auf dem Markt. In den Sechzigerjahren wurde der ste-reophonische Rundfunk eingeführt.

Die als binaurales Aufnahmeverfahren bekannte Technik arbeitetmit einem Kunstkopf aus Kunststoff, in dem die Mikrophone derbeiden Kanäle in der unserem Gehörorgan entsprechenden Stellunguntergebracht werden. Damit wird ein besonders wirklichkeitstreuesResultat erreicht.

In den Siebzigerjahren erschienen auf dem Markt verschiedene 4-Kanalsysteme. Das bekannteste Beispiel ist die Quadrophonie, dieeine gewisse Erfolgsquote erreichen konnte.

Während sich im Bereich der HiFi-Elektronik die Mehrkanalver-fahren kaum durchsetzen konnten, gehören diese im Bereich desTonfilms zur Standardausrüstung und werden etwa mit dem BegriffSurround bezeichnet.

Seit bald 20 Jahren werden die Vinylplatten mit 33 1/3 Umdre-hungen immer mehr durch die digitalen CDs46 abgelöst, die mittelseines Laserstrahls eingelesen werden und daher keinem mechani-

46 Compact Disc.

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schen Verschleiss mehr unterworfen sind. Was bedeutet hier dasWort 'digital'? Beim herkömmlichen Verfahren wird die Schall in-formation durch eine stetige Kurve dargestellt . Man spricht vonanalogem Verfahren. Jede kleinste Verformung dieser Kurve ziehteine Verfälschung des Schalls nach sich. Eine solche analogischeKurve kann durch numerische Daten beliebig genau angenähertwerden. Dadurch erhält man eine DIGITALE DARSTELLUNG desSchalls. Ist das "Gitter", anhand dessen die phonographische Kurvedigitalisiert wird, nur fein genug, so unterscheidet sich die digitali-sierte Kurve nicht merklich von der Originalkurve. Diese Technik istmit der autotypischen Rasterung vergleichbar, die etwa im Offset-druck eingesetzt wird, um Halbtonoriginale reproduzieren zu kön-nen. Ist der Raster fein genug, wird er vom Laien nicht mehr wahr-genommen. Bei der phonographischen Tonaufnahme bestimmt unserGehör die nötige Feinheit des Gitters. Welchen Vorteil hat diese Artder Darstellung? Vor allem die absolute Unveränderlichkeit der Da-ten im laufe der Zeit: Verändert sich nämlich aus irgend einemGrund der Wert einer Zahl, die etwa auf einem magnetischen Trägergespeichert ist, rundet ihn der Wiedergabeapparat wieder auf denOriginalwert, sofern die Abweichung nicht allzu gross geworden istund sich die Zahl dadurch näher bei einem Nachbarwert befindet, alsbeim Ursprünglichen. Liest also etwa das Wiedergabegerät die Zah-lenfolge 3,02 5,998 4,1 7,02 ein, rundet er sie automatisch auf 3 6 47. Diese Eigenschaft der digitalisierten Daten erlaubt es, ein digitali-siertes Musikstück hintereinander auf verschiedene Träger zu kopie-ren, ohne den geringsten Datenverlust zu erleiden47. Bei einer analo-gischen Aufnahme hingegen müssen wir bei jedem Kopiervorgangeinen Qualitätsverlust hinnehmen, der sich bis zur Unkenntlichkeitsteigern kann. Dasselbe passiert beim Kopieren der sogenannten Si-cherheitsschlüssel: die Kopie der dritten oder vierten Generation48

schliesst meist die Tür nicht mehr auf.Ein anderer Vorteil des digitalen Formats besteht auch darin, dass

die Daten mit einem PC weiterverarbeitet werden können.Auf der CD werden die digitalen Werte in Form von mikroskopi-

schen Vertiefungen gespeichert, die ein optisches System mit Laser-licht durch eine durchsichtige Kunststoffschicht ablesen kann. Letz-tere ist dick genug, um zu verhindern, dass kleinste Staubpartikel aufder Oberfläche die Ablesung beeinträchtigen können, da diese nichtmehr in den Schärfenbereich der Optik fallen. Kontrollpisten, wel-che die Hauptspur in einigem Abstand begleiten sorgen dafür, dass

47 Dies gilt übrigens auch für die Daten, mit denen unser PC arbeitet.48 Dasselbe kennen wir bei der Photokopie: kopiert man Kopien, erhält man zuletzt einunleserliches Dokument.

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kleine Fabrikationsfehler und die unvermeidlichen Kratzer die Platteunlesbar machen. Diese sind in gewissen Systemen so wirkungsvoll,dass kleine Löcher durch die ganze Platte von einem halben Mill i-meter Durchmesser auf einem guten Abspielgerät kompensiert wer-den können. Es ist sogar so, dass eine Kopie einer solchen Plattewieder mit der unbeschädigten Originalplatte übereinstimmt49.

Im Bellschen Telephon erzeugen die Bewegungen im Takt derSchallwellen der Membran vor dem mit einer Spule versehenenPermanentmagneten einen Wechselstrom, der es erlaubt, in derEmpfangsstation den Schall zu reproduzieren. Könnten wir statt derDistanz zwischen dem Magneten und der Membrane die Magnetisie-rung der Membrane im Takt der Schallwellen verändern, würden wirein ähnliches Resultat erhalten. Der nächste Schritt in diesem Ge-dankenexperiment besteht darin, die Membrane durch eine Abfolgevon Membranen mit vorbestimmten Magnetisierungen zu ersetzen,etwa wie bei einem Film die Einzelbilder. Stellen wir uns vor, dieseEinzelmembranen laufen auf einem Fliessband vor dem Elektroma-gneten des Bellschen Telephons durch, haben wir hier bereits eineAnordnung, die vage an das MAGNETOPHON oder Tonbandgerät er-innert, welches mit einem stetigen magnetisierbaren Band arbeitet.So etwa dürfte der Gedankengang sein, der den Dänen Poulsen ge-gen 1900 zur Erfindung seines Telegraphone führte, das heute alsder Hauptvorläufer des Tonbandgeräts gilt.

Vor allem zwei technische Schwierigkeiten standen dem strahlen-den Erfolg der Erfindung von Poulsen im Weg. Einerseits verfügtePoulsen noch über keine ausreichende Möglichkeit der elektroni-schen Tonverstärkung. Andererseits war das von Poulsen eingesetztemagnetische Material nicht für Montagen geeignet, wie die heuteverwendeten Tonbänder. Anstelle von Band verwendete Poulsennämlich einen dünnen Stahldraht, der auf einen Zylinder fest aufge-wickelt war. Später wurden Stahlbänder eingesetzt. Erst ungefähr ab1935 wurden diese Materialien durch ein vollständig neues Mediumabgelöst: Das einseitig mit einer Emulsion von feinstem Eisenpulverbeschichtete Kunststoffband. Diese Kombination bildet auch heutenoch den hauptsächlichen Tonträger des Tonbandgeräts, sowie desMagnetoskops (Video).

Das Fundament der Magnetophonie ist die Möglichkeit ein StückEisen mit einem Magnet zu magnetisieren. Je nach Material ist dieMagnetisierung nur vorübergehend (remanent), wie im Fall desRoheisens, oder aber dauerhaft (permanent), wie bei den meisten

49 Siehe den Artikel "Reproducción digital del sonido" in der Zeitschrif t "Investigación yCiencia", Februar 1985. (Investigación y Ciencia ist die spanische Ausgabe von ScientificAmerican.)

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Stahlsorten. Wir können uns die Magnetisierung wie eine Ausrich-tung der Elementarteilchen vorstellen, die in ihrem natürlichen Zu-stand ungeordnet in alle Richtungen schauen.

Wird das Tonbandgerät zum Aufnehmen eingesetzt, fliesst dasBand zuerst vor einem Magnetkopf durch, der mit Hochfrequenz ar-beitet und das Band löscht, indem er die Partikeln ausrichtet, was dieEmpfindlichkeit des Bandes erhöht. Das Telegraphone von Poulsensah noch keinen Löschkopf vor. Die Polarisation mit Gleichstromwurde 1903 durch Poulsen eingeführt. Die Polarisation mit hochfre-quentem Wechselstrom kam etwa um 1927 auf.

Nach dieser Phase fliesst das Band vor dem Schreibkopf durch(der etwa wie ein Bellsches Telephon in Empfangsfunktion arbeitet)und schaff t auf dem Band nicht polarisierte Zonen, dessen Dichte injedem Moment direkt proportional zur Ampli tude der phonographi-schen Kurve des Schalls ist, der dem Schreibkopf in Form von elek-trischen Schwingungen zugeleitet wurde.

Wird das Gerät zur Wiedergabe eingesetzt, werden die beiden ge-nannten Köpfe ausgeschaltet, währen der dritte Kopf, der Lesekopf,eine dem Mikrophon ähnliche Funktion übernimmt. Die Polarisati-onsdifferenzen des vor dem Kopf vorbei fliessenden Tonbands wirdin elektrische Schwingungen übersetzt, die dem aufgenommenenSchall entsprechen.

Im Laufe der technischen Entwicklung des Tonbandgeräts wurdendie Bänder immer schmäler und die Geschwindigkeiten immer nied-riger, so dass jedesmal mit weniger Bandmaterial ausgekommenwerden konnte. Als in den Sechzigerjahren Phili ps die Audio-Kassette entwickelte, wurde das Grundrauschen bei den schmalenBändern zum Problem. Der Amerikaner Ray Dolby entwickelte einSystem, mit dem das Rauschen effektiv unterdrückt werden konnte.Das Dolby-System arbeitet folgendermassen: Bei der Aufnahmewerden ausschliesslich die leisen Stellen des Schalls speziell ver-stärkt, während die lauten Stellen normal verstärkt werden. BeimAbspielen erkennt der Dolby-Decoder die bei der Aufnahme künst-lich verstärkten Stellen und schwächt diese wieder auf die richtigeLautstärke ab. Da das Bandrauschen vor allem in den leisen Passa-gen störend vernommen werden, wird mit diesem System das Pro-blem weitgehend behoben.

Bis vor kurzem war das Magnetband noch das von den Profis ammeisten eingesetzte Medium, vor allem wegen der Möglichkeit, mitSchere und Klebeband Montagen auszuführen. Diese Möglichkeitbildet auch den Grundstein der ELEKTROAKUSTISCHEN MUSIK, dieum 1945 aufkam. Andererseits können die Tonbänder auf verschie-

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denen Spuren bespielt werden, deren Anzahl nur durch die Breitedes Bandes und den verwendeten Aufnahmeapparat beschränkt ist.

Seit es Tonbandgeräte mit einer guten Wiedergabequalität gibt,werden die Platten nicht mehr direkt aufgenommen, sondern anhandeiner Tonbandaufnahme, die oft aus einzelnen Abschnitten zusam-mengesetzt wird, wobei jedem Mikrophon eine einzelne Spur zuge-wiesen wird, was bei der Anfertigung der Wachsmatrize ermöglicht,jede Spur hinsichtlich Lautstärke und anderen Faktoren individuellzu korrigieren.

Schliesslich sei ein System erwähnt, das es ermöglicht, Tonauf-nahmen auf photographischen Film vorzunehmen, das Lichttonver-fahren. Das LICHTTONVERFAHREN erlaubt es, auf einer speziell dafürvorgesehenen Spur auf dem in der Filmindustrie üblichen 35 mm-Film Tonaufnahmen auf photographischem Wege festzuhalten. Da-durch wird eine perfekte Synchronisierung50 des Tons und des Bildserreicht.

Die verschiedenen Lichttonverfahren können in zwei Hauptgrup-pen unterteilt werden, je nach dem angewandten Aufnahmeverfah-ren: Die flächenvariablen und die dichtenvariablen Systeme. Bei derWiedergabe sind die beiden Systeme weitgehend kompatibel.

Bei den flächenvariablen Verfahren werden die elektrischenSchwingungen, die den Schallwellen entsprechen einem optischenSystem zugeleitet, das den Film so belichtet, dass nach der Ent-wicklung ein (meist symmetrisches) schwarz-weisses Band mit va-riabler Breite entsteht. Die Grenzen zwischen der schwarzen und derweissen Zone entsprechen genau der phonographischen Kurve desaufgenommenen Schalls.

Bei den dichtenvariablen Verfahren wird eine Lichtquelle einge-setzt, die praktisch jeglicher Trägheit entbehrt und deren Helli gkeitin jedem Augenblick der Ampli tude der phonographischen Kurvedes Schalls entspricht. Das Licht dieser Lichtquelle wird durch einendünnen Spalt (quer zur Fortbewegungsrichtung des Films) auf dasempfindliche Material geworfen. Der Film wird auf der ganzenBreite der Tonspur gleichmässig beleuchtet. Nach der Entwicklungentspricht die Dichte jedes Querstreifens dem entsprechenden Ab-schnitt der phonographischen Kurve, aber auch der Breite des Ban-des einer entsprechenden flächenvariablen Lichttonspur.

50 Die Verschiebung zwischen dem belichteten Bild und dem belichteten Lichttonstreifen in derFilmkamera, die gewöhnlich etwa 21 Bilder beträgt, muss bei der Projektion wieder kompen-siert werden.

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In Wirklichkeit existieren viele verschiedene Lichttonverfahren,die alle von den beiden hier beschriebenen Grundschemata abgelei-tet sind. Es wurden sogar Systeme erprobt, welche die beidenGrundverfahren kombinieren. Für die Kenner der graphischen Tech-niken, erlaube ich mir hier, das flächenvariable Lichttonverfahren

mit dem autotypischen Rotati-onstiefdruck und das dichtenva-riable Verfahren mit dem her-kömmlichen Rotationstiefdruckzu vergleichen.

Das Wiedergabegerät proji-ziert die Tonspur durch einenschmalen Spalt auf eine photo-elektrische Zelle mit möglichst

wenig Trägheit. Die Zelle lässt den elektrischen Strom im Takte deseintreffenden Lichts durch. Dieser Strom wird in einem elektroni-schen Verstärker bearbeitet und einem Lautsprecher zugeführt, derden aufgezeichneten Schall wiedergibt.

Es ist nur noch das Problem der ruckartigen Fortbewegung desKinofilms vor dem Objektiv (sowohl bei der Aufnahme, wie bei derWiedergabe) zu lösen. Um dieses Problem ein für allemal aus derWelt zu schaffen, hat die Filmindustrie eine Distanz von 21 Photo-grammen zwischen dem Tonsystem und dem zu projizierenden Bildals Norm festgelegt.

Die frühen Versuche, Schallplatten mit Kinofilmen zu synchroni-sieren wurden durch die Entwicklung des Lichttonfilms obsolet.

Der berühmte Film von Disney aus dem Jahr 1940 "Fantasia" warder erste kommerzielle Film mit Stereoton. Zur Projektion musstenzwei synchron laufende Projektoren eingesetzt werden: Einer proji-zierte die Bilder, während der andere vom zweiten Filmstreifen diedrei Lichttonspuren und eine Kontrollspur einlas. Der Film wurdeübrigens im Technicolor-Verfahren hergestellt .

In den Fünfzigerjahren wurde der Lichtton in vielen Filmen durchMagnetton abgelöst, wobei ein schmales Tonband auf dem Filmma-terial angebracht wurde.

Schon bald einmal wurde der Filmton digitalisiert. Eines der er-sten Systeme war das 1990 von Eastman Kodak eingeführte CDS,bei dem der herkömmliche Lichttonstreifen durch Digitalcode er-setzt wurde. Das System arbeitete mit komprimierter 6-Kanal DolbyRauschunterdrückung und lieferte eine hervorragende Tonqualität.Das System konnte sowohl auf 35- wie auf 70-mm-Film eingesetztwerden. Dass der kommerzielle Erfolg ausblieb ist vor allem zwei

Die hauptsächlichen Lichttonsysteme

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Faktoren zu verdanken: Die Filme konnten nur in speziell einge-richteten Kinos projiziert werden, und für den Fall einer Panne warkeine herkömmliche Tonspur vorgesehen.

1993 kam das DTS-System auf, bei dem zwischen der Licht-tonspur und den Bildern eine schmale Spur (Time-Code-Spur) ein-gesetzt wird, mit der die Synchronisierung der Projektion mit demTon kontroll iert wird, wobei sich das Schallmaterial separat auf ei-ner Audio-CD befindet. Die Time-Code-Spur sieht aus, wie einMorse-Code. Auf die konventionelle Lichttonspur wird trotzdemnicht verzichtet, einerseits für den Fall einer Panne, andererseits fürKinos, die nicht auf DTS eingerichtet sind. Ein Vorteil des Systemsbesteht in der Leichtigkeit, mit der Versionen in verschiedenenSprachen ausgetauscht werden können.

In Frankreich erschien bereits um 1991 das L.C. Concept vonPascal Chedevil le, das ähnlich wie das CDS-System arbeitete. DerMisserfolg des Systems ist wohl darin zu suchen, dass es von dengrossen multinationalen Firmen nicht unterstützt wurde.

1994 führte die Firma Dolby ihr Lichttonsystem ein, bei welchemder digitalisierte Schal in Form von Punktmustern zwischen der Per-foration des Films angebracht wird. Die traditionelle Lichttonspurwird beibehalten.

In den Siebzigerjahren war eine spezielle Mehrkanaltechnik Modegeworden, bei der ein Kanal dem Infraschall unter 20 Hz vorbehal-ten war, das Sensurround. Dieser Infraschall wurde dann mit spezi-ellen Lautsprechern verstärkt, so dass man die Vibrationen körper-lich fühlen konnte, was besonders bei Erdbebenfilmen ein unheimli-ches Gefühl aufkommen lässt. Einzelne Gebäude sollen dabei be-schädigt worden sein, was uns an die Trompeter von Jericho denkenlässt.