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55 der markt 2001/2+3 Heribert Gierl Opportunismus in Geschäftsbeziehungen - Ursachen und Gegenmaßnahmen Abstract In diesem Beitrag wird die Problematik des oppor- tunistischen Verhaltens von Geschäftspartnern in Ge- schäftsbeziehungen erläutert. Es wird dargelegt, dass hohe Investitionen eines Geschäftspartners und die daraus für ihn resultierenden Wechselkosten Anreiz für den anderen Partner sein könnten, sich in dieser Beziehung opportunistisch zu verhalten. Die Ansatzpunkte, die es ermöglichen können, sich in dieser Situation vor Opportunismus zu schützen, werden anschließend dargestellt. Abschließend wird erörtert, unter welchen Bedingungen vertragliche Absicherungen oder der Einsatz von Maßnahmen aus dem Bereich des Beziehungsmanagement vorteil- haft sind. Die Aussagen werden anhand von Befun- den aus einer empirischen Studie illustriert, die über bereits veröffentlichte Befunde (Böhme 1999; Gierl 2000) hinausreichen. Keywords: Opportunismus, Zulieferunternehmen, Beziehungsmarketing, vertragliche Ab- sicherungen 1. Das Opportunismusproblem Ein Geschäftspartner ist opportunistisch, wenn er sich in der Geschäftsbeziehung unfair verhält (vgl. Williamson 1975, S. 6). In der Literatur werden dafür viele Beispiele angeführt, so etwa sich nicht an ge- troffene Vereinbarungen halten, wichtige Informatio- nen verfälschen oder zurückhalten, übertriebene Ver- sprechen abgeben, in den Anstrengungen der Ver- tragserfüllung allmählich nachlassen, Preise nach- verhandeln, die Ideen des Geschäftspartners steh- len und an Konkurrenten des Bestohlenen weiterge- ben, bei Vertragsabschluss gewährte günstige Prei- se durch hohe Reparatur- oder Ersatzteilrechnun- gen wieder hereinholen oder nicht präzise formulier- te Vertragsbestandteile stark zu eigenen Gunsten auslegen (vgl. z. B. Muris 1981, S. 521; John 1984, S. 288; Provan/Skinner 1989, S. 203 f.; Hauser 1991, S. 112; Poppo 1991, S. 20; Dahlstrom/Boyle 1994, S. 53; Noorderhaven 1995c, S. 8; Gassenheimer/ Baucus/Baucus 1996, S. 68; Wathne/Heide 2000). Auf Seiten der Zulieferindustrie besteht tatsäch- lich eine große Angst vor solchen Verhaltensweisen ihrer Abnehmerunternehmen. Die in folgender Ab- bildung 1 dargestellten Befunde, die auf einer Be- fragung von 232 deutschen Zulieferunternehmen zu den Verhaltensneigungen eines für sie jeweils wich- tigen Abnehmers basieren (vgl. Böhme 1999), bele- gen diese Behauptung. Die Befragten schätzten diesbezügliche Verhaltensabsichten des für sie wich- tigen Abnehmerunternehmens auf 7-stufigen Rating- skalen ein. Die Auskunftspersonen berichteten, dass ihre Angst vor opportunistischem Verhalten ihrer Abnehmer beachtlich ist. Für diese Studie waren Zulieferunternehmen be- fragt worden, die Teile, Module, Bauelemente, Teil- systeme oder Systeme für andere Unternehmen (Ab- nehmerunternehmen) herstellen, die diese wieder- um in deren Produkte einbauen. Prof. Dr. Heribert Gierl, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing an der Universität Augsburg, Universitätsstr. 16, D-86159 Augsburg. 40. Jahrgang, Nr. 157/158, Seite 55 - 65 Heribert Gierl Opportunismus in Geschäftsbeziehungen

Opportunismus in geschäftsbeziehungen -ursachen und gegenmaßnahmen

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Page 1: Opportunismus in geschäftsbeziehungen -ursachen und gegenmaßnahmen

55der markt 2001/2+3

Heribert Gierl

Opportunismus in Geschäftsbeziehungen -Ursachen und Gegenmaßnahmen

Abstract

In diesem Beitrag wird die Problematik des oppor-tunistischen Verhaltens von Geschäftspartnern in Ge-schäftsbeziehungen erläutert. Es wird dargelegt,dass hohe Investitionen eines Geschäftspartners unddie daraus für ihn resultierenden WechselkostenAnreiz für den anderen Partner sein könnten, sich indieser Beziehung opportunistisch zu verhalten. DieAnsatzpunkte, die es ermöglichen können, sich indieser Situation vor Opportunismus zu schützen,werden anschließend dargestellt. Abschließend wirderörtert, unter welchen Bedingungen vertraglicheAbsicherungen oder der Einsatz von Maßnahmen ausdem Bereich des Beziehungsmanagement vorteil-haft sind. Die Aussagen werden anhand von Befun-den aus einer empirischen Studie illustriert, die überbereits veröffentlichte Befunde (Böhme 1999; Gierl2000) hinausreichen.

Keywords: Opportunismus, Zulieferunternehmen,Beziehungsmarketing, vertragliche Ab-sicherungen

1. Das Opportunismusproblem

Ein Geschäftspartner ist opportunistisch, wenn ersich in der Geschäftsbeziehung unfair verhält (vgl.Williamson 1975, S. 6). In der Literatur werden dafürviele Beispiele angeführt, so etwa sich nicht an ge-troffene Vereinbarungen halten, wichtige Informatio-nen verfälschen oder zurückhalten, übertriebene Ver-sprechen abgeben, in den Anstrengungen der Ver-tragserfüllung allmählich nachlassen, Preise nach-verhandeln, die Ideen des Geschäftspartners steh-len und an Konkurrenten des Bestohlenen weiterge-ben, bei Vertragsabschluss gewährte günstige Prei-se durch hohe Reparatur- oder Ersatzteilrechnun-gen wieder hereinholen oder nicht präzise formulier-te Vertragsbestandteile stark zu eigenen Gunstenauslegen (vgl. z. B. Muris 1981, S. 521; John 1984,S. 288; Provan/Skinner 1989, S. 203 f.; Hauser 1991,S. 112; Poppo 1991, S. 20; Dahlstrom/Boyle 1994,S. 53; Noorderhaven 1995c, S. 8; Gassenheimer/Baucus/Baucus 1996, S. 68; Wathne/Heide 2000).

Auf Seiten der Zulieferindustrie besteht tatsäch-lich eine große Angst vor solchen Verhaltensweisenihrer Abnehmerunternehmen. Die in folgender Ab-bildung 1 dargestellten Befunde, die auf einer Be-fragung von 232 deutschen Zulieferunternehmen zuden Verhaltensneigungen eines für sie jeweils wich-tigen Abnehmers basieren (vgl. Böhme 1999), bele-gen diese Behauptung. Die Befragten schätztendiesbezügliche Verhaltensabsichten des für sie wich-tigen Abnehmerunternehmens auf 7-stufigen Rating-skalen ein. Die Auskunftspersonen berichteten, dassihre Angst vor opportunistischem Verhalten ihrerAbnehmer beachtlich ist.

Für diese Studie waren Zulieferunternehmen be-fragt worden, die Teile, Module, Bauelemente, Teil-systeme oder Systeme für andere Unternehmen (Ab-nehmerunternehmen) herstellen, die diese wieder-um in deren Produkte einbauen.

Prof. Dr. Heribert Gierl, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mitdem Schwerpunkt Marketing an der Universität Augsburg,Universitätsstr. 16, D-86159 Augsburg.

40. Jahrgang, Nr. 157/158, Seite 55 - 65

Heribert Gierl Opportunismus in Geschäftsbeziehungen

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Das Vertrauen der Zulieferer in das wohlwollendeVerhalten ihrer wichtigen Kunden (Abnehmerunter-nehmen) erscheint bemerkenswert gering auszufal-len. Die Zulieferer erwarten, dass sich ihre Abneh-mer in vielfältiger Art und Weise unfair verhalten wer-den, sofern sie sich nicht dagegen nicht wirksamschützen können. Viele Zulieferer befürchten, dassdie von ihnen beurteilten wichtigen Abnehmer ohneeigene ausreichende Sicherungsmaßnahmen Fak-ten schaffen würden, um das zu bekommen, wassie möchten, ihre Abhängigkeit ausnutzen würden,nicht vertraglich geregelte Freiräume sehr zu ihrenVorteilen ausnutzen würden usw. Opportunismus undder mögliche Schutz gegen ein solches Verhaltenerscheint also ein gewichtiges Problem zu sein. DieseAuffassung wird auch von anderen Autoren in deraktuellen Literatur geteilt (vgl. z. B. Wathne/Heide2000).

2. Abhängigkeit aufgrund derspezifischen Investitionen

Im nächsten Schritt wurde anhand der bereits kurzbeschriebenen Daten untersucht, ob es eine be-stimmte Konstellation gibt, in der ein Geschäftspart-

ner besonders stark von opportunistischen Verhal-tensneigungen seines Abnehmerunternehmens ge-fährdet ist. Die Befunde aus dieser Studie deutendarauf hin, dass sich die Zulieferunternehmen hin-sichtlich ihrer Angst vor einem opportunistisch sichverhaltenden Abnehmerunternehmen in zwei Grup-pen einteilen lassen. Betrachtet man anstatt der inAbbildung 1 dargestellten Mittelwerte die diesenBerechnungen zugrunde liegenden Verteilungen derAntwortkategorien, so lässt sich diese Vermutungillustrieren. Für ein ausgewähltes Statement wird dieVerteilung der Antworten in Abbildung 2 dargestellt.

Man erkennt zwei Gruppen von Zulieferunterneh-men: eine Gruppe, die ein opportunistisches Verhal-ten ihres Abnehmers kaum befürchtet, und eineGruppe, die davor eine große Angst hat.

In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass derFall der starken Bedrohung durch opportunistischesVerhalten des Geschäftspartners aus der ungleichenVerteilung der sogenannten spezifischen Investitio-nen der beiden Geschäftsparteien entsteht (vgl. Hei-de 1994, S. 79; Nooteboom 1996; Barney 1997, S.322). Die Überlegung wird nachfolgend genauer er-läutert.

Abb. 1: Angst der Zulieferunternehmen vor opportunistischen Abnehmerunternehmen

Heribert Gierl Opportunismus in Geschäftsbeziehungen

Wenn es unserem Abnehmer möglich wäre, dann würde er wahrscheinlich ...

Fakten schaffen, um das zu bekommen, was er will.

unsere Abhängigkeit ausnutzen.

Freiräume, die nicht durch eine entsprechende Vertragsgestaltungabgesichert sind, zu seinem Vorteil ausnutzen.

Preise oder sonstige Aspekte, die das Geschäft betreffen, in einer un-fairen Weise nachverhandeln.

Zusagen machen, obwohl er diese gar nicht einhalten möchte.

seinen Verpflichtungen in einer unzureichenden Weise nachkommen.

Zusagen machen, obwohl er weiß, dass er gar nicht in der Lage ist,diese Zusagen in die Tat umzusetzen.

Informationen, die für uns wichtig sind, zurückhalten.

1=trifft überhaupt nicht zu, ..., 7=trifft voll und ganz zu; angegeben sind Mittelwerte

4,60

4,11

4,10

3,94

3,31

3,06

3,05

3,01

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57der markt 2001/2+3

Um spezialisierte Leistungen für ein Abnehmerun-ternehmen erbringen zu können, muss das Zuliefer-unternehmen besondere Investitionen in diese Ge-schäftsbeziehung tätigen. Es fallen beim Zuliefererz. B. Kosten für spezielle Maschinen oder Werkzeu-ge, für die Ausbildung der Mitarbeiter oder für dieQualitätssicherung an, die weitgehend verloren (d.h. wertlos) sind, wenn das Abnehmerunternehmendie Geschäftsbeziehung abbrechen sollte. Falls einZulieferunternehmen hohe Investitionen getätigt hat,um ein Teil oder ein Produkt zu fertigen, welches nurein konkreter Abnehmer verwenden kann, und dem-zufolge hohe spezifische Investitionen vorliegen, hates sich folglich in eine Situation hineinbegeben, diedas betrachtete Abnehmerunternehmen opportunis-tisch nutzen könnte.

Von vielen Forschern wird allerdings darauf hinge-wiesen, dass für das Vorliegen einer von Opportu-nismus gefährdeten Geschäftsbeziehung auch dieHöhe der spezifischen Investitionen des Geschäfts-partners, also hier diejenigen des Abnehmers, rele-vant sind (vgl. Heide 1994, S. 79; Nooteboom 1996;Barney 1997, S. 322). Auch das Abnehmer-

unternehmen passt einen Teil seiner Produktionsab-läufe an die Abläufe beim Zulieferer an, hat bestimm-te Maschinen beschafft, Personal im Hinblick auf dieVerarbeitung des Zulieferprodukts geschult usw.Somit entstehen auch dem Abnehmer Wechselko-sten, wenn das Zulieferunternehmen die Geschäft-beziehung abbricht.

Für den Zulieferer besteht die Opportunismusge-fahr folglich in solchen Beziehungen, in die er höhe-re spezifische Investitionen getätigt hat als sein Ab-nehmer. Der Grund hierfür ist, dass der Zuliefererselbst im Falle des von ihm bemerkten opportunisti-schen Verhaltens seines Partners ein hohes Interes-se am Fortbestand der Beziehung haben muss. Dennfalls der Zulieferer die Beziehung abbricht, wärengleichzeitig seine vergleichsweise hohen spezifi-schen Investitionen wertlos. Wenn beide Akteure inetwa gleich viel in die Beziehung investiert haben,sollte für keinen der beiden Akteure ein Anreiz zuopportunistischem Verhalten bestehen, unabhängigdavon, wie hoch die getätigten spezifischen Investi-tionen der Partner jeweils waren. Je höher die spe-zifischen Investitionen des Zulieferunternehmens im

Abb. 2: Zustimmung zu einem ausgewählten Statement zu opportunistischen Verhaltensneigungen des Ab-nehmers

Heribert Gierl Opportunismus in Geschäftsbeziehungen

Statement: Wenn es unserem Abnehmer möglich wäre, dann würde er wahrscheinlichFreiräume, die nicht durch eine entsprechende Vertragsgestaltung abgesichert sind, zuseinem Vorteil ausnutzen.

11,0

21,9

10,5 10,111,0

20,2

15,4

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

1 2 3 4 5 6 7

trifftvoll undganz zu

trifftüberhauptnicht zu

relativeHäufigkeit

(in %)

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Vergleich zu denen des Abnehmerunternehmenssind, um so stärker ist es also von opportunistischenVerhaltensweisen seines Abnehmers gefährdet.

Auch diese These wurde anhand der Daten derbereits erwähnten Studie untersucht (zu den Opera-tionalisierungen vgl. Gierl 2000, S. 135 f.). Die inAbbildung 1 angeführten Aussagen zu opportunisti-schen Neigungen des Abnehmers wurden mit derVerteilung der spezifischen Investitionen auf beidePartner korreliert. Es ergab sich, dass die Zulieferun-ternehmen hinsichtlich aller acht angeführten State-ments um so stärker zustimmen, je größer ihr Über-gewicht an den von beiden Partner insgesamt ge-tätigten spezifischen Investitionen in die Beziehungwar. Die Korrelationskoeffizienten hatten im Durch-schnitt einen Wert von 0,25 und waren auf dem 1%-Niveau signifikant.

Man kann also insgesamt davon ausgehen, dassZulieferunternehmen, die mehr in eine Geschäfts-beziehung als ihre jeweiligen Abnehmer investierthaben, sich im besonderen Maße von opportu-nistischen Verhaltensweisen ihres Abnehmers ge-fährdet sehen. Abbildung 3 verdeutlicht diese Aus-sage.

3. Schutzmaßnahmen gegenOpportunismus

Im nächsten Schritt soll die Frage beantwortetwerden, welche Möglichkeiten grundsätzlich beste-hen, um sich gegen ein mögliches opportunistischesVerhalten eines Geschäftspartners abzusichern.

Geschäftsbeziehungen sind vermutlich vergleichs-weise wenig erfolgreich, wenn ein Geschäftspartnerfortwährend Angst haben muss, dass sich sein Part-ner bei jeder ihm bietenden Gelegenheit unfair ver-halten wird. Der von Opportunismus seinesGeschäftspartners Gefährdete wird naheliegender-weise versuchen, sich dagegen abzusichern. Mankann sich grundsätzlich die in Abbildung 4 darge-stellten Sicherungsmaßnahmen vorstellen.

Die erste Möglichkeit, sich vor unfairem Verhalteneines Geschäftspartners zu schützen, besteht dar-in, mit ihm, sofern er einwilligt, einen detailliertenVertrag abzuschließen. Diese rechtliche Absicherungkann den Abnehmer an opportunistischem Verhal-ten hindern, da er im Falle einer offenkundigen Ver-tragsverletzung das Risiko eingeht, einen hohen fi-

Abb.3: Spezifische Investitionen und Opportunismusgefahr

Heribert Gierl Opportunismus in Geschäftsbeziehungen

Angst des Zuliefer-unternehmens voropportunistischenVerhaltensneigungenseines Abnehmers

Der Abnehmer hat Beide haben etwa Der Zulieferer hathöhere spezifische gleich hohe spezifische höhere spezifischeInvestitionengetätigt

Investitionen getätigt Investitionengetätigt

geringe Opportunis- moderate Opportunis- starke Opportunis-musgefahr für den musgefahr für den musgefahr für denZulieferer Zulieferer Zulieferer

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nanziellen Schaden aufgrund von Vertragsstrafen zuerleiden. Diese Möglichkeit wird vor allem von Ver-tretern der Transaktionskostentheorie betont. Sievertreten die Auffassung, dass Opportunismus durchhierarchische Lösungen verringert werden kann. Daallerdings Hierarchien zwischen selbstständigenGeschäftspartnern nicht möglich sind, wird emp-fohlen, eine damit möglichst vergleichbare Lösungzu wählen. Diese wird in intensiven vertraglichenRegelungen gesehen (vgl. Heide/John 1988, S. 22;Heide/John 1992, S. 35; Heide 1994, S. 73).

Der zweite Ansatzpunkt besteht darin, dass der vonOpportunismus Gefährdete zu seinem Geschäfts-partner eine gute Beziehung aufbaut (vgl. Chiles/McMackin 1996, S. 87 ff.; Berger/Noorderhaven/Nooteboom 1995, S. 200; Barney 1997, S. 342 f.;Donaldson 1990, S. 379; Noorderhaven 1994, S. 30;1995a, S. 618 f.; 1995b, S. 47 f.; 1995c, S. 15 f.;1996, S. 106; Cummings/Bromiley 1996, S. 303;Rössl 1994, S. 260). Er schützt sich in diesem Fallvor unfairem Verhalten, indem sein Geschäftspart-ner bestimmte Vorteile, die dieser aus dieser gutenBeziehung genießt, verlieren könnte. Solche Vorteilekönnten in einer besonders reibungslosen Zusam-menarbeit begründet liegen. Ferner sollte es einemGeschäftspartner eine besonders starke Überwin-dung kosten, sich gegenüber jemand, zu dem mangute persönliche Kontakte hat, unfair zu verhalten(vgl. Heide/John 1992; Sheppard/Tuchinsky 1996, S.361; Nooteboom/Berger/Noorderhaven 1997, S.380). Die möglicherweise aus dem Geflecht der gu-ten persönlichen Beziehungen resultierende gegen-seitige Solidarität der Geschäftspartner könnte folg-lich den einzelnen Akteur vor Opportunismus desanderen schützen.

Die dritte Strategie besteht darin, das aufgrund derVerteilung der spezifischen Investitionen entstande-

ne Machtungleichgewicht zugunsten des Geschäfts-partners durch sogenannte ausgleichende Investi-tionen zu kompensieren (vgl. Heide/John 1988). Bei-spiele sind finanzielle Beteilungen beim Abnehmer,Sprungwerbung (beispielsweise schützt sich Intel alsZulieferer von PC-Herstellern vor deren opportuni-stischem Verhalten durch die werbliche Darstellungseiner Chips bei den Endkunden), die Verdrängungvon eigenen Wettbewerbern durch deren Übernah-me oder Patente auf für den Abnehmer wichtige Tei-le (zu weiteren Wettbewerbsvorteilen vgl. Porter1992). Falls der Zulieferer durch solche und ähnli-che Maßnahmen seine Ersetzbarkeit durch den Ab-nehmer verringern kann, vermindert sich auch dasdurch seine höheren spezifischen Investitionen ent-standene Machtungleichgewicht.

Diese drei genannten Sicherungsmaßnahmen ge-gen opportunistisches Verhalten stehen allerdingsnicht immer, nicht in jedem Fall wahlweise oder garadditiv zur Verfügung. Ein Abnehmer beispielsweise,der sich opportunistisch verhalten möchte, wird sicheiner detaillierten vertraglichen Regelung widerset-zen bzw. in diesem Fall die Geschäftsbeziehung nichteingehen. Eine detaillierte vertragliche Regelung istauch mit einer guten Beziehungsqualität kaum zuvereinen. Denn durch eine vertragliche Absicherung,die über das Übliche hinausgeht, wird die Bezie-hungsqualität leiden. Auch die empirische Studie, aufderen Ergebnisse hier immer wieder Bezug genom-men wird, ergab, dass Zulieferunternehmen nichtgleichzeitig eine starke vertragliche Absicherung ih-rer Ressourcen vor unfairem Verhalten des Abneh-mers und eine gute Beziehung zu diesem erreichenkonnten.

Für die nachfolgende Betrachtung wurden aus demDatensatz der Studie die Zulieferunternehmen aus-gewählt, die angaben, dass ihr Abnehmer keinen

Abb. 4: Mögliche Ansatzpunkte zur Verhinderung von Opportunismus

Abschluss detaillierterund kontrollierbarer

Verträge

Investitionen in eine guteBeziehungsqualität ausgleichende

Investitionenim rein geschäft-lichen Bereich

durch privateKontakte

Schutz durchVerträge

Schutz durch einBeziehungsmanagement

Schutz durch einesonstige Besonderheit

Heribert Gierl Opportunismus in Geschäftsbeziehungen

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großen Reputationsverlust im Falle publik geworde-nen opportunistischen Verhaltens erleiden würde(Stichprobe n=208). Denn auch eine starke Netz-werkeinbindung des Abnehmerunternehmensschützt dessen Zulieferer vor Opportunismus. Die-se Unternehmen wurden weiterhin in zwei Gruppeneingeteilt, in eine Gruppe von Zulieferunternehmen,die höhere spezifische Investitionen getätigt hattenals der jeweilige Abnehmer (Gruppe A, n=130), undin eine Gruppe, die vergleichsweise geringe spezifi-sche Investitionen vorgenommen hatte (Gruppe B,n=78). Die Gruppe A umfasst also die stark von Op-portunismus, die Gruppe B die gering von unfairemVerhalten des Abnehmers bedrohten Zulieferunter-nehmen in der Stichprobe.

Die in Abbildung 5 enthaltene Darstellung zeigt,dass sich alle drei betrachteten Siche-rungsmaßnahmen, sofern sie ergriffen werden konn-ten, positiv auf den Geschäftserfolg des Zulieferun-ternehmens auswirken (vgl. Gierl 2000, S. 126).

Sowohl eine zunehmende Detaillierung der vertrag-lichen Absicherung als auch eine steigende Bezie-hungsqualität sowie ausgleichende Investitionenkönnen den Geschäftserfolg in der von Opportunis-mus bedrohten Situation (Gruppe A) fördern. Einegute Beziehungsqualität sowie sonstige Besonder-heiten des Zulieferunternehmens, welches dieses fürden Abnehmer besonders wertvoll machen, fördernden Geschäftserfolg auch in der wenig durch Op-

portunismus gefährdeten Situation (Gruppe B). Le-diglich intensive Kontrollen von Verträgen leisten indieser Situation keinen Beitrag zum Geschäftserfolgdes Zulieferunternehmens.

Zusammenfassend kann also an dieser Stelle fest-gehalten werden, dass detaillierte Verträge, eine guteBeziehungsqualität und ausgleichende InvestitionenZulieferunternehmen grundsätzlich vor opportunisti-schen Verhaltensneigungen ihrer Abnehmer schüt-zen können.

Dieser Befund bedeutet aber nicht zwingend, dassZulieferunternehmen, die vom Wohlverhalten ihrerAbnehmer abhängig sind, alle diese Sicherungsmaß-nahmen ergreifen sollen. Die Durchsetzungskostensolcher Maßnahmen können im Einzelfall zu hochsein. Es kann unter bestimmten Gegebenheiten so-gar ökonomisch sinnvoll sein, sich wissentlich einemopportunistischen Geschäftspartner auszusetzen,nämlich dann, wenn die Beziehung trotz des sichunfair verhaltenden Partners rentabel ist und dieserPartner die Beziehung abbrechen würde, wenn derZulieferer Sicherungsmaßnahmen ergreift.

Der übliche Fall wird jedoch darin bestehen, dassein Zulieferunternehmen seine vergleichsweise ho-hen spezifischen Investitionen schützen möchte unddie Frage zu beantworten ist, welche Art von Siche-rung (Verträge, gute Beziehung, ausgleichende In-vestitionen) man anstreben soll.

Abb. 5: Opportunismusgefahr, Sicherungsmaßnahmen und Geschäftserfolg

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4. Überlegungen zur Vorteilhaftig-keit verschiedener Sicherungs-maßnahmen

Man konnte bereits belegen, dass die drei hier er-örterten Sicherungsmaßnahmen grundsätzlich po-sitive Beiträge dazu leisten können, damit ein vonopportunistischem Verhalten seines Abnehmers be-drohtes Zulieferunternehmen in dieser Beziehungdennoch wirtschaftlich erfolgreich agiert.

Allerdings sind diese Maßnahmen, wie bereits er-läutert, nicht in allen Fällen einsetzbar, da sie aufWiderstände seitens des Abnehmers stoßen können.Insofern stellt sich die Frage nach den Bedingun-gen, unter denen man zur Sicherung der eigenenspezifischen Investitionen eine vertragliche Rege-lung, eine gute Beziehungsqualität oder eine Verrin-gerung der Abhängigkeit durch verschiedene aus-gleichende Investitionen anstreben soll (vgl. Heide/John 1988; Noorderhaven 1996, S. 106).

Die Bedingungen, unter denen sich die möglichenausgleichenden Investitionen als vorteilhaft erweisen,können aufgrund der Vielfalt denkbarer Investitionensehr unterschiedlich sein.

Beispielsweise ergaben Fallstudien mit ausgewähl-ten elf Zulieferunternehmen für die Pkw-Industrie,welche in der Vergangenheit Versuche des IngredientBranding (gezielte, intensive Werbung für ihre Pro-

dukte bei den Endkunden) unternommen hatten,dass dieses Engagement mit einer einzigen Ausnah-me von den Abnehmern sehr negativ beurteilt wur-de. Die angesprochene Ausnahme war ein Herstel-ler von Standheizungen für Pkw. Dessen Produktegehören offensichtlich nicht zum Standard eines Pkw,und auch die Hersteller konnten davon profitieren,dass dieses Zulieferunternehmen die Endkunden aufdieses Extra aufmerksam machte.

Zuweilen akzeptieren Abnehmerunternehmen erstdann ein Modul eines Zulieferunternehmens, wennsie die Möglichkeit haben, dieses auch bei weiterenLieferanten zu erwerben. Ein Schutz vor sich oppor-tunistisch verhaltenden Abnehmern durch Patenteoder durch den Erwerb von Wettbewerbern erscheintsomit ebenfalls nur unter bestimmten Voraussetzun-gen möglich zu sein.

Auch finanzielle Beteiligungen bei Abnehmerunter-nehmen zur Verringerung der Überlegenheit desAbnehmers scheinen an diverse Voraussetzungengeknüpft zu sein. Zulieferunternehmen scheitern inaller Regel mit solchen Bemühungen.

Deshalb beschränkt sich die weitere Betrachtungauf die Frage nach den Bedingungen, unter deneneine vertragliche Absicherung oder eine Investitionin ein gutes Beziehungsmanagement sinnvoller er-scheint. Diese eingeschränkte und nachfolgend ge-nauer betrachtete Problemstellung wird in Abbildung6 veranschaulicht.

spezifische Investitionendes Zulieferunternehmens

spezifische Investitionendes Abnehmerunternehmens>

Bedrohung des Zulieferunternehmensdurch mögliches opportunistisches

Verhalten des Abnehmerunternehmens

Bedingungen, unter deneneine vertragliche Sicherungfür das Zulieferunternehmen

empfehlenswert ist

Bedingungen, unter denenMaßnahmen des

Beziehungsmanagementsvorteilhaft sind

Abb. 6: Verträge oder Beziehungsqualität zur Sicherung spezifischer Investitionen

Heribert Gierl Opportunismus in Geschäftsbeziehungen

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Die fast ausschließliche Betrachtung der vertragli-chen Absicherung der spezifischen Investitionen wirdin der Literatur stark kritisiert (vgl. z. B. Pohlmann/Apelt/Buroh/Martens 1995, S. 159; Zajac/Olsen1993, S. 137). Es wird argumentiert, dass es seitensdes in der Beziehung schwächeren Akteurs nichtimmer möglich ist, die von ihm angestrebte vertrag-liche Regelung durchzusetzen. Weiterhin wird ange-nommen, dass auch durch ein Beziehungsmanage-ment die Opportunismusneigung verringert und aufdiesem Wege ebenfalls opportunistisches Verhaltendes Geschäftspartners vermieden werden kann.

Eine erste Überlegung bei der Abwägung zwischenvertraglicher Absicherung und Beziehungsqualitätbezieht sich auf die Kontrollmöglichkeiten von ab-geschlossenen Verträgen. Kontrollmöglichkeiten sindselbst im Falle der Vereinbarung detaillierter Verträ-ge nicht einfach gegeben. Damit vertragliche Rege-lungen eine wirksame Absicherung gegen Opportu-nismus darstellen, ist es jedoch nötig, auch Rege-lungen zu finden, damit opportunistisches Verhaltenals solches bemerkt werden kann (vgl. Berger/Noor-derhaven/Nooteboom 1995, S. 200; Nooteboom1996, S. 1003).

Eine zweite Überlegung soll der Frage gelten, obdas Abnehmerunternehmen in wirtschaftlicheSchwierigkeiten geraten könnte. Es kann bezweifeltwerden, dass sich Personen schon allein dann op-portunistisch verhalten, wenn sie die Möglichkeit hier-zu haben. Es wird z. B. argumentiert, dass dies derAlltagserfahrung der Menschen widerspricht (vgl.Lenz 1990, S. 23 f., 32). Insofern erscheint die Fragezielführender zu sein, unter welchen Bedingungensich Akteure voraussichtlich opportunistisch verhal-ten werden. Von Spezialfällen abgesehen werdensich Geschäftspartner nicht opportunistisch verhal-ten, solange es ihnen wirtschaftlich gut geht (vgl.Dwyer/Oh 1987; Grover 1993, S. 485; Mishra 1996,S. 273, 281; Nooteboom 1996, S. 998; Sako 1992,S. 47). Wenn sie allerdings in wirtschaftliche Schwie-rigkeiten geraten und die Mitarbeiter dieses Unter-nehmens von ihrer Geschäftsleitung zu Sparmaßnah-men aufgefordert werden, werden diese dazu nei-gen, ihre Zulieferunternehmen unter Preisdruck zusetzen, der auch unfaire Formen annehmen kann.

Die Mitarbeiter dieses Unternehmens können sichdabei zwei Gruppen von Zulieferunternehmengegenübersehen, einer Gruppe von Zulie-ferunternehmen, die sich detailliert vertraglich ab-gesichert haben, und einer Gruppe von Zulieferern,die eine gute Beziehungsqualität erreicht haben. Ein

Zulieferer, der sich vertraglich sehr stark abgesicherthat, dürfte als Partner eingeschätzt werden, der demAbnehmer grundsätzlich misstraut. Dagegen könn-te ein Zulieferer, der vor allem in die Beziehungs-qualität investierte, als Akteur wahrgenommen wer-den, der dem Abnehmer Vertrauen schenkt. In derbeschriebenen Situation sollte der Zulieferer, der sichvertraglich abgesichert hat, stärker von Opportunis-mus gefährdet sein. Die intensive vertragliche Absi-cherung kann also unter Umständen das Gegenteildavon bewirken, worauf sie eigentlich abzielte (vgl.Goshal/Moran 1996, S. 14). Man kann also vermu-ten, dass detaillierte vertragliche Regelungen in demFall, dass der Abnehmer in eine ungünstige wirt-schaftliche Situation gerät, vergleichsweise nachteiligsind und eine Absicherung der spezifischen Investi-tionen durch zusätzliche Investitionen in die Bezie-hungsqualität Vorteile verspricht.

Eine dritte Überlegung gilt dem Wert, den der Zu-lieferer seinem Abnehmerunternehmen in der Zukunftbeimisst. Ein Zulieferer kann sich z. B. auf die Einhal-tung eines Vertrags berufen, der schon vor zehn Jah-ren abgeschlossen worden ist, aber nicht darauf,dass vor zehn Jahren eine hohe Beziehungsqualitätbestand. Manche Mitarbeiter auf Seiten des Abneh-merunternehmens, zu denen gute Kontakte vor-herrschten, können in der Zwischenzeit aus demUnternehmen ausgeschieden sein oder im Unter-nehmen andere Positionen eingenommen haben (vgl.Nooteboom 1996, S. 990, 1007). Falls das Zuliefer-unternehmen dem Abnehmerunternehmen also ei-nen sehr hohen Wert in der Zukunft bemisst, soll die-se Beziehung für den Zulieferer langfristig erfolgreichsein, und es sollte versuchen, sich möglicht gut ver-traglich abzusichern.

In der empirischen Studie wurden diese drei Über-legungen überprüft. Hierzu wurden nur noch die Zu-lieferunternehmen betrachtet, die im Vergleich zuihren Abnehmern höhere spezifische Investitionenin ihre Geschäftsbeziehung getätigt hatten. Diese wa-ren oben in der Gruppe A (n=130) zusammengefasstworden. Diese wurden weiterhin dahingehend un-terteilt, ob ihre Absicherungsbemühungen schwer-punktmäßig durch vertragliche Maßnahmen oderdurch den Aufbau und die Pflege einer gutenBeziehungsqualität (Beziehungsmanagement) zubeschreiben waren. Somit entstanden zwei Un-tergruppen I und II. Unternehmen der Gruppe I ver-suchten, der Opportunismusgefahr tendenziell durchvertragliche Regelungen zu begegnen (n=40), dieje-nigen aus Gruppe II strebten dieses Ziel stärker durchInvestitionen in die Beziehungsqualität an (n=90). Die

Heribert Gierl Opportunismus in Geschäftsbeziehungen

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63der markt 2001/2+3

Fall (c)

Fall (b)

Fall (a)

Kontrollmöglichkeit

hoch

gering

Geschäftserfolg

5,54

5,094,92

4,57

schlecht gut

I

II

wirtschaftliche Situationdes Abnehmers

Geschäftserfolg

5,27

5,06

4,87

4,44

schlecht gut

I

II

Bedeutung des Abnehmersin der Zukunft

Geschäftserfolg

5,45

5,074,83

4,59

gering hoch

I

II

I: schwerpunktmäßig Absicherung durch Vertrag, II: schwerpunktmäßig Absicherung durch Beziehungs-qualität, Geschäftserfolg: 1=gering, ..., 7=hoch

Abb. 7: Einfluss von Bedingungen auf die Vorteilhaftigkeit von Maßnahmen zur Senkung der Opportunis-musgefahr

Heribert Gierl Opportunismus in Geschäftsbeziehungen

höhere Fallzahl in Gruppe II erscheint plausibel, daes in der opportunismusgefährdeten Situation einemZulieferer vergleichsweise seltener gelingen sollte,detaillierte Verträge mit dem Abnehmer zum Schutzgegen Opportunismus abzuschließen.

Die folgende Abbildung 7 enthält den Effekt derzwei verglichenen Sicherungsmaßnahmen auf denGeschäftserfolg in Abhängigkeit der eben erläuter-ten drei Aspekte.

Die Darstellung verdeutlicht, dass Zulieferunterneh-men in einer von Opportunismus gefährdeten Ge-schäftsbeziehung den Geschäftserfolg tendenziellsowohl durch einen detaillierten Vertrag als auch einehohe Beziehungsqualität erhöhen können.

Allerdings zeigen die Vergleiche, dass sich im Fal-le guter Kontrollmöglichkeiten von vertraglichen Re-gelungen (Fall a) rechtliche Absicherungen (GruppeI) auch in ihrer Wirkung auf den Geschäftserfolg desZulieferers im Vergleich zu Maßnahmen aus demBereich des Beziehungsmanagements (Gruppe II) alsüberlegen erweisen.

Ist das Abnehmerunternehmen in eine wirtschaft-lich bedrohliche Situation geraten (Fall b), ist für denZulieferer eine Absicherung mittels Investitionen ineine gute Beziehungsqualität (Gruppe II) vorteilhaf-ter als die vertragliche Sicherung der spezifischenInvestitionen (Gruppe I).

Schließlich sollte ein Zulieferunternehmen, welchesdem Abnehmer für die eigenen Zukunft eine großeBedeutung bemisst (Fall c), die eigenen spezifischenInvestitionen bevorzugt durch vertragliche Regelun-gen (Gruppe I) anstatt durch Investitionen in die Be-ziehungsqualität (Gruppe II) absichern.

Die mit Fall (a), (b) und (c) beschriebenen Mittel-wertvergleiche sind auf dem 5%-Niveau signifikant.Für den Fall, dass sich ein Zulieferunternehmen voneinem Abnehmerunternehmen sowohl durch hoheeigene spezifische Investitionen abhängig gemachthat (dies spricht für Sicherungsmaßnahmen), diesemGeschäftspartner zukünftig eine große Bedeutungbeimisst (dies spricht für vertragliche Sicherungen)und gerade dieser Partner in wirtschaftliche Schwie-rigkeiten gerät (hier wäre eigentlich eine gute Bezie-hungsqualität anzuraten), sind obige Empfehlungennaturgemäß widersprüchlich. Allerdings sollte einZulieferunternehmen solche Geschäftsbeziehungengrundsätzlich meiden.

5. Fazit

Häufig wird davon ausgegangen, dass ein Akteurin einer Geschäftsbeziehung durch opportunisti-sches Verhalten seines Partners gefährdet ist, wenner mehr in die Beziehung investiert hat als sein Part-ner. Um Opportunismus zu begrenzen, werden in derLiteratur verschiedene Ansatzpunkte erläutert, vor

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allem die vertragliche Absicherung, die Beziehungs-qualität und ausgleichende Investitionen.

Diese Möglichkeiten stehen nicht immer wahlwei-se zur Verfügung, da sich der Abnehmer in der be-trachteten Situation in der überlegenen Position be-findet. Sofern aber Möglichkeiten einer Schwer-punktsetzung auf vertraglicher Absicherungen oderBeziehungsqualität gegeben sind, stellt sich die Fra-ge, welcher dieser beiden Ansatzpunkte gewähltwerden soll. Das Ergebnis der oben dargestelltenStudie war folgendes:

Detaillierte vertragliche Regelungen zur Begren-zung von Opportunismus sollen angestrebt werden,wenn das Abnehmerunternehmen dem Zulieferun-ternehmen ausreichende Kontrollmöglichkeiten ein-räumt. Speziell in den Fällen, in denen der Abnehmerfür die Zukunft des Zulieferunternehmens sehr wich-tig ist, versprechen vertragliche AbsicherungenVorteile.Eine hohe Beziehungsqualität erreicht zuhaben, erweist als vorteilhaft, wenn der Abnehmerin wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät.

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