10
Zbl. Vet. Med. B, 23, 364-373 (1976) @ 1976 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg iSSN 0044-4?94/ASTM-Coden: ZVRBAZ Aus dem Institut fur Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenmedizin, Fachbereich Tiermedizin der Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen Vorstand: Prof. Dr. Dr. h. c. Anton Mayr Orale, ilktive Immunisierung neugeborener Kalber gegen Escherichia coli: Wirksamkeitsnachweis im Darmligaturtest und Feldversuch' VOll G. BALJER4, s. CHORHERR, H. PLANK^, H. BOSTEDT~, H. SCHELS und A. MAYR Mit 4 Abbildungen und einer Tabelle (Eingegangeiz am 16. Februar 1976) Die Prophylaxe bzw. Bekampfung der E. cofi-Erkrankungen des Kalbes ist bis heute unbefriedigend. Andererseits ist man mit der Tatsache konfron- tiert, dai3 die ,,Colibakteriosen" beim Kalb zunehmen. Die Hauptgrunde hier- fur sind die zunehmende Intensivhaltung und die weit verbreitete Antibioti- karesistenz. Nach wie vor beschaftigen sich deshalb zahlreiche Laboratorien mit der Entwicklung neuer Methoden zur Prophylaxe und Bekampfung dieser Erkrankungen. Wir arbeiten seit mehreren Jahren uber die orale Immunisierung neu- geborener Tiere gegen E. coli. Neugeborene Ferkel entwickelten nach zehn- maliger oraler Impfung mit durch Hitze abgetoteten E. coli-Bakterien eine belastbare Immunitat. Die Immunitat Lei3 sich lokal im Darmligaturtest und humoral durch Bildung entsprechender Antikorper nachweisen (1,2). Die guten Erfahrungen mit der oralen Vakzination beim Ferkel haben uiis veranlaflt, das gleiche Immunisierungsverfahren auch beim Kalb zu uber- prufen. Wir verfugen inzwischen uber 3 '12 Jahre Praxiserfahrungen und haben zudatzlich die lokale Darmimmunitat rnit dem Darmligaturtest experi- mentell ermittelt. Ober die Ergebnisse wird in der folgenden Arbeit berichtet. Shrifttum Ober eine orale Immunisierung gegen E. coli beim Kalb liegen iiur sehr wenige Untersuchungen vor. STELLMACHER und MULLER (8) konnten mit einer ' Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. ERICH TKAUU in Vcrehrung zum 70. Geburtstag gewidmet. ' Tiergesundheitsdienst Bayern e. V. ' Gynakologische und Ambulatorische Tierklinik der Univ. Miinchen. Diese Arbeit ist im Sonderforschungsbereich 147 - Jungtierkunde - Miinchen entstanden.

Orale, aktive Immunisierung neugeborener Kälber gegen Escherichia coli: Wirksamkeitsnachweis im Darmligaturtest und Feldversuch

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Page 1: Orale, aktive Immunisierung neugeborener Kälber gegen Escherichia coli: Wirksamkeitsnachweis im Darmligaturtest und Feldversuch

Zbl. Vet. Med. B, 23, 364-373 (1976) @ 1976 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg iSSN 0044-4?94/ASTM-Coden: ZVRBAZ

Aus dem Institut fur Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenmedizin, Fachbereich Tiermedizin

der Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen Vorstand: Prof. Dr. Dr. h. c. Anton Mayr

Orale, ilktive Immunisierung neugeborener Kalber gegen Escherichia coli:

Wirksamkeitsnachweis im Darmligaturtest und Feldversuch'

VOll

G. BALJER4, s. CHORHERR, H. PLANK^, H. BOSTEDT~, H. SCHELS und A. MAYR

Mit 4 Abbildungen und einer Tabelle

(Eingegangeiz am 16. Februar 1976)

Die Prophylaxe bzw. Bekampfung der E . cofi-Erkrankungen des Kalbes ist bis heute unbefriedigend. Andererseits ist man mit der Tatsache konfron- tiert, dai3 die ,,Colibakteriosen" beim Kalb zunehmen. Die Hauptgrunde hier- fur sind die zunehmende Intensivhaltung und die weit verbreitete Antibioti- karesistenz. Nach wie vor beschaftigen sich deshalb zahlreiche Laboratorien mit der Entwicklung neuer Methoden zur Prophylaxe und Bekampfung dieser Erkrankungen.

Wir arbeiten seit mehreren Jahren uber die orale Immunisierung neu- geborener Tiere gegen E . coli. Neugeborene Ferkel entwickelten nach zehn- maliger oraler Impfung mit durch Hitze abgetoteten E . coli-Bakterien eine belastbare Immunitat. Die Immunitat Lei3 sich lokal im Darmligaturtest und humoral durch Bildung entsprechender Antikorper nachweisen (1,2).

Die guten Erfahrungen mit der oralen Vakzination beim Ferkel haben uiis veranlaflt, das gleiche Immunisierungsverfahren auch beim Kalb zu uber- prufen. Wir verfugen inzwischen uber 3 '12 Jahre Praxiserfahrungen und haben zudatzlich die lokale Darmimmunitat rnit dem Darmligaturtest experi- mentell ermittelt. Ober die Ergebnisse wird in der folgenden Arbeit berichtet.

Shrifttum Ober eine orale Immunisierung gegen E . coli beim Kalb liegen iiur sehr

wenige Untersuchungen vor. STELLMACHER und MULLER (8) konnten mit einer

' Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. ERICH TKAUU in Vcrehrung zum 70. Geburtstag gewidmet. ' Tiergesundheitsdienst Bayern e. V. ' Gynakologische und Ambulatorische Tierklinik der Univ. Miinchen.

Diese Arbeit i s t im Sonderforschungsbereich 147 - Jungtierkunde - Miinchen entstanden.

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dreimal in wochentlichem Abstand durchgefuhrten Schluckimpfung die Kal- bersterblichkeit senken. Signifikante Blutserumtiter traten nach der Impfung iiicht auf. Genaue Angaben uber das Antigen, die Applikation und die Aus- wertung der Feldversuche fehlen.

PORTER et al. (6) erprobten die orale Immunisierung gegen E. coli da- durch, daf3 sie dem Milchaustauscher eine Vakzine beimischten, die durch Hitze (etwa 120 OC fur 30 Min.) inaktivierte E. coli- und Salmonella-Antigene ent- hielt. Die Impflinge erkrankten nicht so stark, benotigten weniger Medika- mente bzw. Antibiotika und hatten eine bessere Gewichtszunahme.

Eine Sonderform der oralen Impfung stellt die ,,in utero"-Impfung gegeii E. coli dar. CONNER et al. (3) und GAY (5) injizierteii Muttertieren E. coli- Antigen 8 bis 49 Tage vor dem Abkalben in die Amnionflussigkeit, um so eine orale Aufnahme des Antigens durch den Foetus zu erreichen. Auf diese Weise geimpfte Tiere waren am ersten Lebenstag gegen eine kunstliche orale E . coli-Infektion geschutzt, obwohl sie kein Kolostrum erhielten.

Material und Methoden Versuchstiere: Fur den Darmligaturtest standen insgesamt 9 Kalber zur

Verfugung. Die Tiere wurden uber den Eimer getrankt und erhielten zunachst Kolostralmilch und ab dem 2. Lebenstag Milchaustauscher.

Die Feldversuche fuhrten wir mit 2500 Kalbern durch, die in 64 Bestan- den im Raum Bayern aufgestallt waren. Alle Kalber erhielten Muttermilch und ab der 2. Lebenswoche Milchaustauscher uber Trankeeimer.

Impfstoff: Zur Impfstoffherstellung wurden die E. coli-Keime im Fer- nienter vermehrt und anschlieflend abzentrifugiert. Die Inaktivierung erfol te in einem geschlossenen Durchlaufsystem durch Kurzzeiterhitzung auf 100 C uber etwa 3 Minuten. Die Dichte der Keimsuspension wurde mit physiolo- gischer NaC1-Losung eingestellt.

$

Insgesamt verwendeten wir 3 unterschiedliche Impfstoffe: 1. Experimentelle Vakzine zum lokalen Irnmunitatsnachweis mittels

Darmligaturtest: Diese Vakzine wurde mit dem E . coli-Stamm 0149 : K 91 : K 88 hergestellt.

2. Stallspezifische, rnonovalente Vakzine: Sie enthielt den jeweils aus dem betroff enen Problembestand isolierten E. coli-Stamm.

3. Polyvalente Vakzine: Sie setzte sich aus den 0-Serotypen 78, 86, 11 7, 8 und 35 zusammen.

Die Gesamtimpfdosis betrug pro Kalb etwa 10" inaktivierte Keime. Applikationsmodus: In allen Versuchen wurde der Impfstoff taglich eiii-

ma1 uber die ersten zehn Lebenstage oral in l/z bis 1 Liter Milch oder Milch- austauscher verdunnt vor der Morgenmahlzeit verabreicht.

Darmligaturtest: Einen Tag nach der letzten Immunisierung, am 11. Le- benstag, wurde die Darmimmunitat ausgetestet. Als Teststamm verwendeten wir den E. coli-Stamm 0149 : K 91 : K 88. Wir verimpften ihn fur die Her- stellung der Testsuspension in Bouillon und bebruteten 24 Stunden bei 37 OC. In Vorversuchen wurde der Stamm im Darmligaturtest am Kalb nach der Methode von SMITH und HALLS (7) auf Enterotoxinbildung gepruft. In allen Fallen wurde eine starke Enterotoxinbildung festgestellt.

Die Operationstechnik und die Beurteilung des Darmligaturtestes wurde in einer fruheren Arbeit beschrieben (1). Zur Allgemeinanasthesie verwendeten wir Rompun und zur Lokalanasthesie Tutocain.

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Feldversuche: Die erfaflten Daten beziehen sich auf Impfungen in den Jahren 1972 bis 1975 in Bayern. Alle Erhebungen wurden an H a n d eines Fragebogens durchgefuhrt, der von den Tierbesitzern fur jedes Tier gesondert auszufullen war. Die wichtigsten Daten des Erhebungsbogens betrafen: Tier- besitzer, Art der Aufzucht, Stallhygiene, klinische Situation vor, wahrend und nach der Schluckimpfung, zusatzliche Behandlung. Erkrankungsfalle im Be- obachtungszeitraum wurden klinisch und bakteriologisch untersucht und iso- lierte E . coli-Stamme serologisch mit der Objekttragerschnellagglutination dif- lerenziert. Mindestens 3 Monate vor Einsatz der Vakzine wurde die klinische Situation in dem Bestand erfai3t. Nach Einsatz der Valtzine erstreckte sich der Beobachtungszeitraum beim Einzelkalb auf 2 Wochen.

Das Krankheitsbild wurde eingeteilt in schwere und leichte Diarrhoe. Als schwere Diarrhoe galt wassriger, unstillbarer Durchfall rnit Fieber, In- appetenz, gelegentlich Meningitis und Arthritis. Die Erkrankung fuhrte bei den Tieren entweder innerhalb weniger Tagc zum Tod oder es kam zu einem wochenlangen Kummern der Kalber. Unter leichter Diarrhoe verstandcn wir Durchfall uber 1 bis 2 Tage ohne Storungen des Allgemeinbefindens.

Ergebnisse 1. Darmligaturtest

Mit der oralen zehntagigen Vakzinierung liei3 sich bei Kalbern nur dann cine im Darmligaturtest nachweisbare Darmimmunitat erzeugen, wenn die einmalige Impfdosis pro Tag bei 10'" hitzeinaktivierten E. coli-Keimen lag. Eine Schluckimpfung mit lo9 Keimen pro Tag fuhrte zu keiner Darmimmuni- tat. Die Belastbarkeit der Darmimmunitat trat in den niedrigen Challenge- bercichen am deutlichsten in Erscheinung (Tab. 1). Nach einer Infektion mit

Tabelle 1 Ergebnis des Darmligaturtestes bei oral rnit einer E. coli-Vakzine geimpfteii

und nicht geimpften Kalbern"

E C O ~ I - 01L9-

Kontrollt iere

Au5wertungsschema s. BALJER et a1 (1975a).

10" bzw. 104 E . coli-Bakterien blieb bei vier bzw. drei von funf geimpften Kalbern eine Entzundung und damit die Flussiglreitsbildung im belasteten Darmsegment aus. Bei der gleichen Belastungsdosis maflen wir fur die nicht geimpften Tiere Reaktionstarken zwischen + + + + und .t +, die noch einer mittleren bis schweren Toxinwirkung entsprachen.

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Orale, aktive Immunisierung neugeborener Kalber 367

Mit zunehmender Belastungsdosis nahm die Flussigkeitsbildung in den Darmsegmenten stufenweise zu. Nach Belastung mit lo7 Keimen (lO-"Ver- dunnung) wurde die lokale Immunitat praktisch bei allen Tieren durchbrochen. Die Fliissigkeitsmenge betrug sowohl bei den geimpften als auch bei den nicht geimpften Kalbern 50 ml und mehr. Eine Ausnahme bildete nur das geimpfte Kalb Nummer 4. Hier kam es erst nach Inokulation der unverdunnten Be- lastungsdosis zu einer + + + f-Reaktion.

2. Feldversuche Die Schluckimpfung wurde nur in sogenannten Problembestanden durch-

gefuhrt. In diesen Bestanden betrug vor der Impfung die Morbiditat im Durchschnitt 80 Prozent und die Mortalitat 24 Prozent. In einzelnen Betrieben crreichte sowohl die Morbiditat ais auch die Mortalitat vor Einsatz der Vak- zine nahezu 100 Prozent. Das klinische Bild war gekennzeichnet durch schwere Diarrhoen, die innerhalb der ersten Lebenswoche, meist mit Beginn am 2. Lebenstag auftraten. Die Durchfalle konnten mittels Antibiotika nicht ge- stillt werden, da die isolierten E. coli-Stamme gegen die wichtigsten Antibio- tika resistent waren. Auch die in vielen Fallen vorher durchgefuhrte, stall- spezifische Muttertierimpfung hatte versagt.

Einen Oberblick uber die Morbiditats- und Mortalitatsraten vor sowie nach Einsatz der Schluckvakzine gibt Abbildung 1.

KlinlScheS B i l d vor der KliniSches B i l d nach d e r Schluckmpfung Schluckimpfung

7 I- ---7

1t)X

a .

stallspezifische polyvalente Vakzine

i:j: mOnOValente

Vakzine

Mittelwrit% Yon 1 5 0 0 Kalberri *US 6 4 EInLelbeStdnden

Abb. 1. Oberblick uber die Wirksamkeit der verschiedenen E. coli Schluckvakzinen beim Kalb in Problembestanden

Wie aus Abbildung 1 ersichtlich ist, kam es nach Einsatz der stallspezi- fischen E . coli-Schluckvakzine in 38 Problembestanden bei 1500 Kalbern zu einem fast vollstandigen Verschwinden (Senkung unter 1 "0) der schweren Diarrhoen mit Todesfolge. In den Problembestanden erkrankten die Tiere ohne Impfung zwischen dem 2 . und 8. Tag. Interessant war, dai3 nach der Schutzimpfung nicht nur die Erkrankungen am 8. Tag, sondern auch bereits

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die ohne Impfung am 2 . Tag auftretenden Durchfalle verhindert werden konnten.

Bei Impfversagern wiesen wir iast durchwegs nach, dai3 die Vakzine nicht regelmai3ig oder falsch verabreicht wurdc.

Bei 20 Prozent der oral geimpften Kalber liei3en sich die Diarrhoen nicht vollstandig unterdriicken. Sie unterschieden sich aber bezuglich Schwerc und Verlauf von denen in Bestanden ohne Impfung. Der Verlauf war mild und sie horten in der Regel ohne Behandlung oder nach einfacher diatetischer Behandlung in ein oder zwei Tagen auf.

Bei der Herstellung der stallspezifischen Vakzine und Typisierung dcr isolierten E . coli-Stamme stellten wir fest, dai3 in den meisten Betrieben immer w i d e r dieselben E. coli-Stamme als Krankheitserreger isoliert wurden: 08, 035, 078, 086 und 01 17. Diese Stammc sind bereits aus andcrcn Untersuchun- gen als besonders pathogen bekannt und werden hauptsachlich fur die Kalber- diarrhoen verantwortlich gemacht (FEY). Sollte hierin eine gewii3e Gesetz- mai3igkeit liegen, dann miii3te man in den Problembestanden mit einer poly- valenten Vakzine, die diese Stamme enthalt, ahnlich gute Ergebnissc erhalten, wie mit einer stallspezifischen Vakzine.

Wir haben rnit einer derartigen Vakzine in 26 Problembestanden 1000 Kalber geimpft. Die Ergebnisse sind in der Abbildung 1 wiedergegeben.

In etwa 72 Prozent der Kalber konnten wir mit der polyvalenten Vak- zine den gleichen Erfolg erreichen wie mit der stallspezifischen Vakzine. Blieb die Impfung erfolglos, dann isolierten wir durchwegs E . coli-Stfmme, die nicht in der Vakzine enthalten waren. In diesen Fallen stellten wir eiiie ent- sprechende stallspezifische Vakzine her, die dann auch prompt wirkte. Wir halten diese Ergebnisse deshalb fur besonders wichtig, weil sie beweisen, dafl man mit hitzeinaktivierten E . coli-Vollantigenen in der von uns verwendeten Dosierung keinen Schutz gegen heterologe 0-Antigene erreichen kann. Eine paraspezifische Wirkung ist also nicht gegeben.

:Mortalitat

Yak2 ine)

yuarta1 1971 1974 1 9 1 5

yuar ta i 1972

von 1 Jahr Abb. 2. Wirksamkeit der E. coli-Schludtvakzine in dem Bestand M. inW. iiber einen Zeitrauni

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20

I 5

LO

Den Beweis fur die spezifische Wirksamkeit unserer oralen Kalberschutz- impfung liefern die Impfversuche mit der mono- und polyvalenten Vakzine in den folgenden Bestanden.

Bestand M . in W.: Vor Einsatz der Schluckvakzine erkrankten fast alle Kalber an schwerer Diarrhoe. Die Mortalitat betrug etwa 30 Prozent. Drei- undvierzig von Januar bis Mai mit der stallspezifischen Vakzine geimpfte Kalber blieben gesund. Nach Absetzen der Schluckimpfung im Juni kam es wieder zu schweren Durchfallserkrankungen (vgl. Abb. 2).

Bestand S. in A.: In diesem Bestand wurde die Schluckimpfung mit zeit- licher Unterbrechung seit 1972 durchgefuhrt. Es erkrankten von den nicht geimpften Kalbern alle, mit Ausnahme der im 2. Quartal 1973 (Sommer) ge- borenen Tiere, an schwerer Diarrhoe. Die Impflinge blieben, soweit sie mit der stallspezifischen Vakzine geimpft wurden, gesund. Gelegentlich wurden leicht zu beherrschende Durchfalle beobachtet. Die polyvalente Vakzine hatte dagegen keine Wirkung. Der beteiligte E. coli-Stamm 01 1 gehorte nicht zu den in der polyvalenten Vakzine enthaltenen Serotypen (vgl. Abb. 3).

s t a l l s p e i i f i s c h r V r k z m c ~ r v a k r i r i e l r Vakzine _r-

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?ah1 der KSlber

2o t

Bestand B. in A.: Alle nicht geimpften Kalber erkrankten an schwerer Diarrhoe, die geimpften Tiere blieben gesund. Im Mai 1975 fuhrten wir in diesem Bestand einen Placebo-Versuch durch. Von 12 neugeborenen Kalbern erhielten 2 Placebo und 10 die polyvalente Vakzine. Die beiden Placebo-Tiere erkrankten am 2. bzw. 3. Lebenstag an schwerer Diarrhoe. Bei dem isolierten L:. coli-Stamm handelte es sich um den Serotyp 08 (vgl. Abb. 4).

Bestand L. in B.: In dem Bestand treten seit 4 Jahren regelmaflig das ganze Jahr uber schwere Durchfalle bei Kalbern im Alter von 2 bis 14 Tagen auf. Durch intensivste Behandlung mit Antibiotika, Gammaglobulinen und resistenzsteigernden Mitteln liefl sich zwar die Mortalitat auf 6 Prozent sen-

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:Mortalitat :SChwere Dlarrhoe :leichte Diarrhoe

' r h i d . Kalber

I

I. 2 , 3 . 4 . j l . 2 . 3 . 4 . / 1 . 2. 3 . 4 . 1 1 . 2 . Qiiart ill fQ"art8.1 Q u a r t a l y u r t d l

1'372 1'173 1974 I 9 7 5

Abb. 4. Wirksamkeit der E. coli-Schluckvakzine in dem Bestand B. in A. iiber einen Zeitraum von 2 Jahren

ken, die Kalber blieben jedoch stark in der Entwicklung zuruck und kummer- ten wochenlang.

Vom Januar 1974 bis Mai 1975 wurden 46 Kalber mit einer stallspezi- tischen Schluckvakzine geimpft. Seit dieser Zeit erkrankte keines der Kalber mehr an einem ernstzunehmenden Durchfall. Gelegentliche, leichte Diarrhoen wurden durch diatetische Mafinahmen zum Stillstand gebracht.

Bestund R. in P.: In dem Jahr vor Einsatz der Schluckvakzine erkrankten alle neugeborenen Kalber am 3. bis 4. Lebenstag an schwerer Diarrhoe. Fast die Halfte der Tiere starb trotz Behandlung mit Antibiotika und Gammaglo- bulinen im Verlauf der Erkrankung, die andere Halfte der Tier kummerte iiber _ _ . mehrer Wochen. Auch eine stallspezifische Muttertierimpfung blieb ohne Ertolg.

Von Februar 1974 bis Mai 1975 erhielten 61 Kalber die stallsDezifische Schluckvakzine. Todesfalle und schwere Diarrhoen wurden in dies'em Zeit- raum nicht mehr beobachtet. Bei 10 Prozent trat leichter Durchfall auf, der nach 1 bis 2 Tagen zum Stillstand kam.

Die Ergebnisse in den funf oben beschriebenen Bestanden mit der mono- und polyvalenten Vakzine konnten wir in den anderen 59 Bestanden repro- duzieren.

Besprechung der Ergebnisse Mit dem Darmligaturtest konnten wir beim Ferkel beweisen, dafi eine

orale Schutzimpfung mit hitzeinaktivierten E . coli-Keimen zu einer gut be- lastbaren Darmimmunitat fuhrt (BALJER et al., 1975 a u. b). Eine ahnlich be- lastbare Immunitat erreichten wir auch beim Kalb, wenn die Tiere wahrend dcr ersten 10 Lebenstage einmal taglich uber die Tranke vakziniert wurden. Die lokale Immunitat liefi sich schon einen Tag nach der letzten Impfung nachweisen. Der Darmligaturtest eignet sich damit auch zum Nachweis der

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lokalen Darmimmunitat gegen E. coli beim Kalb. Das unterschiedliche Ver- dauungssystem des Kalbes beeinfluat die Ausbildung einer lokalen Darm- immunitat nach oraler Impfung nicht.

Die Feldversuche mit der E. coli-Schluckvakzine bestatigen das Experi- ment. Die besten Ergebnisse erhielten wir rnit einer monovalenten, stallspezi- fischen Vakzine. Dies war auch nicht uberraschend, denn diese Vakzine ent- hielt den fur die Krankheit verantwortlichen 0-Serotyp. Die Herstellung einer stallspezifischen Vakzine ist jedoch aus mehreren Grunden problema- tisch. Zunachst sind die technischen Voraussetzungen hierfiir nicht in allen Instituten gegeben und zum anderen kommt die Impfung, wenn vorher jeweils der Erreger isoliert und typisiert werden mui3, gelegentlich zu spat. Eine poly- valente Vakzine, welche die wichtigsten fur die Colibakteriose des Kalbes ver- antwortlichen Serotypen enthalt, ware das ideale. Unsere Vakzine setzte sich aus den 0-Antigenen 78, 86, 3 5 , 8 und 11 7 zusammen und sie wirkte auch in all den Fallen, in denen einer dieser Serotypen das Krankheitsgeschehen ver- ursachte. Dies war in uber 72 Prozent der Problembestande der Fall. Versagte die polyvalente Vakzine, dann liei3 sich stets ein E. coli-Serotyp isolieren, der durch die Vakzine nicht abgedeckt war. Der Einsatz der stallspezifischen Vak- zine half dann weiter.

Alle Versuche bestatigen die bereits beim Ferkel gemachte Erfahrung, dai3 man durch eine orale Schutzimpfung mit hitzeinaktivierten E . coli-Bak- terien durchaus neugeborene Kalber vor E. coli-Erkrankungen schutzen kann, wenn die Schluckimpfung an den ersten 10 Lebenstagen (einmal taglich) durch- gefuhrt wird. Fur die Praxis ist die zehnmalige Applikation nachteilig. Auf Crund unserer Erfahrungen ist diese Applikationsfolge aber fur die Ausbil- dung eines belastbaren Schutzes notwendig. Wir stellten immer wieder Impf- versager fest, wenn dieser Impfrhythmus nicht eingehalten wurde.

Die durch hitzeinaktivierten Bakterien erzeugte Immunitat gegen E. coli ist streng 0-Antigen-spezifisch. Paraspezifische oder serotypubergreifende Schutzeff ekte konnten wir nicht beobachten. Die polyvalente Vakzine deckte stets nur die in der Vakzine enthaltenen Serotypen ab. Beim Auftreten anderer Serotypen versagte sie. Trozdem halten wir fur die Praxis den Einsatz einer polyvalenten Vakzine fur sinnvoll. In unseren Versuchen lag der Wirksam- keitsindex bei 72 Prozent.

Trotz wirksamer Schluckimpfung mui3 bei etwa 20 Prozent der Kalber weiterhin mit Diarrhoen gerechnet werden. Dies ist durchaus verstandlich, wenn man bedenkt, dai3 ein GroBteil der Kalberdurchfalle primar auf Futte- rungsfehler zuruckzufuhren sind und erst sekundar infolge der E . coli-Infek- tion entstehen.

Die Unschadlichkeit der Schutzimpfung konnte in jedem Fall gesichert werden. Da auch die Wirtschaftlichkeit gewahrleistet ist, glauben wir, dai3 die beschriebene orale Schutzimpfung einen neuen Weg fur die Bekampfung der durch E . coli bedingten Erkrankungen beim Kalb eroffnet.

Zusammenfassung Neugeborene Kalber wurden in den ersten 10 Lebenstagen mit einer aus

hitzeinaktivierten E . coli-Bakterien bestehenden, mono- oder polyvalenten Vakzine oral immunisiert. Die Gesamtimpfdosis betrug 10" inaktivierte Keime. Die Wirksamkeit pruften wir experimentell rnit dem Darmligaturtest und in einem uber 3l/2 Jahre laufenden Feldversuch.

Bereits 1 Tag nach der letzten Impfung war eine gut belastbare lokale Darmimmunitat nachweisbar.

25''

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In 38 Problembestanden mit 1500 Tieren liei3 sich mit der stallspezi- fischen Schluckimpfung die durchschnittliche Mortalitat von 24 Prozent auf unter 1 Prozent senken. Mit der polyvalenten Vakzine, die die 0-Antigene 78, 86, 35, 8 und 117 enthielt, hatten wir nach Impfung von 1000 Tieren in 72 Prozent der Falle Erfolg. Der Schutz erstreckte sich stets nur auf die in der Vakzine enthaltenen Serotypen.

Summary Oral active immunisation of new-born calves against E. coli:

Efficiency test using intestinal ligature test and field trial Newborn calves were vaccinated orally during the first 10 days of life

with a mono- or polyvalent vaccine consisting of heat-inactivated E. coli-anti- gens. The total vaccine-dose was 1011 inactivated organisms. Efficiency was tested by the intestinal ligature test and field trial over 3’/2 years.

Already 1 day after the last vaccination there was a well challengeable local intestinal immunity.

In 38 “problem-herds” with a total of 1,500 animals the mortality rate of 24 O/o was reduced to 1 “/(I after administering a herd-specific oral vaccine. The polyvalent vaccine, containing the 0 antigens 78, 86, 35, 8 and 117 was successful in 72 “ / o out of 1,000 animals vaccinated. Protection was effective only against the serotypes contained in the vaccine.

RtsumC Immunisation orale active de veaux nouveau-nts contre E. coli:

preuve de l’efficacitt dans le test de ligature intestinale et dans le terrain

Des veaux noveau-nks ont ktk immunisks dans les 10 premiers jours de vie avec un vaccin oral mono- ou polyvalent d’E. coli inactivk A la chaleur. La dose vaccinale comportait 1011 germes inactivks. On a testk I’efficacitC expkri- mentalement avec le test de ligature intestinale et dans un essai sur le terrain durant 3l/2 ans.

On a mis en kvidence une bonne immunitk intestinale locale 1 jour aprks la dernikre vaccination.

Dans 38 explotations A problkmes avec 1500 animaux, la vaccination orale spkcifique d’ktable a rkduit la mortalitk moyenne de 24 A 1 “ / o . Aprks une vaccination de 1000 animaux avec des vaccins polyvalents contenant les anti- gknes 078, 086, 036, 08 et 0117, on a obtenu un 72 O/o de succks. La protection ne s’ktendait qu’aux skrotypes contenus dans le vaccin.

Resumen Inmunizacibn oral activa de terneros recitn nacidos contra E. coli:

contraste de la eficacia en la prueba de la ligadura intestinal y en el ensayo campal

Se inmunizaron terneros recikn nacidos por via oral con una vacuna mono o polivalente que consistia en bacterias E. coli termoinactivadas. La dosis total de vacunaci6n era del orden de 10” gkrmenes inactivados. Con- trastamos la eficacia experimentalmente con la prueba de ligadura intestinal y en un ensayo campal de 3 aiios y ‘/2 de duraci6n.

A1 cab0 de un dia nada m4s despuks de la vacunaci6n liltima se podia identificar una inmunidad intestinal local gravable buena.

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Orale, aktive Immunisierung neugeborener Kalber 373

En 38 explotaciones problemiticas con 1500 animales se logr6 reducir con la vacunaci6n bebible, especifica de establo, 'la mortalidad promedio de 24 a menos de 1 O/o. Con la vacuna polivalente, la cual contenia 10s antigenos 0 78, 86, 3 5 , 8 y 117, tuvimos kxito en el 72 O/o de 10s casos despuks de haber vacunado 1000 animales. La protecci6n solo era efectiva frente a 10s serotipos contenidos en la vacuna.

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Anschrift der Verfasser: Institut fur Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Scuchenmedizin, Fachbereich Tiermedizin, VeterinarstraBe 1 3 , 8000 Miinchen 22.