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12 SONDERSEITE Montag, 9. Juli 2018 Paradiesisch Ein äußerst beglückendes Musizieren beim 11. Klassik an der Donau in der Stadthalle Von Kristian Kuhnle „A Hund is er scho!“, der Puccini, Giacomo. Wenn Mimi oder die But- terfly sterben, dann lässt er uns wei- nen. Am Ende der Tosca sind wir bis ins Innerste erschüttert. Und nach der letzten Tenor-Arie, die er in sei- nem Leben komponiert hat, können wir nicht anders als so enthemmt zu jubeln, wie sonst nur bei wichtigen Fußballtoren. Galeano Salas sang dieses „Nessun dorma“ mit viel wohltuendem Schmelz in der Stim- me, um sich bravourös zum glanz- vollen hohen Höhepunkt-Ton auf- zumachen. Den allerletzten Ton wollte er dann fast nicht mehr her- geben, indem er ihn, so noch nie ge- hört, mit schier unendlichem Atem in den Raum klingen ließ. Größtmöglicher Ap- plaus war die Folge. Und Puccini, der Überwälti- ger, hatte wieder ein- mal, dank bester Darbietung, sein Ziel erreicht. Ga- leano Salas hatte zuvor mit betö- render Innigkeit Mozarts Tami- nos Bildnis- Arie gesun- gen. Nicht nur er prä- sentierte an diesem Abend ge- sanglich überzeugend zwei völlig verschiedene Charaktere. Auch Mad- galena Hinter- dobler zeigte die Wandelbarkeit ihrer Stimme mit zwei konträren Arien. Die Reinheit und ungekünstelte Ehrlichkeit der Tann- häuser-Elisabeth brachte sie mit traumwandleri- schem Einfühlungsvermögen bis zum final tosenden Jubel über die Rampe. Auch die ver- schmitzte (sagen die einen) bis selbstsüchtig verführende (sagen die anderen) Musetta aus Puccinis „Boheme“ ist Hinterdoblers Stim- me absolut nicht fremd. Würde man die Augen schließen: den Charakter sowie das Wollen und Begehren Mu- settas würde man allein nur durch die stimmliche Ausformung begrei- fen. Aber Hinterdobler ist darüber hinaus mit der stets trefflichsten Mimik und Gestik gesegnet. Würde man nichts hören, man könnte nur durchs Zuschauen den Ausdruck des Arien-Walzers „Quando men vo“ begreifen. Aber Stimme und Gestik/Mimik im jetzt anderen, tiefblauen Kleid mit der etwas ent- blößten linken Schulter, vereinten sich zu einer betörenden Vollkom- menheit, welche die Hinterdobler - vielen im Raum ist das seit Jahren bekannt - immer schon hatte, um sie ins Grenzenlose hinein weiter zu entwickeln. Der Kammerchor Straubing/ Oberstufenchor ABG Straubing war das dritte stimmliche Ereignis dieses Konzerts. Stefan Frank hatte alles Chorische so exzellent einstu- diert, dass er selbst mitsingen durf- te. Erfrischende Lebendigkeit bei akkurater Rhythmik zeichnete den „Jägerchor“ aus dem „Freischütz“ aus. Der „Brautchor“ aus dem „Lo- hengrin“ verwöhnte mit sanft-hel- ler Innigkeit. Dr. Bernhard Stoffels erwähnte in seiner absolut berei- chernden Einführung, dass dieser Chor beim Einzug Elsas und Lohen- grins ins Brautgemach gesungen wird. Deshalb ist es auch bei Hochzeiten nicht erlaubt, diesen berühmten Brautchor in Orgelfas- sung zu spielen, da Hochzeiten in der Kirche stattfinden und eine Kir- che kein Brautgemach ist. Als Mark Twain bei seiner Deutschlandreise eine Lohengrin-Aufführung erleb- te, war der Brautchor das Einzi- ge, was ihm gefiel. Beim Rest fühlte er sich an das Getüm- mel beim Brand eines Wai- senhauses in seiner Kind- heit erinnert. Verdis „Ge- fangenenchor“ setzte, mit mitreißendem Belcanto und großer Einheitlichkeit ge- sungen, den offiziellen Schlusspunkt. Bei der Zuga- be, dem „Ägyptischen Marsch“ von Johann Strauss Sohn durfte das Publikum nach einer sehr kurzen Probenphase zur allseitigen Freude mitsingen. Ganz am Anfang begrüßte Dr. Martin Balle mit launigen Wor- ten das Publikum und die Eh- rengäste. Dass im 10. Jubi- läumsjahr das 11. Klassik an der Donau-Konzert stattfindet überraschte viele. Bei der Über- nahme dieses For- mats, dem „River- tone-Festival“ so- wie dem auch dieses Jahr stattfindenden Klassik im Herbst-Kon- zert erinnerte Dr. Balle zum Amüsement der Anwesen- den an die Unkenrufe bei der letzt- lich erfolgrei- chen Über- nahme der AZ durch die Me- diengruppe Straubinger Tag- blatt/Landshuter Zeitung. Als Orchester konnten wesentliche Mitglieder des Sym- phonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, Mitglieder der Orchester- akademie und einige Kollegen von den Münchner Philharmoni- kern gewonnen werden. Im Fußball gibt es zwischen den Mannschaften kleiner und großer Nationen immer weniger Unterschiede. Auch die so- genannten B-Orchester werden im- mer besser. Aber so vorzügliche Hörner und solistische Holzbläser hat eben nur ein Spitzenorchester. Es war erstaunlich, wie hervorra- gend dieses Orchester in der dafür nicht erbauten Fraunhofer-Halle klang. Ob allein (Sibelius, Weber, Mascagni), als Begleitung für den überlegen und differenziert aufspie- lenden Pianisten Gerhard Oppitz im Grieg-Klavierkonzert beziehungs- weise die Gesangssolisten und den Chor: es war ein äußerst beglücken- des Musizieren. Die Bilder auf der Videowand brachten zusätzlich faszinierende Einblicke in das Musizieren. Her- vorgehoben sei das erste Violoncel- lo-Pult. Mit welcher Freude, inne- ren Teilnahme und konzentriertes- ter Zuverlässigkeit hier selbst bei leichtesten Passagen gespielt wur- de: das war höchst beeindruckend. Und es wurde deutlich, dass Musik- hören sehr schön sein kann, dass auch das Dirigieren seinen Reiz hat: aber das höchste Glück ist für einen musischen Menschen Musik gestal- ten zu können, zu spüren wie Töne und Klänge entstehen und mitten in der Musik zu sein! Ein anderer Ef- fekt dieser Videowand: Kann es sein, dass man durch sie mehr die Abbildung des Wirklichen wahr- nimmt als das Wirkliche selbst? Als Dirigent agierte Wolfram Graul mit großer Professionalität. Er war lange Jahre beim BR als Cheftonmeister tätig. Was die meis- ten nicht wissen. Tonmeister, die in der Regel auch ein Musikstudium gemacht haben, müssen besser sein als der beste Dirigent. Sie müssen die jeweilige Partitur besser kennen als der erfahrenste Dirigent. Sie müssen selbst allerkleinste Unstim- migkeiten hören und für die perfek- te Aufnahme ausmerzen. Wolfram Grau, hat viele Spitzendirigenten erlebt. Er wird unendlich viel von ihnen gelernt haben. Und selbst di- rigierend vermittelte er dieses uner- schöpfliche Wissen auf souveränste Art und Weise. Madgalena Hinterdobler zeigte die Wandelbarkeit ihrer Stimme mit zwei konträren Arien (Foto). Galeano Salas hatte zuvor mit betörender Innigkeit Mozarts Taminos Bildnis-Arie gesungen. Das Publikum bedachte alle Akteure mit viel Applaus. Mehr Fotos unter ww.idowa.de. Fotos: Ulli Scharrer 8A6LniQo

Pa ra diesisc h - klassik-an-der-donau.de · 12 SONDERSEITE Montag, 9. Juli 2018 Pa ra diesisc h Ein äußerst beglück endes Musizier en beim 11. Klassik an der Donau in der St adthalle

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12 SONDERSEITE Montag, 9. Juli 2018

ParadiesischEin äußerst beglückendes Musizieren beim 11. Klassik an der Donau in der Stadthalle

Von Kristian Kuhnle

„A Hund is er scho!“, der Puccini,Giacomo. Wenn Mimi oder die But-terfly sterben, dann lässt er uns wei-nen. Am Ende der Tosca sind wir bisins Innerste erschüttert. Und nachder letzten Tenor-Arie, die er in sei-nem Leben komponiert hat, könnenwir nicht anders als so enthemmt zujubeln, wie sonst nur bei wichtigenFußballtoren. Galeano Salas sangdieses „Nessun dorma“ mit vielwohltuendem Schmelz in der Stim-me, um sich bravourös zum glanz-vollen hohen Höhepunkt-Ton auf-zumachen. Den allerletzten Tonwollte er dann fast nicht mehr her-geben, indem er ihn, so noch nie ge-hört, mit schier unendlichemAtem in den Raum klingenließ. Größtmöglicher Ap-plaus war die Folge. UndPuccini, der Überwälti-ger, hatte wieder ein-mal, dank besterDarbietung, seinZiel erreicht. Ga-leano Salas hattezuvor mit betö-render InnigkeitMozarts Tami-nos Bildnis-Arie gesun-gen. Nichtnur er prä-sentierte andiesemAbend ge-sanglichüberzeugendzwei völligverschiedeneCharaktere.

Auch Mad-galena Hinter-dobler zeigte dieWandelbarkeitihrer Stimme mitzwei konträrenArien. Die Reinheitund ungekünstelteEhrlichkeit der Tann-häuser-Elisabeth brachtesie mit traumwandleri-schem Einfühlungsvermögenbis zum final tosenden Jubelüber die Rampe. Auch die ver-schmitzte (sagen die einen) bisselbstsüchtig verführende (sagendie anderen) Musetta aus Puccinis„Boheme“ ist Hinterdoblers Stim-me absolut nicht fremd. Würde mandie Augen schließen: den Charaktersowie das Wollen und Begehren Mu-settas würde man allein nur durchdie stimmliche Ausformung begrei-

fen. Aber Hinterdobler ist darüberhinaus mit der stets trefflichstenMimik und Gestik gesegnet. Würdeman nichts hören, man könnte nurdurchs Zuschauen den Ausdruckdes Arien-Walzers „Quando menvo“ begreifen. Aber Stimme undGestik/Mimik im jetzt anderen,tiefblauen Kleid mit der etwas ent-blößten linken Schulter, vereintensich zu einer betörenden Vollkom-menheit, welche die Hinterdobler -vielen im Raum ist das seit Jahrenbekannt - immerschon hatte,

um sie insGrenzenlose hineinweiter zu entwickeln.

Der Kammerchor Straubing/Oberstufenchor ABG Straubingwar das dritte stimmliche Ereignis

dieses Konzerts. Stefan Frank hattealles Chorische so exzellent einstu-diert, dass er selbst mitsingen durf-te. Erfrischende Lebendigkeit beiakkurater Rhythmik zeichnete den„Jägerchor“ aus dem „Freischütz“aus. Der „Brautchor“ aus dem „Lo-hengrin“ verwöhnte mit sanft-hel-ler Innigkeit. Dr. Bernhard Stoffelserwähnte in seiner absolut berei-chernden Einführung, dass dieserChor beim Einzug Elsas und Lohen-grins ins Brautgemach gesungen

wird. Deshalb ist esauch bei

Hochzeitennicht erlaubt, diesen

berühmten Brautchor in Orgelfas-sung zu spielen, da Hochzeiten inder Kirche stattfinden und eine Kir-che kein Brautgemach ist. Als Mark

Twain bei seiner Deutschlandreiseeine Lohengrin-Aufführung erleb-te, war der Brautchor das Einzi-ge, was ihm gefiel. Beim Restfühlte er sich an das Getüm-mel beim Brand eines Wai-senhauses in seiner Kind-heit erinnert. Verdis „Ge-fangenenchor“ setzte, mitmitreißendem Belcanto undgroßer Einheitlichkeit ge-sungen, den offiziellenSchlusspunkt. Bei der Zuga-be, dem „ÄgyptischenMarsch“ von Johann StraussSohn durfte das Publikum nacheiner sehr kurzen Probenphase zurallseitigen Freude mitsingen.

Ganz am Anfang begrüßte Dr.Martin Balle mit launigen Wor-

ten das Publikum und die Eh-rengäste. Dass im 10. Jubi-

läumsjahr das 11. Klassikan der Donau-Konzert

stattfindet überraschteviele. Bei der Über-

nahme dieses For-mats, dem „River-tone-Festival“ so-wie dem auchdieses JahrstattfindendenKlassik imHerbst-Kon-zert erinnerteDr. Balle zumAmüsementder Anwesen-den an dieUnkenrufebei der letzt-lich erfolgrei-chen Über-nahme der AZ

durch die Me-diengruppe

Straubinger Tag-blatt/Landshuter

Zeitung.Als Orchester

konnten wesentlicheMitglieder des Sym-

phonieorchesters desBayerischen Rundfunks,

Mitglieder der Orchester-akademie und einige Kollegen

von den Münchner Philharmoni-kern gewonnen werden. Im Fußballgibt es zwischen den Mannschaftenkleiner und großer Nationen immerweniger Unterschiede. Auch die so-genannten B-Orchester werden im-mer besser. Aber so vorzüglicheHörner und solistische Holzbläserhat eben nur ein Spitzenorchester.Es war erstaunlich, wie hervorra-gend dieses Orchester in der dafür

nicht erbauten Fraunhofer-Halleklang. Ob allein (Sibelius, Weber,Mascagni), als Begleitung für denüberlegen und differenziert aufspie-lenden Pianisten Gerhard Oppitz imGrieg-Klavierkonzert beziehungs-weise die Gesangssolisten und denChor: es war ein äußerst beglücken-des Musizieren.

Die Bilder auf der Videowandbrachten zusätzlich faszinierendeEinblicke in das Musizieren. Her-vorgehoben sei das erste Violoncel-lo-Pult. Mit welcher Freude, inne-ren Teilnahme und konzentriertes-ter Zuverlässigkeit hier selbst beileichtesten Passagen gespielt wur-de: das war höchst beeindruckend.Und es wurde deutlich, dass Musik-hören sehr schön sein kann, dassauch das Dirigieren seinen Reiz hat:aber das höchste Glück ist für einenmusischen Menschen Musik gestal-ten zu können, zu spüren wie Töneund Klänge entstehen und mitten inder Musik zu sein! Ein anderer Ef-fekt dieser Videowand: Kann essein, dass man durch sie mehr dieAbbildung des Wirklichen wahr-nimmt als das Wirkliche selbst?

Als Dirigent agierte WolframGraul mit großer Professionalität.Er war lange Jahre beim BR alsCheftonmeister tätig. Was die meis-ten nicht wissen. Tonmeister, die inder Regel auch ein Musikstudiumgemacht haben, müssen besser seinals der beste Dirigent. Sie müssendie jeweilige Partitur besser kennenals der erfahrenste Dirigent. Siemüssen selbst allerkleinste Unstim-migkeiten hören und für die perfek-te Aufnahme ausmerzen. WolframGrau, hat viele Spitzendirigentenerlebt. Er wird unendlich viel vonihnen gelernt haben. Und selbst di-rigierend vermittelte er dieses uner-schöpfliche Wissen auf souveränsteArt und Weise.

Madgalena Hinterdobler zeigte die Wandelbarkeit ihrer Stimme mit zwei konträren Arien (Foto). Galeano Salas hatte zuvor mit betörender Innigkeit Mozarts Taminos Bildnis-Arie gesungen. Das Publikumbedachte alle Akteure mit viel Applaus. Mehr Fotos unter ww.idowa.de. Fotos: Ulli Scharrer

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