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1 Pädagogische Psychologie I Schwerpunkt «Lehren und Interesse» Prof. Dr. Catherine Walter-Laager 15. November 2012 Definition: Unterricht «Unterricht ist die planmässige Zusammenarbeit von Lehrenden und Lernenden an selbst- oder fremdgestellten Aufgaben zum Zwecke der Persönlichkeitsbildung und zum Aufbau von Sach-, Methoden- und Sozialkompetenz. Er ist zielorientiert. Er ist inhaltsbezogen. Er hat seinen eigenen zeitlichen Rhythmus. Er findet in verschiedenen Sozialformen statt. Er wird durch das didaktisch-methodische Handeln des Lehrers/der Lehrerin und der Schüler inszeniert und bedarf einer vorbereiteten Umgebung.» Meyer, 2007, S. 56 «Unter ‚Unterrichten‘ verstehen wir: Ein Mensch (genannt ‚Lehrer‘, ‚Dozent‘, ‚Leiter‘ u. ä.) versucht einer grösseren Gruppe anderer Menschen (Schüler, Studenten, Kursteilnehmer u. ä.) etwas beizubringen, was diese Menschen von sich aus und auf sich allein gestellt voraussichtlich nicht lernen würden.» Grell & Grell, 1991, S. 13 Definition: Unterricht

Päd psych Sitzung 8 Lehren Methoden Netzcommonweb.unifr.ch/artsdean/pub/gestens/f/as/files/4655/28547... · Prof. Dr. Catherine Walter-Laager 15. November 2012 Definition: Unterricht

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Pädagogische Psychologie I Schwerpunkt «Lehren und Interesse»

Prof. Dr. Catherine Walter-Laager 15. November 2012

Definition: Unterricht «Unterricht ist die planmässige Zusammenarbeit von Lehrenden und Lernenden an selbst- oder fremdgestellten Aufgaben zum Zwecke der Persönlichkeitsbildung und zum Aufbau von Sach-, Methoden- und Sozialkompetenz. n  Er ist zielorientiert. n  Er ist inhaltsbezogen. n  Er hat seinen eigenen zeitlichen Rhythmus. n  Er findet in verschiedenen Sozialformen statt. n  Er wird durch das didaktisch-methodische Handeln des

Lehrers/der Lehrerin und der Schüler inszeniert n  und bedarf einer vorbereiteten Umgebung.»

Meyer, 2007, S. 56

«Unter ‚Unterrichten‘ verstehen wir: Ein Mensch (genannt ‚Lehrer‘, ‚Dozent‘, ‚Leiter‘ u. ä.) versucht einer grösseren Gruppe anderer Menschen (Schüler, Studenten, Kursteilnehmer u. ä.) etwas beizubringen, was diese Menschen von sich aus und auf sich allein gestellt voraussichtlich nicht lernen würden.»

Grell & Grell, 1991, S. 13

Definition: Unterricht

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Walter & Fasseing, 2002

Steuerung durch Lehrperson

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1994

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Choreographien des Unterrichts

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Oberflächen und Tiefenstrukturen Auch beim Lehren existieren Oberflächen- und Tiefenstrukturen (à Konstruktivismus): n  Der Lehrer bereitet eine Schrittfolge vor n  Die Schülerinnen und Schüler machen jeweils eigen

Schrittfolgen n  Nicht jede Methode passt zu jedem Ziel n  Je nach Zielsetzung braucht es eine andere Schrittfolge

innerhalb der Methode

Adaption der Basismodelle (ein Beispiel)

Oser 1. Die Lernenden entdecken ein Hier-und-Jetzt Problem

in ihrem Erfahrungsbereich oder die Lehrenden vermitteln ein Problem, z.B. basierend auf Diskrepanzerlebnissen zwischen Erwartungen und Erfahrungen

2. Sie formulieren daraus ein Problem, bestehend

aus den Ausgangsbedingungen und einem angestrebten Ziel; die Mittel sind unbekannt

3. Die Lernenden machen Lösungsvorschläge;

allenfalls mehrere unterschiedliche Lösungswege 4. Prüfung, ob die vorgeschlagenen Lösungswege

bei den Ausgangsbedingungen zielführend sind.; wenn kein Lösungsweg zielführend ist: zurück zu Schritt 3. Wenn ein Lösungsweg oder mehrere Lösungswege zufriedenstellend zielführend ist oder sind, diese/n festhalten

5. Anwendung des Lösungswegs auf neue

Probleme des gleichen Typs, Analyse der Übertragbarkeit oder Verallgemeinerbarkeit es gewählten Lösungswegs, abstrakte Verallgemeinerung etc.

Alternative Einteilung

1.  Problem wahrnehmen 2.  Ausgangs- und Zielbedingung

bestimmen 3. Lösungswege erarbeiten 4.  Lösungswege testen 5. Lösungswege in neuen Feldern

anwenden

Oser & Baeriswyl, 2001

Adaption: Pfiffner & Walter-Laager, 2006

Basismodell 1: Lernen durch Eigenerfahrung

1. Konkretes Beispiel beobachten/wahrnehmen 2. Handeln vorentwerfen 3. An konkretem Beispiel handeln 4. Erste Erfahrungen reflektieren 5. Merkmale/zentrale Punkte generieren 6. In grössere Zusammenhänge einbetten

Oser & Baeriswyl, 2001 Adaption: Walter-Laager & Pfiffner, 2006

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Basismodell 2: Entwicklungsförderndes / strukturveränderndes Lernen

1. Verunsicherung der Lernenden in ihren Denkmustern, Disäquilibration von bestehenden Strukturen (hinsichtlich sozialer und/oder moralischer und/oder politischer und/oder religiöser Werte).

2. Allmähliches Auflösen der bestehenden kognitiven Struktur, Erkennen wichtiger neuer Elemente, Relativierung der bestehenden Position und Pendeln zwischen verschiedenen Meinungen, Lösungsansätzen und Begründungsweisen.

3 . Integration der neuen Elemente, Änderung von Wertigkeiten und Relationen, dadurch Transformation oder Abbau der alten Elemente.

4. Erprobung und Festigung der neuen Struktur durch deren Transfer auf andere Gebiete.

Oser & Baeriswyl, 2001

Basismodell 3: Problemlösen

1. Problem wahrnehmen 2. Ausgangs- und Zielbedingung bestimmen 3. Lösungswege erarbeiten 4. Lösungswege testen 5. Lösungswege in neuen Feldern anwenden

Oser & Baeriswyl, 2001 Adaption: Walter-Laager & Pfiffner, 2006

Basismodell 4: Begriffs- bzw. Konzeptbildung

1. Vorwissen/Erfahrungen aktivieren 2. Beispiel durcharbeiten 3. Grundsätze/Merkmale erfassen 4. Begriffe/Konzepte anwenden und mit verwandten

Begriffen vernetzen

Oser & Baeriswyl, 2001 Adaption: Walter-Laager & Pfiffner, 2006

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Basismodell 5: Betrachtendes Lernen

1. sich innerlich sammeln 2. Gegenstand wahrnehmen 3. Wahrnehmungen spontan interpretieren 4. tiefere/weitere Bedeutung suchen 5. Lebensbezüge herstellen

Oser & Baeriswyl, 2001

Adaption: Pfiffner & Walter-Laager, 2006

Basismodell 6: Strategien lernen

1. bisherige Strategien bewusst machen/bewerten 2. neue Strategie einführen 3. Strategie ausprobieren 4. Strategie evaluieren

Oser & Baeriswyl, 2001 Adaption: Walter-Laager & Pfiffner, 2006

Basismodell 7: Automatisierung von Fertigkeiten

1. Handlungsschritte ausprobieren 2. Handlungsablauf durchspielen 3. Handlungsablauf trainieren und variieren 4. sinnvolle Anwendungssituationen suchen

Oser & Baeriswyl, 2001 Adaption: Walter-Laager & Pfiffner, 2006

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Basismodell 8: Schöpferischer Ausdruck von Emotionen

1. Vorbereitungen treffen 2. Spannung/Emotion wahrnehmen 3. Energie kreativ ausdrücken

Oser & Baeriswyl, 2001 Adaption: Walter-Laager & Pfiffner, 2006

Basismodell 9: Sozialbeziehungen aufbauen

1. soziale Fertigkeiten anwenden 2. Anwendungsphase reflektieren 3. Soziale Fertigkeiten durch Beobachtung erweitern

Oser & Baeriswyl, 2001 Adaption: Walter-Laager & Pfiffner, 2006

Basismodell 10: Wert- und Identitätsaufbau

1. Problem und darauf bezogene Werthierarchien diskutieren

2. neue Werte einbeziehen 3. gemeinsame Werthierarchie und konkrete Regeln

definieren 4. Konsenslösung erproben

Oser & Baeriswyl, 2001 Adaption: Walter-Laager & Pfiffner, 2006

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Basismodell 11: Selbstständiges Lernen

1. Thema/Ziel wählen 2. sich eine Übersicht über mögliche Quellen

verschaffen 3. sich für eine Lernform entscheiden 4. Lernweg beschreiten 5. Lernweg und -ergebnis evaluieren

Oser & Baeriswyl, 2001 Adaption: Walter-Laager & Pfiffner, 2006

Basismodell 12: Verhandeln lernen

1. Verhandlungspunkte festlegen 2. Differenzen und Werte klären 3. Differenzen und Werte diskutieren 4. Konsenslösungen oder Kompromisse festlegen 5. Beschlossenes umsetzen

Oser & Baeriswyl, 2001 Adaption: Walter-Laager & Pfiffner, 2006

Basismodelle (Fritz Oser & Baeriswyl, 2001)

Oser & Baeriswyl, 2001

Adaption: Pfiffner & Walter-Laager, 2006

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Berufsfachsschule

Grundstufe

Volksschule Begriffs- und

Konzeptbildung

Aufbau von Fertigkeiten

Selbständiges Arbeiten

Einsatz verschiedener Basismodelle

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Interessenskonstrukt und Zusammenhänge zu den

Basismodellen

Definition: Interesse

n  Interesse bezieht sich auf eine relativ stabile Vorliebe bezüglich eines Sach- oder Gegenstandsbereichs

n  Interessierte erleben einen höheren Aktivierungsgrad

n  Interessierte verarbeiten die Inhalte tiefer und haben dabei noch Freude

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Interesse als sinnstiftender Umweltbezug: Verankerung der Persönlichkeit in der Umwelt, bestimmend für Persönlichkeitsentwicklung und Definition des Selbstkonzepts

Interesse an Tätigkeiten: Basis für Fertigkeiten

Interesse an Objekten/ Objektklassen: Basis für Erkenntnisse

Situativ/aktuell: (Neugier, Exploration) notwendig für Lernen Evolutionär, überlebenswichtig Aufforderungscharakter von Gegenständen

Überdauernd: Notwendig für Identität Sinnstiftend Basis für Beruf

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2008

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Merkmale der Person Psychischer Zustand der Person Individuelles Interesse

Merkmale der Lernumgebung

Interessantheit

Aktualisiertes Interesse

Situationales Interesse

Interesse an bzw. in einer Situation

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Interesse in Situationen messen: Engagiertheitsskala

Laevers, 1997

Interesse in Situationen messen: Engagiertheitsskala

n  Signale der Engagiertheit sind: ^  Konzentration ^  Energie ^  Komplexität, Vielschichtigkeit und Kreativität ^  Gesichtsausdruck und Körperhalten ^  Ausdauer ^  Genauigkeit ^  Reaktionsbereitschaft ^  Verbale Äusserungen ^  Zufriedenheit

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Interesse in Situationen messen: Engagiertheitsskala

n  Stufen der Engagiertheit sind: ^  Stufe 1: Keine Aktivität ^  Stufe 2: häufig unterbrochene Aktivität ^  Stufe 3: mehr oder weniger andauernde Aktivität ^  Stufe 4: Aktivität mit intensiven Momenten ^  Stufe 5: anhaltend intensive Aktivität

01 Lernen durch Entdecken 03 Problemlösen 04 Begriffs-/Konzeptbildung 06 Strategien lernen 07 Automatisierung von Fertigkeiten 08 Schöpferischer Ausdruck von Emotionen 09 Sozialbeziehungen aufbauen 10 Wert- und Identitätsaufbau 11 Selbständiges Lernen 12 Verhandeln lernen

Motivationsausprägungen: von -2 (Demotivation) bis +2 (Motivation) Mittelwerte bezogen auf die Basismodelle

Lernprozesse und Motivation bei Kindern

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01 Lernen durch Entdecken 03 Problemlösen 04 Begriffs-/Konzeptbildung 06 Strategien lernen 07 Automatisierung von Fertigkeiten 08 Schöpferischer Ausdruck von Emotionen 09 Sozialbeziehungen aufbauen 10 Wert- und Identitätsaufbau 11 Selbständiges Lernen 12 Verhandeln lernen

Motivationsausprägungen: von -2 (Demotivation) bis +2 (Motivation) Mittelwerte bezogen auf die Basismodelle

Lernprozesse und Motivation bei Kindern

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Motivation etwas allgemeiner

Interessenentwicklung: Mehrdimensionales Modell

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Interessenentwicklung: Theoretische Verlaufsmodelle

•  Wachstumsmodell

•  Kanalisierungsmodell

•  Überlappungsmodell

(Fink, 1992)

Modelle zum Zusammenhang von Lernen und Interessen (von Alexander, Jetton, Kullikowich (1995))

Interesse an Tätigkeit: Selbstbestimmungstheorie

n  Annahme: Lernen muss selber geleistet werden n  3 Bedingungen für erfolgreiches Lernen: ^  Kompetenzerleben, ^  soziale Eingebundenheit, ^  Autonomie

Wohlbefinden und Leistungsergebnisse hängen vom Grad der subjektiv wahrgenommenen Selbstbestimmung ab.

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Motivationsabstufungen: Qualitäten der Lernmotivation

Belohnung oder Bestrafung

… um sich nicht schämen zu müssen

als persönlich wertvoll anerkannt

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Aussagen von Jugendlichen zum Interesse

«Wenn es mich interessiert, dann arbeite ich auch besser und wenn es mich nicht interessiert, dann mache ich was Anderes.» (Fokusinterview männliche Berufslernende; Position 116).

«Die Information ist sicher gut, aber wir gehen manchmal ziemlich ins Detail. Aber alles was mit der Wirtschaft und dem Kulturwandel und mit unserer Firma zu tun hat. Was passiert, wenn der Dollar tief ist und solche Dinge, mit welchen wir zu tun haben und unsere Arbeit beeinflussen, das finde ich gut.» (Fokusinterview männliche Berufslernende; Position: 95 – 105)

Aussagen von Jugendlichen zum Interesse

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Bedingungsfelder der schulischen Interessensentwicklung

n  Inhaltliche Relevanz des Lernstoffes (z.B. Anwendungsbezüge, Realitätsnähe, Vernetzung…)

n  Instruktionsqualität (z.B. Handlungsorientierung, klare Struktur, Verständlichkeit…)

n  Inhaltliches Interesse beim Lehrenden (z.B. Engagement, Enthusiasmus, Ausdrücken von Empfindungen…)

n  Soziale Einbindung der Lernenden (z.B. kooperativer Umgang, entspannte Lernatmosphäre, Empathie…)

n  Kompetenzunterstützung (z.B. Rückmeldungen aus der Sache, individuelle Bezugsnom…)

n  Autonomieunterstützung (z.B. Wahlmöglichkeiten, Spielräume, selbständiges Erkunden…)

Prenzel & Schiefele, 2001

Interesse als Parameter für die Erlebensqualität

n  Jungen hatten in Mathe signifikant mehr Interesse als Mädchen, in Englisch war das Verhältnis genau umgekehrt.

n  Mathe interessierte allgemein weniger als andere Fächer

n  In allen vier Fächern korrelierte Interesse am höchsten mit Aktiviertheit, intrinsischer Motivation, Selbstwert und selbsteingeschätzter Fähigkeit.

n  Leistungsmotivation war ein viel schwächerer Prädiktor für die Erlebensqualität als das fachspezifische Interesse. (vgl. Schiefele, 1992, S.105ff.)

Entwicklung von fachlichen Interessen

n  Es zeigte sich kein Zusammenhang zwischen Entwicklungsaufgaben und Interessen

n  Die Intensität Eltern-Kind-Gesprächen hängt positiv mit der Interessensentwicklung zusammen

n  Der Einfluss von Freizeitinteressen hängt positiv mit dem schulischen Interesse zusammen (vgl. Daniels, 2008)

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Entwicklung von fachlichen Interessen

n  Eine positive Wahrnehmung der Unterrichtsmerkmale (Tempo und Strukturiertheit) wirkt sich auf die Interessensentwicklung positiv aus

n  Schülerinnen und Schüler die innerhalb der Klasse eine stärkere individuelle Bezugsnormorientierung erfuhren, verloren das Interesse weniger

n  Die diagnostische Kompetenz der Lehrkraft im Sozialbereich zeigen einen positiven Einfluss auf den Interessensverlauf (vgl. Daniels, 2008)

Zusammenhang zwischen Flow-Erleben und Leistung

Tabelle 1 zeigte bereits signifikante Korrelationenzwischen FAM-Faktoren und Flow-Erleben (r =.37 bis r = .58). Da die Faktoren der Eingangsmo-tivation z. T. aber interkorreliert sind, zeigt Tabelle3 die Ergebnisse der simultanen Regression dervier FAM-Faktoren auf das Flow-Erleben in derLernphase.

Insgesamt werden 41,4 % der Flow-Varianzüber die aktuelle Motivation vor dieser Stundeaufgeklärt. Hypothese 3 ist damit bestätigt. Eszeigt sich allerdings, dass in Untersuchung I nurdie Faktoren Interesse (! = .34, p < .05) und He-rausforderung (! = .31, p < .05) signifikante Bei-träge zur Varianzaufklärung leisten.

Hypothese 4. Hierzu hatten wir erwartet, dass sichdie aktuelle Motivation über allgemeinere Motiva-tionsmerkmale der Person vorhersagen lässt. Alshier relevantes allgemeines Merkmal hatten wirdie Teilnahmemotivation zu Kursbeginn erfasst.Wie Tabelle 1 zeigt, ist der Faktor «Karrierenut-zen» gänzlich ohne Einfluss. Er ist weder förder-lich noch hinderlich für Motivation, Flow-Erlebenund Leistung. Das ist anders bei dem Faktor«Freude an Sprache und Lernen». Dieser Faktorder Teilnahmemotivation korreliert signifikant mitdem aktuellen Interesse (r = .68, p < .01) und deraktuellen Herausforderung (r = .28, p < .05) zuBeginn der untersuchten Unterrichtsstunden. Hy-pothese 4 gilt damit als bestätigt.

Hypothese 5. Diese Hypothese vereint die einzel-

nen Analyseschritte zu einer Zusammenhangs-struktur. Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse einerentsprechenden Pfadanalyse.

Die Modellanpassung ist mäßig, aber noch ak-zeptabel (GFI = .90, CFI = .94, RMSEA = .086).Die Abweichung von der vorhergesagten Modell-struktur ist erwartungsgemäß nicht signifikant,"!(14) = 18.90, p = .17. Wir betrachten damit dieseStruktur als nicht widerlegt.

Wie nach den Einzelanalysen nicht anders zuerwarten, hat die Fremdsprachenkompetenz einendirekten Effekt auf die Kurszensur. Daneben sehenwir einen Pfad, der von der anfänglichen Teilnah-memotivation über die aktuelle Motivation vor derUnterrichtsstunde zum Flow-Erleben in der Lern-phase führt, wobei Flow wiederum beide Leis-tungskriterien vorhersagt.

3.3 Diskussion

Mit einer Untersuchung im Verlauf eines Semes-ters wurden Hypothesen zum Zusammenhang vonMotivation, Flow-Erleben und Lernleistung ge-prüft, die aus dem kognitiv-motivationalen Pro-zessmodell des Lernens (Rheinberg et al., 2000;Vollmeyer & Rheinberg, 1998) abzuleiten waren.Bemerkenswerterweise war Flow-Erleben die ein-zige Variable, die beide Leistungskriterien dieserUntersuchung vorhersagen konnte. Wie erwartet,hing dieses Flow-Erleben von der aktuellen Moti-vation ab und die wieder von relevanten motiva-tionalen Eingangsmerkmalen der Studierenden.

Abbildung 1. Pfaddiagramm zurBeziehungsstruktur zwischen Kom-petenz, Motivation und Flow-Erle-ben auf Lernleistung in universitä-ren Fremdsprachenkursen.

S. Engeser et al.: Motivation, Flow und Lernleistung 165

ZfPP 19 (3) 2005, © Verlag Hans Huber, Bern

Einschätzung von fachlichen Interessen

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n  Brühwiler Herbert (1994) Methoden der ganzheitlichen Jugend- und Erwachsenenbildung. Leske + Budrich Verlag.

n  Daniels Zoe (2008). Entwicklung schulischer Interessen im Jugendalter. Münster; New York; München; Berlin: Waxmann.

n  Engeser Stefan, Rheinberg Falko, Vollmeyer Regina und Bischoff Jutta (2005). Motivation, Flow-Erleben und Lernleistung in universitären Lernsettings. In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 19 (3), 2005 (S. 159-172).

n  Fink Benedykt (1992). Interessenentwicklung im Kindesalter aus der Sicht einer Person-Gegenstands-Konzeption. In: Andreas Krapp & Manfred Prenzel (Hrsg.) Interesse, Lernen, Leistung. Neuere Ansätze der pädagogisch-psychologischen Interessenforschung. Münster: Aschendorff.

n  Grell Jochen, Grell Monika (1991): Unterrichtsrezepte. Weinheim; Basel: Beltz.

n  Holodynski Manfred & Oerter Rolf (2008). Tätigkeitsregulation und die Entwicklung von Motivation, Emotion, Volition. In: Rolf Oerter & Leo Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie. Weinheim; Basel: Beltz (S. 535-571).

Literatur

Literatur n  Karing Karin (2009). Diagnostische Kompetenz von Grundschul- und

Gymnasiallehrkräften im Leistungsbereich und im Bereich Interessen. In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 23 (3-4), 2009 (S. 197-209).

n  Meyer, Hilbert (2007). Leitfaden Unterrichtsvorbereitung. Berlin: Cornelson Scriptor.

n  Meyer Hilbert & Walter-Laager Catherine (2012). Leitfaden für Lehrende in der Elementarpädagogik. Berlin: Cornelsen.

n  Oser Fritz & Baeriswyl Franz (2001). Choreographies of Teaching. Bridging Instruction to Learning. In: Richardson V. (Hrsg.) Handbook of Research on Teaching. Washington: American Educational Research Association (S. 1031-1065).

n  Schiefele Ulrich (1992). Interesse und Qualität des Erlebens im Unterricht. In: Andreas Krapp & Manfred Prenzel (Hrsg.): Interesse, Lernen, Leistung. Neuere Ansätze der pädagogischen-psychologischen Interessensforschung. Münster: Aschendorff.

n  Walter Catherine & Fasseing Karin (2002). Kindergarten – Grundlagen aktueller Kindergartendidaktik. Winterthur: ProKiga