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Paläoklima Perspektiven von der Seidenstraße: Eine Feld Kampagne im Süden von Tadschikistan Kristina Reetz 1,2 Aditi K Dave 2 Alexandra Engström Johansson 2 Laurent Marquer 2 Charlotte Prud’homme 2 Giancarlo Scardia 3 Nosir Safaraliev 4 Kathryn E Fitzsimmons 2 1 Institut für Geographie, Johannes Gutenberg Universität Mainz, Mainz, Deutschland 2 Forschungsgruppe für Terrestrische Paläoklimata, Max Planck Institut für Chemie, Mainz, Deutschland 3 Instituto de Geociências e Ciências Exatas, Universidade Estadual Paulista (UNESP), Rio Claro, Brasilien 4 Institut für Geowissenschaften, Tadschikische National Universität, Dushanbe, Tadschikistan Der zunehmende unvorhersehbare Einfluss des zukünftigen Klimas auf unseren Lebensraum – der Einfluss auf den Boden auf dem wir unsere Nahrung anbauen, der Einfluss auf unsere Wasservorräte, unsere Ökosysteme – ist ebenso wenig verstanden wie unsere Modelle für das zukünftige Klima an sich. Als Wissenschaftler können wir jedoch zustimmen, dass das Klima und die Umweltbedingungen für abgelegene Regionen, wie z.B. Randgebiete von Wüsten, in Zukunft zunehmend instabil werden und nicht mehr in der Lage sein werden die menschliche Bevölkerung aufrechtzuerhalten (IPCC, 2018). Seitdem rund 50 % der Kontinentalen Landmasse von Wüsten eingenommen sind und diese Lebensraum für 40 % der Weltbevölkerung sind, könnte die zunehmende Instabilität von Wüstenrandgebieten

Paläoklima Perspektiven von der Seidenstraße: Eine Feld ... · Zeit, um die Hauptstadt Dushanbe auf touristischen Wegen zu erkunden (Abbildung 5). Diejenigen von uns, die organisatorisch

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Paläoklima Perspektiven von der Seidenstraße: Eine Feld

Kampagne im Süden von Tadschikistan

Kristina Reetz1,2

Aditi K Dave2

Alexandra Engström Johansson2

Laurent Marquer2

Charlotte Prud’homme2

Giancarlo Scardia3

Nosir Safaraliev4

Kathryn E Fitzsimmons2

1 Institut für Geographie, Johannes Gutenberg Universität Mainz, Mainz, Deutschland

2 Forschungsgruppe für Terrestrische Paläoklimata, Max Planck Institut für Chemie, Mainz,

Deutschland

3 Instituto de Geociências e Ciências Exatas, Universidade Estadual Paulista (UNESP), Rio

Claro, Brasilien

4 Institut für Geowissenschaften, Tadschikische National Universität, Dushanbe,

Tadschikistan

Der zunehmende unvorhersehbare Einfluss des zukünftigen Klimas auf unseren

Lebensraum – der Einfluss auf den Boden auf dem wir unsere Nahrung anbauen, der

Einfluss auf unsere Wasservorräte, unsere Ökosysteme – ist ebenso wenig

verstanden wie unsere Modelle für das zukünftige Klima an sich. Als Wissenschaftler

können wir jedoch zustimmen, dass das Klima und die Umweltbedingungen für

abgelegene Regionen, wie z.B. Randgebiete von Wüsten, in Zukunft zunehmend

instabil werden und nicht mehr in der Lage sein werden die menschliche Bevölkerung

aufrechtzuerhalten (IPCC, 2018). Seitdem rund 50 % der Kontinentalen Landmasse

von Wüsten eingenommen sind und diese Lebensraum für 40 % der

Weltbevölkerung sind, könnte die zunehmende Instabilität von Wüstenrandgebieten

in Zukunft zu einem Hauptanliegen werden (Huang et al., 2016). Unsere

Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Chemie konzentriert sich auf die

Verbesserung unseres Verständnisses der Klimadynamik entlang der Wüsten

Ränder Zentralasiens – dem Kern der Seidenstraße – durch hochauflösende

quantitative – Langzeit Paläoklima Aufzeichnungen. Diese Aufzeichnungen werden

untermauert durch robuste Altersmodelle, und unterstützt durch ein verbessertes

Verständnis von terrestrischen geomorphologischen Prozessen, die charakteristische

Sedimenteigenschaften mit klimatischem Einfluss verknüpfen.

Unsere Arbeit konzentriert sich hauptsächlich auf von Wind angewehten Staub: Löss.

Lange Sequenzen von primären Löss Ablagerungen und von Löss bedeckte Böden

der semi-ariden Piedmont Zentralasiens reflektieren die Reaktionen auf vergangene

Klimaveränderungen der letzten Millionen Jahre (Ding et al., 2002). Die

beträchtlichen Lössablagerungen Zentralasiens sind besonders sensitiv für das

Zwischenspiel zwischen den großen Klima Treibern, nähmlich dem Nord Atlantischen

Westwinddrift, der Polarfront und dem asiatischen Monsun (Fitzsimmons et al., 2018;

Machalett et al., 2008). Die anhaltende Orogenese der großen asiatischen Gebirge

(unter anderem Himalaya, Pamir und Tien Shan) hat das Klima des

Zentralasiatischen Beckens im Norden im Laufe der Zeit beeinflusst, was zu einer

Austrocknung und Kontinentalität geführt hat (Caves et al., 2016). Der Nachweis

dieser wechselnden Bedingungen und der Wechselwirkungen mit diesen Einflüssen

bleibt in den Lößsedimenten erhalten (Abbildung 1).

Dieses Jahr haben wir eine ambitionierte Kampagne unternommen, um kontinuierlich

eine mehr als 100 m mächtige Löss Sequenz in Karamaidan, angeschmiegt an die

Ausläufer des Pamirs, im Süden Tadschikistans zu beproben (Abbildung 1). An

dieser sechs-wöchigen Expedition – eine Kooperation mit der Tadschikischen

National Universität in der Hauptstadt Dushanbe – nahmen 17 Wissenschaftler aus

10 Nationen, ein professioneller Bergführer, und zahlreiche örtliche Hilfskräfte teil.

Nach dem Ramadanfest begann die Expedition in der heißesten und staubigsten Zeit

des Jahres mit Tagestemperaturen über 40 °C. Erfreulicherweise ist diese Zeit aber

auch die Zeit der reifen Aprikosen, Melonen und Pfirsiche, von denen wir Unmengen

gegessen haben.

Das Karamaidan-Löss-Profil wurde durch eine Reihe von Erdrutschen geschaffen,

die in den Jahren 1930 und 1943 durch mehrere flache Erdbeben der Stärke >5,7 in

der Region ausgelöst wurden. Das gesamte Profil ist als senkrechte Klippe freigelegt,

die einen etwa 500 m breiten Nord-Süd-Bogen bildet (Abbildung 2). Angesichts der

Mächtigkeit der Sequenz von mehr als 100 m bedeutete dies, dass die Probenahme

nur durch Abseilen erfolgen konnte (daher ist ein professioneller Bergsteiger

erforderlich! Sicherheit geht vor! Abbildungen 3, 4). Das vollständige Profil ist am

besten am nördlichen Ende freigelegt, die oberen Teile dagegen am besten am

südlichen Ende. Diese können über die gesamte Klippe sichtbar miteinander

korreliert werden. Wir haben uns daher für vier teilweise überlappende

Unterabschnitte für die Probennahme entschieden, welche auf die lokalen Zonen mit

den höchsten Akkumulationsraten abzielen und somit die zeitliche Auflösung unserer

Aufzeichnung verbessern würden.

Wie wir feststellen mussten, ist arbeiten in Tadschikistan mit einem erheblichen

bürokratischen Aufwand verbunden. Aus diesem Grund hatten wir fast eine Woche

Zeit, um die Hauptstadt Dushanbe auf touristischen Wegen zu erkunden (Abbildung

5). Diejenigen von uns, die organisatorisch tätig waren, waren damit beschäftigt,

Genehmigungen einzuholen, Lebensmittel und Ausrüstung für das Feldlager zu

kaufen und die tadschikische Gastfreundschaft verschiedener

Universitätsangehöriger zu genießen. Gastfreundschaft ist in Tadschikistan ein

wichtiger kultureller Bestandteil. Es ist eine Frage des besonderen Nationalstolzes,

für den sich Land und Leute auszeichnen. Zeit für einen Tee nimmt man sich als

Besucher gerne.

Schließlich gelangte jedoch nach Zeit des Organisierens unser Konvoi aus Lada

Nivas und ein Lastwagen (überladen mit Melonen und Kletterseil) ostwärts von

Dushanbe durch das Rasht-Tal. Die gewöhnliche Straße wurde aufgrund der

jüngsten Erdrutsche - in dieser tektonisch aktiven, von Löss beherrschten Region

eine Gefahr - sodass wir auf eine alternative Route ausweichen mussten die nur

dank der ausgesprochen großartigen Fahrkünste der tadschikischen Fahrer befahren

werden konnte. An mehreren Stellen mussten wir aus den Fahrzeugen aussteigen

und etwas von der Ladung abladen, um einen besonders schmalen und steilen Hang

oder eine Rinne hinauf zu gelangen. Nicht, dass uns das zu sehr beunruhigte, denn

Maulbeeren waren reif und wir konnten während des Wartens Nervennahrung

naschen. Trotzdem waren dann doch alle erleichtert den Ort für unser Feldlager, am

Fuß des Profils, erreicht zu haben und die Gastfreundschaft der einheimischen

Familie genießen zu können. Daraufhin folgten angeregte Diskussionen darüber, wer

den schattigsten Platz für sein Zelt erhalten würde. Diejenigen, die das Glück hatten

einen Schattenplatz ergattert zu haben, wurden später von Birnen und Walnüssen

belohnt, die während der Nacht auf die Zelte fielen.

Am nächsten Morgen standen wir vor der nicht unerheblichen Aufgabe, tatsächlich

nach oben auf die Klippe zu gelangen und vom Fuß des Profils wieder zurück zu

kommen. Lössböden sind besonders Nährstoffreich und die einheimische Vegetation

ist dicht (manche sagen sogar undurchdringlich) und sind mit Stechpflanzen, Wespen

und Schlangen bevölkert. Unsere erste Aufgabe bestand daher darin, die Wege

durch diesen Dschungel zu bahnen und dabei Gefahren zu minimieren. Danach kam

die wichtigste Angelegenheit, die Seile für die Abseilseile zu fixieren, gefolgt von der

kraftzehrenden Reinigung der Profile, um sicherzustellen, dass unsere Proben nicht

durch kürzlich abgelagerten Staub verunreinigt werden.

Nachdem einige Tage damit verbracht worden waren, die stratigraphischen

Sequenzen detailliiert zu protokollieren und die magnetische Suszeptibilität in situ zu

messen, begann die Beprobung den Profilen. Das Ziel bestand darin, eine

durchgehende Beprobung der teilweise überlappenden Abschnitte durchzuführen.

Bei einer Auflösung von 10 cm gesammelten Proben werden auf Lipid- und

Bakterienbiomarker, Korngröße und Paläomagnetismus, Pollen- und

Phytolithenanordnungen, sowie stabile Isotopenanalysen von Regenwurm-Calcit-

Granulat untersucht (Prud’homme et al., 2016; 2018). Diese Proxys geben uns

quantitative Informationen über vergangene Klimaparameter und werden innerhalb

eines chronologischen Rahmens unter Verwendung von Lumineszenz,

Elektronenspinresonanz, Radiokarbon und paläomagnetischer Datierung

angeordnet, die bei einer Frequenz von 50 cm gesammelt werden. Nach unserer 6-

wöchigen Kampagne kehrten wir mit über 700 kg Proben zurück, die in speziell

angefertigte Holzkisten verpackt waren (deren Preis natürlich auf dem Basar

ausgehandelt wurde) zusammen mit dem Optimismus, fantastische Wissenschaft zu

erzeugen!

Caves, J.K., Moragne, D.Y., Ibarra, D.E., Bayshashov, B.U., Gao, Y., Jones, M.M.,

Zhamangara, A., Arzhannikova, A.V., Arzhannikov, S.G., Chamberlain, C.P. (2016)

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Fitzsimmons, K.E., Sprafke, T. Zielhofer, C., Guenter, C., Deom, J.-M., Sala, R.,

Iovita, R. (2018) Loess accumulation in the Tian Shan piedmont: implications for

palaeoenvironmental change in arid Central Asia. Quaternary International 469, 30-

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Huang, J., Yu, H., Guan, X., Wang, G., Guo, R. (2015) Accelerated dryland

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Prud’homme, C., Lecuyer, C., Antoine, P., Moine, O., Hatte, C., Fourel., F.,

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Last Glacial from δ18O of earthworm calcite granules from Nussloch loess sequence,

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Abbildung 1: (Links) Klimatischer Kontext des kontinentalen Zentralasiens mit den drei wichtigsten Standorten, an denen wir arbeiten. Karamaidan ist der westlichste Ort im Piemont der Pamir-Berge in Tadschikistan. (Rechts) Die über 100 m dicke Sedimentpackung in Karamaidan bewahrt gestapelte Zyklen von Primärlöß und vergrabenen Böden auf interglazial-glazialen Zeitskalen. Bildnachweis: Kathryn Fitzsimmons.

Abbildung 2: Eine glückliche Crew nach fünfwöchiger Feldarbeit in Karamaidan; Die Hauptsequenz ist im Hintergrund zu sehen. Bildnachweis: Maike Nowatzki.

Abbildung 3: Geochronologie-Doktorandin Aditi Dave, der es in 64 m Höhe staubig wird. Bildnachweis: Kathryn Fitzsimmons.

Abbildung 4: Paläoökologe Laurent Marquer und Geochemie-Doktorandin Alexandra Engström Johansson diskutieren, wo Proben genommen werden können. Die Felder und Wälder liegen etwa 100 m unterhalb. Bildnachweis: Kathryn Fitzsimmons.

Abbildung 5: Ein wenig Tourismus am goldenen Bogen von Ismail Somoni in Dushanbe. Bildnachweis: Maike Nowatzki.