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im Bistum Limburg pax christi Ausgabe 3 / 2014 • September 2014 Internationale Katholische Friedensbewegung Liebe Leserin, lieber Leser! Frauen, Männer, alte Menschen, Kinder sind auf der Flucht vor gnadenlosen, fana- tischen IS-Kämpfern. Sie flüchten in die Berge, die grausamen Verfolger sind ih- nen dicht auf den Fersen. Hitze, Durst und Hunger tun ein Übriges. Viele können durch den Kampfeinsatz mutiger KurdIn- nen vorläufig gerettet werden. Soll man nun an diese KurdInnen Waffen liefern, damit sie dem Vormarsch der IS-Kämpfer etwas entgegenzusetzen haben? (Die Waffen gehen an die nordirakischen Peschmerga, gerettet wurden die Jesiden allerdings von syrischen KurdInnen, die zur PKK gehören! Doch darüber spricht man nicht so gerne.) Viele, von denen ich es nicht erwartet hät- te, sagen Ja! »Die Flüchtenden seien nicht mit Zelten und Decken gerettet worden.« Eine Ausnahme müsse gemacht werden. Wie so oft scheinen Waffen die einzige Antwort zu sein – andere Problemlösungen nicht in Sicht. Schon seit der Durchschla- gung des Gordischen Knotens ist Waffen- gewalt eine unmittelbare Handlungsper- spektive. Sie befreit von der Berücksichti- gung komplexer Zusammenhänge, vom Gefühl der Ohnmacht und vermittelt den Eindruck von Handlungsstärke und En- gagement. Es ist ein Prinzip, das uns seit Jahrzehnten jeder Hollywood-Western vermittelt – in scheinbar aussichtsloser Si- tuation feuert John Wayne seinen Revol- ver ab und die Kavallerie reitet heran! Und wenn der Abspann läuft, ist schnell ver- gessen, dass mit der Durchschlagung des Gordischen Knotens halt das Seil kaputt ist und einige Bösewichte beseitigt, das Problem aber keinesfalls gelöst ist. Birgit Wehner Vorsitzende von pax christi im Bistum Limburg Amnesty International sowie Friedens-, Flücht- lings- und Solidaritätsorganisationen kriti- sierten die Preisvergabe, weil die EU »durch Abschottung ihrer Grenzen, durch umfang- reiche Rüstungsexporte und durch unge- rechte Handelsbeziehungen mit den Ländern des Südens Menschen in Not bringt«. Mehr noch als diese völlig berechtigte Kritik am Verhalten der EU nach außen sollte die politisch Verantwortlichen in Brüssel und in den Hauptstädten der Mitgliedsländer das massive Unbehagen an den inneren Zustän- den Europas beunruhigen. Die weit überwie- gende Mehrheit aller Reaktionen auf den Friedensnobelpreis in Leserbriefen, Blogs Europa – ein Erfolgsmodell? Als die Europäische Union 2012 den Friedensnobelpreis erhielt, sonnten sich die EU-Kom- mission und die Regierungen der Mitgliedsstaaten in selbstgefälligem Eigenlob. Doch an- derswo überwog die Kritik an der Auszeichnung. »Die EU ist eindeutig kein Vorkämpfer für den Frieden, wie dies der Preisstifter Alfred Nobel in seinem Testament festgelegt hat«, erklärten die drei früheren Preisträger Desmond Tutu (Südafrika), Adolfo Pérez Esquivel (Argentinien) und Mairead Maguire (Nordirland) in einem offenen Brief an die Stockhol- mer Nobel-Stiftung. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten strebten »nicht nach der Verwirkli- chung von Nobels globaler Friedensordnung ohne Militär, sondern gründen kollektive Sicherheit mehr auf militärischen Zwang und die Durchführung von Kriegen als auf die Notwendigkeit eines alternativen Herangehens«. oder Online-Foren fiel negativ aus. Auf ZEIT ONLINE etwa kritisierten fast 90 Prozent wahlweise die »Abgehobenheit der EU-Politi- kerkaste«, das »Demokratie- und Transparenz- defizit in der EU« oder die »Brüsseler Spar- diktate«. Diese im Wesentlichen von der deutschen Bundesregierung durchgesetzten Spardiktate und ihre verheerenden Folgen für Südeuropa und jetzt auch Frankreich wer- den nicht nur von linken Parteien und Gewerk- schaften kritisiert. In fast allen EU-Staaten haben sie zu einem Aufschwung rechtspo- pulistischer, völkisch-nationalistischer oder gar offen pro-faschistischer Parteien beige- tragen. Bei allen spezifischen Unterschieden eint diese Parteien eine weitgehende Absa-

pax christibarem Schrecken und Leid geprägt und be-stimmten das ganze 20. Jahrhundert. Fast könnte man meinen, dunkle Mächte hätten sich verschworen, den hundertsten Jahrestag

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  • im Bistum Limburgpax christi

    Ausgabe 3 / 2014 • September 2014Internationale Katholische Friedensbewegung

    Liebe Leserin, lieber Leser!

    Frauen, Männer, alte Menschen, Kinder sind auf der Flucht vor gnadenlosen, fana-tischen IS-Kämpfern. Sie flüchten in die Berge, die grausamen Verfolger sind ih-nen dicht auf den Fersen. Hitze, Durst und Hunger tun ein Übriges. Viele können durch den Kampfeinsatz mutiger KurdIn-nen vorläufig gerettet werden. Soll man nun an diese KurdInnen Waffen liefern, damit sie dem Vormarsch der IS-Kämpfer etwas entgegenzusetzen haben? (Die Waffen gehen an die nordirakischen Peschmerga, gerettet wurden die Jesiden allerdings von syrischen KurdInnen, die zur PKK gehören! Doch darüber spricht man nicht so gerne.)

    Viele, von denen ich es nicht erwartet hät-te, sagen Ja! »Die Flüchtenden seien nicht mit Zelten und Decken gerettet worden.« Eine Ausnahme müsse gemacht werden. Wie so oft scheinen Waffen die einzige Antwort zu sein – andere Problemlösungen nicht in Sicht. Schon seit der Durchschla-gung des Gordischen Knotens ist Waffen-gewalt eine unmittelbare Handlungsper-spektive. Sie befreit von der Berücksichti-gung komplexer Zusammenhänge, vom Gefühl der Ohnmacht und vermittelt den Eindruck von Handlungsstärke und En-gagement. Es ist ein Prinzip, das uns seit Jahrzehnten jeder Holly wood-Western vermittelt – in scheinbar aus sichtsloser Si-tuation feuert John Wayne seinen Revol-ver ab und die Kavallerie reitet heran! Und wenn der Abspann läuft, ist schnell ver-gessen, dass mit der Durchschlagung des Gordischen Knotens halt das Seil kaputt ist und einige Bösewichte beseitigt, das Problem aber keinesfalls gelöst ist.

    Birgit WehnerVorsitzende von pax christi im Bistum Limburg

    Amnesty International sowie Friedens-, Flücht-lings- und Solidaritätsorganisationen kriti-sierten die Preisvergabe, weil die EU »durch Abschottung ihrer Grenzen, durch umfang-reiche Rüstungsexporte und durch unge-rechte Handelsbeziehungen mit den Ländern des Südens Menschen in Not bringt«.

    Mehr noch als diese völlig berechtigte Kritik am Verhalten der EU nach außen sollte die politisch Verantwortlichen in Brüssel und in den Hauptstädten der Mitgliedsländer das massive Unbehagen an den inneren Zustän-den Europas beunruhigen. Die weit überwie-gende Mehrheit aller Reaktionen auf den Friedensnobelpreis in Leserbriefen, Blogs

    Europa – ein Erfolgsmodell?

    Als die Europäische Union 2012 den Friedensnobelpreis erhielt, sonnten sich die EU-Kom-mission und die Regierungen der Mitgliedsstaaten in selbstgefälligem Eigenlob. Doch an-derswo überwog die Kritik an der Auszeichnung. »Die EU ist eindeutig kein Vorkämpfer für den Frieden, wie dies der Preisstifter Alfred Nobel in seinem Testament festgelegt hat«, erklärten die drei früheren Preisträger Desmond Tutu (Südafrika), Adolfo Pérez Esquivel (Argentinien) und Mairead Maguire (Nordirland) in einem offenen Brief an die Stockhol-mer Nobel-Stiftung. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten strebten »nicht nach der Verwirkli-chung von Nobels globaler Friedensordnung ohne Militär, sondern gründen kollektive Sicherheit mehr auf militärischen Zwang und die Durchführung von Kriegen als auf die Notwendigkeit eines alternativen Herangehens«.

    oder Online-Foren fiel negativ aus. Auf ZEIT ONLINE etwa kritisierten fast 90 Prozent wahlweise die »Abgehobenheit der EU-Politi-kerkaste«, das »Demokratie- und Transparenz-defizit in der EU« oder die »Brüsseler Spar-diktate«. Diese im Wesentlichen von der deutschen Bundesregierung durchgesetzten Spardiktate und ihre verheerenden Folgen für Südeuropa und jetzt auch Frankreich wer-den nicht nur von linken Parteien und Gewerk-schaften kritisiert. In fast allen EU-Staaten haben sie zu einem Aufschwung rechtspo-pulistischer, völkisch-nationalistischer oder gar offen pro-faschistischer Parteien beige-tragen. Bei allen spezifischen Unterschieden eint diese Parteien eine weitgehende Absa-

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    Leitartikel

    ge an das »Erfolgsmodell Europa« und an die bis heute im Rahmen der EU erreichte poli-tische und wirtschaftliche Integration. Die Forderung dieser Parteien nach »Renationa-lisierung« der Politik geht zumeist einher mit Intoleranz, rassistischer Propaganda oder gar offenem Hass und gewaltsamen Übergriffen gegen Ausländer, Roma und Sinti, Homo sex-uelle, Muslime, Juden und andere missliebige Minderheiten.

    Die zunehmende wirtschaftliche Krise in der EU spielt zudem den Autonomie- und Ab-spaltungsbestrebungen regionaler Bevölke-rungsgruppen in die Hände. Sie fühlen sich von ihrer nationalen Regierung und / oder der EU benachteiligt und bevormundet. Am Tag vor Redaktionsschluss dieses Artikels Anfang September sagten Umfragen erst-mals einen Sieg der schottischen Nationa-listen beim für Ende des Monats angesetzten

    Am 16. September wurde in der Paulskirche in Frankfurt am Main die Ausstellung »Frieden geht anders!« des Zentrum Ökume der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau eröffnet. Unsere langjähriger Kooperationspartner in der friedenspolitischen Arbeit zeigt mit dieser Wanderausstellung anhand von Beispielen aus unterschiedlichen Weltreligionen auf, dass Kriege und Bürgerkriege erfolgreich mit zivilen, gewaltfreien Mitteln verhindert oder be-endet werden können. Die Wanderausstellung, die noch bis zum 28. 9. 2014 täglich in der Zeit von 10 Uhr bis 17 Uhr in der Paulskirche zu sehen sein wird, kann gebucht werden über Zentrum Ökumene, Wolfgang Buff, Praunheimer Landstraße 206, 60488 Frankfurt am Main, Telefon: 0 69 97 65 18-58, E-Mail: [email protected]

    Referendum über eine Abspaltung von Groß-britannien voraus. Spaniens reichste Provinz Katalonien forciert ihre Bestrebungen nach Steuer- und Finanzautonomie. Sie will gerin-gere Ausgleichszahlungen für ärmere Pro-vinzen an die Zentralregierung in Madrid ab-führen.

    Das Misstrauen gegenüber Brüssel wächstDie von der Brüsseler Kommission seit zwei Jahren hoch geheim, aber vorgeblich im Na-men aller 500 Millionen EU-BürgerInnen ge-führten Verhandlungen über Freihandelsab-kommen mit den USA und Kanada (TTIP und CETA) sowie über eine weitere Deregulierung von Dienstleistungen (TISA) haben das Miss-trauen gegenüber der EU auf der politischen Linken wie der Rechten weiter verstärkt. Nicht förderlich für das Ansehen der EU ist auch der Umstand, dass ihre Mitglieds-staaten, die zu 90 Prozent ja auch der NATO

    angehören, die Ausdehnung der Militäralli-anz gen Ost mitbetrieben haben. Bis heute sind sie nicht willens oder nicht in der Lage, auf dem gemeinsamen eurasischen Konti-nent mit Russland einen gedeihlichen Inte-ressenausgleich zur Ukraine zu finden.

    Beschworen wird das »Friedensprojekt« und das »Erfolgsmodell« Europa häufig unter Verweis auf die deutsch-französische Ver-söhnung, die Konrad Adenauer und Robert Schuman vor über 60 Jahren einleiteten und dabei mit der Verzahnung der Kohle- und Stahlindustrien den Grundstein für die heu-tige EU legten. »Diese Versöhnung ist das wohl dramatischste Beispiel der Geschichte dafür, dass Krieg und Konflikt sich in kurzer Zeit in Frieden und Zusammenarbeit verwan-deln können«, begründete auch das Nobel-komitee vor zwei Jahren seine Preisverlei-hung an die EU. Doch mit dieser Versöh-nungsgeschichte und den Namen Adenauer und Schuman können die heute 18- bis 25- Jährigen nichts mehr anfangen. Sie wissen zumeist sogar nichts mehr über die Balkan-kriege der 1990er Jahre, den ersten gravie-renden »Betriebsunfall« im »Friedenspro-jekt« Europa. Dieser »Betriebsunfall« führte erstmals seit 1945 zur Veränderung von Gren-zen in Europa ohne Einvernehmen aller be-troffenen Seiten, der NATO-Luftkrieg 1999 dann zur Abspaltung des Kosovo von Serbien. Auf den Präzedenzfall Kosovo berufen sich nicht nur die bosnischen Serben mit ihrem Abspaltungswunsch von Bosnien-Herzego-wina, sondern auch die russischstämmigen Separatisten in der Ostukraine. In Ungarn erheben nationalistische Kräfte bis hinein in die Regierungsparteien immer unverhohle-ner die Forderung nach einem »Großungarn« unter Einschluss der von ungarischen Min-derheiten besiedelten Gebiete in diversen Nachbarstaaten. In Sachsen zogen Anfang September mit dem Wahlerfolg der »Alter-native für Deutschland« (AFD) Abgeordnete in den Landtag ein, die eine »Wiederherstel-lung Deutschlands in den Grenzen von 1937« anstreben. Werden sich Deutschland und Frankreich in 20, 30 Jahren vielleicht erneut über Elsass-Lothringen streiten? Selbst das ist nicht mehr auszuschließen, wenn die EU ihre verfehlte Politik nicht grundlegend än-dert und es ihr nicht gelingt, den Menschen den Sinn und die Vorteile der europäischen Einigung wieder bewusst zu machen. n

    Andreas ZumachAndreas Zumach ist freier Journalist bei der

    UN in Genf und Korrespondent für die taz

    links: Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Dr. Volker Jung, im Gespräch mit jungen Ausstellungsbesucherinnen

    Ausstellungseröffnung

    EKHN zeigt Alternativen zu Militäreinsätzen

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    Spiritueller Impuls

    Vor hundert Jahren begann der Erste Welt-krieg. Sein Ausmaß an Gewalt und Massen-sterben war für diejenigen, die ihn zum Teil begeistert begrüßten, noch völlig unabseh-bar. Seine Folgen waren von unausdenk-barem Schrecken und Leid geprägt und be-stimmten das ganze 20. Jahrhundert. Fast könnte man meinen, dunkle Mächte hätten sich verschworen, den hundertsten Jahrestag dieses Krieges zum Anlass zu nehmen, der Welt von Neuem die Macht und Wucht krie-gerischer Gewalt vor Augen zu führen.

    Der Bruch des Völkerrechts durch die Anne-xion der Halbinsel Krim und die gefährliche Eskalation im Osten der Ukraine, die andau-ernden gewalttätigen Konflikte in Afghani-stan, in Pakistan und in der Demokratischen Republik Kongo, der nicht enden wollende Krieg in Syrien, der Terror im Irak mit der töd-lichen Verfolgung von Christen und Jesiden, die Gewaltausbrüche zwischen Israel und dem von der Hamas beherrschten Gazastrei-fen, Bürgerkriege im Südsudan, in Mali und der Zentralafrikanischen Republik, die Über-fälle terroristischer Banden in Nigeria – man möchte zum Himmel schreien: Herr, halt ein, es ist genug!

    Die kleinen Gruppen, die sich in der weltwei-ten Friedensbewegung engagieren, scheinen immer mehr an Einfluss zu verlieren und an-gesichts der Logik von Gewalt und Gegenge-walt nur noch müde belächelt zu werden. Manche werden sich enttäuscht fragen, ob all die Jahre und Jahrzehnte mühseliger Frie-densarbeit umsonst waren.

    pax christi ist nicht nur Teil der Friedensbe-wegung, pax christi versteht sich auch als spezifisch christliche Bewegung, die sich an der Botschaft des Evangeliums orientiert und in der Kirche eine Heimat hat.

    Gerade angesichts der Vorgänge im Irak, wo eine völlig entfesselte terroristische Solda-teska ihre mörderische Gewalt in Exzessen an den dort lebenden Christen und Jesiden austobt, wird für viele, die dem Frieden ver-pflichtet sind, die Anwendung von Gegen-gewalt zur Lebensrettung verfolgter Men-schen zur Gewissensfrage.

    Jesus hat ja ein unüberbietbares Beispiel der Gewaltlosigkeit gegeben, als er sich selbst in den Tod ergeben hat. Die Worte Jesu im Johannesevangelium sprechen eine deut-liche Sprache. Auf Befragung durch Pilatus antwortet er: »Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Königtum von diese Welt wäre, würden meine Diener kämpfen, dass ich den Juden nicht ausgeliefert würde« (Joh 18, 36). Noch schärfer formuliert es Jesus in der Passionsgeschichte des Matthäus bei der Gefangennahme: »Steck dein Schwert an seinen Platz. Denn alle, die zum Schwert grei-fen, werden durch das Schwert umkommen« (Mt 26, 52). Damit unterstreicht er seine ei-gene Ablehnung aller Gewalt und warnt vor deren tödlichen Folgen. Er respektiert ande-rerseits aber auch andere Einstellungen. An anderer Stelle, zu Beginn der öffentlichen Predigt, wird von Lukas berichtet, dass er de-nen, die ihm nachfolgen wollen, Weisungen gibt: »Es fragten ihn aber auch Soldaten: Was

    sollen wir tun? Und er sagte zu ihnen: Begeht gegen niemand Gewalttat und Erpressung, seid zufrieden mit eurem Sold!« Keine Wei-sung also, die Waffen niederzulegen oder den Dienst zu verlassen, sondern die schlich-te Aufforderung zu einem »anständigen« Verhalten – mehr nicht.

    Ich finde, wir können in den heutigen Aus-einandersetzungen zwischen denen, die für eine Haltung absoluter Gewaltlosigkeit ste-hen, und denen, die für den äußersten Fall der Lebensbedrohung auch Gegenwehr mit Waffen zulassen wollen, von Jesus lernen. Für sich selbst hat er die Haltung absoluter Gewaltlosigkeit gewählt und war bereit, da-für zu sterben. Er gibt damit ein Beispiel, aber er verlangt nicht, dass jeder diesem seinem Weg folgen muss. Er respektiert auch eine andere Gewissensentscheidung.

    In einem kennt Jesus keinen Kompromiss: Das oberste und immer und ohne Ausnahme geltende Gebot ist das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe. Die Nächsten-liebe ist das übergreifende Gebot, dem alle anderen Weisungen untergeordnet sind. Auf der Basis des Liebesgebotes können Chri-stinnen und Christen zu unterschiedlichen Handlungsweisen finden. Ihr Gewissen ist ihre letzte Instanz. Auf dieser Basis können sie trotzdem zusammen wirken und auch zu-sammen beten. ■

    Dieter LippertDieter Lippert, langjähriges pax christi-Mitglied

    und ehemaliger Bezirksdekan im Bezirk Limburg, lebt als Pfarrer im Ruhestand in Hadamar

    Herr, halt ein, es ist genug!

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    Interview

    Flüchtlinge aufnehmen! – Keine Waffen liefern!

    Warum ist es aus Ihrer Sicht falsch, Waffen an die Kurden im Nordirak zu liefern, damit sie sich besser gegen die Terrormiliz IS ver-teidigen können?Jürgen Neitzert: Ich habe viele jezidische und chaldäische Freunde in Köln. In den letzten Wochen habe ich miterlebt, wie sehr sie un-ter der aktuellen Situation gelitten haben. Gemeinsam haben wir versucht, Fami lien-mitglieder aus dem Irak, die gerade so ihr Leben retten konnten, nach Deutschland zu holen. Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat uns nur mitgeteilt, dass sie legal nicht nach Deutschland einreisen können. Hier könnte Deutschland durch die unbürokratische Aufnahme von Flüchtlingen wirklich viele Menschen retten. Stattdessen unterstützen deutsche Regierungen seit Jahrzehnten Saudi-Arabien, Katar und die Türkei, politisch und mit Waffenlieferungen. Diese drei Staaten haben die Terrororgani-sation IS in Syrien und im Irak und andere al-Qaida nahestehende Gruppen finanziell und mit Waffenlieferungen unterstützt. Sie haben den militärischen Erfolg des soge-nannten Kalifats überhaupt erst ermöglicht. So schießt die Terrormiliz des IS mit US-ame-rikanischen, europäischen und auch deut-schen Waffen.

    Ich bin strikt gegen deutsche Rüstungsex-porte, insbesondere in Krisen- und Kriegsge-biete. In Libyen, Somalia, Mali, Syrien, Irak … überall wird auch mit deutschen Waffen ge-kämpft. Insbesondere sogenannte Kleinwaf-fen, die jetzt an die Kurden geliefert werden, wandern von einem Kriegsschauplatz zum nächsten.

    Sollte man also nichts tun und zuschauen, wenn so viele Menschen blankem Terror aus-geliefert sind?Paul Russmann: In einer solchen Situation müssen wir natürlich alles versuchen, den leidenden Menschen zu helfen. Die Haupt-aufgabe der Bundesregierung heißt zunächst

    humanitäre Hilfe. Hunderttausende Flücht-linge, die jetzt in die kurdischen Autonomie-gebiete geflohen sind, brauchen Nahrung und ein Dach über dem Kopf. Und Deutsch-land sollte großzügig Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien aufnehmen. Für solche Situ-ationen massiver Menschenrechtsverletzun-gen wird sicher so etwas wie eine interna-tionale Polizei benötigt. Leider haben insbe-sondere die Großmächte hieran bisher kein Interesse.

    Das völlig falsche Mittel sind Waffenlie-ferungen an eine Kriegspartei, denn diese Region ist bereits voller Waffen – mit ver-heerenden Folgen.

    Problematisch sind grundsätzlich alle Inter-ventionen von außen, wenn die Menschen in der Region dies nicht wollen. Die zahl-reichen Konflikte im Irak um die Verteilung der Ressourcen, eine akzeptable Repräsen-tanz der ethnischen und religiösen Minder-heiten – all dies müssen zuallererst die Men-schen im Irak miteinander lösen. Da helfen keine Waffenlieferungen, mit denen die Kon-flikte noch weiter befeuert werden. Hier wäre Unterstützung beim Aufbau gesell-schaftlicher und staatlicher Strukturen und einer für alle geltenden Rechtsordnung so-wie bei der Entwicklung einer Kultur der zivi-len Bearbeitung von Konflikten nötig.

    Jürgen Neitzert: Insbesondere die USA ist für die Probleme in der Region mitverantwort-lich. Der Irakkrieg gegen Saddam Hussein, den man vorher noch gegen den Iran unter-stützt hatte, ist eine wesentliche Ursache für das Erstarken der Islamisten von Al Quaida und dem IS. Hinzu kommt die verhängnis-volle Politik der letzten Jahre, in denen die verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen im Irak gegeneinander ausgespielt wurden. Auch in Syrien rüsteten die USA isla-mistische Milizen mit modernen Waffen für den Kampf gegen das Assad-Regime aus.

    Wären robuste UN-Blauhelmtruppen eine Möglichkeit, um das Morden im Irak zu stop-pen?Jürgen Neitzert: Ich fände es durchaus sinn-voll, wenn der UN-Sicherheitsrat eine ge-meinsame Blauhelmtruppe aus Soldaten der USA, Russlands, Chinas, der Europäer sowie der Nachbarstaaten aufstellen würden. Die-se müsste dann mit einem sogenannten »ro-busten Mandat« ausgestattet werden, um die Verfolgung und Ermordung ethnischer und religiöser Minderheiten beenden zu kön-nen.

    Ist die »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waf-fenhandel!« gescheitert, wenn jetzt sogar offiziell in ein Kriegsgebiet Waffen geliefert werden?Paul Russmann: Nein, das denke ich nicht. Wir rechnen ja nicht damit, innerhalb weni-ger Jahre die bisher von allen Bundesregie-rungen seit Ende der 1950er Jahre prakti-zierte Rüstungsexportpolitik um 180 Grad zu drehen. Dennoch haben wir schon sehr viel erreicht: Es ist gelungen, dass nun schon seit mindestens zwei Jahren kontinuierlich, kon-

    Interview mit zwei Mitgliedern des Trägerkreises der »Aktion Aufschrei – Stoppt den  Waffenhandel!« – dem Franziskaner Jürgen Neitzert und dem Geschäftsführer von »Ohne Rüstung Leben«, dem katholischen Theologen Paul Russmann.

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    Interview

    trovers und öffentlich über dieses Thema gestritten wird. Und immer, wenn in der Ver-gangenheit über Waffenlieferungen öffent-lich diskutiert wurde, sind solche Geschäfte seltener realisiert worden. Unsere Kampagne hat zudem dazu beigetragen, dass sich viele Menschen mit dieser schwierigen Thematik intensiver auseinandergesetzt haben.

    Aber auch beim realen Umfang der Rüstungs-exporte scheint sich etwas zu verändern. Nachdem die alte Bundesregierung im Jahr 2013 noch Rüstungsexportrekorde erzielte, kündigte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel jetzt eine deutliche Reduzierung an. Er ist auch der erste zuständige Bundeswirt-schaftsminister, der öffentlich von »Geschäf-ten mit dem Tod« gesprochen hat.

    Nicht zuletzt belegt eine Umfrage nach der Bundestagswahl, dass die intensiven Diskus-si onen über dieses Thema gerade auch in den Wahlkreisen dazu geführt haben, dass 488 Abgeordnete aus allen Bundestagsfraktionen sich gegen Kriegswaffenexporte in Kriegs- und Krisengebiete ausgesprochen haben.

    Die aktuellen Waffenexportbeschlüsse zur Unterstützung der Kurden im Nordirak be-legen allerdings, wie unsicher eine Neuori-entierung hin zu weniger Rüstungsexporten noch ist.

    Kann man insgesamt nicht doch von einer Trendwende sprechen? Immerhin hat Mini-ster Sigmar Gabriel schon einige auch grö-ßere Waffenexporte wie das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien wohl gestoppt, und auch der CSU-Entwicklungshilfeminister Gerd Müller spricht sich deutlich gegen Rüstungs-exporte und für zivile Konfliktbearbeitung aus.Jürgen Neitzert: Die große Nervosität der Rüstungslobby und ihre teils unverhohlenen Drohungen belegen, dass sich etwas verän-dert hat. Wie viel und wie nachhaltig dies ist, kann ich noch nicht einschätzen. Das sich insbesondere die SPD und Sigmar Gabriel hier bewegt haben, ist für mich auch ein Er-gebnis der seit 30 Jahren laufenden Informa-tionskampagne. 1984 haben wir Franziskaner gemeinsam mit anderen christlichen Orga-nisationen wie unter anderem pax christi und Ohne Rüstung Leben die Kampagne »Pro-duzieren für das Leben – Rüstungsexporte stoppen« gestartet. Seit 2011 wird dieses En-gagement in der gesellschaftlich noch viel breiter aufgestellten Kampagne »Aktion Auf-schrei – Stoppt den Waffenhandel!« fort-geführt.

    Paul Russmann: Trotz der positiven Ankün-digungen zur deutlichen Reduzierung von Rüstungsexporten müssen wir die Bundes-regierung und speziell auch Wirtschafts-minister Gabriel an ihren Taten messen. Im Herbst erscheint der erste von der neuen Bundesregierung verantwortete Rüstungs-exportbericht über das erste Halbjahr 2014. Dann sehen wir, was Realität ist.

    Wo liegen die Hauptaufgaben der »Aktion Aufschrei« in der nächsten Zeit?Jürgen Neitzert: Wir müssen jetzt verstärkt unseren neuen Slogan »Grenzen öffnen für Menschen. Grenzen schließen für Waffen.« mit konkreten Beispielen unterfüttern und daraus politische Forderungen formulieren.

    Den vor der letzten Bundestagswahl inten-sivierten Kontakt mit den Abgeordneten sollten wir in den Wahlkreisen fortführen. Die Abgeordneten müssen wissen, dass wir hier dran bleiben und von ihnen weiter Re-chenschaft über ihr Verhalten in dieser Frage einfordern.

    Paul Russman: Die meisten Flüchtlinge auf der Welt sind Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, die Hälfte davon sind Kinder. Verantwortlich hierfür sind in erster Linie Kriege und Bürgerkriege, die vor allem mit sogenannten Kleinwaffen geführt werden. Kleinwaffen sind – was die Zahl der Opfer betrifft – die Massenvernichtungsmittel un-serer Zeit. Es gibt einen breiten gesellschaft-lichen Konsens gegen den Export dieser Waf-fen. Wir sollten intensiv versuchen, Regie-rung und Parlament zu einem vollständigen Exportverbot für Kleinwaffen zu bewegen. Dann wäre schon viel gewonnen. n

    Fragen und Bearbeitung:  Thomas Meinhardt

    Der Text erschien in leicht veränderter Form in der Zeitschrift »Franziskaner« 3 / 2014

    u Weitere Informationen: www.franziskaner-zeitschrift.de

    u Weitere Informationen: www.aufschrei-waffenhandel.de

    Paul Russmann ist Geschäftsführer der ökumenischen Aktion Ohne Rüstung leben e. V.

    Bruder Jürgen Neitzert ofm arbeitet in der Kommission für Ge-rechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung der Fran-ziskaner

    Stoppt den Waffenhandel!

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    Meldungen

    Wanderfriedenskerze 2014

    »Gott gab uns Atem, damit wir leben« Am 1. September 2014, dem Weltfriedenstag und Antikriegstag, wurde die 13. Aktion Wan-derfriedenskerze feierlich in einem ökumenischen Gottesdienst in der Frauenfriedenskirche in Frankfurt eröffnet. Mehr als 80 Menschen aus den Gemeinden Frauenfrieden und St.

    Elisabeth sowie von pax christi und anderen Trägerorganisationen der Aktion waren der Einladung gefolgt. Unter dem Motto »Gott gab uns Atem, da-mit wir leben« wandern seitdem sechs Friedenskerzen durch die Bis-tümer Limburg, Mainz und Fulda so-wie das Gebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Sie be-gleiten Gottesdienste, Gebetskreise, Gremien und Tagungen, um von Frie-den und Versöhnung zu künden und um insbesondere für die Opfer von Giftgasangriffen vom Ersten Welt-krieg bis nach Syrien zu beten und

    sich für Hilfe für die Opfer und die Überwin-dung von Gewalt einzusetzen. Beendet wird die ökumenische Aktion am Freitag, 21. No-vember um 19 Uhr im Gebet für Frankfurt in der Katharinenkirche.

    Eine Friedenskerze für eigene Veranstal-tungen kann in der pax christi-Geschäftsstel-le und unter www.pax-christi.de reserviert werden.

    u Fotos von der Eröffnung: www.pax-christi.de

    40 Aktive von pax christi Limburg, der »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«, der Initiative Ordensleute für den Frieden und der Aschaffenburger Friedenstrommler protes-tierten am 4. September 2014 vor der Deutschen Bank gegen die Finanzierung von Rüstungs-

    produktion und Waffenexporten. Die Aktion betonte die Mitverantwortung an dem durch Waffenexporte verursachten Leid, da die Deutsche Bank an Rüstungsfirmen beteiligt ist und Rüstung finanziert. Im persönlichen Gespräch mit VertreterInnen der Bank und vor der Bankzentrale forderten die Demons-trierenden »Rüstungsexporte zurück an den Absender« und schritten zur Tat: Sie ließen der Deutschen Bank – gegen deren Willen – einen großen Papp-Panzer zur Abrüstung zurück.

    u Fotos von der Aktion: www.pax-christi.de und

    www.facebook.com/pax.christi.limburg

    Empfehlung

    Andreas Buro, Karl Grobe, Clemens Ronnefeldt:

    Der Ukraine-Konflikt: Kooperation statt KonfrontationDossier VII in der Monitoring-Reihe »Zivile Konfliktbearbeitung, Gewalt und Kriegsprä-vention«, herausgegeben von der Koopera-tion für den Frieden im August 2014.

    Die Dossiers der Monitoring-Reihe als PDF: www.koop-frieden.de/das-monitoring-projekt

    DiKo 2014

    pax christi-Mitglieder -versammlung Am 18./.19. Juli fand die jährliche pax christi- Mitgliederversammlung im Exerzitienhaus der Franziskaner in Hofheim statt. Neben einer lebhaften Diskussion mit Andreas Zumach über die Entwicklung im Ukraine-Konflikt und die Rolle der EU wurden der neue Haus-halt 2015 verabschiedet, der Vorstand für das Geschäftsjahr 2013 entlastet und die zahl-reichen Aktivitäten der Gruppen und des Diö-zesanvorstandes gewürdigt. Die Vereinba-rungen für die Arbeit im Jahr 2014 / 2015 wer-den in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift vorgestellt. Protokoll, Haushaltsabschluss und Haushaltsplan für 2015 können unter www.pax-christi.de eingesehen werden.

    »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«

    Waffenexporte zurück an Absender!

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    Rubrik

    Die diesjährige Begegnung zwischen Jugendlichen aus Lahnstein und Peja im Kosovo, (4. 8.– 15. 8. 2014) führte zehn KosovarInnen und 20 Deutsche zusammen. Mit dabei waren diesmal auch drei afgha-nische Flüchtlinge aus Braubach sowie ein jugendlicher ehemaliger Flüchtling aus dem Kosovo, der gerade seine Schulausbildung been-det hat. Im Rahmen eines sehr abwechslungsreichen Programms trafen die Jugendlichen mit Mitgliedern der katholischen Gemeinden in Lahnstein und Braubach sowie den Arnsteiner Patres in Koblenz zusammen. Sie erfuhren etwas über die Arbeit eines Sozialarbeiters, der straffällig gewordene Kinder und Jugendliche betreut, besuchten den Integrationsbeauftragten von Rheinland-Pfalz in Mainz und den Betreiber eines Solarparks in Kobern-Gondorf. An zwei »sozialen Ta-gen« lernten die Jugendlichen die Behindertenwerkstatt und das Seniorenzentrum St. Martin in Lahnstein kennen. Ganz andere Er-lebnisse boten ihnen das »Haus der Sinne« in Wiesbaden oder die Loreley. Sehr beeindruckend waren außerdem ein Konzert am Koblenzer Stadtstrand zur Unterstützung von Flüchtlingsfrauen aus verschiedenen Ländern und eine kleine Gedenkfeier für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma am Koblenzer Mahn-mal.

    Die vielen Begegnungen und Erfahrungen haben die Freundschaft gestärkt, die dieser Austausch seit 2005 fördern will. Eine Brücke der Freundschaft, die deutsche, kosovarische und dieses Jahr auch afgha-nische Jugendliche verbindet, Christen und Muslime, Menschen ver-schiedener Sprache, Kultur und Religion. Im nächsten Jahr wird diese lebendige Partnerschaft schon ihren zehnten Geburtstag feiern!

    Buchtipps

    Jugendbegegnung

    Eine Brücke der Freundschaft

    Martin Lätzel: Die Katholische Kirche im  Ersten Weltkrieg. Zwischen Nationalismus und Friedenswillen. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014, 216 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-791-72581-9

    William Brodrick: Das Schweigen des Mönchs. List-Verlag, Berlin 2009, 429 Seiten, 9,95 Euro, ISBN 978-3-54860-996-6

    Ausführliche Buchbesprechungen von Lutz Lemhöfer unter www.pax-christi.de

    Geiz ist gar nicht geil!

    Wer wie ich das Glück hatte, in der zweiten Hälfte des 20. Jahr-hunderts in der BRD geboren worden zu sein, ist in einer Welt aufgewachsen, in der alles immer verfügbar zu sein hat. Der Sinn des Lebens scheint in der Erhöhung von Konsummöglich-keiten zu liegen: Die Slogans »Geiz ist geil« (Saturn) oder »Un-term Strich zähl ich« (Postbank) sind Ausdruck des herrschenden Konsumismus, der uns zu verführen sucht. Die »Sofortness«, die drastische Verkürzung der Zeitspanne zwischen Bedürfnis und Befriedigung, ist zentraler Motor unseres Konsummodells. Ich konsumiere, also bin ich. Ich bin ständig online, damit erreichbar, damit wichtig und gefragt.

    Stattdessen: Eine reduktive Kultur, eine Kultur des Weniger – Langsamer – Intensiver hätte in jeder Hinsicht andere Parame-ter für Sinn und Orientierung. Statt Wachstum wäre Kultur handlungsleitend, statt Effizienz Achtsamkeit. Gegen »Sofort-ness« und Schnelligkeit stünde Genauigkeit, gegen »Alles im-mer« Saison und gegen Konsum Glück.

    Die neuen Parameter werden von einer wünschbaren Zukunft her gedacht, die alten vom Status quo. Denken von der Zukunft her öffnet neue Möglichkeiten, das Denken vom Status quo her schränkt sie systematisch ein auf das, was im Angebot ist. Genau so entsteht das Vermögen zum Widerstand: die besse-ren Möglichkeiten der Zukunft gegen die schlechteren der Ge-genwart durchzusetzen. Also: Selbst denken und selbst fühlen als Ziel von Aufklärung ist und bleibt zentrale Empfehlung. Die kognitive Dissonanz von »overinformed and underpowered?« ist hartleibiger Teil unserer vergangenheitsorientierten und statusfixierten mentalen Infrastruktur. Von guten Zukünften her denkend, können wir diesen lähmenden Beharrungsknoten entfesseln.

    u Sie möchten sich in die Debatte einbringen? Auf www.pax-christi.de finden Sie einen Blog

    für Ihre Kommentare.

    Overinformed and underpowered?So lautet eine zentrale Frage nicht nur für eine Friedens-bewegung, zu der wir in jeder Ausgabe dieser Zeitschrift  ein pax christi-Mitglied um einen persönlichen Kommentar bitten. Nach Mirjam Krug in der letzten Ausgabe stellt jetzt Rüdiger Grölz seinen Beitrag zur Diskussion. Wenn Sie sich in die Debatte einbringen möchten, freuen wir uns. Auf www.pax-christi.de finden Sie einen Blog für Ihre Kommentare.

    Debatte

    Thomas Wagner

    Dr. Thomas Wagner ist seit vielen Jahren Mitglied im Vorstand des pax christi-Diözesanverbandes Limburg und Studienleiter in der Akademie Rabanus Maurus des Bistums Limburg

  • TermineSeptember 2014

    26. 9., 16 Uhr, FrankfurtFrieden geht anders! Aber wie? Zivile Konfliktbearbei-tung in Großkonflikten. Mit Susanne Luithlen, forum ZFD. Offene Veranstaltung der Projektgruppe Zivile Konflikt-bearbeitung Rhein-Main, Paulskirche, 60311 Frankfurt. Infos und Anmeldung: pax christi-Geschäftsstelle

    28.9., 17.30 Uhr, Idsteinpax christi-Gottesdienst mit anschl. kleinem Imbiss in der Gemeinde St. Martin, Idstein, Wiesbadener Straße 21.

    Oktober 2014

    1. 10., 16 Uhr, EschbornStoppt den Waffenhandel! Monatl. Mahnwache der pax christi-Basisgruppe Eschborn. Ort: Eurofahne, Ecke Unter-ortstraße / Kurt-Schu macher-Straße, Nähe Rathaus.

    2.10., 14 Uhr, FrankfurtMahnwache vor der Deut-schen Bank: Kein Geld für Atomwaffen! Aktionswoche gegen Atomwaffeninvestiti-onen, Veranstalter: Initiative Ordensleute für den Frieden und pax christi Limburg. Infos: www.atombomben-geschaeft.de, Ort: vor der Deutschen Bank, Taunus-anlage 12, 60325 Frankfurt.

    26.10., 17.30 Uhr, Idsteinpax christi-Gottesdienst mit anschl. kleinem Imbiss in der Gemeinde St. Martin, Idstein, Wiesbadener Straße 21.

    27.  10., 16 Uhr, Frankfurt»Drachen statt Drohnen!« Mahnwache gegen Drohnen auf der Airtec-Messe. Red ne-rin: Claudia Haydt, Informa-tionsstelle Militarisierung, Tübingen. Ort: Katharinen-kirche / Hauptwache Frank-furt. Infos: pax christi- Geschäftsstelle und www.pax-christi.de/airtec

    31. 10., 18.30 Uhr – 2. 11., 12.30 Uhr, Fuldapax christi-Delegiertenver-sammlung im Bonifatiushaus der Diözese Fulda, Neuen ber-ger Str. 3 – 5, 36041 Fulda. Infos für mögliche Delegierte: pax christi-Geschäftsstelle.

    November 2014

    7. 11., 16 Uhr, FrankfurtRhein-Main-Netzwerktreffen gegen Rüstungsexport. Offenes Treffen für Interes-sierte an der »Aktion Auf-schrei –Stoppt den Waffen-handel!«. Ort: Kirchenge-meinde St. Gallus, Mainzer Landstr. 295, 60326 Frankfurt. Infos: pax christi-Geschäfts-stelle und www.pax-christi.de/waffenhandel.html

    15. 11., 9 Uhr, FrankfurtThementag: »Friedens(t)räume schaffen«. Workshops zu 100 Jahren Friedensbe-wegung. An meldung mit Tagungs-Nr. A141115TW: Kath. Akad. Rabanus Maurus, Domplatz 3, 60311 Frankfurt, Tel.: 0 69 8 00 87 18-400, E-Mail: hausamdom@ bistum-limburg.de

    21. 11., 16 Uhr, MainzSüdsudans Weg zum Frieden (Arbeitstitel). Mit UN-Frie-denspreisträger Bischof em. Taban Paride (angefragt). Offene Veranstaltung der Projektgruppe Zivile Konflikt-bearbeitung Rhein-Main in der Landeszentrale für poli-tische Bildung Rheinland- Pfalz, Am Kronberger Hof 6, 55116 Mainz. Anmeldung: pax christi-Geschäftsstelle

    21. 11., 18 Uhr, FrankfurtAbschluss der Aktion Wan-derfriedenskerze 2014 im Gebet für Frankfurt, Katha-rinenkirche / Haupt wache. Infos zur ökumenischen Aktion Wanderfriedenskerze und Kerzenbuchung in der pax christi-Geschäftsstelle und www.pax-christi.de

    28. 11., 18 Uhr – 29. 11., 18 Uhr, HofheimFriedensmeditation zu Franz Jägerstätter – Selig, die keine Gewalt anwenden. Christl. Impulse zum gewaltfreien Widerstand. Anmeldung: pax christi-Geschäftsstelle, E-Mail: [email protected]. Ort: Franzis-kanisches Zentrum für Stille und Begegnung, Kreuz - weg 23, 65719 Hofheim.

    30. 11., 17.30 Uhr, Idsteinpax christi-Gottesdienst mit anschl. kleinem Imbiss in der Gemeinde St. Martin, Idstein, Wiesbadener Straße 21.

    Eine Glaubens-Bibel-Werkstatt

    Ja, was glauben Sie denn??Was meinen wir, wenn wir sagen: »Wir glauben …«? An wen? An was? Und warum? Was unterscheidet »glauben« von ver-muten, ahnen, meinen? Ist Glauben Privatsache? Was ist mit den Risiken und Nebenwirkungen des Glaubens? Muss man an Dogmen glauben? Die jährliche pax christi-Bibelwerkstatt ist in diesem Jahr eine Glaubens-Werkstatt, aber doch auch ein bisschen biblisch …

    Sonntag, 30.11.2014, 14 bis 17 Uhr, Sankt Martin, Idstein, Wiesbadener Straße 21

    Anmeldungen bei Günter Harmeling, E-Mail: [email protected] oder in der Limburger Straße 23, 65510 Idstein.

    Impressum und Kontakt Herausgeberin pax christi Diözesanverband Limburg(s. Geschäftsstelle)

    Bankverbindung Pax Bank BerlinIBAN: DE44 3706 0193 6031 1140 10BIC: GENODED1PAX

    Gesamtherstellung Verlag und AgenturE-Mail: [email protected]

    RedaktionRüdiger Grölz, Ilse Liebetanz, Kerstin und Thomas Meinhardt, Birgit Wehner, Alfred Strauß

    RedaktionsanschriftRüdiger Grölz, Vorderstraße 19 61 462 Königstein, Tel.: 0 61 73 21 [email protected]

    Wichtige AdressenGeschäftsstelle pax-christi-Büro des Diözesanverbandes Limburg, Matthias Blöser, Dorotheenstraße 11, 61 348 Bad HomburgTel. / Fax: 0 61 72 67 33 [email protected] Mobil: 01 77 2 80 48 78 oder 0 61 72 4 97 81 27 (Festnetztarif)

    VorstandBirgit Wehner (Vorsitzende)Auf der Warte 24, 61 184 Karben, 0 60 39 4 33 45, 0 69 8 00 87 18-471 (dienstl.),[email protected]

    Pax-Christi-Gruppen und ProjektgruppenEschbornIlse Liebetanz, Im Wingert 82, 65 760 Eschborn, Tel.: 0 61 96 4 13 88, [email protected]

    Frankfurt Margret Koschel, Rossertstraße 38, 61 449 Steinbach, Tel.: 0 61 71 7 19 76, [email protected]

    Idstein Ute Schäfer, Limburger Straße 23, 65 510 Idstein, Tel.: 0 61 26 5 74 22, [email protected]

    Lahnstein Pater Wolfgang Jungheim, Jesuitenplatz 4, 56068 KoblenzTel. 02 61 9 12 63 [email protected]

    Montabaur Claudia Kobold, Niederelberter Straße 7, 56 412 Holler, Tel.: 0 26 02 1 77 19, [email protected]

    GottesdienstvorbereitungUte Schäfer (s. Idstein)

    Aktion Aufschrei Rhein-MainMatthias Blöser (s. Geschäftsstelle)

    FördervereinMartin Weichlein, In der Eisenbach 35, 65510 Idstein, Tel.: 0 61 26 5 54 [email protected]

    Weitere Informationen zu diesen und anderen Terminen u www.pax-christi.de unter dem Menüpunkt »Kalender«