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39679 1 Hegel: Wissenschaft der Logik Georg Wilhelm Friedrich Hegel Wissenschaft der Logik Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

Georg Wilhelm Friedrich Hegel Georg Wilhelm Friedrich Wissenschaft der Logik Erster Teil. Die objektive Logik Vorrede zur ersten Ausgabe Vorrede zur zweiten Ausgabe

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  • 39679 1Hegel: Wissenschaft der Logik

    Georg Wilhelm Friedrich Hegel

    Wissenschaft der Logik

    Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

  • Hegel, Georg Wilhelm Friedrich Wissenschaft der Logik

    Erster Teil. Die objektive Logik Vorrede zur ersten Ausgabe Vorrede zur zweiten Ausgabe Einleitung Erstes Buch: Die Lehre vom Sein Womit mu der Anfang der Wissenschaft gemacht werden Allgemeine Einteilung des Seins Erster Abschnitt: Bestimmtheit (Qualitt) Erstes Kapitel: Sein Zweites Kapitel: Das Dasein Drittes Kapitel: Das Frsichsein A. Das Frsichsein als solches B. Eins und Vieles C. Repulsion und Attraktion a. Ausschlieen des Eins b. Das eine Eins der Attraktion c. Die Beziehung der Repulsion und Attraktion Zweiter Abschnitt: Die Gre (Quantitt) Erstes Kapitel: Die Quantitt A. Die reine Quantitt B. Kontinuierliche und diskrete Gre C. Begrenzung der Quantitt Zweites Kapitel: Quantum A. Die Zahl B. Extensives und intensives Quantum C. Die quantitative Unendlichkeit Drittes Kapitel: Das quantitative Verhltnis A. Das direkte Verhltnis B. Das umgekehrte Verhltnis C. Potenzenverhltnis Dritter Abschnitt: Das Ma Erstes Kapitel: Die spezifische Quantitt Zweites Kapitel: Das reale Ma Drittes Kapitel: Das Werden des Wesens A. Die absolute Indifferenz B. Indifferenz als umgekehrtes Verhltnis ihrer Faktoren C. bergang in das Wesen Zweites Buch. Die Lehre vom Wesen Erster Abschnitt: Das Wesen als Reflexion in ihm selbst Erstes Kapitel: Der Schein A. Das Wesentliche und das Unwesentliche B. Der Schein C. Die Reflexion 1. Die setzende Reflexion 2. Die uere Reflexion 3. Die bestimmende Reflexion Zweites Kapitel: Die Wesenheiten oder die Reflexionsbestimmungen Drittes Kapitel: Der Grund A. Der absolute Grund B. Der bestimmte Grund C. Die Bedingung a. Das relativ Unbedingte b. Das absolute Unbedingte c. Hervorgang der Sache in die Existenz Zweiter Abschnitt: Die Erscheinung Erstes Kapitel: Die Existenz A. Das Ding und seine Eigenschaften a. Ding-an-sich und Existenz b. Die Eigenschaft c. Die Wechselwirkung der Dinge B. Das Bestehen des Dings aus Materien C. Die Auflsung des Dings Zweites Kapitel: Die Erscheinung A. Das Gesetz der Erscheinung B. Die erscheinende und die an sich seiende Welt C. Auflsung der Erscheinung Drittes Kapitel A. Das Verhltnis des Ganzen und der Teile B. Das Verhltnis der Kraft und ihrer uerung a. Das Bedingtsein der Kraft b. Die Sollizitation der Kraft c. Die Unendlichkeit der Kraft C. Verhltnis des ueren und Inneren Dritter Abschnitt: Die Wirklichkeit Erstes Kapitel: Das Absolute Zweites Kapitel: Die Wirklichkeit

  • Drittes Kapitel: Das absolute Verhltnis A. Das Verhltnis der Substantialitt B. Das Kausalittsverhltnis C. Die Wechselwirkung Zweiter Teil: Die subjektive Logik oder die Lehre vom Begriff Vorbericht Vom Begriff im allgemeinen Einteilung Erster Abschnitt: Die Subjektivitt Zweiter Abschnitt: Die Objektivitt Dritter Abschnitt: Die Idee Erstes Kapitel: Das Leben Zweites Kapitel: Die Idee des Erkennens A. Die Idee des Wahren B. Die Idee des Guten Drittes Kapitel: Die absolute Idee Funoten

  • 39680 2Hegel: Wissenschaft der Logik

    Erster Teil

    Die objektive Logik

    Vorrede zur ersten Ausgabe

    Die vllige Umnderung, welche die philosophi-sche Denkweise seit etwa fnfundzwanzig Jahrenunter uns erlitten, der hhere Standpunkt, den dasSelbstbewutsein des Geistes in dieser Zeitperiodeber sich erreicht hat, hat bisher noch wenig Einfluauf die Gestalt der Logik gehabt.

    Dasjenige, was vor diesem Zeitraum Metaphysikhie, ist sozusagen mit Stumpf und Stiel ausgerottetworden und aus der Reihe der Wissenschaften ver-schwunden. Wo lassen oder wo drfen sich Laute dervormaligen Ontologie, der rationellen Psychologie,der Kosmologie oder selbst gar der vormaligen natr-lichen Theologie noch vernehmen lassen? Untersu-chungen, zum Beispiel ber Immaterialitt der Seele,ber die medianischen und die Endursachen, wo soll-ten sie noch ein Interesse finden? Auch die sonstigenBeweise vom Dasein Gottes werden nur historischoder zum Behufe der Erbauung und Gemtserhebungangefhrt. Es ist dies ein Faktum, da das Interesseteils am Inhalte, teils an der Form der vormaligen Me-

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  • 39681 3Hegel: Wissenschaft der Logik

    taphysik, teils an beiden zugleich verloren ist. Somerkwrdig es ist, wenn einem Volke z.B. die Wis-senschaft seines Staatsrechts, wenn ihm seine Gesin-nungen, seine sittlichen Gewohnheiten und Tugendenunbrauchbar geworden sind, so merkwrdig ist es we-nigstens, wenn ein Volk seine Metaphysik verliert,wenn der mit seinem reinen Wesen sich beschftigen-de Geist kein wirkliches Dasein mehr in demselbenhat.

    Die exoterische Lehre der Kantischen Philoso-phie da der Verstand die Erfahrung nicht ber-fliegen drfe, sonst werde das Erkenntnisvermgentheoretische Vernunft, welche fr sich nichts alsHirngespinste gebre hat es von der wissenschaftli-chen Seite gerechtfertigt, dem spekulativen Denken zuentsagen. Dieser populren Lehre kam das Geschreider modernen Pdagogik, die Not der Zeiten, die denBlick auf das unmittelbare Bedrfnis richtet, entge-gen, da, wie fr die Erkenntnis die Erfahrung dasErste, so fr die Geschicklichkeit im ffentlichen undPrivatleben theoretische Einsicht sogar schdlich undbung und praktische Bildung berhaupt das We-sentliche, allein Frderliche sei. Indem so die Wis-senschaft und der gemeine Menschenverstand sich indie Hnde arbeiteten, den Untergang der Metaphysikzu bewirken, so schien das sonderbare Schauspielherbeigefhrt zu werden, ein gebildetes Volk ohne

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  • 39682 4Hegel: Wissenschaft der Logik

    Metaphysik zu sehen, wie einen sonst mannigfaltigausgeschmckten Tempel ohne Allerheiligstes. DieTheologie, welche in frheren Zeiten die Bewahrerinder spekulativen Mysterien und der obzwar abhngi-gen Metaphysik war, hatte diese Wissenschaft gegenGefhle, gegen das Praktisch-Populre und gelehrteHistorische aufgegeben. Welcher Vernderung ent-sprechend ist, da anderwrts jene Einsamen, die vonihrem Volke aufgeopfert und aus der Welt ausge-schieden wurden, zu dem Zwecke, da die Kontem-plation des Ewigen und ein ihr allein dienendes Lebenvorhanden sei nicht um eines Nutzens, sondern umdes Segens willen , verschwanden; ein Verschwin-den, das in einem anderen Zusammenhange demWesen nach als dieselbe Erscheinung wie das vorhinerwhnte betrachtet werden kann. So da, nach Ver-treibung dieser Finsternisse, der farblosen Beschfti-gung des in sich gekehrten Geistes mit sich selbst, dasDasein in die heitere Welt der Blumen verwandelt zusein schien, unter denen es bekanntlich keine schwar-ze gibt.

    Ganz so schlimm als der Metaphysik ist es derLogik nicht ergangen. Da man durch sie denkenlerne, was sonst fr ihren Nutzen und damit fr denZweck derselben galt gleichsam als ob man durchdas Studium der Anatomie und Physiologie erst ver-dauen und sich bewegen lernen sollte , dies Vorurteil

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  • 39683 5Hegel: Wissenschaft der Logik

    hat sich lngst verloren, und der Geist des Praktischendachte ihr wohl kein besseres Schicksal zu als ihrerSchwester. Dessenungeachtet, wahrscheinlich um ei-nigen formellen Nutzens willen, wurde ihr noch einRang unter den Wissenschaften gelassen, ja sie wurdeselbst als Gegenstand des ffentlichen Unterrichtsbeibehalten. Dies bessere Los betrifft jedoch nur dasuere Schicksal; denn ihre Gestalt und Inhalt ist der-selbe geblieben, als er sich durch eine lange Traditionfortgeerbt, jedoch in dieser berlieferung immer mehrverdnnt und abgemagert hatte; der neue Geist, wel-cher der Wissenschaft nicht weniger als der Wirklich-keit aufgegangen ist, hat sich in ihr noch nicht versp-ren lassen. Es ist aber ein fr allemal vergebens, wenndie substantielle Form des Geistes sich umgestaltethat, die Formen frherer Bildung erhalten zu wollen;sie sind welke Bltter, welche von den neuen Knos-pen, die an Ihren Wurzeln schon erzeugt sind, abge-stoen werden.

    Mit dem Ignorieren der allgemeinen Vernderungfngt es nachgerade an, auch im Wissenschaftlichenauszugehen. Unbemerkterweise sind selbst den Geg-nern die anderen Vorstellungen gelufig und eigen ge-worden, und wenn sie gegen deren Quelle und Prinzi-pien fortdauernd sprde tun und sich widersprechenddagegen benehmen, so haben sie dafr die Konse-quenzen sich gefallen lassen und des Einflusses

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  • 39684 6Hegel: Wissenschaft der Logik

    derselben sich nicht zu erwehren vermocht; zu ihremimmer unbedeutender werdenden negativen Verhaltenwissen sie sich auf keine andere Weise eine positiveWichtigkeit und einen Inhalt zu geben, als da sie inden neuen Vorstellungsweisen mitsprechen.

    Von der ndern Seite scheint die Zeit der Grung,mit der eine neue Schpfung beginnt, vorbei zu sein.In ihrer ersten Erscheinung pflegt eine solche sich mitfanatischer Feindseligkeit gegen die ausgebreitete Sy-stematisierung des frheren Prinzips zu verhalten,teils auch furchtsam zu sein, sich in der Ausdehnungdes Besonderen zu verlieren, teils aber die Arbeit, diezur wissenschaftlichen Ausbildung erfordert wird, zuscheuen und im Bedrfnisse einer solchen zuerst zueinem leeren Formalismus zu greifen. Die Anforde-rung der Verarbeitung und Ausbildung des Stoffeswird nun um so dringender. Es ist eine Periode in derBildung einer Zeit, wie in der Bildung des Individu-ums, wo es vornehmlich um Erwerbung und Behaup-tung des Prinzips in seiner unentwickelten Intensittzu tun ist. Aber die hhere Forderung geht darauf,da es zur Wissenschaft werde.

    Was nun auch fr die Sache und fr die Form derWissenschaft bereits in sonstiger Rcksicht gesche-hen sein mag, die logische Wissenschaft, welche dieeigentliche Metaphysik oder reine spekulative Philo-sophie ausmacht, hat sich bisher noch sehr vernach-

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  • 39685 7Hegel: Wissenschaft der Logik

    lssigt gesehen. Was ich unter dieser Wissenschaftund ihrem Standpunkte nher verstehe, habe ich in derEinleitung vorlufig angegeben. Die Notwendigkeit,mit dieser Wissenschaft wieder einmal von vorne an-zufangen, die Natur des Gegenstandes selbst und derMangel an Vorarbeiten, welche fr die vorgenom-mene Umbildung htten benutzt werden knnen,mgen bei billigen Beurteilern in Rcksicht kommen,wenn auch eine vieljhrige Arbeit diesem Versuchenicht eine grere Vollkommenheit geben konnte. Der wesentliche Gesichtspunkt ist, da es berhauptum einen neuen Begriff wissenschaftlicher Behand-lung zu tun ist. Die Philosophie, indem sie Wissen-schaft sein soll, kann, wie ich anderwrts erinnerthabe1, hierzu ihre Methode nicht von einer unterge-ordneten Wissenschaft, wie die Mathematik ist, bor-gen, sowenig als es bei kategorischen Versicherungeninnerer Anschauung bewenden lassen oder sich desRsonnements aus Grnden der ueren Reflexionbedienen. Sondern es kann nur die Natur des Inhaltssein, welche sich im wissenschaftlichen Erkennen be-wegt, indem zugleich diese eigene Reflexion des In-halts es ist, welche seine Bestimmung selbst erst setztund erzeugt.

    Der Verstand bestimmt und hlt die Bestimmungenfest; die Vernunft ist negativ und dialektisch, weil siedie Bestimmungen des Verstands in nichts auflst; sie

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  • 39686 8Hegel: Wissenschaft der Logik

    ist positiv, weil sie das Allgemeine erzeugt und dasBesondere darin begreift. Wie der Verstand als etwasGetrenntes von der Vernunft berhaupt, so pflegtauch die dialektische Vernunft als etwas Getrenntesvon der positiven Vernunft genommen zu werden.Aber in ihrer Wahrheit ist die Vernunft Geist, derhher als beides, verstndige Vernunft oder vernnfti-ger Verstand ist. Er ist das Negative, dasjenige, wel-ches die Qualitt sowohl der dialektischen Vernunftals des Verstandes ausmacht; er negiert das Einfa-che, so setzt er den bestimmten Unterschied des Ver-standes; er lst ihn ebensosehr auf, so ist er dialek-tisch. Er hlt sich aber nicht im Nichts dieses Resulta-tes, sondern ist darin ebenso positiv und hat so daserste Einfache damit hergestellt, aber als Allgemeines,das in sich konkret ist; unter dieses wird nicht ein ge-gebenes Besonderes subsumiert, sondern in jenem Be-stimmen und in der Auflsung desselben hat sich dasBesondere schon mit bestimmt. Diese geistige Bewe-gung, die sich in ihrer Einfachheit ihre Bestimmtheitund in dieser ihre Gleichheit mit sich selbst gibt, diesomit die immanente Entwicklung des Begriffes ist,ist die absolute Methode des Erkennens und zugleichdie immanente Seele des Inhalts selbst. Auf diesemsich selbst konstruierenden Wege allein, behaupte ich,ist die Philosophie fhig, objektive, demonstrierteWissenschaft zu sein. In dieser Weise habe ich das

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  • 39687 9Hegel: Wissenschaft der Logik

    Bewutsein in der Phnomenologie des Geistes dar-zustellen versucht. Das Bewutsein ist der Geist alskonkretes, und zwar in der uerlichkeit befangenesWissen; aber die Fortbewegung dieses Gegenstandesberuht allein, wie die Entwicklung alles natrlichenund geistigen Lebens, auf der Natur der reinen We-senheiten, die den Inhalt der Logik ausmachen. DasBewutsein, als der erscheinende Geist, welcher sichauf seinem Wege von seiner Unmittelbarkeit und u-erlichen Konkretion befreit, wird zum reinen Wis-sen, das sich jene reinen Wesenheiten selbst, wie siean und fr sich sind, zum Gegenstand gibt. Sie sinddie reinen Gedanken, der sein Wesen denkende Geist.Ihre Selbstbewegung ist ihr geistiges Leben und istdas, wodurch sich die Wissenschaft konstituiert unddessen Darstellung sie ist.

    Es ist hiermit die Beziehung der Wissenschaft, dieich Phnomenologie des Geistes nenne, zur Logikangegeben. Was das uerliche Verhltnis betrifft,so war dem ersten Teil des Systems der Wissen-schaft2, der die Phnomenologie enthlt, ein zweiterTeil zu folgen bestimmt, welcher die Logik und diebeiden realen Wissenschaften der Philosophie, diePhilosophie der Natur und die Philosophie des Gei-stes, enthalten sollte und das System der Wissenschaftbeschlossen haben wrde. Aber die notwendige Aus-dehnung, welche die Logik fr sich erhalten mute,

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  • 39688 10Hegel: Wissenschaft der Logik

    hat mich veranlat, diese besonders ans Licht tretenzu lassen; sie macht also in einem erweiterten Planedie erste Folge zur Phnomenologie des Geistes aus.Spterhin werde ich die Bearbeitung der beiden ge-nannten realen Wissenschaften der Philosophie folgenlassen. Dieser erste Band der Logik aber enthlt alserstes Buch die Lehre vom Sein, das zweite Buch, dieLehre vom Wesen, als zweite Abteilung des erstenBandes; der zweite Band aber wird die subjektiveLogik oder die Lehre vom Begriff enthalten.

    Nrnberg, den 22. Mrz 1812

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  • 39689 11Hegel: Wissenschaft der Logik

    Vorrede zur zweiten Ausgabe

    An diese neue Bearbeitung der Wissenschaft derLogik, wovon hiermit der erste Band erscheint, binich wohl mit dem ganzen Bewutsein sowohl derSchwierigkeit des Gegenstandes fr sich und dannseiner Darstellung als der Unvollkommenheit, welchedie Bearbeitung desselben in der ersten Ausgabe ansich trgt, gegangen; sosehr ich nach weiterer vieljh-riger Beschftigung mit dieser Wissenschaft bemhtgewesen, dieser Unvollkommenheit abzuhelfen, sofhle ich, noch Ursache genug zu haben, die Nach-sicht des Lesers in Anspruch zu nehmen. Ein Titelsolchen Anspruchs aber zunchst darf wohl auf denUmstand gegrndet werden, da sich fr den Inhaltvornehmlich nur uerliches Material in der frherenMetaphysik und Logik vorgefunden hat. So allgemeinund hufig dieselben, die letztere noch bis auf unsereZeiten fort, getrieben worden, sowenig hat solche Be-arbeitung die spekulative Seite betroffen; vielmehr istim Ganzen dasselbe Material wiederholt, abwech-selnd bald bis zu trivialer Oberflchlichkeit verdnnt,bald der alte Ballast umfangreicher von neuem her-vorgeholt und mitgeschleppt worden, so da durchsolche, hufig ganz nur mechanische Bemhungendem philosophischen Gehalt kein Gewinn zuwachsen

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  • 39690 12Hegel: Wissenschaft der Logik

    konnte. Das Reich des Gedankens philosophisch, d. i.in seiner eigenen immanenten Ttigkeit oder, was das-selbe ist, in seiner notwendigen Entwicklung darzu-stellen, mute deswegen ein neues Unternehmen seinund dabei von vorne angefangen werden; jenes erwor-bene Material, die bekannten Denkformen, aber ist alseine hchst wichtige Vorlage, ja eine notwendige Be-dingung [und] dankbar anzuerkennende Vorausset-zung anzusehen, wenn dieselbe auch nur hie und daeinen drren Faden oder die leblosen Knochen einesSkeletts, sogar in Unordnung untereinander geworfen,dargibt.

    Die Denkformen sind zunchst in der Sprache desMenschen herausgesetzt und niedergelegt; es kann inunseren Tagen nicht oft genug daran erinnert werden,da das, wodurch sich der Mensch vom Tiere unter-scheidet, das Denken ist. In alles, was ihm zu einemInnerlichen, zur Vorstellung berhaupt wird, was erzu dem Seinigen macht, hat sich die Sprache einge-drngt, und was er zur Sprache macht und in ihr u-ert, enthlt eingehllter, vermischter oder herausge-arbeitet eine Kategorie; so sehr natrlich ist ihm dasLogische, oder vielmehr: dasselbige ist seine eigen-tmliche Natur selbst. Stellt man aber die Natur ber-haupt, als das Physikalische, dem Geistigen gegen-ber, so mte man sagen, da das Logische vielmehrdas bernatrliche ist, welches sich in alles Naturver-

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  • 39691 13Hegel: Wissenschaft der Logik

    halten des Menschen, in sein Empfinden, Anschauen,Begehren, Bedrfnis, Trieb eindrngt und es dadurchberhaupt zu einem Menschlichen, wenn auch nurformell, zu Vorstellungen und Zwecken macht. Es istder Vorteil einer Sprache, wenn sie einen Reichtuman logischen Ausdrcken, nmlich eigentmlichenund abgesonderten, fr die Denkbestimmungen selbstbesitzt; von den Prpositionen, Artikeln gehrenschon viele solchen Verhltnissen an, die auf demDenken beruhen; die chinesische Sprache soll es inihrer Ausbildung gar nicht oder nur drftig bis dahingebracht haben; aber diese Partikeln treten ganz die-nend, nur etwas weniges abgelster als die Augmente,Flexionszeichen u. dgl. auf. Viel wichtiger ist es, dain einer Sprache die Denkbestimmungen zu Substan-tiven und Verben herausgestellt und so zur gegen-stndlichen Form gestempelt sind; die deutsche Spra-che hat darin viele Vorzge vor den anderen moder-nen Sprachen; sogar sind manche ihrer Wrter vonder weiteren Eigenheit, verschiedene Bedeutungennicht nur, sondern entgegengesetzte zu haben, so dadarin selbst ein spekulativer Geist der Sprache nichtzu verkennen ist; es kann dem Denken eine Freudegewhren, auf solche Wrter zu stoen und die Verei-nigung Entgegengesetzter, welches Resultat der Spe-kulation fr den Verstand aber widersinnig ist, aufnaive Weise schon lexikalisch als ein Wort von den

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  • 39692 14Hegel: Wissenschaft der Logik

    entgegengesetzten Bedeutungen vorzufinden. Die Phi-losophie bedarf daher berhaupt keiner besonderenTerminologie; es sind wohl aus fremden Sprachen ei-nige Wrter aufzunehmen, welche jedoch durch denGebrauch bereits das Brgerrecht in ihr erhaltenhaben, ein affektierter Purismus wrde da, wo es amentschiedensten auf die Sache ankommt, am wenig-sten am Platze sein. Das Fortschreiten der Bildungberhaupt und insbesondere der Wissenschaften,selbst der empirischen und sinnlichen, indem sie imallgemeinen sich in den gewhnlichsten Kategorien(z.B. eines Ganzen und der Teile, eines Dinges undseiner Eigenschaften und dergleichen) bewegen, fr-dert nach und nach auch hhere Denkverhltnisse zu-tage oder hebt sie wenigstens zu grerer Allgemein-heit und damit zu nherer Aufmerksamkeit hervor.Wenn z.B. in der Physik die Denkbestimmung derKraft vorherrschend geworden ist, so spielt in neuererZeit die Kategorie der Polaritt, die brigens zu sehr tort et travers in alles, selbst in das Licht einge-drngt wird, die bedeutendste Rolle, die Bestim-mung von einem Unterschiede, in welchem die Unter-schiedenen untrennbar verbunden sind; da auf sol-che Weise von der Form der Abstraktion, der Identi-tt, durch welche eine Bestimmtheit z.B. als Krafteine Selbstndigkeit erhlt, fortgegangen [wird] unddie Form des Bestimmens, des Unterschiedes, welcher

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  • 39693 15Hegel: Wissenschaft der Logik

    zugleich als ein Untrennbares in der Identitt bleibt,herausgehoben und eine gelufige Vorstellung gewor-den [ist], ist von unendlicher Wichtigkeit. Die Natur-betrachtung bringt durch die Realitt, in welcher ihreGegenstnde sich festhalten, dieses Zwingende mitsich, die Kategorien, die in ihr nicht lnger ignoriertwerden knnen, wenn auch mit der grten Inkonse-quenz gegen andere, die auch geltend gelassen wer-den, zu fixieren und es nicht zu gestatten, da, wie imGeistigen leichter geschieht, zu Abstraktionen vondem Gegensatze und zu Allgemeinheiten bergegan-gen wird.

    Aber indem so die logischen Gegenstnde wiederen Ausdrcke etwa in der Bildung Allbekanntessind, so ist, wie ich anderwrts gesagt, was bekanntist, darum nicht erkannt; und es kann selbst die Unge-duld erregen, sich noch mit Bekanntem beschftigenzu sollen, und was ist bekannter als eben die Denk-bestimmungen, von denen wir allenthalben Gebrauchmachen, die uns in jedem Satze, den wir sprechen,zum Munde herausgehen. ber den Gang des Erken-nens von diesem Bekannten aus, ber das Verhltnisdes wissenschaftlichen Denkens zu diesem natrli-chen Denken die allgemeinen Momente anzugeben,soll dieses Vorwort bestimmt sein; so viel, zusam-mengenommen mit dem, was die frhere Einleitungenthlt, wird hinreichend sein, um eine allgemeine

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  • 39694 16Hegel: Wissenschaft der Logik

    Vorstellung, wie man eine solche von einer Wissen-schaft zum voraus, vor derselben, welche die Sacheselbst ist, zu erhalten fordert, von dem Sinne des logi-schen Erkennens zu geben.

    Zunchst ist es als ein unendlicher Fortschritt anzu-sehen, da die Formen des Denkens von dem Stoffe,in welchen sie im selbstbewuten Anschauen, Vor-stellen wie in unserem Begehren und Wollen odervielmehr auch in dem vorstellenden Begehren undWollen (und es ist kein menschliches Begehren oderWollen ohne Vorstellen) versenkt sind, befreit, dieseAllgemeinheiten fr sich herausgehoben und, wie Pla-ton, dann aber Aristoteles vornehmlich getan, zumGegenstande der Betrachtung fr sich gemacht wor-den [sind]; dies gibt den Anfang des Erkennensderselben. Erst nachdem beinahe alles Notwendigesagt Aristoteles, und was zur Bequemlichkeit undzum Verkehr des Lebens gehrt, vorhanden war, hatman angefangen, sich um philosophische Erkenntniszu bemhen. In gypten, hatte er vorher bemerkt,sind die mathematischen Wissenschaften frh ausge-bildet worden, weil daselbst der Priesterstand frh indie Lage versetzt worden, Mue zu haben. In derTat setzt das Bedrfnis, sich mit den reinen Gedankenzu beschftigen, einen weiten Gang voraus, den derMenschengeist durchgemacht haben mu; es ist, kannman sagen, das Bedrfnis des schon befriedigten Be-

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  • 39695 17Hegel: Wissenschaft der Logik

    drfnisses der Notwendigkeit, der Bedrfnislosigkeit,zu dem er gekommen sein mu, der Abstraktion vondem Stoffe des Anschauens, Einbildens usf., der kon-kreten Interessen des Begehrens, der Triebe, des Wil-lens, in welchem Stoffe die Denkbestimmungen ein-gehllt stecken. In den stillen Rumen des zu sichselbst gekommenen und nur in sich seienden Denkensschweigen die Interessen, welche das Leben der Vl-ker und der Individuen bewegen. Nach so vielen Sei-ten, sagt Aristoteles in demselben Zusammenhange,ist die Natur des Menschen abhngig; aber dieseWissenschaft, die nicht zu einem Gebrauche gesuchtwird, ist allein die an und fr sich freie, und siescheint darum nicht ein menschlicher Besitz zusein.- Die Philosophie berhaupt hat es noch mitkonkreten Gegenstnden, Gott, Natur, Geist, in ihrenGedanken zu tun, aber die Logik beschftigt sichganz nur mit diesen fr sich in ihrer vollstndigenAbstraktion. Diese Logik pflegt darum dem Studiumder Jugend zunchst anheimzufallen, als welche nochnicht in die Interessen des konkreten Lebens eingetre-ten ist, in der Mue in Rcksicht derselben lebt undnur erst fr ihren subjektiven Zweck mit der Erwer-bung der Mittel und der Mglichkeit, in den Objektenjener Interessen ttig zu werden, sich und mit diesenselbst noch theoretisch zu beschftigen hat. Unterdiese Mittel wird im Widerspiele von der angefhrten

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  • 39696 18Hegel: Wissenschaft der Logik

    Vorstellung des Aristoteles die logische Wissenschaftgerechnet; die Bemhung mit derselben ist eine vor-lufige Arbeit, ihr Ort die Schule, auf welche erst derErnst des Lebens und die Ttigkeit fr die wahrhaftenZwecke folgen soll. Im Leben geht es zum Gebrauchder Kategorien; sie werden von der Ehre, fr sich be-trachtet zu werden, dazu herabgesetzt, in dem geisti-gen Betrieb lebendigen Inhalts in dem Erschaffen undAuswechseln der darauf bezglichen Vorstellungenzu dienen teils als Abbreviaturen durch ihre Allge-meinheit; denn welche unendliche Menge von Einzel-heiten des uerlichen Daseins und der Ttigkeit fatdie Vorstellung: Schlacht, Krieg, Volk oder Meer,Tier usf. in sich zusammen; wie ist in der Vorstel-lung: Gott oder Liebe usf. in die Einfachheit solchenVorstellens eine unendliche Menge von Vorstellun-gen, Ttigkeit, Zustnden usf. epitomiert!, teils zurnheren Bestimmung und Findung der gegenstndli-chen Verhltnisse, wobei aber Gehalt und Zweck, dieRichtigkeit und Wahrheit des sich einmischendenDenkens ganz von dem Vorhandenen selbst abhngiggemacht ist und den Denkbestimmungen fr sichkeine inhaltbestimmende Wirksamkeit zugeschriebenwird. Solcher Gebrauch der Kategorien, der vorhindie natrliche Logik genannt worden ist, ist bewut-los; und wenn ihnen in wissenschaftlicher Reflexiondas Verhltnis, als Mittel zu dienen, im Geiste ange-

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  • 39697 19Hegel: Wissenschaft der Logik

    wiesen wird, so wird das Denken berhaupt zu etwasden anderen geistigen Bestimmungen Untergeordne-tem gemacht. Von unseren Empfindungen, Trieben,Interessen sagen wir nicht wohl, da sie uns dienen,sondern sie gelten als selbstndige Krfte und Mch-te, so da wir dies selbst sind, so zu empfinden, dieszu begehren und zu wollen, in dies unser Interesse zulegen. Aber wieder kann es vielmehr unser Bewut-sein werden, da wir im Dienste unserer Gefhle,Triebe, Leidenschaften, Interessen, ohnehin von Ge-wohnheiten stehen, als da wir sie im Besitz haben,noch weniger, da sie bei unserer innigen Einheit mitihnen uns als Mittel dienen. Dergleichen Bestimmun-gen des Gemts und Geistes zeigen sich uns bald alsbesondere im Gegensatze gegen die Allgemeinheit,als die wir uns bewut werden, in der wir unsere Frei-heit haben, und [wir] halten dafr, in diesen Beson-derheiten vielmehr befangen zu sein, von ihnen be-herrscht zu werden. Sonach knnen wir dann viel we-niger dafr halten, da die Denkformen, die sichdurch alle unsere Vorstellungen diese seien blotheoretisch oder enthalten einen Stoff, der der Empfin-dung, dem Triebe, dem Willen angehrt hindurch-ziehen, uns dienen, da wir sie und sie nicht vielmehruns im Besitz haben; was ist uns brig gegen sie, wiesollen wir, ich mich als das Allgemeinere ber siehinausstellen, sie, die selbst das Allgemeine als sol-

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  • 39698 20Hegel: Wissenschaft der Logik

    ches sind? Wenn wir uns in eine Empfindung, Zweck,Interesse legen und uns darin beschrnkt, unfrei fh-len, so ist der Ort, in den wir [uns] daraus heraus- undin die Freiheit zurckzuziehen vermgen, dieser Ortder Gewiheit seiner selbst, der reinen Abstraktion,des Denkens. Oder ebenso, wenn wir von den Dingensprechen wollen, so nennen wir die Natur oder dasWesen derselben ihren Begriff, und dieser ist nur frdas Denken; von den Begriffen der Dinge aber werdenwir noch viel weniger sagen, da wir sie beherrschenoder da die Denkbestimmungen, von denen sie derKomplex sind, uns dienen; im Gegenteil mu sichunser Denken nach ihnen beschrnken, und unsereWillkr oder Freiheit soll sie nicht nach sich zurich-ten wollen. Insofern also das subjektive Denken unsereigenstes, innerlichstes Tun ist und der objektive Be-griff der Dinge die Sache selbst ausmacht, so knnenwir aus jenem Tun nicht heraus sein, nicht ber dem-selben stehen, und ebensowenig knnen wir ber dieNatur der Dinge hinaus. Von der letzteren Bestim-mung jedoch knnen wir absehen; sie fllt mit der er-steren insofern zusammen, da sie eine Beziehung un-serer Gedanken auf die Sache, aber nur etwas Leeresergbe, weil die Sache damit als Regel fr unsere Be-griffe aufgestellt werden wrde, aber eben die Sachefr uns nichts anderes als unsere Begriffe von ihr seinkann. Wenn die kritische Philosophie das Verhltnis

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  • 39699 21Hegel: Wissenschaft der Logik

    dieser drei terminorum so versteht, da wir die Ge-danken zwischen uns und die Sachen als Mitte stel-len in dem Sinne, da diese Mitte uns von den Sa-chen vielmehr abschliet, statt uns mit denselben zu-sammenzuschlieen, so ist dieser Ansicht die einfacheBemerkung entgegenzusetzen, da eben diese Sachen,die jenseits unserer und jenseits der sich auf sie bezie-henden Gedanken auf dem anderen Extreme stehensollen, selbst Gedankendinge und, als ganz unbe-stimmte, nur ein Gedankending, das sogenannteDing-an-sich der leeren Abstraktion selbst sind.

    Doch dies mag fr den Gesichtspunkt gengen, auswelchem das Verhltnis verschwindet, nach welchemdie Denkbestimmungen nur als zum Gebrauch und alsMittel genommen werden; wichtiger ist das weiterdamit Zusammenhngende, nach welchem sie als u-ere Formen gefat zu werden pflegen. Die uns alleVorstellungen, Zwecke, Interessen und Handlungendurchwirkende Ttigkeit des Denkens ist, wie gesagt,bewutlos geschftig (die natrliche Logik); wasunser Bewutsein vor sich hat, ist der Inhalt, die Ge-genstnde der Vorstellungen, das, womit das Interesseerfllt ist; die Denkbestimmungen gelten nach diesemVerhltnis als Formen, die nur an dem Gehalt, nichtder Gehalt selbst seien. Wenn es aber an dem ist, wasvorhin angegeben worden und was sonst im allgemei-nen zugestanden wird, da die Natur, das eigentmli-

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  • 39700 22Hegel: Wissenschaft der Logik

    che Wesen, das wahrhaft Bleibende und Substantiellebei der Mannigfaltigkeit und Zuflligkeit des Erschei-nens und der vorbergehenden uerung der Begriffder Sache, das in ihr selbst Allgemeine ist, wie jedesmenschliche Individuum, [ob]zwar ein unendlich ei-gentmliches, das Prius aller seiner Eigentmlichkeitdarin, Mensch zu sein, in sich hat, wie jedes einzelneTier das Prius, Tier zu sein, so wre nicht zu sagen,was, wenn diese Grundlage aus dem mit noch so viel-fachen sonstigen Prdikaten Ausgersteten wegge-nommen wrde, ob sie gleich wie die anderen ein Pr-dikat genannt werden kann, was so ein Individuumnoch sein sollte. Die unerlliche Grundlage, der Be-griff, das Allgemeine, das der Gedanke, insofern mannur von der Vorstellung bei dem Worte Gedankeabstrahieren kann, selbst ist, kann nicht nur als einegleichgltige Form, die an einem Inhalte sei, angese-hen werden. Aber diese Gedanken aller natrlichenund geistigen Dinge, selbst der substantielle Inhalt,sind noch ein solcher, der vielfache Bestimmtheitenenthlt und noch den Unterschied einer Seele undeines Leibes, des Begriffs und einer relativen Realittan ihm hat; die tiefere Grundlage ist die Seele frsich, der reine Begriff, der das Innerste der Gegen-stnde, ihr einfacher Lebenspuls, wie selbst des sub-jektiven Denkens derselben ist. Diese logische Natur,die den Geist beseelt, in ihm treibt und wirkt, zum

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  • 39701 23Hegel: Wissenschaft der Logik

    Bewutsein zu bringen, dies ist die Aufgabe. Das in-stinktartige Tun unterscheidet sich von dem intelli-genten und freien Tun dadurch berhaupt, da diesesmit Bewutsein geschieht; indem der Inhalt des Trei-benden heraus aus der unmittelbaren Einheit mit demSubjekte zur Gegenstndlichkeit vor dieses gebrachtist, beginnt die Freiheit des Geistes, der in dem in-stinktweisen Wirken des Denkens, befangen in denBanden seiner Kategorien, in einen unendlich man-nigfachen Stoff zersplittert ist. In diesem Netze schr-zen sich hin und wieder festere Knoten, welche dieAnhalts- und Richtungspunkte seines Lebens und Be-wutseins sind, sie verdanken ihre Festigkeit undMacht eben dem, da sie, vor das Bewutsein ge-bracht, an und fr sich seiende Begriffe seiner Wesen-heit sind. Der wichtigste Punkt fr die Natur des Gei-stes ist das Verhltnis nicht nur dessen, was er ansich ist, zu dem, was er wirklich ist, sondern dessen,als was er sich wei, dieses Sichwissen ist darum,weil er wesentlich Bewutsein [ist]. Grundbestim-mung seiner Wirklichkeit. Diese Kategorien, die nurinstinktmig als Triebe wirksam sind und zunchstvereinzelt, damit vernderlich und sich verwirrend indas Bewutsein des Geistes gebracht [sind] und ihmso eine vereinzelte und unsichere Wirklichkeit gewh-ren, zu reinigen und ihn damit in ihnen zur Freiheitund Wahrheit zu erheben, dies ist also das hhere lo-

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  • 39702 24Hegel: Wissenschaft der Logik

    gische Geschft.Was wir als Anfang der Wissenschaft, dessen

    hoher Wert fr sich und zugleich als Bedingung derwahrhaften Erkenntnis vorhin anerkannt worden ist,angaben, die Begriffe und die Momente des Begriffsberhaupt, die Denkbestimmungen zunchst als For-men, die von dem Stoffe verschieden und nur an ihmseien, zu behandeln, dies gibt sich sogleich an sichselbst als ein zur Wahrheit, die als Gegenstand undZweck der Logik angegeben wird, unangemessenesVerhalten kund. Denn so als bloe Formen, als ver-schieden von dem Inhalte, werden sie in einer Bestim-mung stehend angenommen, die sie zu endlichenstempelt und die Wahrheit, die in sich unendlich ist,zu fassen unfhig macht. Mag das Wahre sonst, inwelcher Rcksicht es sei, wieder mit Beschrnkungund Endlichkeit vergesellschaftet sein, dies ist dieSeite seiner Negation, seiner Unwahrheit und Unwirk-lichkeit, eben seines Endes, nicht der Affirmation,welche es als Wahres ist. Gegen die Kahlheit der bloformellen Kategorien hat der Instinkt der gesundenVernunft sich endlich so erstarkt gefhlt, da er ihreKenntnis mit Verachtung dem Gebiete einer Schullo-gik und Schulmetaphysik berlt, zugleich mit derMiachtung des Wertes, den schon das Bewutseindieser Fden fr sich hat, und mit der Bewutlosig-keit, in dem instinktartigen Tun natrlicher Logik,

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  • 39703 25Hegel: Wissenschaft der Logik

    noch mehr in dem reflektierten Verwerfen der Kennt-nis und Erkenntnis der Denkbestimmungen selbst, imDienste des ungereinigten und damit unfreien Den-kens gefangen zu sein. Die einfdle Grundbestim-mung oder gemeinschaftliche Formbestimmung derSammlung solcher Formen ist die Identitt, die alsGesetz, als A = A, als Satz des Widerspruchs in derLogik dieser Sammlung behauptet wird. Die gesundeVernunft hat ihre Ehrerbietung vor der Schule, die imBesitze solcher Gesetze der Wahrheit [ist] und in dersie noch immer so fortgefhrt werden, so sehr verlo-ren, da sie dieselbe darob verlacht und einen Men-schen, der nach solchen Gesetzen wahrhaft zu spre-chen wei: die Pflanze ist eine Pflanze, die Wis-senschaft ist die Wissenschaft und so fort ins Un-endliche, fr unertrglich hlt. ber die Formelnauch, welche die Regeln des Schlieens [angeben],das in der Tat ein Hauptgebrauch des Verstandes ist,hat sich so ungerecht es ist zu verkennen, da sieihr Feld in der Erkenntnis haben, worin sie geltenmssen, und zugleich, da sie wesentliches Materialfr das Denken der Vernunft sind das ebenso ge-rechte Bewutsein festgesetzt, da sie gleichgltigeMittel wenigstens ebensosehr des Irrtums und der So-phisterei sind und, wie man auch sonst die Wahrheitbestimmen mag, fr die hhere, z.B. die religiseWahrheit unbrauchbar sind, da sie berhaupt nur

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  • 39704 26Hegel: Wissenschaft der Logik

    eine Richtigkeit der Erkenntnisse, nicht die Wahrheitbetreffen.

    Die Unvollstndigkeit dieser Weise, das Denken zubetrachten, welche die Wahrheit auf der Seite lt, istallein dadurch zu ergnzen, da nicht blo das, waszur ueren Form gerechnet zu werden pflegt, sondernder Inhalt mit in die denkende Betrachtung gezogenwird. Es zeigt sich von selbst bald, da, was in dernchsten gewhnlichsten Reflexion als Inhalt von derForm geschieden wird, in der Tat nicht formlos, nichtbestimmungslos in sich sein soll so wre er nur dasLeere, etwa die Abstraktion des Dings-an-sich , daer vielmehr Form in ihm selbst, ja durch sie allein Be-seelung und Gehalt hat und da sie selbst es ist, dienur in den Schein eines Inhalts sowie damit auch inden Schein eines an diesem Scheine uerlichen um-schlgt. Mit dieser Einfhrung des Inhalts in die logi-sche Betrachtung sind es nicht die Dinge, sondern dieSache, der Begriff der Dinge, welcher Gegenstandwird. Hierbei kann man aber auch daran erinnert wer-den, da es eine Menge Begriffe, eine Menge Sachengibt. Wodurch aber diese Menge beschrnkt wird, istteils vorhin gesagt worden, da der Begriff als Gedan-ke berhaupt, als Allgemeines, die unermeliche Ab-breviatur gegen die Einzelheit der Dinge, wie sie [in]ihre[r] Menge dem unbestimmten Anschauen undVorstellen vorschweben, ist; teils aber ist ein Begriff

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  • 39705 27Hegel: Wissenschaft der Logik

    sogleich erstens der Begriff an ihm selbst, und dieserist nur einer und ist die substantielle Grundlage; frsandere aber ist er wohl ein bestimmter Begriff, welcheBestimmtheit an ihm das ist, was als Inhalt erscheint;die Bestimmtheit des Begriffs aber ist eine Formbe-stimmung dieser substantiellen Einheit, ein Momentder Form als Totalitt, des Begriffes selbst, der dieGrundlage der bestimmten Begriffe ist. Dieser wirdnicht sinnlich angeschaut oder vorgestellt; er ist nurGegenstand, Produkt und Inhalt des Denkens und diean und fr sich seiende Sache, der Logos, die Ver-nunft dessen, was ist, die Wahrheit dessen, was denNamen der Dinge fhrt; am wenigsten ist es derLogos, was auerhalb der logischen Wissenschaft ge-lassen werden soll. Es mu darum nicht ein Beliebensein, ihn in die Wissenschaft hereinzuziehen oder ihndrauen zu lassen. Wenn die Denkbestimmungen,welche nur uerliche Formen sind, wahrhaft an ihnenselbst betrachtet werden, kann nur ihre Endlichkeitund die Unwahrheit ihres Fr-sich-sein-Sollens und,als ihre Wahrheit, der Begriff hervorgehen. Daherwird die logische Wissenschaft, indem sie die Denk-bestimmungen, die berhaupt unseren Geist instinkt-artig und bewutlos durchziehen und, selbst indem siein die Sprache hereintreten, ungegenstndlich, unbe-achtet bleiben, abhandelt, auch die Rekonstruktionderjenigen sein, welche durch die Reflexion herausge-

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  • 39706 28Hegel: Wissenschaft der Logik

    hoben und von ihr als subjektive, an dem Stoff undGehalt uere Formen fixiert sind.

    Die Darstellung keines Gegenstandes wre an undfr sich fhig, so streng ganz immanent plastisch zusein als die der Entwicklung des Denkens in seinerNotwendigkeit; keiner fhrte so sehr diese Forderungmit sich; seine Wissenschaft mte darin auch dieMathematik bertreffen, denn kein Gegenstand hat inihm selbst diese Freiheit und Unabhngigkeit. SolcherVortrag erforderte, wie dies in seiner Art in demGange der mathematischen Konsequenz, vorhandenist, da bei keiner Stufe der Entwicklung eine Denk-bestimmung und Reflexion vorkme, die nicht in die-ser Stufe unmittelbar hervorgeht und aus den vorher-gehenden in sie herbergekommen ist. Allein auf sol-che abstrakte Vollkommenheit der Darstellung mufreilich im allgemeinen Verzicht getan werden; schonindem die Wissenschaft mit dem rein Einfachen, hier-mit dem Allgemeinsten und Leersten anfangen mu,liee der Vortrag nur eben diese selbst ganz einfachenAusdrcke des Einfachen ohne allen weiteren Zusatzirgendeines Wortes zu; was der Sache nach stattfin-den drfte, wren negierende Reflexionen, die das ab-zuhalten und zu entfernen sich bemhten, was sonstdie Vorstellung oder ein ungeregeltes Denken einmi-schen knnte. Solche Einflle in den einfachen imma-nenten Gang der Entwicklung sind jedoch fr sich zu-

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  • 39707 29Hegel: Wissenschaft der Logik

    fllig, und die Bemhung, sie abzuwehren, wird somitselbst mit dieser Zuflligkeit behaftet; ohnehin ist esvergeblich, allen solchen Einfllen, eben weil sieauer der Sache liegen, begegnen zu wollen, und we-nigstens wre Unvollstndigkeit das, was hierbei frdie systematische Befriedigung verlangt wrde. Aberdie eigentmliche Unruhe und Zerstreuung unseresmodernen Bewutseins lt es nicht anders zu, alsgleichfalls mehr oder weniger auf naheliegende Refle-xionen und Einflle Rcksicht zu nehmen. Ein plasti-scher Vortrag erfordert dann auch einen plastischenSinn des Aufnehmens und Verstehens; aber solcheplastische Jnglinge und Mnner, so ruhig mit derSelbstverleugnung eigener Reflexionen und Einflle,womit das Selbstdenken sich zu erweisen ungeduldigist, nur der Sache folgende Zuhrer, wie sie Platondichtet, wrden in einem modernen Dialoge nicht auf-gestellt werden knnen; noch weniger drfte auf sol-che Leser gezhlt werden. Im Gegenteil haben sichmir zu hufig und zu heftig solche Gegner gezeigt,welche nicht die einfache Reflexion machen mochten,da ihre Einflle und Einwrfe Kategorien enthalten,welche Voraussetzungen sind und selbst erst der Kri-tik bedrfen, ehe sie gebraucht werden. Die Bewut-losigkeit hierber geht unglaublich weit; sie machtdas Grundmiverstndnis, das ble, d.h. ungebildeteBenehmen, bei einer Kategorie, die betrachtet wird,

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  • 39708 30Hegel: Wissenschaft der Logik

    etwas Anderes zu denken und nicht diese Kategorieselbst. Diese Bewutlosigkeit ist um so weniger zurechtfertigen, als solches Anderes andere Denkbe-stimmungen und Begriffe sind, in einem Systeme derLogik aber eben diese anderen Kategorien gleichfallsihre Stelle mssen gefunden haben und daselbst frsich der Betrachtung werden unterworfen sein. Amauffallendsten ist dies in der berwiegenden Mengevon Einwrfen und Angriffen auf die ersten Begriffeoder Stze der Logik, das Sein und Nichts und dasWerden, als welches, selbst eine einfache Bestim-mung, wohl unbestritten die einfachste Analysezeigt dies jene beiden Bestimmungen als Momenteenthlt. Die Grndlichkeit scheint zu erfordern, denAnfang als den Grund, worauf alles gebaut sei, allemvoraus zu untersuchen, ja nicht weiterzugehen, als biser sich fest erwiesen hat, im Gegenteil vielmehr, wenndies nicht der Fall ist, alles noch Folgende zu verwer-fen. Diese Grndlichkeit hat zugleich den Vorteil, diegrte Erleichterung fr das Denkgeschft zu gewh-ren; sie hat die ganze Entwicklung in diesen Keimeingeschlossen vor sich und hlt sich fr mit allemfertig, wenn sie mit diesem fertig ist, der das Leichte-ste zum Abtun ist, denn er ist das Einfachste, das Ein-fdle selbst; es ist die geringe Arbeit, die erforderlichist, wodurch sich diese so selbstzufriedene Grndlich-keit wesentlich empfiehlt. Diese Beschrnkung auf

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  • 39709 31Hegel: Wissenschaft der Logik

    das Einfache lt der Willkr des Denkens, das frsich nicht einfach bleiben will, sondern seine Refle-xionen darber anbringt, freien Spielraum. Mit demguten Rechte, sich zuerst nur mit dem Prinzip zu be-schftigen und damit sich auf das Weitere nicht ein-zulassen, tut diese Grndlichkeit in ihrem Geschfteselbst das Gegenteil hiervon, vielmehr das Weitere, d.i. andere Kategorien, als nur das Prinzip ist, andereVoraussetzungen und Vorurteile herbeizubringen.Solche Voraussetzungen, da die Unendlichkeit ver-schieden von der Endlichkeit, der Inhalt etwas anderesals die Form, das Innere ein anderes als das uere,die Vermittlung ebenso nicht die Unmittelbarkeit sei,als ob einer dergleichen nicht wte, werden zugleichbelehrungsweise vorgebracht und nicht sowohl bewie-sen als erzhlt und versichert. In solchem Belehren alsBenehmen liegt man kann es nicht anders nennen eine Albernheit; der Sache nach aber teils das Unbe-rechtigte, dergleichen nur vorauszusetzen und gerade-zu anzunehmen, teils aber noch mehr die Unwissen-heit, da es das Bedrfnis und Geschft des logischenDenkens ist, eben dies zu untersuchen, ob denn so einEndliches ohne Unendlichkeit etwas Wahres ist,ebenso [ob] solche abstrakte Unendlichkeit, ferner einformloser Inhalt und eine inhaltslose Form, so ein In-neres fr sich, das keine uerung hat, eine uer-lichkeit ohne Innerlichkeit usf. etwas Wahres, ebenso

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  • 39710 32Hegel: Wissenschaft der Logik

    etwas Wirkliches ist. Aber diese Bildung und Zuchtdes Denkens, durch welche ein plastisches Verhaltendesselben bewirkt und die Ungeduld der einfallendenReflexion berwunden wrde, wird allein durch dasWeitergehen, das Studium und die Produktion derganzen Entwicklung verschafft.

    Bei der Erwhnung Platonischer Darstellung kann,wer ein selbstndiges Gebude philosophischer Wis-senschaft in modernen Zeiten neu aufzufhren arbei-tet, an die Erzhlung erinnert werden, da Platonseine Bcher ber den Staat siebenmal umgearbeitethabe. Die Erinnerung hieran, eine Vergleichung, inso-fern sie eine solche in sich zu schlieen schiene, drf-te nur um so mehr bis zu dem Wunsche treiben, dafr ein Werk, das, als der modernen Welt angehrig,ein tieferes Prinzip, einen schwereren Gegenstand undein Material von reicherem Umfang zur Verarbeitungvor sich hat, die freie Mue, es siebenundsiebzigmaldurchzuarbeiten, gewhrt gewesen wre. So abermute der Verfasser, indem er es im Angesicht derGre der Aufgabe betrachtet, sich mit dem begn-gen, was es hat werden mgen, unter den Umstndeneiner uerlichen Notwendigkeit, der unabwendbarenZerstreuung durch die Gre und Vielseitigkeit derZeitinteressen, sogar unter dem Zweifel, ob der lauteLrm des Tages und die betubende Geschwtzigkeitder Einbildung, die auf denselben sich zu beschrnken

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  • 39711 33Hegel: Wissenschaft der Logik

    eitel ist, noch Raum fr die Teilnahme an der leiden-schaftslosen Stille der nur denkenden Erkenntnis offenlasse.

    Berlin, den 7. November 1831

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  • 39712 34Hegel: Wissenschaft der Logik

    Einleitung

    Allgemeiner Begriff der Logik

    Es fhlt sich bei keiner Wissenschaft strker dasBedrfnis, ohne vorangehende Reflexionen von derSache selbst anzufangen, als bei der logischen Wis-senschaft. In jeder anderen ist der Gegenstand, den siebehandelt, und die wissenschaftliche Methode vonein-ander unterschieden; so wie auch der Inhalt nichteinen absoluten Anfang macht, sondern von anderenBegriffen abhngt und um sich herum mit anderemStoffe zusammenhngt. Diesen Wissenschaften wirdes daher zugegeben, von ihrem Boden und dessen Zu-sammenhang sowie von der Methode nur lemmati-scher Weise zu sprechen, die als bekannt und ange-nommen vorausgesetzten Formen von Definitionenund dergleichen ohne weiteres anzuwenden und sichder gewhnlichen Art des Rsonnements zur Festset-zung ihrer allgemeinen Begriffe und Grundbestim-mungen zu bedienen.

    Die Logik dagegen kann keine dieser Formen derReflexion oder Regeln und Gesetze des Denkens vor-aussetzen, denn sie machen einen Teil ihres Inhaltsselbst aus und haben erst innerhalb ihrer begrndet zuwerden. Nicht nur aber die Angabe der wissenschaft-

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  • 39713 35Hegel: Wissenschaft der Logik

    lichen Methode, sondern auch der Begriff selbst derWissenschaft berhaupt gehrt zu ihrem Inhalte, undzwar macht er ihr letztes Resultat aus; was sie ist,kann sie daher nicht voraussagen, sondern ihre ganzeAbhandlung bringt dies Wissen von ihr selbst erst alsihr Letztes und als ihre Vollendung hervor. Gleich-falls ihr Gegenstand, das Denken oder bestimmter dasbegreifende Denken, wird wesentlich innerhalb ihrerabgehandelt; der Begriff desselben erzeugt sich inihrem Verlaufe und kann somit nicht vorausgeschicktwerden. Was daher in dieser Einleitung vorausge-schickt wird, hat nicht den Zweck, den Begriff derLogik etwa zu begrnden oder den Inhalt und die Me-thode derselben zum voraus wissenschaftlich zu recht-fertigen, sondern durch einige Erluterungen und Re-flexionen in rsonierendem und historischem Sinneden Gesichtspunkt, aus welchem diese Wissenschaftzu betrachten ist, der Vorstellung nherzubringen.

    Wenn die Logik als die Wissenschaft des Denkensim allgemeinen angenommen wird, so wird dabei ver-standen, da dies Denken die bloe Form einer Er-kenntnis ausmache, da die Logik von allem Inhalteabstrahiere und das sogenannte zweite Bestandstck,das zu einer Erkenntnis gehre, die Materie, anders-woher gegeben werden msse, da somit die Logik,als von welcher diese Materie ganz und gar unabhn-gig sei, nur die formalen Bedingungen wahrhafter Er-

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  • 39714 36Hegel: Wissenschaft der Logik

    kenntnis angeben, nicht aber reale Wahrheit selbstenthalten, noch auch nur der Weg zu realer Wahrheitsein knne, weil gerade das Wesentliche der Wahr-heit, der Inhalt, auer ihr liege.

    Frs erste aber ist es schon ungeschickt zu sagen,da die Logik von allem Inhalte abstrahiere, da sienur die Regeln des Denkens lehre, ohne auf das Ge-dachte sich einzulassen und auf dessen BeschaffenheitRcksicht nehmen zu knnen. Denn da das Denkenund die Regeln des Denkens ihr Gegenstand sein sol-len, so hat sie ja unmittelbar daran ihren eigentmli-chen Inhalt; sie hat daran auch jenes zweite Bestand-stck der Erkenntnis, eine Materie, um deren Beschaf-fenheit sie sich bekmmert.

    Allein zweitens sind berhaupt die Vorstellungen,auf denen der Begriff der Logik bisher beruhte, teilsbereits untergegangen, teils ist es Zeit, da sie voll-ends verschwinden, da der Standpunkt dieser Wis-senschaft hher gefat werde und da sie eine vlligvernderte Gestalt gewinne.

    Der bisherige Begriff der Logik beruht auf der imgewhnlichen Bewutsein ein fr allemal vorausge-setzten Trennung des Inhalts der Erkenntnis und derForm derselben, oder der Wahrheit und der Gewi-heit. Es wird erstens vorausgesetzt, da der Stoff desErkennens als eine fertige Welt auerhalb des Den-kens an und fr sich vorhanden, da das Denken fr

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  • 39715 37Hegel: Wissenschaft der Logik

    sich leer sei, als eine Form uerlich zu jener Materiehinzutrete, sich damit erflle, erst daran einen Inhaltgewinne und dadurch ein reales Erkennen werde.

    Alsdann stehen diese beiden Bestandteile (denn siesollen das Verhltnis von Bestandteilen haben, unddas Erkennen wird aus ihnen mechanischer- oderhchstens chemischerweise zusammengesetzt) in die-ser Rangordnung gegeneinander, da das Objekt einfr sich Vollendetes, Fertiges sei, das des Denkens zuseiner Wirklichkeit vollkommen entbehren knne,dahingegen das Denken etwas Mangelhaftes sei, dassich erst an einem Stoffe zu vervollstndigen, undzwar als eine weiche unbestimmte Form sich seinerMaterie angemessen zu machen habe. Wahrheit ist diebereinstimmung des Denkens mit dem Gegenstande,und es soll, um diese bereinstimmung hervorzubrin-gen denn sie ist nicht an und fr sich vorhanden ,das Denken nach dem Gegenstande sich fgen undbequemen.

    Drittens, indem die Verschiedenheit der Materieund der Form, des Gegenstandes und des Denkensnicht in jener nebligen Unbestimmtheit gelassen, son-dern bestimmter genommen wird, so ist jede eine vonder anderen geschiedene Sphre. Das Denken kommtdaher in seinem Empfangen und Formieren des Stoffsnicht ber sich hinaus, sein Empfangen und sich nachihm Bequemen bleibt eine Modifikation seiner selbst,

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  • 39716 38Hegel: Wissenschaft der Logik

    es wird dadurch nicht zu seinem Anderen; und dasselbstbewute Bestimmen gehrt ohnedies nur ihman; es kommt also auch in seiner Beziehung auf denGegenstand nicht aus sich heraus zu dem Gegenstan-de: dieser bleibt als ein Ding an sich schlechthin einJenseits des Denkens.

    Diese Ansichten ber das Verhltnis des Subjektsund Objekts zueinander drcken die Bestimmungenaus, welche die Natur unseres gewhnlichen, des er-scheinenden Bewutseins ausmachen; aber diese Vor-urteile, in die Vernunft bertragen, als ob in ihr das-selbe Verhltnis stattfinde, als ob dieses Verhltnis anund fr sich Wahrheit habe, so sind sie die Irrtmer,deren durch alle Teile des geistigen und natrlichenUniversums durchgefhrte Widerlegung die Philoso-phie ist oder die vielmehr, weil sie den Eingang in diePhilosophie versperren, vor derselben abzulegen sind.

    Die ltere Metaphysik hatte in dieser Rcksichteinen hheren Begriff von dem Denken, als in derneueren Zeit gang und gbe geworden ist. Jene legtenmlich zugrunde, da das, was durchs Denken vonund an den Dingen erkannt werde, das allein an ihnenwahrhaft Wahre sei, somit nicht sie in ihrer Unmittel-barkeit, sondern sie erst in die Form des Denkens er-hoben, als Gedachte. Diese Metaphysik hielt somitdafr, da das Denken und die Bestimmungen desDenkens nicht ein den Gegenstnden Fremdes, son-

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  • 39717 39Hegel: Wissenschaft der Logik

    dern vielmehr deren Wesen sei oder da die Dingeund das Denken derselben (wie auch unsere Spracheeine Verwandtschaft derselben ausdrckt) an und frsich bereinstimmen, da das Denken in seinen im-manenten Bestimmungen und die wahrhafte Natur derDinge ein und derselbe Inhalt sei.

    Aber der reflektierende Verstand bemchtigte sichder Philosophie. Es ist genau zu wissen, was dieserAusdruck sagen will, der sonst vielfach als Schlag-wort gebraucht wird; es ist berhaupt darunter der ab-strahierende und damit trennende Verstand zu verste-hen, der in seinen Trennungen beharrt. Gegen dieVernunft gekehrt, betrgt er sich als gemeiner Men-schenverstand und macht seine Ansicht geltend, dadie Wahrheit auf sinnlicher Realitt beruhe, da dieGedanken nur Gedanken seien, in dem Sinne, da erstdie sinnliche Wahrnehmung ihnen Gehalt und Reali-tt gebe, da die Vernunft, insofern sie an und frsich bleibe, nur Hirngespinste erzeuge. In diesemVerzichttun der Vernunft auf sich selbst geht der Be-griff der Wahrheit verloren; sie ist darauf einge-schrnkt, nur subjektive Wahrheit, nur die Erschei-nung zu erkennen, nur etwas, dem die Natur derSache selbst nicht entspreche; das Wissen ist zur Mei-nung zurckgefallen.

    Diese Wendung jedoch, welche das Erkennennimmt und die als Verlust und Rckschritt erscheint,

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  • 39718 40Hegel: Wissenschaft der Logik

    hat das liefere zum Grunde, worauf berhaupt die Er-hebung der Vernunft in den hheren Geist der neuerenPhilosophie beruht. Der Grund jener allgemein ge-wordenen Vorstellung ist nmlich in der Einsicht vondem notwendigen Widerstreite der Bestimmungendes Verstandes mit sich selbst zu suchen. Die schonnamhaft gemachte Reflexion ist dies, ber das kon-krete Unmittelbare hinauszugehen und dasselbe zubestimmen und zu trennen. Aber sie mu ebensosehrber diese ihre trennenden Bestimmungen hinausge-hen und sie zunchst beziehen. Auf dem Standpunktedieses Beziehens tritt der Widerstreit derselben her-vor. Dieses Beziehen der Reflexion gehrt an sich derVernunft an; die Erhebung ber jene Bestimmungen,die zur Einsicht des Widerstreits derselben gelangt,ist der groe negative Schritt zum wahrhaften Begriffeder Vernunft. Aber die nicht durchgefhrte Einsichtfllt in den Miverstand, als ob die Vernunft es sei,welche in Widerspruch mit sich gerate; sie erkenntnicht, da der Widerspruch eben das Erheben derVernunft ber die Beschrnkungen des Verstandesund das Auflsen derselben ist. Statt von hier aus denletzten Schritt in die Hhe zu tun, ist die Erkenntnisvon dem Unbefriedigenden der Verstandesbestim-mungen zu der sinnlichen Existenz zurckgeflohen,an derselben das Feste und Einige zu haben vermei-nend. Indem aber auf der ndern Seite diese Erkennt-

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  • 39719 41Hegel: Wissenschaft der Logik

    nis sich als die Erkenntnis nur von Erscheinendemwei, wird das Unbefriedigende derselben eingestan-den, aber zugleich vorausgesetzt, als ob zwar nichtdie Dinge an sich, aber doch innerhalb der Sphre derErscheinung richtig erkannt wrde, als ob dabeigleichsam nur die Art der Gegenstnde verschiedenwre und die eine Art, nmlich die Dinge an sich,zwar nicht, aber doch die andere Art, nmlich die Er-scheinungen, in die Erkenntnis fielen. Wie wenneinem Manne richtige Einsicht beigemessen wrde,mit dem Zusatz, da er jedoch nichts Wahres, sondernnur Unwahres einzusehen fhig sei. So ungereimt dasletztere wre, so ungereimt ist eine wahre Erkenntnis,die den Gegenstand nicht erkennte, wie er an sich ist.

    Die Kritik der Formen des Verstandes hat das an-gefhrte Resultat gehabt, da diese Formen keine An-wendung auf die Dinge an sich haben. Dies kannkeinen anderen Sinn haben, als da diese Formen anihnen selbst etwas Unwahres sind. Allein indem siefr die sujektive Vernunft und fr die Erfahrung alsgeltend gelassen werden, so hat die Kritik keine n-derung an ihnen selbst bewirkt, sondern lt sie frdas Subjekt in derselben Gestalt, wie sie sonst fr dasObjekt galten. Wenn sie aber ungengend fr dasDing an sich sind, so mte der Verstand, dem sie an-gehren sollen, noch weniger dieselben sich gefallenlassen und damit vorlieb nehmen wollen. Wenn sie

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  • 39720 42Hegel: Wissenschaft der Logik

    nicht Bestimmungen des Dinges an sich sein knnen,so knnen sie noch weniger Bestimmungen des Ver-standes sein, dem wenigstens die Wrde eines Dingsan sich zugestanden werden sollte. Die Bestimmun-gen des Endlichen und Unendlichen sind in demsel-ben Widerstreit, es sei, da sie auf Zeit und Raum,auf die Welt angewendet werden oder da sie Bestim-mungen innerhalb des Geistes seien, so gut alsschwarz und wei ein Grau geben, ob sie an einerWand oder aber noch auf der Palette miteinander ver-einigt werden. Wenn unsere Weltvorstellung sich auf-lst, indem die Bestimmungen des Unendlichen undEndlichen auf sie bertragen werden, so ist noch mehrder Geist selbst, welcher sie beide in sich enthlt, einin sich selbst Widersprechendes, ein sich Auflsen-des. Es ist nicht die Beschaffenheit des Stoffes oderGegenstandes, worauf sie angewendet wrden oder indem sie sich befnden, was einen Unterschied ausma-chen kann; denn der Gegenstand hat nur durch undnach jenen Bestimmungen den Widerspruch an ihm.

    Jene Kritik hat also die Formen des objektivenDenkens nur vom Ding entfernt, aber sie im Subjektgelassen, wie sie sie vorgefunden. Sie hat dabei nm-lich diese Formen nicht an und fr sich selbst, nachihrem eigentmlichen Inhalt betrachtet, sondern sielemmatisch aus der subjektiven Logik geradezu auf-genommen; so da [nicht] von einer Ableitung ihrer

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  • 39721 43Hegel: Wissenschaft der Logik

    an ihnen selbst oder auch einer Ableitung derselbenals subjektiv-logischer Formen, noch weniger abervon der dialektischen Betrachtung derselben die Redewar.

    Der konsequenter durchgefhrte transzendentaleIdealismus hat die Nichtigkeit des von der kritischenPhilosophie noch briggelassenen Gespensts desDings-an-sich, dieses abstrakten, von allem Inhaltabgeschiedenen Schattens erkannt und den Zweck ge-habt, ihn vollends zu zerstren. Auch machte diesePhilosophie den Anfang, die Vernunft aus sich selbstihre Bestimmungen darstellen zu lassen. Aber diesubjektive Haltung dieses Versuchs lie ihn nicht zurVollendung kommen. Fernerhin ist diese Haltung undmit ihr auch jener Anfang und die Ausbildung der rei-nen Wissenschaft aufgegeben worden.

    Ganz ohne Rcksicht auf metaphysische Bedeu-tung aber wird dasjenige betrachtet, was gemeinhinunter Logik verstanden wird. Diese Wissenschaft, indem Zustande, worin sie sich noch befindet, hat frei-lich keinen Inhalt der Art, wie er als Realitt und alseine wahrhafte Sache in dem gewhnlichen Bewut-sein gilt. Aber sie ist nicht aus diesem Grunde eineformelle, inhaltsvoller Wahrheit entbehrende Wissen-schaft. In jenem Stoffe, der in ihr vermit [wird], wel-chem Mangel das Unbefriedigende derselben zuge-schrieben zu werden pflegt, ist ohnehin das Gebiet der

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  • 39722 44Hegel: Wissenschaft der Logik

    Wahrheit nicht zu suchen. Sondern das Gehaltlose derlogischen Formen liegt vielmehr allein in der Art, siezu betrachten und zu behandeln. Indem sie als festeBestimmungen auseinanderfallen und nicht in organi-scher Einheit zusammengehalten werden, sind sie toteFormen und haben den Geist in ihnen nicht wohnen,der ihre lebendige konkrete Einheit ist. Damit aberentbehren sie des gediegenen Inhalts, einer Materie,welche Gehalt an sich selbst wre. Der Inhalt, der anden logischen Formen vermit wird, ist nichts anderesals eine feste Grundlage und Konkretion dieser ab-strakten Bestimmungen; und ein solches substantiel-les Wesen pflegt fr sie auen gesucht zu werden.Aber die logische Vernunft selbst ist das Substantielleoder Reelle, das alle abstrakten Bestimmungen in sichzusammenhlt und ihre gediegene, absolut-konkreteEinheit ist. Nach dem also, was eine Materie genanntzu werden pflegt, brauchte nicht weit gesucht zu wer-den; es ist nicht Schuld des Gegenstandes der Logik,wenn sie gehaltlos sein soll, sondern allein der Art,wie derselbe gefat wird.

    Diese Reflexion fhrt nher auf die Angabe desStandpunkts, nach welchem die Logik zu betrachtenist, inwiefern er sich von der bisherigen Behandlungs-weise dieser Wissenschaft unterscheidet und der alleinwahrhafte Standpunkt ist, auf den sie in Zukunft frimmer zu stellen ist.

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  • 39723 45Hegel: Wissenschaft der Logik

    In der Phnomenologie des Geistes habe ich dasBewutsein in seiner Fortbewegung von dem erstenunmittelbaren Gegensatz seiner und des Gegenstandesbis zum absoluten Wissen dargestellt. Dieser Weggeht durch alle Formen des Verhltnisses des Be-wutseins zum Objekte durch und hat den Begriff derWissenschaft zu seinem Resultate. Dieser Begriff be-darf also (abgesehen davon, da er innerhalb derLogik selbst hervorgeht) hier keiner Rechtfertigung,weil er sie daselbst erhalten hat; und er ist keiner an-deren Rechtfertigung fhig als nur dieser Hervorbrin-gung desselben durch das Bewutsein, dem sich seineeigenen Gestalten alle in denselben als in die Wahr-heit auflsen. Eine rsonierende Begrndung oderErluterung des Begriffs der Wissenschaft kann zumhchsten dies leisten, da er vor die Vorstellung ge-bracht und eine historische Kenntnis davon bewirktwerde; aber eine Definition der Wissenschaft odernher der Logik hat ihren Beweis allein in jener Not-wendigkeit ihres Hervorgangs. Eine Definition, mitder irgendeine Wissenschaft den absoluten Anfangmacht, kann nichts anderes enthalten als den be-stimmten, regelrechten Ausdruck von demjenigen,was man sich zugegebener- und bekanntermaenunter dem Gegenstande und Zweck der Wissenschaftvorstellt. Da man sich gerade dies darunter vorstelle,ist eine historische Versicherung, in Ansehung derer

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  • 39724 46Hegel: Wissenschaft der Logik

    man sich allein auf dieses und jenes Anerkannte beru-fen oder eigentlich nur bittweise beibringen kann, daman dies und jenes als anerkannt gelten lassen mge.Es hrt gar nicht auf, da der eine daher, der anderedorther einen Fall und Instanz beibringt, nach derauch noch etwas mehr und anderes bei diesem undjenem Ausdrucke zu verstehen, in dessen Definitionalso noch eine nhere oder allgemeinere Bestimmungaufzunehmen und danach auch die Wissenschaft ein-zurichten sei. Es kommt dabei ferner auf Rsonne-ment an, was alles und bis zu welcher Grenze undUmfang es hereingezogen oder ausgeschlossen wer-den msse; dem Rsonnement selbst aber steht dasmannigfaltigste und verschiedenartigste Dafrhaltenoffen, worber am Ende allein die Willkr eine festeBestimmung abschlieen kann. Bei diesem Verfahren,die Wissenschaft mit ihrer Definition anzufangen,wird von dem Bedrfnis nicht die Rede, da die Not-wendigkeit ihres Gegenstandes und damit ihrer selbstaufgezeigt wrde.

    Der Begriff der reinen Wissenschaft und seine De-duktion wird in gegenwrtiger Abhandlung also inso-fern vorausgesetzt, als die Phnomenologie des Gei-stes nichts anderes als die Deduktion desselben ist.Das absolute Wissen ist die Wahrheit aller Weisendes Bewutseins, weil, wie jener Gang desselben eshervorbrachte, nur in dem absoluten Wissen die Tren-

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  • 39725 47Hegel: Wissenschaft der Logik

    nung des Gegenstandes von der Gewiheit seinerselbst vollkommen sich aufgelst hat und die Wahr-heit dieser Gewiheit sowie diese Gewiheit derWahrheit gleich geworden ist.

    Die reine Wissenschaft setzt somit die Befreiungvon dem Gegensatze des Bewutseins voraus. Sieenthlt den Gedanken, insofern er ebensosehr dieSache an sich selbst ist, oder die Sache an sichselbst, insofern sie ebensosehr der reine Gedanke ist.Als Wissenschaft ist die Wahrheit das reine sich ent-wickelnde Selbstbewutsein und hat die Gestalt desSelbsts, da das an und fr sich Seiende gewuterBegriff, der Begriff als solcher aber das an und frsich Seiende ist. Dieses objektive Denken ist denn derInhalt der reinen Wissenschaft. Sie ist daher so wenigformell, sie entbehrt so wenig der Materie zu einerwirklichen und wahren Erkenntnis, da ihr Inhaltvielmehr allein das absolute Wahre oder, wenn mansich noch des Worts Materie bedienen wollte, diewahrhafte Materie ist eine Materie aber, der dieForm nicht ein uerliches ist, da diese Materie viel-mehr der reine Gedanke, somit die absolute Formselbst ist. Die Logik ist sonach als das System der rei-nen Vernunft, als das Reich des reinen Gedankens zufassen. Dieses Reich ist die Wahrheit, wie sie ohneHlle an und fr sich selbst ist. Man kann sich des-wegen ausdrcken, da dieser Inhalt die Darstellung

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  • 39726 48Hegel: Wissenschaft der Logik

    Gottes ist, wie er in seinem ewigen Wesen vor derErschaffung der Natur und eines endlichen Geistesist.

    Anaxagoras wird als derjenige gepriesen, der zu-erst den Gedanken ausgesprochen habe, da der Nus,der Gedanke, das Prinzip der Welt, da das Wesender Welt als der Gedanke zu bestimmen ist. Er hatdamit den Grund zu einer Intellektualansicht des Uni-versums gelegt, deren reine Gestalt die Logik seinmu. Es ist in ihr nicht um ein Denken ber etwas,das fr sich auer dem Denken zugrunde lge, zu tun,um Formen, welche bloe Merkmale der Wahrheitabgeben sollten; sondern die notwendigen Formenund eigenen Bestimmungen des Denkens sind der In-halt und die hchste Wahrheit selbst.

    Um dies in die Vorstellung wenigstens aufzuneh-men, ist die Meinung auf die Seite zu legen, als ob dieWahrheit etwas Handgreifliches sein msse. SolcheHandgreiflichkeit wird zum Beispiel selbst noch indie Platonischen Ideen, die in dem Denken Gottessind, hineingetragen, als ob sie gleichsam existierendeDinge, aber in einer anderen Welt oder Region seien,auerhalb welcher die Welt der Wirklichkeit sich be-finde und eine von jenen Ideen verschiedene, erstdurch diese Verschiedenheit reale Substantialitthabe. Die Platonische Idee ist nichts anderes als dasAllgemeine oder bestimmter der Begriff des Gegen-

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  • 39727 49Hegel: Wissenschaft der Logik

    standes; nur in seinem Begriffe hat etwas Wirklich-keit; insofern es von seinem Begriffe verschieden ist,hrt es auf, wirklich zu sein, und ist ein Nichtiges; dieSeite der Handgreiflichkeit und des sinnlichen Auer-sichseins gehrt dieser nichtigen Seite an. Von derndern Seite aber kann man sich auf die eigenen Vor-stellungen der gewhnlichen Logik berufen; es wirdnmlich angenommen, da z.B. Definitionen nichtBestimmungen enthalten, die nur ins erkennende Sub-jekt fallen, sondern die Bestimmungen des Gegen-standes, welche seine wesentlichste eigenste Naturausmachen. Oder wenn von gegebenen Bestimmun-gen auf andere geschlossen wird, wird angenommen,da das Erschlossene nicht ein dem Gegenstande u-erliches und Fremdes sei, sondern da es ihm viel-mehr selbst zukomme, da diesem Denken das Seinentspreche. Es liegt berhaupt bei dem Gebraucheder Formen des Begriffs, Urteils, Schlusses, Definiti-on, Division usf. zugrunde, da sie nicht blo Formendes selbstbewuten Denkens sind, sondern auch desgegenstndlichen Verstandes. Denken ist ein Aus-druck, der die in ihm enthaltene Bestimmung vorzugs-weise dem Bewutsein beilegt. Aber insofern gesagtwird, da Verstand, da Vernunft in der gegenstnd-lichen Welt ist, da der Geist und die Natur allgemei-ne Gesetze habe, nach welchen ihr Leben und ihreVernderungen sich machen, so wird zugegeben, da

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  • 39728 50Hegel: Wissenschaft der Logik

    die Denkbestimmungen ebensosehr objektiven Wertund Existenz haben.

    Die kritische Philosophie machte zwar bereits dieMetaphysik zur Logik, aber sie wie der sptere Idea-lismus gab, wie vorhin erinnert worden, aus Angstvor dem Objekt den logischen Bestimmungen einewesentliche subjektive Bedeutung; dadurch bliebensie zugleich mit dem Objekte, das sie flohen, behaftet,und ein Ding-an-sich, ein unendlicher Ansto, bliebals ein Jenseits an ihnen brig. Aber die Befreiungvon dem Gegensatze des Bewutseins, welche dieWissenschaft mu voraussetzen knnen, erhebt dieDenkbestimmungen ber diesen ngstlichen, unvoll-endeten Standpunkt und fordert die Betrachtungderselben, wie sie an und fr sich, ohne eine solcheBeschrnkung und Rcksicht, das Logische, dasRein-Vernnftige sind.

    Kant preist sonst die Logik, nmlich das Aggregatvon Bestimmungen und Stzen, das im gewhnlichenSinne Logik heit, darber glcklich, da ihr vor an-deren Wissenschaften eine so frhe Vollendung zuteilgeworden sei; seit Aristoteles habe sie keinen Rck-schritt getan, aber auch keinen Schritt vorwrts, dasletztere deswegen, weil sie allem Ansehen nach ge-schlossen und vollendet zu sein scheine. Wenn dieLogik seit Aristoteles keine Vernderung erlittenhat wie denn in der Tat die Vernderungen, wenn

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  • 39729 51Hegel: Wissenschaft der Logik

    man die neueren Kompendien der Logik betrachtet,hufig mehr nur in Weglassungen bestehen , so istdaraus eher zu folgern, da sie um so mehr einer tota-len Umarbeitung bedrfe; denn ein zweitausendjhri-ges Fortarbeiten des Geistes mu ihm ein hheres Be-wutsein ber sein Denken und ber seine reine We-senheit in sich selbst verschafft haben. Die Verglei-chung der Gestalten, zu denen sich der Geist der prak-tischen und der religisen Welt und der Geist derWissenschaft in jeder Art reellen und ideellen Be-wutseins emporgehoben hat, mit der Gestalt, in dersich die Logik, sein Bewutsein ber sein reinesWesen, befindet, zeigt einen zu groen Unterschied,als da es nicht der oberflchlichsten Betrachtung so-gleich auffallen sollte, da dies letztere Bewutseinden ersteren Erhebungen durchaus unangemessen undihrer unwrdig ist.

    In der Tat ist das Bedrfnis einer Umgestaltung derLogik lngst gefhlt worden. In der Form und im In-halt, wie sie sich in den Lehrbchern zeigt, ist sie,man darf sagen, in Verachtung gekommen. Sie wirdnoch mitgeschleppt mehr im Gefhle, da eine Logikberhaupt nicht zu entbehren sei, und aus einer nochfortdauernden Gewohnheit an die Tradition von ihrerWichtigkeit als aus berzeugung, da jener gewhn-liche Inhalt und die Beschftigung mit jenen leerenFormen Wert und Nutzen habe.

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  • 39730 52Hegel: Wissenschaft der Logik

    Die Erweiterungen, die ihr durch psychologisches,pdagogisches und selbst physiologisches Materialeine Zeitlang gegeben wurden, sind nachher fr Ver-unstaltungen ziemlich allgemein anerkannt worden.An und fr sich mu ein groer Teil dieser psycholo-gischen, pdagogischen, physiologischen Beobach-tungen, Gesetze und Regeln, sie mochten in der Logikoder wo es sei stehen, als sehr schal und trivial er-scheinen. Vollends solche Regeln als zum Beispiel,da man dasjenige durchdenken und prfen solle, wasman in Bchern lese oder mndlich hre; da man,wenn man nicht gut sehe, seinen Augen durch Brillenzu Hilfe zu kommen habe Regeln, die von den Lehr-bchern in der sogenannten angewandten Logik, undzwar ernsthaft in Paragraphen abgeteilt, gegeben wur-den, auf da man zur Wahrheit gelange , mssen je-dermann als berflssig vorkommen, nur hchstensdem Schriftsteller oder Lehrer nicht, der in Verlegen-heit ist, den sonst zu kurzen und toten Inhalt derLogik durch irgend etwas auszudehnen.3

    Was solchen Inhalt betrifft, so ist schon oben derGrund angegeben worden, warum er so geistlos ist.Die Bestimmungen desselben gelten in ihrer Festig-keit unverrckt und werden nur in uerliche Bezie-hung miteinander gebracht. Dadurch, da bei den Ur-teilen und Schlssen die Operationen vornehmlich aufdas Quantitative der Bestimmungen zurckgefhrt

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  • 39731 53Hegel: Wissenschaft der Logik

    und gegrndet werden, beruht alles auf einem uerli-chen Unterschiede, auf bloer Vergleichung, wird einvllig analytisches Verfahren und begriffloses Kalku-lieren. Das Ableiten der sogenannten Regeln und Ge-setze, des Schlieens vornehmlich, ist nicht viel bes-ser als ein Befingern von Stbchen von ungleicherLnge, um sie nach ihrer Gre zu sortieren und zuverbinden, als die spielende Beschftigung der Kin-der, von mannigfaltig zerschnittenen Gemlden diepassenden Stcke zusammenzusuchen. Man hatdaher nicht mit Unrecht dieses Denken dem Rechnenund das Rechnen wieder diesem Denken gleichge-setzt. In der Arithmetik werden die Zahlen als das Be-grifflose genommen, das auer seiner Gleichheit oderUngleichheit, d.h. auer seinem ganz uerlichenVerhltnisse keine Bedeutung hat, das weder an ihmselbst noch dessen Beziehung ein Gedanke ist. Wennauf mechanische Weise ausgerechnet wird, da dreiViertel mit zwei Dritteln multipliziert ein Halbes aus-macht, so enthlt diese Operation ungefhr soviel undsowenig Gedanken als die Berechnung, ob in einerFigur diese oder jene Art des Schlusses statthabenknne.

    Damit, da dies tote Gebein der Logik durch denGeist zu Gehalt und Inhalt belebt werde, mu ihreMethode diejenige sein, wodurch sie allein fhig ist,reine Wissenschaft zu sein. In dem Zustande, in dem

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  • 39732 54Hegel: Wissenschaft der Logik

    sie sich befindet, ist kaum eine Ahnung von wissen-schaftlicher Methode zu erkennen. Sie hat ungefhrdie Form einer Erfahrungswissenschaft. Erfahrungs-wissenschaften haben fr das, was sie sein sollen, ihreeigentmliche Methode des Definierens und des Klas-sifizierens ihres Stoffes, so gut es geht, gefunden.Auch die reine Mathematik hat ihre Methode, die frihre abstrakten Gegenstnde und fr die quantitativeBestimmung, in der sie sie allein betrachtet, passendist. Ich habe ber diese Methode und berhaupt dasUntergeordnete der Wissenschaftlichkeit, die in derMathematik stattfinden kann, in der Vorrede zur Ph-nomenologie des Geistes das Wesentliche gesagt;aber sie wird auch innerhalb der Logik selbst nherbetrachtet werden. Spinoza, Wolff und andere habensich verfhren lassen, sie auch auf die Philosophie an-zuwenden und den uerlichen Gang der begrifflosenQuantitt zum Gange des Begriffes zu machen, wasan und fr sich widersprechend ist. Bisher hatte diePhilosophie ihre Methode noch nicht gefunden; siebetrachtete mit Neid das systematische Gebude derMathematik und borgte sie, wie gesagt, von ihr oderbehalf sich mit der Methode von Wissenschaften, dienur Vermischungen von gegebenem Stoffe, Erfah-rungsstzen und Gedanken sind, oder half sich auchmit dem rohen Wegwerfen aller Methode. Die Expo-sition dessen aber, was allein die wahrhafte Methode

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  • 39733 55Hegel: Wissenschaft der Logik

    der philosophischen Wissenschaft sein kann, fllt indie Abhandlung der Logik selbst; denn die Methodeist das Bewutsein ber die Form der inneren Selbst-bewegung ihres Inhalts. Ich habe in der Phnomeno-logie des Geistes ein Beispiel von dieser Methode aneinem konkreteren Gegenstande, an dem Bewutsein,aufgestellt.4 Es sind hier Gestalten des Bewutseins,deren jede in ihrer Realisierung sich zugleich selbstauflst, ihre eigene Negation zu ihrem Resultate hat und damit in eine hhere Gestalt bergegangen ist.Das Einzige, um den wissenschaftlichen Fortgang zugewinnen und um dessen ganz einfache Einsichtsich wesentlich zu bemhen ist , ist die Erkenntnisdes logischen Satzes, da das Negative ebensosehrpositiv ist oder da das sich Widersprechende sichnicht in Null, in das abstrakte Nichts auflst, sondernwesentlich nur in die Negation seines besonderen In-halts, oder da eine solche Negation nicht alle Negati-on, sondern die Negation der bestimmten Sache, diesich auflst, somit bestimmte Negation ist; da alsoim Resultate wesentlich das enthalten ist, woraus esresultiert, was eigentlich eine Tautologie ist, dennsonst wre es ein Unmittelbares, nicht ein Resultat.Indem das Resultierende, die Negation, bestimmteNegation ist, hat sie einen Inhalt. Sie ist ein neuer Be-griff, aber der hhere, reichere Begriff als der vorher-gehende; denn sie ist um dessen Negation oder Entge-

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  • 39734 56Hegel: Wissenschaft der Logik

    gengesetztes reicher geworden, enthlt ihn also, aberauch mehr als ihn, und ist die Einheit seiner und sei-nes Entgegengesetzten. In diesem Wege hat sich dasSystem der Begriffe berhaupt zu bilden und in un-aufhaltsamem, reinem, von auen nichts hereinneh-mendem Gange sich zu vollenden.

    Wie wrde ich meinen knnen, da nicht die Me-thode, die ich in diesem Systeme der Logik befolge oder vielmehr die dies System an ihm selbst befolgt ,noch vieler Vervollkommnung, vieler Durchbildungim einzelnen fhig sei; aber ich wei zugleich, da siedie einzige wahrhafte ist. Dies erhellt fr sich schondaraus, da sie von ihrem Gegenstande und Inhaltenichts Unterschiedenes ist; denn es ist der Inhalt insich, die Dialektik, die er an ihm selbst hat, welcheihn fortbewegt. Es ist klar, da keine Darstellungenfr wissenschaftlich gelten knnen, welche nicht denGang dieser Methode gehen und ihrem einfachenRhythmus gem sind, denn es ist der Gang der Sacheselbst.

    In Gemheit dieser Methode erinnere ich, da dieEinteilungen und berschriften der Bcher, Abschnit-te und Kapitel, die in dem Werke angegeben sind,sowie etwa die damit verbundenen Erklrungen, zumBehuf einer vorlufigen bersicht gemacht und dasie eigentlich nur von historischem Werte sind. Siegehren nicht zum Inhalte und Krper der Wissen-

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  • 39735 57Hegel: Wissenschaft der Logik

    schaft, sondern sind Zusammenstellungen der uerenReflexion, welche das Ganze der Ausfhrung schondurchlaufen hat, daher die Folge seiner Momente vor-auswei und angibt, ehe sie noch durch die Sacheselbst sich herbeifhren.

    In den anderen Wissenschaften sind solche Voraus-bestimmungen und Einteilungen gleichfalls fr sichnichts anderes als solche uere Angaben; aber auchinnerhalb der Wissenschaft werden sie nicht ber die-sen Charakter erhoben. Selbst in der Logik zum Bei-spiel heit es etwa, die Logik hat zwei Hauptsttze,die Elementarlehre und die Methodik; alsdann unterder Elementarlehre findet sich ohne weiteres etwa dieberschrift: Gesetze des Denkens; alsdann erstesKapitel: von den Begriffen; erster Abschnitt: von derKlarheit: der Begriffe usf. Diese ohne irgendeineDeduktion und Rechtfertigung gemachten Bestim-mungen und Einteilungen machen das systematischeGerst und den ganzen Zusammenhang solcher Wis-senschaften aus. Eine solche Logik sieht es fr ihrenBeruf an, davon zu sprechen, da die Begriffe undWahrheiten aus Prinzipien mssen abgeleitet sein;aber bei dem, was sie Methode nennt, wird auch nichtvon weitem an ein Ableiten gedacht. Die Ordnung be-steht etwa in der Zusammenstellung von Gleicharti-gem, in der Vorausschickung des Einfacheren vordem Zusammengesetzten und anderen uerlichen

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  • 39736 58Hegel: Wissenschaft der Logik

    Rcksichten. Aber in Rcksicht eines inneren, not-wendigen Zusammenhangs bleibt es bei dem Registerder Abteilungsbestimmungen, und der Obergangmacht sich nur damit, da es jetzt heit: Zweites Ka-pitel, oder: wir kommen nunmehr zu den Urteilen,u. dgl.

    Auch die berschriften und Einteilungen, die indiesem Systeme vorkommen, sollen fr sich keine an-dere Bedeutung haben als die einer Inhaltsanzeige.Auerdem aber mu die Notwendigkeit des Zusam-menhangs und die immanente Entstehung der Unter-schiede sich in der Abhandlung der Sache selbst vor-finden, denn sie fllt in die eigene Fortbestimmungdes Begriffes.

    Das, wodurch sich der Begriff selbst weiterleitet,ist das vorhin angegebene Negative, das er in sichselbst hat; dies macht das wahrhaft Dialektische aus.Die Dialektik, die als ein abgesonderter Teil derLogik betrachtet und in Ansehung ihres Zwecks undStandpunkts, man kann sagen, gnzlich verkannt wor-den, erhlt dadurch eine ganz andere Stellung. Auchdie Platonische Dialektik hat selbst im Parmenides,und anderswo ohnehin noch direkter, teils nur die Ab-sicht, beschrnkte Behauptungen durch sich selbstaufzulsen und zu widerlegen, teils aber berhauptdas Nichts zum Resultate. Gewhnlich sieht man dieDialektik fr ein uerliches und negatives Tun an,

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  • 39737 59Hegel: Wissenschaft der Logik

    das nicht der Sache selbst angehre, in bloer Eitel-keit als einer subjektiven Sucht, sich das Feste undWahre in Schwanken zu setzen und aufzulsen, sei-nen Grund habe oder wenigstens zu nichts fhre alszur Eitelkeit des dialektisch behandelten Gegenstan-des.

    Kant hat die Dialektik hher gestellt und dieseSeite gehrt unter die grten seiner Verdienste ,indem er ihr den Schein von Willkr nahm, den sienach der gewhnlichen Vorstellung hat, und sie alsein notwendiges Tun der Vernunft darstellte. Indemsie nur fr die Kunst, Blendwerke vorzumachen undIllusionen hervorzubringen, galt, wurde schlechthinvorausgesetzt, da sie ein falsches Spiel spiele undihre ganze Kraft allein darauf beruhe, da sie den Be-trug verstecke; da ihre Resultate nur erschlichen undein subjektiver Schein seien. Kants dialektische Dar-stellungen in den Antinomien der reinen Vernunft ver-dienen zwar, wenn sie nher betrachtet werden, wiedies im Verfolge dieses Werkes weitlufiger gesche-hen wird, freilich kein groes Lob; aber die allgemei-ne Idee, die er zugrunde gelegt und geltend gemachthat, ist die Objektivitt des Scheins und Notwendig-keit des Widerspruchs, der zur Natur der Denkbe-stimmungen gehrt: zunchst zwar in der Art, inso-fern diese Bestimmungen von der Vernunft auf dieDinge an sich angewendet werden; aber eben, was sie

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  • 39738 60Hegel: Wissenschaft der Logik

    in der Vernunft und in Rcksicht auf das sind, was ansich ist, ist ihre Natur. Es ist dies Resultat, in seinerpositiven Seite aufgefat, nichts anderes als die inne-re Negativitt derselben, als ihre sich selbst bewegen-de Seele, das Prinzip aller natrlichen und geistigenLebendigkeit berhaupt. Aber sowie nur bei der ab-strakt-negativen Seite des Dialektischen stehengeblie-ben wird, so ist das Resultat nur das Bekannte, dadie Vernunft unfhig sei, das Unendliche zu erken-nen; ein sonderbares Resultat, indem das Unendli-che das Vernnftige ist, zu sagen, die Vernunft seinicht fhig, das Vernnftige zu erkennen.

    In diesem Dialektischen, wie es hier genommenwird, und damit in dem Fassen des Entgegengesetztenin seiner Einheit oder des Positiven im Negativen be-steht das Spekulative. Es ist die wichtigste, aber frdie noch ungebte, unfreie Denkkraft schwerste Seite.Ist solche noch darin begriffen, sich vom sinnlich-konkreten Vorstellen und vom Rsonieren loszurei-en, so hat sie sich zuerst im abstrakten Denken zuben, Begriffe in ihrer Bestimmtheit festzuhalten undaus ihnen erkennen zu lernen. Eine Darstellung derLogik zu diesem Behuf htte sich in ihrer Methode andas obenbesagte Einteilen und in Ansehung des nhe-ren Inhalts an die Bestimmungen, die sich fr die ein-zelnen Begriffe ergeben, zu halten, ohne sich auf dasDialektische einzulassen. Sie wrde der ueren Ge-

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  • 39739 61Hegel: Wissenschaft der Logik

    stalt nach dem gewhnlichen Vortrag dieser Wissen-schaft hnlich werden, sich brigens dem Inhalte nachauch davon unterscheiden und immer noch dazu die-nen, das abstrakte, obzwar nicht das spekulative Den-ken zu ben, welchen Zweck die durch psychologi-sche und anthropologische Zutaten populr gewor-dene Logik nicht einmal erfllen kann. Sie wrde demGeiste das Bild eines methodisch geordneten Ganzengeben, obgleich die Seele des Gebudes, die Methode,die im Dialektischen lebt, nicht selbst darin erschiene.

    In Rcksicht auf die Bildung und das Verhltnisdes Individuums zur Logik merke ich schlielichnoch an, da diese Wissenschaft wie die Grammatikin zwei verschiedenen Ansichten oder Werten er-scheint. Sie ist etwas anderes fr den, der zu ihr undden Wissenschaften berhaupt erst hinzutritt, undetwas anderes fr den, der von ihnen zu ihr zurck-kommt. Wer die Grammatik anfngt kennenzulernen,findet in ihren Formen und Gesetzen trockene Ab-straktionen, zufllige Regeln, berhaupt eine isolierteMenge von Bestimmungen, die nur den Wert und dieBedeutung dessen zeigen, was in ihrem unmittelbarenSinne liegt; das Erkennen erkennt in ihnen zunchstnichts als sie. Wer dagegen einer Sprache mchtig istund zugleich andere Sprachen in Vergleichung mit ihrkennt, dem erst kann sich der Geist und die Bildungeines Volks in der Grammatik seiner Sprache zu fh-

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  • 39740 62Hegel: Wissenschaft der Logik

    len geben; dieselben Regeln und Formen haben nun-mehr einen erfllten, lebendigen Wert. Er kann durchdie Grammatik hindurch den Ausdruck des Geistesberhaupt, die Logik, erkennen. So wer zur Wissen-schaft hinzutritt, findet in der Logik zunchst ein iso-liertes System von Abstraktionen, das, auf sich selbstbeschrnkt, nicht ber die anderen Kenntnisse undWissenschaften bergreift. Vielmehr, gehalten gegenden Reichtum der Weltvorstellung, gegen den real er-scheinenden Inhalt der anderen Wissenschaften undverglichen mit dem Versprechen der absoluten Wis-senschaft, das Wesen dieses Reichtums, die innereNatur des Geistes und der Welt, die Wahrheit zu ent-hllen, hat diese Wissenschaft in ihrer abstrakten Ge-stalt, in der farblosen, kalten Einfachheit ihrer reinenBestimmungen vielmehr das Ansehen, alles eher zuleisten als dies Versprechen und gehaltlos jenemReichtum gegenberzustehen. Die erste Bekannt-schaft mit der Logik schrnkt ihre Bedeutung auf sieselbst ein; ihr Inhalt gilt nur fr eine isolierte Be-schftigung mit den Denkbestimmungen, neben derdie anderen wissenschaftlichen Beschftigungen eineigener Stoff und Gehalt fr sich sind, auf welche dasLogische etwa einen formellen Einflu hat, und zwareinen solchen, der sich mehr von selbst macht und frden die wissenschaftliche Gestalt und deren Studiumallerdings auch zur Not entbehrt werden kann. Die an-

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  • 39741 63Hegel: Wissenschaft der Logik

    deren Wissenschaften haben die regelrechte Methode,eine Folge von Definitionen, Axiomen, Theoremenund deren Beweisen usf. zu sein, im Ganzen abgewor-fen; die sogenannte natrliche Logik macht sich frsich in ihnen geltend und hilft sich ohne besondere,auf das Denken selbst gerichtete Erkenntnis fort.Vollends aber hlt sich der Stoff und Inhalt dieserWissenschaften fr sich selbst vom Logischen vlligunabhngig und ist auch fr Sinn, Gefhl, Vorstel-lung und praktisches Interesse jeder Art ansprechen-der.

    So mu denn allerdings die Logik zuerst gelerntwerden als etwas, das man wohl versteht und einsieht,aber woran Umfang, Tiefe und weitere Bedeutung an-fangs vermit wird. Erst aus der tieferen Kenntnis deranderen Wissenschaften erhebt sich fr den subjekti-ven Geist das Logische als ein nicht nur abstrakt All-gemeines, sondern als das den Reichtum des Beson-deren in sich fassende Allgemeine; wie derselbe Sit-tenspruch in dem Munde des Jnglings, der ihn ganzrichtig versteht, nicht die Bedeutung und den Umfangbesitzt, welchen er im Geiste eines lebenserfahrenenMannes hat, dem s