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Das Corporate-Publishing-Magazin von $% Ausgabe 3 | Sommer 2009 periodicum 14 Scharf und groß. Das scharfe S hat die Recht- schreibreform nur mit knapper Not überlebt. Nun wurde es mit einer Versalvariante geadelt. 20 Adrian Frutiger. Als einer der einfluss- reichsten Typografen des 20. Jahrhunderts hat er etliche Schriften kreiert, die ebenso klassisch wie spannend sind. 24 Zeitungmachen für Anfänger. Wie ent- steht eigentlich eine Kunden- oder Mitar- beiterzeitschrift? Die wichtigsten Produk- tionsschritte im plakativen Überblick. 03 · Gerhard Haderer im Interview · Der Spaß- als Wirtschaftsfaktor · Und jetzt etwas Lustiges! Aber schnell!!! · Humor als Werkzeug · Spaß vs. Spass Sprache Gestaltung Produktion Spaß Special Spaßarbeit Arbeit macht Spaß – aber Spaß macht auch Arbeit. Wie Humor in Medien funktioniert – und wie man Lustiges für Leser produziert. Ganz im Ernst: W as man ernst meint, sagt man am besten im Spaß“, empfahl schon Wilhelm Busch, und was für die unmittelbare Kommunikation gilt, funktioniert in der mittelbaren – also in den Medien – hervorragend. Gerade heikle Anliegen und Botschaften fallen auf frucht- bareren Boden, wenn man sie nicht allzu bierernst serviert. Bei ziemlich vielen Kunden- und Mitar- beiterzeitschriften ist diese Weisheit aller- dings noch nicht angekommen. So professi- onell sie auch geschrieben und gestaltet sein mögen – wenn es lustig, satirisch, ironisch werden könnte, blockt so manche Chefeta- ge ab. Könnte ja jemand falsch verstehen. Und professionelle Corporate Publisher sind oft auch nicht allzu scharf darauf, Humor ins Heft zu bringen. Denn Spaß zu machen, macht nicht nur Spaß, sondern vor allem eine Menge Arbeit – selbst für Leute mit den entsprechenden Talenten. Spaßexperten bei der Arbeit Wie diese Spaßarbeit konkret aussieht, welche Mechanismen dahinterstecken, wel- che Tricks die Profis im Talon haben und wa- rum sich ihre Mühe auszahlt – darüber hat „periodicum“ bei einer ganzen Reihe von Experten – Cartoonisten, Kommunikations- wissenschaftler, Philosophen, Kabarettist und Autoren – recherchiert. Ab Seite 3. SPASZ, m. scherz, kurzweil, vergnügen, aus dem ital. entlehnt, dessen spassarsi, sich erlustigen, spasso, vergnügen auf lat. expandere, expassus zurückgeht. im deutschen scheint das wort in der ersten hälfte des 17. jahrh. aufgekom- men zu sein: geistliche, die ... anderst nicht als ausz leichtfertigem frevel für die lange weyle predigen, ausz teufflischer hoffart nur für einen spasz predigen, und also die ehre gottes, und der zuhörer heyl, und jhre höchste schuld-gebühr ausz der obacht lassen! (Philander von der Linde) Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm Ausgelassenheit, Befriedigung, Freude, Heiterkeit, Kalauer, Lachen, Schabernack, Scherz, Streich, Unfug, Unterhaltung, Vergnügen, Vergnügtheit, Witz http://synonyme.woxikon.de/synonyme/spaß.php Österreichische Post AG Info.Mail Entgelt bezahlt

Pe r i o d i c

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Das Corporate-Publishing-Magazin von ‰$%

Ausgabe 3 | Sommer 2009

per i odic um

14 Scharf und groß. Das scharfe S hat die Recht-schreibreform nur mit knapper Not überlebt. Nun wurde es mit einer Versalvariante geadelt.

20 Adrian Frutiger. Als einer der einfl uss-reichsten Typografen des 20. Jahrhunderts hat er etliche Schriften kreiert, die ebenso klassisch wie spannend sind.

24 Zeitungmachen für Anfänger. Wie ent-steht eigentlich eine Kunden- oder Mitar-beiterzeitschrift? Die wichtigsten Produk-tionsschritte im plakativen Überblick.

03 · Gerhard Haderer im Interview

· Der Spaß- als Wirtschaftsfaktor

· Und jetzt etwas Lustiges! Aber schnell!!!

· Humor als Werkzeug· Spaß vs. Spass

Sprache Gestaltung Produktion Spaß Special

Spaßarbeit Arbeit macht Spaß – aber Spaß macht auch Arbeit. Wie Humor in Medien funktioniert – und wie man Lustiges für Leser produziert.

Ganz im Ernst:

Was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß“, empfahl schon Wilhelm Busch, und

was für die unmittelbare Kommunikation gilt, funktioniert in der mittelbaren – also in den Medien – hervorragend. Gerade heikle Anliegen und Botschaften fallen auf frucht-bareren Boden, wenn man sie nicht allzu bierernst serviert.

Bei ziemlich vielen Kunden- und Mitar-beiterzeitschriften ist diese Weisheit aller-dings noch nicht angekommen. So professi-onell sie auch geschrieben und gestaltet sein mögen – wenn es lustig, satirisch, ironisch werden könnte, blockt so manche Chefeta-

ge ab. Könnte ja jemand falsch verstehen. Und professionelle Corporate Publisher sind oft auch nicht allzu scharf darauf, Humor ins Heft zu bringen. Denn Spaß zu machen, macht nicht nur Spaß, sondern vor allem eine Menge Arbeit – selbst für Leute mit den entsprechenden Talenten.

Spaßexperten bei der ArbeitWie diese Spaßarbeit konkret aussieht,

welche Mechanismen dahinterstecken, wel-che Tricks die Profi s im Talon haben und wa-rum sich ihre Mühe auszahlt – darüber hat „periodicum“ bei einer ganzen Reihe von Experten – Cartoonisten, Kommunikations-wissenschaftler, Philosophen, Kabarettist und Autoren – recherchiert. Ab Seite 3.

SPASZ, m.

scherz, kurzweil, vergnügen, aus dem ital. entlehnt, dessen spassarsi, sich erlustigen, spasso, vergnügen auf lat. expandere, expassus zurückgeht. im deutschen scheint das wort in der ersten hälfte des 17. jahrh. aufgekom-men zu sein: geistliche, die ... anderst nicht als ausz leichtfertigem frevel für die lange weyle predigen, ausz teuffl ischer hoffart nur für einen spasz predigen, und also die ehre gottes, und der zuhörer heyl, und jhre höchste schuld-gebühr ausz der obacht lassen! (Philander von der Linde)

Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm

Ausgelassenheit, Befriedigung, Freude, Heiterkeit, Kalauer, Lachen, Schabernack, Scherz, Streich, Unfug, Unterhaltung, Vergnügen, Vergnügtheit, Witz

http://synonyme.woxikon.de/synonyme/spaß.php

Österreichische Post AGInfo.Mail Entgelt bezahlt

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per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

Inhalt2

Liebe Leserin,lieber Leser,

„Was ist nur aus dem schönen Hochglanzheft gewor-den?“, werden Sie sich als periodicum-StammleserIn vielleicht fragen. „Müssen die jetzt auch schon sparen?“

Nein, ums Sparen ging’s uns wirklich nicht. Obwohl der Druck dieser Ausgabe zugegebenermaßen günstiger war als die UV-lackierte Variante im vergangenen Jahr (Details dazu: Seite 32). Der Plan, den wir bereits Mitte 2008 (als es noch andere Themen gab als „die Krise“) fassten, hat andere Hintergründe: Wir launchen perio-dicum jährlich neu und zeigen so in immer neuer Form, wie Corporate Publishing aussehen kann.

Zunächst wollten wir das sogar mit jeder Nummer tun, doch der Zuspruch auf Ausgabe 1/2008 war dann so erfreulich, dass wir es nicht übers Herz brachten, das Konzept schon nach einer einzigen Nummer wieder in die Schub lade zu stecken.

Also: Diese und die nächste Ausgabe von periodi-cum sind eine Art Magazin im Zeitungsoutfi t. Eine Ge-staltungs- und Produktionsform, die wir uns auch für außergewöhnliche Kunden- oder Mitarbeiterzeitungen sehr gut vorstellen können. Sie auch? Dann sollten wir miteinander reden: +43-1-524 89 00-17.

* * *

Doch nun zum Inhalt, genauer gesagt, zum Special die-ser Ausgabe. Spaß. Gleich vorweg: Meine Idee war das nicht. Bei irgendeiner Redaktionssitzung Mitte 2008 – in meiner Abwesenheit – ist der Vorschlag aufs Tapet ge-kommen, und wäre ich dabei gewesen, hätte ich sofort etliche Killerargumente in die Schlacht geworfen: „Hat nichts mit Corporate Publishing zu tun!“ – „Darüber kann man nichts Handfestes schreiben, und wenn ja, wird es bierernst.“ – „Welchen Lesernutzen soll das bie-ten?“ – „Spaß ist spontan, und wenn man den zerredet oder zerschreibt, schlägt er ins Gegenteil um.“ – „Auf-gesetzt.“ ... und so weiter und so fort.

Aber weil ich eben nicht da war bei dieser Sitzung, hatte ich etwas Zeit zu überlegen, und siehe da: die Spaßbremsargumente waren, glaube ich heute, nur Re-fl exe, um sich um ein schwieriges Thema zu drücken. Denn nicht nur Arbeit macht (zumindest manchmal) Spaß, sondern auch umgekehrt. Und über diese Spaß-arbeit zu schreiben, ist eben auch nicht das reine Ver-gnügen. „Muss es auch nicht sein“, entschieden wir schließlich und legten uns mächtig ins Zeug, um auf zwölf Seiten meine ursprünglichen Bedenken zu ent-kräften. Entscheiden Sie selbst, ob ich die nächste Re-daktionssitzung auch wieder schwänzen soll ...

Und jetzt – ja, genau: Viel Spaß beim Lesen!

Klaus LerchChefredakteur

Impressum: „periodicum“ – Das Corporate-Publishing-Magazin. Medieninhaber und Herausgeber: Egger & Lerch, Kirchengasse 1a/5, 1070 Wien, Tel. 01/524 89 00, www.egger-lerch.at. Redaktion, Gestaltung und Produktion: Egger & Lerch. Text: Christian Gutschi, Wolfgang Knabl, Klaus Lerch, Andrea Höbarth, Dunja Radler, Renate Süß. Art Direction & Gestaltung: Elisabeth Ockermüller, Karin Noichl, Julia Stern. Illustrationen: Beach, Dunja Radler, Julia Stern. Bildbearbeitung: Dunja Radler, Gabriel Moinat. Lektorat: Ernst Böck, Iris Erber. Hersteller: OÖN Druckzentrum GmbH & Co KG, Medienpark 1, A-4061 Pasching.

15 Den Felern auf der Spur. Er braucht kein Labor zur Spurensicherung und als Arbeitsmittel nur Rotstift und Lese brille. Und doch löst Korrektor Ernst Böck täglich die kniffl igsten Fälle.

22 Angst vor Weißraum?. „Von nichts kommt nichts!“ Mag diese Regel für viele Bereiche stimmen – in der Gestaltung von Printmedien fi ndet sie mit Sicherheit ihre Ausnahme.

28 Ein Zeichenbrett, das Kunstund Wirtschaft bewegt Es muss nicht immer Print sein. Und auch nicht Internet. Tagtool ist ein interaktives Zeichen- und Animationsgerät, für das ein Wiener Unternehmen bereits zahlreiche Preise einheimste.

26 Die Gerätchen-FrageDer Inhalt einer Zeitung ist naturgemäß nicht zeitlos. Aber ist es denn ihre Form? Kindle & Co werden auch vor Periodika nicht haltmachen – und manchen vielleicht neues Leben einhauchen.

16 Corporate Publishing: Wer sagt, wie’s funktionieren soll?Die CP-Experten der Gegenwart sind mehr oder weniger Autodidakten. Kein Wunder. Bis vor kurzem gab es keine speziellen Ausbildungen dafür. Dünn gesät sind die Angebote nach wie vor.

Editorial

03 „Selbstironie gehört zur geistigen Überlebensfähigkeit ganz einfach dazu.“ Gerhard Haderer im Interview

05 Der Spaß- als Wirtschaftsfaktor Kommunikation im Unternehmen: Lustig lohnt sich.

06 Und jetzt etwas Lustiges! Aber schnell!!! Wie Profi s unter Zeitdruck witzige Texte produzieren.

08 Fun Publishing by Beach

10 Humor als WerkzeugMehr als lustig: Ernste Kommunikationsziele lassen sich mit etwas Witz viel leichter erreichen.

12 Der Witz: Von der Absurdität zur Realität Lebenshilfe mit ein paar Zeilen.

12 Was bedeutet Spaß für Sie? Statements von Egger & Lerch-Kunden

13 Humor zum Schmökern, Ansehen, Selbermachen, Kaufen und Mieten

14 Worthülsen zum SchießenKleine Kunden-Hoppalas

14 Das große EszettEin Buchstabe wird erwachsen

14 Spaß vs. SpassWas für ein Spass – und doch ganz ernst gemeint!

14 FederspitzenWenn Innovation nur alt aussieht ...

17 Glokalisiertes DesignKleine Agenturen und lokal verankerte Designer sind wieder gefragt – auch und gerade im Zeitalter der Globalisierung.

19 Sündenregister Bunter Überfl uss

19 „I hate Comic Sans“ Dank sei Bob: Wie ein Microsoft-Projekt die Typowelt verschandelt.

20 Frutiger neu entdeckenDas Gesamtwerk des Jahrhundert-Typografen wurde neu dokumentiert.

24 Zeitungmachen für AnfängerDie wichtigsten Produktionsschritte auf einen Blick

25 Auf den Strich gegangenDer große Egger & Lerch-Kugelschreibertest

29 11 LieblingeDie Magazinfavoriten des Egger & Lerch-Teams

30 Kundenevent mit starkem FokusEgger & Lerch-Kunden holten sich Knipstipps vom Profi .

32 Viel Platz für wenig GeldEchter Zeitungsdruck ist auch für Corporate-Publishing-Projekte interessant.

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Der oberösterreichische Karikaturist Gerhard Haderer zeichnet seit den frühen 80er-Jahren unter anderem regelmäßig für Profi l und Stern und bringt die „Schundheftln“ Moff heraus. Sein 2002 erschienenes Buch „Das Leben des Jesus“ löste heftige Reaktionen seitens der katholischen Kirche aus. Dass der Autor und Zeichner in Griechenland für das Buch sogar geklagt und verurteilt wurde, rief viele Künstler auf den Plan, die sich für die Freiheit der Kunst hinter ihn stellten. Gerhard Haderer ist kompromisslos geblie-ben. Seine Arbeiten sind zutiefst ehrlich und rütteln stets auf. Ihren einzigartigen Witz beziehen sie nicht zuletzt aus der Detailverliebtheit des Künstlers. An einer Hadererkarikatur entdeckt man nämlich auch nach 20-maligem Hinsehen noch neue Spitzen und Pointen.

3Spaß Special

„Selbstironie gehört zur

geistigen Überlebens-

fähigkeit ganz einfach dazu.“

Einen Haderer erkennt man auf den ersten Blick am Detailreichtum der Zeichnungen. Ist es Ab-sicht, dass dein Humor nicht immer vordergrün-dig daherkommt, sondern sich erst Stück für Stück dem Beobachter erschließt?Am Anfang steht jeweils eine Idee mit ei-ner Grundaussage. Dann beginne ich zu arbeiten. Während der 10 bis 15 Stunden, die ich an einem Bild sitze, umkreise ich das Thema ständig mit meinen Gedanken. Ein Detail fügt sich dann ins andere, und am Ende wird eine opulente Schilderung daraus. Schenkelklopfer sind meine Zeich-nungen nicht. Ich lade die Menschen auf einen Spaziergang mit den Augen ein – und im Idealfall wird daraus eine geistige Entde-ckungsreise für jeden Einzelnen.

Was gibt es da zu entdecken?Das Spannungsfeld zwischen gezeichne-ten Idyllen und dem Grauen, das vielfach thematisch dahintersteckt. Ich sehe meine Arbeit als Plädoyer für die Gesetzlosigkeit. Ich studiere die Verhaltensweisen der Men-schen und verarbeite sie künstlerisch. Das mir am nächsten stehende Medium bin ich natürlich selbst. Ich bin also meine beste Karikatur. Selbstironie gehört zur geistigen Überlebensfähigkeit ganz einfach dazu.

Wie kommst du zu deinen Themen?Man lebt, wie man lebt in Österreich, man konsumiert Medien und unterhält sich mit Menschen. Daraus ziehe ich meine Anre-gungen. Ich arbeite sozusagen meine Umge-bung auf.

Du arbeitest ja auch regelmäßig für die deutsche Zeitschrift „Stern“. Musst du dafür extra recher-chieren?Meistens nicht. Die Menschen sind über-all gleich. Wenn es um spezielle politische oder soziale Themen geht, stelle ich Nach-forschungen an. Das trifft aber vielleicht von 100 Zeichnungen auf 20 zu. Meistens drehen sich meine Themen um das sehr allgemein Menschliche.

Ketzer stellen. Unter Künstlern und Intellek-tuellen hatte ich sehr viele Mitstreiter, die mir den Rücken gestärkt haben. Vor allem in Griechenland haben sich viele Intellektuelle auf meine Haltung verlassen.

Dort wurdest du wegen des Buches ja sogar zu einer Haftstrafe verurteilt.Ja, offensichtlich ist so etwas im 21. Jahr-hundert immer noch möglich. Das ganze war eine Farce. Ich wurde von einem euro-päischen Haftbefehl bedroht. Für eine be-stimmte Generation in Griechenland war das eine aufsehenerregende Causa: Klerus und Staat verlangen von einem Intellek-tuellen, sein Werk zurückzuziehen, und er macht es nicht. Das hat dem Mief der Mili-tärjunta eine deutliche Absage erteilt.

Wie kam es schlussendlich zum Freispruch in zweiter Instanz?Genauso absurd wie zur Verurteilung. Ohne Begründung. Man hatte wohl schlussendlich doch Angst vor der Lawine, die bei einer brei-ten öffentlichen Diskussion um die Macht von Staat und Kirche losgetreten hätte wer-den können.

Der Skandal hat dich über Österreich und Deutsch-land weit hinaus bekannt gemacht.Ich hätte wesentlich besser ohne ihn gelebt, ohne die Bedrohungen, den Telefonterror, die Briefe. Und Berühmtheit hat mich nie in-teressiert.

Hast du denn mit einem gewissen Maß an Auf-regung gerechnet? Ja, ich habe erwartet, dass man sich darüber ärgert, dass ich Jesus im Weihrauchrausch darstelle. Und ich habe mit Reaktionen zur geharnischten Kritik am Bodenpersonal ge-rechnet. Aber dass da plötzlich alles umge-dreht und behauptet wurde, ich beleidige Jesus, das konnte ich nicht voraussehen! Er ist doch eine durch und durch positive Figur!

Wie er seine Themen fi ndet, warum er Jesus zum liebenswerten Kiffer machte, was er von

Art-Direktoren, Agenturen und deren Kunden hält – und warum er nie ein ernsthafter Maler werden wollte. Interview: Renate Süß

Gerhard Haderer im Interview

Man meint aber auch in diesen allgemeinen Kari-katuren immer wieder Menschen des öffentlichen Lebens zu erkennen. Dieses „Wer ist wer?“ will ich nicht endgültig dechiffrieren. Diese kleine Unsicherheit, ob jemand Konkreter dargestellt wird, erzeugt angenehme Nebenklänge. Rätselraten ist mit dem Nachdenken nah verwandt.

Gibt es Tabuthemen für dich?Ich denke über jedes Thema lange nach, bevor ich es zeichne, aber Tabuthemen als solche akzeptiere ich nicht. Ich würde zum Beispiel keinen Menschen wegen einer un-verschuldeten körperlichen Auffälligkeit lächerlich machen. Einen Behinderten, der sich wie ein Idiot benimmt, würde ich da-gegen jederzeit zeichnen. Alles andere wäre doch diskriminierend. Ein Tabu ist eine Be-leidigung.

Das sahen allerdings schon viele anders, die dei-ne spitze Feder zu spüren bekamen. Allen voran die katholische Kirche.Man hat „Das Leben des Jesus“ vielfach missverstanden. Es geht nicht gegen Jesus, sondern es ist eine wütende Abrechnung mit den Jesusbildchen und den dazugehö-rigen Würdenträgern.

Und die fühlten sich ja gründlich betroffen.Mit diesen Reaktionen hätte ich nie gerech-net. Alles fi ng damit an, dass Schönborn als höchster kirchlicher Würdenträger Öster-reichs in einer Presse-Headline mit „Haderer muss sich entschuldigen!“ zitiert wurde. Damit war der Skandal sofort auf höchster kirchlicher Ebene. Auch Ratzinger – damals noch nicht Papst – hat mich höchstpersön-lich in der ARD eingetunkt. Ich habe natür-lich sofort klargestellt, dass es nicht in frage kommt, dass ein Künstler sich für sein Werk entschuldigen muss.

Wer stand in dieser Situation hinter dir?Nicht viele. In einem katholischen Land soll man sich nicht bedingungslos hinter einen

Steckbrief

„Das mir am nächsten stehende Medium bin ich natürlich selbst. Ich bin also meine beste Karikatur.“

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Aber ein Kiffer!Ich kenne Alkoholiker und ich kenne Kiffer. Die Kiffer sind mir sympathischer. Als Sati-riker wollte ich auf das Gebot aufmerksam machen, diese sanfte Droge zu legalisieren. Als Aufklärer wollte ich darüber unterrich-ten, dass im Weihrauch ebenso THC steckt wie im Haschisch.

Bist du denn religiös?Ich bin klassischer Agnostiker, lasse also al-les offen, bejahe nichts und schließe auch nichts aus. Toleranz ist alles – und jeder soll glauben, was er will. Was ich verurteile, ist der operative Machtanspruch der katho-lischen Kirche.

Auch in deinen Arbeiten schließt du kaum etwas aus, machst sehr unterschiedliche Dinge: die Moff-Comics, fast fotorealistische Arbeiten, überzeichnete Karikaturen …Verschiedene Themen zwingen mich zu verschiedenen Stilen. Ich bin ein experi-

mentierfreudiger Mensch. Und weil ich in der glücklichen Lage bin, das zu tun, was ich will, muss ich auch nichts in mich hi-neinfressen. Das hindert mich aber nicht daran, mich und mein Arbeiten ständig zu hinterfragen. Bin ich mit einer Zeichnung beispielsweise an einem Höhepunkt ange-langt, zeichne ich auf ein anderes Papier nur einen Strich. Letztlich muss man im-mer selbst überrascht bleiben, zu welchen Ergebnissen man fähig ist. Und doch darf man sich nicht zu sehr in die eigene Arbeit verlieben.

Wie siehst du darin das Verhältnis zwischen Text und Bild?

Sie sind mir gleich wichtig. Bei meinen Co-mics hat der Text das Übergewicht, man-che opulente Zeichnungen kommen nur mit einem Begriff aus. Darauf kommt es nicht an. Text und Zeichnung sind zwei unterschiedliche Mittel, um etwas zu erzählen. Viele meiner Bilder sind Aus-schnitte aus einer Erzählung, und es liegt am Betrachter, seinen eigenen Film daraus zu machen.

Welche Techniken bevorzugst du?Eine Zeit lang habe ich viel mit dem Air-brush gearbeitet. Jetzt bevorzuge ich Aqua-rellfarben und Acryltinten. Meine Bilder leben. Ich arbeite mit dem Pinsel, aber da wird auch geschabt, radiert, gekratzt und gezeichnet.

Hast du Vorbilder?Natürlich. Meine Anregungen hole ich mir von Menschen, aus Filmen, aus Büchern. Ich mag vor allem Künstler, die Sprache mit

einer unglaublichen Leichtigkeit und einem guten Quäntchen Schmäh umgesetzt haben – Qualtinger zum Beispiel, Gerhard Polt, aber auch Fellini oder Thomas Bernhard.

Und wie lässt du dich inspirieren?Meine Eindrücke laufen durch meine künst-lerischen Filter und werden teilweise zu schrägen Aufschreien, teilweise auch zu oberfl ächlichen Blödeleien.

Wer ist der Liebling deiner Eigenkreationen?Im Augenblick Moff. Hier zeige ich ein Stück pures Herz in reduzierter Form mit nur einer Absicht: so unmittelbar und authentisch wie möglich zu sein.

Welche Kollegen schätzt du besonders?Ich bin keiner, der explizit Comics liest oder Karikaturen anschaut, aber ich liebe Man-fred Deix und Til Mette.

Manfred Deix zeigt im Karikaturmuseum auch ein paar abstrakte Ölbilder. Hat es deinerseits jemals Ambitionen gegeben, Maler im herkömm-lichen Sinn zu sein?Ich bin als hyperrealistischer Maler sehr talentiert. Dieses Talent ist aber mit einer Persönlichkeit konterkariert, die weder sich noch ihre Umgebung ernst nimmt. Deshalb wollte ich auch nie ein ernsthafter Maler sein.

Ursprünglich kommst du ja aus der Werbebran-che.Ich muss heute demütig sagen, dass das Zeichnen für mich immer eine Selbstver-ständlichkeit war, dass ich diese Begabung früher gar nicht geschätzt habe. Als es dann mit etwa 25 ums Kohlemachen ging, hab ich sie genutzt. Ich stamme aus kleinbürger-licher Familie und sollte Beamter werden. Auch wenn ich mich dagegen aufgelehnt habe, hatte ich doch diese Strukturen vom Geldverdienen für die Familie im Kopf.

Und wie kam es zum Bruch mit der Werbung?Die Art-Direktoren und Creative-Direktoren haben mir den Kopf versaut. Deshalb habe ich einen radikalen Bruch vollzogen und all meine Werbearbeiten verbrannt.

Das war ein sehr mutiger Schritt.Ja, meine Frau war damals mit dem dritten Kind schwanger und wir hatten kein Si-cherheitsnetz. Aber selbst wirtschaftlicher Ruin wäre besser gewesen als das Leben vorher. Wenn man ständig gegen seine Intuition und Überzeugung arbeitet, wird man zum bitteren Zyniker. Ich habe in mei-ne Werbezeichnungen schließlich schon absichtlich Ärgernisse eingebaut, damit der Kunde schnell einen Fehler fi ndet und sei-ne Allmachtsansprüche ausleben kann. Mit dieser ständigen Kasteiung kann man nicht leben. Heute habe ich die Freiheit, zu tun, was ich möchte. Meine Privatmeinung und mein Privatleben sind von meiner Arbeit nicht getrennt.

Danke für das Gespräch!

4per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

Spaß Special

„Viele meiner Bilder sind

Ausschnitte aus einer Erzählung,

und es liegt am Betrachter, seinen eigenen Film daraus zu

machen.“

Gadgets erleichtern unsere Leben. Im Idealfall. Im Normalfall bescheren sie einem jede Menge Kabel, dutzende verschiedene Stecker – und einen Energiehunger, der uns jeden Tag ein anderes technisches Spielzeug an die Steckdose hängen lässt. Gedankt sei deshalb den Erfi ndern von The Sanctuary: Diese smarte Box verbirgt ein Geheimnis, ge-nauer: ist eine Universalladestation für sage und schreibe 1500 Geräte und bietet zudem eine USB-Schnittstelle für weitere hunderte Gadgets. Damit ersetzt es den gesamten bestehenden Stromadapterpark. Die ganze Familie (oder Bürogemeinschaft) kann end-lich gleichzeitig Mobiltelefon/Headset/Kame-ra/Spielkonsolen laden, nie mehr fl iegen die Geräte überall herum. Zentralismus, den wir gutheißen.

Das papierlose Büro, es wird so bald nicht kommen. Auch deshalb brauchen Wissens-arbeiter die Klammermaschine, mit der wir, zack!, Ausdrucke oder Kopien zusammen-heften können. Erfahrungsgemäß kommen aber gerade im digital ausgerichteten Büro die guten alten Dinge wie Schere, Lineal und Tacker abhanden – versauern wohl unter den Papierbergen vom Kollegen gegenüber. Der Robo Staple Hub macht dem ein Ende: Ihn schließt man per USB-Kabel an den Rechner, so ist die Hemmschwelle schon mal höher, ihn kurz auszuleihen. Dann schiebt man dem Gerät Papiere unter, die es automatisch zusammenheftet. Bis zu zehn Blätter (à 80 g/m2) soll der Elektro-Tacker auf einen Schlag schaffen. Auf das befriedigende „zack!“ müssen wir zwar verzichten, dafür schont der graue Freund unsere Handballen.

Gedächtnistrainings boomen – ob kar-ge Sudokus auf Papier oder belehrende Spielchen am Schirm wie Nintendos „ Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging“. Dem haben wir etwas entgegenzusetzen: Das liebevoll gestaltete Spiel „Und Und Und“, ein Gedächtnis- und Legespiel, dessen Vorgänger von Creativ Club Austria und Art Directors Club preisgekrönt wurde. Eine feine Ablenkung für Büroarbeiter, die mit Sprache und Schrift zu tun haben. 32 Rede-wendungen sind aufzudecken, Paarformeln wie Ach und Krach oder Jux und Tollerei. Der nächste Gedächtnisstreich des österrei-chisch-deutschen Kreativteams Christian Himmelspach und Franz Riebenbauer ist im Mai erschienen: „Alle Guten Dinge Sind Drei“, das erste Memospiel, bei dem man sich drei Karten merken muss. Computer aus, Karten auf den Tisch!

Bringt Ordnung ins digitale Bilderchaos: Die Software „Picasa“, neuerdings auch für Mac-User, hilft beim lästigen Archivieren von Digitalfotos. Picasa zeigt alle Bilder auf dem Rechner an, in welchem Unterordner auch immer sie sich verstecken. Dann lassen sich die Bilder in Alben organisieren und thema-tisch sortieren. Einige Bildbearbeitungsopti-onen wie Skalierung oder Filter beherrscht das Programm ebenfalls, auch den Upload ins Web-Album. Löblich: Picasa verändert nicht das Original, sondern erstellt Kopien – Qualitätsverlust des Urbilds durch Neukomprimieren ausge-schlossen. Unverzichtbar für jeden, der nicht weiß, wo ihm das Bild steht.

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Spaß Special 5

Spaß, Humor und Lachen wer-den vielfältige Wirkungen nach-gesagt. Diese sind mittlerweile auch mehrfach wissenschaft-

lich nachgewiesen – von der Erhöhung der Lebenserwartung bis zur positiven Wirkung auf das Immunsystem reichen die Effekte.

Für Teams ist Humor allerdings beson-ders wichtig, da er es möglich macht, Pro-bleme leichter zu lösen. Furman und Ahola berichten in ihrem Buch „Twin Star – Lö-sungen vom anderen Stern“ (Furman/Ahola 2004) von einer Studie, in der Probanden ein herausforderndes intellektuelles Problem lösen sollten. Der einen Gruppe wurde davor ein Videofi lm über effi ziente Problemlösung gezeigt. Der anderen Gruppe zeigte man ei-nen Videofi lm mit witzigen Sketchen aus ei-ner Comedy-Show. Welche Gruppe schneller war? Tatsächlich – die Gruppe, die sich die Sketche angeschaut hatte.

Ernst blockiertAllzu oft quälen wir uns mit ernsthaften Ver-suchen, Probleme zu lösen, legen die Stirn in Falten und meinen, dass ernste Probleme nur ernsthaft gelöst werden können. Doch genau das blockiert unsere Problemlösungs-kapazität. Humor bewirkt gerade in Druck-situationen eine emotionale Entlastung. Das Lachen über eine schwierige Situation löst innere und äußere Spannungen. Das ist wichtig, da Stress unsere Handlungsmög-lichkeiten auf alte eingelernte Verhaltens-muster einschränkt und somit keine neuen Lösungen hervorbringt.

Humor ist ein Weg zur Problemlösung, stellt aber selbst noch nicht die Lösung dar. Ändern kann sich durch das Lachen zunächst der emotionale Zugang. Denn Humor hat eine wesentliche Funktion: Er distanziert uns ein Stück vom Problem, ver-mindert unsere emotionale Verstrickung und ermöglicht uns damit einen ganz ande-ren Blickwinkel.

Auch wenn es um Innovationen geht, weiß man mittlerweile, dass nicht nur die Legionen an KreativitätsforscherInnen, InnovationsmanagerInnen und Querden-kerInnen neue Ideen hervorbringen. Eine

kostengünstige Alternative stellen hu-morvolle Führungskräfte und Mitarbeite-rInnen dar, denn wenn man miteinander Spaß hat und scherzt, befi ndet sich unser Gehirn automatisch im „Kreativ-Modus“.

Lachen lockertWir wissen mittlerweile schon etwas mehr über die Bedingungen, unter denen Ressour-cen von Menschen blockiert bzw. mobilisier-bar sind. Eine der Bedingungen für die Mo-bilisierung von Ressourcen (z. B. Wissen) ist das Anerkannt-Sein in einer Referenzgrup-pe. Da kann man „aus sich herausgehen“. Der Wiener Universitätsdozent für Philo-sophie und Organisationsberater Gerhard Schwarz schreibt dazu in seinem Buch „Füh-ren mit Humor“: „Eine Kunst des Führens mit Humor könnte es sein, ein Arbeits team zu einer Art Referenzgruppe zu entwickeln, in der jeder Einzelne sich so sicher und gut fühlt, dass er seine Ressourcen mobilisieren kann. Solche Gruppen leisten – sozusagen spielerisch – viel mehr als weniger gut funk-tionierende Gruppen, in denen es Angst gibt und Frustration, Neid oder Feindschaften. Humor stellt die Voraussetzung dar, Pro-bleme oder Irritationen entweder nicht ent-stehen zu lassen oder jedenfalls zeitnah zu bearbeiten.“ (Schwarz 2008, S. 97 f.) Wenn Sie also neue Ideen und Energie für Kreati-vität fördern wollen, dann fördern Sie das Miteinander-Lachen in Ihrem Unterneh-men. Denn Lachen lockert nicht nur unsere Gesichtsmuskeln, sondern auch unsere Ge-dankenmuster.

Humor als Teil der FehlerkulturFehler in Unternehmen sind zweischneidig.

Einerseits sollen sie vermieden werden und gehören zu den negativen Seiten der Arbeit. Andererseits bieten gerade sie Lern- und Verbesserungschancen. Eine rein negati-ve Bewertung würde zu Demotivation und schlimmstenfalls zu einer Vertuschungs-kultur führen, eine rein positive Bewertung würde geradezu dazu anregen, Fehler zu machen. Die Ambivalenz auf die Spitze ge-trieben: Würden Sie gern in einem „fehler-freundlichen Krankenhaus“ PatientIn sein?

Lachen allein genügt nicht„Humor ist die Fähigkeit, sich selbst oder die Situation liebevoll zu karikieren. Man ist in der Lage, sein eigenes Denken und Handeln als Irrtum zu erkennen. Der Humor macht die menschlichen Schwächen zu einer Op-tion der Annahme und der Veränderung.“ Anstatt sich Asche in Form von Selbstkritik oder Selbstmitleid aufs Haupt zu streuen, ist der Humor eine Form, mit einem Lächeln die eigenen Fehler und Schwächen anzu-nehmen. Es bedeutet nicht, über jemanden zu lachen. Hier kann der „Spaßfaktor“ in Teams leicht in Demütigungen und Gespött kippen.

Gerade deshalb betonen Furman und Ahola, dass der Erfolg nicht nur vom Spaß abhängt, sondern ergänzt werden muss durch Wertschätzung, Anteilnahme und die Fähigkeit, sich über gemeinsame Erfolge zu freuen.

Tatsächlich scheint die große Vorsicht oder Skepsis gegenüber Humor bei der Ar-beit darin begründet, dass Menschen Angst vor dem destruktiven Teil des Lachens ha-ben – vor dem Spott und Hohn der anderen, wenn z. B. etwas schiefgeht. Dieses Lachen,

Wenn Krisen und Stress das Tagesgeschäft beherrschen, dann bleibt manchen nur mehr der Galgenhumor. Und damit eine durchaus reelle Chance, das Steuer herumzureißen. Denn tatsächlich beschreiben viele erfolgreiche Teams als einen ihrer Schlüssel zum Erfolg, „dass wir miteinander lachen können“. Die beiden fi nnischen Berater und Teamentwickler Ben Furman und Tapani Ahola haben den Spaßfaktor als wirtschaftliche Größe untersucht. Fazit: Lustig lohnt sich. Text: Hemma Spreitzhofer

Serie: Kommunikation im Unternehmen (Teil 3)

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Twin Star – Lösungen vom anderen Stern. Zufriedenheit am Arbeitsplatz als Zwilling des Erfolgs von Ben Furman und Tapani AholaCarl-Auer-Systeme Verlag 2004.

Führen mit Humor. Ein gruppendynamisches Erfolgsrezept von Gerhard Schwarz 2. Aufl age, Gabler Verlag 2008.

Mag. Hemma Spreitzhofer ist Kommunikationstrainerin, Prozessmoderatorin und Beraterin bei der Komunariko, Gesellschaft für persönliche und berufl iche Fortbildung, Organisationsberatung und Unternehmensberatung. www.komunariko.at

Die Autorin

Der Spaß- alsDer Spaß- alsWirtschaftsfaktorWirtschaftsfaktor

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per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

Gutes Timing ist für Humo-risten doppelt wichtig. Ge-fragt ist nicht nur das Gespür für die richtige Platzierung

der Pointe, sondern auch Pünktlichkeit bei der Abgabe des Werks. Ferdinand Rieder lie-fert jeden Montag ein Kuvert bei der Agen-tur von Alfred Dorfer ab. Darin befi nden sich Gags für die Fernsehsendung „Dorfers Don-nerstalk“. Rieder, 61, ist seit 30 Jahren pro-fessioneller Gagwriter.

Zack, die Pointe ist da„In diesen 30 Jahren ist keine Woche ver-gangen, in der nicht ein Gag von mir im Fernsehen, im Radio oder in der Zeitung veröffentlicht worden ist“, erzählt Rieder. Für die „Columbus“-Cartoons – jahrelang humoris tisches Aushängeschild der „Kro-nen Zeitung“ – konnte er „auf Vorrat“ ar-beiten. Bei anderen Produktionen war eine Komponente mit im Spiel, die befl ügelnd oder hemmend wirken kann: extremer Zeitdruck. „Mit Matt Schuh auf Ö3 war es besonders arg. Der hat immens viele Gags gebraucht, und das meist ziemlich schnell“, sagt Rieder. „Kaum ist etwas passiert, kam schon der Anruf, dass sie etwas Lustiges dazu wollen.“ Oft habe er die Gags und Sket-ches an Ö3 gefaxt, während Schuh schon on air war. „Zeitdruck kann zu guten Ergebnis-sen führen oder blockieren“, weiß Rieder, der bei der Suche nach den Pointen auf be-wusste Strategien verzichtet und ganz auf intensives Nachdenken setzt. „Irgendwann macht’s dann meistens Zack, und die Poin-te ist da. Das geht manchmal schnell und einfach. Manchmal geht es unheimlich zäh. Und manchmal geht es gar nicht.“

Humorproduktion nach ZeitplanFür Mag. Kerstin Scheiblehner, Leiterin der Linzer Kommunikationsagentur „ImPress-Room“ und Trainerin für journalistisches Schreiben beim bfi Wien, basiert die er-folgreiche Kreation von humoristischen Texten auf dem Einhalten von journalis-tischen Grundregeln. „Kurze Sätze, Aktiv statt Passiv, Worte zum Anfassen“, nennt Scheiblehner einige Beispiele. Diese Regeln zu beherrschen und durch Übung zu au-tomatisieren, sei für das Verfassen humo-ristischer Texte Grundvoraussetzung. Die Kommunikationsexpertin empfi ehlt, bei humoristischen Slogans fallweise „im Jar-gon“ zu schreiben („Schneeketten aus der Dose: Damit Sie nicht durchdrehen, wenn es Ihre Räder tun“) oder bei Titeln Wort-spiele zu verwenden („Der Euro wird immer dollar“).

Geübte und stilsichere Texter leiden auch bei „witzigen Aufgaben“ kaum unter Schreibblockaden, ist Scheiblehner über-zeugt. „Der Zeitdruck wird zur willkom-menen Herausforderung.“ An Schreibblo-ckaden glaubt auch Stefan Vögel nicht. „Wenn man einen realistischen Zeitplan hat und nach Stunden werkelt, dann pas-siert das nicht, dass einem nichts einfällt“, so der Autor, Schauspieler und Kabaret-tist, der zusammen mit Egger & Lerch- Geschäftsführer Klaus Lerch das satirische

Spaß Special6

Und jetzt

so Schwarz in seinem Buch, hat verschiedene soziale Funktionen. Die älteste sei vermutlich der Selektions-druck: „Alle, die ein abweichendes Verhalten (oder Äußeres) aufweisen, gefährden die Gruppen identität und wurden ursprünglich von den Raubtieren eli-miniert.“ (Schwarz 2008, S. 46) Schwarz kann jedoch auch dieser Form des Humors etwas Positives abge-winnen, nämlich die „Relativierung absoluter Ansprü-che hoheitsvoller oder erhabener Zumutungen“.

Und: „Mit der Kanalisierung der Aggression durch den Humor wird die Kritik gewissermaßen aggressi-onsgedämpft reguliert und daher leichter geäußert. So kann der Realitätsverlust einer Gruppe minimiert werden, denn die positive Seite und Funktion einer Gruppe, nämlich dem Einzelnen Sicherheit zu geben und eine gemeinsame Emotionalität herzustellen, ist auf der anderen Seite eine große Gefahr, weil sie einem Realitätsverlust Vorschub leistet.“ (Schwarz 2008, 106)

Der Chef als LachnummerHumor in der Führung ist eine delikate Sache, denn wenn über den Chef/die Chefi n schon gelacht werden darf, ist er/sie dann überhaupt noch ernst zu neh-men? Humor scheint gefährlich zu sein, da in ihm eine Ahnung des Chaotischen, der Umkehrung der Verhältnisse aufblitzt – es könnte ja auch ganz anders sein. Nicht umsonst dulde(te)n autoritäre Regimes keinen Humor. Die Wahrheit ist allerdings: die Witze werden ohnehin gemacht. Am Stammtisch nach der Arbeit, wenn sie im Büro nicht erlaubt sind, in den Besprechungen, wenn sie in die Arbeitskultur inte-griert sind. Gerhard Schwarz: „Ein Chef, der über sich selbst lachen kann, macht aus dem destruktiven La-chen der Mitarbeiter ein konstruktives. Die Ordnung bleibt erhalten, aber das Chaos wird zuge lassen, denn die Angst vor dem Zusammenbrechen der Ordnungs-strukturen haben ja Vorgesetzte und Mitarbeiter ge-meinsam.“ (S. 87) Lachen dient offensichtlich dazu, eine gemeinsame positive Grundstimmung herzu-stellen. „Ein Chef mit Selbstironie, der auch mitlacht, erreicht diese Ebene der emotionalen Partizipation einer Gruppe und kann so die destruktive Gewalt des Lachens (gegen sich oder gegen andere Gruppen) in eine konstruktive Kraft verwandeln.“ Das geht zu-nächst am leichtesten über das Lachen über einen gemeinsamen Außenfeind. Reif ist eine Gruppe tat-sächlich erst, wenn es ihr gelingt, „gemeinsam auch über sich selbst bzw. die eigenen Gruppenmitglieder zu lachen“ (S. 8). Dann ist es gelungen, eine wertschät-zende Vertrauensbasis aufzubauen, die es zulässt, auf humorvolle Art Kritik auszusprechen und Humor als Quelle der Selbstrefl exion zu nutzen.

Deshalb ist Humor auch für Organisationsberate-rInnen, die modernen Hofnarren und -närrinnen, ein wichtiges Interventionsmittel, denn unter dem expli-ziten Prinzip des Unernstes können sie die ernsteste Wahrheit sagen. „Humor ist die einzige Macht der Machtlosigkeit“, formulierte es der Philosoph und Or-ganisationsberater Peter Heintel. Denn weder Berate-rInnen noch TrainerInnen besitzen im Organisations-system verankerte formale Macht. Wertschätzender Humor ermöglicht so nicht nur das Lernen in Trai-nings- und Seminarsituationen, sondern auch das Lernen von Organisationen, wenn der „schräge“ Blick auf das, was ist, erlaubt wird.

Unter Zeitdruck witzige Texte produzieren: Das kann ein

echt harter Job sein. periodicum zeigt verschiedene Wege zur Pointe – und verrät, was

man tun kann, wenn trotzdem nichts geht.Text: Wolfgang Knabl

Spaßarbeit als Maßarbeit

AktualitätenFrische witzige Zutaten schmecken immer am besten.

AnachronismenGag-Garant: Produkte, Personen und Themen in unpassende Zeiten zu versetzen.

Drehung um 180 GradSpiel mit Erwartungshaltungen: Gewohntes ins Gegenteil verkehren, Ursache und Wirkung austauschen.

Gedichte, ReimeMenschen lieben Reime, ein Schüttel-reim bringt immer Lacher.

Inkompatible WeltDie Zusammenführung von inkom-patiblen Realitäten, z. B. ein Fußball-spieler wird zum Balletttänzer.

KlischeesKlischees sind ein wunderbares Feld, um Humorwirkung zu erzielen.

NachahmungEgal ob Parodie, Persifl age oder Satire: Die Nachahmung ist oft Basis humoristischer Arbeiten.

ParadoxienStilfi guren, die in scheinbaren Widersprüchen Wahrheiten veran-schaulichen, z. B.: nachträgliche Vorauszahlung.

PerspektivenwechselVeränderte Sicht auf die Dinge: Betrachten Sie Ihr Thema aus allen möglichen Blickrichtungen.

SinnverdrehungenSpiel mit ähnlich klingenden Wörtern, z. B.: „sadistisches Dentalamt“ statt „statistisches Zentralamt“.

Wege zum HumorKabarettist und Humor-Consulter Jürgen Vogl hat „33 Wege zum Humor“ defi niert. periodicum präsentiert eine Auswahl:

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7

Buch „Grüß Gott in Voradelberg“ geschrie-ben hat. Viele Leute würden an das Klischee glauben, dass Autoren nur schreiben, wenn sie die Muse küsst, meint Vögel. Dabei ste-cke in der Regel viel Arbeit und professio-nelles Handwerk dahinter, wenn etwas auf die Rezipienten besonders locker wirkt. „Manchmal schreibt man mehrere Versi-onen, die alle nicht das Wahre sind – und plötzlich macht es Klick, und man weiß, dass man auf dem richtigen Weg ist“, so Vögel. Nur selten komme es vor, „dass es anfängt zu fl ießen, ohne dass man etwas dafür tut.“

Die Illusion der Leichtigkeit„Gut schreiben heißt: Lang nachdenken, kurz schreiben, sofort verstanden werden“, meint Sabine Pöhacker, Inhaberin der Kom-munikationsagentur comm:unications und Lehrgangsleiterin der bfi Wien Akademie für Integrierte Kommunikation. Wie viel Zeit, Kreativität und mitunter auch Nervenkraft in die Produktion von witzigen Texten oder humorvolle, originelle Slogans investiert werden muss, wird wohl von den meisten Rezipienten unterschätzt. Und das ist auch gut so: Die Wirkung des Humors in den Me-dien und in der Werbung wird von einer Aura der Leichtigkeit und der Lockerheit getragen. Ohne diese Illusion würde vielen Rezipienten wohl die Lust am Lachen verge-hen.

Nur nicht versteifenLustig sein, das ist also mitunter ein ziem-licher Knochenjob. In der Werbebranche ringen ganze Kreativ-Teams oft tagelang um eine Lösung. „Wer sich jedoch zu sehr darauf versteift, in kurzer Zeit einen Brüller zu produzieren, bei dem sich alle am Boden zerkugeln, wird unlocker. Und dann kommt etwas Halbwitziges heraus“, weiß Sandra Pirker, Texterin bei der Werbeagentur „Wien Nord“. Wenn Pirker bei der Aufgabe, einen lustigen Slogan zu kreieren, in einer kre-ativen Sackgasse gelandet ist, verlässt sie das Büro und geht auf die Straße. „Ich lasse meine Gedanken schweifen, ganz unabhän-gig davon, was ich eigentlich machen sollte. Meistens trifft einen dann die Idee.“

Wobei gerade bei Humor immer ein „Restrisiko“ bleibt: das der unterschied-lichen Geschmäcker. „Du kannst einen Spot schreiben, über den du selber dich zerku-gelst“, so Pirker. „Aber wenn der Auftrag-geber oder die Zielgruppe einen anderen Sinn für Humor hat, wird trotzdem nichts daraus.“

33 Wege zum Humor„Wichtig bei der Produktion von Humor un-ter Zeitdruck ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren“, meint Dr. Michael Titze, Psychologe und Vorsitzender der Humor-Care Deutschland. Es gelte, aus allen Ideen „das Wenige herauszufi ltern, dass dann in einer bestimmten Situation, in einem be-stimmten Kontext unerwartet kommt und daher witzig ist.“ Grundsätzlich könne eine solche Aufgabe von den meisten Menschen gemeistert werden.

Dieser Meinung ist auch der Kabarettist und Humor-Consultant Jürgen Vogl. Er ver-anstaltet unter dem Titel „Mein Humorpo-tenzial und ich. Eine Entdeckungsreise zur eigenen Komik“ Seminare und Workshops. Zielgruppe: Alle, die Inhalte vermitteln und dabei ihr Publikum gut unterhalten, ja sogar zum Lachen bringen wollen. Mit dem rich-tigen Know-how sei die Produktion von hu-morvollen Reden oder Texten, ja sogar das „Lustig sein auf Knopfdruck“, nicht beson-ders schwierig, meint Vogl. Bei seinen Semi-naren und Workshops sei es immer wieder erstaunlich, zu erleben, wie viel Humorpo-tenzial in den Menschen steckt. „Man muss ihnen nur den Weg zeigen und ein paar Re-geln mitgeben.“ Vogl hat sich intensiv mit der Theorie des Humors auseinandergesetzt und den Leitfaden „33 Wege zum Humor“ entwickelt (siehe Kasten „Wege zum Hu-mor“). „Damit kann man auch unter Zeit-druck Lustiges schreiben“, meint Vogl. „Den kreativen Funken muss man aber auch mit dem besten theoretischen Regelwerk selber zünden.“

Sieben Kilometer zur SatireFür den Kurier-Kolumnisten Guido Tarta-rotti ist der Weg zum witzigen Text meis-tens sechs oder sieben Kilometer lang:

etwas Lustiges! Aber schnell!!!

Spaß Special

Wenn ich unter Zeitdruck etwas Lustiges schreiben muss, dann ...

„Ich laufe jeden Tag eine Stunde, und da-bei fallen mir fast alle Ideen ein. Nach dem Laufen muss ich das Ganze nur mehr aufschreiben.“ Tartarotti zählt zu den be-liebtesten „Edelfedern“ Österreichs, mit dem Lese-Kabarett „ÜberLeben – Escape from Meerschweinchenkäfi g“ bringt er sei-ne besten Kolumnen auch auf die Bühne. Die titelgebende Flucht bezieht sich auf das traurige Schicksal, welches Zeitungen am Tag nach ihrem Erscheinen droht, falls ihre Leser über ein Haustier und einen Hang zur Zweckentfremdung verfügen.

Die zweitwitzigste LösungDie hohe Kunst, unter dem bei Tageszei-tungen üblichen Zeitdruck zeitlos gute hu-moristische Texte zu verfassen, die sogar auf der Bühne funktionieren, beherrschen nur ganz wenige Schreiber. „Zeitdruck ist für mich etwas Angenehmes, ich brauche Zeitdruck, um arbeiten zu können“, sagt Tartarotti und bestätigt, dass es gute Re-geln für das Schreiben witziger Texte gibt. Nur: Er habe sie nie gelernt. „Bei mir pas-siert das alles intuitiv, mein Kopf wirft stän-dig seltsame Gedanken, Assoziationen und Pointen aus.“ Und wenn trotzdem einmal nichts geht? „Es gibt verschiedene Möglich-keiten, wie man eine Blockade umgehen kann“, meint Tartarotti. Sich aus der Situ-ation rausnehmen, weg vom Computer, ein kurzes Telefonat führen, einmal um den Häuserblock gehen. „Und wenn einem die witzigste Lösung nicht einfällt, dann muss man die zweitwitzigste verwenden. Das ge-hört auch zum Geschäft.“

„... tue ich es einfach.“Guido Tartarotti, Kurier-Kolumnist und Lese-Kabarettist

„... denke ich darüber nach, wie man aus einer Mücke einen Elefanten macht.“Sabine Pöhacker, Inhaberin der PR-Agentur comm:unications und Lehrgangsleiterin der bfi Wien Akademie für Integrierte Kommunikation

„... nehme ich mein Diktiergerät und rede einfach draufl os.“Sandra Pirker, Werbetexterin „Wien Nord“

„... greife ich zu meinen 33 Humorwegen.“Jürgen Vogl, Kabarettist undHumor-Consultant

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Kreation

Fun Publishing

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10per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

Spaß Special

Humor als Werkzeug

Kennen Sie den? Sagt der Ma-trose zum Kapitän: „Herr Ka-pitän, wir haben einen blin-den Passagier an Bord. Was

sollen wir mit ihm machen?“ „Werfen Sie ihn sofort über Bord!“ Zehn Minuten später fragt der Matrose: „Und was machen wir mit seinem Blindenhund?“

Witze sind nicht nur lustigSie fi nden das nicht lustig? Zur Beruhigung: Der obige Witz wurde ursprünglich in dem von Egger & Lerch produzierten Heft „Un-ser Schaffen“ veröffentlicht – dem Monats-magazin der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs. Das Bei-spiel zeigt, wie sehr das ethisch korrekte Funktionieren eines Witzes von Kontext, Medium und Zielgruppe abhängig ist. „Ich denke, dass ein Blindenwitz in einer Blin-denzeitschrift ein sehr gesundes Zeichen ist. Man lacht ja nicht über den Blinden, son-dern über das Missgeschick, das ihm pas-siert“, meint Prof. Dr. Willibald Ruch, Leiter der Fachgruppe Persönlichkeitspsychologie am Psychologischen Institut der Universität Zürich, Mitherausgeber des „International Journal of Humor Research“ und Mitglied bei der „International Society for Humor Studies“ (ISHS).

Das Beispiel zeigt auch die Vielfalt der unterschiedlichen Funktionen, die ein Witz in einem Printmedium erfüllen kann. Viele Menschen mit Benachteiligungen würden sich diskriminiert fühlen, wenn sie aus Witzen ausgeschlossen sind, weil dieser Ausschluss ja wieder eine Art von Diskri-minierung sei, betont Ruch. Und dagegen helfen vor allem: die richtigen Witze. Somit funktioniert der kleine Blinden-Witz auch als selbstbewusstes Statement gegen Dis-kriminierung – keine üble Leistung für die paar kurzen Sätze. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der Witz neben diesem sub-til wirksamen Zusatznutzen eigentlich eine wichtige Primärfunktion erfüllen soll: den Unterhaltungswert des Mediums zu stei-gern. Wird diese Vorgabe erreicht, bringt das den Herausgebern des Magazins weitere Vorteile. Ein gelungener Witz oder andere gut eingesetzte humoristische Redaktions-Tools wie Cartoons, Karikaturen oder sati-rische Glossen können dabei helfen, neue Leser zu gewinnen.

Ein gelungener Gag als EisbrecherEinem guten Gag folgt meist ein Sieger lä-ch eln. Kein Wunder: Humor macht inte-ressant, sexy und steigert die Beliebtheit. Immer wieder belegen neue Untersu-chungen, wie sehr diese Binsenweisheit auf zwischenmenschliche Beziehungen zutrifft. Aktuelles Beispiel mit Schwer-punkt Selbstironie: Die Studie „Dissing Oneself: The Sexual Attractiveness of Self-Deprecating Humour“ des Anthropolgen Gil Greengross von der University of New Mexico. Auch ein Blick in gedruckte und virtuelle Partnerbörsen bestätigt, dass Hu-mor als wichtiges Tool gilt, um bei anderen

gut anzukommen. Verschiedenen Studien zufolge rangiert die Eigenschaft „humor-voll“ in Partnerinseraten bei „gewünsch-ten“ bzw. „positiven“ Eigenschaften welt-weit an ers ter oder zweiter Stelle. Wer Humor hat, verfügt dadurch also auch über ein Plus an Attraktivität. Gilt das auch für Printmedien? „Ja“, meint Prof. Ruch. „Eine Zeitung oder Zeitschrift wird durch das Element Humor bei der Leserschaft beliebter und begehrenswerter.“ Wie im zwischenmenschlichen Bereich gelte auch für Printmedien: Die durch den Humor ge-steigerte Attraktivität kann vor allem beim ersten Kontakt, dem Kennenlernen, eine wichtige Rolle als „Eisbrecher“ spielen. Und später dabei helfen, die Bindung der Rezipienten an das Blatt zu festigen.

Lachen ist gesund – auch für die Kundenbindung„Humor ist für viele Leser der erste Zugang zu einem Magazin“, weiß Prof. Dr. Klaus Lojka vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Uni-

versität Wien. „Es gibt ja viele, die blättern ein Heft durch und bleiben dann bei einem Cartoon oder einer satirischen Glosse hän-gen. So werden neue Leser gewonnen.“ In Folge können die humoristischen Elemente eines Printmediums auch dabei helfen, die-se neuen Rezipienten zu Stammlesern zu machen.

„Das gemeinsame Lachen lässt in uns Ge-fühle der Solidarität und Verbundenheit mit dem Gegenüber entstehen und hält dieseGefühle aufrecht“, erklärt Mag. Dunja Rad-ler, ausgebildete Psychologin und Bildbear-beitungsexpertin bei Egger & Lerch. „Lachen hebt unsere Stimmung, da Humor an das Belohnungszentrum im Gehirn appelliert“, so Radler. „Weil das mit positiven Emoti-onen assoziiert wird, wirken Menschen und auch Medien, die uns zum Lachen bringen, besonders anziehend. Und das auch dauer-haft.“ Für Corporate-Publishing-Magazine bringt die gesteigerte Leserbindung einen weiteren Zusatznutzen: Ihre Funktion als Kundenbindungsinstrument kann dadurch unterstützt und verbessert werden. Vo-

rausgesetzt, man beachtet einige wichtige Grundregeln.

Vorsicht, Satire!Ein schelmisches Augenzwinkern, ein ne-ckisches Grinsen: Im zwischenmensch-lichen Bereich wird oft durch die Mimik angekündigt, dass gleich etwas kommt, was nicht ganz ernst gemeint ist. Wer gemein-sam lacht, begibt sich zusammen auf eine andere Kommunikationsebene, auf der – oft nur für Sekunden – andere Regeln gelten. Hier sind Aussagen erlaubt, die im ernsten Kontext unpassend oder sogar beleidigend sein könnten. Die meisten humoristischen Redaktionstools wie Cartoons, satirische Glossen oder Witze-Seiten verfügen über ähnliche Vorwarnmechanismen. Zu Recht: Fehlen diese, kann Humor falsch verstan-den werden. Und das kann – wie auch im zwischenmenschlichen Bereich – ziemlich peinlich wirken.

Wichtig beim Einsatz von Humor ist aber nicht nur die Kennzeichnung der Satire als solche, sondern auch die genaue Kenntnis

Mit Humor lassen sich gleich mehrere Kommunikations ziele auf einmal erreichen. Wer in seinem Printmedium Witze, Cartoons & Co richtig einsetzt, hat nicht nur die Lacher auf seiner Seite. Text: Wolfgang Knabl

Mehr als lustig

Ohne Vorwarn-mechanismen kann

Humor gründlich danebengehen. Und

wer seine Zielgruppe falsch einschätzt, stößt sie vor den Kopf, statt sie zu

unterhalten.

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11Spaß Special

der Zielgruppe und ihrer Wertvorstellungen. „In einem christlichen Vereinsblatt ist eine völlig unterschiedliche Art von Humor zu fi nden als in einem linken Underground-Blatt“, erklärt Prof. Ruch. „Die Art des Hu-mors wird völlig unterschiedlich sein, aber zum generellen Stil des jeweiligen Blattes passen.“ Gedruckter Humor habe sehr viel mit Wertvorstellungen zu tun, vor allem in der Dimension, wie konservativ oder liberal jemand denkt. Wenn Zeitungsmacher hier danebenliegen, können sie die Zielgruppe leicht vor den Kopf stoßen.

Dabei machen sehr oft gerade riskante Themen und das Antasten von Grenzen den Reiz eines gelungenen, originellen Witzes aus. Gleichzeitig steigt bei einer hu-moristischen Gratwanderung aber auch das Risiko, Ablehnung oder gar Entrüstung hervorzurufen. Trifft man allerdings den Ge-schmack der Zielgruppe, kann das für diese eine Bestätigung sein, das richtige Magazin zu lesen. „Wenn jemand den Humor einer Zeitschrift gut fi ndet, dann fühlt er sich auch automatisch der Lesergruppe zugehörig“,

„Humor ist wie ein Finger-abdruck. Printmedien können durch die Art des Humors, den sie bringen, ihr individuelles Profi l charakterisieren und stärken.“Prof. Dr. Willibald Ruch, Psychologisches Institut der Universität Zürich, International Society for Humor Studies

„Die wirkliche journalistische Spitzenleistung beim Humor ist die Karikatur. Vor allem mit Karikaturen kann man auch tiefsinnige, komplexe Inhalte leicht transportieren.“Prof. Dr. Klaus Lojka, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien

„Wenn jemand den Humor einer Zeitschrift mag, fühlt er sich auch der Lesergruppe zugehörig. Und Gemein-schaftsgefühle sind die Grundlage einer Beziehung.“Mag. Dunja Radler, Psychologin

„Humor ist ein wichtiges Tool, um zu relativieren. Es gibt bei jedem Thema mehrere Seiten, und das kann man mit humoristischen Elementen sehr gut zeigen.“Dr. Margit Böck, Kommunikationswissenschafterin, Universität Salzburg

„In Printmedien erfüllt Humor eine wichtige Aufl ockerungsfunktion. Bei spröden Themen steigert eine witzige Passage, ein humoristisches Wortspiel die Lust aufs Weiterlesen.“Dr. Gerhard Schwarz, Philosoph, Autor und Universitätsdozent an den Universitäten Wien und Klagenfurt

weiß Mag. Radler. „Und Gemeinschaftsge-fühle sind die Grundlage einer Beziehung.“

Mit Humor lassen sich aber nicht nur Brücken bauen, die zu dauerhaften Bezie-hungen führen. Mit Humor können auch komplexe und kontroverse Inhalte transpor-tiert werden.

Komplexe Inhalte mit Witz vermittelnMüde Gesichter. Ein Gähnen. Dann die Erlö-sung: Ein gelungener Witz zur Aufl ockerung verbessert die Aufmerksamkeit und steigert die Aufnahmefähigkeit für die folgenden Inhalte. Diesen Trick machen sich viele Vor-tragende zunutze, und er funktioniert auch im printmedialen Einsatz. „Besonders bei trockenen, spröden Themen kann eine wit-zige Passage, ein gelungenes humoristisches Wortspiel die Lust aufs Weiterlesen steigern, weil man auf die nächste lustige Passage gespannt ist“, erklärt Dr. Gerhard Schwarz, Philosoph und Universitätsdozent für Philo-sophie und Gruppendynamik an den Univer-sitäten Wien und Klagenfurt. Univ.-Ass. Dr. Margit Böck, Kommunikationswissenschaf-terin an der Universität Salzburg, meint: „Humor ist ein unterhaltendes Element. Und mit unterhaltenden Elementen können In-halte besser kommuniziert werden.“ Dabei sei aber die Qualität des Humors wichtig: „Wenn es nur mehr Gaude ist, dann funk-tioniert die Informationsvermittlung nicht“, warnt Böck. „Durch falsch eingesetzten Hu-mor können Inhalte auch abgewertet wer-den.“ Wird er aber richtig verwendet, lassen sich damit auch komplexe Inhalte beson-

ders einfach transportieren. „Humor relativiert und eignet sich sehr gut, um Dinge zu hinterfragen“, sagt Böck. „Es gibt immer mehr Seiten, und das kann man mit Humor

und humoristischen Elementen gut zeigen.“ „Vor allem in

Karikaturen kann man so auch tiefsinnige, komplexe

Inhalte leicht transportie-ren“, be tont Prof. Lojka.

Dr. Schwarz beschäftigt sich in seinem aktu-ellen Buch „Führen mit Humor“ auch intensiv mit dem Konfl iktlösungspo-tenzial von Humor.

„Wenn es gelingt, beide Seiten zum La-

chen zu bringen, hat man schon gewonnen“, so Schwarz. „Mit Humor bringt man immer Bewegung in eine festgefahrene Situation“, und das könne man auch bei der printmedi-alen Aufbereitung von heiklen Themen nut-zen. (Mehr zu „Führen mit Humor“ auf Seite 5.)

Humor schärft das Profi lFantasie. Intellekt. Mut. Mehrschichtiges, kritisches Denken. Die Fähigkeit zur Selbst-ironie. Wer Humor zeigt, kann damit auch mehrere positive Charaktereigenschaften unter Beweis stellen und dadurch sein Profi l schärfen. Das gilt für Menschen ebenso wie

für Medien. „Humor ist wie ein Fingerab-druck“, bestätigt Prof. Ruch. „Zeitungen und Zeitschriften können durch die Art des Hu-mors, den sie bringen, ihr Profi l stärken und charakterisieren.“

Für Corporate-Publishing-Magazine bringt die Schärfung des Profi ls durch humoris-tische Redaktionstools einen wertvollen Zusatznutzen: Sie können damit ziemlich effi zient die Corporate Identity des Heraus-gebers stärken. Die besondere Effi zienz der humoristischen Redaktionstools basiert da-bei auf mehreren Säulen:

So werden – gelungene – Cartoons, Witze und satirische Glossen wegen ihres hohen Unterhaltungswerts in der Regel besonders gerne rezipiert. Wie lustige Erlebnisse prä-gen sich auch printmedial transportierte

witzige Inhalte besonders gut ein, und die emotionale Bindung zwischen Leser und Magazin bzw. zu Kunden und Mitarbeitern wird gefestigt.

Im optimalen Fall reicht der Effekt eines guten Witzes sogar weit über das Medium hinaus und bekommt so nebenbei hand-festen Servicecharakter: Er wird von den Lesern weitererzählt – und das fördert ja bekanntermaßen die Attraktivität und stei-gert die Beliebtheit.

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Der Witz: Von der Absurdität

12per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

Spaß Special

Das ist eine gute Frage, die ich mir so noch nie überlegt habe. Das ist eine gute Frage, die ich mir so noch nie überlegt habe. Spaß ist, spontan lachen zu können, ohne sich etwas vorbereiten Spaß ist, spontan lachen zu können, ohne sich etwas vorbereiten zu müssen. Und Humor bei der Arbeit ist generell wichtig: Ich zu müssen. Und Humor bei der Arbeit ist generell wichtig: Ich freue mich dann und wann über ein lustiges E-Mail, das den Tag freue mich dann und wann über ein lustiges E-Mail, das den Tag aufheitert, oder wenn mir jemand einen Witz erzählt. Apropos aufheitert, oder wenn mir jemand einen Witz erzählt. Apropos Witz: Meinen Newslettern füge ich als letzten Punkt auch immer Witz: Meinen Newslettern füge ich als letzten Punkt auch immer den Witz oder Clip der Woche bei. Das wollen alle sehen – und den Witz oder Clip der Woche bei. Das wollen alle sehen – und bis sie dorthin kommen, müssen die LSI-Mitglieder alles andere bis sie dorthin kommen, müssen die LSI-Mitglieder alles andere auch lesen. auch lesen.

Spaß ist, wenn ich über eigene Fehler lachen kann – zum Bei-Spaß ist, wenn ich über eigene Fehler lachen kann – zum Bei-spiel, wenn ich etwas Kurioses mache und mich dann über mich spiel, wenn ich etwas Kurioses mache und mich dann über mich selbst wundere. Kuriose und schräge Sachen mag ich generell selbst wundere. Kuriose und schräge Sachen mag ich generell sehr. Dinge, die mir bei der Arbeit zu schaffen machen, ins Kuri-sehr. Dinge, die mir bei der Arbeit zu schaffen machen, ins Kuri-ose zu ziehen, hilft ungemein gegen Frust und Überlastung. Hu-ose zu ziehen, hilft ungemein gegen Frust und Überlastung. Hu-mor macht eben fast alles erträglich. So nach dem Motto: macht mor macht eben fast alles erträglich. So nach dem Motto: macht man die Arbeit lustiger, macht man sie auch leichter. man die Arbeit lustiger, macht man sie auch leichter.

Mir macht meine Arbeit Spaß – vor allem, wenn etwas weitergeht. Mir macht meine Arbeit Spaß – vor allem, wenn etwas weitergeht. Und wir haben einen hohen Spaßfaktor im Team. Ich denke, dass Und wir haben einen hohen Spaßfaktor im Team. Ich denke, dass gerade bei einer NGO, wo es um ernste Themen und Probleme gerade bei einer NGO, wo es um ernste Themen und Probleme geht, das gemeinsame Spaßhaben besonders wichtig ist. Auch geht, das gemeinsame Spaßhaben besonders wichtig ist. Auch viele Aktionen, vor allem der Jugendcaritas, fallen mir beim Wort viele Aktionen, vor allem der Jugendcaritas, fallen mir beim Wort Spaß ein – und unsre T-Shirts mit lustigen Sprüchen. Freude be-Spaß ein – und unsre T-Shirts mit lustigen Sprüchen. Freude be-reiten auch die vielen Menschen, die zu uns kommen oder emo-reiten auch die vielen Menschen, die zu uns kommen oder emo-tionale Briefe schreiben. Gar nicht lustig fi nde ich allerdings die tionale Briefe schreiben. Gar nicht lustig fi nde ich allerdings die Schicksale, mit denen ich täglich zu tun habe, sei es versteckte Schicksale, mit denen ich täglich zu tun habe, sei es versteckte Armut in Österreich, Straßenkinder in der Ukraine oder internati-Armut in Österreich, Straßenkinder in der Ukraine oder internati-onale Katastrophen. Umso mehr aber bin ich froh, meinen kleinen onale Katastrophen. Umso mehr aber bin ich froh, meinen kleinen Teil beitragen zu dürfen, damit es besser wird. Teil beitragen zu dürfen, damit es besser wird.

Mit meinen Freunden habe ich es lustig – und oft auch mit meinen Mit meinen Freunden habe ich es lustig – und oft auch mit meinen Kollegen. Spaß entsteht für mich meistens aus der Situation. In Kollegen. Spaß entsteht für mich meistens aus der Situation. In Gesprächen kommt es zu Anspielungen, Doppeldeutigkeiten oder Gesprächen kommt es zu Anspielungen, Doppeldeutigkeiten oder Wortwitzen. Schlagfertige Menschen mag ich besonders und mit Wortwitzen. Schlagfertige Menschen mag ich besonders und mit meinen Freunden blödle ich auch gern rum. Witze dagegen erzäh-meinen Freunden blödle ich auch gern rum. Witze dagegen erzäh-le ich nicht. Ich vergesse sie immer gleich. Ob ich es mag, wenn le ich nicht. Ich vergesse sie immer gleich. Ob ich es mag, wenn mir ein Witz erzählt wird, hängt von der Qualität des Witzes ab. mir ein Witz erzählt wird, hängt von der Qualität des Witzes ab.

Ganz spontan zu Spaß fallen mir ein: Duffy Duck, Luis de Funes, Ganz spontan zu Spaß fallen mir ein: Duffy Duck, Luis de Funes, mein Pferd, meine Freunde und schwarzer Humor. Wobei schwar-mein Pferd, meine Freunde und schwarzer Humor. Wobei schwar-zer Humor auch bei der täglichen Arbeit hilft. Spaß in der Arbeit zer Humor auch bei der täglichen Arbeit hilft. Spaß in der Arbeit ist letztlich, auch in stressigen Situationen zu lachen. Zum Glück ist letztlich, auch in stressigen Situationen zu lachen. Zum Glück lacht meine Kollegin auch viel. Und dann gehört Spaß natürlich lacht meine Kollegin auch viel. Und dann gehört Spaß natürlich auch zu Werbung und Marketing. Aber da soll er keinesfalls blöd auch zu Werbung und Marketing. Aber da soll er keinesfalls blöd und nervend rüberkommen. Bestimmte Möbelhauswerbungen und nervend rüberkommen. Bestimmte Möbelhauswerbungen beispielsweise mag ich gar nicht.beispielsweise mag ich gar nicht.

Herbert Reisinger, LSI

Gabriele Frisch, Hilfsgemeinschaftder Blinden und Sehschwachen

Christine Henökl, Nestlé

Gudrun Wallner, Tappe

Silke Ruprechtsberger, Caritas

Statements von Egger & Lerch-Kunden

Was bedeutet Spaß für Sie?Was bedeutet Spaß für Sie?

Gute Witze sind nicht nur lustig, sondern auch äußerst nützlich. Sie helfen uns, mit Tabus und schwierigen Situationen fertig zu werden. Sie zeigen uns das Mögliche im Unmöglichen und schaffen so neue Realitäten. Text: Renate Süß Was wäre das Leben

ohne den Witz? Beim Lachen trainieren wir etwa 80 Muskeln am

ganzen Körper, wir verbrennen in 10 Minu-ten zirka 50 Kalorien und schütten Endor-phine, also Glückshormone aus. Kein Wun-

der, dass uns der Witz ständig begleitet. Zu allen möglichen Gelegenheiten wird er er-zählt oder übers Internet verschickt. Print-medien bereichert er als Cartoon, Karikatur oder Comic. In der Werbung sorgt er für Aufmerksamkeit und macht ein Produkt im Idealfall sympathisch. Die Liste ließe

Lebenshilfe mit ein paar Zeilen

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zur Realität

13Spaß Special

sich auf viele weitere Bereiche ausdehnen, auf Literatur, Bildung, Reden, Geschäfts-kontakte … Wo auch immer er eingesetzt wird, er hat die Funktion, aufzulockern, durch gemeinsames Lachen zu verbinden und Aufmerksamkeit zu erregen.

Kein alter HutMan könnte meinen, den Witz, diese meist mündlich überlieferte Textsorte ohne be-kannten Verfasser, gäbe es schon ewig. Weit gefehlt. Die ersten Witze in ihrer heu-tigen Form entstanden im 19. Jahrhundert. Davor waren lustige literarische Formen anders aufgebaut. Die mittelalterlichen Schwänke beispielsweise hatten weder die für den Witz charakteristische Kürze noch eine Pointe.

Der erste Witz?Eine Vorreiterrolle nimmt Johann Friedrich Riederers Gedicht „Als einst ein alter Herr“ aus dem frühen 18. Jahrhundert ein, das bereits die Elemente des modernen Witzes enthält:Als einst ein alter Herr ein junges Mädchen freiteund ihm sein schwacher Leibnichts Gutes prophezeite,sprach er zu ihr: Mein Kind, Sie wird sich ja bequemen,und wird die eh’lich Pfl icht quartalweis von mir nehmen?Ihr Wiederfragen war, da sie sich kaum bedacht: Allein wie viel Quartalgibt’s dann in einer Nacht?

Fehlleistung mit SinnDie Pointe entsteht durch eine überra-schende Wendung, ein Missverständnis, ein Wortspiel … im Normalfall jedenfalls durch eine Fehlleistung, die selbst wieder einen Sinn ergibt. Am Beispiel des Scherz-gedichtes von Riederer ist das schön zu zei-gen: Die Fehlleistung besteht darin, nicht zu wissen, was ein Quartal ist. Der Sinn be-steht darin, Vernunftsehen zwischen alten Herren und jungen Mädchen kritisch zu hinterfragen. Und letztendlich wird nicht klar, wer wirklich der Dumme ist: das Mäd-chen, das ein Fremdwort nicht kennt, oder der Mann, der doch so klug daherredet, sich aber auf eine Situation einlässt, die er nicht wird meistern können.

Tabubruch ohne AngstDer Überraschungseffekt ist zwar der of-fensichtlichste, aber doch nur ein Teil der Magie der Pointe. Freud macht in seiner be-rühmten Abhandlung „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ den Lustge-winn durch den Tabubruch deutlich. Beim Witzerzählen sprechen wir Dinge aus, die sonst unter die (Selbst-)Zensur fallen. Das alleine ist aber noch nicht witzig. Erst wenn wir tabuisierte Dinge so aufbereiten, dass ihnen das Schreckliche genommen wird, können wir darüber lachen. Nicht von un-gefähr erfreut sich der politische Witz in Diktaturen besonderer Beliebtheit. Der ge-fürchtete Diktator wird dabei zum dum-men Trottel ohne Macht. Selbst der Tod wird entpersönlicht. Ein Witz über Krieg und Massenmord während des Nationalso-zialismus lautete beispielsweise: Was un-terscheidet den Nationalsozialismus vom Christentum? Im Christentum starb einer für alle …

Törichte KlugheitDoch auch damit ist das Wesen der Poin-te noch nicht restlos geklärt. Ihr vielleicht wichtigstes Kriterium ist das Spannungs-feld, in dem sie liegt, nämlich zwischen Realität und Absurdität. Schopenhauer sagt, beim Witz würde die „strenge, uner-

müdliche Hofmeisterin Vernunft einmal der Unzulänglichkeit überführt“. Der zeit-genössische Philosoph Slavoj Zizek geht noch viel weiter. Er meint, der Witz wäre eine Unterbrechung und Neukonfi gura-tion von Realität. Diese Neukonfi guration gelingt durch die absurde Aufl ösung all-täglicher Situationen. Friedrich Theodor Vischer nannte das die Contradictio, also den Widerspruch des Komischen: „Der Zu-schauer ruft aus: So klug und diese Klugheit so töricht! So viel Sinn und in diesem Sinn so viel Unsinn!“ Und der Soziologe Hans Paul Bahrdt schreibt: „Jeder Witz eröffnet in der Pointe einen neuen Horizont mit einer neuen Bedeutung und lädt den Zuhörer ein, sich diesen Horizont anzueignen.“

Eingebettet in die LebensweltEin Witz ist nur witzig, wenn er mit Ele-menten unserer Realität spielt. Auch wenn ein Witz völlig ins Absurde abgleitet, wie beispielsweise jener, der mit den Worten anfängt: Kommt ein Zebra ins Wirtshaus …, spielt er doch mit der Realität – dem Schauplatz Wirtshaus und dem, was das Zebra erlebt. Das Zebra hilft hier nur, ta-buisierte Themen weiter zu abstrahieren. Berufsgruppenwitze sind für Menschen mit anderer Lebensrealität nicht verständ-lich. Ein beliebter Mathematikerwitz lautet beispielsweise: „Sei Epsilon kleiner Null ...“ Darüber kann aber nur lachen, wer täglich in seiner Lebenswelt, in diesem Fall der der höheren Mathematik, damit befasst ist, dass Epsilon stets für eine Zahl größer Null steht. Auch sprachlich ist der Witz stark re-alitätsbezogen. Meist hat er jene Form, die in unserer Alltagssprache am häufi gsten vorkommt, nämlich die des Dialogs.

Der lustige SpiegelIn einem kleinen Ausschnitt der uns allen vertrauten Welt passiert mit der Pointe et-was Überraschendes, Absurdes. Eigentlich eigenartig, dass wir darüber lachen. Den meisten Menschen machen unbekannte Wendungen und das Absurde nämlich nor-malerweise Angst. Hier ist es wohl ähnlich wie beim Film: Wir mögen Thriller, solange wir auf der Couch liegen. Auch im Witz sind andere die Dummen, sie brechen Tabus, er-leben abstruse Situationen oder scheitern am Doppelsinn von Wörtern. Insgeheim wissen wir, dass wir selbst diese anderen sein könnten. Die Aufl ösung ins Absurde macht es uns gleichzeitig leicht, von zu viel und damit schmerzender Identifi kation Abstand zu nehmen. Der Witz ist vergleich-bar mit einem Blick in den Konvexspiegel eines Spiegelkabinetts. Wir können darüber lachen, wie dick wir sind, weil der Spiegel gleich noch mal so dick aufträgt.

„Hinter jedemWitz verbirgt sich eine traurige Realität. Natürlich verbirgt sich hinter allem eine traurige Realität. Aber beim Witz ist wenigstens ein Witz davor.“

Gunkl, Kabarettist und Experte für eh fast alles

Business unusual.Karikaturen vom Zeichner der F.A.Z.

Lachen statt weinen über die Finanz- und Wirtschaftswelt? Die Cartoons dieses Ausnahmetalents machen's möglich.> Kai Felmy

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Humor im Business. Gewinnen mit Witz und EspritHumor auf echt Deutsch er-lesen: „Mit Leitfäden, Checklisten und Tipps, die konkret für die Pra-xis aufbereitet sind.“> Eva Ullmann und

Albrecht Kresse

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Humor als Katalysator. Für Kreativität und Innovation Humor und Kreativität als zwei Seiten einer Medaille erkennen, die Lust am Schöpferischen anfachen und systema-tisch neue Ideen fi nden.> Helmut Schlicksupp

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Die Humor-strategie. Auf verblüffende Art Konfl ikte lösen

Probleme distanzierter betrachten, überra-schend argumentieren und dabei originelle Lösungen fi nden.> Michael Titze

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Führungsfaktor Humor. Wie Sie und Ihr Unterneh-men profi tieren

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14per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

Da las Egger & Lerch-Redakteurin Renate Süß in der 24. Ausgabe des Duden doch glatt, in Öster-reich dürfe man statt Spaß auch Spass schreiben. Ausgerechnet hier und nicht in Deutschland, wo wir doch Spaß mit wesentlich längerem a spre-chen als unsere nördlichen Nachbarn und daher das ß noch viel stärker gerechtfertigt ist. Da gab es nur eines: eine Anfrage bei der Dudenredaktion! Die Antwort allerdings … auch (k)ein Spaß!

Sehr geehrte Frau Süß,

in der Tat ist die Varianz der Aussprache von „Spaß“ in Deutschland wie in Österreich komplizierter, als es der in erster Linie auf die Orthografi e bezogene knappe Eintrag im Rechtschreibduden suggerieren kann.

Hier zunächst ein Auszug aus dem Dudentaschenbuch „Wie sagt man in Österreich?“, das die schwierige Datenlage ausführlicher erklären kann als ein Rechtschreib- oder Bedeutungswörterbuch:

„Wie im gesamten Sprachraum gibt es auch in Österr. sowohl die lange als auch die kurze Aussprache. Durch die Dialektentwicklung im Mittel-bairischen [Anm.: Hier ist der ursprüngliche Dialekt Bairisch gemeint, also keineswegs „Bayrisch“ mit Bezug auf die politische Landkarte] wurde urspr. Kürze zur Länge, nur in der älteren Bürgerschicht ostösterr. Städte blieb die Kürze erhalten. Andererseits ist für einen Großteil der österr. Zu-schauer von deutschen TV-Programmen die deutliche Kürze bei deutschen Sprechern auffällig [Anm.: Bei den meisten Sprechern aus Deutschland hört man den Unterschied zwischen Gespanntheit und Ungespanntheit bzw. Länge und Kürze eines Vokals generell viel deutlicher als bei öster-reichischen Sprechern], sodass die Kürze des a sogar als Kennzeichen des (nord)deutschen Sprachgebrauchs angesehen wird. So kommt es, dass je nach Region und Schicht von den einen die kurze, von den andern die lange Aussprache des a als österr. Norm angesehen wird.“ Nun ist qua amtlicher Rechtschreibregelung (genauer: nach der zugehö-rigen amtlichen Wortliste) die Schreibvariante „Spass“ nur in Österreich neben „Spaß“ zulässig. Rechtfertigen lässt sich diese Schreibung durch die Aussprache mit kurzem a. Der Eintrag im Rechtschreibduden soll also bedeuten: Spaß wird überall mit ß geschrieben. Wenn man das Wort mit kurzem a ausspricht, dann darf man es in Österreich stattdessen auch mit Doppel-s schreiben. Streng genommen soll damit nicht gesagt werden, dass diese Aussprache typisch für Österreich sei; nur die orthografi schen Konsequenzen sind in Österreich anders als in Deutschland.

Die Darstellung in der 40. Aufl age 2006 des Österreichischen Wörterbuchs ist ganz ähnlich, nur dass sie sich nur auf die orthografi schen Regeln in Österreich bezieht und daher statt „österreich. auch“ ein einfaches „auch“ genügt:

„Spaß [mit unterstrichenem a zur Kennzeichnung der Länge] der, -es/Späße, auch: Spass [mit Punkt unter dem a zur Kennzeichnung der Kürze], -es/Spässe (...)“

Mit herzlichem Dank für Ihre Nachricht grüßt Sie Sandra Harris, Kundenservice

Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AGDudenstraße 6, 68167 Mannheim

Spaß vs. SpassWas für ein Spass – und doch ganz ernst gemeint!

FederspitzenWenn Innovation nur alt aussieht ...

Scharf und großEin Buchstabe wird erwachsen

Lateinisch innovatio bedeutet nicht mehr und nicht weniger als „etwas neu Geschaf-fenes“. Im deutschen Sprachraum ist das Wort innovativ sehr jung. Im Grimmschen Wörterbuch, der wohl bedeutendsten Wör-tersammlung des 19. Jahrhunderts, fi ndet sich kein Eintrag. Auch die gesam ten 922 Bände der Fackel, einer satirischen Zeit-schrift, die in den Jahren 1899 bis 1936 vom Sprachfanatiker Karl Kraus herausgegeben wurde, kommen gänzlich ohne Innovati-onen aus. Erst in den 1960er-Jahren wird das Wort bei uns populär. Zu Beginn haupt-sächlich in wirtschaftstheoretischen Ab-handlungen.

Sportsocken und ihre Wirkung nach außenDie Innovationsforschung ist bis heute ein

wichtiger Wissenschaftszweig. Sie unter-scheidet zwischen Erfi ndungen und Inno-vationen. Die Erfi ndung nämlich geht über den Zeitraum von der Idee bis zum ausge-reiften Produktionsprozess. Die Innovation dagegen zielt stärker auf die Wirkung des Produktes nach außen. Und diese Wirkung nach außen haben Werbung und Wirtschaft für sich entdeckt. Sie muss natürlich dyna-misch (noch so ein vielstrapaziertes Wort), nach vorn gerichtet und einzigartig sein. Ganz egal, um welches Produkt oder Unter-nehmen es sich handelt. Deshalb ist heute von der Sport socke bis zur Unternehmens-philosophie alles innovativ. Googelt man den Begriff „innovativ“, wird man auf fast zwei Millionen deutschsprachige Seiten verwiesen. Vom innovativen Fahrradverleih

bis zum für Innovationen offenen Hunde-frisör ist alles dabei.

Tatsachen statt WorthülsenBesonders beliebt ist die Formulierung „in-novative Lösungen“. Es scheint, dass jeder Betrieb, der etwas auf sich hält, solche an-bietet. Auch der Satz „Wir verbinden Inno-vation und Tradition“ ist im Werbesprech allgegenwärtig. An einer Fachhochschu-le in Magdeburg kann man „Innovatives Management“ sogar studieren, um nachher auf seine Homepage schreiben zu können: „Die Anforderungen an unsere Branche ändern sich immer schneller. Innovative Lösungsansätze sind daher mehr gefragt denn je …“ Klingt doch gut, oder? Dass die Aussage dahinter eine Aneinanderreihung

hohler Phrasen ist, könnte man beinahe vergessen, wenn – ja, wenn nicht mittler-weile schon fast jedes Unternehmen diese wohlklingenden Floskeln benutzen würde. Deshalb: Hände weg von zu viel Innovation! Besser, man lässt sich etwas Innovatives, Verzeihung, Neues, einfallen. Oder noch besser: man lässt ganz einfach Tatsachen sprechen. Dem Kunden ist schließlich ein Putzmittel, das ganz offensichtlich Flecken entfernt, lieber als eines mit innovativer Rezeptur. Und der Investor vertraut lieber auf harte Wirtschaftsdaten als darauf, dass ein Management angeblich so innovativ ist. Darum wäre es viel innovativer, nein – glaubwürdiger –, das Wörtchen innovativ wenigstens für eine Weile mal aus unserem Sprachgebrauch zu verbannen!

Sprache

Worthülsen zum SchießenKleine Kunden-Hoppalas

… oder gleich Magie? „Preiselbeer-creme mit einem Hauch von Pfeffer verzaubert Sie in eine exotische Genusswelt.“

Personalabbau in wirtschaftlich schwierigen Zeiten … „Bitte von mir keine gesonderte Personenbeschrei-bung machen. Lassen Sie mich bei meinen Kollegen einfach einfl ießen.“

… schließlich ganz drastische Personal-kürzungen? „Könnte man die Nase weg-retuschieren? Da ist so ein hässlicher Pickel drauf.“

Aus ein paar Stichwörtern oder Sätzen eine gute Geschichte zu machen … das ist die Aufgabe einer Redakteurin oder eines Redakteurs. Man ist dabei mit spannenden, berührenden oder informativen Inhalten kon-frontiert. Und manchmal gibt es zwischendurch auch viel zu lachen … vor allem dann, wenn Kunden schnell mal was aufno-tieren …

Das scharfe S hat es nicht leicht. Ähnlich dem Blinddarm ist es ein

kleines Kuriosum von kaum erkenntlichem Zweck, stets bedroht,

operativ entfernt zu werden, sollte es sich erdreisten, um Auf-

merksamkeit zu haschen.

So fristet das ß ein Schattendasein zwischen all den „echten“

Buchstaben. Selbst die Um- und Zwielaute blicken spöttelnd auf

die historisch gewachsene Ligatur von langem S ( ) und Z herab,

geben ihr Kosenamen („Straßen-S“, „Buckel-S“, „Rucksack-S“)

und erinnern sie an die Schweiz, die in den 1970er-Jahren den

Gebrauch von scharfen Buchstaben abgeschaff t hat. Ein echter

Buchstabe, so geht die Rede, hat auch eine Versalform – „zu

Repräsentationszwecken“.

In genau diesem Punkt besteht seit April 2008 Aussicht auf Bes-

serung: Auf Initiative des Deutschen Instituts für Normung (DIN)

wurde der Unicode-Zeichensatz um den Großbuchstaben des ß

erweitert. Statt STRASSE gibt es nunmehr auch STRAẞE. Endlich

wird auch die Unterscheidung von MASSE und MAẞE mög-

lich. Genannte Initiative bleibt aber ohne Auswirkungen auf die

Orthografi e, weil sie einen rein technischen Zeichensatz betriff t

– und den nur in Deutschland. Eine eigene Taste ist ebenso wenig

vorgesehen wie die Einführung des Versal-ß in Österreich.

Mehr unter: www.signographie.de

Wer hat es nicht satt, vom tausendsten Unternehmen zu lesen, wie innovativ es ist und dass Innovation und Tradition zu Lösungskompetenz verschmelzen … Von allen populären Worthülsen gehört das relativ junge Wörtchen innovativ wohl zu den meiststrapazierten im deutschen Sprachraum. Text: Renate Süß

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15Sprache

Lektor Böck Er braucht kein Labor, und als technische Hilfsmittel nur Rotstift und Lesebrille. Und doch löst Egger & Lerch-Korrektor Ernst Böck jeden Fall-Fehler und deckt textliche Übertetungen gnadenlos auf. Text: Renate Süß, Fotos: Renate Süß

„Im Zweifl sfall

E

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16per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

Bildung

Österreich hat AufholbedarfFür die kommunikationswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien ist Corpo-rate Publishing laut Universitätsassistentin

DDr. Julia Wippersberg kein explizites

The ma. Offe-ner steht man der Unterneh-m e n s k o m -munikation an der Uni-

versität Salz-burg gegenüber.

Explizite Angebote im Bereich Corporate

Publishing gibt es hier aber genauso wenig wie an der Donauuniversität Krems.

Kurse für MarketingfachleuteDas Forum Corporate Publishing bietet seit

2004 Seminare an. „Diese Grundlagenkurse wenden sich an die Basis, also an jene Leute, die in irgendeiner Wei-se mit Corporate Publishing zu tun haben“, umreißt FCP-Geschäftsführer Michael Höf-lich die Zielgruppe. Hier geht es weniger um eine Ausbildung zum Corporate-Publishing-Experten als vielmehr um Schulungen für PR- und Marketingfachleute explizit in die-sem Bereich.

Und bei Egger & Lerch?Im Bereich der Grafi k ist alles ganz einfach: Auf die allgemeine grafi sche Ausbildung folgt die Spezialisierung auf das Layouten von Kunden- und Mitarbeiterzeitschriften. Erfahrung und Weiterbildung tun ein Üb-riges, um aus einem guten Grafi ker den bes-seren Zeitungsgestalter zu machen. Im Text und Konzeptionsbereich müssen die Mosaiksteinchen der verschiedenen Anforderungen an Corporate Publisher von jedem selbst zusammengefügt werden. Wie weit die Ausbildungen hier gute Arbeit leis-ten, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Bei Egger & Lerch wird Diversität jedenfalls groß geschrieben. Die Redakteure haben journalistische Wurzeln und Werbe- bezie-hungsweise PR-Erfahrung. Geschäftsführer Klaus Lerch ist gelernter Jurist, hat aber schon während seines Studiums lieber Zei-tungen gemacht als Gesetzbücher gewälzt. Sein journalistisches Handwerkszeug stammt aus Seminaren, vor allem aber aus praktischer Arbeit in Tages- und Wochen-zeitungsredaktionen. Renate Süß ist Lite-raturwissenschaftlerin und Historikerin, hat Erfahrung in der Eventabwicklung und arbeitet ehrenamtlich im Kulturmanage-ment. Last but not least die vielleicht wichtigste Eigenschaft für Corporate Publisher: Das In-teresse für fast alles: von Energiewirtschaft bis Katzenpsychologie. Aber das macht den Job erst richtig spannend …

Corporate Publishing: Wer sagt, wie’s funktionieren soll?

Corporate Publishing boomt. Im-mer mehr Kunden setzen auf echte Information in der Unter-nehmenskommunikation, an-

statt in klassische Werbung mit ihren hohen Streuverlusten zu investieren. Laut Forum Corporate Publishing (FCP) wurden 2007 al-lein in Deutschland rund 5 Milliarden Euro damit umgesetzt, Tendenz steigend. Die Wachstumsrate liegt bei etwa 18 %. Mittler-weile ist die hohe Wirksamkeit gut gemach-ter Corporate-Publishing-Medien unbestrit-ten und in zahlreichen Studien belegt.

Unternehmensbrille statt ObjektivitätAber auf gut gemacht kommt es eben an. Ob Print, das mit rund 80 % den Hauptteil aller Corporate-Publishing-Aktivitäten ausmacht, Web, TV oder anderes: zielgruppengerecht aufbereitete Information steht im Vorder-grund. Kein Wunder, dass Corporate Publi-shing lange ein Tätigkeitsfeld hauptsächlich für Journalisten war. „Es genügt aber nicht, das journalistische Handwerk zu beherr-schen“, betont Dr. Tobias Liebert, Kommuni-kationswissenschaftler und -berater sowie Mitbegründer des CP-Lehrganges an der Universität Leipzig: „Corporate Publishing arbeitet mit journalistischen Methoden, ist aber kein Journalismus. Auftragspublizistik hat ihre eigenen Regeln. Es braucht hier ein anderes Berufsverständnis. Der Corporate Publisher muss sich auch in den Bereichen PR und Marketing auskennen.“ „Während der klassische Journalist nach Objektivität strebt, setzt der Corporate Publisher die Un-

ternehmensbrille auf“, stößt Frank Bayer, Geschäftsführer der CP-Agentur Trurnit und ebenfalls Mitbegründer des CP-Lehrganges an der Universität Leipzig, in dasselbe Horn. Der Wunsch nach speziellen Corporate-Publishing-Ausbildungen ist eine logische Folge.

Alles in SchwebeDoch ganz so einfach ist die Sache nicht. Cor-porate Publishing wird schon lange gemacht. Die ersten Unternehmenszeitungen gab es bereits im 19. Jahrhundert. Egger & Lerch be-treut die älteste Mitarbeiterzeitschrift Öster-reichs, den „Kontakt“ des Verbund, der schon seit über einem halben Jahrhundert existiert. Aber Effi zienzauswertung und Analyse von Corporate-Publishing-Medien sind ein ganz junges Feld. Man kann hier auf keine wis-senschaftliche Tradition oder Stan-dardwerke zurückgreifen. Nicht einmal eine einheitliche Defi -nition des Begriffes Corporate Publishing existiert. Daher ist es schwierig zu entscheiden, welche Lehrinhalte für eine fundierte CP-Ausbildung re-levant sind und welche nicht.

Studium mit PraxisteilDementsprechend unterschied-lich sind auch die wenigen Ausbil-dungsangebote. Eine CP-Vorreiterrolle hat die Universität Leip-zig übernommen.

Hier wird bereits seit drei Jahren ein spezi-alisierter Lehrgang für Studenten der Kom-munikationswissenschaften im Umfang von drei Semestern angeboten. Das Programm beinhaltet eine Ringvorlesung, eine Semi-nar- und Übungsphase und eine Projekt-werkstatt, in der die Studenten eine Zei-tung für ein Unternehmen konzipieren. Professor Bentele, der den Lehrstuhl für Öffentlichkeitsarbeit an der Univer-sität Leipzig inne-hat, sorgt für die

durch Erfahrung wurden sie zu Corporate-Publishing-Experten – mehr oder weniger als Autodidakten. Kein Wunder: bis vor Kurzem gab es keine CP-Ausbildungen. Dünn gesät sind die Angebote nach wie vor. Text: Renate Süß

Journalisten, Marketingfachleute, Autoren …

wissenschaftliche Fun-dierung. Als Referenten

aus der Praxis treten hauptsächlich Corporate-

Publishing-Dienstleister und Mar-ketingfachleute auf. Ab Oktober 2009 wird es darüber hinaus auch einen berufsbeglei-tenden postgradualen Masterstudienlehr-gang für Corporate Publishing im Umfang von drei Semestern geben. „Wir werden dabei die drei Säulen des Corporate Publi-shing, nämlich PR, Marketing und journa-listisches Handwerk, mit Medienökonomie und ein em Praxisteil verknüpfen“, konkre-tisiert Dr. Tobias Liebert.

Praktiker gehen in die SchweizAm vielfältigsten ist das CP-Bildungsan-gebot in der Schweiz. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur bietet eine viersemestrige Ausbildung, die nicht so sehr journalistische Grundkompetenzen als viel- mehr kommunikations- und unterneh-mensstrategische Grundlagen vermitteln soll. In Kooperation mit dem FCP kommt Mitte dieses Jahres auch der Lernort München dazu. „Uns ist der Marketing-schwerpunkt in der Ausbildung wich-tig. Journalistische Ausbildungen gibt es ja ohnehin genug“, argumentiert Michael Höfl ich den eher einseitigen Lehrplan. Eine mit Chur kombinier-bare Ausbildung kann am Schweize-rischen Public Relations Institut in Zürich absolviert werden. Auch hier handelt es sich formal um eine post-graduale Ausbildung, die aber, wie die meisten Fachhochschulen, auch ohne vorheriges Hochschulstudium absolviert werden kann, sofern Be-rufserfahrung vorliegt.

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17Gestaltung

GlokalisiertesDesign

Das Fotobuch „Stadtalphabet Wien“ widmet sich der Typografi e von Fassadenbe-schriftungen und Aushängeschildern kleiner Geschäfte und Gewerbetreibender im Stadt-raum Wien. Es versteht sich als Momentauf-nahme und schärft so die Wahrnehmung dafür, was das Konzept Stadt charakterisiert: Buchstaben, Schriftzüge, Wortfolgen. Das Auswahlkriterium der Einzigartigkeit ist ein Subjektives: So werden Typografi en mit All-tagspatina dokumentiert, die durch die ver-wendeten Materialien, die Gestaltung oder den äußeren Zustand bestechen. Es handelt sich um obsolet gewordene und beinahe verloren gegangene Schrift- und Buchsta-bensysteme, von denen nach Jahren der Verwitterung nur noch Spuren wahrnehm-bar sind. Zum anderen nimmt das Fotobuch auch Bezug auf zeitgenössische Tendenzen in der Schriftgebung; formale und material-bezogene Aspekte der Typografi e, die vom uniformen Corporate Design multinationaler Handelsketten und billiger Einheitsgestal-tung kleiner Handelstreibender Abstand nimmt. Einige Beschriftungen verschwinden und werden durch neue ersetzt, andere werden wieder entdeckt und gepfl egt, da ihnen oft eine starke visuelle Kraft und Einzigartigkeit innewohnt. Dieser ständige Wechsel, das Umbauen und Ausweiten, das Auftauchen und Verschwinden ist nicht nur ein Indiz für eine lebendige Stadt, sondern auch für die Vitalität von Typografi e auf dem Hintergrund lokaler Gestaltung.

Martin Ulrich Kehrer durchstreifte Wien jahrelang mit der Kamera, er machte dabei über 2.000 Fotos, von denen sich nun 200 im „Stadtalphabet Wien“ wiederfi nden. Dazu gibt es einen Stadtplan mit Markie-rungen, wo die einzelnen typografi schen Perlen zu fi nden sind. Gerade bei einer solchen Stadtwanderung entdeckt der aufmerksame Betrachter die Notwendigkeit lokaler Gestaltung und dass Wien davon nicht nur Altes, sondern auch eine ganze Menge neuer Beschriftungen zu bieten hat.

Kehrer, Martin Ulrich: Stadtalphabet Wien. Mit einem Nachwort von Walter Pammin-ger, 128 S. ¢ 16,– , ISBN 978-3-85449-300-6; ist im Februar 2009 erschienen. www.stadtalphabet.at

Die Tage des globalen, aus-tauschbaren, gesichtslosen Mainstreamdesigns sind ge -zählt. Diesen Trend beob-

achtet auch der in New York lebende Gra-fi kdesigner Stefan Sagmeister, wie er dem Autor bei seinem letzten Wien-Besuch in einem Gespräch erzählt: „Ich glaube, dass die Entwicklung insgesamt wieder zu einer lokaleren Gestaltung führen wird. Ich erle-be, dass die Menschheit nicht damit zufrie-den ist, dass es überall gleich ausschaut.“ Sagmeister, Österreichs berühmtester Gra-fi kdesign-Pionier weiß, wovon er spricht, sind seine Arbeiten doch ausnahmslos da-durch charakterisiert, Identität und unmit-telbares Umfeld seiner Kunden in eine pas-sende, unverwechselbare visuelle Sprache zu kleiden.

Was ist lokale Gestaltung? Ist es eine Mischung zwischen provinzialis-tischer Heimattümelei am Land und klein-kariertem Grätzeldenken in der Stadt? Sind die Begriffe „Heimat“ und „Design“ nicht in sich ein Widerspruch? Denn gerade Heimat ist ja das Gewachsene, was wir eben nicht designed haben. Diese Widersprüchlichkeit löst sich auf anhand der charakteristischen Eckpunkte der Entwicklung von lokaler Ge-staltung, die jetzt überall passiert:

Lokale Gestaltung – lebendige Stadttypografi e

„Ich erlebe, dass die Menschheit nicht damit zufrieden ist, dass es überall gleich ausschaut.“ Stefan Sagmeister sieht

lokale Gestaltung als den großen, kommenden Trend

Heisse: Genochplatz – Wien 22, Donaustadt.Ästhetik: Allerheili-genplatz – Wien 20, Brigittenau.

p Authentizität: Lokale Gestaltung wirkt echt, spontan und ehrlich, sie passt sich der jeweiligen Sprache und dem Erschei-nungsbild der Umgebung an bzw. tritt mit dieser in Wechselwirkung.

p Abwechslungsreichtum: Es gibt keine gestalterischen Patentrezepte, jeder noch so kleine Laden, Einzelunternehmer oder jede noch so abwegige Geschäftsidee er-hält ein Logo, Firmenschild oder sogar eine Corporate Identity auf den Leib ge-schneidert.

p Geschäftsfreunde: Die Beziehung zwi-schen Geschäftspartnern bzw. zu den Kunden ist eine freundschaftliche –

Kleine Agenturen und lokal verankerte Designer nutzen ihre Chance. Sie geben den Menschen Orientierung und ein verlorenes Heimatgefühl zurück. Ein Bericht über den kommenden Trend „lokale Gestaltung“. Text: Christian Gutschi, Fotos: Martin Ulrich Kehrer

Trend: Lokale Gestaltung

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18per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

Gestaltung

Bu

chti

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slokale Gestalter sind nicht nur Designer, sondern unterhalten soziale Beziehungen zu ihren Auftraggebern.

p Community: Unter den Gestaltern herrscht ein reger fachlicher, aber auch sozialer Austausch. Andere Gestalter, Kon-kurrenten werden nicht als Geschäfts-feinde gesehen, sondern als Bereicherung im Sinne der Vielfalt.

p Kleine Büros: Lokale Gestalter sind keine Großagenturen, sondern bleiben bewusst klein, weil sie das fi nanziell wendig und unabhängig macht; zudem produzieren große Agenturen zusehends Meinungs-verschiedenheiten und Missverständ-nisse.

Auf der momentanen Spitze dieser Entwick-lung befi ndet sich die Hamburger Agentur „Heimatdesign“, die sich als Plattform für junges Design aus der Region versteht und damit großen Anklang fi ndet.

Psychologie des Heimatgefühls Die hier skizzierte Entwicklung ist Teil einer Lebenseinstellung, die unter dem Schlag-wort „Glokalisation“ in den Vordergrund tritt. Gemeint ist damit jenes Lebensgefühl, global zu denken und zu kommunizieren, aber auf einem lokalen Fundament zu agie-ren und dieses auch zu betonen. Dazu der Zukunftsforscher Matthias Horx in einem Vortrag: „In der globalen Welt gewinnen die Regionen wieder an Bedeutung – durch Informations- und Kommunikationstech-nologien, aber auch durch die Möglichkeit, zum ersten Mal bestimmte Kräfte und Wir-kungen, die auf die Metropolen hingelaufen sind, umzudrehen.“

Psychologisch gesehen ist diese Entwick-lung gut nachvollziehbar. Besonders junge Leute und junge Familien organisieren sich wieder verstärkt in sozialen Verbänden – vergleichbar dörfl ichen Strukturen – sozu-sagen als Gegentrend zu extrem individu-alisierten Lebensformen. Das menschliche Grundbedürfnis nach Heimat, nach Zuge-hörigkeit, nach einem Zuhause wird sicht-bar stärker und erhält durch lokal geprägte Gestaltung seine entsprechende visuelle Ausdrucksform. Shoppingmeilen mit ihren austauschbaren Geschäften und triste Ein-fahrtsstraßen von Provinz- wie Großstädten mit den ewig gleichen Geschäftsansamm-lungen bekommen dadurch starke Konkur-renz. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass identitätsstiftendes Design und ebensolche Gestaltung, die Orientierung und Halt ver-mitteln, jene visuelle Ausdrucksformen sind, die den Menschen näher stehen.

Musterland Vorarlberg Das beste Beispiel für die Nachhaltigkeit von lokaler Gestaltung ist die Designsze-ne in Vorarlberg, wo jeder noch so kleine Handwerksbetrieb, Dienstleister oder ganze Gemeinden sich völlig selbstverständlich einen professionellen grafi schen Auftritt leisten. Das geht von einem auf die lokalen Gegebenheiten abgestimmten Geschäfts-schild bis hin zu einer die örtliche Größe be-tonenden Corporate Identity. In diesem Fall spielt naturgemäß die Nähe zur Schweiz eine gewichtige Rolle, die inmitten einer globalisierten Welt ihre Tradition lokal ge-prägter Gestaltung hochhält und damit gleichzeitig schon wieder so etwas wie ein Trendsetter wird.

Lokale Gestaltung in Wien Der 7. Wiener Bezirk (Neubau) – in dem üb-rigens auch Egger & Lerch residiert –, hat

die höchste Dichte an Grafi kdesignern, was am optischen Erscheinungsbild der vielen jungen Shops abzulesen ist. Ähnliche Viertel sind im 5. Bezirk (Schlossquadrat) und im 2. Bezirk (Karmeliterviertel) oder rund um den Yppenplatz im 16. Bezirk entstanden. Wien verfügt über eine meist nur unterschwellig wahrgenommene, eindrucksvolle Dichte an öffentlicher Beschriftung, die im wahrsten Wortsinn auch unter lokale Gestaltung fällt. 200 dieser Schriftzüge im öffentlichen Raum hat der Grafi kdesigner Martin Kehrer in sei-nem Buch „Wiener Stadtalphabet“ dokumen-tiert, eine Schau an charaktervollen Schildern einer fast schon vergangenen Epoche leben-diger lokaler Gestaltung. Ein schöner Kon-trast inmitten heutiger, grätzeltypischer und identitätsstarker und ortsgebundener visu-eller Sprache im öffentlichen Raum, der ihre große Blütezeit noch bevorsteht.

von Anita Kern. Anhand der wichtigsten österreichischen Gestalterpersönlichkeiten wird deutlich, wie wichtig die lokale Verankerung dieser Leute war und ist. Die erfolgreichsten grafi schen Arbeiten sind ausnahmslos von Einzelpersonen oder kleinen Units gekommen. So entstand österreichisches Design mit Weltgeltung, das es ohne die lokale Grundierung der Ausführenden nicht gegeben hätte.

von Jutta Nachtwey. Ökologie und Nachhaltigkeit sind die großen Designtrends dieser Zeit und ohne lokal geprägte Gestaltung undenkbar. Mit über 70 ausführ-lich beschriebenen Beispielen, die wiederum global erfolgreich sind.

Radio: Hernalser Hauptstraße –

Wien 17, Hernals Lieselott: Landstraßer

Hauptstraße – Wien 3, Landstraße

„Design Ecology! Neo-grüne Markenstrategien“

„Österreichisches Grafi kdesign im 20. Jahrhundert“

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19Gestaltung

„I hate Comic Sans“Seit dem misslungenen Urzeit-Projekt „Bob“

von Microsoft begegnet uns die Comic Sans an den merkwürdigsten Orten. Text: Karin Noichl, Renate Süß, Fotos: Klaus Lerch, Julia Stern

Einige Geschmacksverirrungen überdauern Jahrzehnte. Die kur-ze Hose in Verbindung mit wei-ßen Socken in Sandalen ist so

ein Fall – und die Comic Sans! Ursprünglich sollte die Comic Sans für

Sprechblasen zur Benutzerführung durch die Software Microsoft Bob 1994 kreiert werden. Sie wurde für dieses Projekt zu spät fertig, erhielt jedoch kurz darauf einen sicheren Platz im Standardschriften-Reper-toire von Windows. Seit dieser totalen Ver-fügbarkeit taucht sie an den unmöglichsten Orten auf: auf Pfarrballplakaten, Druckerei-angeboten, Gewerkschaftsrundbriefen und Friseurwebsites, aber auch auf Taschen-tuchspendern und Gemüsekonserven.

Ungeliebt von allen SeitenTypografen fi nden die Schriftart schlecht gezeichnet und ausgebaut. Unter Gestaltern ist sie aufgrund ihrer weiten Verbreitung im nicht-professionellen Bereich verhasst, nicht zuletzt, weil sie häufi g un überlegt und unsachgemäß eingesetzt wird. Unter „ban-comicsans.com“ fi ndet man eine köstliche Sammlung kurioser Anwendungsgebiete.

Links:bancomicsans.com

Schriftalternativen:blambot.com myfonts.com

Comic Sans bewegt die Gemüter – mitunter auch sehr leidenschaftlich. „I hate Comic Sans“ ist in diesem Zusammenhang nicht nur eine persönliche Meinung, sondern vor allem ein Beispiel für eine Gegenbewegung (siehe unten). Ob dieser Schriftsatz eine großartige Verbesserung darstellt, sei aller-dings dahingestellt.

Alternativen gesucht?Wie man die Sache auch sehen will – kultig oder katastrophal –, man fi ndet jede Menge alternativer Fonts im Web. Ein schönes und brauchbares Beispiel ist die „Comic Jens“ von Jens Kutilek. Eine Fülle von Comic-Fonts serviert blambot.com, teils kostenpfl ichtig, aber durchaus leistbar. Eine generell um-fangreiche Schriften-Datenbank bietet my-fonts.com.

Busanzeige, Geschäftsportal, Druckereirechnung, Website: Die Comic Sans verschont nichts und niemanden.

V. o. n. u.:das verhasste

Original, das nicht unbedingt viel

bessere Remake und eine von vie-len brauchbaren

Alternativen.

”The inspiration came at the shock of seeing Times New Roman used in an inappropriate way.“ Vincent Connare, Schöpfer der Comic Sans

Bunte Links:kuler.adobe.com

cleverprinting.de/

Bunter Überfl ussFarbdruck ist billig geworden – zu Hause, im Büro und für Zeitschriften. Doch Farb-einsatz im Überfl uss macht Publikationenschlechter statt besser. Unser neues Sündenregister ist auch ein Plädoyer für den Verzicht.

4. Du sollst nicht auf die Farbenblinden vergessen. Rund 10 % der Männer haben eine Rot-Grün- Sehschwäche – und auch für den Rest der Menschheit ist grüne Schrift auf rotem Grund eine Augenfolter.

Verboten: Grüne Schrift auf rotem Grundund ähnliche Scheußlichkeiten.

5. Du sollst nicht rein dekorative Zwecke als Vorwand für das Einfärben von Texten verwenden. Besser: einer Farbe immer die gleiche Bedeutung zuweisen (z. B. Sprachmutation).

Deutsch Englisch

3. Du sollst nicht zu viele Farben innerhalb einer einzigen Publikation einsetzen. Entscheide dich für 2–3 Farben und deren Abstufungen. Ausnahme: Farbfotos :-) und umfangreiche Magazine, in denen Farben ein Leitsystem bilden.

2. Du sollst nicht glauben, dass im Vierfarbdruck alle Farben dieser Welt zu reproduzieren sind. CMYK steigt schon bei leuchtendem Orange, Blau oder Grün aus. Die Lösung: Fünf- und Mehrfarbendruck als Hingucker – oder SW + eine Sonderfarbe.

1. Du sollst nicht bunt machen, was schwarz-weiß besser funktioniert. Am besten lesbar sind Texte immer noch schwarz auf weiß. Um Seiten zu gliedern, sind farbige Kästen manchmal sinnvoll – aber nur mit Maß und Ziel.

Comic Sans

I hate Comic Sans

Comic Jens

Dank sei Bob.

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S eine Schriften finden sich so gut wie auf jedem PC: „Univers“ und „Frutiger“ zählen zu den welt-weit meistverwendedsten Fonts.

Nie sind sie aus der Mode geraten, gerade weil sie sich oberflächlichen Trends entzie-hen. Die Lettern des nunmehr 80jährigen Schriftkünstlers verhelfen nahezu jedem Inhalt zu einem passenden Ausdruck: von einfachen Werbefoldern über Zeitungen, Zeitschriften, Plakate, Logos bis hin zur Be-schriftung im öffentlichen Raum.

Zeitlose Schriftschöpfungen.

Was aber machen gerade die Schriften von Frutiger so einzigartig? Das Geheimnis der Beliebtheit seiner Schriftformen liegt primär in der konsequenten Erweiterung seines Erfahrungsschatzes. Er entwickelte seine Schriften in enger Verbindung mit allen satz-technischen Erneuerungen – vom Fotosatz über computerlesbare Schriften bis zu digi-talen Fonts. Und zudem sind Leserlichkeit, der effiziente Transport von Inhalten wie auch die ästhetische Schönheit des Schrift-bilds für alle seine Schriftschöpfungen das höchste Gebot. So weisen die Werksatz-schriften von Frutiger (siehe Kasten) immer wiederkehrende charakteristische Merk

male auf. Das Schriftbild ist geprägt durch eine besondere Ausgewogenheit und Gleich-mäßigkeit. Dazu sagt Frutiger: „Man könnte das einen persönlichen Stil, eine Form-Konvention nennen […] ein Mix aus meiner Persönlichkeit und meinen beiden Lehrern (Walter Käch, Alfred Willimann) […] dass dem Germanischen mit dem Lateinischen zusammen eine Mischung und einen ganz persönlichen Ausdruck gegeben hat.“ Und genau dieser persönliche Ausdruck, der in jeder seiner Schriften sichtbar und spürbar wird macht die Beliebtheit seiner Fonts aus. Auf diese Weise werden sie zu einem unver-zichtbaren Gestaltungsmittel für professio-nelle Layouter wie für Normalverbraucher, die ihren gedruckten Botschaften einen be-sonderen und passenden schriftlichen Aus-druck verleihen möchten.

Meilensteine der Formensprache.

Frutiger hatte das Glück für Charles Peignot, Geschäftsmann und visionärer Schriftgießer im Paris der 1950er Jahre arbeiten zu dürfen. So konnte Frutiger seine Idee durchsetzen, der damals überall verwendeten Futura, eine seiner Ansicht nach „zeitgemäße“ Schrift entgegenzusetzen. Frutiger: „Unser Auge sieht horizontale Striche dicker als vertikale

daher ist eine rein geometrische Schrift (wie die Futura) auf Dauer nicht haltbar.“ Das Pro-jekt „Univers“ hätte bei einem Mißerfolg die Firma in den Ruin gestürzt. Für die 21 Schnit-te der Univers mussten über 35.000 Stempel in höchster Präzision angefertigt werden, zu den damaligen Bleisatzzeiten eine wahnwit-zige Idee für eine Schrift, von der man nicht wusste wie sie sich verkaufen würde. Die Univers war somit die erste Universalschrift mit sovielen Schriftschnitten, dass sie für An-wendungen aller Art zum Einsatz gelangen konnte. Frutiger selbst sage, er wollte eine Schrift machen, die gut lesbar ist und in PR- und Werbekampagnen „knallt“. Heute gipfelt diese Entwicklung darin, dass viele Schriften speziell für Corporate Designzwecke gestaltet und mit einer Fülle von Schnitten ausgestat-tet werden. So etwa die Linotype „Compatil“ oder die „Thesis“ mit über 140 Varianten. Im Gegensatz zu Frutigers klar nachvollzieh-barem ästhetischen Konzept einer gut aus-gebauten Schrift für unterschiedlichste Zwe-cke, lösen sich heutige Schriftschöpfungen aufgrund der Vielzahl ihrer Schnitte oft in optischer Beliebigkeit auf und bieten dem Gestalter weniger Orientierung denn mehr Verwirrung. Bei der Univers hat Frutiger mit absoluter Präzision von der dünnsten bis

neu entdecken

Der Schweizer Adrian Frutiger (80) ist neben dem deutschen Her-mann Zapf (90) der letzte lebende Typograph, der mit seinen Schriften die zweite Hälfte des 20. Jahrhun-derts maßgeblich geprägt hat. Sein Gesamtwerk liegt nun in Buchform dokumentiert vor: eine Fundgrube für Gestalter, ein spannendes Stück Zeitgeschichte. Text: Mag. Christian Gutschi,

Fotos: Frutiger. Das Gesamt-

werk. Birkhäuser Verlag, Basel

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Frutiger ist ein unermüdlicher Verbesserer seiner eigenen Schriften. Von der Avenir und der Frutiger sind bei Linotype unter dem Zusatz „next“ sichtlich verbesserte digitale Versionen erschienen. Leider existieren viele schlechte Schriftplagiate, wie etwa jene der Univers, die unter den Namen „Swiss“ oder „Zurich“ immer noch auf Windows-Rechnern kursieren.

Schriftquelle: Die von Frutiger selbst bis ins kleinste Detail für das digitale Zeitalter nachbearbeiteten Schriften gibt es exklusiv nur bei Linotype (www.linotype.com), Fru-tiger verbindet mit dem Schriftenhaus eine langjährige Zusammenarbeit, vor allem in den letzten Jahrzehnten.

( )Serifa (1967)

Frutiger (1976)

Glypha (1980)

Avenir (1988)Vectora (1991)

!

Sündenregister

Page 20: Pe r i o d i c

20per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

FR

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RGestaltung

Seine Schriften fi nden sich auf unzähligen PCs: „Univers“ und „Frutiger“ zählen zu den welt-weit meistverwendeten Fonts.

Nie sind sie aus der Mode geraten, gerade weil sie sich oberfl ächlichen Trends entzie-hen. Die Lettern des nunmehr 80-jährigen Schriftkünstlers verhelfen nahezu jedem Inhalt zu einem passenden Ausdruck: von einfachen Werbefoldern über Zeitungen, Zeitschriften, Plakate, Logos bis hin zur Be-schriftung im öffentlichen Raum.

Zeitlose Schriftschöpfungen Was aber machen gerade die Schriften von Frutiger so einzigartig? Das Geheimnis der Beliebtheit seiner Schriftformen liegt pri-mär in der konsequenten Erweiterung sei-nes Erfahrungsschatzes. Er entwickelte seine Schriften in enger Verbindung mit allen satztechnischen Erneuerungen – vom Fotosatz über computerlesbare Schriften bis zu digitalen Fonts. Und zudem sind Le-serlichkeit, der effi ziente Transport von Inhalten wie auch die ästhetische Schön-heit des Schriftbilds für alle seine Schrift-schöpfungen das höchste Gebot. So weisen die Werksatzschriften von Frutiger (siehe Kasten) immer wiederkehrende, charakte-

ristische Merkmale auf. Das Schriftbild ist geprägt durch eine besondere Ausgewogen-heit und Gleichmäßigkeit. Dazu sagt Fru-tiger: „Man könnte das einen persönlichen Stil, eine Form-Konvention nennen […] ein Mix aus meiner Persönlichkeit und meinen beiden Lehrern (Walter Käch, Alfred Willi-mann) […] der dem Germanischen mit dem Lateinischen zusammen eine Mischung und einen ganz persönlichen Ausdruck gegeben hat.“ Und genau dieser persönliche Aus-druck, der in jeder seiner Schriften sichtbar und spürbar wird, macht die Beliebtheit sei-ner Fonts aus. Auf diese Weise werden sie zu einem unverzichtbaren Gestaltungsmittel für professionelle Layouter wie für Nor-malverbraucher, die ihren gedruckten Bot-schaften einen besonderen und passenden schriftlichen Ausdruck verleihen möchten.

Meilensteine der Formensprache Frutiger hatte das Glück, für Charles Peignot, Geschäftsmann und visionärer Schriftgießer im Paris der 1950er-Jahre, arbeiten zu dürfen. So konnte Frutiger seine Idee durchsetzen, der damals überall verwendeten Futura eine seiner Ansicht nach „zeitgemäße“ Schrift entgegenzusetzen. Frutiger: „Unser Auge sieht horizontale Striche dicker als vertikale,

daher ist eine rein geometrische Schrift (wie die Futura) auf Dauer nicht haltbar.“ Das Pro-jekt „Univers“ hätte bei einem Misserfolg die Firma in den Ruin gestürzt. Für die 21 Schnit-te der Univers mussten über 35.000 Stempel in höchster Präzision angefertigt werden, zu den damaligen Bleisatzzeiten eine wahnwit-zige Idee für eine Schrift, von der man nicht wusste, wie sie sich verkaufen würde. Die Univers war somit die erste Universalschrift mit so vielen Schriftschnitten, dass sie für Anwendungen aller Art zum Einsatz gelan-gen konnte. Frutiger selbst sagte, er wollte eine Schrift machen, die gut lesbar ist und in PR- und Werbekampagnen „knallt“.

Schriften auf BestellungHeute gipfelt diese Entwicklung darin, dass viele Schriften speziell für Corporate-De-sign-Zwecke gestaltet und mit einer Fülle von Schnitten ausgestattet werden. So etwa die Linotype „Compatil“ oder die „Thesis“ mit über 140 Varianten. Im Gegensatz zu Fru-tigers klar nachvollziehbarem ästhetischen Konzept einer gut ausgebauten Schrift für unterschiedlichste Zwecke lösen sich heu-tige Schriftschöpfungen aufgrund der Viel-zahl ihrer Schnitte oft in optischer Beliebig-keit auf und bieten dem Gestalter weniger

neu entdecken

Der Schweizer Adrian Frutiger (80) ist neben dem Deutschen Her-mann Zapf (90) der letzte lebende Typograf, der mit seinen Schriften die zweite Hälfte des 20. Jahrhun-derts maßgeblich geprägt hat. Sein Gesamtwerk liegt nun in Buchform dokumentiert vor: eine Fundgrube für Gestalter, ein spannendes Stück Zeitgeschichte. Text: Christian Gutschi,

Fotos: Frutiger. Das Gesamt-

werk. Birkhäuser Verlag, Basel

Jahrhunderttypograf

Dieser opulent gestaltete Band versammelt erstmals alle Schriften (auch die unveröffentlichten) und Logo(entwürfe) von Adrian Frutiger. In akribischer Weise werden Entstehungsgeschichte und Formcharakteristika beschrieben, verbunden mit aufschlussreichen Kommentaren. So entsteht nicht nur ein Nachschla-gewerk über die Kunst eines der berühmtesten und wichtigsten Schriftgestalter unserer Zeit, sondern hier öffnet sich eine Fundgrube unbekannter Schriften und Anschauungsbeispiele, die selbst Fachleuten bisher kaum bekannt war. Jede einzelne Schrift wird in Interviews mit Adrian Frutiger einer kritischen Betrachtung unterzogen und unter Bezug zu ihrem Umfeld diskutiert. Manch eine Erfolgsgeschichte liest sich dabei wie ein spannender Krimi. Das hier dokumentierte Schriftschaffen Frutigers war wortwörtlich „Maß-gebend“ für eine ganze Epoche und Generationen von Gestaltern, wie Kurt Weidemann im Vorwort schreibt. Und dieses Buch macht die aktuellen Berührungspunkte zwischen Schriftgestaltung und Layoutprogrammen im heutigen digitalen Zeitalter begreifbar.

Werkschau mit Folgen – was von Frutiger bleibt

ADRIANFRUTIGER SCHRIFTEN. DAS

GESAMTWERK

S C H W E I Z E R I S C H E S T I F T U N G S C H R I F T U N D T Y P O G R A P H I E

H E R A U S G E B E R · H E I D R U N O S T E R E R & P H I L I P P S T A M M

Die 14 spannendsten Schriften von Frutiger

Frutiger ist ein unermüdlicher Verbesserer seiner eigenen Schriften. Von der Avenir und der Frutiger sind bei Linotype unter dem Zusatz „next“ sichtlich verbesserte digitale Versionen erschienen. Leider existieren viele schlechte Schriftplagiate, wie etwa jene der Univers, die unter den Namen „Swiss“ oder „Zurich“ immer noch auf Windows-Rechnern kursieren.

Schriftquelle: Die von Frutiger selbst bis ins kleinste Detail für das digitale Zeitalter nachbearbeiteten Schriften gibt es exklusiv nur bei Linotype (www.linotype.com), Fru-tiger verbindet mit dem Schriftenhaus eine langjährige Zusammenarbeit, vor allem in den letzten Jahrzehnten.

Ondine (1954)

Méridien (1957)Univers (1957)Serifa (1967)

Frutiger (1976)

Glypha (1980)

Avenir (1988)Vectora (1991)

Page 21: Pe r i o d i c

21Gestaltung

Geheimtipps zu entdeckenErstmals wird durch das Buch „Frutigers Schriften. Das Gesamtwerk“ deutlich, welche nahezu unentdeckten Schätze im Œuvre des Meisters schlummern. So etwa die „Vectora“ (eine der Headlineschriften in periodicum), eine klare Kampfansage an alle glatten und charakterlosen Groteskschriften, erschienen 1991. Diese Schrift besticht durch besonders offene und hohe Kleinbuchstaben und steht in der Tradition der amerikanischen „Fran-klin Gothic“. Frutiger zeigt sich enttäuscht, dass die Vectora bislang wenig verwendet wurde.

Ein anderes Beispiel: die „Nami“, eine charaktervolle Schrift mit der Anmutung einer Steininschrift, die erst 2007 auf den Markt kam, aber auf bis dahin nicht reali-sierten Zeichnungen Frutigers aus den frü-hen Pariser Jahren basiert.

Oder die Schreibschrift „Ondine“, eine der ersten Entwürfe Frutigers. Obwohl er zugibt, mit diesem Entwurf eigentlich nie wirklich glücklich gewesen zu sein, kann diese Schrift als ernsthafte Alternative zu bewährten, aber übermäßig eingesetzten Schreibschriften gesehen werden.

Und schließlich erschien im Frühjahr 2008 die „Frutiger Serif“, eine in jahrelanger

Adrian Frutiger – Schriften. Das GesamtwerkHg. von Heidrun Osterer, Philipp Stamm462 Seiten, Leinen, gebunden, 99 Euro.Verlag Birkhäuser

Ein Groteskentwurf (1950) in drei Fetten von A. Frutiger im Unterricht mit seinem Lehrer Walter Käch an der Kunstgewerbeschule Zürich.

Orientierung denn mehr Verwirrung. Bei der Univers hat Frutiger mit absoluter Präzision von der dünnsten bis zur dicksten Version alle Proportionsveränderungen der Buch-staben aus dem Bauch heraus per Hand ge-zeichnet. Heute hat jeder Schriftgestalter die Möglichkeit, seine Schnittte per Mausklick zu skalieren und dann verfeinernd nachzu-bearbeiten.

Das zweite DenkmalMit der „Frutiger“ setzte sich der Schweizer ein weiteres Denkmal seines Namens, das bleibt. Ursprünglich als Beschriftung für den 1974 eröffneten Pariser Flughafen „Charles de Gaulle“ geschaffen, trat diese Schrift ei-nen weltweiten Siegeszug an, vor allem im digitalen Zeitalter der 1990er-Jahre. Von der Frutiger gibt es zudem eine cyrillische wie eine arabische Version. Was diese Schrift so besonders macht, ist ihre Überzeugungs-kraft durch ein offenes, kräftiges Schriftbild, das in allen Schriftgrößen seinen typischen Charakter wie seine Leserlichkeit behält. Frutiger darüber: „Meine Zeit ist vorbei, aber die Frutiger steht in der Mitte der Schriften-landschaft. Es ist wie ein Nagel, der einge-schlagen wird, an dem man alles anbinden kann […] und eine Schrift, die singt.“

86 W E R KSATZ SC H R I F T

/05/

Reinzeichnungen mit Schriftlinien- und Dicktenmarkierungen – schwarze Tusche auf Karton mit Bleistiftkorrekturen.

/04/

Klebesatz der Univers 49 mit foto-grafischen Verkleinerungen der von Hand gezeichneten Originale – das Versal-X ist falsch aufgeklebt.

/02/

Erste Reinzeichnungen der Univers 55 für Deberny & Peignot 1953/54 – in der endgültigen Fassung sind die Bogen runder, geschmeidiger.

/07/

Die diagonale 6 wurde verworfen, die tiefen Einschnitte für den Fotosatz lassen die 8 als Karikatur erscheinen.

/08/

Das Bogenende wurde gemäss der Skizze realisiert, der Übergang vom Lang-s zum Rund-s ist jedoch fliessender gestaltet.

/03/

Adrian Frutiger (sitzend) begut-achtet die Reinzeichnungen der Univers 83 von Ladislas Mandel, im Vordergrund Lucette Girard.

/06/

Auf Anregung von Emil Ruder verbreiterte Punzen, erreicht durch Auseinanderschneiden des Kartons und Einsetzen eines Streifens.

U N I V E R S 87

NN

MÉTRO

MÉTRO

679

679

244 S I G N A L I S AT I O N S SC H R I F T

/08/

Konstruktionszeichnung des Pfeils, welcher passend zum Schrift-bild gestaltet wird.

/07/

Signalisationsschilder in den Gängen der Métro – in positiver und negativer Anwendung, montiert auf Augenhöhe.

/09/

System für die Schilderfabrikation mit Dicktenleiste für korrekte Zeichenabstände.

/10/

Univers 67 und 75, dazwischen die Métro – mit diagonalem Bogen-verlauf bei 6 und 9 sowie ge-schwungener Diagonale der 7.

/15/

Genaue Festlegung der Raum-verteilung innerhalb einer Tafel, ausgehend von der Breite der längsten Zeile.

/11/

Blaupausen der Berthold- Univers 67 – zerschnitten und versetzt zusammengeklebt als Vorlage zur Métro.

/14/

L und T erhalten für den Satz kritischer Buchstabenpaare einen zweiten Pfeil zur Angabe der Unterschneidung.

/12/

Die Diagonale im N der Alphabet Métro (links) ist kräftiger als die vertikalen Striche, bei der Univers 67 und 75 ist es umgekehrt.

/13/

Werkzeichnung von B und R – mit stumpfen Einschnitten in den spitzen Winkeln, damit die Zeichen in der Produktion nicht zulaufen.

klebte sie in der Höhe modifiziert wieder zusammen und korrigierte sie /11/. Davon fertigte

meine Mitarbeiterin Brigitte Rousset die Reinzeichnungen an /13/. Sie war zwar keine gelernte

Schriftzeichnerin, aber eine sehr exakte Person. Wenn man genaue Angaben machte, führte

sie diese präzise aus.

Die Métro ist ein Kompromiss aus einer Auswahl von Vorgänger-Schriften. In ihr steckt

aber auch der Univers-Geist. Da konnte ich nicht über meinen Schatten springen. In der Weite

liegt sie zwischen der Univers 67 und der 75 /10/, die Strichstärke ist geringfügig fetter als der

65er-Schnitt. Im Vergleich zur Univers sind M /10/ und W recht breit, denn in der negativen

Schrift sollte es absolut keine weissen Verdickungen geben. Die Ziffern 6 und 9 zeichnete ich

noch reduzierter und offener, weil es sich um eine Signalisationsschrift handelte /10/. Ich wollte

eine gut lesbare und harmonische Ziffernreihe.

Mein Entscheid, nur Versalien zu gebrauchen fiel vor allem, weil die bestehenden Schilder

ebenfalls nur aus Versalien gesetzt waren /02/03/. Die Stationen waren nach Orten, Monumen-

ten oder Persönlichkeiten benannt, und die typisch französische Art, Eigennamen hervorzu-

heben, ist der Versalsatz. Ausserdem wollte ich die Fertigung möglichst einfach halten, denn

die Arbeiter, welche die Schilder fabrizierten, hatten keine typografische Ausbildung. Ich habe

gesehen, wie sie arbeiten und überlegte, was ich machen könnte, um ihnen zu helfen, damit sie

– nicht gedankenlos, aber mit Sicherheit – ihre Sache richtig machen. So entwickelte ich das

gleichsam ‹narrensichere› Laufweitensystem mit der Dicktenleiste /09/: Unter jedem Zeichen

befand sich eine Leiste mit einer Pfeilspitze nach links; ineinander geschoben, garantierte sie

die richtigen Buchstabenabstände. Für kritische Buchstabenkombinationen bekamen L und

T noch einen zweiten Pfeil /14/. Dann definierte ich die Vorgaben für den Wortabstand, den

Durchschuss und den Weissraum um die Tafel /15/. Vor Ort im Arbeitsraum zeigte ich den Mit-

arbeitern, wie man ein Panel komponierte; manchmal weilte ich tagelang dort, um sie zu un-

terstützen.

Die Schilder sind aus Emaille – das ist immer noch eine französische Spezialität; beim

Emaillieren gibt es die Tendenz zum leichten Verschwimmen beim Auftragen der Farbe. Ich

wollte die klare Form aber auf jeden Fall erhalten. Deshalb gibt es in den Winkeln stumpfe Ein-

schnitte, zum Beispiel bei B R oder der 8 /13/. Dieser Einlauf sollte nichts Ungefähres sein, son-

dern fest und klar bleiben, auch beim Kopieren oder, wie in diesem Fall, beim Emaillieren. Für

die Métro ist Emaille das beste Material, wenngleich das Produkt teuer ist. So eine Tafel hält

an die zwanzig Jahre, und sogar die Farbe der Sprayer kann wieder abgewaschen werden.

Die Arbeit ging für mich dann noch weiter. In den Métro-Wagen ist im Inneren bei jeder

Tür eine lange Tafel mit allen Stationsnamen einer Linie. Für solch kleine Texte habe ich bei

Günter Gerhard Lange von der Berthold AG eine Schriftscheibe anfertigen lassen, damit die

Schrift im Fotosatz gesetzt werden konnte. Insgesamt arbeitete ich etwa zwei Jahre an diesem

Auftrag, und es war eine schöne Arbeit.

Mitte der Neunzigerjahre hat Jean-François Porchez eine neue Beschilderung entwickelt

/05/ mit Gross- und Kleinbuchstaben, etwas ganz Eigenes, Modernes. Sein Gedanke ist nicht

falsch. Die Métro darf zeitgemäss sein. Vielleicht ist einfach auch die Epoche der Ehrfurcht

gegenüber dem Historischen vorbei? Es mag zudem eine Frage des Alters sein: Als ich die

Métro zeichnete, war ich um die 45; einem jungen Typografen, der jetzt einen neuen Weg geht,

mache ich sicher keinen Vorwurf. Schade ist nur, dass die Schrift nicht so lesbar ist, wie man

es von einer Kleinbuchstabenschrift erhoffen könnte.

Univers als Basis der Métro Aus einigen bestehenden Schriften des Pariser U-Bahn-Systems bildet Adrian Fru-tiger eine Synthese als Grundlage für die Erstellung der Métro. So definiert er eine serifenlose, schmalfette Ver-salschrift in negativer Ausführung. Auf dieser Basis ent-scheidet er sich, einen Schnitt zwischen der 67 und 75 zu konzipieren /10/. Frutiger nimmt Blaupausen der Berthold- 67, um seine Vorlagen zur in bewährter Schneid- und Klebtechnik zu erstellen /11/. In einigen Punkten weicht die so entstandene jedoch vom Original ab, zugunsten einer opti-mierten Lesbarkeit der Signalisationsschrift. Die Punzen von A G P R 4 5 sind grösser gehalten; die Punzen von 6 und 9 können durch den diagonalen Verlauf des Bogens grösser angelegt werden. Bei C und G sind die Bogen-enden leicht verkürzt, wodurch die Zeichen offener wir-ken, die Diagonale der 7 ist leicht geschwungen. In den Winkeln gibt es stumpfe Einschnitte /12/, damit sie beim Emaillieren offen und klar in der Form bleiben.Der Strichstärkenkontrast ist bei C D G L M N X gegen-über der verringert, während er bei A P R Y Z leicht erhöht ist. Interessant ist der Vergleich von M und N in Bezug auf die Verteilung des Strichstärkenkontrasts: In der sind die Stämme kräftiger als die Diagona-len, bei der verhält es sich genau umgekehrt /12/. Frutiger wählt hier die klassische Form der Proportions-verteilung, wie sie sich aus dem Schreiben mit der Feder ergibt.

Der Pfeil Ein wichtiges Zeichen bei der Ausgestaltung der ist der Pfeil /08/. Die drei Striche sind so aufeinander abgestimmt, dass sie optisch gleich stark wirken, jedoch sind die beiden Diagonalen zirka 7 % feiner als die Horizontale. Die Konzeption von Höhe und Länge des Pfeils basiert darauf, dass alle Pfeilecken (ausser der Spitze) in einen Zirkelschlag hineinpassen. Dieses Prinzip kann auch auf den Pfeil für die

(ROIS Seite XXX) angewendet werden. Beide Pfeile besitzen zudem horizontal beschnittene Diagona-len, passend zur lateinischen Schrift. Die so angeschnit-tenen Linien unterstützen die Richtung des Pfeils, das Zeichen bekommt grösste Klarheit.Frutiger gleicht die Proportionen der jeweiligen Pfeile der dazugehörigen Schrift an. So sind die Linien des Métro-Pfeils fetter und kürzer als jene des Roissy-Pfeils. Während der Métro-Pfeil auf Versalhöhe konzipiert ist, ist der Roissy-Pfeil in zirka eineinhalbfacher Versalhöhe dargestellt. Die Roissy-Tafeln hängen in hohen, weiten Hallen, die Lesedistanz ist grösser als bei den Schildern der Métro, welche in den Tunnelröhren, oft auf Augen-höhe, angebracht sind /07/. Ausserdem ergeben die Ver-salien und Gemeinen der Roissy-Signalisation ein offe-neres und helleres Satzbild als die schmalfetten Versalien der Das nötige Gegengewicht des Pfeils zur Schrift wird bei der also durch die Fette und Grösse herbeigeführt, bei der

reicht die Gewichtung durch die Fette.

AL P H A B E T M É T R O 245

Warum ist Univers auch 50 Jahre nach ihrem Erscheinen noch immer so populär? Frutiger sagt: „Typografi e muss anmutig sein wie ein Wald und nicht wie ein Betondschungel von Mietskasernen. Sie bestimmt den Abstand zwischen den Bäumen, den Freiraum zum Atmen, die Luft zum Leben.“Das Geheimnis des Unterschieds zeigt der Vergleich von der Schrift „Helvetica“ mit Fru-tigers „Univers“. Was ist der ausgeprägteste Unterschied zwischen diesen Schriften? Wenn man zum Vergleich der beiden Fonts nur einzelne Buchstaben betrachtet, sieht man den wahren Unterschied nicht.

Nimmt man aber z. B. das Wort „minimum“ als Beispiel, wird auf einen Blick klar, dass der Unterschied nicht in der Form der Buchstaben selbst, sondern in dem Abstand zwischen ihnen besteht. Wenn man einen Text in Univers liest, stellt man fest, dass er ruhig fl ießt und leicht zu lesen ist, weil die Univers speziell für den Einsatz komfortabler Abstände zwischen den Buchstaben ent-worfen wurde. Oder bildhaft ausgedrückt: „Helvetica ist der Duft der City und Univers die frische Brise der Wälder.“

Das Geheimnis der Frutiger-Schriften

Univers

minimumHelvetica

minimum

Kleinarbeit überarbeitete Version des Klassi-kers „Meridien“, deren Formen für den digi-talen Satz mit dem PC optimiert wurde. Ge-meinsam mit der serifenlosen Frutiger steht dem Gestalter somit eine enorme Vielsei-tigkeit an Schriftschnitten mit in sich stim-miger Anmutung zur Verfügung.

Der Meister selbst gibt sich beschei-den, was die Bedeutung der von ihm ge-schaffenen Buchstaben angeht: „Wenn ich auf einem weißen Blatt die Feder ansetze, so gebe ich nicht Schwarz hinzu, sondern nehme dem weißen Blatt Licht weg […] so verstand ich, dass das Wichtigste an der Schrift die Zwischenräume sind.“

„Wenn ich auf einem weißen Blatt die Feder

ansetze, so gebe ich nicht Schwarz hinzu, sondern

nehme dem weißen Blatt Licht weg.“

Page 22: Pe r i o d i c

22per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

Gestaltung

Angst vor Weißraum?

Page 23: Pe r i o d i c

23Gestaltung

tisch mehr Bedeutung beigemessen. Seine Rolle als Aushängeschild der Band wird so-fort erkannt, ganz ohne zusätzlich erklären-de Worte.

Dieses Prinzip der Heraushebung durch Ab-grenzung lässt sich auch auf die Medienge-staltung umlegen. Je weniger ablenkende Elemente sich in unmittelbarer Nähe eines Textes oder Bildes befi nden, desto mehr Aufmerksamkeit wird auf die separat dar-gestellte Information gelenkt. Ganz einfach aus dem Grund, weil die begrenzte Auf-merksamkeit des Betrachters nicht auf viele verschiedene Elemente aufgeteilt werden muss. Auch die Orientierung fällt leicht: ein einzelnes Bild auf weiter Flur zeigt dem Be-trachter sofort, worauf der Fokus gelegt wer-den soll.

Entspannung Eine der wichtigsten Funktionen der weißen Fläche ist die Verbesserung der Lesefreund-lichkeit. Das Auge braucht Weißraum als Ruhepunkte – auch in kleinen Dosen. Durch Leerfl ächen in Form von Textabsätzen oder Einzügen wird dem Leser die Möglichkeit ge-boten, seine Augen zwischendurch zu ent-spannen, was besonders bei langen Texten von Bedeutung ist. Selbst wenn die Inhalte interessant sind, wird die Anstrengungsbe-reitschaft des Lesers sehr oft überschätzt. Niemand kämpft sich freiwillig durch un-übersichtliche und das Auge ermüdende Textwüsten!

Weißraum ist keine Verschwendung von Gestaltungsfl äche, sondern trägt dazu bei, dass eine Seite einladend wirkt und der Leser nicht weiterblättert.

Weiße Flächen können als Kontrast zu Text und Bildern eingesetzt werden, wenn die Aufmerksamkeit des Betrachters auf be-stimmte Seitenelemente gelenkt werden soll.

Die Welt ist überladen genug. Werfen Sie Ballast ab und setzen Sie Akzente mit einem Seiten layout, das ausreichend Raum hat, um seine Wirkung optimal zu enftalten.

Das Verhältnis zwischen Weißraum und Information kann sehr unterschiedlich sein – aber selbst kleine Weißfl ächen können Ruhepunkte für das Auge schaffen.

Noch immer nicht überzeugt? Lassen Sie Experimente mit mehr „Nichts“ einfach einmal zu – und warten Sie die Reaktionen der Leser ab.

Hierher!

Abladen!

Stopp!

Mut!

Ruhe!

vor Weißraum?Mag diese Regel für viele

Bereiche stimmen, in der Gestaltung von Printmedien fi ndet sie mit Sicherheit ihre Ausnahme. Text: Dunja Radler

„Von nichts kommt nichts!“

Spannung Doch Weißraum entspannt nicht nur, er erzeugt auch Spannung – durch den Kon-trast zwischen Weißraum und bedruckter Fläche. Es genügt also nicht, den Weißraum gießkannenartig zu verteilen. Seine Wir-kung und Funktion entfaltet er erst, wenn er konzentriert eingesetzt wird.

Weniger ist mehr. Und mehr Arbeit

Um dem Weißraum genügend Platz ein-zuräumen, braucht es einerseits Selbstbe-schränkung auf der redaktionellen Seite, an-dererseits Mut, grafi sches Gespür und auch Anstrengung in der Grafi k. Es ist nämlich für beide Seiten einfacher, eine Seite mit Bildern und Texten vollzupfl astern, als sich auf Wesentliches zu beschränken und mit Hilfe von weißen Flächen ein für das Auge angenehmes und gleichzeitig anregendes Seitenlayout zu gestalten. Kürzen ist viel Arbeit, reduziertes Gestalten auch – aber beides lohnt sich.

Das Nichts in Form von Weiß-raum ist, so lernt es jeder Grafi ker, ein sinnvolles Ge-staltungselement – und wird

dennoch vielfach unterschätzt. Nicht zuletzt im Editorial Design. Manche Herausgeber und nicht wenige Journalisten sehen das Freilassen von Teilen der Gestaltungsfl ä-chen gar als Verschwendung von wertvollem Platz an. Doch gerade im Mediendesign kann Weißraum wahre Wunder bewirken und sich positiv auf die Lesefreundlichkeit und vor allem Leselust auswirken. Und da-rum geht es letztlich: Denn was nützt ein großartig geschriebener Artikel, wenn dem Betrachter beim Anblick einer hoffnungslos überladenen Seite von vornherein die Lust auf das Lesen vergeht?

Spotlight an! Leere wirkt – das gilt auch in anderen Dar-stellungsformen. Stellen Sie sich ein Büh-nenbild vor, das nur aus einem einzelnen Element, wie z. B. einem Sessel, besteht. Wie viel mehr Bedeutung wird diesem einzelnen Möbelstück beigemessen, wenn es nicht nur nebenbei im Umfeld einer kompletten Zim-mereinrichtung wahrgenommen wird?

Oder: Der Leadsänger einer Rockband wird immer mit etwas Abstand zu seinen Band-kollegen präsentiert. Warum, ist ganz klar: durch die sichtbare Trennung von seinen Kollegen wird ihm vom Betrachter automa-

Angst

!!!!

!

Page 24: Pe r i o d i c

per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

Produktion24

Briefi ng Sie schnüren ein Paket aus allen Vorgaben – das können einfach nur Wünsche, Ideen und Themen sein, aber auch Rohtexte, eigenes Bildmaterial und vielleicht sogar schon fertige, intern erstellte Beiträge – und übergeben es an Ihren Corporate-Publishing-Dienstleister (z. B. Egger & Lerch).

Bildrecherche Die Redaktion sucht passende Fotos bei Agenturen oder vergibt Aufträge an Fotografen. Layout & Produktion Grafi ker machen aus Texten und Bildern fertige

Seiten. Prepress-Spezialisten optimieren und retuschieren die Fotos.

Freigabe Es ist soweit: Der Auftraggeber erteilt die Druck-freigabe, und die druckfertige PDF-Datei wird erstellt.

Druck Die vom CP-Dienstleister beauftragte Druckerei bringt die PDF-Datei zu Papier.

Versand Die Druckerei oder spezialisierte Lettershops sorgen für schnellen, kostenoptimierten Versand.

Lieferung Viel Spaß mit Ihrem druckfrischen Magazin!

Korrekturphase Nichts ist auf Anhieb perfekt – daher sind jetzt der Lektor, die Schlussredak-tion und auch Sie als Auftraggeber am

Zug – zur Fehlerkorrektur und letzten Optimierungen.

Recherche Redakteure arbeiten sich in Ihre Themen ein, führen Interviews, machen Reportagen und besor-gen alle nötigen Infos.

Textkreation Neue Texte werden geschrieben, vorhandene überarbeitet. Das Ergebnis sind spannende Artikel mit knackigen Headlines, prägnanten Vorspännen –

aufbereitet nach allen Regeln der journalis-tischen Kunst.

Freigabe

Freigabe

Zeitungmachen für AnfängerWie entsteht ein Kunden-,

Mitarbeiter- oder Non-Profi t-Magazin? Am Anfang stehen natürlich ausführliche Beratung und eine durchdachte Konzeption. Doch wie läuft die Produktion der einzelnen Nummern ab? Kurz gesagt: Hier ist der plakative Überblick für blutige Laien – vom Briefi ng bis zur Lieferung. Text: Klaus Lerch, Illustrationen: Julia Stern

Die wichtigsten Produktionsschritte auf einen Blick

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25Test

Auf den Strich gegangenNach Smoothies und Schokolade nun

der bisher seriöseste Büroequipment-Test des Egger & Lerch-Teams mit einem eindeutigen Ergebnis: Nicht womit, sondern was wir schreiben, zählt ...

Kugelschreibertest

SSchallendes Gelächter dröhnt aus dem Kundenempfangszim-mer von Egger & Lerch. Nein, nicht eine Vereinszeitung des

Clubs für witzgeschädigte Mühlviertler (dazu gibt es tatsächlich einen Google-Eintrag!) wird da besprochen, sondern ein äußerst seriöser Büroartikel-Test für das periodicum durchgeführt.

Welcher Kugelschreiber unserer Kunden ist der beste? Wichtige Faktoren wie Kau-qualität, Grip oder Tropfsicherheit werden bewertet. Es wird diskutiert, getauscht und gefachsimpelt. Und natürlich geschrieben und gemalt. Kleine Herzchen zum Beispiel oder großfl ächiges Gekrakel. „Der ist ganz weich, aber er schmiert“, hört man da – oder: „Ist euch schon aufgefallen, dass der Tin-tenfl uss beim PayLife-Kuli um exakt 6,3 Se-

kunden später einsetzt als bei dem von der Caritas?“ Von den Textern und Redakteuren erwartet man natürlich Fachurteile, die auch höchst qualifi ziert daherkommen: „Am Ver-bund-Schreiber kauend ist mir neulich die Coverheadline für das Tappe aktiv eingefal-len!“ Na, wenn das nicht die ideale Nutzung von Synergien ist?

And the winner is ... Caritas!

Strich um Strich wird gezogen, ins Blaue geurteilt, ins Schwarze getroffen, bis am Schluss das hochseriöse Ergebnis feststeht: Testsieger mit Höchstpunktezahl von Halte-gefühl bis Tintentrocknungszeit ist Caritas, gefolgt von Purina und Verbund. So richtige Ausreißer nach unten gab es nicht: schließ-lich gibt es keine schlechten Kulis – nur schlechte Schreiber. Aber zum Glück nicht bei Egger & Lerch!

„Warum schmeckt der Purina-Kuli nicht nach Katzenfutter?“Grafi ker Markus Vock geht beim Kautest der Frage auf den Grund, inwieweit Unternehmensgegenstand und Werbekuli zusammenpassen sollten.

Auswertung

PurinaIm Abgang ein bisschen glatt und spröde, bekam der „Katzenfutterkuli“ beim Kauen keine Bestnoten. Dafür aber lassen sich mit dem herrlich regelmäßigen Tintenauftrag und der recht guten Rollfähigkeit prima Geschichten rund um Kater Gourmet und seine Freunde schreiben.

TappeGrün ist offen-sichtlich nicht die Lieblingsfarbe der Juroren, denn gemeinsam mit Raiffeisen verlor dieser Kuli den Designtest. Auch das Haltegefühl ließ etwas zu wün-schen übrig. Dafür gab‘s Bestnoten beim Schmierver-halten. Für heikle Behördenwege daher sehr zu empfehlen!

CaritasMit ihm ist nicht gut kauen ... Der Kugelschreiber der Young Caritas hatte Bestnoten von Tintentrock-nungszeit bis Haltegefühl. Nur beim Kaufaktor gab es ein dickes Minus. Das Me-tallteil am Kulikopf tut nämlich ganz schön weh auf den Zähnen ...

RaiffeisenDie weißen Streifen vorne konnten das Jurorenteam nicht überzeugen – beim Design fi el der Sumsi-Kuli durch, obwohl er als einziger von allen schwarz malt. Für Bilanzen so gesehen das ideale Schreibgerät!

s IT-SolutionsDie Bankenwelt hat ja derzeit einiges zu knabbern ... auch einen Kuli mit hervorragendem Kaufaktor! Sonst bleibt man eher dezent und seriös, ohne Ausrisse nach unten oder oben: der Durchschnittskuli schlechthin!

VerbundStromlinienför-mig, blau wie das Wasser – zwar nicht auf der Donau selbst, aber wenigs-tens im Donau-walzer – und leicht durchscheinend ... das machte den Verbund-Kuli zum Designsieger. Da steht ordentlich energiegeladenem Schreiben nichts mehr im Weg!

PaylifeGeschmiert wird nicht im Karten-geschäft. Da steht Sicherheit an vorderer Stelle – zum Beispiel die beim Tropfen. Bloß schade, dass der Tintenfl ussbeginn so lange auf sich warten lässt. Da hätten wir uns doch ein wenig mehr Dynamik erwartet!

LSIDer dickste Brum-mer unter unseren Kundenkulis gehört der Leistungsge-meinschaft der Installateure. Wie sollte es da anders sein, als dass er dicht ist? Auch die Zufl ussleitung zwischen Tinte und Spitze funktio-niert. Bloß bei der Kauqualität ... so ein sprödes Ding! Da bekommt man direkt Angst vor Rohrbruch!

VVAEine Druckerei sollte doch beim Tintenauftrag punkten ... weit gefehlt! Bei der Vorarlberger Verlagsanstalt wird offensichtlich nicht recht viel mit der Hand geschrieben. Texte lieber dru-cken lassen – und den Kuli nur zum Kauen verwendet ... Was das betrifft, ist er nämlich top.

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26per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

New Media

Die Gerätchen-FrageCafé und Couch, Bett und Bahn, WC und Wartezimmer haben etwas

gemeinsam: Hier wird gelesen. Sei es aus Langeweile oder aus Wissensdurst – bunte Hefte laden zum Blättern ein. Der Inhalt der Zeitung ist naturgemäß nicht zeitlos, aber ist es denn ihre Form? Wird für die E-Paper-Leser von morgen die Zeitschrift denselben nostalgischen Charme haben wie für die iPod-Hörer von heute die Schallplatte oder für die E-Mail-Schreiber die Postkarte? Text: Iris Erber

E-Paper für Zeitungen

Neue Hoffnung für eine geplagte Branche? Tages-

zeitungen experi-mentieren eifrig

mit den digitalen Lesegeräten.

Umblättern auf Knopfdruck Kindle geht auf Zeitungen los

Blogs oder Foren bereichern den Online-Service. Gedruckte oder gemailte News-letter überbrücken die Zeit zwischen dem Erscheinen der Firmenmagazine. Die Crux dabei ist die perfekte Abstimmung – zeit-lich und organisatorisch, journalistisch und technisch: Dasselbe Thema muss für Papier, Monitor und mobile Displays völlig unter-schiedlich aufbereitet sein. Crossmedia-Kompetenz am Puls der Zeit ist nötig, damit die Inhalte in jedem Medium richtig rüber-kommen.Mit der Informationsfl ut aus allen Kanä-len steigen die Ansprüche der Adressaten. Nur brauchbares Wissen und willkommene Unterhaltung wollen wir an uns heranlas-sen. Gefragt sind gut aufbereitete Inhalte in ansprechender Form, zugeschnitten auf die spezifi schen Bedürfnisse. Zielgruppen-genaue Infos liefern etwa Newsletters oder RSS-Feeds: Wer registriert ist, bekommt ak-tuelle Happen aus dem Internet direkt auf den Bildschirm serviert.

Print wird schöner, Technik femininer Nicht die Technik setzt den Medien Grenzen, sondern die Zielgruppe, meint der Gewinner des Deutschen Preises für Wirtschaftskom-munikation, Jörg Carsten Müller-Dünow: „Das Medienangebot muss sich nach dem Nutzungsverhalten der Leser richten, und das kann bei ausgeprägten Online-Marken auch bedeuten, dass Print tabu ist.“ Von Un-ternehmensmedien wird Content und Ver-fügbarkeit erwartet. „Morgen wird es eben-so wie heute darum gehen, dem Leser einen Nutzen zu bieten, einen Grund, ein Medium in die Hand zu nehmen und zu konsumie-ren.“ Ob man dann Papier oder Plastik in der Hand hat, scheint zweitrangig.

Jedes 100. Buch wird heute als E-Book ver-kauft. Amazon zeigt mit dem Kindle vor,

Er ist so dünn wie ein Magazin, leichter als ein Taschen-buch und hat Platz für tausende Dokumente. Seit Februar 2009 verkauft Amazon in den USA die neue Generation seines E-Book-Lesegeräts Kindle, demnächst den extra-großen Kindle DX.

Dank E-Ink-Technologie liest es sich schwarz auf weiß wie vom Papier, nicht wie vom Monitor. Bücher, Zeitschriften und Weblogs kann der Kindle via Wireless-Internet innerhalb von Sekunden aus der Luft holen und auf Wunsch sogar laut vorlesen. Im Amazon-Shop wählt man aus derzeit 285.000 E-Books und zahlt dafür weniger als für die Printausgabe. Neben der „Mutterseite“ amazon.com funktionieren auch Wikipedia und Google, außerdem speichert der Kindle pdf- und mp3-Dateien. Die DX-Version mit 9,7-Zoll-Display hat vor allem die Tageszeitungsbranche hellhörig gemacht. Für New York Times, Wall Street Journal und Co. ist der große Kindle eine Chance, ihren Überlebenskampf an einer neuen Front zu gewinnen.

Das Internet ist jetzt immer dabei. In den letzten Jahren war es zwar möglich, aber nicht besonders attraktiv, mit

dem Handy auf der WWW-Welle zu surfen. Mit iPhone und Co. ist das mobile Internet in unserem Alltag angekommen. Schicke Hardware mit schnellen Rechnern, akzep-tabel großen Displays und Tausenden von Anwendungen erleichtert ihren Besitzern das Leben, versüßt es vielen sogar. Schon heute ist jedes achte Handy ein sogenann-tes Smartphone – ein Zwergcomputer, der mehr kann als so mancher Laptop, unter anderem auch telefonieren.

„Software ist sehr fl exibel und kann ein Ge-rät zu dem machen, was der Verbraucher gerade möchte. Die Geräte, die wir künftig nutzen, werden nicht nur einen Zweck er-füllen“, sagt Mark Rolston, Kreativchef von Frog Design in San Francisco. Mit den Mobi-le Devices haben wir schon jetzt Text, Foto, Audio, Video, Information, Kommunikation und Navigation im Griff. Laut Trendforscher Matthias Horx könnten in einigen Jahr-zehnten „Lesefolien, die sich durch Licht mit Energie versorgen, im Alltagsgebrauch sein“. Dennoch schwört er im Interview mit der „Presse“ auf Papier als einfachen, bil-ligen, recycelbaren Datenträger. „Manche Zeitungen werden auch in hundert Jahren noch – oder wieder – auf Zellulose erschei-nen. Es gibt ja auch noch Teller aus Porzel-lan und Pfl astersteine.“

Blättern und browsen, schmökern und surfen Bei der Kommunikation mit den Zielgrup-pen geht also nicht um die Umstellung von Print auf Digital, sondern um den idealen Medien-Mix. Im Zentrum stehen dabei viel-fach Homepage und Zeitschrift. Podcasts,

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Georg Bernhard ist Entwickler an der Akademie der bildenden Künste Wien, Schwerpunkte: digitale Medien, Informations-visualisierung und CMS. Er ist aktives Mitglied der Plone Community.plone.org

Steckbrief

New Media

Warum auch elektronische Medien ihre Grenzen haben und Gedrucktes nicht so einfach zu ersetzen ist.

Interview mit Georg Bernhard.

Werden elektronische Medien das Gedruck-te ablösen?Suchmaschinen und Online-Wörter-bücher sind ideale Internet-Anwen-dungen. Es ist einfach effi zienter, wenn eine Maschine die Nadel im Heuhaufen sucht – und in 0,22 Sekunden fi ndet. Ausstellungskataloge hingegen werden nach wie vor lieber in gebundener Form gekauft, auch wenn es gut aufbereitete virtuelle Rundgänge gibt. Vor einigen Jahren glaubte man noch an „pures E-Learning", doch es erwies sich als pro-blematisch und nicht zukunftsfähig. Man wird Lernen nicht einfach auf ein neues Medium übertragen, sondern IT nur dort einsetzen, wo es sinnvoll ist. In der Publizistik wird es ähnlich sein. Selbst im printaffi nen Verlagswesen und in der Werbung geht der Trend zum Digi-talen, sowohl in der Produktion als auch in der Publikation. Dass die Morgenzei-tung bald aus E-Paper sein wird, glaube ich allerdings nicht. Dass man sie am Notebook liest, schon eher.

Welche Gadgets haben Zukunft?Innovationen setzen sich meist dann durch, wenn sie deutlich sichtbar und leistbar werden. So hat der Trend zum mobilen Telefonieren seit den ersten Autotelefonen in den 60er-Jahren enor-me Ausmaße angenommen. Hardware ist heute billig herzustellen, so ist mehr Funktion zum selben Preis drin. Durch den technologischen Fortschritt kom-men immer leistungsfähigere Geräte mit vielfältigen und komplexen An-wendungen auf den Markt. Multifunk-tionsgeräte bieten immer ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als Single-Purpose-Geräte. Andererseits wünschen sich viele Menschen nur klare Funktion und einfache Bedienung – so könnte ne-ben Netbooks und Smartphones auch eine Nische für simple Handys bestehen bleiben. Sind die Zielgruppen online oder offl ine bes ser erreichbar?Entscheidend sind die Neigungen der eigenen Zielgruppen zu bestimmten Medien. Vielfalt und Alternativen anzu-bieten ist besser, als vorhandene Struk-turen aufzulösen. Keinesfalls sollte man den Leuten das Gewohnte wegnehmen und sie zur Umstellung zwingen. Um das Nutzungsverhalten beobachten zu können, eignet sich ein Parallelbetrieb zwischen Print- und Online-Angeboten oder die schrittweise Einführung neu-er Medien. Es wäre aber ein Fehler, zu glauben, dass man nur ein geeignetes Content-Management-System braucht, um dann dieselben Inhalte in Print und Web zu verbreiten. Denn so werden die Inhalte weder für Print noch für Web korrekt aufbereitet. Schon zu Beginn des Produktionsprozesses muss zwi-

wie Technik und Vertrieb in Amerika funk-tionieren. Vermutlich wird die persönliche Bibliothek im Taschenformat bald auch in Europa viele Fans haben. Für 2020 wird den elektronischen Büchern ein Anteil von 15 Prozent am Lese-Markt prognostiziert. Die Bücher werden also nicht verschwinden. Doch die digitale Konkurrenz lässt sie we-niger werden – und schöner! Die Tendenz zu aufwendig gestalteten Bänden fällt im Buchladen bereits auf und setzt sich bei den Magazinen fort. Die Zukunft sieht für Matthias Horx „femininer“ aus. „Techno-logien müssen sich an menschliche Be-dürfnisse anpassen, oder es geht ihnen wie vielen Arten: Sie sterben aus. Humane Wünsche und Ängste funktionieren wie Antriebskräfte, aber auch wie Bremsen für Technik“, erklärte er dem Schweizer „Tages-anzeiger“.

Von der Begeisterung zum ÜbderdrussDie Medienlandschaft ist in Bewegung. So manchen Printmedien schnappt das In-ternet ein Stück vom Werbekuchen weg. Durchsetzen werden sich jene Titel, die sich auf ihre Qualitäten konzentrieren. Denn die News aufs Smartphone können längst nicht alle Leser-Bedürfnisse erfüllen. Auf dem Sofa und am Badestrand sind Hefte we-sentlich praktischer als Computer. Und am Frühstücks- oder Kaffeehaustisch gehört die Zeitung einfach zur Alltagskultur. Zudem werden Handys und Laptops aus immer mehr Gaststuben verbannt. Manche Lokale wollen bewusst Orte der sozialen Begegnung bleiben, nicht nur Individuen bewirten, die sich mit ihren elektronischen Begleitern be-fassen. Stichwort Entschleunigung: Bei einer steigenden Zahl von Usern schlägt die Inter-net-Begeisterung bereits in digitalen Über-druss um. Für mehr Lebensqualität schalten sie ihre Geräte einfach ab.

schen den Medien ganz klar differen-ziert werden.

Welche Chancen haben Printmedien mit und neben den digitalen Medien?Jedes Medium spricht andere Sinne an. Die neuen Hybridmedien bieten neben Text und Bild auch Audio und Video, Interaktion, Suchfunktionen usw. Doch Darstellungsfl äche und Farbraum sind begrenzt. Im Gegensatz dazu sind die physikalischen Eigenschaften von be-druckbaren Materialien unerschöpfl ich. Man sollte die kreativen Möglichkeiten des Drucks nicht unterschätzen. Für Printmedien ist es wichtig, ästhetisch nicht zu stagnieren und sich gegenüber digitalen Medien zu redefi nieren. Druck-werke sind angenehm ruhig – viele schätzen das als Gegenpol zu Hypertext und Multimedia. Interessante Printpro-dukte können sich an typische digitale Strukturen anlehnen oder auch bewusst davon abgrenzen.

„Man sollte die kreativen Möglichkeiten des Drucks nicht unterschätzen.“ Georg Bernhard

E-PublishingVeröffentlichung von Inhalten auf elektronischem Weg, z. B. Newsletter

E-JournalDigitale Zeitung/Zeitschrift, meist Onlineversion der Printausgabe, Auszüge oder Volltext, pdf oder HTML

E-Zineauch M-Zine, Webzine, Onlinemagazin; meist reine Netzpublikation

E-BookDigitale Buch-Edition als CD oderDownload für Computer und Lesegeräte

E-ReaderLesegerät für digitale Publikationen, z. B. E-Book-Reader

E-PaperPrint-ähnliche Kunststoffoberfl äche zur elektronischen Anzeige von Text und Bild

E-InkTechnologie, die bedrucktes Papier nachahmt und dabei Augen und Akku schont

Podcast(iPod + broadcast) Audio-Dateien, die sich online anhören und auf PC, mp3-Player, Handy etc. überspielen lassen

VodcastVideo-Podcast, digitale audiovisuelle Inhalte zum Downloaden vom Internet

RSS-FeedAbo-Service, der neue Inhalte von einer Webseite (z. B. News, Podcasts, Postings) automatisch auf den Bildschirm liefert

Weblog, Blog(Web + Logbuch) Online-Tagebuch im Internet oder Intranet, Blogger posten regelmäßig Notizen, Leser können kommentieren

Im Urlaub hat er George Orwells

„1984“ vom iPhone gelesen: Georg

Bernhard

„Keinesfalls das Gewohnte wegnehmen“

E-Was?Neue Wörter für neue Medien

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28per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

New Media

Es muss nicht immer Print sein. Und auch nicht Internet. Tagtool ist ein interaktives Zeichen- und Animationsgerät, für das die Firma OMA International rund um Mathias Fritz, Markus und Josef Dorninger in nur zwei Jahren zahllose Preise einheimste und Projekte in zwölf verschiedenen Ländern umsetzte. Text: Renate Süß, Fotos: OMA International

Für visuelle Künstler gibt es eine ganze Bandbreite an digitalen Werkzeugen, jedoch wenige, die spontanem und künstlerischem Arbeiten in einer Live-Situation gerecht werden. Aus diesem Mangel ergab sich die Idee zum Tagtool. Das Tagtool ist ein Instru-ment zum Live-Zeichnen und Animieren. Es besteht aus einem Koffer, auf dem eine Zeichenfl äche und mehrere Regler untergebracht sind, und einem kabellosen Gamepad, mit dem die Zeichnungen bewegt werden können. Bei Tagtool ist gemeinschaftliches Arbeiten gefragt. Ein Zeichner erstellt die Grafi ken, die in Echtzeit von einem Animator mittels eines Gamepads zum Leben erweckt werden.

Tagtool-facts

Ein Zeichenbrett, das Kunst und Wirtschaft bewegt

Alle weiteren Infos zum Projekt und viele Beispiele für die künstlerische Anwendung gibt es unter www.tagtool.org www.oma-international.com

„Mit dem Tagtool trägt der Zeichner sein Instrument genau wie der Musiker mit sich herum. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, relativ einfach live mit anderen Künstlern zu interagieren.“ Markus Dorninger

Performance aus dem Koffer2005 starteten Mathias Fritz, Josef und Markus Dorninger die ersten Tagtool-Gehversuche mit einem Computer, einem Grafi ktablett, einem Beamer und einem umprogrammierten Drumcomputer. Mar-kus Dorninger schrieb das erste Compu-terprogramm selbst. „Der Teufel steckte im Detail. Es ging unter anderem darum, die Strichführung auf ein ästhetisch hochwer-tiges Level zu bekommen“, erinnert er sich. Richard „Lordbike“ Radlherr stieß kurz da-rauf als Programmierer zum Team. Auch in der Konstruktion gelang 2006 ein Durch-bruch: Das erste Koffertagtool wurde gebaut.

OMA für die OrganisationDas Ziel, dass der Zeichner sein Instru-ment zum Liveauftritt schnell und einfach mitnehmen kann, war erreicht. Intensive Vernetzungsarbeit brachte auch schnell die ersten Erfolge. „Am Anfang haben wir für Fahrtgeld und Unterkunft performt, fuhren in verschiedene Länder und luden umge-kehrt die Künstler zu uns ein“, erinnert sich Organisator Josef Dorninger. Ab Mitte 2007 nahmen die künstlerischen und auch die kommerziellen Aufträge massiv zu. Mathias Fritz, Josef und Markus Dorninger gründeten gemeinsam mit Daniela Fritz die Firma OMA International, die das Projekt Tagtool seither betreut.

Vielseitig verwendbarDas Tagtool ist vielseitig verwendbar. Man kann damit Flächen aller Arten und Grö-ßen Leben einhauchen, ein Fabrikgebäude bunt gestalten oder den Rock einer Tänze-rin. Die Animationen können mit Musikern, Tänzern, Erzählern und Schauspielern in-teragieren. Besonders mit diesem Format ist OMA International sehr erfolgreich und kooperiert unter anderem mit dem Kom-ponisten und Pianisten Philipp Zoubek, dem Sprachperformer Christian Reiner,

dem Gitarristen Karl Ritter oder der Jeu-nesse-Künstlerin-des-Jahres Maja Osojnik. Das Tagtool ist dabei in der Anwendung so einfach, dass es sich auch für Workshops mit Kindern und Jugendlichen, Behinder-ten, Topmanagern … hervorragend eignet. Denkbar wäre die Nutzung des Tagtool wei-ters auch für Präsentationen jenseits von Flipchart und PowerPoint.

Kunst statt KommerzIn der Multimedia-Kunstszene hat OMA In-ternational sich mit dem Tagtool längst ei-nen Namen gemacht – unter anderem mit Installationen im Zuge der Eröffnung der Royal Festival Hall in London, der Teilnahme an Planet Process in Berlin oder der Expressi-on Session in Buenos Aires sowie Workshops im Museum Würth in La Rioja/Spanien. Auch große Firmen wie Adidas, Levis, BASF oder Mercedes buchen OMA International für Events. Seit das Künstlerkollektiv den Öster-reichischen Staatspreis für E-Business und Multimedia in der Kategorie Förderpreis, den Europrix Multimedia Award in der Katego-rie Interactive Computer Graphics und den Mercur Innovationspreis der WKO in der Kategorie Kreativität gewonnen hat, wächst das Interesse aus der Wirtschaft ständig. Josef Dorninger balanciert den schmalen Grat zwischen Kommerz und Kunst gut aus: „Die Firmenprojekte machen nur einen Teil unseres Volumens aus. Sie dienen der Refi -nanzierung unserer künstlerischen Arbeiten und sollen nicht überhandnehmen!“

Open Source ist keine SamaritertaktikTagtool ist ein reines Open-Source-Projekt. OMA International tritt zwar als Hauptak-teur und -fi nanzier von Tagtool auf, mitt-lerweile gibt es aber weltweit schon 25 bis 30 Nachbauten des außergewöhnlichen Gerätes. Über OMA International kann man Konstruktionsworkshops buchen und auch im Internet fi ndet man Bau- und Program-mieranleitungen. „Open Source ist keine Sa-maritertaktik“, versichert Markus Dorninger, „sondern eine Strategie, um mit Leuten aus unterschiedlichen Bereichen einen Ideen-pool zu bilden.“ Um die Open-Source-Szene stärker an das Projekt heranzuführen, ver-anstaltete OMA von 24. bis 27. April 2009 in der Kunstwerkstatt Tulln ein Open-Source- Symposion mit internationaler Besetzung. Und demnächst, so versprechen die jungen Multimediakünstler allen Open-Source-Fans, wird Tagtool endlich völlig unabhängig von Windows werden.

Tief in der niederösterreichischen Provinz fanden sich 2004 drei Burschen mit kreativen Ideen, technischem Verständnis und

Zeichentalent zu einer Wohngemeinschaft zusammen. Man spann Ideen, probierte dies und das aus … und kam irgendwie zu einem ersten Auftrag für ein Zeichentrickmusik-video.

Mehr Möglichkeiten für den ZeichnerZunächst drehte sich die Zusammenarbeit der Künstler um das Thema Kindertheater. Drei Produktionen gingen über die Bühne, unter anderem mit Auftritten in der Philhar-monie Luxemburg oder im Konzerthaus in Wien. Man arbeitete zwar multimedial, die Möglichkeiten der Liveanimation genügten Mathias Fritz, Josef und Markus Dorninger aber nicht. Man müsste, überlegten die Bur-schen, ein Instrument entwickeln, das dem Zeichner mehr Möglichkeiten bietet, live mit anderen Künstlern zu interagieren. Dieses Zeicheninstrument sollte einfach bedienbar und leicht zu transportieren sein.

Projektionen in Bewegung

Bewegte Bilder, die überall in Szene gesetzt werden können, auf Häusern, Menschen, Röcken, in Landschaften ...und mit ihrem Umfeld interagieren.

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29Egger & Lerch-Team

Die Magazinfavoriten des Egger & Lerch-Teams 11 Köpfe, 11 Titel: Jedes Mitglied der Egger & Lerch-Stammcrew hat nicht nur seine einzigartigen Qualitäten, sondern auch seine ganz persönliche Lieblingszeitschrift – abgesehen von den Heften unserer Kunden, versteht sich.

Andrea Höbarth Leitung Grafi k und [email protected]„Flott, selbstbewusst und sichtbarer Spaß an der Arbeit.“

Mag. Barbara Egger Buchhaltung, [email protected]„Für mich das beste deutschsprachige Modemagazin für Hobbyschneiderinnen.“

Julia Stern Grafi [email protected]„Einfallsreich, individuell und witzig gestaltet, in der Bandbreite satirischer bis ernster Texte.“

Markus Vock Grafi [email protected]„Interessante Berichte, tolle Grafi ken und ansprechendes Papier machen WIRED zu einem der besten populärwissenschaftlichen Magazine.“

Karin Noichl Grafi [email protected]„Das Durchbrechen grafi scher (auch inhaltlicher) Normen, wie es Adbusters tut, liefert mir Inspiration und neue Ideen.“

Gabriel Moinat Grafi k, [email protected]„Das Layout reduziert, der Text im Vordergrund – und was für Text!“

Mag. Dunja Radler Illustration, [email protected]„Ich mag deutsche Magazine. Und der Krapfen am Cover hat mich auch ziemlich fasziniert.“

Mag. Renate Süß [email protected]„Das Südwind Magazin ist für mich ein Fenster in die Welt der sogenannten Entwicklungsländer. “

Mag. Klaus Lerch Geschäftsführung, [email protected]„Der Magazin-Klassiker schlechthin – inhaltliche und grafi sche Qualität mit klarer Linie.“

Sabine Peter Grafi [email protected]„DATUM – der österreichische New Yorker!“

Kurt J. Egger Geschäftsführung, [email protected]„Ich liebe die Reduktion auf das Wesentliche, kombiniert mit gutem Design.“

11 Lieblinge

PorträtSeit November 2008 verstärkt Karin Noichl das Egger & Lerch-Team. Die freiberufl iche Grafi kerin liebt grafi sche Experimente und mutige Layouts. Courage ist auch bei ihrem liebsten Hobby gefragt: Mountainbiken – zum Beispiel quer über die Alpen.

„Ich liebe das Gestalten an sich“, verrät die 31-jährige Tirolerin, warum sie Grafi kerin wurde: „Anders als Steuereintreiber ist es ein positiver Job für mich und für die Kunden.“ Hier kann Karin Noichl ihre Kreativität ausleben, kann immer wieder etwas Neues machen. Und das ist der Freiberufl erin besonders wichtig. Sie liebt ihre Unabhängigkeit und die Tatsache, immer an verschiedenen Projekten dran zu sein. „Ich war früher fi x in einem kleinen Grafi kstudio. Schließlich aber wollte ich raus aus dem Korsett und habe mich selbstständig gemacht!“ Diese Freiheit möchte sie nicht mehr aufgeben. Neben verschiedenen Projekten für Egger & Lerch gestaltet sie unter anderem das Fachmagazin „Jazzzeit“ oder das Fernsehmagazin „Tele“. „Ein Mountainbike-Magazin würde ich gern mal machen“, sagt sie. Sonst hat sie wenig Präferenzen. „Solange es nicht immer das Gleiche ist, bin ich für jede Produktion offen.“ Hauptsache Print, darauf ist Karin Noichl nämlich, wie alle anderen Egger & Lerch-Grafi kerInnen auch, spezialisiert. „Ich bin ein

haptischer Mensch. Ich will das Endprodukt angreifen können“, sagt sie. Am schönsten fi ndet sie Layouts, die gekonnt mit Regeln brechen. „Wir Grafi ker sollten uns mehr trauen“, ist sie überzeugt: „Es gibt Kunden, denen man mutige Layouts durchaus präsentieren kann!“

Mut und Aufgeschlossenheit sind Eigenschaften, die Karins Leben generell prägen. In ihrer Freizeit sitzt sie am liebsten auf dem Mountainbike und wagt sich dabei auch an schwierige Touren wie beispielsweise Alpenüber-querungen. Auch einen Wechsel ins Ausland kann sie sich gut vorstellen. Ihr Bauchgefühl hat sie jetzt erst mal zu Egger & Lerch gebracht – und nicht enttäuscht. „Wir sind ein homogenes Team und ich genieße die fl exiblen Arbeitszeiten. Vor allem aber ist Egger & Lerch, im Unterschied zu den meisten Agenturen, organisiert. Das minimiert den Stressfaktor und fördert den Spaß.“

Grafi kerin Karin Noichl: „Ich bin ein mo-biler Mensch und brauche immer wieder etwas Neues in meinem Leben.“

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30per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

Egger & Lerch-Kunden

Es ist erster Dienstag im Monat, 9 Uhr: bei Egger & Lerch die Zeit für gezielten Gedankenaus-tausch. Höhepunkt der monatli-

chen Sitzung ist die Manöverkritik. Ein oder mehrere Magazine, oft solche, die wir schon seit vielen Jahren im Portfolio haben, werden diskutiert. Ist noch alles so wie geplant? Was ist beispielhaft, wo gehen wir mittlerweile lieber neue Wege? Mehrere Mitarbeiter- und Kundenmagazine aus dem Profi t- und Non-Profi t-Bereich liegen auf dem Tisch. „Das Co-ver der Märzausgabe ist super. Schade, dass sich diese Bildqualität im Innenteil nicht fort-setzt!“, hört man da unter anderem.

Scharf, aber nicht treffendJa, ja, die lieben Fotos … Fotografen sind viel-fach zu teuer, Agenturbilder zu unpersön-lich. Also werden viele Fotos von den Mitar-beiterInnen des jeweiligen Unternehmens selbst geknipst. Und die sind natürlich kei-ne professionellen Fotografen. Dementspre-chend schauen dann auch die Ergebnisse aus: technisch oft gar nicht so schlecht. Die Automatikeinstellung der Digitalkamera schafft das mit der Belichtung so einiger-maßen, und meist sorgt der Autofokus für scharfe Aufnahmen. Warum sehen die End-ergebnisse dann trotzdem nicht so aus, als könnten sie ein Magazin aufpeppen?

„Ich war über die Einladung sehr überrascht und erfreut, habe viel mitgeschrieben und würde mir ein Follow-up sehr wünschen.“

Andrea Brummeier, Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen

Fotografi eren heißt neu sehen lernen „Jeder kann knipsen. Auch ein Automat. Aber nicht jeder kann beobachten“, sagte der Dich-ter Friedrich Dürrenmatt. Schon wer einige Grundregeln berücksichtigt, wie beispiels-weise, dass man sein Motiv besser nicht mit-tig platziert und dass Horizonte gerade sein sollten, macht bessere Fotos. Und wer aktiv da-rauf hingewiesen wird, worauf er schauen soll, sowieso. Das menschliche Gehirn, so toll es ist, macht uns das Fotografi eren nämlich nicht unbedingt leicht. Es denkt sich Schatten auf Gesichtern, störende Hintergründe und vieles mehr einfach weg. Aber nur live – am Bild wird dann umso deutlicher, was alles nicht passte.

Nicht immer reicht das Budget für einen professionellen Fotografen. Aber kann man nicht auch mit selbstgeknipsten Bildern Spannung, Pfi ff und gute Qualität in einem Magazin erzeugen? Egger & Lerch veranstaltete für einige Kunden einen Workshop zu diesem Thema. Text und Fotos: Renate Süß

Knipstipps für Zeitungsmacher

Kundenevent mit starkem Fokus

Selberknipsen – aber wie? Beim

Kundenworkshop bei Egger & Lerch gab es wertvolle

Tipps.

links: Hans Eder in seinem

Element. Wie man Fotolaien praxisrele-

vantes Wissen beibringt, weiß er aus jahrelanger Erfahrung als Kursleiter.

rechts: Kaffee,

Krapfen und Trzesniewski-Brötchen sorgten in den kurzen

Pausen für Stärkung ... und schon wurde wieder eifrig mitge-

schrieben.

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31Egger & Lerch-Kunden

„Es war spannend, vom Praktiker Tipps zu be-kommen. Von den Beispielbildern habe ich viel über die Wirkung der Bildkomposition gelernt.“ Silke Ruprechtsberger, Caritas Österreich

Workshop für Win-win-Situation„Warum veranstalten wir nicht einen Fo-toworkshop für unsere Kunden?“, kam da mitten ins Lamentieren ein konstruktiver Vorschlag. Ja – warum nicht? Schließlich haben alle was davon: Unsere Kunden eine kos tenlose Weiterbildung und wir die Chan-ce auf bessere Fotos und damit mehr Spaß am Arbeiten. Der passende Fotograf war schnell gefunden. Hans Eder gibt seit Jah-ren Kurse an Volkshochschulen. Er kennt die Probleme und Anliegen von Fotolaien. „Nicht jeder will ja gleich ein Profi werden“, sagt er: „Das dauert Jahre. Aber schon mit ein biss-chen Know-how schafft man brauchbare Schnappschüsse. Und in manchen weckt das dann ohnehin die Leidenschaft auf mehr!“ Hans Eder weiß, wovon er spricht. Er ist selbst Autodidakt – heute aber sehr erfolgreich vor allem als Konzertfotograf (unter anderem als Hausfotograf der Do-naubühne Tulln und Tourbegleiter der Seer), aber auch in der Werbung und vor allem im Bereich Kunstfotos. Die Auswahl der Kun-den gestaltete sich schon schwieriger. Wir entschieden uns für solche, die nicht fast ausschließlich koordinieren, sondern selbst viel für ihr Magazin fotografi eren.

Auf fast alles eine AntwortDie erste Überraschung stellte sich schnell ein. Alle, die wir kontaktierten, wollten auch

mitmachen. Zwei mussten später aufgrund von Terminkollisionen absagen. So trafen am 16. Jänner Silke Ruprechtsberger, Cari-tas, Andrea Brummeier, Diakonie, Bernhard Zahrl, Barmherzige Brüder, Gabriele Frisch, Hilfsgemeinschaft der Blinden und Seh-schwachen, Simone Gross, s IT Solutions, Barbara Pirklbauer, Generali, und Christi-ne Pendl, Care, im Egger & Lerch-Büro zu-sammen. Schon mit der Vorstellungsrunde kamen die ersten Fragen: Kann man von Besprechungssituationen spannende Fotos machen? Wie rücke ich Produkte besser ins Licht? Welches Format wähle ich, wenn ich einen stehenden Arzt mit einem liegenden Patienten knipse? Um eine Antwort ver-legen war Hans Eder nur einmal. Wie man Spendenscheckübergabesituationen span-nender gestaltet, wusste auch er nicht – vor allem, weil ja der Spender selbst genau das Klischeefoto erwartet, das ihn und den Emp-fänger mit dem Karton in der Hand zeigt.

Fortsetzung erwünschtDie Teilnehmer erfuhren, welchen Eindruck ein Querformat, welchen ein Hochformat beim Betrachter erweckt, wie man durch gedachte Linien Bilder komponiert und was absolute No-nos sind. Zahlreiche Bei-spielbilder veranschaulichten das Gesagte. Während der Kaffeepause wurde dann das Gelernte gleich in die Tat umgesetzt. Ein

wahres Blitzfeuer regnete auf alle Beteilig-ten nieder. Jeder knipste jeden, und Hans Eder gab praktische Tipps speziell zur jewei-ligen Kamera. Der Hauptfokus des Kurses lag aber ganz entschieden auf der Theorie. „Für beides wäre ein Nachmittag auch zu kurz gewesen“, resümiert der Fotograf. Über eine passende Location für ein Praxis-Fol-low-up wird im Egger & Lerch-Team jeden-falls schon nachgedacht.

„Ich habe meine Kamera näher kennengelernt und werde mir in Zukunft beim Fotografi eren länger Zeit lassen, anstatt nur abzudrücken.“ Barbara Pirklbauer,

Generali Holding Vienna AG

„Für mich war es ein Aha-Effekt, dass es beim Fotogra-fi eren gar nicht so sehr um Technik und Ausrüs tung, sondern um den Blickwinkel und die Wahl des Stand-ortes geht.“ Simone Gross, s IT Solutions

rechts oben:Mag. Dr. Gabriele

Frisch,Hilfsgemeinschaft

der Blinden und Sehschwachen

rechts: v. l. n. r.: Simone Gross, MAS,

s IT Solutions, Mag. Barbara

Pirklbauer, Generali Holding AG,

Mag. Christine Pendl, Care, Mag. Andrea

Brummeier, Diakonie

rechts unten: Mag. Silke Ruprechts-

berger, Caritas

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per i odic um Ausgabe 3 | Sommer 2009

Schlussrechnung32

Viel Platz für wenig Geld

für Kunden- oder Mitarbeiter-zeitschriften? Diese Option haben viele Unternehmen oder deren Agenturen gar nicht ernsthaft ins Auge gefasst. „Das ist nur etwas für Großaufl agen!“ ist jedoch ein ebenso überholtes Argument wie „Die Qualität ist viel zu schlecht.“

Faktum ist, dass eine echte Zei-tung zwar qualitativ nicht mit einem Hochglanzmagazin mit-halten kann, aber eine Reihe

anderer Qualitäten hat (siehe unten) und durchaus schon für Aufl agen ab 5.000 Stück infrage kommt. Die sogenannten Coldset-Zeitungsrotationen der neuesten Gene-ration produzieren mit deutlich weniger Makulatur als früher. Sie drucken meist durchgehend vierfarbig und in einer an-ständigen Qualität.

Echter Zeitungsdruck

€ 25.000

€ 20.000

€ 15.000

€ 10.000

€ 5.000

Zeitschrift Zeitung

5.000 Stk

€ 2.300,–

€ 3.756,–10.000 Stk

€ 3.040,–

€ 5.880,–20.000 Stk

€ 4.520,–

€ 10.127,–50.000 Stk

€ 8.960,–

€ 22.867,–

Vorteile:

Papiere mit bis zu 100 % Recyclinganteil sind Standard.

Leichte, günstige Papiersorten ab ca. 45 g/m2 sind problemlos verwendbar.

Der Druck im Coldset erfordert vergleichsweise wenig Energie, denn im Gegensatz zu Heatset ist keine Heißlufttrocknung nötig.

Die Lieferzeiten sind sehr kurz: Zigtausend Zeitungen pro Stunde kommen fertig aus der Druckmaschine.

Druck- und Papierkosten sind unschlagbar günstig, insbesondere bei größeren Seitenumfängen und/oder Aufl agen.

Nachteile:

Farben wirken etwas stumpfer und kontrastärmer als bei anderen Verfahren.

Papierauswahl ist auf wenige, ungestrichene Sorten beschränkt.

Das Produkt kann an manchen Stellen etwas verschmiert oder schmutzig wirken, weil die Farbe beim Falzen noch nicht ganz trocken ist.

Wenn Sie also der spezielle „look and feel“ einer waschechten Zeitung grund-sätzlich fasziniert, lohnt sich ein Blick auf den untenstehenden Vergleich. Insbeson-dere bei hohen Seitenumfängen und natür-lich auch bei größeren Aufl agen erhalten Sie für Ihre Inhalte sehr viel Platz um wenig Geld. Einer großzügigen Gestaltung stehen damit die Druckkosten nicht mehr im Weg, und dank des leichten Papiers ist auch der Versand entsprechend preiswert.

Druckkosten am Beispiel dieser Ausgabe von periodicum Preisbeispiel: OÖN Druckzen-trum, wo auch diese Zeitung gedruckt wurde:

Zeitung 300 x 450 mm• 32 Seiten• Papier 55 g aufgebessertes

Zeitungspapier• Alle Seiten 4/4-farbig• Keine Heftung• Kein Umschlag

Zum Vergleich der Preis eines im Umfang vergleichbaren Hefts im Bogenoffset bei einer deutschen Online-Discountdruckerei:

Zeitschrift 210 x 297 mm• 64 Seiten (entspricht ca. 32 Seiten

300 x 450 mm)• Papier 80 g Offset (dünnere Papiere sind im

Bogenoffset nur schwer verarbeitbar)• Alle Seiten 4/4-farbig• Rückenheftung• Kein Umschlag