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Aufbruch der Kirche in eine neue Zeit Nr. 5/Mai 2015 Geheimnis der drei Hände Mariens Peter Dyckhoff und die Ikone „Tricherusa“

Peter Dyckhoff und die Ikone „Tricherusa“ Geheimnis der ... · aus. Erdogan sprach von „Unsinn“ und sein Premierminister Ahmet Davutoglu bezeichnete den Papst als Teil einer

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Page 1: Peter Dyckhoff und die Ikone „Tricherusa“ Geheimnis der ... · aus. Erdogan sprach von „Unsinn“ und sein Premierminister Ahmet Davutoglu bezeichnete den Papst als Teil einer

Aufbruch der Kirche in eine neue Zeit

Nr. 5/Mai 2015

Geheimnis der drei Hände Mariens

Peter Dyckhoff und die Ikone „Tricherusa“

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Erich Maria Fink Thomas Maria Rimmel

3Kirche heute 5/2015

Editorial

Leserbriefe 26Impressum 27

Liebe Leser

In den Marienmonat Mai führen uns die beiden geistlichen Schriftsteller HenriNouwen und Peter Dyckhoff ein. Was sie miteinander verbindet, ist ein Aus-tausch über die Ikone der „Gottesmutter mit drei Händen“. Der Blick auf das

ungewöhnliche Bildnis erschließt uns einerseits eine Lehre über Maria, nach derwir Gläubige „auf die Fürsprache der Gottesmutter in das innere verborgene LebenGottes hineingehoben“ werden (Nouwen). Andererseits bringt uns der geschicht-liche Hintergrund der Marienikone eine Epoche nahe, in der sich der Islam imMittelmeerraum unaufhaltsam ausgebreitet hat. Denn die Ikone geht auf den sy-risch-stämmigen Kirchenlehrer Johannes von Damaskus zurück, der um 700 inden Dienst des Kalifen von Damaskus getreten war. Über diesen letzten Kirchen-vater des Ostens sagte Papst Benedikt XVI. in einer Katechese, die wir zur Vertie-fung des Titel-Themas mit aufgenommen haben: „Er ist vor allem ein Augenzeugedes Übergangs von der griechischen und syrischen Kultur der Christen im Ostteildes Byzantinischen Reichs zur Kultur des Islam, der sich mit seinen militärischenEroberungen in dem Gebiet, das üblicherweise als Mittlerer oder Naher Osten be-kannt ist, Raum schaffte.“ Was Benedikt XVI. über diese Zeit vornehm ausgedrückt hat, erleben wir heute

auf demselben Gebiet in einer Neuauflage, welche das Christentum im NahenOsten vollends auszulöschen droht. Damit berühren wir ein Themenfeld, auf dassich Papst Franziskus in diesen Tagen mit apostolischem Freimut hinausgewagthat. Waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch 20 Prozent der Bevölkerung aufdem Gebiet der heutigen Türkei Christen, so sind es jetzt nur noch 0,2 Prozent.Grund ist vor allem der Genozid an den Armeniern, der vor genau 100 Jahren imdamaligen Osmanischen Reich begonnen hat und dem bis zu 1,5 Millionen Men-schen zum Opfer gefallen sind. Trotz aller Drohgebärden vonseiten der türkischen Regierung bezeichnete Papst

Franziskus das Massaker bei den Gedenkfeiern am 12. April im Petersdom als„ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts“. Die Reaktion fiel entsprechend scharfaus. Erdogan sprach von „Unsinn“ und sein Premierminister Ahmet Davutoglubezeichnete den Papst als Teil einer „Verschwörung“, ja einer „bösen Front“ gegendie Türkei. Aber Franziskus ließ sich durch den Vorwurf, er würde „Feindschaftund Hass schüren“, nicht beirren, sondern legte sogar nach, indem er für 2016 eineArmenienreise ankündigte. Er will damit ein eindeutiges Signal aussenden: Zumeinen geht es ihm um die Solidarität mit Christen angesichts des derzeitigen Ter-rors im Namen des Islam. Er zeigt, dass sich die Kirche nicht einschüchtern lässt.Zum anderen sieht er in seinem Bekenntnis zum armenischen Volk eine histori-sche Chance, um eine Einheit mit der Armenischen Kirche herbeizuführen unddamit auch eine unerwartete Brücke zur orthodoxen Ostkirche zu schlagen. Inzwischen hat auch die Bundesregierung ihr langes diplomatisches Schweigen

gebrochen. So können wir Gott für das Zeugnis der katholischen Kirche nur dan-ken und von neuem begreifen, warum uns Gott genau für diese Zeit einen PapstFranziskus geschenkt hat. Mit seiner unabhängigen Treue zu den Werten des Evan-geliums ebnet er den Weg für ein neues Missionszeitalter. Liebe Leser, von Herzen wünschen wir Ihnen einen gesegneten Marienmonat

Mai. Mögen unter dem Schutz der Gottesmutter Hoffnung und Zuversicht wach-sen, die wir einer zerrissenen und von Angst erfüllten Welt vermitteln möchten.Für Ihre Unterstützung sagen wir Ihnen ein aufrichtiges Vergelt`s Gott!

Aufbruch der Kirche in eine neue Zeit

Nr. 5/Mai 2015

Geheimnis der drei Hände Mariens

Peter Dyckhoff und die Ikone „Tricherusa“

Programm-Service• Radio Horeb 28• Radio Vatikan 30• Domradio Köln 31• K-TV 32• EWTN-TV 36• Bibel-TV 38

KatecheseChristliche Bilderverehrung Benedikt XVI. 10

EuropaZuflucht zur Gottesmutter Erich Maria Fink 13

Geistliches LebenFruchtbarkeit des Loslassens Anton Štrukelj 14

Kirche und GesellschaftSchweigen wäre Sünde Weihbischof Andreas Laun 18

Vorbilder der KircheHeilige Mirjam von Abellin Erich Maria Fink 19

Maria und die KircheMaria Immerjungfrau Anna Roth 16

Kirche in der WeltDie gekreuzigte Kirche P. Notker Hiegl OSB 17

PastoralBerufung zur Heiligkeit Ralph Weimann 20

Kultur des LebensBrief an den Ethikrat Anton Graf von Wengersky 22

Titel-ThemaJohannes von Damaskus Peter Dyckhoff 4Deutung der Ikone Henri Nouwen 6Die drei Hände Peter Dyckhoff 8

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Dr. Peter Dyckhoff (geb. 1937), der vor allem durch seine Studienund Publikationen über das sog. „Ruhegebet“ bekannt geworden ist,hat ein neues Buch herausgegeben. Es verbindet seine Lebensgeschichtemit marianischer Spiritualität und theologischen Impulsen. Alles drehtsich um eine Marienikone, die Dyckhoff bereits im Jahr 1979 währendeines Studiensemesters in Jerusalem erworben hatte. Beim Kauf mach-te ihn damals der Ikonenhändler darauf aufmerksam, dass sich kurzeZeit vor ihm der Kunde Henri Nouwen ebenfalls für das Motiv der„Gottesmutter mit den drei Händen“ entschieden hätte. Dyckhoff tratdaraufhin mit Nouwen (1932-1996) in Briefkontakt und tauschte sichmit ihm über die Bedeutung der Ikone aus. Sowohl persönliche Briefeaus dem Jahr 1980 als auch Betrachtungen dieses weltberühmten geist-lichen Schriftstellers werden von Dyckhoff wiedergegeben.Geschichtlicher Hintergrund der Ikonen-Darstellung ist eine Wun-

derheilung, die der Kirchenlehrer Johannes von Damaskus (650-754)erlebt haben soll. Dyckhoff beschreibt nachfolgend den Lebenswegdes Gelehrten, welcher auch den Ausgangspunkt für die theologischeDeutung der Ikone bildet.

Von Peter Dyckhoff

Die Ikone der Gottesmutter mit dendrei Händen, die als einziges Bildin meinem Zimmer des Priester-

seminars hing, steht in der Tradition, diemit Johannes von Damaskus beginnt. In derwunderschönen alten Bibliothek der Philo-sophisch-Theologischen Hochschule in Bri-xen fand ich neben den Werken des Johan-nes von Damaskus in griechischer Spracheauch einige Angaben über sein Leben, diemich in besonderer Weise interessierten.

Im Dienst des Kalifen von Damaskus

Leider sind nur wenige Einzelheiten ausseinem Leben bekannt. Johannes wurde um650 in einer syrisch-stämmigen Damasze-ner Familie geboren. Sein Vater war Finanz-minister unter dem Kalifen von Damaskus.Während dieser Zeit erhielt sein Sohn eineAusbildung als Schriftsteller und Dichter.Später trat er dann wie sein Vater in denDienst des Kalifen von Damaskus. Der by-zantinische Kaiser Leo III. der Syrer (695-741) schützte Europa zwar gegen das Vor-dringen des Islams, doch entfachte er alsUrheber den Bilderstreit und verfolgte gna-denlos alle Bilderverehrer. Johannes, dersehr unzufrieden mit der kaiserlichen Po-litik war, kritisierte durch Predigten undSchriften, die er verfasste, die ikonoklasti-sche (ikonenfeindliche) Vorgehensweise desKaisers. Als dieser die Zerstörung aller Iko-nen befahl, widersetzte sich vehement derDamaszener. Der Kaiser war darüber so er-bost, dass er einen an ihn gerichteten Briefmit dem Rat, den Kalifen von Damaskus ab-zusetzen, Johannes unterschob. Der Kaiserließ diesen Brief in der Handschrift des Jo-hannes abschreiben, fälschte die Unterschriftund ließ ihn dem Kalifen von Damaskusüberbringen.

Heilung der abgeschlagenen Hand

Der Kalif, der die Handschrift für echthielt, ließ Johannes zur Strafe die rechteHand abschlagen. „Auf diese Weise“, sowird wörtlich überliefert, „wurde die Hand,die zuvor im Kampf gegen die Feinde desHerrn mit Tinte befleckt war, rot gefärbtdurch ihr eigenes Blut.“ Die abgeschlagene Hand wurde zur Ab-

schreckung für andere Ikonenverehrer aneinem öffentlichen Platz aufgehängt. Johan-nes litt so unsagbare Schmerzen, dass er we -der ein noch aus wusste. Schließlich bat erden Kalifen, er möge ihm seine Hand zu-rückgeben lassen. Der Kalif ließ sich erwei-chen. In seiner Not trat Johannes mit derabgeschlagenen Hand vor die versteckt ge-

Titel-Thema

Verteidiger der christlichenBilderverehrung

Johannes von Damaskus

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einnimmt, auf ihrem rechten Arm, und derHeiligenschein der Gottesmutter ragt weitüber den Bildrand hinaus.

Mönch im Sabbaskloster bei Jerusalem

Als sich später in Damaskus mehr undmehr ein antichristlicher Kurs durchsetzte,verließ Johannes den Hof des Kalifen, umMönch zu werden. Mit seinem Adoptivbru-der Kosmas zog er sich in das Kloster desheiligen Sabbas zurück, das in der Wüstenahe bei Jerusalem lag. Johannes nahm dieIkone mit, und fast vierhundert Jahre bliebsie dort. Das Sabbaskloster ist eines der ältesten

Klöster Palästinas. Es entstand um 483 umdie von dem Mönchsvater Sabbas (439-532)bewohnte Höhle an der westlichen Fels-wand des Kidrontales. In Jerusalem ergänzte Johannes von Da-

maskus seine theologische Ausbildung undwurde vom Patriarchen Johannes V. (706-735) zum Priester geweiht. Besonders imBilderstreit holte der Patriarch sich oftmalsRat und Hilfe bei Johannes. Bis ins hoheAlter von ungefähr 104 Jahren arbeitete erin strenger Disziplin an seinen Werken. Vor754 starb Johannes von Damaskus und wur -de im Sabbaskloster beigesetzt. In der öst-lichen Tradition wurde er schon immer alsKirchenvater angesehen. Die römische Kir-che dagegen erklärte Johannes von Damas-kus erst im Jahr 1890 zum Kirchenvater.

Die drei Reden zur Bilderverehrung

Die drei berühmten Reden „gegen dieVerleumder der heiligen Ikonen“ machten

Johannes von Damaskus zum klassischenTheologen der Bilderverehrung. Die ersteVerteidigung der Bilderverehrung schrieber im Jahr 726, nachdem Kaiser Leo III. dasEdikt gegen die Bilderverehrung erlassenhatte. Die Wahrheit über die Verehrung derIkonen stand ihm höher als die Hoheit desKaisers. Der Anlass seiner zweiten Rede, die Jo-

hannes im Jahr 730 schrieb und hielt, wardie Forderung des Kaisers, alle Ikonen zuzerstören. Er spricht dem Kaiser das Rechtab, sich in kirchliche Angelegenheiten ein-zumischen, und verlangt die Freiheit derKirche von der Staatsgewalt. Die darauf folgende dritte Bilderrede ist

eine systematisch-theologische Abhandlungüber die Ikonen. Johannes unterscheidetscharf und genau zwischen der nur Gott ge-bührenden Anbetung und der den Geschöp-fen zukommenden Verehrung. Ist die aufeiner Ikone abgebildete Person voll der Gna -de, dann hat auch der Betrachter und der vordieser Ikone Betende Anteil an dieser Gnade. In der Gottesgebärerin ruhte Gott, der al-

lein Heilige. Maria ist Gott ähnlich gewor-den, daher ist sie am verehrungswürdigsten.Ihr Bild ist das heiligste unter den Heiligen-Ikonen. Die Verehrung der Gottesmutter be-zieht sich auf Christus, der durch sie Menschgeworden ist. Die Ehre, die wir ihr erweisen,geht somit auf Gott selbst zurück.

Weil Gott unsichtbar ist, mach dir keinBild von ihm. Aber da du sehen kannst, dassder Körperlose einen menschlichen Leib an-genommen hat, mache ein Bild der mensch-lichen Gestalt. Wenn der Unsichtbare imFleisch sichtbar wird, male das Abbild desUnsichtbaren. (Johannes von Damaskus).

haltene wundertätige Ikone der Gottesmut-ter und flehte sie an, ihm Heilung zu schen-ken, damit er die Verteidigung der Ikonenwieder aufnehmen könne. Die Ikone be-gann zu leuchten und die Gottesmutter ver-sprach, ihn zu heilen. Gleichzeitig gab sie Jo-hannes den Auftrag, die geheilte Hand „alsdas Rohr eines rasch schreibenden Schrei-bers zu benützen, um Hymnen an Christusund die Gottesmutter zu verfassen“. Während Johannes schlief, soll eine Hand

aus der Ikone hervorgekommen sein, diedie verblutete Hand des Johannes wiedermit dem Stumpf zusammenfügte. Die Handwuchs an und die Wunde verheilte, dochblieb eine rote Linie um das Handgelenksichtbar als Zeichen für das, was sich ereig-net hatte. Als der Kalif von diesem Wun-der erfuhr, hegte er zunächst den Verdacht,dass man nicht Johannes, sondern jemandanderem die Hand abgeschlagen habe. Alser sich jedoch persönlich überzeugte unddas rote Band an der Schnittstelle am rech-ten Handgelenk sah, glaubte er an das Wun-der und bat Johannes um Verzeihung.

Eine silberne Hand als Votivgabe

Aus Dankbarkeit ließ Johannes von Da-maskus eine silberne Hand fertigen und be-festigte sie an der Ikone. Daher erhielt sieihren Namen „Ikone der Gottesmutter mitdrei Händen“, auf Griechisch: „Tricherusa“.Diese Legende ist in die Ikonografie einge-drungen. Typisch für diese Ikone ist, dass das Ge-

wand der Gottesmutter mit großen Blatt-motiven verziert ist; das Haar unter ihremSchleier hat eine tiefschwarze Farbe, sie trägtdas Kind, das eine majestätische Haltung

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Es ist ergreifend, wie die beiden geistlichen Schriftsteller HenriNouwen und Peter Dyckhoff über die Ikone der „Gottermutter mitdrei Händen“ zueinander gefunden haben. Zeichenhaft ist sowohlder Ort Jerusalem, an dem sie unabhängig voneinander jeweils eineKopie dieser Ikone erworben haben, als auch die Art, in der sie sichauf die Suche gemacht hatten. Sie ließen die Ikonengalerie längereZeit auf sich wirken und fühlten sich innerlich von der Ausstrahlungeben dieser Darstellung angezogen, noch bevor sie die Besonderheitder drei Hände bemerkt hatten. Gleichzeitig spürten sie ihre geistli-che Verwandtschaft bereits zu einer Zeit, als Dyckhoff noch auf demWeg zum Priestertum war und Nouwen gerade mit seiner schriftstel-lerischen Tätigkeit begonnen hatte. Die nachfolgende Betrachtungatmet den Geist, der auch seine über 40 Bücher durchzieht.

Von Henri Nouwen

Die Gottesmutter erlaubt keinen Blickkontakt

Die Ikone der „Gottesmutter mit dreiHänden“ auf dem Hintergrund ih -rer bewegenden Geschichte anzu-

schauen und sie meditativ zu betrachten,wurde zu einer tief greifenden Erfahrung fürmich. Es ist nicht einfach, diesen innerenVorgang in Worte zu fassen. Mir kommt esvor, als ob ich auf die Fürsprache der Gottes-mutter für Momente in das innere verbor-gene Leben Gottes hineingehoben würde. Bei der Begegnung mit Menschen habe

ich es mir angewöhnt, zuerst Blickkontaktmit ihnen aufzunehmen. Blicken auch siemir in die Augen, weiß ich, dass ich ange-nommen bin. So habe ich auch die „Gottes-mutter mit drei Händen“ lange angeschaut,doch sie erwiderte meinen Blick nicht. Ichspürte jedoch, dass sie mein Schauen an-nahm, es jedoch sanft von sich auf ihren gött-

lichen Sohn lenkte. Diese ihre Geste erin-nert mich an die Worte des Täufers: Er musswachsen, ich aber muss kleiner werden (Joh3,30), und an ihre eigenen Worte, die sie beider Verheißung der Geburt Jesu zum Engelspricht: Ich bin die Magd des Herrn (Lk1,38).

Das Kind ist der Mittelpunkt des Bildes

Beim näheren Betrachten der Ikone sahich, dass Maria selbst auf ihren Sohn schaut.Es ist ein zurückhaltender, eher abwarten-der Blick, jedoch voller Innigkeit und volldes Glaubens. Wie die drei Hände Mariens,so erhalten auch ihre Augen wie ihre gesam-te Haltung ihre vielsagende und tief greifen-de Bedeutung durch das Kind. Beim Beten vor der Ikone und beim län-

geren Betrachten offenbart sich das Kind alsMittelpunkt des Bildes, auf das alles hinge-ordnet ist: der Blick und die Kopfhaltung sei-ner Mutter, die linke Hand, die von der drit-ten unterstützt wird, die großrankigen Or-

namente auf ihrem Gewand und der Saumihrer Kopfbedeckung, der in den Saum ihresroten Mantels übergeht. All das weist auf dasgöttliche Kind, in dessen Nimbus das Wort„Das Sein“ geschrieben steht. Mit der An-ordnung der Buchstaben ist das Kreuz Chris-ti gekennzeichnet, das ihn am Ende seinesirdischen Lebens erwarten wird. Und somitgibt auch das Kind allem auf dieser Ikonetieferen Sinn. Der Knabe Jesus, der mit rei-fem Gesichtsausdruck und üppigen Haaren,aufrecht sitzend auf dem rechten Arm derGottesmutter dargestellt ist, erinnert eheran den Pantokrator (Herr der Heerscharenoder Alleinherrscher) als an ein Kind, dasnoch der liebenden Gegenwart und der Nä -he seiner Mutter bedarf.

Der Sohn offenbart Gottes liebende Fürsorge

Das Kind eröffnet jetzt einen ganz neuenZugang zur Ikone. Während seine Mutterehrfurchtsvoll zurücktritt und alles an ihr

Titel-Thema

Deutung der Ikone

Originalikone der „Gottesmutter mit dreiHänden“, die sich im serbischen Athos-Kloster Chiliandar (Bild oben) befindet.An ihr orientieren sich alle Kopien wiedie von Nouwen und Dyckhoff.

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tesmutter mit drei Händen“ (Tricherusa) imserbischen Athos-Kloster Chiliandar. Seitdieser Zeit haben sowohl vor dem hoch-verehrten Gnadenbild als auch vor seinenNachbildungen unzählige gläubige Men-schen aus der ganzen Welt gebetet und die„Tricherusa“ angefleht, ihnen in ihrer inne-ren und äußeren Not zu helfen. Maria tritt mit allem, was sie an Wissen,

Weisheit und Gnade von Gott empfangenhat – alles in ihrem Herzen bewahrend –zurück und weist mit einer innerlich star-ken, doch gleichzeitig verhaltenen Geste aufihren Sohn. Das Kind scheint aller Umar-mung, wie sie auf den meisten Gottesmut-ter-Ikonen dargestellt wird, entwachsen zusein. Und doch bedarf es noch eines ge-heimnisvollen Austausches mit der Mutter.Ihre Liebe geht mit ihrem Sohn bis unterdas Kreuz und darüber hinaus bis in dieEwigkeit. Und Jesus schenkt uns nicht nurVergebung, sein Licht und sei -ne Gnade, sondern auch seineMutter als Fürsprecherin undMutter aller Menschen. Wieauf dieser Ikone die Augen unddamit die innere Bewegungder Gottesmutter den Betrach-ter auf das göttliche Kind ver-weisen, so übergibt Jesus imTodeskampf am Kreuz demJünger, den er liebte – und da -mit auch uns –, seine Muttermit den Worten: Siehe, deineMutter! (Joh 19,27).

Die Hände Mariens bilden einen Dreiklang

Das Besondere, was dieseIkone von anderen Darstellun-gen der „Gottesmutter mit demKind“ unterscheidet, sind ihredrei Hände. Vielen Betrachternder „Tricherusa“ geht diesesGeheimnis nicht sofort auf. Siebrauchen lange, bis sie die drit-te Hand der Gottesmutter ent-decken. So erging es auch mir, als ich zumersten Mal – es war in Jerusalem – vor der„Gottesmutter mit drei Händen“ stand. Ichsah zunächst ihre Linke, die über ihrem Her-zen liegt und auf Jesus verweist – einladend,damit wir ihm näherkommen und durchihn Gott erkennen, der uns geschaffen hatund zu dem wir gehören. Als ich neben der rechten Hand, die Jesus

trägt, die dritte Hand entdeckte, die die Lin -ke zu unterstützen scheint, sah ich, dass sieneben den beiden Heiligenscheinen einendritten geheimnisvollen Kreis bilden: dasHaus der Liebe, in dem die Heilige Dreifal-tigkeit wohnt. Durch seine Menschwerdungentsteigt Jesus Christus diesem göttlichenRaum, der – wie der Kreis – kein Anfang

und kein Ende kennt, und wendet sich demMenschen zu. Die elf Kreise auf seinem Ge-wand, von denen jeder wiederum aus sie-ben Kreisen besteht, bringen das Geheim-nis Gottes vielfältig in die Schöpfung hinein,damit es einem jeden von uns und überalloffenbar werden kann. Die Hände der Gottesmutter bieten, so

wie es ihre innere Berufung und Bestim-mung ist, das Kind als Erlöser und Heilandallen Menschen der Welt an, die bereit sind,den Gottessohn Jesus Christus glaubendanzunehmen. Die Hände der Gottesmutter bilden ei -

nen Dreiklang, so als ob sie singen würden: Meine Seele preist die Größe des Herrn,

und mein Geist jubelt über Gott, meinen Ret-ter! (Lk 1,46-47). Doch dies geschieht ganz im Geheimen,

im inneren Raum. Trotz der überwältigen-den Freude über ihren göttlichen Sohn weiß

Maria, was es heißt, arm und auf der Fluchtzu sein, im Ungewissen zu leben, nicht ver-standen zu werden, unter dem Kreuz zu ste-hen und Gefühle zu haben, die sie nieman-dem offenbaren kann. Deshalb ist sie nicht nur liebende Mut-

ter für ihren Sohn, der gekreuzigt wurde,sondern für alle Menschen, denen Leidenund Schmerzen in dieser Welt nicht erspartbleiben. Die drei Hände der Gottesmutter unter-

streichen ihren Ruf, der an alle geht, JesusChristus nicht nur in den Blick, sondernauch in unser Herz aufzunehmen. Denn er,ihr göttlicher Sohn, möchte uns zum HausGottes geleiten, das reine Liebe ist und inder wir beheimatet sind.

und in ihr auf den Sohn Gottes verweist,offenbart er sich seiner Mutter und allenMenschen gegenüber als der Machtvollereund Wissendere. Seine rechte Hand hat erzum Segensgruß erhoben, um zu zeigen,dass er es mit allen Geschaffenen und mitallem Geschaffenen unendlich gut meint. Inseiner linken Hand hält der Sohn ein klei-nes verschlossenes Buch, das geradlinig nachunten weist. Später wird er dieses Buch öff-nen, daraus vorlesen und nach seinem Todund seiner Auferstehung als Pantokrator dasaufgeschlagene Buch der göttlichen Weis-heit allen und der gesamten Schöpfung ent-gegenhalten. Auffallend sind die elf Blumenkreise auf

seinem Gewand, die jeweils wieder aus sie-ben Kreisen bestehen. Das Untergewand,das Jesus trägt, scheint dem der Mutter ähn-lich zu sein, jedoch grenzen sich die Ober-gewänder von Mutter und Sohn stark von-einander ab. Aus der Haltung, dem Gesichtsausdruck

und den Gesten des Jesuskindes auf demArm seiner Mutter wird mir Gottes lieben-de Fürsorge für alle Menschen und die ge-samte Schöpfung bewusst. Aus der für michzuerst „herrschenden“ Bildaussage wirdbeim langen Schauen auf die Ikone zuneh-mend eine Heilszusage.

Denn der Herr schaut herab aus heiligerHöhe, vom Himmel blickt er auf die Erde nie-der; er will auf das Seufzen der Gefangenenhören und alle befreien, die dem Tod geweihtsind (Ps 102,20-21).

Das Gold versinnbildlicht Gottes Gegenwart

Jesus Christus, der Herr, als Kind auf denArmen der Mutter, ist das Fleisch gewor-dene Wort Gottes, die Quelle aller Weisheit,das Alpha und das Omega der Schöpfung,die Herrlichkeit Gottes. Wie lichtvoll es imKind, aber auch in der Mutter ist, deutet dergoldene Hintergrund an, der die GegenwartGottes versinnbildlicht. Ein von oben ein-fallendes Licht erleuchtet das Gesicht desKindes, seine rechte segnende Hand undein wenig auch das Gesicht der Gottesmut-ter und ihre linke Hand. Es ist das Licht derim Herzen des Kindes und seiner Mutteraufstrahlenden göttlichen Liebe, die die tie -fe Verbindung zwischen Mutter und Sohnzum Ausdruck bringt. Diese Verbindungund Verbundenheit zwischen Mutter undSohn zeigt sich dem Betrachter der Ikonenicht sofort – sie geht ihm erst langsam auf,wenn er vor diesem Bild betet.

Jesus schenkt allen Menschen seine Mutter

Nachweislich ab dem 14. Jahrhundert be-findet sich die wundertätige Ikone der „Got-

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Von Peter Dyckhoff

Werkzeug und Spiegel der Seele

Durch das Wunder der geheiltenHand, das Johannes von Damaskusvor seiner Ikone der Gottesmutter

erfuhr, kam es zur Darstellung der drittenHand auf der Ikone. Dadurch erhalten dieHände, die Werkzeug und Spiegel der See -le sind, besonderes Gewicht. Die Hände Ma -riens sind ganz zum Gebet geworden. Siesagen mehr als ein Wort, denn sie hütennoch das verborgene Geheimnis Gottes:Gott händigt sich dem Menschen aus Liebein Jesus Christus bis zum Tod am Kreuz aus.

Auch die Hände der Gottesmutter sind ge-öffnet. Damit sind sie ebenso Zeichen desAushändigens und der totalen Hingabe anden Willen Gottes. Groß ist die leise Spracheihrer Hände – und sie ist schön.

Die „Tragende“, „Ruhende“ und „Weisende“

Die Kirche sagt, Gott habe uns die Handgegeben, damit wir die Seele darin tragen.Die geöffneten Hände der Gottesmutter, dieden Seelenstrom frei fluten lassen, vermit-teln dem Betrachter der Ikone, was die Seelemeint. Mit ihrem rechten Arm und der rech-ten Hand umfasst sie das göttliche Kind. So

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möchte ich diese Hand die „Tragende“ nen-nen. Die mittlere Hand der Gottesmutterberührt ihre Leibmitte, aus der Jesus gebo-ren wurde und aus der die Urkraft strömt;daher möchte ich sie die „Ruhende“ nennen.Die linke Hand, die von der „Ruhenden“und der Kopfhaltung Mariens unterstütztwird, weist mit einladender Gebärde aufihren Sohn, auf die Menschwerdung Got-tes. Ich nenne sie die „Weisende“.

Einladung an den betenden Betrachter

Beim Beten und Ruhigwerden vor derIkone spüre ich, dass diese Einladung auchmir gilt. Keine einzige Bedingung wird anmich gestellt. Ich bin eingeladen: wer ich auchbin und woher ich auch komme, ob aus derFerne, der Skepsis, der Dunkelheit oder garder Gottabgewandtheit. Und immer geleitetmich diese weisende Hand der Gottesmut-ter ins Innerste, zu ihrem göttlichen Sohn.Christi Mutter erhebt fürbittend für michund alle Menschen ihre Hände zum Herrn.Wie Maria als Brücke bezeichnet wird, überdie der Gottessohn zu den Menschen ge-kommen ist, so wird sie auch Leiter genannt,über welche die Menschen ihre Gebete undAnliegen zum Heiland und Erlöser senden.

Der lehrende und segnende Christus

Durch Demut und Hingabe der Gottes-mutter wird die Ikone zu einer Christus-Ikone. Die linke Hand Jesu, die eine Schrift-rolle umfasst, möchte sagen, dass in ihm dieewige Weisheit wohnt. Die rechte Hand hater zum Segen erhoben und möchte damitder gesamten Schöpfung und allen Men-schen Gutes sagen und Gutes tun. In diesemSegen liegt die Überwindung der Angst unddie Überwindung des Todes, die Befreiungzum Leben und zum ewigen Leben. Diesegnende Hand Jesu wird immer hingebendund einladend geöffnet bleiben – bis zumTod am Kreuz und darüber hinaus, bis alleMenschen und die gesamte Schöpfung Er-lösung erfahren haben. Die Hand Jesu, diedie Welt trägt, und sein Blick möchten auf-richten und Liebe schenken. Der Vater liebtden Sohn und alles hat er in seine Hand ge-geben (Joh 3,35).

Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Le-bendiger und Unsterblicher, geboren von derJungfrau, erbarme dich unser!

Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Le-bendiger und Unsterblicher, gekreuzigt an un-serer statt, erbarme dich unser!

Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Le-bendiger und Unsterblicher, auferstanden vonden Toten und aufgefahren in den Himmel,erbarme dich unser! (Agpeya, Dreiheiliger Lobpreis).

Titel-Thema

Deutlich unterscheiden sich die beiden Ikonen von Nouwen undDyckhoff. So setzen sie in ihrer Deutung auch unterschiedliche Ak-zente. Dyckhoff widmet der spirituellen und theologischen Inter-pretation der Ikone den dritten Teil seines Buchs. Er beginnt miteiner trinitarischen Betrachtung und führt auf diesem Hintergrundvier heilsgeschichtliche Aspekte aus: „das Geheimnis des Kreuzes“,„das göttliche Kind“, „die kosmische Dimension“ und „die göttlicheMutter“. Daran schließen sich Überlegungen zur existenziellen Bedeu-tung einer solchen Sicht der Beziehung zwischen Maria und ihremgöttlichen Sohn an: „Wir werden, was wir schauen“ und „Der Fruchtbringende Weinstock“. Nachfolgend die kurze Zusammenfassung, in welche das wertvolle Buch einmündet.

Die drei Hände der Gottesmutter

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Peter Dyckhoff: Gottesmutter mit drei HändenJohannes von Damaskus (8. Jahrhundert) schriebunter dramatischen Umständen die erste Ikone der „Gottesmutter mit drei Händen“ (Tricherusa). Sieöffnet nach alter christlicher Tradition ein Fensterzum Gebet. Vertrauen wir darauf, dass die Gottes-mutter und ihr Sohn Jesus Christus uns beim Be-trachten der Ikone liebevoll anschauen und Gott näherbringen. Das Buch beschreibt: • das verborgene Geheimnis der dritten Hand • die zum Kindersegen führende gnadenvolle Kraft• die spannende Entstehungsgeschichte der Ikone • die Begegnung mit Henri Nouwen

Geb., 12 x 19 cm, 112 S., mit Lesebändchen, ISBN 978-3-9454010-4-0, Euro 13,95 (D),Euro 14,40 (A) – Preisvorteil: Buch und Ikone zusammen für Euro 44,90

Ikone „Tricherusa“ Original 19. Jh. Griechenland.Reproduktion: in Griechen-land gefertigt, mit Zertifikatund Siegel, in Siebdruck aufLeinwand, mit Schlagmetallveredelt, Größe 15 x 19 cm. Preis der Ikone: Euro 34,90

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Schwester Lúcia Ein großartigesPortrait über dieletzte Seherin vonFatima, die am 13.Februar 2005 mit 97

Jahren starb. Der Film zeigt Elternhausund Erscheinungsstätten und gibt eineZusammenfassung der Botschaftenvon 1917. Ihr Leben im Kloster, die Bot-schaft in Pontevedra, die Begegnungmit den Päpsten in Fatima, die Selig-sprechung Jacintas und Franciscos,Lúcias eigenes Begräbnis und dieÜberführung nach Fatima werden ge-zeigt. Extra: Aufnahme von Lúcia, dieein Lied singt. – Laufzeit: 42 Min.,Euro 16,90 (D), Euro 17,10 (A)

Die Hirtenkindervon Fatima In diesem Film wirddas Leben der Ge-schwister Francis-co und JacintaMarto erzählt, die – zusammen mit derein wenig älteren Lúcia dos Santos –1917 Erscheinungen der Jungfrau Ma -ria hatten. Sie erhielten von ihr Bot-schaften und Geheimnisse für alleMenschen der Welt. Die beiden Kin-der starben sehr früh, wie es bei denErscheinungen angekündigt war. Mithis torischen und aktuellen Filmaufnah-men und einer Bildergeschichte. Auchfür Kinder gut geeignet! – Laufzeit: 47Min., Euro 16,90 (D), Euro 17,10 (A)

Bestelladresse: Media Maria Verlag, Pf. 4040, 89254 Illertissen, Tel. 0 73 03-95 23 31-0, E-Mail: [email protected]

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Katechese

Von Benedikt XVI.

Augenzeuge des Übergangs zur Kultur des Islams

Johannes von Damaskus ist in der by-zantinischen Theologie von größter Be-deutung, zugleich ein großer Gelehrter

in der Geschichte der ganzen Kirche. Er istvor allem ein Augenzeuge des Übergangsvon der griechischen und syrischen Kulturder Christen im Ostteil des ByzantinischenReichs zur Kultur des Islam, der sich mitseinen militärischen Eroberungen in demGebiet, das üblicherweise als Mittlerer oderNaher Osten bekannt ist, Raum schaffte. Jo-hannes, der in einer reichen christlichen Fa-milie geboren wurde, übernahm als jungerMann das Amt – das möglicherweise bereitssein Vater vorher innehatte – dessen, der

im Kalifat für die Wirtschaft verantwortlichwar. Da er unzufrieden mit dem Leben amHof war, reifte in ihm jedoch bald die Ent-scheidung zum Mönchsleben und er trat indas Kloster Mar Saba bei Jerusalem ein. Dasgeschah in etwa um das Jahr 700. Er ent-fernte sich nie vom Kloster und widmetesich mit all seiner Kraft der Askese und derliterarischen Tätigkeit, wobei er eine gewissepastorale Tätigkeit nicht ablehnte, was vorallem seine zahlreichen „Homilien“ bezeu-gen. Sein liturgisches Gedächtnis wird am4. Dezember gefeiert. Papst Leo XIII. hat ihn1890 zum Kirchenlehrer ernannt.

Inkarnation als Grundlage für die Bilderverehrung

Im Osten erinnert man sich vor allem anseine drei „Reden gegen die Verleumder der

heiligen Bilder“, die nach seinem Tod beimikonoklastischen Konzil von Hiereia (754)verurteilt wurden. Diese Reden wurden je-doch auch der Hauptgrund für seine Reha-bilitation und für seine Kanonisation sei-tens der orthodoxen Väter, die zum ZweitenKonzil von Nizäa (787), dem siebten Öku-menischen Konzil, zusammengekommenwaren. In diesen Texten lassen sich die ers-ten wichtigen theologischen Versuche er-kennen, die Verehrung der heiligen Bilderzuzulassen, indem sie mit dem Geheimnisder Menschwerdung des Gottessohnes imLeib der Jungfrau Maria verbunden wurde.

Unterscheidung zwischen Anbetung und Verehrung

Johannes von Damaskus gehörte außer-dem zu den ersten, die sowohl im öffentli-chen wie auch im privaten Kult der Christenzwischen Anbetung (latreia)und Verehrung(proskynesis) unterschieden: ersteres kannsich nur auf Gott beziehen und ist etwashöchst geistliches, zweiteres hingegen kannein Bild zur Hilfe nehmen, um sich an den-jenigen zu wenden, der auf dem Bild darge-stellt wird. Natürlich darf der Heilige in kei-nem Fall mit dem materiellen Bild identifi-ziert werden. Diese Unterscheidung erwiessich sogleich als äußerst wichtig, um denjeni-gen auf christliche Weise zu antworten, wel-che verlangten, dass die Beachtung des stren-gen Verbots der kultischen Verwendung vonBildern aus dem Alten Testament als allge-meingültig und unabänderlich angesehenwerden musste. Das war auch in der islami-schen Welt eine große Debatte, die der jü-dischen Tradition des völligen Ausschlussesvon Bildern aus dem Kult beigestimmt hat.

Hochschätzung der Materie als Mittel des Heils

Die Christen haben hingegen in diesemZusammenhang über die Frage diskutiertund eine Rechtfertigung für die Verehrungder Bilder gefunden. Johannes von Damas-kus schreibt: „In alter Zeit wurde Gott, derkeinen Körper und keine Gestalt besitzt,bildlich überhaupt nicht dargestellt. Jetztaber, da Gott im Fleische sichtbar wurde undmit den Menschen umging, kann ich das anGott sichtbare Bild darstellen. Ich bete nichtdie Materie an, sondern ich bete den Schöp-fer der Materie an, der um meinetwillenselbst Materie wurde und es auf sich nahm,in der Materie zu leben, der mittels der Ma-terie meine Rettung ins Werk setzte. Ichwerde daher nicht aufhören, die Materie zuverehren, durch die meine Rettung bewirktist. Doch ich verehre sie keinesfalls als Gott!Denn wie könnte das Gott sein, was aus demNichtseienden sein Dasein erhielt? … Dieübrige Materie aber verehre und achte ich,

Die Betrachtung der Ikone Mariens mit den drei Händen wird aufeindrucksvolle Weise durch eine Katechese Papst Benedikts XVI. überden Kirchenvater Johannes von Damaskus weitergeführt. 1890, alsovor 125 Jahren, hatte ihn Papst Leo XIII. zum Kirchenlehrer ernannt.Benedikt XVI. stellte bei der Generalaudienz am 6. Mai 2009 die blei-bende Bedeutung seiner theologischen Aussagen heraus.

Benedikt XVI. über Johannesvon Damaskus

Es geht nicht nur umBilderverehrung

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christlichen Heiligen, da sie an der Aufer-stehung Christi teilhaben, nicht einfach als„Tote“ angesehen werden können. Bei einerAufzählung derjenigen etwa, deren Reliqui -en oder Bilder der Verehrung würdig sind,präzisiert Johannes in seiner dritten Rede zurVerteidigung der Bilder: „Vor allem (verehrenwir) diejenigen, unter denen Gott geruhthat, der allein Heilige, der bei den Heiligenruht (vgl. Jes 57,15), wie die heilige MutterGottes und alle Heiligen. Es sind diejenigen,die, soweit es möglich ist, durch ihren Willenund weil Gott in ihnen wohnt und ihnenhilft, Gott ähnlich geworden sind. Sie werdenwirklich Götter genannt (vgl. Ps 82, 6). Ähn-lich wie das glühende Eisen, das nicht dasFeuer selbst ist, aber doch zum Teil seine Ei-genschaften übernommen hat, sind die Hei-ligen vom göttlichen Leben durchdrungen.So sagt er: ,Seid heilig, denn ich, der Herr,euer Gott, bin heilig‘ (Lev 19, 2)“ (III, 33, col.1352A). Nach einer Reihe von Hinweisendieser Art konnte der Damaszener daher ru -hig folgern: „Gott, der gut ist und über jedeGüte erhaben, hat sich nicht mit der Betrach-tung seiner selbst begnügt, sondern er wollte,dass es Wesen gebe, die – von ihm beschenkt– an seiner Güte teilhaben könnten: Daherhat er aus dem Nichts alle sichtbaren und un-sichtbaren Dinge geschaffen, einschließlichdes Menschen, sichtbarer und unsichtbarerWirklichkeit. Er hat ihn geschaffen, indem erihn als ein Wesen gedacht und verwirklichthat, das denken kann (ennoema ergon), derSprache mächtig (logo[i] sympleroumenon)und auf den Geist ausgerichtet ist (pneuma-ti teleioumenon)“ (II, 2, PG 94, col. 865A).

Staunen über alle Werke der Vorsehung

Und um seinen Gedanken weiter zu ver-deutlichen, fügt Johannes hinzu: „Man musssich von Staunen erfüllen lassen (thauma-zein) über alle Werke der Vorsehung (tespronoias erga), sie alle loben und sie alle an-nehmen und die Versuchung überwinden, inihnen Aspekte auszumachen, die vielen un-recht oder ungerecht (adika)erscheinen, undstattdessen zuzugeben, dass der Plan Got-tes (pronoia) über die Erkenntnis- und Ver-stehensfähigkeit (agnoston kai akatalepton)des Menschen hinausgeht, während Er imGegenteil unsere Gedanken, unsere Hand-lungen und sogar unsere Zukunft kennt“ (II,29, PG 94, col. 964C). Schon Platon hat üb-rigens gesagt, dass die gesamte Philosophiemit dem Staunen beginnt. Auch unser Glau-be beginnt mit dem Staunen über die Schöp-fung, über die Schönheit Gottes, die sicht-bar wird.

Optimistische Sicht der Schöpfung

Die optimistische Sicht der natürlichen

Kontemplation (physike theoria), dieses Se-hens des Guten, Schönen, Wahren in dersichtbaren Schöpfung, dieser christliche Op-timismus ist kein argloser Optimismus: Erberücksichtigt die Wunde, die der mensch-lichen Natur durch eine von Gott gewollteund vom Menschen auf falsche Weise be-nutzte Entscheidungsfreiheit zugefügt wur -de, mit allen Folgen der Disharmonie, diesich daraus ergeben haben. Von daher dieNotwendigkeit, die der Theologe aus Da-maskus klar erkannt hat, dass die Natur – inder sich die Güte und die Schönheit Gottesspiegeln, die durch unsere Schuld verletztwerden – durch das Herabsteigen des Soh-nes Gottes in das Fleisch „gestärkt und er-neuert werde“, nachdem Gott selbst auf un-terschiedliche Weise und zu verschiedenenAnlässen versucht hatte zu zeigen, dass erden Menschen geschaffen hatte, damit ernicht allein im „Sein“, sondern im „Gut-Sein“ sei (vgl. Genaue Darlegung des ortho-doxen Glaubens, II, 1, PG 94, col. 981).

Das große Meer der Liebe Gotteszum Menschen

Mit leidenschaftlicher Begeisterung er-klärt Johannes: „Zudem galt es, die Natur zustärken und zu erneuern und den Weg derTugend durch die Tat zu weisen und zu leh-ren (didachthenai aretes hodon), der vomVerderben weg- und zum ewigen Lebenhinführt. Da endlich zeigt er das große Meerder Liebe, die er zu ihm [= dem Menschen]hat (philanthropias pelagos).“ Das ist einschöner Ausdruck. Wir sehen auf der einenSeite die Schönheit der Schöpfung und aufder anderen die Zerstörung, die durch diemenschliche Schuld erfolgt. Doch wir sehenim Sohn Gottes, der hinabsteigt, um die Na -tur zu erneuern, das Meer der Liebe Gotteszum Menschen. Johannes von Damaskusfährt fort: „Denn der Schöpfer und Herrselbst übernimmt für sein Gebilde denKampf und wird Lehrer durch die Tat. …Denn der Sohn Gottes, … der in göttlicherGestalt existierte, der neigt nach dem Wohl-gefallen Gottes des Vaters die Himmel undsteigt herab … zu seinen Knechten … Ervollbringt das Neueste von allem Neuen,das allein Neue unter der Sonne, wodurchsich die unendliche Macht Gottes offen-bart“ (III, 1. PG 94, coll. 981C-984B). Wir können uns den Trost und die Freu-

de vorstellen, die diese an so faszinierendenBildern reichen Worte in den Herzen derGläubigen verbreitet haben. Auch wir hö -ren sie, heute, mit denselben Gefühlen derChristen von damals: Gott will in uns ruhen,er will die Natur auch durch unsere Um-kehr erneuern, er will uns an seiner Gottheitteilhaben lassen. Möge der Herr uns helfen,diese Worte zur Grundlage unseres Lebenszu machen.

durch die meine Rettung zustande kam, dasie von göttlicher Wirkkraft und Gnade er-füllt ist. Das Kreuzesholz, das überglücklicheund überselige, ist es vielleicht nicht Materie?… Und die Tinte und das heilige Buch derEvangelien, sind sie nicht Materie? Der ret-tende Altar, von dem aus das Brot des Lebensausgeteilt wird, ist er nicht Materie? …Undist nicht vor all dem anderen der Leib unddas Blut meines Herrn Materie? Du musstalso den Kult und die Verehrung all dieserDinge abschaffen oder der kirchlichen Über-lieferung auch die Verehrung der Bilder Got-tes und der Freunde Gottes lassen, die durchden Namen, den sie tragen, geheiligt sind, so-dass aus diesem Grund die Gnade des Heili-gen Geistes in ihnen wohnt. Mach also dieMaterie nicht schlecht: sie ist nicht verach-tenswert, denn nichts, was von Gott kommt,ist verachtenswert“ (Contra imaginum ca-lumniatores, I, 16).

Materielle Dinge als Vermittler der Gnade

Wir sehen, dass die Materie aufgrund derFleischwerdung gewissermaßen vergöttlichterscheint, dass sie als Wohnstatt Gottes an-gesehen wird. Es handelt sich um eine neueSicht der Welt und der materiellen Wirk-lichkeit. Gott ist Fleisch geworden und dasFleisch ist wirklich Wohnstatt Gottes gewor-den, dessen Herrlichkeit im menschlichenAntlitz Christi erstrahlt. Die Aussagen desöstlichen Kirchenlehrers sind daher auchheute noch von höchster Aktualität, ange-sichts der äußerst großen Würde, die derMaterie in der Menschwerdung zuteil wur -de, so dass sie im Glauben Zeichen undwirksames Sakrament des Begegnung desMenschen mit Gott werden konnte. Johan-nes von Damaskus bleibt also ein besonde-rer Zeuge der Bilderverehrung, die schließ-lich – bis heute – zu einem besonders wich-tigen Aspekt der östlichen Theologie undSpiritualität wird. Es ist jedoch eine Formdes Kults, die einfach zum christlichen Glau-ben gehört, zum Glauben an jenen Gott, derFleisch geworden ist und sich sichtbar ge-macht hat. Die Lehre des heiligen Johannesvon Damaskus fügt sich so in die Traditionder universalen Kirche ein, deren sakramen-tale Lehre vorsieht, dass der Natur entstam-mende materielle Dinge kraft der Anrufung(epiclesis) des Heiligen Geistes und begleitetvom Bekenntnis des wahren Glaubens, Ver-mittler der Gnade werden können.

Verehrung der Reliquien von Heiligen

In den Zusammenhang mit diesen Grund-gedanken stellt Johannes von Damaskusauch die Verehrung der Heiligenreliquien –basierend auf der Überzeugung, dass die