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Trauma beschämt und Scham kann traumatisch sein – Psychotraumatologie eines schwierigen Affektes Philipp Kuwert, Universitätsmedizin Greifswald

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Trauma beschämt und Scham kann traumatisch sein –Psychotraumatologie eines schwierigen Affektes

Philipp Kuwert, Universitätsmedizin Greifswald

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Traumatisierungen des II. Weltkrieges

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Traumatisierungen des II. Weltkrieges

• Überlebende der Shoah und deren Kinder

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Traumatisierungen des II. Weltkrieges

• Überlebende der Shoah und deren Kinder

• Kriegskinder

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Traumatisierungen des II. Weltkrieges

• Überlebende der Shoah und deren Kinder

• Kriegskinder

• Vertriebene

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Traumatisierungen des II. Weltkrieges

• Überlebende der Shoah und deren Kinder

• Kriegskinder

• Vertriebene

• Kindersoldaten

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Traumatisierungen des II. Weltkrieges

• Überlebende der Shoah und deren Kinder

• Kriegskinder

• Vertriebene

• Kindersoldaten

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Traumatisierungen des II. Weltkrieges

• Überlebende der Shoah und deren Kinder

• Kriegskinder

• Vertriebene

• Kindersoldaten

• Überlebende von sexueller Kriegsgewalt

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Traumatisierungen des II. Weltkrieges

• Überlebende der Shoah und deren Kinder

• Kriegskinder

• Vertriebene

• Kindersoldaten

• Überlebende von sexueller Kriegsgewalt

• (Besatzungskinder)

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Traumatisierungen des II. Weltkrieges

• Überlebende der Shoah und deren Kinder

• Kriegskinder

• Vertriebene

• Kindersoldaten

• Überlebende von sexueller Kriegsgewalt

• (Besatzungskinder)

• (Veteranen...) � nahezu keine Forschung

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Traumatisierungen des II. Weltkrieges

• Überlebende der Shoah und deren Kinder

• Kriegskinder

• Vertriebene

• Kindersoldaten

• Überlebende von sexueller Kriegsgewalt

• (Besatzungskinder)

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Euthanasie und Scham:

„ Im Laufe der letzten Jahre hatte ich Kontakt mit zahlreichen Menschen, in deren Familien das Thema „Euthanasie“ ebenfalls lange Zeit schamhaft verschwiegen wurde. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass sich Angehörige der zweiten und dritten Generation zunehmend auf Spurensuche begeben und die Lebensgeschichten ihrer ermordeten Verwandten und damit ihre eigene Familiengeschichte aufarbeiten wollen. Nicht selten setzen sie sich damit gegen immer noch existierende Widerstände - auch in ihren Familien - über die jahrzehntelange Tabuisierung des Themas in der Gesellschaft hinweg. Der Umgang mit „Euthanasie“ und Zwangssterilisation ist in einer Vielzahl von Familien bis heute geprägt von Unsicherheit (Ist die Krankheit erblich?), von Scham (Leben mit dem Stigma der „erblichen Minderwertigkeit“) und Schuld (Warum haben wir unsere Angehörigen nicht geschützt? Warum haben wir geschwiegen?).“

Sigrid Falkenstein, aus: http://www.euthanasie-gedenken.de/namen.htm

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Scham

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Scham

• Von indog. skam = bedecken, verhüllen

• Auch abgeleitet: Skin

• Affekt bei Bloßstellung incl. Selbstverwerfung

• Häufig ist Scham gemeint, wenn von Schuld gesprochen wird!

• Traumasituation immer auch Schamsituation � Bloßstellung

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Gemeinsamkeit Trauma und Scham(Seidler, 2012)

• Überraschung

• Schwierige Mitteilbarkeit

• Grenzflächen verletzt

• Schutzlosigkeit

• Entfremdung

�Verlust der selbstverständlichen Übereinstimmung mit sich und Anderen

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Sexuelle Kriegsgewalt

• „1,4 – 1,9 Mio vergewaltigte Frauen am Ende des II. WK“, unklare Todesziffer

• ubiquitäres Phänomen auf nahezu allen Kriegsschauplätzen weltweit

• Sehr wenig empirische Studien zur posttraumatischen Belastung der überlebenden Frauen

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Methodik• Presseaufruf (enorme mediale Resonanz In- und

Ausland, Resonanz bei Kindern und Enkelkindern), mangels Fremdfinanzierung beschränkt auf MV, Berlin, Brandenburg

• 33 Zusagen, letztlich 27 untersuchte Teilnehmerinnen, keine Männer..

• Instrumente: „narratives Leitfadeninterview“, FB: mit HTQ modifizierte PDS, PDI, SOC

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„Zur Scham kommt die Angst –Vergewaltigung von Männern in

Kriegsgebieten.“

Süddeutsche Zeitung online, 2012

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Soziodemografie

• Ø Alter: 80,3 (76 – 89)

• 63 % verwitwet, 18 % verheiratet, 4 % geschieden, 15 % ledig

• 63 % vertrieben

• Ø Alter Vergewaltigung: 16,7 Jahre

• 63 % Volksschule, 18 % Abitur

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„…Die Tür wird aufgerissen. Soldaten leuchtenmit Taschenlampen auf die Liegenden, zerrenDecken weg, brüllen: „Frau, komm!“ ZweiSoldaten stürmen herein, schreien. Einer reißtMutter fort, der andere mich, allein, auf ein Bett.Ich weine. Neben meinemKopf liegt die Pistole,auf mir der Mann. Es tut weh. Ich entleere mich.Mutti erklärt mir, was die Soldaten machen, dassso ein Kind entsteht. Ich werde ohnmächtig…“

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Deskriptive Ergebnisse • Erinnerte Vergewaltigungen: Ø 12,5 (1- 70), > 10: 41 %, >

20: 30 %• Beeinträchtigung der Sexualität im Lebenslauf:

80 %• Ø 12,5 zusätzliche Kriegstraumatisierungen, z.B.:

Zeugenschaft bei Erschießungen 22 %, Scheinhinrichtung 15 %, Plünderungen mit Todesangst 30 %, Miterleben von sexuellen Mißhandlungen Anderer 44 %

• 19 % PTSD, 30 % partielle PTBS: ∑: 49 % klinisch relevante posttraumatische Symptome zum Studienzeitpunkt

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Diskussion

• Schwer belastete Teilnehmerinnen

• Multiple und sequentielle Traumen

• Hohe PTSD-Prävalenz bei „resilienten Langzeitüberlebenden“� Pathogenität sexueller Kriegsgewalt, hohe peritraumatische Belastung

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1

2

3

4

5

6

7

8

Sexual traumata Other traumata

(paired samples t-tests; both p <.05, one-tailed)

Fehlende soziale Anerkennung (SAQ)

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Soziale Anerkennung als Traumaüberlebende

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

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sexuelles Traumasexuelles Trauma SchamgefühlSchamgefühlFehlende soziale

Anerkennung

Fehlende soziale

Anerkennung

Persistenz der PTSDPersistenz der PTSD

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generationenübergreifende Schamthemen: (Tiedemann, 2013)

• heimliche Abtreibungen

• nichteheliche Kinder

• Kinder aus Vergewaltigungen

• Ehebrüche

• u.a.m.

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Besatzungskinder

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Subjective Identity aspects in former German children born of World War II

Kuwert P1, Kaiser M2 , Kunitz D2 ,Glaesmer H2

1 University Medicine Greifswald, Department of Psychiatry

2University Medicine Leipzig, Department of Medical Pychology and Medical Sociology

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AversiveKindheitsbelastungen

Stigmatisierung/Diskriminierung

Identität

SeelischeGesundheit

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AversiveKindheitsbelastungen

Stigmatisierung/Diskriminierung

Identität

SeelischeGesundheit

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AversiveKindheitsbelastungen

Stigmatisierung/Diskriminierung

Identität

SeelischeGesundheit

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AversiveKindheitsbelastungen

Stigmatisierung/Diskriminierung

Identität

SeelischeGesundheit

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"Schattenkinder" von Knut Weise

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Anton

Eigentlich habe ich sieben Väter. So viele waren es, die über meine Mutter herfielen.

Eigentlich sollten wir - sie und ich - nicht leben. Der Letzte wollte sie erschießen.

Eigentlich verhinderte dies nur einer der Sieben. Ich wünsche mir, er ist mein

Vater.

Eigentlich kann ich darüber bis heute nicht reden. Aber es schreit aus mir heraus.

Eigentlich möchte ich Hilfe haben. Vielleicht rede ich noch. Bevor ich sterbe.

Vielleicht ….

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Das Geheimnis der

Erlösung heißt

Erinnerung.

(Talmud)