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Erkrankungen im Mund und Rachenraum sowie der Zähne
Phytotherapie – 54
Entzündliche Prozesse – 54
Herpes labialis – 54
Mundwinkelrhagaden – 56
Zahnschmerzen – 56
Wirkstoffe – 57
Ätherische Öle – 58
Ätherisches Öl + Gerbstoff – 60
Ätherisches Öl + Harz – 61
Gerbstoffe (Tannine) – 62
Wirkstoffkomplex – 65
M. Wiesenauer, PhytoPraxis, DOI 10.1007/978-3-642-32773-5_6,© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
54 Kapitel 6 · Erkrankungen im Mund und Rachenraum sowie der Zähne
6
Phytotherapie
jEntzündliche Prozesse jHerpes labialis jMundwinkelrhagaden jZahnschmerzen
Das Symptomenspektrum bei Gingivitis, Stomatitis, Aphthen, Soor und Parodontose reicht von leichten Beschwerden wie Zahnfleischbluten bis hin zu starken Schmerzen und Nahrungsverweigerung. Bakterielle, virale und mykotische Infektionen beruhen teilweise auf einer hohen Infektiosität der Erreger, teilweise auch auf einer reduzierten Abwehr, beispielsweise durch Diabetes mellitus oder eine immunsupprimierende Therapie (Mukositis 7 Kap. 22 »Onkologische Erkrankungen«).
Neben einer konsequenten Mundhygiene wird die Phytotherapie lokal als adstringie-rende Gurgellösungen und Pinselungen eingesetzt, ggf. auch als Lutschpastille. Eine innere Anwendung immunmodulierender Arzneidrogen wie Sonnenhutkraut und andere (7 Kap. 10) kommt bei akuten Entzündungsprozessen, rezidivierenden Infek-ten sowie bei Herpes labialis in Frage (. Tab. 6.1).
Entzündliche Prozesse
Die beiden wichtigen Wirkstoffgruppen zur Lokalapplikation sind die adstringieren-den und wundheilungsfördernden Gerbstoffdrogen (Ratanhiawurzel, Tormentill-wurzelstock, Myrrhe) und die antibakteriell und antiphlogistisch wirkenden Äthe-risch-Öl-Drogen (Kamillenblüten, Salbeiblätter, Thymiankraut). Hinzu kommen Schleim drogen (Eibischwurzel/ -blätter, Malvenblüten), die vorzugsweise in der Be-handlung der Pharyngitis und Laryngitis (7 Kap. 7) einen hohen Stellenwert haben. Die Komplexität der Pflanzeninhaltsstoffe bedingt das teilweise überlappende Wir-kungsspektrum.
Herpes labialis
Bei Herpes labialis wird das viruzid wirkende ätherische Öl der Melisse lokal appli-ziert. Ihre antiphlogistische Wirkung ist bedingt durch Lamiaceengerbstoffe (Ros-marinsäure).
Phytotherapie55 6
. Tab. 6.1 Phytotherapie bei Erkrankungen im Mund- und Rachenraum sowie der Zähne
Symptomatik Arzneidrogen Präparatebeispiel
entzündliche Prozesse im Mund- und Rachen-raum, nach Setzen eines Zahnimplantats
Anisöl, Eukalyptusöl, Fenchelöl, bitteres, Nelkenöl, Pfefferminzöl, Salbeiöl, Zimtöl, Menthol, Thymol
Salviathymol N 10 Tr. auf 100 ml Wasser mehrmals tgl. spülen/gurgeln; Pinselung unverdünnt auftragen
Gingivitis, Soor, Stomatitis, Lichen ruber planus
Kamillenblüten Kamillin Konzentrat Robugen 30 Tr. auf 100 ml Wasser mehrmals tgl. spülen/ gurgeln, Pinselung unverdünnt auftragen
Aphthen, Mundwinkel-rhagaden, Soor, Lichen ruber planus
Salbeiblätter Salvysat Tropfen 20 Tr. auf 100 ml Wasser mehrmals tgl. spülen/gurgeln, Pinselung unverdünnt auftragen
Aphthen, Soor, Zahnfleischbluten, Prothesendruckstellen
Myrrhe Inspirol P forte Lösung 10 Tr. auf 150 ml Wasser mehrmals tgl. spülen/gurgeln; Pinselung unverdünnt auftragen
Lichen ruber planus, Parodontopathie, Stomatitis, Zahnfleisch-bluten
Myrrhe, Ratanhiawurzel, Tormentillwurzelstock
Repha-Os Mundspray mehrmals täglich aufsprühen oder den Mundraum spülen
Herpes labialis Melissenblätter Lomaherpan-Creme mehrmals tgl. auftragen
Zahnschmerzen, entzündungsbedingt
Nelkenöl Caryophylli aeth. 1:1 mit Wasser verdünnt auftragen
Zahnschmerzen, neuralgieform
Johanniskraut Esbericum 250 mg 1–(1)–0 Tbl. (niedrig dosiert)
Zahnschmerzen bei Gingivitis, nach Setzen eines Zahnimplantats, empfindliche Zahnhälse
Salbeiblätter Aperisan-Gel mehrmals tgl. auftragen
Bei rezidivierenden Entzündungen ist eine Therapie mit Sonnenhutkraut (Echinacea) sinnvoll (5-tägige Applikation, 2 Tage Pause etc.), 7 Kap. 10.
56 Kapitel 6 · Erkrankungen im Mund und Rachenraum sowie der Zähne
6
Mundwinkelrhagaden
»Faulecken« oder Mundwinkelrhagaden können verschiedene Ursachen zugrunde liegen, die diagnostisch geklärt werden müssen.
U.a. handelt es sich um Folgen von Infektionen (Staphylo- und Streptokokken, Candida albicans, Herpes-Virus), die Folgen einer Mangelernährung, v. a. das Vitamin B12 und Eisen betreffend, oder um unzureichenden Speichelfluss. Phytotherapeutisch bietet sich das Betupfen mit verdünnter (!) Salbeitinktur an.
Zahnschmerzen
Aus naturheilkundlicher Sicht stehen Zahnerkrankungen in engem Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Gesamtorganismus. So sind Zahnschmerzen auf-grund chronischer Infektionsherde, rheumatisch bedingte Zahnschmerzen, Zahn-schmerzen aufgrund eines überreizten Nervensystems, »Herde« im Zahnbereich, Amalgam-Unverträglichkeiten usw. bekannt. Diese lassen sich praxisbewährt mit pflanzlichen Arzneimitteln behandeln, vgl. die korrespondierenden Kapitel; bei schlechter Zahnsubstanz wie auch bei verspätetem Zahnen (Zahnentwicklungs störung) ist eine Stärkung des Knochenstoffwechsels angezeigt.
Hervorragend bewährt hat sich als einfache Maßnahme gegen akute Zahnschmer-zen das Kauen auf einer Gewürznelke, denn Nelkenöl wirkt desinfizierend, adstringie-rend, antiseptisch, lokal hautreizend und anästhesierend. Bereits seit dem Mittelalter werden Nelken zur Desinfektion des Mundraumes verwendet. Alternativ kann auch Nelkenöl (1:1 mit Wasser verdünnt) auf die schmerzende Stelle aufgetragen werden.
Neuralgieforme Zahnschmerzen ohne fassbaren Befund sowie das Symptom der empfindlichen Zahnhälse sprechen oft auf niedrig dosierte Johanniskraut-Präparate an.
Bei durch entzündliche Prozesse am Zahnhalteapparat (Gingivitis, »Zahnta-schen«) bedingten Zahnschmerzen sind Salbeiblätter als verdünnte Tinktur (Spülun-gen) bzw. als Gel-Applikation indiziert. Eine Kombination von Salbei und Kamille ist ebenfalls bewährt: im Verhältnis 1:1 die Tinkturen mit Wasser verdünnen und damit 2- bis 3-mal täglich den Mundraum spülen. Wegen ihrer wundheilungsfördernden, antiphlogistischen und analgetischen Wirkung ist die Kombination auch nach zahn-ärztlichen Eingriffen indiziert; eine solche Behandlung ist nach Setzen eines Zahnim-plantats ebenfalls sinnvoll.
Praxisbewährt
Arzneidrogen bei rezidivierend entzündlichen Prozessen. Vielfach kann damit eine Restitutio ad integrum erzielt werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Wie-derherstellung einer physiologischen Mundflora und damit die Rezidiv-Vorbeugung.
57 6Wirkstoffe
Sowohl bei den typischen Erkrankungen im Kindesalter, unter der Anwendung corticoidhaltiger Inhalativa (Aphthen, Soor) wie auch bei onkologischen Patienten (Mukositis) sind die Arzneidrogen unverzichtbar, um Schleimhautläsionen wirksam behandeln zu können. Dies gilt auch für die Begleitbehandlung eines Lichen ruber planus bei Befall der Mundschleimhaut.
> Bei Symptomen wie Mundtrockenheit oder Foetor ex ore (Causa klären!) haben sich die Arzneidrogen zu Mundspülungen ebenfalls bewährt (z. B. Kamillenblüten, Myrrhe, Salbeiblätter als Tinktur zu gleichen Teilen). Sie sind auch bei der oft therapieresistenten Schwangerschaftsgingivitis ange-zeigt. Häufig bewährt sich auch eine zusätzliche Vitamin-C-Substitution.
4 Bei akutem wie auch rezidivierendem Herpes labialis bewährt sich neben der genannten Lokalbehandlung eine interne immunmodulierende Therapie mit dem Echinacea-haltigen Influex (bis zu 6-mal täglich 1 Tablette lutschen; = 5 Tropfen); empfehlenswert ist ein frühzeitiger Behandlungsbeginn (»bei den ersten Anzeichen«). In flüssiger Form kann dieses Präparat auch auf die Herpes-Bläschen aufgetupft werden (7 Kap. 10 »Rezidivierende Infekte«).
4 Mit dem immunmodulierenden Therapieansatz lässt sich auch ein dentogener Focus (»Störfeld«) wirksam behandeln; ebenso sprechen rezidivierende Entzün-dungen der Zahnwurzel und Zahntaschen auf eine solche Behandlung an. Die Lokaltherapie wird dadurch wirksam unterstützt.
4 Eine rezidivierende Gingivitis mit Zahnfleischblutungen wie eine persistierende Gingivitis können oftmals mit einem Reiz-Darm-Syndrom assoziiert sein. Mittels einer immunmodulierenden Therapie des darmassoziierten Immunsystems führt dies zu einem nachhaltigen Abklingen entzündlicher Prozesse im Mund- und Rachenraum sowie am Zahnhalteapparat (7 Kap. 15 »Magen-Darm-Erkrankungen«).
4 Bei unspezifischen Zahnschmerzen mit wechselndem Schmerzempfinden (warm/kalt oder Druck) spielt differentialdiagnostisch ein sinugener Fokus eine häufige Rolle, sodass eine sekretolytische und antiphlogistische Therapie mit der fixen Kombination Sinupret extract 1–1–1 Drg. angezeigt ist (7 Kap. 7 »Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen«).
Wirkstoffe
jÄtherische Öle 4 Gewürznelkenbaum 4 Melisse
jÄtherisches Öl + Gerbstoff 4 Salbei
58 Kapitel 6 · Erkrankungen im Mund und Rachenraum sowie der Zähne
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jÄtherisches Öl + Harz 4 Myrrhenstrauch
jGerbstoffe (Tannine) 4 Ratanhia 4 Tormentill
jWirkstoffkomplex 4 Kamille
Weitere Arzneipflanzen bei Erkrankungen im Mund- und Rachenraum sowie der Zähne
4 Johanniskraut 7 Kap. 3 »Psychische und neurovegetative Erkrankungen«
Ätherische Öle
Ätherische Öle zeichnen sich durch hohe Schleimhautgängigkeit aus und werden da-her gerne extern angewendet. Einige Ätherisch-Öl-Drogen, insbesondere vorwiegend in tropischen Ländern vorkommende Bäume, enthalten in Rinde und Holz-Harze. Dazu gehört auch die hier beschriebene Myrrhe. Das Nelkenöl wirkt antibakteriell, antiseptisch und anästhetisch, das ätherische Öl der Melisse viruzid.
Gewürznelkenbaum (Syzygium aromaticum) jVerwendeter Pflanzenteil
Blütenknospen (Caryophylli flos)
jInhaltsstoffeätherisches Öl mit Eugenol als Hauptkomponente (85–95 % des Nelkenöles)
jWirkungDas ätherische Öl (Caryophylli aetheroleum) wirkt in beträchlichem Maße antibakte-riell und wird in der Zahnheilkunde als Antiseptikum gebraucht.
jAnwendungsgebiete 4 äußerlich: Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut, in der Zahnheil-
kunde zur lokalen Schmerzstillung
jNeben-/WechselwirkungenIn konzentrierter Form wirkt Nelkenöl gewebereizend.
59 6Wirkstoffe
jGegenanzeigen–
Praxistipp
Caryophylli aeth. 1:1 mit Wasser verd. auftragen.
Melisse (Melissa officinalis) jVerwendeter Pflanzenteil
Blätter (Melissae folium)
jInhaltsstoffeätherisches Öl, bestehend aus Citronellal, Citral, b-Caryophyllen, Caryophyllenoxid u. a.; Lamiaceengerbstoffe (Typ Rosmarinsäure), Flavonoide, Triterpensäuren, Phenyl-carbonsäuren
jWirkungschwach antibakteriell, virustatisch
jAnwendungsgebieteHerpes-simplex-Infektionen
jNeben-/Wechselwirkungen–
jGegenanzeigen–
Praxistipp
Als Monopräparat wird Melisse nur zur Behandlung von viralen Hauterkrankun-gen, insbesondere Herpes, eingesetzt
4 Leidet der Patient bereits unter Hauterkrankungen, kann es zu einem Ekzem auf der vorgeschädigten Haut kommen.
4 Eine systemische immunmodulierende Begleitbehandlung mit Echinacea-halti-gen Präparaten ist sinnvoll (7 Kap. 10 »Rezidivierende Infekte«).
60 Kapitel 6 · Erkrankungen im Mund und Rachenraum sowie der Zähne
6
Fertigarzneimittel
Monopräparate
4 äußerlich: Lomaherpan Creme, 2- bis 4× tgl. 1–2 mm auftragen, bereits beim ersten Brennen der Lippen mit Behandlung beginnen
Ätherisches Öl + Gerbstoff
Zur Struktur und Wirkung von Gerbstoffen s.u.
Salbei (Salvia officinalis) jVerwendeter Pflanzenteil
Blätter (Salviae folia)
jInhaltsstoffeätherisches Öl (Thujon, Campher, 1,8-Cineol u.a.), Lamiaceengerbstoffe (Typ Ros-marinsäure), Diterpenbitterstoffe wie Carnosol, Flavonoide, Phenylglykoside und Triterpene
jWirkungDas ätherische Öl wirkt entzündungshemmend, bakterizid, fungistatisch und virosta-tisch, die Gerbstoffe wirken adstringierend, Bitterstoffe regen die Magensaftsekretion an.
jAnwendungsgebiete 4 äußerlich: Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut; 4 innerlich: dyspeptische Beschwerden, vermehrte Schweißbildung
jNeben-/WechselwirkungenWegen des hohen Thujongehaltes dürfen alkoholische Salbeizubereitungen innerlich nicht in höherer Dosierung und über längere Zeit angewendet werden. Nach länge-randauernder Einnahme von alkoholischen Extrakten und des reinen ätherischen Öles wurden epileptiforme Krämpfe beschrieben.
jGegenanzeigenkeine Anwendung von dem reinen ätherischen Öl und alkoholischen Extrakten in Schwangerschaft und Stillzeit
61 6Wirkstoffe
Praxistipp
5 g alkoholischen Auszug auf 1 Glas Wasser. Zahnfleischpinselung mit unver-dünnter Tinktur. Oder: 2–3 Tr. ätherisches Öl auf 1 Glas Wasser, mehrmals täglich gurgeln. Oder unverdünnten alkoholischen Auszug mehrmals täglich auf den entzündeten Schleimhautbereich auftragen.
Eine innere Behandlung mit Salbeiblätter-Extrakt ist bei übermäßigem Schwitzen sehr bewährt (7 Kap. 21).
Fertigarzneimittel
Monopräparate
4 äußerlich – Aperisan Gel, mehrmals tgl. auftragen – Salbei Curarina Tropfen, 1–2 TL in 1 Glas lauwarmem Wasser verd., mehrmals
tgl. gurgeln – Salvysat Tropfen, 1 TL in 1/2 Glas lauwarmem Wasser, mehrmals tgl. gurgeln
Kombinationspräparate
4 Salbeiöl+Eukalyptusöl+Pfefferminzöl+Zimtöl+Nelkenöl+Fenchelöl+Anisöl+ Menthol+Thymol
– Salviathymol N Flüssigkeit, etwa 10 Tr. auf 100 ml Wasser, mehrmals tgl. gurgeln, unverdünnt für Pinselungen auftragen
Ätherisches Öl + Harz
Zur Struktur und Wirkung von Harzen 7 Kap. 8 »Erkrankungen der unteren Atemwege«.
Myrrhenstrauch (Commiphora molmol und andere Arten) jVerwendeter Pflanzenteil
Myrrhe ist ein Gummiharz aus der Rinde von Commiphora-Arten (Myrrha, Gummi myrrha).
jInhaltsstoffeätherisches Öl mit Furanosesquiterpenen, ethanollösliches Harz, in Ethanol unlösli-cher Rohschleim, Monoterpene, Proteine und Kohlenhydrate
62 Kapitel 6 · Erkrankungen im Mund und Rachenraum sowie der Zähne
6
jWirkungadstringierend, desinfizierend, granulationsfördernd
jAnwendungsgebietelokale Behandlung leichter Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut
jNeben-/WechselwirkungenBei unverdünnter Anwendung von Myrrhentinktur können vorübergehend Brennen und Geschmacksirritationen auftreten.
jGegenanzeigen–
Praxistipp
Betroffene Stellen mit Myrrhentinktur betupfen. Myrrhe gibt es auch als Zahn-pulver (entsprechend 10 % gepulverte Droge).
Fertigarzneimittel
Monopräparate
4 Inspirol P forte Tinktur, 10 Tr. auf 100 ml Wasser, mehrmals tgl. spülen/gurgeln; Pinselung unverdünnt auftragen
Kombinationspräparate
4 7 Ratanhia
Gerbstoffe (Tannine)
Es gibt zwei Hauptgruppen von Gerbstoffen: hydrolysierbare Gerbstoffe (Gallotannine und Ellagtannine) und kondensierte Gerbstoffe. Zu der ersten Gruppe zählen Hama-melis (Zaubernuss) und Walnussblätter, zu der zweiten Eichenrinde, Ratanhia-Wurzel, Tormentill-Wurzel und Heidelbeeren. Die gerbende Wirkung beruht vor allem auf einer Wechselwirkung mit dem Kollagen in Haut und Schleimhäuten. Dieses Eiweiß nimmt die Gerbstoffe auf, wobei kovalente Bindungen entstehen, welche die Oberflä-chenstruktur verändern und so genannte Koagulationsmembranen in den obersten Schichten der Schleimhaut und des Bindegewebes bilden. Hauptanwendungsbereiche
63 6Wirkstoffe
von Gerbstoffen sind Haut und Schleimhäute (Mund-, Rachen, Darm, Anus). Gerb-stoffe wirken nicht nur adstringierend, sondern auch reizmildernd, entzündungs-hemmend, schwach lokalanästhesierend, sekretionshemmend, sie trocknen Haut und Wunden aus und wirken bakterizid. Äußerlich werden Gerbstoffe bei Wunden, Ver-brennungen, Frostbeulen, Blutungen, Hämorrhoiden und Entzündungen des Mund-und Rachenraumes eingesetzt, innerlich bei Diarrhö.
Ratanhia (Krameria triandra) jVerwendeter Pflanzenteil
Wurzel (Ratanhiae radix)
jInhaltsstoffe10 % Gerbstoffe,v.a.Catechingerbstoffe
jWirkungadstringierend
jAnwendungsgebietelokale Behandlung leichter Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut
jNeben-/Wechselwirkungensehr selten allergische Reaktion
jGegenanzeigen–
Praxistipp
Die Tinktur wird unverdünnt für Pinselungen verwendet (2- bis 3× tgl.) oder verdünnt zum Gurgeln (5–10 Tr. auf 1 Glas Wasser).
64 Kapitel 6 · Erkrankungen im Mund und Rachenraum sowie der Zähne
6
Fertigarzneimittel
Monopräparate
4 nicht bekannt
Kombinationspräparate
4 Ratanhiawurzel+Tormentillwurzelstock+Myrrhe – Repha-Os Mundspray S, mehrmals tgl. auf die entzündeten Stellen aufsprühen – 7 Salbei
Tormentill (Potentilla erecta)Tormentillwurzel hat unter den Adstringenzien den höchsten Gerbstoffgehalt. Sie ist die wichtigste Heilpflanze der Erfahrungsheilkunde zur Behandlung von Durchfällen!
jVerwendeter PflanzenteilWurzelstock (Tormentillae rhizoma)
jInhaltsstoffe15–20 % Gerbstoffe, v.a. Catechingerbstoffe (Tormentillgerbsäure und Tormentillrot), etwas Ellagsäure, Tormentosid, Phenolcarbonsäuren
jWirkungadstringierend, stopfend, blutstillend, bakteriostatisch
jAnwendungsgebieteleichte Schleimhautentzündungen im Mund- und Rachenbereich, unspezifische, akute Durchfallerkrankungen
jNeben-/Wechselwirkungen 4 innerlich: bei empfindlichen Patienten Magenbeschwerden
jGegenanzeigenFür Kinder unter 12 Jahren sowie während Schwangerschaft und Stillzeit liegen keine klinischen Daten vor.
Praxistipp
Zur Behandlung von Durchfällen sollte das Pulver verwendet werden.
65 6Wirkstoffe
Fertigarzneimittel
> Kombinationspräparate E 7 Ratanhia
Wirkstoffkomplex
Kamillenblüten enthalten synergistisch wirkende Inhaltsstoffe, die zu einer breiten Anwendung der Arzneidroge führen. Sie haben eine herausragende Wirkung nicht nur auf die Haut und die Schleimhäute (antiphlogistisch, wundheilungsfördernd, desodorierend, antibakteriell, bakterientoxinhemmend, antimykotisch), sondern wir-ken auch noch spasmolytisch, dadurch karminativ und insgesamt immunstimu-lierend. Die breite Anwendungspalette legt nahe, dem Patienten Kamillenblüten in Apothekenqualität (wichtig!) als phytotherapeutische Minimalausrüstung für die Hausapotheke anzuraten!
Kamille (Matricaria recutita) jVerwendeter Pflanzenteil
Blüten (Matricariae flos)
jInhaltsstoffeÄtherisches Öl mit dem farblosen Matricin und Matricarin (beides sind Proazulene, aus denen bei der Wasserdampfdestillation der Droge äth. Öl und das blaue Chama-zulen entsteht), ferner α-Bisabolol und dessen Oxide; über 15 Flavonderivate, v. a. Apigenin und Apigenin-7-O-Glucosid, bis zu 10 % Schleimstoffe, Hydroxycumarine (Herniarin u.a.), Phenolcarbonsäuren, Cholin. In alkoholischen Extrakten ist ein deut-lich höherer Gehalt an ätherischen Ölen enthalten.
jWirkung 4 ätherisches Öl: antiphlogistisch und spasmolytisch, 4 α-Bisabolol: antiseptisch (Hemmung der Pepsinsekretion im Magen), bakterizid
und fungizid, 4 Flavonoide: spasmolytisch und dadurch karminativ, lokal antiphlogistisch und
wundheilungsfördernd, 4 Schleimstoffe: immunstimulierend, außerdem antimykotisch und ulkusprotektiv
jAnwendungsgebiete 4 äußerlich: Haut- und Schleimhautentzündungen sowie bakterielle Hauterkran-
kungen einschließlich der Mundhöhle und des Zahnfleischs
66 Kapitel 6 · Erkrankungen im Mund und Rachenraum sowie der Zähne
6
jNeben-/Wechselwirkungenbei Verwendung von Kamillenblüten geringe allergene Potenz, allergische Reaktionen meist Folge von Verunreinungen mit Hundskamille (selbst gesammelt!) oder durch Kreuzallergie (v. a. Beifuß)
jGegenanzeigen–
Praxistipp
Zur Anwendung bei Entzündungen im Mund-Rachen-Raum ca. 20 Tr. Kamillentink-tur in lauwarmem Wasser auflösen und damit die Mundhöhle spülen. Außerdem kann mit dem Kamillentee mehrmals tgl. gespült oder gegurgelt werden. Keine Daueranwendung, auch nicht als Tee, da durch die stete spasmolytische Wirkung eine relative Atonie u. a. der Gallenwege eintreten kann.
4 Eine bewährte Maßnahme bei Magenbeschwerden (7 Kap. 15 »Magen-Darm- Erkrankungen«) ist die »Rollkur«. Dafür ¼ Tasse Kamillentee morgens nüchtern trinken, 5 Min. auf Rücken liegen – ¼ Tasse Tee trinken, 5 Min. auf linker Seite – ¼ Tasse Tee trinken, 5 Min. auf Bauch liegen – Rest trinken, 5 Min. auf rechter Seite liegen.
Fertigarzneimittel
Monopräparate (7 Kap. 21 »Hauterkrankungen und -verletzungen«)
4 Kamillin Konzentrat Robugen, 30 Tr. auf 1 Glas lauwarmes Wasser 4 Kamillin-Extern-Robugen, Dosierung gemäß Herstellerangaben 4 Kamillosan Konzentrat Lösung, mehrmals tgl. 5 ml auf 1 Glas lauwarmes Wasser 4 Kamillosan Ocean Nasenspray, 3- bis 4× tgl. 2–3 Sprühstöße in jedes Nasenloch. 4 Kamillosan Creme/Salbe mehrmals tgl. dünn auftragen
Kombinationspräparate
4 Kamillenblüten+Anisöl+Pfefferminzöl – Kamillosan Mundspray, 3× tgl.aufsprühen
4 Kamillenblüten+Eibischwurzel+Eichenrinde+Löwenzahnkraut+Schachtelhalmkraut+Schafgarbenkraut+Walnussblätter
– Imupret N Dragees, 6× tgl. 2 Drg. (Schulkinder: 6× tgl. 1 Drg.) – Imupret N Tropfen, 6× tgl. 25 Tr. (Schulkinder: 6× tgl. 15 Tr., Kleinkinder: 6×
tgl. 10 Tr., Säuglinge: 6× tgl. 5 Tr.) auf Wasser oder in Saft