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Pilzproteine verändern Eigenschaften Oberflächen weisen Wasser ab oder sind benetzbar. Schimmelpilze können sich gut an wechselnde Umweltbedin- gungen anpassen. Sie produzie- ren nämlich bestimmte Prote- ine, sogenannte Hydrophobine, die die Benetzbarkeit von Ober- flächen umkehren: Sie können also aus einer wasserabweisen- den Oberfläche eine benetzbare machen und umgekehrt. Neue Erkenntnisse dazu veröffent- lichten jetzt Forscher von drei verschiedenen Instituten der TU Wien im Fachjournal „Soft Matter“. Pilzproteine bestehen selbst aus einem wasserliebenden und einem wasserabweisenden Teil. Lagern sie sich an einer Oberfläche an, gesellt sich gern Gleich und Gleich: Die wasser- liebende Seite der Proteine wendet sich der wasserlieben- den Pilzwand zu. Die wasserab- weisende Seite schaut dadurch nach außen und schützt den Pilz so vor Feuchtigkeit. Hydro- phobine sind an sich gut er- forscht, 2006 gelang es den Wie- ner Forschern bereits, ein von Schimmelpilzen produziertes Protein erstmals zu beschrei- ben. Mögliche Anwendungen reichen von Oberflächen, die nicht nass werden, bis zu Bio- putzmitteln. Haut wie bei heißer Milch Nun haben die Forscher eine weitere Gruppe von Proteinen untersucht, die sich an der Oberfläche von Flüssigkeiten oder an der Grenze zwischen Feststoff und Flüssigkeit ganz von selbst zu einer Schicht zu- sammensetzen. Durch Wech- selwirkungen zwischen den Proteinen sollen sich nun Schichten mit besserer Stabilität und besonderen Benetzungsei- genschaften herstellen lassen. Das Protein EPL1 über- raschte die Forscher: Es bildet in wässriger Lösung – ähnlich wie heiße Milch – eine Haut. Beim Reinigen der Behälter ent- stand starker Schaum. Die For- scher stellten u. a. fest, dass es sich in wässriger Lösung extrem fein zerstäuben lässt. (APA/red.) Der Wohnung ein eigenes Gehirn geben Informatik. Intelligente, ferngesteuerte Haushaltsgeräte halten Einzug in die Wohnungen. Das Wiener Start-up Flatout Technologies will sie verbinden und ermöglichen, dass Fenster sich automatisch schließen, wenn es regnet. VON NIKOLAUS KOMMENDA Wohnzimmerbeleuchtung, die mit dem Tablet gesteuert werden kann. Eine Waschmaschine, die eine Textnachricht verschickt, wenn die Wäsche fertig ist. Gartentüren, die sich von selbst schließen, wenn wir das Haus verlassen. Bei so vielen intelligenten Geräten, die das Wohnen bequemer machen sollen, kann man den Überblick verlieren. Dagegen weiß Daniel Marisch- ka Rat: Der Geschäftsführer des 2012 gegründeten Software- Start-ups Flatout Technologies ver- spricht ein System, an das alle Ge- genstände im Smart Home ange- bunden werden können. „Es braucht ein Betriebssystem des Zu- hauses, damit die Geräte unter- schiedlicher Hersteller miteinan- der sprechen können“, sagt er. Marischkas Team entwickelte die Flatcloud, die drei Komponenten zusammenführt. Erstens die Haus- haltsgeräte selbst, die mit Sensoren (zur Aufnahme von Daten) und Ak- toren (zur Steuerung von ferne) aus- gestattet werden. Flatout produziert diese Geräte aber nicht selbst, son- dern unterstützt die Technologien zahlreicher Partner. Zweitens braucht es im Haus ein Gateway als Schaltzentrale aller Gegenstände. Ähnlich einem drahtlosen Router versteht es die Funksprachen der Geräte und kümmert sich um deren Anbindung ans Internet. Dort findet sich die dritte Komponente: eine Webapplikation, die vom Woh- nungsbesitzer über Smartphone, Tablet oder PC von beliebigen Orten aus bedient werden kann. Befehle vom Smartphone Über das Internet können gleich- zeitig auch ganz andere Informa- tionen eingespeist werden: Die Software kann etwa mit einem Wetterservice gekoppelt werden. „Wenn es nach Regen aussieht, schließe die Fenster“, kann man dann seinem intelligenten Zuhause über das Smartphone auftragen – ohne dass die Wohnung selbst über Sensoren verfügen müsste, die Regen erkennen. Den Vorteilen der Steuerung des Zuhauses über eine mobile App – Komfort, Information über den Zustand der Wohnung und der Möglichkeit, Energie zu sparen – stehen freilich Risken gegenüber. Verschafft sich eine unbefugte Person den Zugriff auf die Weban- wendung, könnte sie von außen die Fenster oder Türen öffnen und bequem einsteigen. Außerdem könnten Kriminelle die Datenver- bindung zwischen Wohnung und Internet abhören und damit he- rausfinden, ob gerade jemand im Haus ist. Der Wohnungsbesitzer muss also die Zugangsdaten gut schützen, der Anbieter des ent- sprechenden Dienstes muss alle gespeicherten Informationen ge- gen Hacker sichern. Flatout garantiert eine ver- schlüsselte Kommunikation zwi- schen Wohnung und Cloud-Ser- vice, doch absolute Sicherheit kann das Unternehmen nicht verspre- chen: „Es ist klar, dass die Industrie sich hier ständig neuen Gefahren- potenzialen anzupassen hat.“ Sicherheitsbedenken hin oder her – an Marischkas Produkt haben bereits mehrere europäische und asiatische Firmen Interesse ange- meldet. Flatout verkauft sein Sys- tem nicht direkt an Endverbrau- cher, sondern an Partner, etwa aus dem Telekommunikations- und Energiebereich: „Dort passt unsere Lösung gut ins bestehende Portfo- lio. So können wir als kleines Un- ternehmen breite Kundenkreise er- reichen“, so Marischka. Internet der Dinge Der Trend, alle Gegenstände des täglichen Gebrauchs zu vernetzen, macht sich auch außerhalb der ei- genen vier Wände breit. Das „In- ternet der Dinge“ könnte öffentli- chen Verkehr, Gesundheitssektor, industrielle Prozessautomation oder Umweltbeobachtung revolu- tionieren. Experten schätzen, dass bis 2020 weltweit 50 Milliarden Geräte ans Internet angebunden sein werden. Das übersteigt je- doch selbst die Fantasie von IT- Unternehmer Marischka: „Kom- munikation zwischen den Geräten ermöglicht Anwendungen, die wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können.“ Mobilität. Der Transit Buddy ist ein Trolley-Prototyp, der mit Gepäck beladen den kürzesten Weg zum Taxi oder Bahnsteig sucht. Dann klappt er sich zusammen und fährt zum nächsten Auftrag. Schweres Gepäck, leichte Reise VON MARTIN WALPOT W er im öffentlichen Ver- kehr unterwegs ist, dem stellen sich viele Fragen: Welcher ist mein Zug, wann fährt er ab? Wo kann ich mein Ticket kaufen? Wie komme ich zur U-Bahn oder ins Hotel? Hinzu kommen häufig große Distanzen zwischen Verkehrsknotenpunkten, die mit schwerem, sperrigem Ge- päck und unter Zeitdruck zurück- gelegt werden müssen. „Das stellt eine Barriere für die gesamte Reise dar und schränkt den Mobilitätsra- dius ein“, sagt Stefan Seer vom De- partment Mobility am Austrian In- stitute of Technology (AIT). Um die Reise mit schwerem Gepäck zu erleichtern, hat das AIT 2012 gemeinsam mit Partnern wie der ÖBB Infrastruktur, DS Automo- tion und der TU Wien das For- schungsprojekt Transit Buddy ge- startet. Förderung kam von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG und vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Tech- nologie (BMVIT). „Dabei handelt es sich um ein autonomes Fahr- zeug, das Personen den sicheren, bequemen Transfer und die Wege- suche erleichtert sowie zahlreiche Services bietet“, erklärt Projektlei- ter Seer. Platz für bis zu drei Koffer Der Fahrgast kann via Smartphone seinen Transit Buddy anfordern. Dieser ortet seinen Nutzer mittels Positionsbestimmung und steht für die Beladung mit bis zu drei großen Koffern bereit. Nach- dem das Fahrziel wie Bahn- steig oder Straßenbahnhalte- stelle eingegeben wurde, lei- tet der Transit Buddy die Person zum gewünschten Ziel – oder folgt ihr dorthin. Neu ist, dass der Trolley nicht entlang vorgegebener Wege fährt, wie es für selbst- gesteuerte Fahrzeuge üblich ist, sondern sich den Platz mit den Passanten teilt. Quasi eine Begegnungszo- ne zwischen Mensch und Roboter. Dabei werden sogar automa- tisch Umleitungen durch ausgefal- lene Liftanlagen, Wartungsarbeiten an Bahnsteigen und hohes Perso- nenaufkommen berücksichtigt. Am Wunschort angelangt, meldet man sich ab. Das Gerät fährt zu einem weiteren Auftrag oder zur nächsten Ladestation. Hinter der autonomen Fahr- weise stecken modernste Roboter- technologie und ausgeklügelte In- formations- und Navigationssyste- me: Laser und Kameras erfassen die lokale Umgebung. Ein speziel- les Indoor-Routingverfahren na- mens Slam misst das Bewegungs- verhalten von Fußgängerströmen in Echtzeit und verhindert Kolli- sionen. Das Gefährt im Test In verschiedenen Anwendungssze- narien haben die Forscher getestet, wie mehrere Transit Buddys mit Personen und der Um- gebung interagieren. „Dadurch konnten wir auf wichtige Bedürfnis- se wie Sicherheit und Nutzerakzeptanz ein- gehen. So wurde ein Gesamtsystem in an- sprechendem Design mit hoher Benutzer- freundlichkeit geschaf- fen“, sagt einer der Designer, Hans Stefan Moritsch, Geschäfts- führer der BKM De- sign Working Group. „Ein wesentlicher Gedanke war, dass die Menschen das Ge- fährt annehmen, es intuitiv verste- hen. Wir haben uns die Frage ge- stellt, wie so ein Objekt auftreten kann. Wie kommuniziert es mit der Umgebung? Und wie reagiert der Mensch darauf?“, so Moritsch. Daraus hat sich ein System er- geben, dem die Forscher zwei Zu- stände verliehen haben: Zusam- mengeklappt befindet sich das Ge- rät im selbst balancierenden und autonomen Zustand. Es bean- sprucht wenig Raum und ist sehr mobil. Im ausgeklappten Zustand wird das System vom Benutzer kontrolliert. Zugleich signalisiert es, dass es sich gerade im Einsatz be- findet. Über Lichtleisten und akus- tische Signale teilt sich das Gerät dem Nutzer mit: Grün heißt aktiv, Rot heißt unter anderem Achtung und zeigt an, dass die Ladeklappen zu oder aufgeklappt werden. Vorsichtig und freundlich „Wichtig für die Akzeptanz ist, dem Objekt einen Charakter zu verlei- hen“, so Moritsch, der den Transit Buddy als vorsichtig, passiv und freundlich beschreibt. Nabenlose Räder und ein eigener Hebe- und Senkmechanismus lassen das Sys- tem buchstäblich aufstehen oder sich setzen – etwa im Lift oder bei einem Hindernis. Da der Transit Buddy seine Geschwindigkeit indi- viduell der Situation anpasst, wirkt er zudem verlässlich und unauf- dringlich. Wann der Transit Buddy her- kömmliche Gepäckwägen an Bahnhöfen oder Flughäfen ablösen wird, wollen die Experten noch nicht beantworten. „Durch das Projekt haben wir wertvolle Er- kenntnisse auf dem jungen Gebiet der Transfermobilität gewonnen. Wir wollen eine Vision entwickeln, wie Menschen in absehbarer Zeit mit autonomen Systemen im Alltag interagieren könnten“, sagt Seer. Er hält eine Marktreife des Transit Buddys in fünf bis zehn Jahren für realistisch. Mehrere große Player aus Wirtschaft und Transportwe- sen haben bereits ihr Interesse an der Technologie bekundet. Barrierefrei unterwegs Allen voran der Projektpartner ÖBB, der im Transit Buddy eine Antwort auf drängende Fra- gen sieht. Jährlich befördern die ÖBB 440 Millionen Men- schen mit stei- gender Tendenz. Zudem sind laut aktuellen demo- grafischen Zah- len derzeit ein Viertel der Men- schen in Österreich über 65 Jahre alt. Mobilitätseingeschränkte Personen bilden derzeit etwa 30 Prozent der europäischen Bevöl- kerung. Für diese Personengruppe gestaltet die ÖBB bereits heute im Zuge des „Etappenplan Verkehr“ gemäß Paragraf 19 des Bundes- Behindertengleichstellungsgesetzes alle Bahnhöfe, die täglich von mehr als 2000 Reisenden genutzt werden, barrierefrei. Auch Personen befördern Bei diesen Entwicklungen stellt sich freilich die Frage, ob es sich nicht anböte, auch Personen mit dem Transit Buddy zu befördern? „Befragungen und Erhebungen zei- gen, dass die Menschen das System zum Gepäcktransport, nicht aber als Vehikel nutzen wollen. Außer- dem „tun sich hier dann viele rechtliche Fragen auf“, antwortet Seer, der aber unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten weiterhin für möglich hält. LEXIKON SLAM, Simultanious Localisation and Mapping, ist eine Lokalisierungs- methode, mit der ein mobiler Roboter mithilfe von Ultraschall und Laser- strahlen eine Karte seiner Umgebung erstellt und seine eigene Position inner- halb dieser Karte bestimmt. Transfermobilität umfasst die Bewegung von Personen und Gütern im physischen, baulichen oder geografischen Raum für den Wechsel zwischen einzelnen Verkehrsmitteln. Eine besondere Bedeutung kommt der Gestaltung barrierefreier Wege für den Fußverkehr zu. 36 WISSEN & INNOVATION SAMSTAG, 21. FEBRUAR 2015

Pilzproteine verändern SchweresGepäck,leichteReise · 2015. 2. 25. · Flatout produziert diese Geräte aber nicht selbst, son-dern unterstütztdie Technologien zahlreicher Partner

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  • PilzproteineverändernEigenschaftenOberflächen weisen Wasserab oder sind benetzbar.

    Schimmelpilze können sich gutan wechselnde Umweltbedin-gungen anpassen. Sie produzie-ren nämlich bestimmte Prote-ine, sogenannte Hydrophobine,die die Benetzbarkeit von Ober-flächen umkehren: Sie könnenalso aus einer wasserabweisen-den Oberfläche eine benetzbaremachen und umgekehrt. NeueErkenntnisse dazu veröffent-lichten jetzt Forscher von dreiverschiedenen Instituten derTU Wien im Fachjournal „SoftMatter“.

    Pilzproteine bestehen selbstaus einem wasserliebendenund einem wasserabweisendenTeil. Lagern sie sich an einerOberfläche an, gesellt sich gernGleich und Gleich: Die wasser-liebende Seite der Proteinewendet sich der wasserlieben-den Pilzwand zu. Die wasserab-weisende Seite schaut dadurchnach außen und schützt denPilz so vor Feuchtigkeit. Hydro-phobine sind an sich gut er-forscht, 2006 gelang es den Wie-ner Forschern bereits, ein vonSchimmelpilzen produziertesProtein erstmals zu beschrei-ben. Mögliche Anwendungenreichen von Oberflächen, dienicht nass werden, bis zu Bio-putzmitteln.

    Haut wie bei heißer MilchNun haben die Forscher eineweitere Gruppe von Proteinenuntersucht, die sich an derOberfläche von Flüssigkeitenoder an der Grenze zwischenFeststoff und Flüssigkeit ganzvon selbst zu einer Schicht zu-sammensetzen. Durch Wech-selwirkungen zwischen denProteinen sollen sich nunSchichten mit besserer Stabilitätund besonderen Benetzungsei-genschaften herstellen lassen.

    Das Protein EPL1 über-raschte die Forscher: Es bildetin wässriger Lösung – ähnlichwie heiße Milch – eine Haut.Beim Reinigen der Behälter ent-stand starker Schaum. Die For-scher stellten u. a. fest, dass essich in wässriger Lösung extremfein zerstäuben lässt. (APA/red.)

    Der Wohnung ein eigenes Gehirn gebenInformatik. Intelligente, ferngesteuerte Haushaltsgeräte halten Einzug in die Wohnungen. Das Wiener Start-up FlatoutTechnologies will sie verbinden und ermöglichen, dass Fenster sich automatisch schließen, wenn es regnet.

    VON NIKOLAUS KOMMENDA

    Wohnzimmerbeleuchtung, die mitdem Tablet gesteuert werden kann.Eine Waschmaschine, die eineTextnachricht verschickt, wenn dieWäsche fertig ist. Gartentüren, diesich von selbst schließen, wenn wirdas Haus verlassen. Bei so vielenintelligenten Geräten, die dasWohnen bequemer machen sollen,kann man den Überblick verlieren.

    Dagegen weiß Daniel Marisch-ka Rat: Der Geschäftsführer des2012 gegründeten Software-Start-ups Flatout Technologies ver-spricht ein System, an das alle Ge-genstände im Smart Home ange-bunden werden können. „Esbraucht ein Betriebssystem des Zu-hauses, damit die Geräte unter-schiedlicher Hersteller miteinan-der sprechen können“, sagt er.

    Marischkas Team entwickeltedie Flatcloud, die drei Komponentenzusammenführt. Erstens die Haus-haltsgeräte selbst, die mit Sensoren(zur Aufnahme von Daten) und Ak-toren (zur Steuerung von ferne) aus-gestattet werden. Flatout produziert

    diese Geräte aber nicht selbst, son-dern unterstützt die Technologienzahlreicher Partner. Zweitensbraucht es im Haus ein Gateway alsSchaltzentrale aller Gegenstände.Ähnlich einem drahtlosen Routerversteht es die Funksprachen derGeräte und kümmert sich um derenAnbindung ans Internet. Dort findetsich die dritte Komponente: eineWebapplikation, die vom Woh-nungsbesitzer über Smartphone,Tablet oder PC von beliebigen Ortenaus bedient werden kann.

    Befehle vom SmartphoneÜber das Internet können gleich-zeitig auch ganz andere Informa-tionen eingespeist werden: DieSoftware kann etwa mit einemWetterservice gekoppelt werden.„Wenn es nach Regen aussieht,schließe die Fenster“, kann mandann seinem intelligenten Zuhauseüber das Smartphone auftragen –ohne dass die Wohnung selbstüber Sensoren verfügen müsste,die Regen erkennen.

    Den Vorteilen der Steuerungdes Zuhauses über eine mobile

    App – Komfort, Information überden Zustand der Wohnung und derMöglichkeit, Energie zu sparen –stehen freilich Risken gegenüber.

    Verschafft sich eine unbefugtePerson den Zugriff auf die Weban-wendung, könnte sie von außendie Fenster oder Türen öffnen undbequem einsteigen. Außerdemkönnten Kriminelle die Datenver-bindung zwischen Wohnung undInternet abhören und damit he-rausfinden, ob gerade jemand imHaus ist. Der Wohnungsbesitzermuss also die Zugangsdaten gutschützen, der Anbieter des ent-sprechenden Dienstes muss allegespeicherten Informationen ge-gen Hacker sichern.

    Flatout garantiert eine ver-schlüsselte Kommunikation zwi-schen Wohnung und Cloud-Ser-vice, doch absolute Sicherheit kanndas Unternehmen nicht verspre-chen: „Es ist klar, dass die Industriesich hier ständig neuen Gefahren-potenzialen anzupassen hat.“

    Sicherheitsbedenken hin oderher – an Marischkas Produkt habenbereits mehrere europäische und

    asiatische Firmen Interesse ange-meldet. Flatout verkauft sein Sys-tem nicht direkt an Endverbrau-cher, sondern an Partner, etwa ausdem Telekommunikations- undEnergiebereich: „Dort passt unsereLösung gut ins bestehende Portfo-lio. So können wir als kleines Un-ternehmen breite Kundenkreise er-reichen“, so Marischka.

    Internet der DingeDer Trend, alle Gegenstände destäglichen Gebrauchs zu vernetzen,macht sich auch außerhalb der ei-genen vier Wände breit. Das „In-ternet der Dinge“ könnte öffentli-chen Verkehr, Gesundheitssektor,industrielle Prozessautomationoder Umweltbeobachtung revolu-tionieren. Experten schätzen, dassbis 2020 weltweit 50 MilliardenGeräte ans Internet angebundensein werden. Das übersteigt je-doch selbst die Fantasie von IT-Unternehmer Marischka: „Kom-munikation zwischen den Gerätenermöglicht Anwendungen, die wiruns jetzt noch gar nicht vorstellenkönnen.“

    Mobilität. Der Transit Buddy ist ein Trolley-Prototyp, der mit Gepäck beladen den kürzesten Wegzum Taxi oder Bahnsteig sucht. Dann klappt er sich zusammen und fährt zum nächsten Auftrag.

    Schweres Gepäck, leichte ReiseVON MARTIN WALPOT

    W er im öffentlichen Ver-kehr unterwegs ist, demstellen sich viele Fragen:Welcher ist mein Zug, wann fährter ab? Wo kann ich mein Ticketkaufen? Wie komme ich zurU-Bahn oder ins Hotel? Hinzukommen häufig große Distanzenzwischen Verkehrsknotenpunkten,die mit schwerem, sperrigem Ge-päck und unter Zeitdruck zurück-gelegt werden müssen. „Das stellteine Barriere für die gesamte Reisedar und schränkt den Mobilitätsra-dius ein“, sagt Stefan Seer vom De-partment Mobility am Austrian In-stitute of Technology (AIT).

    Um die Reise mit schweremGepäck zu erleichtern, hat das AIT2012 gemeinsam mit Partnern wieder ÖBB Infrastruktur, DS Automo-tion und der TU Wien das For-schungsprojekt Transit Buddy ge-startet. Förderung kam von derForschungsförderungsgesellschaftFFG und vom Bundesministeriumfür Verkehr, Innovation und Tech-nologie (BMVIT). „Dabei handeltes sich um ein autonomes Fahr-zeug, das Personen den sicheren,bequemen Transfer und die Wege-suche erleichtert sowie zahlreicheServices bietet“, erklärt Projektlei-ter Seer.

    Platz für bis zu drei KofferDer Fahrgast kann via Smartphoneseinen Transit Buddy anfordern.Dieser ortet seinen Nutzer mittelsPositionsbestimmung und steht fürdie Beladung mit bis zu dreigroßen Koffern bereit. Nach-dem das Fahrziel wie Bahn-steig oder Straßenbahnhalte-stelle eingegeben wurde, lei-tet der Transit Buddy diePerson zum gewünschtenZiel – oder folgt ihr dorthin.

    Neu ist, dass der Trolleynicht entlang vorgegebenerWege fährt, wie es für selbst-gesteuerte Fahrzeuge üblichist, sondern sich den Platzmit den Passanten teilt.Quasi eine Begegnungszo-ne zwischen Mensch undRoboter.

    Dabei werden sogar automa-tisch Umleitungen durch ausgefal-

    lene Liftanlagen, Wartungsarbeitenan Bahnsteigen und hohes Perso-nenaufkommen berücksichtigt. AmWunschort angelangt, meldet mansich ab. Das Gerät fährt zu einemweiteren Auftrag oder zur nächstenLadestation.

    Hinter der autonomen Fahr-weise stecken modernste Roboter-technologie und ausgeklügelte In-formations- und Navigationssyste-me: Laser und Kameras erfassendie lokale Umgebung. Ein speziel-les Indoor-Routingverfahren na-mens Slam misst das Bewegungs-verhalten von Fußgängerströmenin Echtzeit und verhindert Kolli-sionen.

    Das Gefährt im TestIn verschiedenen Anwendungssze-narien haben die Forscher getestet,wie mehrere Transit Buddys mitPersonen und der Um-gebung interagieren.„Dadurch konnten wirauf wichtige Bedürfnis-se wie Sicherheit undNutzerakzeptanz ein-gehen. So wurde einGesamtsystem in an-sprechendem Designmit hoher Benutzer-freundlichkeit geschaf-fen“, sagt einer derDesigner, Hans StefanMoritsch, Geschäfts-führer der BKM De-sign Working Group.

    „Ein wesentlicher Gedankewar, dass die Menschen das Ge-fährt annehmen, es intuitiv verste-hen. Wir haben uns die Frage ge-stellt, wie so ein Objekt auftretenkann. Wie kommuniziert es mit derUmgebung? Und wie reagiert derMensch darauf?“, so Moritsch.

    Daraus hat sich ein System er-geben, dem die Forscher zwei Zu-stände verliehen haben: Zusam-mengeklappt befindet sich das Ge-rät im selbst balancierenden undautonomen Zustand. Es bean-sprucht wenig Raum und ist sehrmobil. Im ausgeklappten Zustandwird das System vom Benutzerkontrolliert. Zugleich signalisiert es,dass es sich gerade im Einsatz be-findet. Über Lichtleisten und akus-tische Signale teilt sich das Gerät

    dem Nutzer mit: Grün heißt aktiv,Rot heißt unter anderem Achtungund zeigt an, dass die Ladeklappenzu oder aufgeklappt werden.

    Vorsichtig und freundlich„Wichtig für die Akzeptanz ist, demObjekt einen Charakter zu verlei-hen“, so Moritsch, der den TransitBuddy als vorsichtig, passiv undfreundlich beschreibt. NabenloseRäder und ein eigener Hebe- undSenkmechanismus lassen das Sys-tem buchstäblich aufstehen odersich setzen – etwa im Lift oder beieinem Hindernis. Da der TransitBuddy seine Geschwindigkeit indi-viduell der Situation anpasst, wirkter zudem verlässlich und unauf-dringlich.

    Wann der Transit Buddy her-kömmliche Gepäckwägen anBahnhöfen oder Flughäfen ablösenwird, wollen die Experten nochnicht beantworten. „Durch dasProjekt haben wir wertvolle Er-kenntnisse auf dem jungen Gebietder Transfermobilität gewonnen.Wir wollen eine Vision entwickeln,wie Menschen in absehbarer Zeitmit autonomen Systemen im Alltaginteragieren könnten“, sagt Seer. Erhält eine Marktreife des TransitBuddys in fünf bis zehn Jahren fürrealistisch. Mehrere große Playeraus Wirtschaft und Transportwe-sen haben bereits ihr Interesse ander Technologie bekundet.

    Barrierefrei unterwegsAllen voran der Projektpartner

    ÖBB, der im TransitBuddy eine Antwortauf drängende Fra-gen sieht. Jährlichbefördern die ÖBB440 Millionen Men-schen – mit stei-gender Tendenz.Zudem sind laut

    aktuellen demo-grafischen Zah-len derzeit einViertel der Men-

    schen in Österreichüber 65 Jahre alt.Mobilitätseingeschränkte

    Personen bilden derzeit etwa30 Prozent der europäischen Bevöl-kerung. Für diese Personengruppegestaltet die ÖBB bereits heute imZuge des „Etappenplan Verkehr“gemäß Paragraf 19 des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzesalle Bahnhöfe, die täglich von mehrals 2000 Reisenden genutzt werden,barrierefrei.

    Auch Personen befördernBei diesen Entwicklungen stelltsich freilich die Frage, ob es sichnicht anböte, auch Personen mitdem Transit Buddy zu befördern?„Befragungen und Erhebungen zei-gen, dass die Menschen das Systemzum Gepäcktransport, nicht aberals Vehikel nutzen wollen. Außer-dem „tun sich hier dann vielerechtliche Fragen auf“, antwortetSeer, der aber unterschiedlicheEinsatzmöglichkeiten weiterhin fürmöglich hält.

    LEXIKON

    SLAM, Simultanious Localisation andMapping, ist eine Lokalisierungs-methode, mit der ein mobiler Robotermithilfe von Ultraschall und Laser-strahlen eine Karte seiner Umgebungerstellt und seine eigene Position inner-halb dieser Karte bestimmt.

    Transfermobilität umfasst dieBewegung von Personen und Gütern imphysischen, baulichen odergeografischen Raum für den Wechselzwischen einzelnen Verkehrsmitteln.Eine besondere Bedeutung kommt derGestaltung barrierefreier Wege für denFußverkehr zu.

    36 WISSEN & INNOVATION SAMSTAG, 21. FEBRUAR 2015