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Christian Vásquez dirigiert Pjotr Iljitsch Tschaikowsky Symphonie Nr. 4 f-Moll op. 36 4. Jugendkonzert der Saison 2014/15 am Montag 18. Mai 2015 19:00 Uhr in der Philharmonie im Gasteig Pjotr Iljitsch Tschaikowsky - geboren am 7. Mai (25. April) 1840 in Kamsko-Wotkinsk - gestorben am 6. November (25. Oktober) 1893 in St. Petersburg - einer der beliebtesten und bekanntesten russischen Komponisten - wichtige Werke: die Ballette „Der Schwanensee“ und „Der Nussknacker“, Klavierkonzert Nr. 1, Symphonien Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 6, die Oper „Eugen Onegin“ „Mit schlohweißen, stark gelichteten Haar und einem kleinen, sorgfältig gepflegten Bart, stets nicht nur tadellos gekleidet , sondern unbedingt auch im frisch gebügelten, fast neuen Anzug, gemahnte jetzt lediglich die Haarfarbe an sein vorgerücktes Alter. Ansonsten machte er den Eindruck eines rüstigen, lebhaften und energischen Mannes, und zwar noch stärker als früher. [...] Fußmärsche wurden jetzt bei ihm nicht nur zu einer regelmäßigen Übung, sondern bedeuteten ihm gar eine Art Allheilmittel: er wanderte nun tagtäglich bis zu zehn Werst [ca. 10 km], hauptsächlich von zwei bis vier Uhr nachmittags, und zwar nicht nur auf dem Lande, sondern möglichst auch in allen Großstädten, die er auf Reisen besuchte. Herrmann Laroche über Tschaikowsky in den 1880er Jahren Biographie Pjotr (Peter) Tschaikowsky wird am 7. Mai 1840 als Sohn eines angesehenen und wohlhabenden Bergwerksinspektor geboren. Bis zum Alter von zehn Jahren wohnt er mit seinen Eltern und den vier Geschwistern in einem kleinen Ort nahe des Uralgebirges. Doch eine gute Ausbildung ist den Eltern wichtig und so erhält er Klavierunterricht . 1852 zieht die Familie um nach St. Petersburg. Als die Mutter unerwartet an Cholera stirbt, bricht für den sensiblen Pjotr eine Welt zusammen. Nur die Musik kann ihn trösten. Seinen kleinen Geschwistern versucht er über den Verlust hinwegzuhelfen und kümmert sich rührend um sie. Auf Wunsch des Vaters besucht Tschaikowsky die angesehene Rechtsschule in St. Petersburg und erhält nach Abschluss eine Stelle im Justizministerium . Doch als 1862 das St. Petersburger Konservatorium gegründet wird, beschließt Tschaikowsky seine sichere Stelle und das gute Einkommen aufzugeben, und beginnt Musik zu studieren. Bereits vier Jahre später wird er selbst Lehrer – am neuen Moskauer Konservatorium. Hier entstehen auch seine ersten bedeutenden Kompositionen: das 1. Klavierkonzert und das Ballett „Der Schwanensee“. Tschaikowskys Kompositionen erregten die Aufmerksamkeit der wohlhabenden Witwe Nadeshda von Meck. Sie bietet Tschaikowsky an, ihn finanziell zu unterstützen, so dass er seine ungeliebte Tätigkeit als Lehrer aufgeben und sich ganz dem Komponieren widmen kann. Zwischen den beiden entwickelt sich eine innige Brieffreundschaft, die 14 Jahre andauert. Über 1.200 Briefe sind erhalten, die uns Einblicke in Tschaikowskys Leben und Gedanken ermöglichen. Wohl um zu vermeiden, dass seine homosexuelle Neigung bekannt wird, heiratet Tschaikowsky 1877 die Konservatoriumsschülerin Antonina Miljukowa. Doch die Ehe ist ein Alptraum für Tschaikowsky. Bereits nach elf Wochen ist er so verzweifelt, dass er zu seiner Schwester flieht. Die schwierige Situation stürzt ihn in eine tiefe seelische Krise. Zur Ablenkung finanziert ihm Nadeshda von Meck eine Europareise, auf der er sich nicht nur erholt, sondern auch komponiert, und zwar Werke, die seinen späteren Weltruhm begründen sollen: Das Violinkonzert

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky · Pjotr Iljitsch Tschaikowsky Symphonie Nr. 4 f-Moll op. 36 4. Jugendkonzert der Saison 2014/15 am Montag 18. Mai 2015 19:00 Uhr in der Philharmonie im

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Christian Vásquez dirigiert

Pjotr Iljitsch TschaikowskySymphonie Nr. 4 f-Moll op. 36

4. Jugendkonzert der Saison 2014/15

am Montag18. Mai 201519:00 Uhr

in der Philharmonie im Gasteig

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky

- geboren am 7. Mai (25. April) 1840

in Kamsko-Wotkinsk

- gestorben am 6. November (25. Oktober) 1893

in St. Petersburg

- einer der beliebtesten und bekanntesten

russischen Komponisten

- wichtige Werke: die Ballette „Der Schwanensee“ und

„Der Nussknacker“, Klavierkonzert Nr. 1, Symphonien

Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 6, die Oper „Eugen Onegin“

„Mit schlohweißen, stark gelichteten Haar und einem

kleinen, sorgfältig gepflegten Bart, stets nicht nur

tadellos gekleidet, sondern unbedingt auch im frisch

gebügelten, fast neuen Anzug, gemahnte jetzt

lediglich die Haarfarbe an sein vorgerücktes Alter.

Ansonsten machte er den Eindruck eines rüstigen,

lebhaften und energischen Mannes, und zwar noch

stärker als früher. [...]

Fußmärsche wurden jetzt bei ihm nicht nur zu einer

regelmäßigen Übung, sondern bedeuteten ihm gar

eine Art Allheilmittel: er wanderte nun tagtäglich bis

zu zehn Werst [ca. 10 km], hauptsächlich von zwei bis

vier Uhr nachmittags, und zwar nicht nur auf dem

Lande, sondern möglichst auch in allen Großstädten,

die er auf Reisen besuchte.

Herrmann Laroche über Tschaikowsky

in den 1880er Jahren

Biographie

Pjotr (Peter) Tschaikowsky wird am 7. Mai 1840 als

Sohn eines angesehenen und wohlhabenden

Bergwerksinspektor geboren. Bis zum Alter von zehn

Jahren wohnt er mit seinen Eltern und den vier

Geschwistern in einem kleinen Ort nahe des

Uralgebirges. Doch eine gute Ausbildung ist den

Eltern wichtig und so erhält er Klavierunterricht.

1852 zieht die Familie um nach St. Petersburg. Als die

Mutter unerwartet an Cholera stirbt, bricht für den

sensiblen Pjotr eine Welt zusammen. Nur die Musik

kann ihn trösten. Seinen kleinen Geschwistern

versucht er über den Verlust hinwegzuhelfen und

kümmert sich rührend um sie. Auf Wunsch des Vaters

besucht Tschaikowsky die angesehene Rechtsschule

in St. Petersburg und erhält nach Abschluss eine

Stelle im Justizministerium.

Doch als 1862 das St. Petersburger Konservatorium

gegründet wird, beschließt Tschaikowsky seine

sichere Stelle und das gute Einkommen aufzugeben,

und beginnt Musik zu studieren. Bereits vier Jahre

später wird er selbst Lehrer – am neuen Moskauer

Konservatorium. Hier entstehen auch seine ersten

bedeutenden Kompositionen: das 1. Klavierkonzert

und das Ballett „Der Schwanensee“.

Tschaikowskys Kompositionen erregten die

Aufmerksamkeit der wohlhabenden Witwe Nadeshda

von Meck. Sie bietet Tschaikowsky an, ihn finanziell

zu unterstützen, so dass er seine ungeliebte Tätigkeit

als Lehrer aufgeben und sich ganz dem Komponieren

widmen kann. Zwischen den beiden entwickelt sich

eine innige Brieffreundschaft, die 14 Jahre andauert.

Über 1.200 Briefe sind erhalten, die uns Einblicke in

Tschaikowskys Leben und Gedanken ermöglichen.

Wohl um zu vermeiden, dass seine homosexuelle

Neigung bekannt wird, heiratet Tschaikowsky 1877 die

Konservatoriumsschülerin Antonina Miljukowa. Doch

die Ehe ist ein Alptraum für Tschaikowsky. Bereits

nach elf Wochen ist er so verzweifelt, dass er zu

seiner Schwester flieht. Die schwierige Situation stürzt

ihn in eine tiefe seelische Krise. Zur Ablenkung

finanziert ihm Nadeshda von Meck eine Europareise,

auf der er sich nicht nur erholt, sondern auch

komponiert, und zwar Werke, die seinen späteren

Weltruhm begründen sollen: Das Violinkonzert

Tschaikowsky mit seiner Frau Antonina Miljukowa

entsteht in der Schweiz, in Italien vollendet er seine

Oper „Eugen Onegin“ und die 4. Symphonie. Die

Uraufführung von „Eugen Onegin“ 1879 in Moskau

wird zu einem überwältigenden Erfolg, und auch

außerhalb Russlands ist Tschaikowsky ein gefragter

Künstler. Als Dirigent unternimmt er mehrere

erfolgreiche Auslandstourneen und leitet u.a. das

Eröffnungskonzert der berühmten New Yorker

Carnegie Hall.

1893 komponiert er seine 6. Symphonie, die

„Pathétique“. Wenige Tage nach der Uraufführung

stirbt Tschaikowsky überraschend. Nach heutigen

wissenschaftlichen Erkenntnissen infizierte er sich mit

der Cholera, nachdem er ein Glas nicht abgekochten

Wassers getrunken hatte.

„Der 22jährige Tschaikowsky, den ich im Petersburger

Konservatorium kennengelernt hatte, war ein junger

Mann mit weltmännischen Habitus und glattrasiertem

Gesicht (ganz im Gegensatz zur schon damals

herrschenden Mode), etwas nachlässig in einen zwar

nicht ganz neuen, aber teuren Maßanzug gekleidet

und mit bezaubernd schlichten, wenn auch etwas

unterkühlten Umgangsformen.

Er war mit unzähligen Leuten bekannt und musste

– wenn wir zusammen den Newski-Prospekt

entlanggingen – pausenlos seinen Hut ziehen. [...]

Ich will hier noch ergänzen, dass Tschaikowsky,

[...] Fußwege gänzlich vermied und sogar für

kürzeste Strecken eine Droschke nahm.“

Herrmann Laroche über den jungen Tschaikowsky

in den 1860er Jahren

Nadeshda von Meck

Die unsichtbare Freundin

Als musikliebende und reiche Witwe war es Nadeshda

von Meck ein großes Anliegen, die Musik zu fördern.

Neben Tschaikowsky unterstützte sie auch den

Pianisten Nikolai Rubinstein und den Komponisten

Claude Debussy.

Ihre Beziehung zu Tschaikowsky ist in der

Musikgeschichte einzigartig. Zu Beginn beauftragte

sie Tschaikowsky mit der Komposition eines Werks für

Violine und Klavier – gegen ein außerordentlich hohes

Honorar. Ab Dezember 1877 unterstützte sie ihn mit

einer regelmäßigen Jahresrente von 6000 Rubeln.

Die beiden verkehrten ausschließlich über Briefe.

Sorgfältig achteten sie darauf, sich nie persönlich zu

treffen. Bei vereinzelten zufälligen Begegnungen im

Laufe dieser Zeit sah man sich nur von Ferne, man

wechselte kein Wort miteinander. Dabei wurde

Tschaikowsky mehrmals zu Besuchen auf die

Landgüter Nadeshda von Mecks in Zeiten ihrer

Abwesenheit eingeladen. Zudem hielten sie sich

gelegentlich zur gleichen Zeit an gleichen Orten im

Ausland auf. Diese Aufenthalte wurden aber so

geregelt, dass es nie zu einem direkten Treffen kam.

Nadeshda von Meck

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky

Symphonie Nr. 4 f-Moll op. 36

„Als diese Symphonie geschrieben wurde, war ich

sehr schwermütig, und sie ist ein Widerhall dessen,

was ich damals empfunden habe“, schreibt

Tschaikowsky nach Beendigung seiner Symphonie an

Nadeshda von Meck.

Etwas mehr als ein Jahr, von Dezember 1876 bis

Januar 1878, hatte er an der Symphonie gearbeitet –

ein aufregendes und nervenaufreibendes Jahr. Kurz

nachdem er mit der Symphonie begonnen hatte, trat

Nadeshda von Meck in sein Leben, eine

„Seelenverwandte“, mit der er seine Gedanken

vertrauensvoll teilen konnte und die ihm finanzielle

Sicherheit gewährte.

Aber es ist auch das Jahr des Ehefiaskos, das

Depression bis hin zu Selbstmordgedanken und einen

Nervenzusammenbruch mit sich bringt. Nadeshda von

Meck war ihm in diesem Krisenjahr eine große

Unterstützung. Und so trägt die 4. Symphonie die

Widmung „An meinen besten Freund“ – gemeint war

natürlich Nadeshda von Meck.

Die Symphonie wird von einer bedrohlich wirkenden

Fanfare eröffnet, die Tschaikowsky als das „Fatum“

beschreibt, als „die verhängnisvolle Macht, die unser

Streben nach Glück verhindert [...] und unsere Seele

unentwegt vergiftet“.

Dieses Schicksals-Motiv taucht im 1. Satz mehrmals

auf, und zwar immer unbeeindruckt vom sonstigen

musikalischen Geschehen – wie das Schicksal, das

von außen auf uns einwirkt. Auch im letzten Satz, im

Finale, wird es noch einmal erklingen: Inmitten eines

fröhlich lärmenden Satzes, der laut Tschaikowsky „die

Heiterkeit eines Volksfestes“ zum Ausdruck bringen

soll, bricht es unerbittlich herein.

Der 1. Satz wird außer vom Schicksals-Motiv noch

von zwei weiteren Hauptgedanken geprägt. Ein

Walzerthema, schmerzvoll und sehnsüchtig, drückt

das unerfüllte Verlangen nach Glück aus. Im

Gegensatz dazu erscheint eine versöhnliche

Klarinettenmelodie, die Trauer und Düsternis

verscheucht.

Eine melancholische Oboenmelodie beschreibt im

2. Satz laut Tschaikowsky „jene Schwermut, die einen

umfängt, wenn man abends, von der Arbeit erschöpft,

allein zuhause sitzt“. Der bewegtere Mittelteil drückt

„Erinnerungen an die Jugend“ aus, an „glückliche

Stunden, in denen das junge Blut schäumte“.

Im 3. Satz wollte Tschaikowsky keine bestimmten

Gefühle musikalisch darstellen, sondern

phantastische aber zusammenhanglose Bilder

schildern, die vor dem inneren Auge entstehen: Es

erscheinen betrunkene Bauern und vorbeiziehende

Soldaten. In diesem Satz ließ Tschaikowsky seiner

musikalischen Spielfreude und Virtuosität freien Lauf.

Effektvoll stellt er die Streicher, die nur Pizzicato

spielen, einem heiteren Bläsersatz gegenüber. Am

Ende werden beide Elemente – Pizzicato und

Bläsersatz – zusammengeführt.

Zum letzten Satz schriebt Tschaikowsky: „Wenn du in

dir selbst keine Freude finden kannst, so blicke um

dich. Geh' ins Volk! Schau', wie es sich dem

Vergnügen der ungehemmten Freude hingibt.“

Energiegeladen und beschwingt beschreibt die Musik

das fröhliche Volk, das sich auch vom

hereinbrechendem Schicksals-Motiv, in seiner

rauschartigen Freude nicht einschüchtern lässt.

Hören und verstehen

Aufgabe1

Höre dir den 1. Satz an und achte auf das Schicksals-

Motiv. Wann, wie oft und von welchen Instrumenten

gespielt taucht es auf?

Aufgabe 2

Im 4. Satz verwendet Tschaikowsky das russische

Volkslied „Stand auf dem Felde eine Birke“ (s.

Notenbeispiel):

Höre dir den Satz an und beobachte, wie

Tschaikowsky das Volkslied einbindet und wie es sich

im Laufe des Satzes verändert.

Aufgabe 3

Der letzte Satz schildert Tschaikowskys Versuch, an

der Freude anderer teilzuhaben. Überlege dir, ob

dieser Versuch gelingen kann oder zum Scheitern

verurteilt ist. Vielleicht findest du am Ende des Satzes

in der Musik einen Hinweis?

Literatur:

- Peter Iljitsch Tschaikowsky, Symphonie Nr. 4 F-moll

Op. 36 – Taschenpartitur, Edition Eulenburg.

- Hermann Laroche, Peter Tschaikowsky – Aufsätze

und Erinnerungen, Berlin 1993.

- Kurt von Wolfurt, Tschaikowsky, Zürich 1978.

Die Münchner Philharmoniker | Spielfeld Klassik

Autorin: Christine Möller

Abbildungen:

1http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Portr

%C3%A4t_des_Komponisten_Pjotr_I._Tschaikowski_

%281840-1893%29.jpg

2http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tchaikovsky_

with_wife_Antonina_Miliukova.jpg

3http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nadezhda_vo

n_Meck.jpeg

4http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Portr

%C3%A4t_des_Komponisten_Pjotr_Tschaikowski_

%281840-1893%29.jpg