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Plenarprotokoll 824 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon: (02 21) 97 66 83 40, Telefax: (02 21) 97 66 83 44 ISSN 0722-7999 BUNDESRAT Stenografischer Bericht 824. Sitzung Berlin, Freitag, den 7. Juli 2006 Inhalt: Amtliche Mitteilungen Zur Tagesordnung 1. Gesetz über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2006 (Haushaltsgesetz 2006) (Drucksache 435/06) Michael Breuer (Nordrhein-West- falen) Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG 2. Gesetz zur Fortentwicklung der Grund- sicherung für Arbeitsuchende (Druck- sache 404/06) Günther H. Oettinger (Baden- Württemberg) Volker Hoff (Hessen) Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Soziales Geert Mackenroth (Sachsen) Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 1 GG – Annahme einer Entschlie- ßung 3. a) Gesetz über die Bereinigung von Bun- desrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums für Gesundheit (Drucksache 405/06) b) Erstes Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeits- bereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Drucksache 406/06) Beschluss zu a): Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG Beschluss zu b): Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 1 GG 4. Investitionszulagengesetz 2007 (InvZulG 2007) (Drucksache 407/06) Rainer Wiegard (Schleswig-Hol- stein) Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 105 Abs. 3 und Art. 108 Abs. 5 GG 5. Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS-Gesetz – BDBOSG) (Drucksache 408/06) Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 1 GG 6. Gesetz zur Änderung personenbeför- derungsrechtlicher Vorschriften und arbeitszeitrechtlicher Vorschriften für Fahrpersonal (Drucksache 409/06 [neu]) Dr. Michael Freytag (Hamburg) Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 1 GG 7. Gesetz zur Einführung einer Grundqua- lifikation und Weiterbildung der Fahrer im Güterkraft- oder Personenverkehr (Drucksache 410/06) Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 1 GG . . . . . . . . . 203 A . . . . . . . . . . . 203 B . . . . . . . . . . . . . . 223 A . . . . . . . . . . . . 247*C . . . . . . . . . . . . 223 A . . . . . . . . . . . 223 B . . . . . . . . . 223 B . . . . . . . 224 C . . . . . 226 A . . . 247*C . . . . . . . . . . . . . . 228 C, D . . . . . . . 228 D . . . . . . . . . 247*D . . . . . . . . . 248*A . . . . . . 228 D . . . . . . . . . . . . 250*A . . . . 248*A . . . . 228 D . . . . . . . . . . . . 248*A 229 A 229 A, 250*C . . . . . . . . . . . . 229 B . . . . . . . . . 228 D . . . . . . . . . . . . 248*A

plone.rewi.hu-berlin.de · II Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 8. Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (Drucksache 411/ 06) Prof. Dr. Wolfgang Reinhart

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Plenarprotokoll 824

BUNDESRATStenografischer Bericht

824. Sitzung

Berlin, Freitag, den 7. Juli 2006

I n h a l t :

Amtliche Mitteilungen

Zur Tagesordnung

1. Gesetz über die Feststellung des Bundes-haushaltsplans für das Haushaltsjahr2006 (Haushaltsgesetz 2006) (Drucksache435/06)

Michael Breuer (Nordrhein-West-falen)

Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77Abs. 2 GG

2. Gesetz zur Fortentwicklung der Grund-sicherung für Arbeitsuchende (Druck-sache 404/06)

Günther H. Oettinger (Baden-Württemberg)

Volker Hoff (Hessen)

Franz Müntefering, Bundesministerfür Arbeit und Soziales

Geert Mackenroth (Sachsen)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84Abs. 1 GG – Annahme einer Entschlie-ßung

3. a) Gesetz über die Bereinigung von Bun-desrecht im Zuständigkeitsbereich desBundesministeriums für Arbeit undSoziales und des Bundesministeriumsfür Gesundheit (Drucksache 405/06)

b) Erstes Gesetz über die Bereinigungvon Bundesrecht im Zuständigkeits-bereich des Bundesministeriums fürVerkehr, Bau und Stadtentwicklung(Drucksache 406/06)

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Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 BerlinVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 KölnTelefon: (02 21) 97 66 83 40, Telefax: (02 21) 97 66 83 44ISSN 0722-7999

Beschluss zu a): Kein Antrag gemäßArt. 77 Abs. 2 GG

Beschluss zu b): Zustimmung gemäßArt. 84 Abs. 1 GG

4. Investitionszulagengesetz 2007 (InvZulG2007) (Drucksache 407/06)

Rainer Wiegard (Schleswig-Hol-stein)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 105Abs. 3 und Art. 108 Abs. 5 GG

5. Gesetz über die Errichtung einerBundesanstalt für den Digitalfunk derBehörden und Organisationen mitSicherheitsaufgaben (BDBOS-Gesetz –BDBOSG) (Drucksache 408/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84Abs. 1 GG

6. Gesetz zur Änderung personenbeför-derungsrechtlicher Vorschriften undarbeitszeitrechtlicher Vorschriften fürFahrpersonal (Drucksache 409/06 [neu])

Dr. Michael Freytag (Hamburg)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84Abs. 1 GG

7. Gesetz zur Einführung einer Grundqua-lifikation und Weiterbildung der Fahrerim Güterkraft- oder Personenverkehr(Drucksache 410/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84Abs. 1 GG

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II Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

8. Gesetz zur Einsetzung eines NationalenNormenkontrollrates (Drucksache 411/06)

Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württemberg)

Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77Abs. 2 GG – Annahme einer Entschlie-ßung

9. Erstes Gesetz zum Abbau bürokratischerHemmnisse insbesondere in der mittel-ständischen Wirtschaft (Drucksache 436/06)

Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württemberg)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84Abs. 1 GG

10. Gesetz zu dem Europäischen Überein-kommen vom 6. November 2003 überden Schutz von Tieren beim internatio-nalen Transport (revidiert) (Drucksache403/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84Abs. 1 GG

11. Entwurf einer … Verordnung zur Ände-rung straßenverkehrsrechtlicher Vor-schriften – gemäß Artikel 80 Abs. 3 GG– Antrag der Freien und HansestadtHamburg – (Drucksache 396/06)

Beschluss: Die Vorlage wird der Bundes-regierung nicht zugeleitet

12. Entschließung des Bundesrates zur Än-derung der Neuregelung des Fälligkeits-termins für Sozialabgaben – Antrag derLänder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg gemäß § 36 Abs. 2 GO BR –(Drucksache 430/06)

Michael Breuer (Nordrhein-West-falen)

Mitteilung: Überweisung an die zustän-digen Ausschüsse

13. Entwurf eines Gesetzes zur Einführungdes Elterngeldes (Drucksache 426/06)

in Verbindung mit

27. Siebter Familienbericht – Familie zwi-schen Flexibilität und Verlässlichkeit –Perspektiven für eine lebenslaufbezo-gene FamilienpolitikundStellungnahme der Bundesregierung(Drucksache 292/06)

Michael Breuer (Nordrhein-West-falen)

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Beschluss zu 13: Stellungnahme gemäßArt. 76 Abs. 2 GG

Beschluss zu 27: Kenntnisnahme

14. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Än-derung des Gesetzes zur Verbesserungder personellen Struktur beim Bundes-eisenbahnvermögen und in den Unter-nehmen der Deutschen Bundespost – ge-mäß Artikel 76 Abs. 2 Satz 4 GG –(Drucksache 399/06)

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG

15. Entwurf eines Gesetzes zur Änderungdes Vertragsarztrechts und andererGesetze (Vertragsarztrechtsänderungs-gesetz – VÄndG) (Drucksache 353/06)

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG

16. Entwurf eines Gesetzes zur Änderungdes Bundesdisziplinargesetzes, des Bun-desbeamtengesetzes und weiterer Ge-setze (Drucksache 354/06)

Beschluss: Keine Einwendungen gemäßArt. 76 Abs. 2 GG

17. Entwurf eines Gesetzes zur Auflösungder Unabhängigen Kommission zurErmittlung des Vermögens der Parteienund Massenorganisationen der Deut-schen Demokratischen Republik (Druck-sache 355/06)

Beschluss: Keine Einwendungen gemäßArt. 76 Abs. 2 GG

18. Entwurf eines Gesetzes zur Änderungdes Überstellungsausführungsgesetzesund des Gesetzes über die internationaleRechtshilfe in Strafsachen (Drucksache356/06)

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG

19. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände-rung des Erneuerbare-Energien-Geset-zes (Drucksache 427/06)

Christa Thoben (Nordrhein-West-falen)

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG

20. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände-rung des Allgemeinen Eisenbahngeset-zes – gemäß Artikel 76 Abs. 2 Satz 4 GG –(Drucksache 357/06)

Beschluss: Keine Einwendungen gemäßArt. 76 Abs. 2 GG

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 III

21. Entwurf eines Gesetzes über die Weiter-verwendung von Informationen öffentli-cher Stellen (Informationsweiterverwen-dungsgesetz – IWG) (Drucksache 358/06)

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG

22. Entwurf eines Gesetzes zur Änderungtelekommunikationsrechtlicher Vorschrif-ten (Drucksache 359/06)

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG

23. Entwurf eines Gesetzes zu dem Überein-kommen Nr. 170 der Internationalen Ar-beitsorganisation vom 25. Juni 1990 überSicherheit bei der Verwendung chemi-scher Stoffe bei der Arbeit (Drucksache361/06)

Beschluss: Keine Einwendungen gemäßArt. 76 Abs. 2 GG

24. Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertragvom 25. April 2005 über den Beitritt derRepublik Bulgarien und Rumäniens zurEuropäischen Union (Drucksache 360/06)

Karin Schubert (Berlin)

Michael Breuer (Nordrhein-West-falen)

Günter Gloser, Staatsminister imAuswärtigen Amt

Dr. Beate Merk (Bayern)

Hermann Winkler (Sachsen)

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76Abs. 2 GG

25. Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom-men vom 12. August 2004 zwischen derBundesrepublik Deutschland und derRepublik Ghana zur Vermeidung derDoppelbesteuerung und zur Verhinde-rung der Steuerverkürzung auf dem Ge-biet der Steuern vom Einkommen, vomVermögen und vom Veräußerungsge-winn (Drucksache 362/06)

Beschluss: Keine Einwendungen gemäßArt. 76 Abs. 2 GG

26. Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom-men vom 26. Oktober 2004 zwischen derEuropäischen Union, der EuropäischenGemeinschaft und der SchweizerischenEidgenossenschaft über die Assoziierungdieses Staates bei der Umsetzung,Anwendung und Entwicklung desSchengen-Besitzstands (Drucksache 363/06)

Beschluss: Keine Einwendungen gemäßArt. 76 Abs. 2 GG

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28. a) Tätigkeitsbericht 2004/2005 der Bun-desnetzagentur für Elektrizität, Gas,Telekommunikation, Post und Eisen-bahnen – Bericht nach § 121 Abs. 1 Te-lekommunikationsgesetz und § 47Abs. 1 PostgesetzundSondergutachten der Monopolkom-mission gemäß § 121 Abs. 2 Telekom-munikationsgesetz und gemäß § 44Postgesetz i.V.m. § 81 Abs. 3 Telekom-munikationsgesetz (a.F.) – gemäߧ 121 Abs. 1, 2 TKG und §§ 44, 47Abs. 1 PostG – (Drucksache 863/05)

b) Stellungnahme der Bundesregierungzum Tätigkeitsbericht 2004/2005 derBundesnetzagentur für Elektrizität,Gas, Telekommunikation, Post undEisenbahnenund zu denSondergutachten der Monopolkom-mission „Wettbewerbsentwicklung beider Telekommunikation 2005: Dyna-mik unter neuen Rahmenbedingun-gen“ sowie „Wettbewerbsentwick-lung bei der Post 2005: Beharren aufalten Privilegien“ – gemäß § 121Abs. 3 TKG und § 81 TKG a.F. und§§ 44, 47 Abs. 1 PostG – (Drucksache331/06)

Beschluss zu a): Kenntnisnahme

Beschluss zu b): Stellungnahme

29. Vorschlag für eine Verordnung des Euro-päischen Parlaments und des Rates überdie Haftung von Beförderern von Rei-senden auf See und im Binnenschiffsver-kehr bei Unfällen – gemäß §§ 3 und 5EUZBLG – (Drucksache 174/06)

Beschluss: Stellungnahme

30. Grünbuch der Kommission der Europäi-schen Gemeinschaften über die Kompe-tenzkonflikte und den Grundsatz ne bisin idem in Strafverfahren – gemäß §§ 3und 5 EUZBLG – (Drucksache 53/06)

Beschluss: Stellungnahme

31. Grünbuch der Kommission der Europäi-schen Gemeinschaften: EuropäischeTransparenzinitiative – gemäß §§ 3 und 5EUZBLG – (Drucksache 349/06)

Beschluss: Stellungnahme

32. Geänderter Vorschlag für eine Verord-nung des Rates zur Änderung der Ver-ordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002über die Haushaltsordnung für den Ge-samthaushaltsplan der EuropäischenGemeinschaften – gemäß §§ 3 und 5EUZBLG – (Drucksache 390/06)

Beschluss: Stellungnahme

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IV Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

33. Grünbuch der Kommission der Europäi-schen Gemeinschaften über dieUnschuldsvermutung – gemäß §§ 3 und 5EUZBLG – (Drucksache 348/06)

Beschluss: Stellungnahme

34. Beschluss des Rates zu „Prävention, Ab-wehrbereitschaft und Folgenbewältigungim Zusammenhang mit Terrorakten undanderen Sicherheitsrisiken für den Zeit-raum 2007–2013“Rahmenprogramm „Sicherheit undSchutz der Freiheitsrechte“ (Drucksache413/06)

Beschluss: Erklärung des Einvernehmensgemäß § 5 Abs. 3 EUZBLG

35. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi-schen Parlaments und des Rates zur Än-derung der Richtlinien 89/665/EWG und92/13/EWG des Rates zwecks Verbesse-rung der Wirksamkeit der Nachprüfungs-verfahren im Bereich des öffentlichenAuftragswesens – gemäß §§ 3 und 5EUZBLG – (Drucksache 327/06)

Beschluss: Stellungnahme

36. Mitteilung der Kommission der Europäi-schen Gemeinschaften an den Europäi-schen Rat – Eine bürgernahe Agenda:Konkrete Ergebnisse für Europa – ge-mäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache394/06)

Volker Hoff (Hessen)

Beschluss: Stellungnahme

37. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi-schen Parlaments und des Rates zur Än-derung der Richtlinie 91/477/EWG desRates über die Kontrolle des Erwerbsund des Besitzes von Waffen – gemäߧ§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 391/06)

Beschluss: Stellungnahme

38. Mitteilung der Kommission der Europäi-schen Gemeinschaften: Umsetzung desGemeinschaftsprogramms von Lissabon –Die Sozialdienstleistungen von allge-meinem Interesse in der EuropäischenUnion – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG –(Drucksache 324/06)

Beschluss: Stellungnahme

39. Verordnung zur Änderung von Ver-ordnungen zur Anpassung an das Tieri-sche-Nebenprodukte-Beseitigungsrecht(Drucksache 364/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange-nommenen Änderungen – Annahme ei-ner Entschließung

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40. Verordnung zur Durchführung desTierische Nebenprodukte-Beseitigungs-gesetzes (Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsverordnung – TierNebV)(Drucksache 365/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange-nommenen Änderungen

41. Verordnung zur Änderung marktord-nungsrechtlicher Verordnungen (Druck-sache 369/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG

42. Erste Verordnung zur Änderung derGeflügel-Aufstallungsverordnung (Druck-sache 370/06)

Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württemberg)

Prof. Dr. Ingolf Deubel (Rheinland-Pfalz)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos-senen Änderungen – Annahme einerEntschließung

43. Verordnung zur Änderung von Verord-nungen zum Schutz vor Geflügelpest(Drucksache 371/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange-nommenen Änderung

44. Elfte Verordnung zur Neufestsetzung derBeträge nach § 7 Abs. 1 des Gesetzes zurHilfe für Frauen bei Schwangerschafts-abbrüchen in besonderen Fällen (Druck-sache 368/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG

45. Verordnung zur Approbation von Tier-ärztinnen und Tierärzten (TAppV)(Drucksache 351/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der festge-legten Änderungen – Annahme einerEntschließung

46. Verordnung über die Kennzeichnung vonArzneimitteln in Blindenschrift beiKleinstmengen (Blindenschrift-Kennzeich-nungs-Verordnung) (Drucksache 352/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG

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Page 5: plone.rewi.hu-berlin.de · II Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 8. Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (Drucksache 411/ 06) Prof. Dr. Wolfgang Reinhart

Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 V

47. Verordnung zur Ablösung der Betriebs-verordnung für pharmazeutische Unter-nehmer (Drucksache 398/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der festge-legten Änderungen – Annahme einerEntschließung

48. Verordnung zur Änderung der Eurojust-Anlaufstellen-Verordnung (Drucksache429/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG

49. Verordnung zur Vereinfachung derabfallrechtlichen Überwachung (Druck-sache 336/05, zu Drucksache 336/05)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange-nommenen Änderungen – Annahme ei-ner Entschließung

50. Verordnung zur Umsetzung der Ratsent-scheidung vom 19. Dezember 2002 zurFestlegung von Kriterien und Verfahrenfür die Annahme von Abfällen aufAbfalldeponien (Drucksache 245/06)

Tanja Gönner (Baden-Württem-berg)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange-nommenen Änderungen

51. Verordnung über den Erlass und dieÄnderung verkehrsrechtlicher Vorschrif-ten zur Durchführung des Berufskraft-fahrer-Qualifikations-Gesetzes (Druck-sache 366/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos-senen Änderungen

52. Vorschlag für die Berufung eines Mit-glieds des Verwaltungsrates der Bun-desagentur für Arbeit – gemäß § 379Abs. 2 Nr. 2 SGB III – (Drucksache 419/06)

Beschluss: Staatssekretär DieterHillebrand (Baden-Württemberg) wirdvorgeschlagen

53. Benennung von Vertretern in Beratungs-gremien der Europäischen Union (Um-weltschutz auf Kommissions- wie aufRatsebene – Themenbereich Hochwas-serrisikomanagement) – gemäß § 6Abs. 1 EUZBLG i.V.m. Abschnitt IV derBund-Länder-Vereinbarung – (Druck-sache 423/06)

Beschluss: Zustimmung zu der Empfeh-lung in Drucksache 423/1/06

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. . . . . . . . . . 249*C

. . . . . . . . . . . 228 D

. . . . 249*C

54. Personelle Veränderung im Beirat fürAusbildungsförderung beim Bundes-ministerium für Bildung und Forschung– gemäß § 44 BAföG i.V.m. § 2 Nr. 2 Bei-ratsV – (Drucksache 309/06)

Beschluss: Zustimmung zu den Empfeh-lungen des Ausschusses für Kulturfra-gen in Drucksache 309/1/06

55. Benennung eines Mitglieds des Kuratori-ums der Stiftung „Haus der Geschichteder Bundesrepublik Deutschland“ – ge-mäß § 7 Abs. 3 des Gesetzes zur Errich-tung einer Stiftung „Haus der Geschichteder Bundesrepublik Deutschland“ –(Drucksache 401/06)

Beschluss: Zustimmung zu dem Vor-schlag in Drucksache 401/06

56. Benennung eines Mitglieds für denEisenbahninfrastrukturbeirat – gemäߧ 4 Abs. 4 BEVVG – (Drucksache 400/06)

Beschluss: Staatsminister HendrikHering (Rheinland-Pfalz) wird benannt

57. Benennung eines Mitglieds und einesstellvertretenden Mitglieds des Beiratesder Bundesnetzagentur für Elektrizität,Gas, Telekommunikation, Post undEisenbahnen – gemäß § 5 Abs. 1BEGTPG – Antrag des Landes Rhein-land-Pfalz gemäß § 36 Abs. 2 GO BR –(Drucksache 431/06)

Beschluss: Zustimmung zu dem Vor-schlag in Drucksache 431/06

58. Verfahren vor dem Bundesverfassungs-gericht (Drucksache 421/06)

Beschluss: Von einer Äußerung undeinem Beitritt wird abgesehen

59. a) Gesetz zur Änderung des Grundgeset-zes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74,74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98,104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b,125c, 143c) (Drucksache 462/06, zuDrucksache 462/06, zu Drucksache462/06 [2])

b) Föderalismusreform-Begleitgesetz(Drucksache 463/06)

Dr. Edmund Stoiber (Bayern)

Kurt Beck (Rheinland-Pfalz)

Dr. Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen)

Klaus Wowereit (Berlin)

Roland Koch (Hessen)

Peter Harry Carstensen (Schleswig-Holstein)

. . . . . 228 D

. . . . . 249*C

. . . . . . . . . 228 D

. . . . . 249*C

228 D

249*C

. . . . . . . . . 228 D

. . . . 249*C

. . . . . 228 D

. . . . 250*A

. . . . . . . 203 B

. . . 203 D

. . . . 207 B

. . . . . . . . . . 209 C

. . . . . 211 B

. . . . . . 213 D

. . . . . . . . . . . 215 C

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VI Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Hol-stein)

Karl Rauber (Saarland)

Erwin Sellering (Mecklenburg-Vor-pommern)

Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württemberg)

Dieter Althaus (Thüringen)

Beschluss zu a): Zustimmung gemäßArt. 79 Abs. 2 GG – Annahme einerEntschließung

Beschluss zu b): Zustimmung gemäßArt. 84 Abs. 1, Art. 91a Abs. 2, Art. 105Abs. 3, Art. 107 Abs. 1 Satz 4, Art. 108Abs. 4 Satz 1 und Art. 108 Abs. 5Satz 2 GG

Beschluss: Die Länderanträge in denDrucksachen 178/06 bis 180/06 werdenfür erledigt erklärt

60. Steueränderungsgesetz 2007 (Druck-sache 464/06)

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 105Abs. 3 und Art. 108 Abs. 5 GG

61. Gesetz zur Neuregelung der Besteue-rung von Energieerzeugnissen und zurÄnderung des Stromsteuergesetzes(Drucksache 465/06)

Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77Abs. 2 GG

62. Gesetz zur Umsetzung europäischerRichtlinien zur Verwirklichung desGrundsatzes der Gleichbehandlung(Drucksache 466/06)

Michael Breuer (Nordrhein-West-falen)

Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77Abs. 2 GG

63. Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbe-schlusses über den Europäischen Haft-befehl und die Übergabeverfahrenzwischen den Mitgliedstaaten der Euro-päischen Union (Europäisches Haft-befehlsgesetz – EuHbG) (Drucksache467/06)

Dr. Beate Merk (Bayern)

Alfred Hartenbach, Parl. Staats-sekretär bei der Bundesministerinder Justiz

Karin Schubert (Berlin)

Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77Abs. 2 GG

. . . . . . . . . . . . 216 D

. . . . . . 218 C

. . . . . . . . . . 219 D

. . . . . . . . .221 C, 245*A

. . . . 246*B

. . . . . . . . . . 222 D

. . . . . . . . . . . . 223 A

. . . . . . . . 223 A

. . . . . . . . . . . 229 D

. . . . 229 D

. . . . . . . . . 229 D

. . . . . . . . . . . . 229 D

. . . . . . . . . 229 D

. . . . . . . . . . . . 252*B

. . . . . . . . . . . . 230 A

. . . . . . . . . . . . . . 230 A

. . . . . 252*C

. . . . . . . . . . 253*C

. . . . . . 254*C

. . . . . . . . . . . . 230 A

64. Entwurf eines Gesetzes zur Weiterent-wicklung des Gesetzes über Unterneh-mensbeteiligungsgesellschaften (UBGG)– gemäß Artikel 76 Abs. 1 GG – Antragder Länder Nordrhein-Westfalen, Ba-den-Württemberg, Hamburg, Nieder-sachsen und Brandenburg, Sachsen ge-mäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache461/06)

Christa Thoben (Nordrhein-West-falen)

Mitteilung: Überweisung an die zustän-digen Ausschüsse

65. Entschließung des Bundesrates zur Inte-gration und Einbürgerung – Antrag derLänder Hessen, Bayern, Schleswig-Hol-stein und Saarland gemäß § 36 Abs. 2 GOBR – (Drucksache 460/06)

Volker Bouffier (Hessen)

Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Hol-stein)

Beschluss: Annahme der Entschließungmit der festgelegten Änderung

66. Benennung von Vertretern in Beratungs-gremien der Europäischen Union(Bereich Gesundheit) – gemäß § 4 Abs. 1und § 6 Abs. 1 EUZBLG i.V.m. AbschnittII und IV der Bund-Länder-Vereinbarung– Geschäftsordnungsantrag des LandesNordrhein-Westfalen – (Drucksache 422/06 [neu])

Beschluss: Zustimmung zu den Empfeh-lungen des Gesundheitsausschusses inDrucksache 422/1/06

67. Benennung eines Mitglieds und einesstellvertretenden Mitglieds für den Beiratder Bundesnetzagentur für Elektrizität,Gas, Telekommunikation, Post undEisenbahnen – gemäß § 5 Abs. 1BEGTPG – Antrag des Landes Baden-Württemberg gemäß § 36 Abs. 2 GO BR –(Drucksache 478/06)

Beschluss: Zustimmung zu dem Vor-schlag in Drucksache 478/06

Nächste Sitzung

Beschlüsse im vereinfachten Verfahren ge-mäß § 35 GO BR

Feststellung gemäß § 34 GO BR

. . . . . . . . . . . . . . 230 A

. . . . . . . . . . . .230 B, 255*B

. . . . . . . . . 230 C

. . . . . . 230 D

. . . . . 231 A

. . . . . . . . . . . . 232 B

. . . . 234 B

. . . . . . . . . . . . . 243 A

. . . . . . . 243 C

. . . . . . . . . 243 C

. . . . 243 C

. . . . . . . . . . . . 243 D

. . . . . . . . . . . 244 A/C

. . . . 244 A/C

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 VII

Verzeichnis der Anwesenden

V o r s i t z :

Präsident P e t e r H a r r y C a r s t e n s e n ,Ministerpräsident des Landes Schleswig-Hol-stein

Vizepräsident M a t t h i a s P l a t z e c k ,Ministerpräsident des Landes Brandenburg– zeitweise –

Amtierender Präsident P r o f . D r . W o l f -g a n g R e i n h a r t , Minister und Bevoll-mächtigter des Landes Baden-Württembergbeim Bund – zeitweise –

S c h r i f t f ü h r e r i n n e n :

Karin Schubert (Berlin)

Dr. Beate Merk (Bayern)

B a d e n - W ü r t t e m b e r g :

Günther H. Oettinger, Ministerpräsident

Willi Stächele, Minister des Staatsministeriumsund für europäische Angelegenheiten

Tanja Gönner, Umweltministerin

Prof. Dr. Wolfgang Reinhart, Minister undBevollmächtigter des Landes Baden-Württem-berg beim Bund

Gerhard Stratthaus, Finanzminister

Peter Hauk, Minister für Ernährung und Ländli-chen Raum

Dr. Monika Stolz, Ministerin für Arbeit undSoziales

B a y e r n :

Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident

Emilia Müller, Staatsministerin für Bundes- undEuropaangelegenheiten und Bevollmächtigtedes Freistaates Bayern beim Bund

Dr. Beate Merk, Staatsministerin der Justiz

B e r l i n :

Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister

Karin Schubert, Bürgermeisterin und Senatorinfür Justiz

B r a n d e n b u r g :

Matthias Platzeck, Ministerpräsident

Ulrich Junghanns, Minister für Wirtschaft

B r e m e n :

Jens Böhrnsen, Präsident des Senats, Bürger-meister, Senator für kirchliche Angelegen-heiten und Senator für Justiz und Verfassung

Thomas Röwekamp, Bürgermeister, Senator fürInneres und Sport

Dr. Kerstin Kießler, Staatsrätin, Bevollmächtigteder Freien Hansestadt Bremen beim Bundund für Europa

H a m b u r g :

Dr. Michael Freytag, Senator, Präses derBehörde für Stadtentwicklung und Umwelt

H e s s e n :

Roland Koch, Ministerpräsident

Volker Hoff, Minister für Bundes- und Europa-angelegenheiten und Bevollmächtigter desLandes Hessen beim Bund

Volker Bouffier, Minister des Innern und fürSport

M e c k l e n b u r g - V o r p o m m e r n :

Helmut Holter, Minister für Arbeit, Bau und Lan-desentwicklung

Erwin Sellering, Justizminister

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VIII Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

N i e d e r s a c h s e n :

Elisabeth Heister-Neumann, Justizministerin

N o r d r h e i n - W e s t f a l e n :

Dr. Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident

Michael Breuer, Minister für Bundes- und Euro-paangelegenheiten

Christa Thoben, Ministerin für Wirtschaft, Mit-telstand und Energie

R h e i n l a n d - P f a l z :

Kurt Beck, Ministerpräsident

Karl Peter Bruch, Minister des Innern und fürSport

Prof. Dr. Ingolf Deubel, Minister der Finanzen

S a a r l a n d :

Peter Jacoby, Minister der Finanzen

Karl Rauber, Minister für Bundes- und Europa-angelegenheiten und Chef der Staatskanzlei

S a c h s e n :

Prof. Dr. Georg Milbradt, Ministerpräsident

Thomas Jurk, Staatsminister für Wirtschaft undArbeit

Geert Mackenroth, Staatsminister der Justiz

Hermann Winkler, Staatsminister und Chef derStaatskanzlei

S a c h s e n - A n h a l t :

Prof. Dr. Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident

Prof. Dr. Angela Kolb, Ministerin der Justiz

S c h l e s w i g - H o l s t e i n :

Peter Harry Carstensen, Ministerpräsident

Dr. Ralf Stegner, Innenminister

Rainer Wiegard, Finanzminister

T h ü r i n g e n :

Dieter Althaus, Ministerpräsident

Gerold Wucherpfennig, Minister für Bundes-und Europaangelegenheiten und Chef derStaatskanzlei

Harald Schliemann, Justizminister

V o n d e r B u n d e s r e g i e r u n g :

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeitund Soziales

Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-dung und Forschung

Hildegard Müller, Staatsministerin bei der Bun-deskanzlerin

Günter Gloser, Staatsminister im AuswärtigenAmt

Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beimBundesminister des Innern

Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei derBundesministerin der Justiz

Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung

Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-minister für Umwelt, Naturschutz und Reak-torsicherheit

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 203

(A) (C)

(B) D)

824. Sitzung

Berlin, den 7. Juli 2006

Beginn: 9.30 Uhr

Präsident Peter Harry Carstensen: Meine sehr ge-ehrten Damen und Herren, ich eröffne die 824. Sit-zung des Bundesrates.

Bevor ich mich der Tagesordnung zuwende, habeich gemäß § 23 Abs. 1 unserer Geschäftsordnungeine Veränderung in der Mitgliedschaft bekannt zugeben:

Die Landesregierung von Baden-Württemberg hatam 4. Juli 2006 Frau Staatsrätin Professor Dr. ClaudiaH ü b n e r zum stellvertretenden Mitglied des Bun-desrates bestellt. Dem neuen Mitglied wünsche ichmit uns allen eine gute und vertrauensvolle Zusam-menarbeit.

Außerdem möchte ich darauf aufmerksam machen,dass Herr Staatssekretär Karsten B e n e k e heutezum letzten Mal als Bevollmächtigter des LandesNordrhein-Westfalen beim Bund an einer Plenarsit-zung teilnimmt. Ich danke Ihnen herzlich für IhreMitarbeit in den verschiedenen Organen des Bun-desrates und wünsche Ihnen für die Zukunft allesGute.

Ich komme zur Tagesordnung. Sie liegt Ihnen invorläufiger Form mit 67 Punkten vor. Punkt 27 wirdgemeinsam mit Tagesordnungspunkt 13 aufgerufen.Punkt 59 wird vor Tagesordnungspunkt 1 behandelt.Die Punkte 60 bis 64 werden – in dieser Reihenfolge –nach Tagesordnungspunkt 8 aufgerufen. Punkt 65wird nach Tagesordnungspunkt 12 behandelt. Im Üb-rigen bleibt es bei der ausgedruckten Reihenfolgeder Tagesordnung.

Gibt es Wortmeldungen zur Tagesordnung? – Dasist nicht der Fall.

Dann ist sie so festgestellt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 59 a) und b):

a) Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Arti-kel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85,87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109,125a, 125b, 125c, 143c) (Drucksache 462/06, zuDrucksache 462/06, zu Drucksache 462/06 [2])

(

b) Föderalismusreform-Begleitgesetz (Drucksa-che 463/06)

Meine Damen und Herren, die beiden Gesetze ste-hen im Mittelpunkt unserer heutigen Sitzung. Damitwerden die Beratungen zu der umfassendstenGrundgesetzänderung seit Bestehen der Bundes-republik Deutschland zum Abschluss gebracht.

Es liegen folgende Wortmeldungen vor: Minis-terpräsident Dr. Stoiber, Ministerpräsident Beck,Ministerpräsident Dr. Rüttgers, Regierender Bürger-meister Wowereit, Ministerpräsident Koch, Minister-präsident Carstensen, Minister Dr. Stegner, MinisterRauber, Minister Sellering, Minister ProfessorDr. Reinhart. – Ministerpräsident Althaus (Thürin-gen) gibt eine Erklärung zu Protokoll.

Das Wort hat Ministerpräsident Dr. Stoiber (Bay-ern).

Dr. Edmund Stoiber (Bayern): Herr Präsident!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Red-nerliste, die Sie vorgetragen haben, ist hochkarätigund lang. Das zeigt, dass wir heute eine Sternstundedes Föderalismus in Deutschland erleben.

Der Bundesrat verabschiedet heute – nach demBundestag am letzten Freitag – eine grundlegendeReform der bundesstaatlichen Ordnung, deren Wir-kungen lange anhalten werden.

Der Föderalismus ist eines der tragenden Struktur-prinzipien unseres Landes. Vor allem diesem Prinzipsind die Vielgestaltigkeit Deutschlands, die im euro-päischen Vergleich hervorragende Infrastruktur unddie große Gleichwertigkeit der Lebensverhältnissezu verdanken. Das ist sicherlich auch Ergebnis lan-despolitischer Gestaltungskraft. Ein Zentralstaathätte nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg dieGleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutsch-land bei weitem nicht erreicht. Vergleichen Sie dasmit Zentralstaaten wie Großbritannien und Frank-reich! Man erkennt, dass elf bzw. 16 Hauptstädte ge-genüber der zentralen Hauptstadt ihre Interessen im-mer besonders zu wahren verstanden.

Redetext

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204 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A C)

(B) D)

)Wir geben dem Föderalismus in Deutschland

neuen Schub. Freilich: Bis zum heutigen Tag war esein weiter und langer Weg. Am Anfang dieses We-ges, in den späten 90er-Jahren, herrschte noch großeUneinigkeit unter den Ländern. Es gab in den 90er-Jahren durchaus auch ein Desinteresse des Bundesan einer Modernisierung der bundesstaatlichen Ord-nung.

Doch wurde immer klarer: Deutschland muss sichim größer werdenden Europa strukturell besser auf-stellen. Uns wird vorgeworfen, wir Deutschen seien,unabhängig vom Bundesrat, eine große Veto-Gesell-schaft; Entscheidungsprozesse seien außerordentlichzäh, weil die unterschiedlichen Ebenen permanentVeto einlegen und Entscheidungen aufhalten könn-ten. Ich meine, dass Schnelligkeit oder Langsamkeitin der politischen Willensbildung für unser Landheute mitentscheidend ist.

Mit einer Veto-Gesellschaft sind wir nicht zu-kunftsfähig. Es wurde klar: Ein nivellierender Zen-tralstaat mit einer Vielzahl von Gemeinschaftsaufga-ben tut sich zunehmend schwer, die komplexen unddiffizilen Probleme einer modernen Gesellschaft zulösen.

Nach einer langen „Tour de Deutschland“ sind wirendlich am Ziel.

Die Tour begann im Dezember 1999 mit dem Be-schluss der Ministerpräsidenten, die bundesstaatli-che Ordnung kritisch zu überprüfen. Bayern undBremen wurden damals von der Ministerpräsidenten-konferenz beauftragt, Vorbereitungsarbeiten zu leis-ten. Ich möchte den früher Regierenden bei dieserGelegenheit ein herzliches Dankeschön sagen. Seit-dem war dieses Thema Gegenstand jeder MPK.

Zwei Jahre später verständigten sich Bund undLänder darauf, das Projekt gemeinsam anzugehen.

Nachdem auf der administrativen Ebene viele Vor-arbeiten von den Ländern und der Bundesregierunggeleistet worden waren, folgten im März 2003 die ge-meinsamen Leitlinien der Länder für die Verhand-lungen mit dem Bund.

Ein halbes Jahr später, im Oktober 2003, wurde aufVorschlag des damaligen Fraktionsvorsitzenden derSPD, Kollegen M ü n t e f e r i n g , die gemeinsameKommission von Bundestag und Bundesrat einge-setzt.

Im Mai 2004 gelang der endgültige Durchbruch.Auf einer Sondersitzung der MPK konnte eine ge-meinsame Verhandlungsposition der Länder erzieltwerden – nicht in allen Details, aber immerhin! Ichmeine, das war eine große Leistung der Länder. Hierging es auch um die sehr unterschiedlichen Interes-sen von großen und kleinen Ländern, von struktur-schwächeren und strukturstärkeren Ländern. Dass esgelungen ist, am 6. Mai 2004 ein Eckpunktepapier zuverabschieden, dem alle 16 Länder zustimmten, warsicherlich eine Schlüsselentscheidung für den Fort-gang der Föderalismusreform.

Ich sage offen: Wer hätte gedacht, dass wir dasnach den schwierigen Verhandlungen über den Län-

(

(

derfinanzausgleich schaffen! Diese haben drei Jahre,von 1999 bis 2001, gedauert. Sie haben zur Lagerbil-dung beigetragen. Elf Länder im Hannoveraner Kreis– die Nehmerländer – standen auf der einen, die fünfgebenden Länder auf der anderen Seite. Es gab eineechte Interessenkonfrontation. Und dennoch: DieLänder haben in Verantwortung für das Ganze ein-heitliche Vorstellungen durchgesetzt.

Trotz aller Bemühungen stand das Reformwerk imDezember 2004 vor dem Scheitern. Nach Auffassungvieler Länder war kein ausgewogenes Geben undNehmen mit dem Bund zu erzielen, obwohl wir demBund nach unserer Auffassung sehr weit entgegen-gekommen waren.

Heute ist der Tag, an einzelne Etappen dieser Tourzu erinnern. Sieben Jahre lang, bis in die letztenTage und Wochen hinein, wurde gerungen und ge-kämpft, wurde nach Kompromisslinien zwischen denLändern, zwischen Bund und Ländern, zwischen denFraktionen im Bundestag gesucht. SchwierigsteBergetappen waren zu meistern. Oft stand die Tourvor dem Abbruch. Aber wir alle waren fähig, wiederTempo aufzunehmen. Ich sage deutlich: Ohne einegroße Koalition wäre es nicht möglich gewesen, soweit zu kommen, wie es heute der Fall ist.

Ich sage ebenso deutlich: In den Debatten der Fö-deralismuskommission gab es erhebliche Einwen-dungen einzelner Bundesminister. Wir hatten oft denEindruck, dass das Interesse des Bundes sehr einsei-tig, mit wenig Konsensbereitschaft formuliert wurde.

Ich möchte der Bundeskanzlerin, AngelaMe r k e l , herzlich danken. Sie hat sich die Reformzu Eigen gemacht und nicht nur den Bund oder dasLand gesehen, sondern die Gesamtbetrachtung an-gestellt, dass es letztlich dem Bund, dem Bundestag,den Ländern insgesamt hilft, nach vorne zu gehen.Dies war sicherlich entscheidend dafür, dass wirheute so weit gekommen sind.

Heute ist auch der Tag, all jenen, die die gesamteTour – auch im Hintergrund – mitgestaltet und durch-gestanden haben, Dank zu sagen. Vor allen Dingenmöchte ich meinem Kollegen Franz Münteferingherzlich danken. Er war in der Föderalismuskommis-sion immer ein fairer und kollegialer Partner, auch inschwierigen Phasen, wenn sehr unterschiedlichePositionen vertreten wurden. Wir wollten beide denErfolg.

Was verändert sich mit dem heutigen Tag inDeutschland? Diese große Koalition korrigiert Ent-scheidungen der Großen Koalition von vor 40 Jahren.Als enger Mitstreiter von Ministerpräsident FranzJosef S t r a u ß und Leiter der Staatskanzlei habeich die damaligen Entwicklungen hautnah miterlebt.Nachdem er einige Jahre Ministerpräsident gewesenwar und erkannt hatte, dass drei Gemeinschaftsauf-gaben eigentlich schon zu viel seien, übte er harscheKritik am früheren Bundesfinanzminister Strauß, derneun Gemeinschaftsaufgaben gewollt hatte.

Seinerzeit, in der Großen Koalition von 1966 bis1969, begann der deutsche Föderalismus zu einemNeozentralismus zu mutieren. Diese zentralistischen

Dr. Edmund Stoiber (Bayern)

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 205

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(B) D)

)Tendenzen, die in den vergangenen 40 Jahren stetigzugenommen haben, werden nunmehr durchbro-chen und beendet. Es ist nicht nur eine technokrati-sche Reform, die wir heute beschließen, sondernauch ein markanter Bewusstseinswechsel in derPolitik, ein Bewusstseinswechsel hin zur Anerken-nung einer neuen Rolle der Länder in Deutschland.

Ich habe in der vergangenen Woche die Debatte imDeutschen Bundestag aufmerksam verfolgt. Dort warspürbar, dass das Ganze, das Gesamtgefüge gesehenwird, nicht nur die eigenen Kompetenzen. Ich habeebenso vernommen, dass die Mehrheit der Bundes-tagsabgeordneten in ihren Reden die neue Rolle derLänder hervorgehoben und das Vertrauen in die Län-der betont hat.

Was Professoren in der gemeinsamen Anhörungvon Bundestag und Bundesrat – manchmal in sehrbarscher Arroganz – gegenüber der gesamten Politikgeäußert haben, hat mich sehr nachdenklichgestimmt. Immer wieder klang durch, die Länderpar-lamente hätten nicht die Kompetenz, wichtige Ent-scheidungen zu treffen. Die Rolle der Länderparla-mente erfährt eine falsche Beurteilung, wennunterstellt wird, der Bundestag habe, weil er für einegrößere Einheit zuständig sei, automatisch eine hö-here Kompetenz als die Landtage, die für eine klei-nere Einheit zuständig seien. Ich bin dankbar dafür,dass alle Redner, auch Kollege S t r u c k , diesenTendenzen entgegengetreten sind und verdeutlichthaben, dass die Kompetenz der Landtage nicht a pri-ori geringer einzuschätzen ist als die des DeutschenBundestages.

Meine Damen und Herren, auf den Bundestag undauf die Länderparlamente kommt mehr Verantwor-tung zu. Der Bundestag kann künftig über etwa 70 %der Gesetze allein entscheiden.

Ein weiterer bedeutender Gewinn für den Bundes-tag besteht darin, dass künftig mehr als die Hälftealler Gesetze im Bereich der konkurrierendenGesetzgebung von der so genannten Erforderlich-keitsklausel befreit ist. Der Bund muss nicht mehrbeweisen, dass die Entscheidung, die er trifft, zurHerstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse not-wendig ist. Das bedeutet eine erhebliche Erleichte-rung, heißt aber auch, dass von Bundesseite die Dif-ferenzierung zwischen den Ländern gesehen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundesratmuss weit weniger als bisher gehört werden. Da-durch gewinnt die Politik an Schnelligkeit und anKonturen. Zuordnung von und Verantwortung fürEntscheidungen werden für die Bürger besser alsbisher erkennbar. Unser Land profitiert davon, wennVorhaben beschleunigt werden. Das macht uns inEuropa und in der Welt wettbewerbsfähiger.

Welche Folgen hat das? Erinnern Sie sich an dieAuseinandersetzungen über das Zuwanderungs-recht in diesem Hohen Haus! Der Bundestag hatteein Gesetzesvorhaben zum Zuwanderungsrecht vor-gelegt, das die CDU/CSU und die Mehrheit der Län-der für falsch hielten. Nachdem wir drei Jahre gerun-gen hatten, wurde ein Kompromiss gefunden. Nach

(

(

der künftigen Verfassungslage entscheidet allein derBundestag. Das bedeutet, dass in einer so wichtigenFrage Korrekturen von Seiten des Bundesrates nichtmehr möglich sind. Ich halte das für sinnvoll, weil da-mit die Konturen im Bundestag sichtbarer werden.Die Bürger spüren die jeweiligen Mehrheitsverhält-nisse hautnah, weil der Bundesrat nicht mehr alleskorrigieren kann. Ich meine, dass dieser Punkt sehrwichtig ist.

Meine Damen, meine Herren, mit diesem Reform-paket geben wir unserem Land – Bund, Ländern undKommunen – eine neue Dynamik. Deutschland erhältmit dieser Reform nach innen wie nach außen großeChancen, die es bisher nicht gab.

Diese Konturierung der Politik ist gut für die Demo-kratie. Ich bin davon überzeugt, dass damit die vor-herrschende Politikverdrossenheit ein Stück weitaufgebrochen wird, die Bürger mehr Interesse für diePolitik zeigen und die Parlamente, insbesondere dieLandtage, wieder zu Orten lebendiger Diskussionenwerden. Landtagsdebatten über den Strafvollzug,das Heimrecht, das Versammlungsrecht, das Presse-wesen, das öffentliche Dienstrecht und das Besol-dungsrecht werden von der Bevölkerung des jeweili-gen Landes mit größerer Aufmerksamkeit verfolgt alsentsprechende Bundestagsdebatten. Damit sind neueAnforderungen an die Landtage verbunden. Ichhoffe, alle Landtage erkennen, dass neue Entschei-dungsverantwortung auf sie zukommt.

Meine Damen, meine Herren, im Vermittlungsaus-schuss gibt es oft quälende Diskussionen. Oft weißniemand mehr, wer für diese oder jene Entscheidungzuständig gewesen ist. Die Zahl der Gesetzesvorha-ben, über die dort beraten wird, geht sicherlich zu-rück.

Die Kanzlerin hat in Ihrer Rede im Bundestag ge-sagt – ich zitiere –:

Jeder Abgeordnete weiß: Es gibt keine zweiteKompromisslinie. Ich muss für das geradeste-hen, was ich hier entscheide.

Und das ist gut so.

In dieser Föderalismusreform steckt für die Länder-parlamente viel „Musik“. Die Länder werden in ganzanderer Weise gefordert als bisher. Ich will das an ei-nem Punkt verdeutlichen, über den intensive Debat-ten geführt worden sind. Die WettbewerbsfähigkeitDeutschlands hängt entscheidend von der Bildungunserer Menschen ab. Für die entsprechenden Auf-gaben sind allein die Länder verantwortlich. Das giltim Prinzip auch für den Hochschulbereich, zu demeine Änderung erfolgt ist. Die Länder tragen geradeim Bildungsbereich hohe Verantwortung für die wei-tere Entwicklung Deutschlands. Da sie hinsichtlichihrer Prioritätensetzung im finanziellen Bereich neueAnstrengungen unternehmen müssen, werden sichfür die Finanzminister sicherlich erhebliche Problemeergeben.

Ich will nicht auf das Abweichungsrecht, sondernauf einen anderen Punkt eingehen, der für mich ent-scheidend ist. In jedem Landeshaushalt machen diePersonalkosten den größten Anteil aus; in Bayern

Dr. Edmund Stoiber (Bayern)

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)sind es knapp über 40 % eines 36-Milliarden-Haus-halts. Die Tendenz ist, auch wegen zunehmenderPensionslasten, steigend. Dass das Recht des öffentli-chen Dienstes in die Kompetenz der Länder über-geht, halte ich für richtig. Die Länderparlamentewerden sicherlich darauf achten, dass die Mobilitätim öffentlichen Dienst innerhalb Deutschlandsgewahrt bleibt.

Die Rückführung bzw. Übertragung von Zuständig-keiten auf die Länder wird immer vom pauschalenVorwurf politischer Kleinstaaterei begleitet. Was isteigentlich politische Kleinstaaterei? Sind Luxemburgoder Slowenien für Europa zu kleine Länder? In allenEinheiten gibt es große und kleine Länder. Ich kannmit diesem Vorwurf nichts anfangen, weil alle LänderStaatsqualität haben und in der Vergangenheit dieseAufgabe durchaus bewältigt haben.

Dieser Vorwurf ist insgesamt haltlos. Die Länderhaben schon bisher ihre Kompetenzen, z. B. in denBereichen Bildung oder Umwelt, mit großer Verant-wortung wahrgenommen. Das werden sie mit Sicher-heit weiterhin tun – auch und gerade in der mögli-chen Abweichung vom Bundesrecht.

Mit der Reform eröffnen sich neue Wege zu einemleistungsfördernden Wettbewerb. Das ist gut für alleLänder und für Deutschland insgesamt. PolitischeLeistung, politische Entscheidungen werden sichkünftig spürbarer in der jeweiligen Landespolitikniederschlagen.

Dieser Wettbewerbsföderalismus, der nicht alleinden Föderalismus kennzeichnet, aber ein Stück da-von ist, ist nur zu begrüßen. Warum sollen die Ländernicht konkurrieren auf der Suche nach den bestenProblemlösungen? Warum sollen sie nicht die Chancebekommen, neue Ordnungsmodelle zu erproben, Er-fahrungen zu sammeln und die Ergebnisse allen zurVerfügung zu stellen?

Der Vorwurf der Entsolidarisierung führt in die Irre.Solidarität unter den Ländern ist nur möglich auf derGrundlage von Leistung und Wettbewerb. Solidaritätund Wettbewerb sind keine Gegensätze, sondernzwei Seiten derselben Medaille. Wettbewerb gibtden entscheidenden Impuls für Leistung. Solidarischkann letztlich nur der Leistungsfähige sein, so wiedies beispielsweise im Länderfinanzausgleich statt-findet.

Ich weiß, wovon ich rede. Im Bundestag wurde im-mer wieder erwähnt: Ihr Bayern – und viele andereLänder – habt über lange Jahre und Jahrzehnte Mit-tel aus dem Länderfinanzausgleich bekommen undkonntet eure Struktur verändern. – Ich sage nur zurKlarstellung: Wir haben in den Länderfinanzaus-gleich nominal sechsmal so viel gezahlt, wie wir be-kommen haben. Real ist es zweieinhalbmal so viel.Das füge ich aber nur als Fußnote an, weil es im Bun-destag eine große Rolle gespielt hat.

Der Länderfinanzausgleich – das betrifft dann auchdie zweite Stufe – ist ein Momentum, das nicht inFrage gestellt wird. Man muss aber über Einzelheitenreden. Ich werde dazu am Schluss noch etwas aus-führen.

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Meine Damen, meine Herren, die Zustimmung desBundesrates zur Föderalismusreform setzt ein wichti-ges Signal. Wir zeigen damit: Die Politik in Deutsch-land ist zu bedeutenden Reformen fähig. Nach mei-ner festen Überzeugung wird damit eine guteEntwicklung eingeleitet.

Im Jahre 2003 haben Bundestag und Bundesrat inübereinstimmenden Beschlüssen festgelegt, dass wirvorrangig über die Kompetenzen reden und nur sehreingeschränkt die Finanzthemen behandeln wollen.Ich sage das in Richtung auf die Professoren und aufdie Debattenredner im Deutschen Bundestag, aberauch auf Parteien, die erklärt haben, sie könntennicht zustimmen, weil die Finanzbeziehungen imRahmen dieser Föderalismusreform nicht geklärtwürden.

Ich war darüber ein bisschen erstaunt; denn in demeinstimmigen Beschluss zur Einsetzung der Födera-lismuskommission sind die Finanzbeziehungen dochgerade ausgenommen worden. Warum? Weil manwusste, dass dies ein außerordentlich schwierigesThema ist. Wenn wir gerade nach den Erfahrungender dreijährigen Diskussion über den Finanzaus-gleich die Kompetenzverteilung mit den Finanz-beziehungen belastet hätten, dann wären wir mit derReform bei weitem nicht dort, wo wir heute sind, son-dern wir wären wahrscheinlich irgendwo stecken ge-blieben.

Deutschland hat eine sehr komplizierte und kom-plexe Struktur – mit 16 Ländern, mit tausenden vonUntergliederungen in Bezirke, Verbände und Kom-munen. Der gesamte Finanzausgleich – d. h. die Fi-nanzierung dieser Struktur – kostet Bund und Länderfast 30 Milliarden Euro. Das ist das Volumen des ge-samten Finanzausgleichs. Länder, die zentral organi-siert sind, haben einen solchen Finanzausgleich na-türlich nicht.

Wir müssen uns fragen, ob diese 30 MilliardenEuro sinnvoll eingesetzt sind. Es geht mir nicht umKürzungen, sondern es geht mir nur darum, dassdiese Mittel effektiv eingesetzt werden. Wir müssendarüber reden, ob sie genügend effektiv eingesetztwerden.

Während die Länder bzw. die LandesparlamenteKompetenzen bekommen, verliert der Bundesrat alsTeil des Mitwirkungsföderalismus an Kompetenzen.Die Ministerpräsidenten reduzieren ihre Einfluss-möglichkeiten auf die Bundesgesetzgebung zu Guns-ten der Landesparlamente in anderen Bereichen. Dashalten wir für notwendig. Ich will es nur noch einmaldeutlich machen, weil häufig formuliert wird, Politiksei nicht in der Lage, über den eigenen Interessenho-rizont hinauszusehen. Das haben wir in diesem Fallzweifelsohne getan.

Aber ich sage auch: Die Föderalismusreform II istdringend notwendig. Ob sie ein Ergebnis zeitigt,weiß ich nicht. Ich bin der Meinung, dass sie nur in-nerhalb der großen Koalition verwirklicht werdenkann. Das heißt, wir haben keinen zu großen Zeitho-rizont. Bis zum Jahre 2009 müssen diese Dinge nor-malerweise geregelt sein.

Dr. Edmund Stoiber (Bayern)

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)Wir werden größeren Druck bekommen; denn die

Kompetenzen, die die Länder erhalten, und die Ver-antwortung, die auf die Länder in vielen Bereichen,gerade im Bildungs- und im Hochschulbereich, über-tragen wird, werden deutlich machen, dass mancheLänder mit den Finanzen, die sie haben, nicht zu-rechtkommen, um diese Aufgaben zu erfüllen. Aberes gibt viele Möglichkeiten der Kooperation. Ichglaube, die Länder werden zeigen, dass sie koopera-tionsfähig sind.

In diesem Sinne will ich festhalten: Der Föderalis-mus lebt. Funktionierender Föderalismus bedeutetstarke Länder in einem starken Deutschland.

Lassen Sie uns deshalb dem Beispiel des Bundesta-ges folgen und dem Reformwerk zustimmen! Es ist si-cherlich eine historische Stunde für Deutschland,wenn die größte Verfassungsreform nach dem Zwei-ten Weltkrieg heute verabschiedet wird – eine Ver-fassungsreform, zu der wir gemeinsam nach der Wie-dervereinigung Anfang der 90er-Jahre noch nicht inder Lage gewesen sind. Auch damals gab es dieseDiskussion. Die große Mehrheit war dagegen, heuteist die große Mehrheit dafür. Deswegen ist heute einguter Tag für uns alle. – Danke schön.

Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Minister-präsident, ich bedanke mich.

Das Wort hat Ministerpräsident Beck (Rheinland-Pfalz).

Kurt Beck (Rheinland-Pfalz): Sehr geehrter HerrPräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!Man kann sich dem, was Herr Kollege Stoiber soebendeutlich gemacht hat, nur anschließen: Dies ist einbesonderer Tag für den Bundesrat, es ist ein besonde-rer Tag für die staatliche Verfasstheit der Bundesre-publik Deutschland. Ich hoffe, dass die Menschen vondiesem Tag an die Verantwortlichkeiten in Bezug aufdie Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländernklarer erkennen können und dass die Zustimmungzur Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschlandwächst.

Ich will nach dem jahrelangen Ringen ein herzli-ches Dankeschön an den Beginn meiner Ausführun-gen stellen. Es geht in besonderer Weise an HerrnMüntefering und an Herrn Kollegen Stoiber. Ich binmir sehr bewusst, welche Kraft in diesen Prozess in-vestiert worden ist. Ich weiß, dass ohne den Willen,eine Lösung zu finden – die letztlich gefunden wor-den ist –, dass ohne die beiden Kollegen und vieleandere dieses Ergebnis nicht möglich gewesen wäre.Das ist ein hohes Verdienst und wird es auch bleiben.

Wir haben in den letzten Wochen und Monaten ei-nen interessanten Diskussionsprozess erlebt, dermich phasenweise auch erschreckt hat. Es hat sichnämlich gezeigt, wie sehr es notwendig ist, den Fö-deralismus zu erklären und zu begründen. Es waranscheinend wohlfeil, den Föderalismus nur noch alslästige Bremse auf dem Wege der BundesrepublikDeutschland zu einem noch stärker integriertenEuropa zu sehen und zu beschreiben.

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Es ist aus dem Auge verloren worden, dass dieBundesrepublik Deutschland nicht nur auf Grund ih-rer Größe, sondern auch vor dem Hintergrund ihrerGeschichte die föderale Struktur bewusst gewählthat. Man kann sagen, dass sie das getan hat, weil diedamaligen Besatzungsmächte es so wollten. MeinerMeinung nach hat sie sie aber bewusst gewählt, weilman sich klar darüber war, dass in einer Demokratieneben der klassischen Gewaltenteilung die Teilungder staatlichen Gewalten zwischen dem Bundesstaatund den einzelnen Ländern notwendig ist, wenn einverträgliches Miteinander in Deutschland und inner-halb Europas verwirklicht werden soll.

Ich meine, man darf – vielleicht muss – heute auchdaran erinnern, dass der Prozess der deutschen Ein-heit manchen in der Welt schwerer gefallen wäre,wenn Deutschland zentralstaatlich organisiert gewe-sen wäre.

Wir sollten auch über die Grenzen hinwegschauen. Föderale Strukturen werden in zunehmen-dem Maße, wenn auch nicht so ausgeprägt wie inDeutschland, auch in Ländern gesucht, die klassischzentralstaatlich organisiert sind. Wir sehen den Pro-zess in Großbritannien. Für die dortigen Verhältnissewird einzelnen Regionen doch ein beachtliches Maßan Kompetenzen zugemessen. Wir sehen eine Stär-kung der Regionen in Frankreich, was vor 30 Jahrennoch unvorstellbar gewesen wäre. Wir sehen, welcheBedeutung dies für die Entwicklung der Regionen inFrankreich hat. Wenn man, wie die Baden-Württem-berger, die Rheinland-Pfälzer und die Saarländer,grenznah lebt, weiß man, was sich im Elsass und inLothringen getan hat, nachdem die föderalen Struk-turen eigene Verantwortlichkeiten hatten.

Angesichts dessen kann ich nicht erkennen, wieman ernsthaft davon sprechen könnte, föderaleStrukturen hätten sich überlebt. Ich meine, dass sicheher das Gegenteil ableiten lässt. Wie sehr haben wiralle uns daran gewöhnt, dass die Vereinigten Staatenvon Amerika föderal organisiert sind. Wir würdengar nicht daran denken, solche Kompetenzen an ein-zelne unserer Länder zu vergeben, wie sie dort in un-terschiedlichen States vorhanden sind. Auch diesesBeispiel spricht dafür, dass föderale Strukturenzukunftsträchtig sind.

Eine weitere Überlegung ist anzustellen: Je mehrverlangt wird, dass wir uns internationalen Entwick-lungen öffnen, dass wir uns den immer schnellerenVeränderungen der Technologie als Voraussetzungfür unser Zusammenleben stellen, desto wichtiger istes, dass sich die Menschen dort, wo sie leben, auchverankert fühlen, dass sie festen Boden unter ihrenFüßen wissen, weil sie in ihre Kommune eingebun-den sind und sich ihrer Region zurechnen, ohne dassdie patriotischen Gefühle – gute patriotische Gefühle,wie wir gerade in den letzten Wochen in Deutschlanderleben können – verloren gehen oder das zuneh-mende Gefühl einer europäischen Identität darunterleidet.

Das sind keine Widersprüche. Ich glaube eher, dasses Bedingtheiten sind. Ohne eine solche Loyalität zuseiner Gemeinde und seiner Region, in denen man

Dr. Edmund Stoiber (Bayern)

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)sich mit seiner eigenen Identität wiederfindet, ist dieÖffnung nach außen sicherlich schwerer.

Das alles spricht dafür, dass wir in einer vernünfti-gen Weise die zentralstaatlich zu regelnden Aufga-ben und die in den Ländern zu regelnden Aufgabennebeneinander stehend in eine Verantwortungsketteeinbinden und so unsere Verfassungsgrundlage or-ganisieren. Bei allem, was der eine oder andere vonuns anders machen würde, und bei allen vorhande-nen Einzeldifferenzen – das, was uns zur Endbera-tung vorliegt, bildet diese grundsätzlichen Überle-gungen in der Verfassung gut ab.

Rheinland-Pfalz hat von Anfang an versucht, sei-nen Beitrag zu leisten, diesen Weg mit zu gehen.Deshalb ist es nur folgerichtig, dass wir der Verfas-sungsänderung, der Entschließung und dem Födera-lismusreform-Begleitgesetz heute zustimmen.

In der Verfassungsvorlage wird deutlich, dass wirwirklich mehr Klarheit und Transparenz im Bund-Länder-Verhältnis erreichen. Gegenseitige Blocka-desituationen, die wir alle immer wieder beklagt ha-ben und doch im Alltag der politischen Konkurren-zen nicht zu verhindern vermochten, lösen wir zueinem gerüttelt Maß auf. Mit der Abschaffung derRahmengesetzgebung beschreiben wir klare Zuord-nungen und Verantwortlichkeiten.

Mit der Rückführung der Mischfinanzierungstat-bestände wird auch hinsichtlich dieser Fragen einedeutliche und klare Linie gezogen. Das wird uns– ohne Frage – sehr fordern. Es ist aber ein wichtigerSchritt zur Abgrenzung der Zuständigkeiten auchhinsichtlich der Finanzverantwortlichkeiten.

Dem von manchen geäußerten Bedenken, mit die-sen Regelungen werde die Europatauglichkeit derBundesrepublik Deutschland eingeschränkt oder ge-schmälert, will ich ausdrücklich widersprechen. Wirhaben in Selbstbescheidung einen Weg gefunden:Nur ein Teil der Kompetenzen, die der Länderseitezugeordnet sind, unterliegt der Vertretung durch dieLänder auf der europäischen Ebene – das allerdingsin aller Klarheit. Auf der anderen Seite haben wir si-chergestellt, dass die einheitliche Vertretung derBundesrepublik in den europäischen Gremien ge-währleistet ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassenSie mich einige wenige Bemerkungen zu dem ma-chen, was in der Diskussion und auch nach der An-hörung der Sachverständigen besprochen worden ist!

Man kann festhalten, dass die Quote der zustim-mungsbedürftigen Gesetze faktisch halbiert wird.Das ist ein großer Gewinn insbesondere für den Bun-desgesetzgeber.

Wir haben miteinander eine Regelung gefunden,nach der dort, wo der Bund die Finanzierung vonMaßnahmen allein übernimmt, die Länder ihr Zu-stimmungsgrecht aufgeben. Auch eine Zustim-mungspflicht wegen der Regelung des Verwaltungs-verfahrens entfällt im Regelfall. Der Bund kann zwardas Verfahren allein regeln, davon können dieLänder aber abweichen. Ich glaube, dass das Ab-

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weichungsrecht, wie es verankert worden ist, praxis-tauglich ist. Wir alle wissen, dass mit diesem Instru-ment sorgsam umgegangen werden muss.

Wenn ich die Besorgnis zum Umweltrecht und zumUmweltverfahrensrecht aufnehme: Auch dort sindmit der sorgsamen Abgrenzung und mit Übergangs-fristen, die das Handeln des Bundes hinsichtlich derSchaffung eines Umweltgesetzbuches ermöglichen,vernünftige Regelungen gefunden worden.

Verehrte Damen und Herren, 16 Materien werdenauf die Länder übertragen.

Über das öffentliche Dienstrecht als einen Kern-bereich ist oft diskutiert worden. Ich will nichtverschweigen, dass die Besorgnis, wir könnten zu an-deren Zeiten als heute auch wieder in eine Wettbe-werbsspirale nach oben geraten, nicht völlig auszu-räumen ist. Insoweit verstehe ich auch Einwände, diediesbezüglich gemacht werden. Auf der anderenWaagschale ist allerdings die Tatsache, dass wir Län-der Personalkostenanteile von über 40 % in unserenHaushalten haben; beim Bund ist dies etwas mehr alsdie Hälfte davon. Daraus ergeben sich hinsichtlichder beamtenrechtlichen und ähnlicher Fragen andereInteressenlagen. Bei dieser Übertragung gibt es alsoein Pro und ein Kontra. Das ist so. Ich denke, wir ha-ben einen Weg gefunden, der in der Gesamtbetrach-tung vernünftig und verantwortbar ist.

Ich bin froh darüber, dass wir Klarheit hinsichtlichder bildungspolitischen Zuständigkeiten haben.

Ich wiederhole, was ich bei der Eröffnung der De-batte über die Verfassungsreform in diesem HohenHause gesagt habe: Ich hätte sehr gut und gerne da-mit gelebt, wenn der Bund auch im Schulbereich Im-pulse hätte geben können – mit Zustimmung derLänder selbstverständlich. Man hat eine andere Ver-ständigung erzielt.

Ich bin froh darüber, dass hinsichtlich der Hoch-schulen eine Öffnung erreicht werden konnte; dieserDiskussionsprozess war zugegebenermaßen nichteinfach. Für die Entwicklung der Hochschulen, ihreKompetenz und Exzellenz in Forschung und Lehre istes gut, wenn Bund und Länder in der Zukunft zu ei-nem Hochschulpakt finden, um auf dieser Grundlagedie Herausforderungen besser meistern zu können.Wenn wir uns abgegrenzt hätten, wäre ein Miteinan-der nicht möglich. Ich bedanke mich dafür, dass die-ser schwierige Kompromiss am Ende erreicht werdenkonnte.

Mit den 16 Materien werden die Landtage in mas-siver Weise gestärkt. Meine sehr geehrten Damenund Herren, sosehr zu Recht darüber geredet wordenist, dass dieses Hohe Haus Kompetenzen aufgibt, so-sehr darüber geredet worden ist, dass das faktischauch bedeutet, dass die Ministerpräsidenten an poli-tischer Einwirkungsmöglichkeit verlieren, so richtigist, dass die Landtage deutlich an Kompetenz gewin-nen. Wer Ja zum Föderalismus sagt, der muss auch Jasagen zu einer Stärkung der Gesetzgebungskompe-tenz der Länder. Sonst haben wir zwar eine Vertei-lung von politischer Macht, aber nicht wirklich eine

Kurt Beck (Rheinland-Pfalz)

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)demokratisch legitimierte Aufteilung der Kompeten-zen in dieser Republik.

Sechs Materien werden auf den Bund in alleinigerKompetenz übertragen. Das ist nicht ohne Bedeutungund hinsichtlich der Klarheit der Zuständigkeiten– ich möchte das wiederholen – wichtig.

Dass wir die Finanzhilfen neu ordnen werden, dasswir Mischfinanzierungen abbauen, habe ich er-wähnt. Ich will darauf hinweisen, dass wir uns vorge-nommen haben, in einem zweiten Schritt über dieFinanzbeziehungen in Deutschland zu sprechen.Diese Diskussionen werden von uns sehr sorgfältigzu führen sein. Die Voraussetzungen in Ost und Westsind sehr unterschiedlich. Wir haben große undkleine Länder, finanzstarke und finanzschwächereLänder. Insoweit sage ich Ja zu einem Wettbewerbder Ideen, Ja zu einem Wettbewerb um die jeweilspassenderen Wege. Aber einen Wettbewerbsfödera-lismus, wie er manchmal verlangt wird, der zu einemStück alle sozusagen grenzenlos gleichsetzt, könnteich nicht mitverantworten. Wir sollten, wenn wirdiese Diskussionen führen, einige Fixpunkte festhal-ten. Ich nenne einen Fixpunkt bewusst und wertendzuerst: Der Solidarpakt zwischen West und Ost kannnicht in Frage gestellt werden.

Zum Zweiten! Wenn wir über Finanzbeziehungenreden, darf es nicht nur um den horizontalen und denBund-Länder-Finanzausgleich gehen. Dann müssenbeispielsweise auch Forschungsförderungsmittel undvieles andere mit auf den Tisch gepackt werden, umeine Gesamtbetrachtung zu ermöglichen. Erst aufdieser Grundlage kann man dann prüfen, was klarerzu ordnen ist und wie wir in der Zukunft mit denFinanzbeziehungen umgehen. Es ist mir wichtig, diesdeutlich zu machen, damit wir keine falschen Erwar-tungen wecken. Das heißt nicht, dass nicht einekraftvolle Anstrengung notwendig ist, um in diesenFragen voranzukommen. Dass die Verschuldung al-ler staatlichen und der kommunalen Ebenen mitbe-trachtet werden muss, will ich hinzufügen. Das istaber schon bei den bisherigen Diskussionen unstrei-tig gewesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ichglaube, dass wir mit den Kompetenzen, die zukünftigseitens der Länder wahrzunehmen sind, sehr sorg-fältig umgehen. Ich will, wie Herr Kollege Stoibersoeben, betonen, dass es manchmal schon verwun-derlich war, welche Einschätzungen hinsichtlich derVerantwortlichkeit im Handeln gegenüber den Län-dern gegeben worden sind. Ich habe in Leitartikelngelesen, selber gehört oder auch nachgelesen, wasSachverständige gesagt haben. Ich glaube, das zeugtvon einer nicht ausreichenden Betrachtung und Be-achtung der Landesparlamente und der Verantwort-lichkeit der Frauen und Männer, die in diese Parla-mente gewählt worden sind. Wir müssen aufpassen,dass wir uns gegenseitig – die Länder gegenüberdem Bundesparlament, aber auch umgekehrt – denRespekt zubilligen, der notwendig ist, um von denBürgerinnen und Bürgern Verantwortung – in derDemokratie Verantwortung auf Zeit – übertragen zubekommen. Wenn sich die Parlamente selber unter-

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einander diese Verantwortlichkeit nicht ausreichendund klar zubilligen, wie sollen die Menschen dasVertrauen haben, uns ihre Stimme zu geben, ihrSchicksal in unsere Hand zu legen, damit wir für siedieses Gemeinwesen organisieren!

Insoweit kann man in der Tat nur sagen: Worte wie„Kleinstaaterei“ hören sich vielleicht gut an, wennman sich in einer bestimmten Betrachtungsweiseschulen will – ich kann es nicht anders ausdrücken.Aber wenn man weiß, mit welcher Ernsthaftigkeit inden Parlamenten des Bundes und der Länder ge-arbeitet wird, dann gibt es für solche – ja auch ab-wertend gemeinten – Begrifflichkeiten keine Grund-lage.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich binfest davon überzeugt: Dieses Verfassungswerk wirdbeweisen, dass wir mit den Kompetenzen verantwor-tungsvoll umzugehen wissen und dass die Bundesre-publik Deutschland selbst in tief gehenden Materienreformwillig und reformfähig ist. Insofern wird dieheutige Entscheidung für Deutschland und seineMenschen eine gute sein.

Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Minister-präsident, herzlichen Dank!

Das Wort hat Ministerpräsident Dr. Rüttgers (Nord-rhein-Westfalen).

Dr. Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen): HerrPräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nachlangen Jahren intensiver Diskussion und nicht weni-gen Umwegen und Rückschlägen beschließen wirheute die Föderalismusreform.

Ich stimme meinen Vorrednern darin zu, dass dieReform von außerordentlicher Bedeutung fürDeutschland ist: Wir stärken Selbstbestimmung undSelbstverantwortung. Wir stärken den Bundestagund die Landtage. Wir schaffen mehr Klarheit undEffizienz. Wir beseitigen Reformbremsen.

Nicht zuletzt – das ist mir persönlich sehr wichtig –machen wir mehr Wettbewerb zwischen den Ländernmöglich. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir dieVitalität unseres politischen Systems auf Dauer nurwerden steigern können, wenn wir in den Ländernund Kommunen mehr Wettbewerb um die bestenIdeen und Lösungskonzepte wagen. Zentralistischverordnetes Mittelmaß können wir uns in Deutsch-land nicht länger leisten.

Wir alle wissen, dass die Verhandlungen nicht im-mer einfach waren. Umso wichtiger ist, dass wir Kursgehalten haben. Nun verhehle ich nicht, werte Kol-leginnen und Kollegen, dass auch ich mich übermanche Beiträge nicht nur von Journalisten, sondernauch von Politikern in den letzten Wochen geärgerthabe.

Dieses Projekt ist kein technokratisches Konstrukt,sondern ein entscheidender Beitrag zur Wiederbele-bung unserer demokratischen Grundordnung. DieEinheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutsch-land ist nicht in Gefahr, wenn die Rolle der Länder

Kurt Beck (Rheinland-Pfalz)

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)aufgewertet wird. Was nahe bei den Menschen ge-staltet werden kann, das muss man auch dort gestal-ten. Wer auf Zentralismus setzt, höhlt unser historischgewachsenes, auf Vielfalt beruhendes föderales Sys-tem aus und misstraut den Menschen und ihrerFähigkeit zur Freiheit.

Ich teile ausdrücklich die Auffassung der KollegenStoiber und Beck, dass der Föderalismus eines dergroßen Erfolgsprinzipien war, durch das Deutschlandnach dem Zweiten Weltkrieg aus den Trümmern wie-derauferstehen konnte. Im Übrigen darf man nichtvergessen, dass nach der Wiedervereinigung dasVolk das Wiederentstehen der neuen Länder vonMecklenburg-Vorpommern bis Sachsen geforderthat.

Wahr ist aber auch, dass es in den vergangenenJahrzehnten Fehlentwicklungen im Föderalismusgegeben hat. Der Grund dafür lag, so glaube ich, inimmer mehr Zentralität. Insofern ist es spannendund interessant, dass wir mit dem heutigen BeschlussBeschlüsse aus der Zeit der Großen Koalition, der60er-Jahre, revidieren. Damals wurden die Kompe-tenzen des Bundes immer wieder auf Kosten der Län-der gestärkt. Immer weiter wurden die Ebenen vonBund und Ländern miteinander verflochten. Die Kon-sequenz daraus ist relativ klar: Die Verantwortlich-keiten werden verwischt, es entstehen immer mehrSysteme organisierter Unverantwortlichkeit.

Der Bund schöpfte seine Zuständigkeit auch dortbis ins Detail aus – wir haben es erlebt –, wo er ei-gentlich nur einen Rahmen setzen oder bei einem ge-samtstaatlichen Erfordernis tätig werden sollte. Diesalles, werte Kolleginnen und Kollegen, hat dem föde-ralen System nachhaltig geschadet. Zwar erhieltendie Länder als Gegenleistung mehr Mitwirkungs-rechte in der Gesetzgebung; damit sind sie aber ineine Falle gelaufen, in eine „Politikverflechtungs-falle“, wie es Fritz W. S c h a r p f 1985 nannte.

Diesen Trend zu mehr Zentralismus, Ineffizienzund Intransparenz kehren wir heute um. Indem dieLänder zukünftig in wichtigen Bereichen die Mög-lichkeit zu abweichender Gesetzgebung erhalten,bekommen wir eine Chance auf mehr Wettbewerbum die beste Lösung. Landesrecht wird dann Bun-desrecht brechen. Damit schlagen wir ein neues Ka-pitel in der Auseinandersetzung zwischen Zentral-gewalt und Region auf, die unser Land nicht erst seitder Gründung der Bundesrepublik Deutschlandkennzeichnet. In Wahrheit dauert diese Debatteschon mehr als 1 000 Jahre an.

Wenn sich Ministerpräsidenten zu Wort melden,dann lese und höre ich Begriffe wie „Kurfürsten“.Wenn Länder mehr Kompetenzen bekommen – da-rauf hat Herr Beck gerade hingewiesen –, wird diesals „Kleinstaaterei“ bezeichnet. Wenn die Länderihre Interessen vertreten, sind manche Bundespoliti-ker beleidigt, wie wir es in diesen Tagen etwa bei derDebatte über die Gesundheitsreform wieder einmalerlebt haben. Abgesehen davon, dass derjenige, derso redet, das Wesen des Föderalismus nicht verstan-den hat, sei ihm gesagt, dass es Deutschland in seiner

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Geschichte immer dann gut ging, wenn es viel Föde-ralismus gab. Insofern ist das, was heute hier ge-schieht, richtig.

Ich glaube zwar nicht, dass wir die Auseinander-setzung zwischen dem Bund und den Ländern mitdiesem Beschluss beenden werden; hier darf mansich nicht übernehmen. Dieser Beschluss ist keinJahrhundert- oder gar Jahrtausendwerk. Auch in Zu-kunft werden die Zentralgewalt und die Länder ummehr Macht und Einfluss ringen, ganz abgesehen da-von, dass wir den Bedeutungsgewinn der europäi-schen Ebene nicht vergessen dürfen.

Wir gehen heute einen großen Schritt in die rich-tige Richtung. Die Richtung heißt: mehr Föderalis-mus mit klareren Verantwortlichkeiten. In der prak-tischen Gesetzgebung wird sich erweisen, ob dieseNeuerungen ausreichen und zu nachhaltigen Ver-besserungen führen oder ob wir weitere Schritte wa-gen müssen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie micheine Bemerkung zu den Regelungen im Hochschul-bereich machen! In den letzten Wochen haben wirdazu eine laute Debatte erlebt, in deren Rahmen dieKritiker der Reform moniert haben, die bisherigenFormulierungen im Gesetzespaket enthielten ein Ko-operationsverbot im Bildungsbereich, speziell beiden Hochschulen. Diese Kritik habe ich von Anfangan – erlauben Sie mir dieses offene Wort – für Unsinngehalten; es wurde eine Schimäre aufgebaut. Ausmeiner Sicht wäre ein Hochschulpakt über Bundes-hilfen zur Bewältigung des sich abzeichnenden „Stu-dentenbergs“ kein Problem gewesen. Die öffentlicheDebatte war also überflüssig.

Wenn nun in letzter Minute die Gemeinschaftsauf-gaben um die Förderung von Vorhaben der Wissen-schaft an Hochschulen erweitert wurden, dann be-deutet dies zweierlei: Erstens kann der Bund Mittelauch für die Lehre, nicht mehr nur für die Forschungan den Hochschulen zur Verfügung stellen. Zweitenskönnen diese Mittel auch nichtinvestiv eingesetztwerden, also auch für Personalkosten. Ich weiß, dassdiese Verflechtung vielen hier zu weit geht. Aber esbleibt trotz der Änderung dabei, dass das Hochschul-wesen in erster Linie zum Aufgabenfeld der Länder,nicht zu dem des Bundes gehört.

Die Länder können den Hochschulen mehr Auto-nomie geben. Dies ist mein großes Ziel für Nord-rhein-Westfalen. Wir wollen dies mit Hilfe unseresneuen Hochschulgesetzes erreichen, in dem wir denHochschulen die Chance geben, schärfere Profile zuentwickeln, mit denen sie auch im internationalenVergleich bestehen können.

Aus den genannten Gründen kann Nordrhein-Westfalen der Änderung zustimmen; insofern habensich die Verhandlungen gelohnt.

Aber die Reform bleibt unvollständig, wenn wirnicht den Mut haben, die Finanzverfassung neu zuordnen; hier darf es nicht bei Ankündigungenbleiben. Dazu gehören der weitere Abbau vonMischfinanzierungen, eigene Steuergesetzgebungs-

Dr. Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen)

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)kompetenzen der Länder und ein besserer bundes-staatlicher Finanzausgleich.

Die Regierungschefs der Länder haben sich mit derBundeskanzlerin bereits auf einen offenen Themen-katalog verständigt. Auf einen Punkt darin weise ichhin: das Ziel, ein neues Instrumentarium zur Vor-beugung von Haushaltsrisiken zu verabreden. Diedramatische Finanzsituation des Bundes und derLänder macht deutlich, dass die bisherigen Mecha-nismen in diesem Feld nicht ausreichen. Deshalb istdie Frage erlaubt, warum eine Schuldenbremse, wiesie in den Europäischen Verträgen längst etabliert ist,nicht auch national möglich sein soll. Dass eine sol-che Schuldenbremse mit einem Frühwarnsystem ver-bunden werden müsste, mit dem sich Haushaltsrisi-ken frühzeitig erkennen und bekämpfen lassen, wäredann nur konsequent. Unabdingbar wäre zudem,dass wir materielle Kriterien für die zulässige Ver-schuldung mit Anreizen und Sanktionen verbinden.

Ein neues Instrumentarium insbesondere zur Vor-beugung von Haushaltsrisiken gäbe Anstrengungenzur Haushaltskonsolidierung nach meiner Ansichtzusätzlichen Schwung und zusätzliche Legitimation.Jeder, der dieses Geschäft betreibt – das sind wiralle –, weiß, dass dies hilfreich wäre. Übrigens hörtedann auch manche Trickserei bei der Haushaltsauf-stellung auf oder wäre zumindest schwieriger. Wennich den Bundesfinanzminister heute Morgen in ei-nem Interview richtig verstanden habe, scheint eseine gute Chance zu geben, hier zu einer Lösung zukommen. Ich begrüße das ausdrücklich.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir beschließenheute die Föderalismusreform I und stoßen damit dieTür für weiter reichende Reformen auf. Das ist im In-teresse eines lebendigen demokratischen Föderalis-mus, und es ist gut für das gesamte Land.

Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Minister-präsident, herzlichen Dank!

Das Wort hat der Regierende Bürgermeister vonBerlin, Herr Wowereit.

Klaus Wowereit (Berlin): Herr Präsident! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Wer hätte das ge-dacht: Deutschland ist noch fähig zu Reformen, undzwar zu Reformen, die im Deutschen Bundestag undim Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit beschlossenwerden müssen. Es ist ein gutes Zeichen, dass diesmöglich ist. Heute ist der Tag, den viele erhofft undfür den viele hart gearbeitet haben. Andere habendiesen Tag ge- und befürchtet. Nicht wenige habendafür gearbeitet, dass die Föderalismusreform Ischeitert.

Ich möchte denjenigen Dank sagen, die von An-fang an daran geglaubt haben, dass es richtig ist, diebundesstaatliche Ordnung neu aufzustellen und zuüberprüfen, ob das, was sich über Jahrzehnte einge-bürgert hat und Verfassungspraxis geworden ist,noch zeitgemäß ist – nicht, weil man das Gesetz än-dern will, nicht, weil man eine abstrakte Verfas-sungsdebatte führen will, sondern weil wir uns ge-

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fragt haben: Was kann besser sein für dieBürgerinnen und Bürger? Wo sind die Kompetenzenbesser angesiedelt, damit man in deren Interesseeine bessere Politik machen kann?

Ich wiederhole, was Kollege Beck gesagt hat: Auchvon meiner Seite geht Dank an zwei Männer, Kolle-gen Stoiber und Kollegen Müntefering, die mit Vehe-menz gekämpft haben, die viel politische Reputationeingesetzt haben, um die Reform zu ermöglichen.

Bei Kollegen Stoiber muss ich allerdings eine Ein-schränkung machen: Er war nicht nur Motor, sonderngleichzeitig Bremser. Im Dezember des Jahres 2004standen wir schon kurz vor dem Abschluss. Die Eini-gung kam nicht zu Stande, weil sich die Vertreter derunterschiedlichen Ansatzpunkte beim Thema „Bil-dung“ nicht bewegt haben; sie haben sich bis heutenicht bewegt. Wir wissen, dass „Bildung“ das Themaist, das beinahe wieder zum Scheitern führte, diesmalim Deutschen Bundestag.

Ich meine, die Erwartungshaltung war teilweise zuhoch, teilweise wurde der vorgelegte Gesetzentwurfaber auch nicht richtig gelesen. Sonst könnten Beur-teilungen und Bewertungen nach dem Motto, nichtssei erreicht worden, alles sei falsch, schlecht und einRückschritt, nicht abgegeben werden; denn in derTat ist viel erreicht worden. Wer allerdings mit demResultat eines Zentralstaates aus der Debatte heraus-kommen wollte, der muss ebenso enttäuscht sein wiederjenige, der gedacht hat, dass alles auf die Länder-ebene verlagert werde, auch das, wofür sinnvoller-weise nur der Bund zuständig sein kann.

Ich wundere mich, dass manche den Kerngedan-ken des Föderalismus nicht begriffen haben. DieserKerngedanke hat ein wesentliches Element: die Kul-turhoheit der Länder. Ohne sie kann man den Föde-ralismus abschaffen, beerdigen. Deshalb musste sichjeder zum Schluss die Frage stellen: Was passiert,wenn die vorgelegten Gesetzesänderungen nichtdurchkommen?

Abstruse Vorstellung, der Bund könne für alleSchulen in der gesamten Republik zuständig sein!Das war doch bislang nicht Realität. Das Wort „Bil-dungsplanung“, das im Grundgesetz stand, bedeu-tete nicht, dass die Unterrichtsinhalte zentralistischfür die gesamte Republik festgelegt wurden. Das lagimmer in der Kompetenz der Länder. Sie hattenselbstverständlich die Verantwortung, dafür zu sor-gen, dass Kinder, die von einem Land in ein anderesumziehen, nicht zurückgeworfen werden und ihreAbschlüsse anerkannt werden, dass gemeinsame Re-gelungen für das Abitur und für die anderen Ab-schlüsse gefunden werden.

Wer mir entgegenhält, es gebe tatsächlich Schwie-rigkeiten, wenn ein Kind von Berlin nach Bayern um-geschult wird, weil es in Bayern viel schlechter be-handelt werde als in Berlin, Herr Kollege Stoiber,dem sage ich: Dieser Vorwurf könnte auch in Bayerngeäußert werden. Auch dort gibt es Schulen, die bes-ser oder schlechter oder die im Stoff weiter sind. Dasist Normalität.

Dr. Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen)

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)Es wird weiter Aufgabe der Länder sein, in der

Kultusministerkonferenz, die sinnvoll und notwen-dig ist, gemeinsame Regelungen zu finden. Bei allerKritik an dieser Institution meine ich, dass sie sichbewährt hat.

Es gibt Länder, die skeptisch sind, ob mit mehrKompetenz mehr Wettbewerb – möglicherweise einruinöser Wettbewerb – entsteht. Ich ermuntere dieseLänder, Mut zu haben, auch in der Auseinanderset-zung.

Ich halte es für richtig, dass wir die Gesetzge-bungskompetenz für das Dienst- und Besoldungs-recht bekommen. Ich kann es mir nicht leisten, vonder Gesetzgebung im Deutschen Bundestag zur Be-amtenbesoldung abhängig zu sein. Wir müssen sel-ber die Entscheidung treffen können, ob wir Tarif-steigerungen durchführen oder nicht. Angesichts derhohen Personalkostenanteile von 30 bis 40 %, die dieLänder haben, ist das für die Gestaltung der Zu-kunftsfähigkeit des eigenen Landes elementar; da-rauf ist bereits hingewiesen worden. Daher muss eshingenommen werden, dass ein anderes Land Schul-leiter vielleicht eine Stufe höher bezahlt.

Im Übrigen haben wir schon heute in der Besol-dungsstruktur erhebliche Unterschiede zwischen denLändern. Berlin befindet sich in direkter Konkurrenzmit dem Nachbarland Brandenburg und mit demBund als Behördeneinrichtung. Dort werden höhereGehälter gezahlt und höhere Gehaltsstufen für diegleichen Tätigkeiten festgelegt. Schön, wenn mandas tun kann, schlecht, wenn man das nicht tunkann. Diese Konkurrenz besteht heute schon. Aberwir müssen selber in der Lage sein, Einfluss zu neh-men, mehr noch, als das bislang der Fall war. Gesun-der Wettbewerb kann nicht schaden.

Im Übrigen: Wer glaubt denn, dass zwischen denLändern kein Wettbewerb herrscht? Bei allen Statisti-ken, bei allen Rankings freuen wir uns doch jeweils,wenn wir an der vordersten Stelle stehen, und wir är-gern uns, wenn wir hinten platziert sind. Selbstver-ständlich sind Investoren unterwegs und spielen dieLänder gegenseitig aus. Sie sagen: Land A bietet mirdiese oder jene Förderung, was bietest du mir? –Oder bei großen Sportereignissen: Wenn es darumgeht, Olympische Spiele, Fußballweltmeisterschaftenoder Leichtathletikweltmeisterschaften auszurich-ten, sind wir in einem föderalen Wettbewerb, weilwir selbstverständlich davon ausgehen, dass jeder esbesser kann als der andere. Diese Konkurrenz ist da.Sie muss nicht ruinös sein, sie kann sehr fruchtbarsein. Ich glaube, eine solche Verantwortung ist rich-tig.

Die Stärkung der Landesparlamente ist wichtig. Esist darauf hingewiesen worden, dass die Länder fürdie Kompetenzen, die auf sie verlagert werden,selbstverständlich die Verantwortung tragen. Siekönnen sich nicht mehr hinter dem Vermittlungsaus-schuss, dem Bundesrat oder dem Deutschen Bundes-tag verstecken. Sie selber müssen ihren Wählerinnenund Wählern, ihren Bürgerinnen und Bürgern erklä-ren, welche Gesetze gemacht werden, weshalb sierichtig sind. Ich halte es auch für gut, dass wir bei-

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spielsweise beim Ladenschlussgesetz nun endlich inder Lage sind, auf die Bedürfnisse der jeweiligen Si-tuation einzugehen und eigenständige Regelungenzu finden.

Der Deutsche Bundestag wird gestärkt. Der Ver-mittlungsausschuss verliert an Macht. Die Entschei-dungen werden dadurch transparenter. Die materi-elle Gesetzgebungskompetenz des Bundes kann vonuns nicht mehr über formale Mechanismen angetas-tet werden. Wir wissen, dass auf Grund der Zustim-mungsbedürftigkeit über die Formalismen immerauch Inhalte beeinflusst worden sind, egal welcheRegierung an der Macht war. Dies ändert sich, und eswird wesentlich zur Stärkung des Deutschen Bundes-tages beitragen. Das ist richtig so. Das bedeutet, dassandere Einflussmöglichkeiten abgeben, aber es wirdtransparenter. Deshalb ist die vorgelegte Föderalis-musreform unter dem Strich ein durchaus beachtli-ches Werk. Alle Erwartungen konnte es nicht erfül-len, weil die Voraussetzungen nicht gegeben waren.

Ich möchte mich für die Unterstützung aller Länderbei der Hauptstadtklausel recht herzlich bedanken.Auch sie ist mit der Föderalismusreform auf den Weggebracht worden. Damit wird in der Verfassung dieVerantwortung des Bundes für die gesamtstaatlicheRepräsentanz in der Hauptstadt verankert. Am An-fang war die Skepsis in Bezug auf diesen Vorschlaggroß. Der Konsens, der seit Jahren bei dieser Klauselherrscht, ist im Laufe des Diskussionsprozesses nichtin Frage gestellt worden. Ich möchte mich für diebreite Unterstützung ausdrücklich bedanken.

Ich weiß, dass die Klausel im Grunde genommennur eine Ermächtigung für den Bund ist, tätig zu wer-den, und ich bin nicht so naiv zu glauben, dass sichdaraus direkte Leistungen für das Land Berlin erge-ben. Das wird nach wie vor ein harter Kampf. Aber eshat sich das Bewusstsein verändert, dass die Haupt-stadt in einem föderalen System nicht lästig, nichtschädlich ist, sondern zum Föderalismus dazugehört.Die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland istnicht die Hauptstadt allein der Berlinerinnen undBerliner, sondern der Menschen in der gesamten Re-publik.

Was Sie mit Ihren Landesvertretungen tagtäglichhier dokumentieren, nämlich die Präsenz Ihres Lan-des in der Hauptstadt, ist hervorragende Arbeit.Wenn der Kollege Stoiber in seiner Vertretung in Ber-lin München als Fußballstadt präsentiert

(Dr. Edmund Stoiber [Bayern]: Mit Ihnen!)

– mit mir zusammen –, dann ist das doch ein deutli-ches Zeichen. Ich habe mir sagen lassen, er hat aufder Tribüne des Fußballstadions in München sogargesungen: Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!

(Heiterkeit)

Darin zeigt sich doch die Übereinstimmung. In ande-ren Spielstädten soll das nicht anders gewesen sein.Die neue Annahme der Hauptstadt, und sei es nur zuZeiten des Fußballs, ist ein deutliches Zeichen. Des-halb: herzlich willkommen!

Klaus Wowereit (Berlin)

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)Ich denke, dass wir damit einen großen Teil der Ar-

beit erledigt haben.

Die Föderalismusreform II steht noch aus, genausowie eine Länderneuordnung, auf die sich viele Hoff-nung machen. Ich sage an dieser Stelle deutlich: Eswar richtig, dass wir diese Punkte ausgeklammerthaben. Sonst hätten wir heute kein Ergebnis.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Neuord-nung von Ländern weiterhin auf der Tagesordnungstehen muss. Es wäre aber falsch, das mit Tricks odermit generellen Regelungen zu erreichen. Das mussvon den Menschen in den Ländern akzeptiert wer-den, und es muss von ihnen selber ausgehen. Wir ha-ben mit Berlin und Brandenburg die Erfahrung ge-macht, dass es nicht leicht ist, die Menschen zuüberzeugen; denn gegen alles, was neu ist, regt sichWiderstand. Trotzdem werden wir diesen mühevollenWeg gehen müssen, wenn wir weiter an dem Fu-sionsgedanken festhalten. In Berlin ist die Mehrheitder Bevölkerung dafür, in Brandenburg ist sie zurzeitdagegen. Dann muss man überzeugen. Das gilt fürandere Regionen auch.

Es hat keinen Sinn zu meinen, mit einer bundes-einheitlichen Abstimmung über die Interessen derMenschen in den Ländern entscheiden zu können.Das wäre falsch. Aber wir sollten alle ermuntern,über den eigenen Schatten zu springen. Es gibt im-mer wieder Vorschläge, die zeigen, dass man dort vo-rankommen will.

Der zweite Punkt betrifft die Neuregelung derFinanzen; das ist eine schwierige Materie. Sie isttrotzdem höchstwahrscheinlich notwendig. Wir müs-sen am Anfang dieses Prozesses eine Analyse ma-chen, ob die Thesen richtig sind, die zu der Debattegeführt haben. Die These des Bundes lautet, die Län-der und die Kommunen hätten zu viel Geld. DieThese der Länder lautet, der Bund komme zu gutweg. Die These der Kommunen lautet, Bund undLänder stünden zu gut da. Jeder denkt, der anderehat zu viele Anteile von dem Kuchen abbekommen,weshalb der Kuchen neu verteilt werden solle.

Eine Neuverteilung ist einfach, wenn man mehrverteilen kann. Wir haben aber die Situation, dass esmehr nicht geben wird, sondern der Kuchen nur inandere Stücke geschnitten werden kann. Das bedeu-tet, dass jeder selbstverständlich darauf schauenwird, ob sein Stück am Ende größer oder kleinerwird. Es liegt in der Natur der Sache, dass derjenige,der denkt, dass sein Stück kleiner wird, nicht auf Diätgesetzt werden möchte. Er wird darauf achten, dassdies nicht geschieht, und schon ist die Blockade da.

Das heißt, wir müssen versuchen zu objektivieren.Wir müssen prüfen, ob die Verteilung der Finanz-ströme, die sich über Jahrzehnte entwickelt hat, nochzeit- und sachgemäß ist und ob die Aufgaben in denjeweiligen Ebenen erfüllt werden können. Sind dieLänder und die Kommunen in der Lage, die Maßnah-men zur Daseinsvorsorge zu ergreifen, die die Men-schen z. B. im Bereich der Kindertagesstätten, derSchulen und Hochschulen, der Sicherheit, der Polizeivon ihnen erwarten? Sind die Gelder, die zwischen

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dem Bund, den Ländern und den Kommunen aufge-teilt werden, richtig aufgeteilt, oder hat der Bund ei-nen höheren Anspruch, weil er Hartz IV und anderesbezahlen muss? Also: objektiv herangehen, Scheu-klappen weglassen! Sonst wird es kein Ergebnis ge-ben.

Es könnte sein, dass das Urteil des Bundesverfas-sungsgerichts auf Grund der Klage des Landes Ber-lin auf Anerkennung einer Haushaltsnotlage, das imSeptember oder Oktober zu erwarten ist, Hinweiseauf notwendige Neuordnungen gibt, vielleicht sogarterminlich. Dadurch könnte ein Impuls kommen, ausdem sich Handlungszwang ergibt. Wir wissen, dassneben der Klage des Landes Berlin die Klagen desSaarlandes und Bremens anhängig sind. Ich nehmean, sie warten auf das Ergebnis. Es könnte sein, dasssich dann auch andere ermutigt fühlen. Deshalb be-steht dringender Neuordnungsbedarf.

Wir können uns nur gegenseitig ermuntern, offenin diese Diskussion zu gehen. Dann würde nach demheutigen Schritt Föderalismusreform I mit der Per-spektive der eigenständigen Regelung von Länder-zusammenlegungen vor Ort der dritte Teil, nämlichdie Föderalismusreform II zum Thema „Finanzen“,einen neuen Impuls geben.

Ich meine, wir können mit Fug und Recht sagen,dass das, was heute vorgelegt worden ist, kein klein-teiliges Werk ist. Es wird die Politik in der Republikdurch klarere Zuständigkeiten und Verantwortlich-keiten, damit durch eine Stärkung unseres demokra-tischen Gemeinwesens wesentlich mit verändern.

Präsident Peter Harry Carstensen: Ich bedankemich, Herr Regierender Bürgermeister.

Das Wort hat Ministerpräsident Koch (Hessen).

Roland Koch (Hessen): Herr Präsident! Meine sehrverehrten Damen und Herren! Es ist viel Richtigesgesagt worden, und es gehört nicht zu unserer Tradi-tion, alles zu wiederholen. Ich möchte zwei Bemer-kungen hinzufügen.

Ich beginne mit einer eigenen Erinnerung. Noch imPlenarsaal des Bundesrates in Bonn während des ers-ten halben Jahres meiner Zugehörigkeit zu diesemHause erlebte ich eine außerordentlich lange Abstim-mung über 80 Einzelpunkte, wenn ich es richtig imKopf habe. Es ging um die Verständigung darüber,welche Kompetenzen der Bundesrat vom Bund wie-dererlangen wollte; es gab 80 Optionen. Es stelltesich heraus, dass sechs von 80 Optionen für eine Wie-dererlangung von Kompetenzen hinreichend Unter-stützung gefunden hatten.

( V o r s i t z : Vizepräsident Matthias Platzeck)

Mit unserer heutigen Abstimmung vollziehen wireinen wesentlichen Schritt nicht nur im Verhältnis derLänder zum Bund, sondern in nicht unbeträchtlichemMaße auch im Hinblick auf unsere Selbstvergewis-serung und unser Selbstverständnis. Auf Grund desAutomatismus vermeintlicher Funktionalitäten sind

Klaus Wowereit (Berlin)

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(B) D)

)wir in der Frage des verfassungsrechtlich abgesicher-ten Föderalismus über viele Jahre in einen Wettbe-werb der Argumente geraten. Jeder unserer Amts-vorgänger und Amtsvorgängerinnen, oft auch jedervon uns hat sich die Frage gestellt, ob es sich ange-sichts der vielen Fachleute, die sich für zentrale Re-gelungen aussprechen, weil sie viel günstiger seien,wirklich lohnt, in jedem einzelnen Punkt zu wider-sprechen. Jedenfalls seit Mitte der 60er-Jahre kamman tendenziell zu dem Schluss, dass es den Ärgernicht rechtfertigt.

So ist es zu einem Geflecht von Zuständigkeitengekommen. Die verfassungsrechtlichen Zuständig-keiten entsprachen nach wie vor dem Grundgesetz,die administrativen Verfahrensabläufe waren aufGrund vielfältiger Vereinbarungen, Kompromisseund finanzieller Zuordnungen ein fast undurch-schaubares Gewebe geworden.

Das ändern wir heute zum Teil. Wir haben nicht dieKraft – das betrifft uns mehr oder weniger –, mögli-cherweise auch nicht den Willen, das alles zu zer-schlagen; denn wir haben nicht die Absicht, uns alsjeweils selbstständige Länder in die 25 Länder Euro-pas einzureihen, obwohl viele von uns nach derGröße durchaus nicht an einer hinteren Stelle stehenwürden.

Wir wollen in einer föderalen Ordnung eine klareZuordnung der Verantwortlichkeiten erreichen.Wenn wir es so betrachten, können wir unseren Lan-desparlamenten sagen, dass sie in Zukunft ein höhe-res Maß an Verantwortlichkeit haben. Sie werden inder Lage sein, dieses Maß an Verantwortlichkeit zutragen, auch wenn es neue Herausforderungen undneue Auseinandersetzungen gibt.

Etwa im Bereich des Strafvollzugs wird es ummehr gehen als um die Frage „rechts oder links“oder um die Frage des Geldes. So gut sind die Ergeb-nisse im Bereich der Resozialisierung in der Bundes-republik Deutschland, über alle Länder hinweg,wahrlich nicht, dass man nicht überlegen könnte, obman bei den vorhandenen Finanzmitteln nicht bes-sere Wege findet.

Das gilt auch für das Heimrecht. Es gibt keinenGrund zu glauben, in Bund-Länder-Arbeitsgruppenund -Kommissionen oder vielfältigen nationalen In-stitutionen, denen allen gemeinsam ist, von den kon-kreten Projekten möglichst weit entfernt zu sein,würden klügere Lösungen gefunden als im Landtag,wo wir heftig darüber diskutieren, ob unsere Stan-dards besser oder schlechter sind als diejenigen imNachbarland. Das wird es allerdings erfordern, dasswir uns vergleichen lassen.

Da wir über Bildung sprechen: Wenn Föderalismusinstitutionell sicherstellt, dass man nicht vergleichbarist, verliert er seine Legitimation. Bis Mitte der 90er-Jahre sind von der Kultusministerkonferenz – alsovon uns; die Kultusministerkonferenz wird, auchwenn wir das nicht immer wahrhaben wollen, vonden Ländern gestellt – und dem Bund, getrieben oderhingenommen, Verträge abgeschlossen worden, wo-nach, wenn die OECD in Deutschland eine Unter-

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suchung zum Thema „Bildung“ macht, sichergestellt– in Anführungszeichen – werden muss, dass aus denErgebnissen keine Vergleichbarkeit der deutschenLänder abgeleitet werden kann. Das zeigt, dass Län-der über viele Jahre „Verantwortlichkeit“ selbst nichtrichtig definiert haben. Wenn man sich mit anderenvergleichen kann, ist Selbstständigkeit sinnvoll.Wenn man aus der Selbstständigkeit das Recht ablei-tet, nicht offen legen zu müssen, was man getan hat,ist das eine Verschwendung von Zeit und Kraft.

Diese Föderalismusreform beinhaltet nach meinemVerständnis eine wichtige Aufgabenverteilung zwi-schen Bund, Europa und Ländern. Sie ist aber auchdie Herausforderung an uns selbst, Dinge zu korri-gieren, die wir über 20 oder 30 Jahre hingenommenhaben. Kein einziger Verlust an Einfluss und keineeinzige Verwischung von Kompetenzen sind ohneZustimmung dieses Parlamentes geschehen. Ichmeine, wir haben uns auch selbst etwas zugemutet,und wir haben etwas erreicht, was im Kreis der Län-der nicht selbstverständlich ist.

Zweitens. Mir ist sehr wohl bewusst – das wird unsin den nächsten Monaten weiter begleiten –: Jedervon uns, der, in welcher Sache auch immer, Entschei-dungen trifft, kann sich nicht frei davon machen,dass sich das in seinem Haushalt abbildet. DieHaushalte beherrschen heute zunehmend alle Dis-kussionen. Jede Auswirkung auf den Haushalt,insbesondere die Erhöhung einer risikobehaftetenAusgabenposition, bringt uns an die Grenze der Ver-fassungsmäßigkeit und gefährdet die Erreichungwichtiger politischer Ziele, die wir unseren Bürgerin-nen und Bürgern vorgegeben haben.

Bei allem, was meine Vorredner über die Bedeu-tung der föderalen Ordnung und von Dezentralitätsowie über die Vorteile, die Dezentralität und Orts-nähe bei Sachentscheidungen haben, gesagt haben,sollten wir nicht vergessen, dass die BundesrepublikDeutschland das am weitesten entwickelte Finanz-ausgleichssystem aller Staaten mit föderaler Strukturhat. Das betrifft auch die Höhe der gegenseitigenAusgleichsquoten.

Wir müssen darüber diskutieren, wo es eine Nach-justierung geben kann. Um es sehr offen zu sagen:Es ist natürlich eine Herausforderung – auch für einBundesland, wie ich es zu vertreten habe –, dass bisauf die letzten maximal 10 % jedes Landesparlamentüber die gleichen Einnahmen pro Kopf verfügt, di-rekt oder aus Verteilungen unterschiedlichster Art;sie zu erklären ist selbst für uns eine Herausforde-rung. Am Ende ist ein Parlamentarier in einem Landder Bundesrepublik Deutschland, wenn er die Ein-nahmen durch die Zahl der Einwohner teilt, in einermit seinem Nachbarn, egal in welchem Bundesland,vergleichbaren Situation. Das ist in den Stadtstaatenkomplizierter; denn dort gibt es zwei Einnahmetöpfe,weshalb anders zu rechnen ist. Aber für die Flächen-länder gilt das. Es ist das Ergebnis unserer Verhand-lungen über den Finanzausgleich.

Trotzdem sagen einige Kollegen: Wir können dieAufgaben, die ihr uns im Wettbewerb aufgebt, mitBlick auf unseren Haushalt nicht richtig betrachten. –

Roland Koch (Hessen)

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)Ich gebe zu: Ich fühle mich vor die gleiche Herausfor-derung gestellt. Meine Universitätspräsidenten sa-gen: Ihr seid schlecht. – Ich entgegne: Wir sind gut. –Beide kommen mit Statistiken. Kein Haushalt einesBundeslandes hat einen höheren Anteil für Universi-täten als Hessen. Aber nur in wenigen Ländern wirdein so geringer Anteil für die Hochschulen im Ver-hältnis zum Bruttoinlandsprodukt, das im Land er-arbeitet wird, ausgegeben. Das Ergebnis dazwischenist der Finanzausgleich, weil wir Steuern nicht inHöhe unseres Bruttoinlandsprodukts zur Verfügunghaben, sondern einen Teil davon abgeben, damit an-dere Länder Einnahmen oberhalb ihres Brutto-inlandsprodukts haben.

Dies ist ein Verteilungsmechanismus, der einenziemlich aufregen kann. Das wissen alle Beteiligten.Genauso aufregend kann es sein, über nicht genü-gend Mittel verfügen zu können. Aber irgendwannmüssen wir akzeptieren, dass die Frage, ob man vonjedem Euro, den man bekommt, genügend Cent ab-zweigen kann, um zwei oder drei große Universitätenzu betreiben, auch im Zusammenhang mit der Bevöl-kerungszahl steht. Das können wir nicht aufheben.

Ich gehe deshalb davon aus, dass es in den Län-dern unterschiedliche Strukturen geben wird. Wirsind uns – bisher – darin einig, dass die Länder nichtgleich groß sein müssen. Wir haben aber bewusstauch die Entscheidung getroffen, dass sich die Höhedes Finanzausgleichs an der Zahl der Einwohnerorientiert. Der Wettbewerb unter den Ländern wirdin diesem Spannungsfeld stattfinden. Solange wirdieses Spannungsfeld aufrechterhalten – was ich aus-drücklich nicht in Frage stelle –, benötigen wir unter-schiedliche Strategien und dürfen nicht paralleleAntworten auf die gleichen Fragen geben. Es ist un-ser Wille, Dezentralität nicht an der Größe von Län-dern festzumachen.

Ich verstehe es so, dass es Teil der Föderalismus-reform II sein wird, diesen Bestandteil beizubehalten.Dieser Aspekt wird unsere Möglichkeiten limitieren.Wir werden schauen müssen, wie weit wir kommen,wenn es darum geht, unter der Limitierung, die wiruns selbst auferlegt haben, neue Strukturen zu schaf-fen.

Viele Menschen glauben, es gebe eine Einbahn-straße in Richtung Zentralisierung, und schimpfendarüber, dass Zentralisierungstendenzen nicht zustoppen seien und dezentrale Verantwortung nichtgestärkt werden könne. Wenn wir diese Kritik auf dieDauer zum Verstummen bringen wollen, müssen wirfähig sein, bei der Ordnung der Finanzbeziehungenmehr zu leisten, als uns gegenseitig den Status quozu versprechen.

Das ist eine Herausforderung. Ob man sie in zweioder in drei Jahren bewältigt und in welcher Koali-tion dies geschieht, weiß ich nicht. Aber ich weiß,dass die Länder auf Dauer zu Verwaltungsprovinzenwürden, wenn wir den heutigen Schritt nicht gingen.Deshalb ist die Föderalismusreform für die Länderwichtig. Sie ist auch für den Bund wichtig; aber da-rüber ist im Deutschen Bundestag schon gesprochen

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worden. Wenn beide Seiten zu diesem Ergebnis kom-men, dann ist es ein Schritt in die richtige Richtung.

Das entpflichtet uns nicht, daran zu denken, dassalle kleinen Schritte von uns in die falsche Richtunggegangen worden sind. Insoweit sollten wir nieman-dem böse sein. Es ist gut, diese Erkenntnis im Ge-dächtnis zu behalten, wenn sich uns ab morgen aufder Basis der neuen verfassungsrechtlichen Grundla-gen die nächsten kleinen Fragen stellen, bei derenBeantwortung wir uns wieder in die richtige oder indie falsche Richtung bewegen können. – VielenDank.

Vizepräsident Matthias Platzeck: Vielen Dank,Herr Kollege Koch!

Das Wort hat Herr Ministerpräsident Carstensen(Schleswig-Holstein).

Peter Harry Carstensen (Schleswig-Holstein): HerrPräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Schleswig-Hol-steinische Landesregierung hat sich ihre Entschei-dung über diese Reform wahrlich nicht leicht ge-macht. Nach Jahren der Diskussion über eineModernisierung der bundesstaatlichen Ordnung wirdder Bundesrat – wie zuvor bereits der Bundestag –über die Föderalismusreform abstimmen. Gerne hätteSchleswig-Holstein zugestimmt; wir bedauern, dassuns dies nicht möglich ist.

Die Bundesrepublik Deutschland lebt vor allemdurch die deutschen Länder. Unser föderalistischesSystem ist gut, wird akzeptiert und hat sich bewährt.Allerdings ist über die Jahrzehnte die Verflechtungder Länder, des Bundes und der Europäischen Uniongewachsen. Die verschiedenen Ebenen haben sichnicht immer sinnvoll ergänzt.

Wir haben uns deshalb dafür eingesetzt, dass dieAufgaben und die Verantwortlichkeiten der Kommu-nen, der Länder, des Bundes und Europas für dieBürgerinnen und Bürger wieder durchschaubar wer-den – durch Entflechtung der Zuständigkeiten vonBund und Ländern und durch eine klare Festlegungvon Verantwortlichkeiten. Wir haben uns dafür ein-gesetzt, Überregulierungen abzubauen und demPrinzip der Subsidiarität wieder mehr Geltung zuverschaffen. Aufgaben, die die Kommune lösenkann, soll die Kommune lösen. Aufgaben, die einLand lösen kann, muss das Land lösen. Erst dann istder Bund oder die EU gefragt.

Deshalb habe ich sowohl vor dem Schleswig-Hol-steinischen Landtag im Mai als auch in meinerAntrittsrede als Präsident dieses Hohen Hauses eineNeubestimmung des Föderalismus gefordert. So ver-leihen wir dem Demokratieprinzip unserer staatli-chen Ordnung wieder mehr Geltung. Die Bürgerin-nen und Bürger müssen klar erkennen können, werwofür politisch verantwortlich ist. Demokratie musstransparent sein, sonst verliert sie an Zustimmung.

Meine Damen und Herren, selbstbewusste Länderprägen die Bundesrepublik Deutschland. Sie sind

Roland Koch (Hessen)

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)Garanten für einen konstruktiven innerstaatlichenWettbewerb. Wir müssen aber auch dafür sorgen,dass die Länder in der Lage sind, ihre Aufgaben auseigener Kraft zu erfüllen. Die angestrebten Änderun-gen des Grundgesetzes werden den Abstimmungs-bedarf zwischen Bundestag und Bundesrat vermin-dern. Mitwirkungsrechte des Bundesrates werdendurch die Befugnis der Länder zu abweichender Ge-setzgebung in zentralen Regelungsbereichen, etwaim Umwelt-, Boden-, Raumordnungs- und Hoch-schulrecht, ersetzt. So wird das Betätigungsfeld desVermittlungsausschusses erfreulicherweise einge-schränkt. Dadurch entziehen wir der Gefahr einergegenseitigen Blockade den Boden.

Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung istsich darin einig, dass die Modernisierung der bun-desstaatlichen Ordnung erforderlich ist. Aber woLicht ist, ist meistens auch etwas Schatten. Wir kom-men nach gründlicher Analyse zu dem Ergebnis, dasseinige Vorschläge zur Föderalismusreform erhebli-che Nachteile für Schleswig-Holstein in sich bergen.Ich könnte hier zu einer Reihe von Einzelpunktenlang und breit Stellung beziehen, werde aber daraufverzichten. Unsere Positionen sind bekannt. Wir ha-ben uns von Anfang an in den gesamten Prozess sehrklar und transparent eingebracht und unsere Hal-tung zum Ausdruck gebracht. Durch den Verlauf derDiskussion sehen wir uns bestätigt und bestärkt.

Ich will an dieser Stelle nur mit wenigen grundle-genden Bemerkungen den Abwägungsprozess unddie abschließende Position Schleswig-Holsteins dar-legen.

Nachteile sehen wir bei der Verlagerung einigerGesetzgebungskompetenzen ebenso wie bei den fi-nanziellen Folgewirkungen angestrebter Grundge-setzänderungen. Die Schleswig-Holsteinische Lan-desregierung sieht insbesondere die Verlagerung derGesetzgebungskompetenzen im Laufbahn-, Besol-dungs- und Versorgungsrecht auf die Länder sehrkritisch. Wir haben die Sorge, dass es in einigen Be-reichen nicht, wie immer betont wird, zu einem ge-sunden, sondern zu einem ausufernden Wettbewerbzwischen den Ländern kommt. Für diese Position hatauch Ministerpräsident Beck Verständnis geäußert.

Zudem ist für uns nicht einzusehen, dass Länder,die ihre Probleme entschieden anpacken, dennochdurch Sanktionen im Rahmen des nationalen Stabili-tätspaktes bestraft werden. Solche Sanktionen wür-den uns in die Haushaltsnotlage bringen. Wir mei-nen vielmehr: Wir müssen dafür sorgen, dass dieLänder in der Lage sind, ihre Aufgaben aus eigenerKraft zu erfüllen.

Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung istsich in der Einschätzung einig: Insgesamt führt dasvorgesehene Reformpaket zu einer – grundsätzlichbegrüßenswerten – klareren Kompetenzverteilungzwischen Bund und Ländern. Aber wir sind unsebenso einig, dass das heute zur Abstimmung ste-hende Verhandlungsergebnis Punkte beinhaltet, dieeinem ausufernden Wettbewerbsföderalismus denWeg bereiten. Ich lege Wert auf die Feststellung:Dem Wettbewerb stellen wir uns gerne. Aber er muss

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zu fairen Bedingungen stattfinden und allen Länderngerechte Chancen geben. Das sehen wir leider nichtin ausreichendem Maße gewährleistet.

Für die Entscheidung der Landesregierung habendie Interessen unseres Landes absoluten Vorrang.Wir wollen nichts geschenkt haben, sondern machenin Kiel unsere Hausaufgaben: Wir machen Ernst miteiner substanziellen norddeutschen Kooperation, mitBürokratieabbau und der Aufgabe von Aufgaben.Wir bringen unsere öffentlichen Finanzen in Ord-nung; gerade haben wir gemeinsam ein 600-Millio-nen-Euro-Sparpaket geschnürt. Das ist, wie Sie sichvorstellen können, ein steiniger, schwieriger Weg.

Ein gesunder innerstaatlicher Wettbewerb kannerst dann seine gute Wirkung entfalten, wenn dieLänder aus eigener Kraft in der Lage sind, sich ihmzu stellen. Hierbei müssen wir Instrumentarien ent-wickeln, die Reformanstrengungen belohnen, nichterschweren.

Schleswig-Holstein wird sich heute trotz grund-sätzlicher Unterstützung der Bemühungen, den deut-schen Föderalismus zu modernisieren, bei derStimmabgabe enthalten. – Herzlichen Dank.

Vizepräsident Matthias Platzeck: Vielen Dank,Herr Kollege Carstensen!

Das Wort hat Minister Dr. Stegner (Schleswig-Hol-stein).

Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Holstein): Sehr geehr-ter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der Bundesrat entscheidet heute über eineder umfänglichsten Verfassungsänderungen in derGeschichte der Bundesrepublik. Es ist der Versuch,etwas wiederherzustellen, was im Laufe der Jahreverwischt worden ist, was aber konstituierend ist fürunser Land und was wir nicht einmal durch eine Ver-fassungsänderung aufheben können. Das ist dieföderale Ordnung, in der das demokratisch-rechts-staatliche Prinzip der Gewaltenteilung klar zum Aus-druck kommen soll.

Nicht nur die horizontale Teilung in Legislative,Exekutive und Judikative schützt vor ungewolltenund den Missbrauch begünstigenden Machtkonzen-trationen, auch die vertikale Teilung in eine Staats-gewalt des Bundes und eine Staatsgewalt der Länderdient der Sicherung der Freiheit der Bürgerinnen undBürger. Wir brauchen dafür wieder eine schärfereTrennung von Zuständigkeiten. Dies soll die Födera-lismusreform leisten. Deswegen ist sie an sich zu be-grüßen.

Für unser Land sind aber noch weitere Grundlagenkonstituierend. Lassen Sie mich dazu einen der Väterdes Grundgesetzes zitieren! Der Abgeordnete CarloS c h m i d erläuterte in seiner Rede vor dem Parla-mentarischen Rat am 8. September 1948 die notwen-digen Merkmale einer demokratischen Verfassung.Er sagte: „Das Erste ist, dass das Gemeinwesen aufdie allgemeine Gleichheit und Freiheit der Bürgergestellt und gegründet sein muss …“. Deswegen sind

Peter Harry Carstensen (Schleswig-Holstein)

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)nach Artikel 72 des Grundgesetzes gleichwertige Le-bensverhältnisse für alle Menschen in unserem Staatherzustellen. Dies ist Gleichheit und Freiheit auch immateriellen Sinne.

Ich wiederhole, was ich in der Debatte des Bundes-rates am 10. März gesagt habe: Ziel der Föderalis-musreform muss es sein, alle Länder gegenüber demBund zu stärken, nicht nur einzelne. Wenn sich andem Gesetzentwurf nichts verändert, verfehlt dieFöderalismusreform ihren Sinn und Zweck.

Der Bundestag hat einige Änderungen vorgenom-men und die Reform dadurch verbessert. Mein Dankgilt auch denen, die versucht haben, noch Änderun-gen zu bewirken und nicht dem vorab geäußertenBasta-Prinzip – entweder 100 % oder gar nichts –nachzugeben.

Dennoch komme ich zu dem Fazit – bei allem Re-spekt vor denen, die das anders sehen –, dass dieVeränderungen nicht ausreichend sind, um ihnenzustimmen zu können.

Es geht im Übrigen, Herr MinisterpräsidentRüttgers, keineswegs um die Präferenz für zentralis-tische Lösungen, wie sie den Kritikern gelegentlichvorgehalten wird. Zentralismus führt in der Tat eherzu Mittelmäßigkeit. Niemand will zentralistische Lö-sungen.

Aber die Reform bedeutet, so wie sie ist, die Ge-fahr, dass das verfassungspolitische Ziel der innerenEinheit allmählich zur Disposition gestellt wird, weilsie zu Lasten der finanzschwachen Länder gehenwird. Mit ihr werden Pfosten eingeschlagen, diemehr Länder in die Haushaltsnotlage treiben oderzur Zwangsneugliederung von Ländern führen könn-ten.

Um es ein wenig plastisch auszudrücken: Herren-chiemsee ist besser als Tegernsee. Dort wurde nichtnur der arme Bär Bruno erlegt, sondern auch der Öf-fentlichkeit ein Bär aufgebunden. Wer nämlich überzwangsweise Zusammenschlüsse anderer, struktur-schwächerer Bundesländer philosophiert, will nichtden Föderalismus stärken, sondern setzt sich in Wi-derspruch zu unseren Verfassungsprinzipien. Dieser„Pakt für Fairness, finanzpolitische Solidität undGenerationengerechtigkeit“ – so heißt er – offenbarteine größere Distanz zu den Werten des Grundgeset-zes, als wir es in einer seriösen Reformdebatte brau-chen.

( V o r s i t z : Präsident Peter Harry Carstensen)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die nunvorliegenden Gesetze zur Modernisierung der bun-desstaatlichen Ordnung enthalten erkennbar dasBemühen, die Gleichwertigkeit der Lebensverhält-nisse in ganz Deutschland als Voraussetzung fürGleichheit und Freiheit auch in Zukunft zu erhalten.

Die Öffentlichkeit und die am Reformprozess Betei-ligten sind sich darüber im Klaren, dass manche, z. B.Herr Ministerpräsident Beck, daran mitgewirkt ha-ben, noch zu Veränderungen zu kommen. Ihrer posi-tiven Einflussnahme ist es auch zu verdanken, dassetwa das Verbot der Kooperation zwischen Bund

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und Ländern im Hochschulbereich aufgelockert wor-den ist. Das ist positiv.

Insgesamt muss man aber immer auch die Interes-sen des eigenen Landes vertreten. Als Vertreter einesLandes wie Schleswig-Holstein kann man denGrundgesetzänderungen nicht zustimmen, wenn siedie Ungleichgewichte zementieren oder in Teilen so-gar noch verstärken. Eine nüchterne Analyse ergibtleider, dass genau dies der Fall ist. Die Umsetzungder Änderungen wird zu einer Stärkung der ohnehinstarken süd- und westdeutschen Bundesländer füh-ren, struktur- und leistungsschwächere Bundesländerim Norden und im Osten Deutschlands aber weiterschwächen.

Ich will bekräftigen, was der Herr Ministerpräsi-dent soeben gesagt hat: Wir scheuen keineswegs denWettbewerb. Ideenwettbewerb immer, eigene An-strengungen ohnehin, aber Wettbewerb nur, wenn erauch fair ist. Wenn jemand mit der Bleiweste nebenjemandem läuft, der im Leichtathletikdress unter-wegs ist, ist das kein fairer Wettbewerb, meine sehrverehrten Damen und Herren. Insofern hätten wir inbestimmten Bereichen das, was man, glaube ich, zuRecht „aggressiven Wettbewerbsföderalismus“ nen-nen kann.

Die Auffassung der Schleswig-Holsteinischen Lan-desregierung bedeutet übrigens keineswegs – auchdas will ich deutlich sagen, weil es heute mehrmalsangesprochen worden ist –, dass Landesparlamenteweniger klug seien als das Bundesparlament oderdass Landesregierungen weniger verantwortungsvollhandelten als die Bundesregierung. So kleinmütigdarf Kritik nun wirklich nicht sein. Es wäre einesselbstbewussten Landes auch nicht würdig, so zu ar-gumentieren. Darum geht es nicht. Es geht um kon-krete Punkte.

Wenn Sie sich erstens das Thema der Verlagerungder Gesetzgebungskompetenzen im Laufbahn-,Besoldungs- und Versorgungsrecht der Beamten aufdie Länder anschauen, stellen Sie fest, dass hier trotzall dem, was Herr Beck dazu gesagt hat, eben dochKleinstaaterei droht – mehr Bürokratie, weniger Mo-bilität und in der Folge die Zerstörung des Flächenta-rifvertrags im öffentlichen Dienst.

Der Wettbewerb um die attraktivste Beamtenbesol-dung führt zu etwas, was wir schon hatten. Herr Kol-lege Professor Faltlhauser, Finanzminister in Bayern,hat vor wenigen Tagen angekündigt, das Weih-nachtsgeld der bayerischen Beamten ab 2007 zu er-höhen

(Dr. Edmund Stoiber [Bayern]: Nicht erhöhen!)

und zwei Sonderzahlungen vorzunehmen. Prima, essei den Beamten gegönnt! Zur gleichen Zeit musstedie Schleswig-Holsteinische Landesregierung be-schließen, ihren Beamten das Weihnachtsgeld weiterzu kürzen bzw. in Teilen ganz zu streichen. Wir wer-den also auf der einen Seite einen Dumpingwettbe-werb bei Polizisten und Lehrern und auf der anderenSeite einen Besoldungswettlauf nach oben bei Wis-senschaftlern und Forschern haben. Dies tut unseremLand nicht gut.

Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Holstein)

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)Zweitens. Der Nachteil, den unser Land durch das

im Kern fortbestehende Kooperationsverbot auf denGebieten der ausschließlichen Ländergesetzgebung,z. B. bei der Bildung, haben wird, ist ebenfalls groß.Ich bestreite nicht, dass die Zuständigkeit der Länderfür die Schulen etwas Gutes ist, aber so etwas wie einGanztagsschulprogramm ist künftig ausgeschlossen.Das halte ich für falsch.

Drittens und am gravierendsten: Die Finanzrege-lung der Verteilung der EU-Sanktionslasten undandere Punkte erschweren die ohnehin schwierigeAusgangslage kleiner Länder. Die kooperativeFinanzierung sollte doch gerade dem Aufbau einerwachstumsfördernden Infrastruktur in struktur-schwächeren Räumen dienen. Es sollte nicht jedesLand, einschließlich derjenigen, die dies nicht aus ei-gener Kraft leisten können, auf sich selbst angewie-sen sein. Kommt es zu der vorgesehenen Regelungder Verteilung der EU-Sanktionslasten, nützen alleAnstrengungen nichts, und wir befinden uns sofort inder Haushaltsnotlageliga mit dem Saarland und Bre-men. Berlin bewirbt sich im Augenblick darum. Dasheißt, es werden dann mehr Länder in einer Haus-haltsnotlage sein. Das kann nicht Sinn der Übungsein.

Vor diesem Hintergrund kann einem bei der Dis-kussion um die Föderalismus-II-Reform nur angstund bange werden. Ich muss Ihnen ehrlich sagen:Manches, was dazu gesagt wird, ist nicht modernerFöderalismus, sondern eher föderaler Darwinismus.Zum Glück sagt die Lebenserfahrung, dass die sogroße Vielfalt finanzieller Partikularinteressen ver-mutlich verhindern wird, dass solche Blütenträume,wie sie der eine oder andere hat, reifen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mancheGesetzgebungszuständigkeiten – wie beim Strafvoll-zug oder beim Heimrecht – sind schon von ihrem In-halt her auf eine bundeseinheitliche Regelung ange-legt; ihre Regionalisierung hat nur Sinn, wenn mandamit Besonderes vorhat. Das Wort „Schäbigkeits-wettbewerb“ habe nicht ich erfunden. Aber – ichsage das, weil Ministerpräsident Koch es angespro-chen hat – natürlich ist es nicht sonderlich sinnvoll,bei dem entscheidensten Eingriff, den der Staat indie Freiheit der Bürger macht, dem Freiheitsentzug– er ist Ausdruck des Gewaltmonopols des Staates –,auf 16 verschiedene Weisen zu verfahren. Insofernhalte ich Befürchtungen, die in diese Richtung ge-hen, nicht für unberechtigt.

Der Rechtsausschuss des Bundestages und derInnenausschuss des Bundesrates haben gemeinsam– ich darf sagen: in einmaliger Weise – ein Anhö-rungsverfahren zur Föderalismusreform durch-geführt und sich Sachverstand eingeholt, um dieDinge zu prüfen. Ich will auch an dieser Stelle mei-nen Dank an den Vorsitzenden des Rechtsausschus-ses des Deutschen Bundestages, Herrn KollegenS c h m i d t , ausdrücken. Ich glaube, das war einesehr gute Anhörung. Die Mehrzahl der Sachverstän-digen hat sich zu den Themen sehr intensiv geäußert,auch wenn das dem einen oder anderen nicht gefal-len hat. Es war eine kluge Anhörung.

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Leider sind die Änderungen trotz anerkennenswer-ter Detailverbesserungen und des Ausgleichs hand-werklicher Mängel nicht im erforderlichen Umfangvorgenommen worden. Die Schleswig-HolsteinischeLandesregierung wird sich aus den vorgetragenenGründen bei der Abstimmung der Stimme enthaltenmüssen, wie Herr Ministerpräsident Carstensen an-gekündigt hat. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Präsident Peter Harry Carstensen: Ich bedankemich, Herr Minister Stegner.

Das Wort hat Minister Rauber (Saarland).

Karl Rauber (Saarland): Herr Präsident, meine Da-men und Herren! Herr Kollege Stegner, den Paktvom Tegernsee mache auch ich mir nicht zu Eigen.Als Vertreter des kleinen Bundeslandes Saarland binich aber davon überzeugt, dass diese Reform den Fö-deralismus stärkt. Wir sind bereit, auch als kleinesLand diese Verantwortung zu übernehmen; denndas, was wir für politisch halten, können wir auch inZukunft durchsetzen, und das, was wir unterlassen,geht auch mit uns nach Hause.

Ministerpräsident Stoiber hat von Wettbewerbsfö-deralismus gesprochen. Wir sind als kleines Bundes-land bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wirstellen uns auch dem Wettbewerb. Fairer Wettbe-werb setzt aber vergleichbare und gleiche Startbe-dingungen voraus. Dort sind wir noch lange nichtangekommen. Deshalb brauchen wir die Föderalis-musreform II. Eckpunkte werde ich nachher nennen.Wir im Saarland wollen nicht in Abhängigkeit blei-ben. Wir brauchen aber noch die Solidarität der an-deren.

Die Länder werden mit den neuen Gestaltungsauf-gaben selbstbewusst umgehen. Bereits in der Ver-gangenheit haben sie unter Beweis gestellt, dass siedie Innovationskraft für die Modernisierung unseresBildungssystems besitzen. Das achtjährige Gymna-sium wurde vom Saarland ausgehend in den West-ländern eingeführt, es wurde eben nicht bundesseitigverordnet. Ich bin mir sicher, dass die Länder diePotenzialträger eines modernen deutschen Bil-dungssystems sind.

Auch im Bereich Wissenschaft und Forschung wur-den die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten kla-rer abgesteckt. Das Saarland übernimmt diese Auf-gabe selbstbewusst in der festen Überzeugung, dassdie Reform der einzig richtige Weg zu einem moder-nen Föderalismus ist.

Gleichwohl halten wir hinsichtlich des Vertrauens-schutzes bereits begonnener Hochschulmaßnahmennach wie vor eine Übergangsregelung für notwendigund geboten, Frau Bundesministerin S c h a v a n .Ministerpräsident Peter Müller hat hierzu in der Sit-zung des Bundesrates vom 10. März dieses Jahreseine Protokollerklärung abgegeben. Diese Proto-kollerklärung möchte ich heute bekräftigen.

Richtig ist, dass der Bund und die Länder in derForschungsförderung nach wie vor zusammenwir-

Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Holstein)

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)ken können. Wir begrüßen es ausdrücklich, dassnunmehr auch eine Kooperation von Bund und Län-dern in der Wissenschaft möglich ist. Ich danke Mi-nisterpräsident Rüttgers für die Klarstellung in die-sem Punkt in seinem Beitrag. Deswegen brauche ichnicht näher darauf einzugehen.

Bedauernswert ist, dass es bei der beruflichenBildung keine Fortschritte gegeben hat. Wir habenuns für eine Kompetenzübertragung von der Bundes-auf die Landesebene eingesetzt, vor allem wegen derstarken Verbindung zwischen schulischer und außer-schulischer beruflicher Bildung. Für den schulischenTeil der beruflichen Bildung sind die Länder bereitsheute zuständig.

Wenn es eine Stelle gab, an der dem Saarland dieZustimmung zur Reform besonders schwer gefallenist, so ist es der Teilbereich des nationalen Stabili-tätspaktes. Hier hat das Saarland aus gesamtstaat-licher Verantwortung zugestimmt. Gleichwohl er-wartet es Rücksicht auf seine Belange alsHaushaltsnotlageland.

Die Regelung sieht vor, dass Bund und Ländermögliche Sanktionszahlungen im Verhältnis 65 : 35tragen. Ländern mit einer vom Bundesverfassungs-gericht festgestellten unverschuldeten extremenHaushaltsnotlage werden die Sanktionszahlungenbzw. Zinszahlungen vom Bund für die Dauer der vomBundesverfassungsgericht festgestellten Haushalts-notlage gestundet. Die Länder übernehmen hiermiterstmals einen Anteil an eventuellen Sanktionslas-ten, obwohl sie auf Grund ihrer Haushaltsproblemeauch weiterhin nur einen sehr geringen finanzpoli-tischen Handlungsspielraum in ihren Haushaltenhaben.

Die gemeinsame Verantwortung des Bundes undaller Länder für etwaige Sanktionszahlungen wirddazu führen, dass keine staatliche Ebene leichtfertigMaßnahmen beschließt, die eine Sanktionszahlungnach sich ziehen. Insofern ist die nun geregelte Ver-antwortungspartnerschaft die beste Versicherung.

Weit über den Bereich möglicher Sanktionslastenaus dem EU-Stabilitätspakt hinaus stellt sich grund-sätzlich die Frage nach der künftigen Ausgestaltungder Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Diese ist nichtGegenstand des vorliegenden Reformpakets. Gleich-wohl besteht erheblicher Reformbedarf. Es ist daherzu begrüßen, dass die Bundesregierung und die Mi-nisterpräsidenten vereinbart haben, dieses Themanach der Verabschiedung des vorliegenden Paketsunverzüglich aufzurufen. Am Anfang dieses neuenAbschnitts bedarf es einer sehr grundsätzlichenBestandsaufnahme aller Ausgaben der Länder. Wermacht was? Wer gibt was wofür aus? In diesem Zu-sammenhang müssen wir auch über die Standardsdiskutieren. Was können und was wollen wir Länderuns leisten?

Ich verweise auf die Protokollerklärung vom10. März 2006 und betone, „dass die vorliegende Re-form keinen Fortschritt in Richtung auf eine aufga-

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benadäquate Finanzausstattung aller Länder dar-stellt, so dass weitere Reformschritte unabdingbarsind“. Jedes Land muss in die Lage versetzt werden,seine ihm verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufga-ben auf einem im gesamtstaatlichen Interesse ver-tretbaren Niveau zu erfüllen. Die Stärkung der Ge-staltungsmöglichkeiten von Bund und Ländern, dieGegenstand der heutigen Beratungen ist, und dieStärkung der Eigenverantwortung der Gebietskör-perschaften durch eine aufgabenadäquate Finanz-ausstattung – dies sind die beiden Beine, die unserVorhaben „Modernisierung der bundesstaatlichenOrdnung“ braucht, um stehen zu können.

Aus saarländischer Sicht muss in der nun anstehen-den Diskussion über die Stärkung der Eigenverant-wortung der Gebietskörperschaften durch eine auf-gabenadäquate Finanzausstattung vor allem überfolgende Themen entschieden werden: Durchfüh-rung eines Benchmarkings auf Länderebene hin-sichtlich der Erledigung öffentlicher Aufgaben; Nor-men zur Vermeidung neuer und zum Abbauvorhandener extremer Haushaltsnotlagen; Zusam-menführung von Finanzierungs- und Regelungsver-antwortung in den Kompetenzbereichen des Bundesmit regional stark streuenden Belastungswirkungen;größere gesetzliche Handlungsspielräume der Län-der zur Reduzierung ihrer Ausgabenlasten in Verbin-dung mit der Bestimmung von Kompetenzgrenzenzur Wahrung der Gleichwertigkeit der Lebensver-hältnisse im Bundesstaat. Weitere Punkte möchte ichaus Zeitgründen nicht aufführen.

Meine Damen und Herren, die BundesrepublikDeutschland wurde von den Ländern gegründet. Je-des Land hat seine Geschichte. Jedes Land hat seineeigene Identität. Die Länder sind keine Verwaltungs-einheiten, die auf dem Reißbrett konstruiert werdenkönnen. Unsere bundesstaatliche Ordnung mag nichtimmer den Kriterien einer strengen Systematik Rech-nung tragen; ihre Stärke ist vor allem ihre Lebens-nähe. Deshalb gilt es, sie zu modernisieren und aufneue Fragen die richtigen Antworten zu geben.

Handlungsfähige Länder in einem handlungsfähi-gen Bundesstaat sind unabdingbare Voraussetzungfür eine gute Politik für die Menschen in Deutsch-land. Die Stärkung der Gestaltungsmöglichkeitenvon Bund und Ländern, über die wir heute entschei-den, und die Stärkung der Eigenverantwortung derGebietskörperschaften durch eine aufgabenadäquateFinanzausstattung, die wir vorbereiten, leisten dazueinen entscheidenden Beitrag. – Vielen Dank.

Präsident Peter Harry Carstensen: HerzlichenDank, Herr Minister Rauber!

Das Wort hat Minister Sellering (Mecklenburg-Vor-pommern).

Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern): HerrPräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!Es gab einmal eine Zeit – es ist noch gar nicht lange

Karl Rauber (Saarland)

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)her –, da waren sich alle einig: Deutschland mussdurch kluge Reformen wettbewerbsfähiger gemachtwerden, weil wir sonst international weiter an Bodenverlieren. Die allgemeine Meinung war: Prüfstein fürdie Reformfähigkeit Deutschlands wird sein, ob wireine Änderung unserer föderalen Ordnung hinbe-kommen, ob wir die Blockade zwischen Bund undLändern überwinden und ob die Entscheidungsab-läufe so organisiert werden können, dass dem Bürgerdeutlich wird, wer für welche Entscheidung verant-wortlich ist.

Meine Damen und Herren, das Ergebnis liegt vor,und es ist deprimierend. Das muss heute Morgenauch einmal gesagt werden. Gerade von einer gro-ßen Koalition hätte ich mehr erwartet. Was unsvorliegt, stellt allenfalls in einigen Punkten eine Ver-besserung dar. Ansonsten führt die Verfassungsände-rung zu mehr Kleinstaaterei, zu größerem Länder-egoismus, zu mehr Bürokratie und zu größererUnübersichtlichkeit. Vor allem aber verliert der Bundan Handlungsfähigkeit auf Feldern, auf denen wirHandlungsfähigkeit gerade brauchen.

Nicht die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands alsGanzes, als Gemeinschaft aller Bürger, ob sie nun inBayern leben oder in Bremen, wird verbessert; ge-stärkt wird allenfalls die Position der größeren undreicheren Länder, und zwar sowohl gegenüber demBund als auch gegenüber den kleinen und finanziellschwächeren Ländern. Dem Reformvorschlag merktman an, dass am Anfang nicht die Frage stand, wasBayern oder Baden-Württemberg für Deutschlandtun kann. Offenbar entscheidend war, wie die Verfas-sung geändert werden kann, damit es Bayern oderBaden-Württemberg am meisten nutzt. Diese Fragesteht jetzt auch am Anfang der Diskussion über Teil IIder Föderalismusreform.

Manchen Landespolitikern geht es nicht um diehehren Ziele, die in Sonntagsreden beschworen wer-den, sondern darum, unseren nach wie vor koopera-tiv und solidarisch geprägten Föderalismus durch ei-nen Wettbewerbsföderalismus abzulösen, der dieInteressen der Republik als Ganzes missachtet. Andieser fehlenden Aufrichtigkeit, meine Damen undHerren, krankt die gesamte Reform. Und das man-gelhafte Ergebnis ist die logische Folge des gewähl-ten Verfahrens, ein Paket festzuzurren, das unter kei-nen Umständen wieder aufgeschnürt werden darf.

Enttäuschend ist auch, wie leichtfertig mit denernsthaften Argumenten der Kritiker umgegangenwird. Sicher, wir haben in Rekordzeit eine sehr um-fangreiche und beachtliche gemeinsame Anhörungvon Bundestag und Bundesrat durchgeführt. Aberwelchen Sinn haben die klügsten und überzeugends-ten Darlegungen von Experten, wenn dann sofort ge-sagt wird: Wir dürfen höchstens Kleinigkeiten än-dern; denn wenn wir das ganze Paket aufschnüren,fliegt alles auseinander! – Ist der Inhalt etwa so ex-plosiv, dass man Angst vor Kritikern haben muss, diees doch nur öffnen wollen, um den Inhalt attraktiverzu machen? Offenbar ja, denn die Mehrheit der Län-der im Bundesrat hat es hingenommen, die größte

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Verfassungsänderung in der Geschichte der Bundes-republik Deutschland ohne eine einzige Beratung inden Ausschüssen durchzuwinken. Das ist ein ziem-lich armseliges Verhalten.

Mindestens genauso armselig erscheint mir das Ar-gument, man müsse die Verfassungsänderung nunganz schnell beschließen, weil sonst die Handlungs-fähigkeit der Bundesregierung in Frage gestellt sei.Sie glauben gar nicht, wie oft ich das in den letztenWochen gehört habe – immer verbunden mit demEingeständnis, dass die Reform tatsächlich besserhätte ausfallen können.

Ich meine, so darf man mit der Verfassung nichtumgehen. Eine Verfassungsänderung darf niemalsein Mittel sein, um in tagespolitischen Auseinander-setzungen etwas beweisen zu wollen. Die große Koa-lition mit ihrer klaren Mehrheit hätte das auch garnicht nötig. Sie stellt sich dadurch ein Armutszeugnisaus, wofür sie sich eigentlich zu schade sein sollte.

Meine Damen und Herren, die Verzagtheit, die indem ganzen Verfahren zum Ausdruck kommt, hatDeutschland nicht verdient. Wir alle sollten uns indiesen Tagen lieber Klinsmann zum Vorbild neh-men, und das heißt: mehr Mannschaftsspiel, mehrVertrauen in die eigene Stärke, mehr Vertrauen, dassauch der Mitspieler das Beste für Deutschland willund nicht – wie mancher Bayer – immer nur für sichallein dribbelt.

Eine wirklich gute Föderalismusreform bekommenwir nur, wenn das dafür nötige Geben und Nehmenzwischen Bund und Ländern offen geschieht, wennalle beteiligt werden und wenn vor allem denSachargumenten Raum gegeben wird. Wenn dieseFöderalismusreform die Mutter aller Reformen seinsoll, dann wird mir angst und bange um die Kinder.

Eine gelungene Föderalismusreform muss die Zahlder Bundesgesetze, die der Zustimmung des Bundes-rates bedürfen, deutlich reduzieren. Ist das gelun-gen? Man kann sicherlich darauf hoffen, dass die ge-plante Änderung die prognostizierte Wirkung auchtatsächlich entfaltet. Aber man muss doch vor allemhoffen, dass die im Gegenzug vorgenommene Aus-weitung des Zustimmungsbedürfnisses bei der Fall-gruppe der Geldleistungsgesetze unter dem Strichnicht zu mehr Gesetzesblockaden führt als vorher.

Eine zusätzliche Blockademöglichkeit ist ja aus-drücklich neu verankert worden: Die dem Bund zu-gestandene Möglichkeit, entgegen den ursprüngli-chen Plänen doch Hochschulen zu fördern, wird andie Zustimmung aller Bundesländer gebunden. Ei-nen solchen Zwang zur Einstimmigkeit gibt es sonstnirgendwo im Grundgesetz. Ich kann mir keine groß-zügigere Einladung zu Vetospielen und keine stär-kere institutionelle Verankerung von Inflexibilitätvorstellen als dieses Einstimmigkeitsprinzip.

Meine Damen und Herren, auch das Ziel, dieTransparenz bei der Entscheidungsfindung zu er-höhen, ist in wesentlichen Politikfeldern verfehltworden. Denken Sie an das Naturschutz- und Um-weltrecht! Der Bund kann in Zukunft das Umwelt-

Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern)

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)recht in einem einheitlichen Umweltgesetzbuch zu-sammenfassen; jedes Land darf aber in weiten Teileneigene, vom Bundesrecht abweichende Regelungenerlassen. Dann kann jeder immer wieder neu auf denanderen reagieren. Dieses Pingpongspiel ist nicht nurhandwerklich ein peinliches Stück Gesetzgebung, esist vor allem eine Zumutung für die Wirtschaft, diegerade im Umweltrecht klare und kalkulierbare Rah-menbedingungen braucht.

Hier wird die Gesetzgebung also komplizierter.Wer was geregelt hat, wird schwerer durchschaubar.Die Gesetzgebung wird langwieriger, und es wird einMehr an Gesetzen und an Bürokratie geben, auf dassich Wirtschaft und Bürger einstellen müssen.

Meine Damen und Herren, der Kardinalfehler desvorliegenden Reformvorschlages ist aber folgender:Die Entscheidung, ob der Bund oder die Länder fürein bestimmtes Politikfeld zuständig sein sollen,orientiert sich nicht daran, was für den BundesstaatBundesrepublik Deutschland als Ganzes besser ist.Wenn man diesen Maßstab anlegen würde, so könntekein Zweifel daran bestehen, dass z. B. für den Straf-vollzug einheitliche Regelungen in Deutschland gel-ten müssen. Das Strafgesetzbuch gilt selbstverständ-lich in der gesamten Republik. Vor ihm sind alleBürger gleich. Genauso wird das Strafverfahren bun-desweit nach einheitlichen Regeln fortgeführt. Dannmuss aber auch die Freiheitsstrafe, die der Richterverhängt, in der gesamten Republik in gleicherWeise vollzogen werden, sonst ist wohl Schluss mitder Gleichheit vor dem Gesetz.

Es muss daher bei dem Grundsatz bleiben: Wer dieStrafe androht, der muss auch sagen und regeln, wiesie aussieht. Würden die Länder den Inhalt der Frei-heitsstrafe bestimmen, könnte der verurteilendeStrafrichter nicht sicher vorhersehen, wie die ver-hängte Strafe tatsächlich aussieht. Also, für denStrafvollzug muss der Bund auf jeden Fall zuständigbleiben. Das sehe nicht nur ich so; das sieht die ge-samte Fachwelt so, und das sehen die Kirchen unddie Gewerkschaften so.

In einer zusammenfassenden Bewertung dessen,was heute auf dem Tisch liegt, hieß es neulich in derPresse: Die Länder können sich freuen, der Bundkann es nicht. – Diese Wertung ist so nicht richtig.Nicht „die Länder“ können sich freuen, sondern nurdiejenigen, die dem Bund Zuständigkeiten abhan-deln wollten, um einem ungebremsten Wettbewerbs-föderalismus die Tür zu öffnen. Mecklenburg-Vor-pommern hat daran keinerlei Interesse. Noch ist dieChancengleichheit, die doch unabdingbare Grund-lage für einen wirklich fairen Wettbewerb ist, nichthergestellt. Wie sollte das kaum 15 Jahre nach derdeutschen Einheit auch anders sein!

Mecklenburg-Vorpommern hat nicht die Absicht,den Bund etwa aus der Bildungsplanung und demHochschulbereich hinauszudrängen oder ihm zu ver-wehren, die Länder im Schulbereich über Finanzhil-fen zu unterstützen. Wir lehnen es auch ab, die inden 70er-Jahren herbeigeführte bewährte Verein-heitlichung des öffentlichen Dienstrechts wieder

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rückgängig zu machen. 16 unterschiedliche Regelun-gen bei der Besoldung und Versorgung führen zu ei-nem Bezahl- und Abwerbewettbewerb. Sie schaffenmehr Bürokratie und einen höheren Koordinierungs-bedarf.

Meine Damen und Herren, um es zusammenzufas-sen: Eine Föderalismusreform ist dringend notwen-dig. Aber nicht diese! Das ist noch nicht einmal einehalbe Sache. Was vorliegt, benachteiligt nicht nur diekleinen finanzschwächeren Länder, es schwächt un-sere Republik als Ganzes. Mecklenburg-Vorpom-mern kann dem nicht zustimmen.

Präsident Peter Harry Carstensen: Ich bedankemich, Herr Minister Sellering.

Das Wort hat Minister Professor Dr. Reinhart (Ba-den-Württemberg).

Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württem-berg): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damenund Herren! Wir in Baden-Württemberg teilen diesoeben geäußerte Kritik des Kollegen Sellering inkeiner Weise. Auch die Befürchtung von Vorrednern,es komme zu einem ausufernden Wettbewerb, wirdvon uns nicht geteilt. Wenn man sich dabei aufKlinsmann bezieht, sollte man eine Grunderkenntnisimmer vor Augen haben: Es gibt Leistung nur durchWettbewerb. Das gilt im Sport, das gilt in der Wirt-schaft und sollte in der Politik besonders gelten.Diese Ausgangslage sollte man sehen.

Wir begrüßen es sehr, dass wir diese Sternstundeheute erleben. Baden-Württemberg hat bei denschwierigen Bergetappen mit großem Einsatz mitge-wirkt.

Ich möchte ein Beispiel anführen, das von meinemVorredner und von Kollegen Stegner kritisiert wurde:den Strafvollzug. Entschuldigung, da geht es dochum Landesbeamte! Es ist eine Landesorganisation.Bei einem Landesstrafvollzug sollten eigentlich diebestimmen, die auch bezahlen.

Was im Übrigen die Unterschiedlichkeit angeht, somöchte ich mir die Bemerkung erlauben: Wir habentrotz eines einheitlichen StGB im materiellen Rechtbundesweit eine differenzierte Rechtsprechung. Inso-weit ist dieses Argument völlig an den Haaren her-beigezogen. Diese Unterschiede gibt es gerade in derRechtsprechung. Niemand soll glauben, dass sich einLand, wenn die Länder für den Strafvollzug zustän-dig sind, der Resozialisierung nicht genauso ver-pflichtet fühlt wie der Bund. Insoweit kann ich dieKritik in diesem Umfang nicht nachvollziehen.

Das gilt auch für das Weihnachtsgeld. Wie ich höre,hat z. B. Bayern eine differenzierte Lösung. Eine Dif-ferenzierung gibt es beim Weihnachtsgeld also schonheute. Wäre die dargelegte Ansicht richtig, dannwäre es in den Ländern mit der niedrigsten Arbeits-losigkeit am schwierigsten, Personal für den öffent-lichen Dienst zu finden. Ich kann Ihnen aber sagen,dass wir in Baden-Württemberg immer noch zahlrei-

Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern)

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)che Bewerber haben. Man muss also das Ganze be-trachten und darf die Dinge nicht in einer sich aufEinzelnes beziehenden Angstperspektive angehen.

Meine Damen, meine Herren, die Föderalismus-reform ist am Ziel; das ist gut so. Die Geburt warnicht leicht. Sie gelang nur unter heftigsten Wehen.Viele wurden noch konsultiert. Am Ende drücktenund zogen auch die Hebammen nicht immer in diegleiche Richtung. Es ist also kein Wunder, dass dasKind gerade in der Schlussphase der Geburt noch ei-nige Blessuren davongetragen hat. Aber wir wollennicht mäkeln. Als Väter und Mütter lassen wir dashinter uns. Wir freuen uns und dürfen heute alle ge-meinsam stolz sein.

Die Reform ist ein Erfolg für die große Koalition.Sie ist ein Signal für ihre politische Handlungsfähig-keit, ein Beweis für die Durchsetzungskraft der Kanz-lerin und ein Ausweis für die Reformfähigkeit desFöderalismus.

Allerdings kann die Reform ihren Kompromiss-charakter nicht verleugnen. Ich hätte hier vielePunkte anzuführen, beschränke mich aber darauf,meine Rede zu Protokoll zu geben.

Abschließend weise ich darauf hin, dass wir erstam Anfang stehen. Die Föderalismusreform ist mitder Beschlussfassung heute im Bundesrat und vorherim Bundestag nicht abgeschlossen. Im Grunde ge-nommen beginnt sie erst. Was bisher nur auf dem Pa-pier steht, muss mit Leben erfüllt werden. Die Umset-zung in den Ländern ist der Startschuss.

Unser Credo lautet: Das Eintreten für mehr Subsi-diarität, für mehr Wettbewerb und mehr Gestaltungs-freiheit darf kein Lippenbekenntnis bleiben. DieseZiele müssen rasch in praktische Politik umgesetztwerden, damit die Menschen spüren, dass etwas bes-ser wird: weniger Bürokratie, mehr Freiheit, mehrPassgenauigkeit und mehr Entscheidungsrechte derLandtage.

Die Länder sind künftig zwar für die Besoldungund Versorgung ihrer Beamten zuständig, dem Bundverbleibt aber die Zuständigkeit für die Statusrechte.Deshalb ist die Gefahr real, dass diese Zuständigkeitzu weit ausgelegt wird und dadurch der Regelungs-spielraum der Länder über Gebühr eingeschränktwird. Ob die Beamten in Baden-Württemberg, um einBeispiel anzuführen, mit 65 oder mit 67 Jahren inPension gehen, darf nicht vom Bund vorgeschriebenwerden. Dies muss dem Land überlassen bleiben.

Viele Ergänzungen gibt es im Umweltrecht und imHochschulbereich.

Wir wollen eine Neuordnung der Finanzverfas-sung, haben allerdings die Sorge, dass jeder etwasanderes darunter versteht. Auch insoweit verweiseich auf meine Rede. Es wird – wie Max W e b e rgesagt hat –, ein beharrliches Bohren dicker Brettermit Augenmaß und Leidenschaft zugleich nötig sein.

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Baden-Württemberg wird der Föderalismusreformzustimmen. – Im Übrigen gebe ich meine Rede zuProtokoll*).

Präsident Peter Harry Carstensen: Herr MinisterProfessor Dr. Reinhart, herzlichen Dank!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Minis-terpräsident Althaus (Thüringen) gibt eine Erklä-rung zu Protokoll**).

Wir kommen nun zur Abstimmung, zunächst zuTagesordnungspunkt 59 a), der Grundgesetzände-rung.

Hierzu liegen neben dem Gesetz zwei Zu-Drucksa-chen und ein Entschließungsantrag von vier Ländernvor.

Ausschussberatungen haben nicht stattgefunden.Wir sind aber übereingekommen, heute in der Sachezu entscheiden.

Über Grundgesetzänderungen pflegen wir durchAufruf der einzelnen Länder abzustimmen. Ich bitte,die Länder aufzurufen.

Karin Schubert (Berlin), Schriftführerin:

Baden-Württemberg Ja

Bayern Ja

Berlin Ja

Brandenburg Ja

Bremen Ja

Hamburg Ja

Hessen Ja

Mecklenburg-Vorpommern Nein

Niedersachsen Ja

Nordrhein-Westfalen Ja

Rheinland-Pfalz Ja

Saarland Ja

Sachsen Ja

Sachsen-Anhalt Ja

Schleswig-Holstein Enthaltung

Thüringen Ja

Präsident Peter Harry Carstensen: Damit hat derBundesrat mit der erforderlichen Mehrheit beschlos-sen, dem Gesetz zuzustimmen.

Es bleibt abzustimmen über den Entschließungsan-trag. Wer stimmt zu? – Das ist die Mehrheit.

Damit ist die Entschließung gefasst.

*) Anlage 1**) Anlage 2

Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württemberg)

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)Nun bitte die Abstimmung zu Tagesordnungs-

punkt 59 b), dem Föderalismusreform-Begleitgesetz!

Auch hier liegen keine Ausschussempfehlungenvor.

Ich frage: Wer stimmt dem Gesetz zu? – Das ist dieMehrheit.

Damit hat der Bundesrat entsprechend beschlos-sen.

Mit den soeben getroffenen Entscheidungen zurFöderalismusreform sind die noch anhängigen Län-deranträge in den Drucksachen 178 bis 180/06 erle-digt.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 1:

Gesetz über die Feststellung des Bundeshaus-haltsplans für das Haushaltsjahr 2006 (Haus-haltsgesetz 2006) (Drucksache 435/06)

Wortmeldungen liegen nicht vor. – Eine Erklärungzu Protokoll*) gibt Minister Breuer (Nordrhein-Westfalen).

Eine Ausschussempfehlung auf Anrufung des Ver-mittlungsausschusses oder ein entsprechender Lan-desantrag liegt nicht vor.

Ich stelle daher fest, dass der Bundesrat zu demHaushaltsgesetz 2006 einen Antrag gemäß Artikel 77Abs. 2 des Grundgesetzes n i c h t stellt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2:

Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsiche-rung für Arbeitsuchende (Drucksache 404/06)

Wortmeldungen: Ministerpräsident Oettinger,Staatsminister Hoff und Bundesminister für Arbeitund Soziales, Herr Müntefering.

Bitte sehr, Herr Ministerpräsident Oettinger.

Günther H. Oettinger (Baden-Württemberg): HerrPräsident, meine Damen und Herren! Seit 1. Januar2005 ist das Sozialgesetzbuch Teil II in Kraft. DieGrundsatzüberlegungen waren dabei richtig; aberzahlreiche Regelungen haben sich in der Praxis nichtbewährt.

Vor Inkrafttreten des Hartz-IV-Gesetzes hatte diedamalige Bundesregierung für das ALG II mit Ausga-ben von 14 Milliarden Euro gerechnet. Die tatsächli-chen Ausgaben waren im letzten Jahr um mehr als10 Milliarden Euro höher, sie beliefen sich auf rund24,4 Milliarden Euro.

In diesem Jahr orientieren wir uns an den Ausga-ben des letzten Jahres, aber die Kosten laufen weiterdavon. Allein in den ersten fünf Monaten hat derBund 11,5 Milliarden Euro ausgegeben; das sind13 % mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres.Hochgerechnet auf das ganze Jahr fehlen 2006 schonjetzt 3 Milliarden Euro. Dabei halte ich es für frag-

*) Anlage 3

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würdig, wenn die Bundesregierung versucht, dieseLücke durch Einsparungen bei den Eingliederungs-mitteln zu schließen, sind diese Gelder doch geradedazu da, die Arbeitslosen aus dem Leistungsbezug zubringen und damit den Bedarf an ALG II zu reduzie-ren.

Im Haushaltsentwurf für 2007 sind jetzt 21,4 Mil-liarden Euro eingeplant, 3 Milliarden Euro wenigerals im Haushalt 2006 und nach unserer Prognose6 Milliarden Euro weniger, als dieses Jahr benötigtwerden.

Warum sage ich dies? Ich sage es nicht, weil ich dieZusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozial-hilfe im Grundsatz für falsch hielte. Ich sage es auchnicht, weil ich der Meinung wäre, die Verantwortli-chen im Bund wüssten nicht um diese Entwicklung.Ich sage es, weil ich der festen Überzeugung bin,dass das, was heute mit dem SGB-II-Fortentwick-lungsgesetz vorgelegt wird, zwar richtig ist, abernicht ausreichen wird. Damit lösen wir einen Teil derProbleme, bekommen sie aber nicht insgesamt in denGriff.

Für meine Meinung nenne ich mehrere Gründe:

Erstens. Die Reform hatte einen entscheidendenGeburtsfehler. Es hat sich gezeigt – auch der Om-budsrat hat darauf hingewiesen –, dass sich die ge-teilte Trägerschaft von Kommunen und örtlichenAgenturen für Arbeit nicht bewährt hat. Was alsKompromiss im Vermittlungsausschuss geborenwurde, war von vornherein eine fragwürdige Zustän-digkeitsverteilung. Der Fehler war, dass Verantwort-lichkeiten verwischt wurden und keine klare Kompe-tenz geregelt worden ist. Wir sollten hier alsbald dieReißleine ziehen und auf unterer Ebene Klarheitschaffen, wer für welche Aufgaben voll verantwort-lich ist.

Wir meinen, dass sowohl die Kommunen als auchdie Agenturen für Arbeit kompetent sind. Um Kom-petenzfragen geht es nicht; aber Mischverantwor-tung sorgt dafür, dass der Bürger keine Klarheit hatund dass die Beamten und Mitarbeiter hinsichtlichihrer Verantwortung ebenfalls nicht auf klarenGrundlagen stehen.

Deswegen schlagen wir eine grundlegende Revi-sion im Herbst vor. Wir bitten die Bundesregierung,mit den Ländern und den Verwaltungen in Gesprä-che einzutreten, damit nach diesem Gesetz schon imHerbst über weitergehende Veränderungen ent-schieden werden kann.

Dabei wird über Folgendes zu sprechen sein: ers-tens über eine Verstärkung der Anreize zur Arbeits-aufnahme, zweitens über Korrekturen bei der Daten-ermittlung, drittens über Fragen des Datenschutzesund der Datenbanken insgesamt, viertens vielleichtauch über Kostensenkungen im Bereich von Unter-kunft und Heizung. Außerdem geht es um dieDefinition der Erwerbsfähigkeit, um den Unterhalts-rückgriff zwischen Eltern und Kindern und um Mit-nahmeeffekte insgesamt.

Präsident Peter Harry Carstensen

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224 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

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)Zweitens. Die Diskussion über das SGB II ist wich-

tig, geht aber letztendlich etwas am Thema vorbei.Die Kostenentwicklung bei Hartz IV werden wir in-nerhalb des Systems auf Dauer nicht lösen können.Vielmehr brauchen wir eine weitergehende Debatteüber einen durchgreifenden Abbau von Arbeits-losigkeit und über neue Arbeitsplätze; dafür wirdHartz IV allein die Lösung nicht sein.

Deswegen sollten wir gemeinsam bei jeder Ent-scheidung prüfen, ob sie arbeitsmarktförderlich oder-hemmend ist. Dies gilt für die Gesundheitsreform,für Fragen des Kündigungsschutzes, für das Tarifver-tragsrecht und die Koalitionsvereinbarung dazu, fürdie Unternehmenssteuerreform und den Mittelstandsowie für flexible Arbeitszeit. In diesen materiellenFragen liegen meines Erachtens viel mehr Chancenfür den Arbeitsmarkt als im SGB II selbst.

Drittens. Das SGB-II-Fortentwicklungsgesetz istein Zustimmungsgesetz, und die Länder stimmenheute zu. In diesem Zusammenhang sprechen wiraber an, dass eine faire Regelung für unsere Kom-munen notwendig ist. Die Länder sind hier die Sach-walter der Kommunen; die Regelung 2006 läuft aus.Wir sagen ausdrücklich, dass die 29,1 % für die Un-terkunftskosten in diesem Jahr kommunalfreundlichgewesen sind. Damit wurde und wird der Bund denkommunalen Aufgaben und den kommunalen Kos-ten gerecht. Wir brauchen jetzt eine Regelung für2007 und die folgenden Jahre, die nicht nur ein Jahrhält und die den Kommunen alsbald Klarheit ver-schafft, mit welchen Fördermitteln des Bundes sie fürihre Aufgaben und Ausgaben rechnen können.

Dabei habe ich Zweifel, ob die im Entwurf desBundeshaushaltes veranschlagten 2 Milliarden Euroausreichen, um die Aufgaben der Kommunen zufinanzieren und parallel die zugesagte Entlastungvon 2,5 Milliarden Euro zu realisieren. 2006 waren4 Milliarden Euro eingestellt. Wir bezweifeln, dassder Haushaltsentwurf des Bundes die Aufgaben undAusgaben der Kommunen sowie die Entlastung aus-reichend realisiert. Wir verkennen nicht, dass in allenBereichen gespart werden muss; aber der Bund mussin diesem Bereich so viele Mittel einstellen, wie nachBundesrecht vor Ort tatsächlich notwendig sind.

Außerdem geht es um die Frage, ob die quotale Be-teiligung des Bundes auch in Zukunft aufrechterhal-ten werden kann. Wir vermuten, dass im Rahmen derderzeitigen Finanzierung einige Länder mehr als not-wendig bekommen, während andere deutlich zu we-nig erhalten. Unseres Erachtens profitieren einigeLänder von der jetzigen Regelung. So beträgt dieEntlastung pro Kopf in Hamburg über 146 Euro, inBayern knapp 6 Euro. Baden-Württemberg liegt mit16 Euro deutlich unter dem Durchschnittsbetrag von30 Euro. Daher wird auch die quotale Verteilung inder zweiten Revisionsdebatte anzusprechen sein.

Viertens. Die Haushaltslage der Bundesagentur istgut. Dies ist erfreulich; denn damit kann die Senkungdes Beitrages zur Arbeitslosenversicherung, derLohnkosten und der Lohnnebenkosten generell er-reicht werden. Diese Haushaltsentwicklung ist auch

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Ergebnis der bei der Agentur in den letzten Jahrenvorangetriebenen Optimierung von Strukturen undAbläufen. Die Bundesagentur ist dank der Bundes-politik und dank ihrer Arbeit heute deutlich besseraufgestellt. Aber ausreichend ist dies noch nicht. Wirsind der festen Überzeugung, dass wir bei der Bun-desagentur das Ende der Möglichkeiten zur Kosten-senkung noch nicht erreicht haben. Auch hier ist derBund gefordert, die Vielzahl der Förderinstrumenteder Arbeitsmarktpolitik zu durchforsten, zu vereinfa-chen und zielgenauer auszurichten. Mehr Effizienzund geringerer Verwaltungsaufwand bei der Ar-beitsförderung müssen unsere gemeinsamen Zielesein. Wir sollten die Bundesagentur durch Reformenweiter konsolidieren und im nächsten Schritt die Per-sonalstruktur optimieren.

Die Aufgabe der materiellen und strukturellenWeiterentwicklung wird mit dem heute vorliegendenGesetz nicht ausreichend gelöst. Es ist ein ersterSchritt; wir tragen ihn mit, erwarten aber im Herbstdie Bereitschaft zu einer weitergehenden, größerenund grundlegenderen Reform.

Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Minister-präsident, herzlichen Dank!

Das Wort hat Staatsminister Hoff (Hessen).

Volker Hoff (Hessen): Herr Präsident! Meine sehrverehrten Damen und Herren! Ich kann nahtlos andas anknüpfen, was Ministerpräsident Oettingersoeben gesagt hat: Mit dem Gesetz zur Fortentwick-lung der Grundsicherung für Arbeitsuchende verän-dern wir das SGB II nunmehr zum dritten Mal seitseinem Inkrafttreten.

Für die von dem Gesetz Betroffenen, aber auch fürdiejenigen, die mit ihm arbeiten müssen, sind Ände-rungen in schneller Folge natürlich nur schwer zuhandhaben. Dennoch führt kein Weg daran vorbei,dass erkannte Mängel und Fehlsteuerungen des Ge-setzes schnellstmöglich abgestellt werden müssen.Darauf hat Hessen – das betone ich – die damaligeBundesregierung schon vor über einem Jahr mit sei-ner Bundesratsinitiative zum SGB-II-Optimierungs-gesetz hingewiesen.

Korrekturbedarf besteht zum einen wegen desenormen Anstiegs der Fallzahlen und der damit ver-bundenen Kostensteigerungen, wegen der Notwen-digkeit, Leistungsmissbrauch und Mitnahmeeffektezu verringern, zum anderen deshalb, weil unnötigeleistungsrechtliche Schnittstellen dringend abgebautwerden müssen. Vor diesem Hintergrund ist das Fort-entwicklungsgesetz ein zwar wichtiger und richtigerSchritt, um Fehlsteuerungen zu korrigieren, die sichin der Praxis inzwischen gezeigt haben, aber nochkeineswegs ausreichend.

Aus hessischer Sicht bleibt das Fortentwicklungs-gesetz an vielen Stellen deutlich hinter dem zurück,was an Änderungen heute schon möglich und not-wendig ist. Lassen Sie mich die wesentlichen Punktekurz erläutern:

Günther H. Oettinger (Baden-Württemberg)

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)Mir ist der faire Wettbewerb zwischen Arbeitsge-

meinschaften und Optionskommunen ein dringendesAnliegen. Dieser Wettbewerb ist bereits jetzt zu Las-ten der Optionskommunen sehr empfindlich gestört,weil diese anders als die Arbeitsgemeinschaftennicht über ungehinderten Zugang zu den Stellenver-mittlungsdatenbanken der Bundesagentur für Arbeitverfügen. Die neuen Regelungen des Fortentwick-lungsgesetzes verschärfen die daraus resultierendenWettbewerbsnachteile zusätzlich; denn zukünftigmüssen die Optionskommunen offene Stellen an dieBundesagentur melden, so dass diese auf die Stellendann auch SGB-III-Empfänger vermitteln kann.Diese im Interesse der Betroffenen sinnvolle Rege-lung wirkt sich als entscheidender Wettbewerbs-nachteil für die Optionskommunen aus.

Daher fordern wir, dass auch den Optionskommu-nen unbeschränkter Zugriff auf die Vermittlungsda-tenbanken der BA eingeräumt wird, zumal dies dieVermittlungschancen der Betroffenen verbessert. Ichappelliere nochmals an die Bundesregierung, zumin-dest dies so schnell wie nur irgend möglich zu korri-gieren.

Meine Damen und Herren, auch die bisherigen Re-gelungen des Gesetzes zur Datenübermittlung undzum Datenschutz sowie zu Statistik und Forschungbedürfen grundlegender Überarbeitung. Insbeson-dere sind die bislang von der BA erstellten Statisti-ken zur Grundsicherung für Arbeitsuchende aufeine Bundesstatistik umzustellen, die dann vom Sta-tistischen Bundesamt geführt wird. Bund, Länder undKommunen benötigen als Entscheidungsgrundlagefür ihre Arbeit zuverlässiges und belastbares Daten-material. Die bisher von der BA erstellten Statistikengenügen den Anforderungen in keiner Weise.

Auf die mangelnde Funktionalität und massive Pro-bleme mit der von der BA eingesetzten Software willich an dieser Stelle nicht näher eingehen; sie sind inder Fachöffentlichkeit hinreichend bekannt. Vor die-sem Hintergrund ist die indirekte gesetzliche Fest-legung auf ein derartiges zentralistisches Datenver-arbeitungssystem im Fortentwicklungsgesetz ausunserer Sicht nicht zielführend, umso mehr, als in derGesetzesbegründung ausdrücklich festgestellt wird,dass die Leistungsgewährung mittels einheitlichervon der BA betriebener Softwaresysteme erfolgenmuss.

Auch im Bereich der Zuständigkeitsregelungenschafft das Fortentwicklungsgesetz keineswegs dieerforderliche Klarheit.

Im Interesse behinderter Arbeitsuchender wie auchaus Gründen der Verwaltungsökonomie ist es drin-gend geboten, den Aufgabenbereich „beruflicheRehabilitation“ allein der Bundesagentur für Arbeitzuzuweisen. Das im Fortentwicklungsgesetz vorge-sehene Auseinanderfallen von Handlungs- undFinanzverantwortung – Reha-Träger ist an dieserStelle die BA, während für die LeistungserbringungSGB-II-Träger zuständig sind – steht im Widerspruchzu den seit Jahrzehnten währenden Bemühungen,eine Konzentration der Leistungen auf einen Träger

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zu erreichen. Damit werden unnötigerweise wie-derum neue Schnittstellen eröffnet und behinderteMenschen mit zwei für dieselbe Leistung zuständi-gen Behörden konfrontiert. Das ist nicht sinnvoll.

Ein weiteres Problem sehe ich im Bereich der Ver-mittlung der unter 25-Jährigen in eine beruflicheErstausbildung. Die derzeitige Regelung einer zwei-geteilten Trägerschaft zwischen SGB II und SGB IIIhat sich in der Praxis nicht bewährt. Die im Fortent-wicklungsgesetz vorgesehene Möglichkeit der SGB-II-Träger, die SGB-III-Träger mit der Ausbildungs-vermittlung zu beauftragen, löst die bestehendenProbleme an dieser Stelle in keiner Weise. Vielmehrwerden dadurch neue Schnittstellen, zusätzlicherVerwaltungsaufwand und neue Kostenerstattungs-regelungen verursacht. Daher sehen wir die drin-gende Notwendigkeit, diese Vermittlungstätigkeitden Agenturen für Arbeit in ihrer Eigenschaft alsLeistungsträger nach SGB III zu übertragen.

Weiteren Korrekturbedarf sehen wir für die Men-schen, die in stationären Einrichtungen leben und er-werbsfähig sind. Es ist nicht akzeptabel, dass dieseMenschen von den Leistungen zur Integration in Ar-beit ausgeschlossen werden. Stationär unterge-brachte Personen, die erwerbsfähig sind, müssen so-wohl im eigenen als auch im Interesse derAllgemeinheit die für sie jeweils erforderlichen Leis-tungen zur Eingliederung in Arbeit erhalten. Derar-tige Leistungen werden nach dem SGB XII sowie inden Bereichen der Jugendhilfe und des Strafvollzugsnur sehr unzureichend erbracht. Das Fortentwick-lungsgesetz greift hier deutlich zu kurz, weil nichtalle erwerbsfähigen stationär untergebrachten Per-sonen die aktivierenden Leistungen nach demSGB II erhalten sollen, sondern nur diejenigen, diemindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätigsind.

Ich möchte ein weiteres Problem ansprechen, dasnoch nicht zufriedenstellend gelöst ist, nämlich diebedarfsdeckenden Leistungen an Auszubildende.Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, bereinigtdas Fortentwicklungsgesetz nicht Schnittstellen, in-dem die Leistungen nach den einschlägigen Leis-tungsgesetzen, also BAföG, Berufsausbildungsbei-hilfe nach dem SGB III, erbracht werden; stattdessenwerden – systemwidrig, wie wir meinen – die kom-munalen Träger mit zusätzlichen Kosten belastet.Aus unserer Sicht müssen diese Leistungen zukünftignach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz undim Wege der Berufsausbildungsbeihilfe nach demSGB III erbracht werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sowohlnach dem, was Ministerpräsident Oettinger vorgetra-gen hat, als auch unter dem Aspekt vieler „kleiner“Punkte, die zu bemängeln sind, wird deutlich, dassdas Fortentwicklungsgesetz keineswegs einenSchlusspunkt setzt, sondern allenfalls ein Kommazei-chen darstellen kann; denn wir alle sind uns wohl da-rin einig, dass wir zu weiteren Änderungen kommenmüssen. Ich kann die Bundesregierung nur auffor-dern, sehr schnell in die Gänge zu kommen, damit

Volker Hoff (Hessen)

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)die aufgezeigten Fehlsteuerungen im System abge-stellt werden. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksam-keit.

Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Staats-minister, herzlichen Dank!

Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit undSoziales, Herr Müntefering. Bitte.

Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da-men und Herren! Vom Arbeitsmarkt gibt es guteZahlen. Es besteht eigentlich aller Anlass, das zu fei-ern. Wir haben 383 000 Arbeitslose weniger als voreinem Jahr, 15 % weniger bei den unter 25-Jähri-gen. Normalerweise freut sich ein Land darüber. Dasist bei allen anderen Sorgen, die wir haben, ein biss-chen untergegangen. Ich will zu Anfang sagen: Eswäre gut, wenn das beachtet und gewürdigt würde;denn die Menschen brauchen Zuversicht, dass sichdie Dinge zum Guten wenden.

Ich glaube, dass die Bundesregierung gemeinsammit den Ländern die Chance hat, die Dinge in diesemLand nach vorn zu treiben, was den Arbeitsmarktund die Zuversicht angeht. Das 25-Milliarden-Pro-gramm und das, was die Länder an Investitionen undan Hilfen für den privaten Bereich zusätzlich vorse-hen, helfen dabei. Ich bin mir sicher, dass wir in die-sem Jahr und in den kommenden Jahren eine insge-samt positive Entwicklung erleben können.

Aber darüber wird an anderer Stelle zu sprechensein. Heute geht es um Probleme, die wir trotzdemhaben. Sie gibt es ohne Zweifel im Bereich des Ar-beitsmarktes, insbesondere bei denen, die lange ar-beitslos sind. Die Arbeitsmarktreform haben Bundund Länder miteinander beschlossen. Nicht alles,was wir damals getan haben, war klug. Das merkenwir. Aber wir müssen das jetzt miteinander bereini-gen und dafür sorgen, dass wir auf einen guten Wegkommen.

Als erster Punkt ist aus meiner Sicht sehr wichtig:Es muss klar bleiben, dass es e i n e n Arbeitsmarktgibt. Ziel sind Integration und Vermittlung. SGB IIund SGB III sind die Instrumente auf diesem einenArbeitsmarkt. Es gibt keine „Sozialhilfe plus“ na-mens Arbeitslosengeld II. Wir müssen uns einer ge-wissermaßen schleichenden „Sozialhilferisierung“des gesamten Bereichs entgegenstellen. Was auf demArbeitsmarkt stattfindet – wir haben viele aus derSackgasse der Sozialhilfe herausgeholt und sie aufden Arbeitsmarkt gebracht –, muss mit Arbeitsmarkt-momenten beantwortet werden. Grundsicherung istkeine Sache, in der sich die Menschen einrichten sol-len, sondern sie sollen durch Qualifizierung und Ver-mittlung auf den Arbeitsmarkt hin orientiert werden.

Das geht nicht überall so schnell, wie wir uns daswünschen. Es kommt darauf an, dass die Philosophieklar bleibt, damit nicht immer mehr Menschen den-ken, das sei eigentlich eine Art von Sozialhilfe nachdem Motto, nachdem man da hineingegangen ist, istes sozusagen erledigt. Eine etwas bessere Sozialhilfe

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als früher ist es nicht; Intention ist vielmehr, zu inte-grieren und zu vermitteln.

Heute geht es konkret um das SGB-II-Fortentwick-lungsgesetz. Damit sollen einige „Dehnungen“, diees gegeben hat, bereinigt werden; ich spreche aus-drücklich nicht von Missbrauch. Das Gesetz, so wiewir alle miteinander es angelegt haben, wird vonmanchen Leuten schlau genutzt. Wir müssen darauslernen: Wenn man solche Gesetze macht, muss manverhindern, dass um die Gesetze herum Slalom ge-fahren werden kann. Daraus müssen wir Konsequen-zen ziehen. Es geht nicht um Kürzungen der Leistun-gen, sondern es geht darum, dass die Leistungenzielgenauer ankommen.

Mit dem Gesetz, das wir heute verabschieden, wol-len wir im nächsten Jahr 1,2 Milliarden Euro einspa-ren – bei den Kommunen noch einmal 280 MillionenEuro – und in diesem Jahr etwa 400 bis 500 MillionenEuro. Zusammen mit dem SGB-II-Änderungsgesetzwollen wir im nächsten Jahr, im Jahr der vollenWirksamkeit, 4 Milliarden Euro einsparen.

Wir haben etwa 50 Maßnahmen vorgesehen; ichwill nicht alle aufzählen. Dazu gehört das Sofort-angebot: Wer – als Bedarfsgemeinschaft – Arbeits-losengeld II beantragt, muss sofort eine Vermittlungoder eine Qualifizierung oder ein Angebot bekom-men, welches eindeutig klarstellt, dass er für den Ar-beitsmarkt zur Verfügung steht. Diese unmittelbareAnsprache ist sehr wichtig, damit klar ist: Alle, diesich melden, müssen am folgenden Tag dem Arbeits-markt zur Verfügung stehen.

Wir haben die Sanktionen verschärft. Das ist einumstrittenes Instrument. Wer dreimal in ein unddemselben Jahr eine ihm angebotene Arbeit nichtannimmt, kann mit einer Kürzung bis auf null rech-nen. Das bedeutet nicht, dass man in Deutschlandverhungern muss. Aber das ist eine klare Botschaftvon denen, die einem das Arbeitslosengeld II geben.

Der Datenabgleich wird automatisiert. Das hatHerr Ministerpräsident Oettinger soeben angespro-chen. Hier müssen wir alle miteinander besser wer-den. Auch die Vernetzung der zentralen mit derkommunalen Technik – A2LL – muss verbessert wer-den. Alles, was nötig ist, ist veranlasst. Aber das wirdnoch eine Zeit lang dauern. Fachleute, die von sol-chen Techniken etwas verstehen, haben mir erklärt:Auf ein Einfamilienhaus sind mit A2LL 15 weiteregebaut worden. Die Statik des Gebäudes ist ein biss-chen problematisch. Wir werden das von Grund aufsehr sorgfältig neu justieren müssen, damit es funkti-oniert. – Die nötigen Aufträge sind erteilt; es gehtvoran.

Die Beweislastumkehr gilt für eheähnliche Part-nerschaften. Diejenigen, die damit angesprochensind, haben in Zukunft selbst Beweis zu führen. Ge-gen alle Mutmaßungen sage ich an dieser Stelleauch: Hier wird nicht Schnüffelei eingeführt, sondernunnötig gemacht. Das ist eine Maßnahme, die ich fürsehr wichtig und förderlich halte.

Einige Forderungen der Länder sind berücksichtigtworden, z. B. zur Ausbildungsvermittlung. Die ein-

Volker Hoff (Hessen)

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)zelnen ARGEn können die Bundesagentur für Arbeitmit der Ausbildungsvermittlung beauftragen. DieMeinungen, wie man das besser organisiert, obdurch zwei Stellen oder durch eine Stelle, sind unter-schiedlich. Das ist eine freiwillige Maßnahme.

Die Bewilligungszeit ist auf bis zu zwölf Monateverlängert worden. Die Flexibilität wird höher. Mankann für mehr oder weniger als sechs Monate bewil-ligen. Das ist für diejenigen, die zu entscheiden ha-ben, sehr wichtig.

Ein Punkt, der in der empfohlenen Entschließungeine Rolle spielt, ist von Herrn Hoff hervorgehobenworden. Es geht darum zu erreichen, dass die ARGEnund die ZKT, die optierenden Kommunen, die Infor-mationen über Arbeitsplatzangebote der Bundesa-gentur bekommen. Ich stimme mit diesem Anliegenvöllig überein. Alles Nötige ist veranlasst. In Zukunftwerden die Informationen der BA über offene Stel-len nicht nur den ARGEn, sondern auch den Op-tionskommunen zur Verfügung gestellt. Die BA wirddas umsetzen. Das ist aus technischen Gründen nichtsofort möglich, aber die Vorbereitungen laufen. Biszum 1. Januar 2007 wird dieses Problem zur Zufrie-denheit des Bundesrates gelöst sein. Stellenangeboteaus dem internen System VerBIS einschließlich derKontaktdaten der Arbeitgeber werden den Options-kommunen ebenso wie den Agenturen für Arbeit undden ARGEn dann offen und komplett zugänglichsein. Das ist die generelle Lösung. Damit wird demAnliegen der Entschließung entsprochen.

Eine besondere Kategorie will ich ansprechen: Esgibt Arbeitsplatzangebote, die auf ausdrücklichenWunsch des jeweiligen Unternehmens nur einemVermittler der BA bekannt und im Übrigen anonymi-siert sind. Hier können die Optionskommunen wiedie übrigen Vermittler in der BA Vermittlungsvor-schläge über den einen beauftragten Vermittler ma-chen. Wichtig ist: Arbeitsagenturen, ARGEn und Op-tionskommunen werden gleichbehandelt. Auchhierfür ist also eine akzeptable Lösung gefundenworden. Wir können es aber nicht verhindern, dasssich Arbeitgeber mit einem Angebot melden, jedochnicht möchten, dass es in den großen Verteilerkommt. Darauf sollten alle in gleicher Weise Zugriffhaben.

Meine Damen und Herren, wenn wir Erfolg habenwollen, sind wir auf den guten Willen aller Beteilig-ten angewiesen. Das Gesetz, über das heute beratenwird, ist ein vernünftiger Schritt, ein guter Kompro-miss. Anderes steht noch aus.

Es wird dem Erfolg dienen, wenn Verantwortlich-keiten klar zugeordnet sind. Der Bund finanziert dieGrundsicherung. Er hat über die BA als Leistungsträ-ger die Rechts- und Fachaufsicht. Für diese Aufga-ben und dafür, wie und wie erfolgreich die Mittel ausdem Bundestopf eingesetzt werden, trägt der Bunddie Verantwortung. Deshalb macht er entsprechendeVorgaben. Einer gedeihlichen Zusammenarbeit mitden Ländern, die in den organisatorischen Fragender ARGEn die Rechtsaufsicht haben, muss das kei-nen Abbruch tun.

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Ich bin daran interessiert, zu diesen Umsetzungs-fragen im Herbst ein zielführendes Gespräch mit denLändern zu führen. Da gibt es viel zu besprechen.

Zu den Kosten! Die Kosten für das Arbeitslosen-geld II explodieren nicht. Lassen Sie sich nicht ver-wirren! Seit Februar liegen sie konstant bei rund2,25 Milliarden Euro pro Monat. Im Mai war es etwasmehr, im Juni etwas weniger. Wir werden mehr als24,4 Milliarden Euro brauchen, aber nicht so vielmehr, wie manche immer wieder behaupten. Wirwerden in der zweiten Jahreshälfte noch einiges ein-zusparen haben. Die Arbeit geht an dieser Stelle wei-ter.

Wir werden in diesem Herbst Diskussionen überzwei wichtige Themen miteinander zu führen haben.Es wird eine Diskussion zum Niedriglohnbereich ge-ben. Die Stichworte heißen „Kombilohn“, „Mindest-lohn“ und „Entsendegesetz“. Welche Rolle spielenMini- und Midijobs? Wir alle wissen, mit dem, was wirals Arbeitslosengeld II installiert haben, besteht fak-tisch ein Mindestlohngesetz. 400 000 Menschen ar-beiten ganztags, haben aber so wenig Geld in ihrerLohntüte, dass sie zusätzlich Arbeitslosengeld II brau-chen. Weitere 600 000 bis 700 000 arbeiten in Teilzeitund erhalten zusätzlich Arbeitslosengeld II. Es gibt inDeutschland Anzeigen, in denen steht: 173 Stundenarbeiten, kein Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld,Bruttolohn 700 Euro monatlich. – Das liegt weit unterdem Existenzminimum.

Wir Politiker werden uns mit dieser Entwicklungim Niedriglohnbereich auseinander zu setzen haben.Da kann man nicht einfach zusehen. Ergänzend zudem, was die Tarifparteien tun, müssen wir nach Ant-worten suchen. Das wird keine leichte Diskussionsein; das brauche ich hier nicht zu sagen. Sie allesind sach- und fachkundig genug, um zu wissen, zuwelchen Verwerfungen es kommt, wenn man überMindest- und Kombilohn spricht. Wir müssen daraufeine Antwort finden.

Ein Lediger ohne Kinder bekommt in einem Job bei6,50 Euro pro Stunde etwa so viel, wie wenn er Ar-beitslosengeld II bezieht. Ein Familienvater oder eineFamilienmutter, vier Personen, ein Verdiener, zweiKinder, muss 11,50 Euro pro Stunde verdienen, umdasselbe zu haben wie beim Bezug von Arbeitslosen-geld II. Hier geht es nicht nur um die Frage des Min-destlohns, sondern auch um das Mindesteinkommen.Wie wollen wir auf mittlere Sicht damit umgehen?Wollen wir akzeptieren, dass Arbeitslosengeld II derMindestlohn ist und Zuzahlungen in Form einesKombilohns stattfinden? Das ist die Realität. Damitmüssen wir uns im Bund und in den Ländern ausei-nander setzen. Wir müssen gemeinsam eine vernünf-tige Lösung formulieren.

Ich bitte, keine Angst vor bestimmten Wörtern zuhaben, die sehr schwierig sind. Ich gebe zu: Als dieVerhandlungen zur Bildung der großen Koalition be-gannen, konnten wir Sozialdemokraten das Wort„Kombilohn“ nicht sagen, ohne dass uns schlechtwurde. Die CDU/CSU konnte das Wort „Mindest-lohn“ nicht sagen. Wir alle haben gelernt, dass man

Bundesminister Franz Müntefering

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)ruhig neutral darüber sprechen darf, welche Funktio-nen die Begriffe jeweils haben. Deshalb kann mandamit jetzt ohne Arg umgehen. Wir können darüberreden.

Ein letztes Wort zu den Kosten der Unterkunft! Esist ein Zeitplan vereinbart. Wir werden das in diesemHerbst klären. Zu einem ersten Termin ist die vorbe-reitende Gruppe am 17. Juli eingeladen. Es ist imWeiteren eine politische Zusammensetzung vorgese-hen: sechs Ministerpräsidenten, drei Minister. Siewerden nach politischen Wegen suchen. Ich wäredankbar, wenn im Vorfeld über eine Lösung nach-gedacht würde. Beim letzten Mal haben wir wie voreiner Glaskugel gestanden; alle wussten: Man kannnur raten. Ich weiß nicht, ob wir ein neues Systemfinden. Aber einiges von dem, was hier gesagt wor-den ist, deutet darauf hin, dass wir eine Lösung fin-den müssen, die uns von der Notwendigkeit befreit,noch im Jahre 2009 auf der Basis der Zahlen von2004 zu mutmaßen, was im Jahre 2010 herauskommtund welche Konsequenzen sich für den Ausgleichzwischen Bund, Ländern und Kommunen ergeben.Das ist unsere Aufgabe.

Richtig fair und vernünftig kann man es nicht ma-chen. Viele verdienen daran. Das sagen sie nicht, wiewir wissen. Aber diejenigen, die weniger haben, mel-den sich. Ihnen glaube ich das auch. Gut leben kannman mit dieser Entwicklung nicht, weder im Verhält-nis der Länder untereinander noch im Verhältnis derKommunen zu den Ländern.

Ich möchte auf Folgendes hinweisen: 1,5 Milliar-den von den 2,5 Milliarden Euro für die Kommunensind für die Schaffung von Ganztagsbetreuungsplät-zen für die unter 3-Jährigen vorgesehen. Ich will dasnicht vertiefen, sage aber: Bevor wir über die weitereEntwicklung sprechen, wüsste ich gerne, wie viel da-von im Jahr 2005 umgesetzt worden ist, was mit demGeld geschehen ist. Die 1,5 Milliarden Euro sindnach der Vorstellung des Bundes an die Verbesse-rung des Angebotes an Betreuungsplätzen für dieKleinen gebunden.

Meine Damen und Herren, ich bitte um Zustim-mung zu dem SGB-II-Fortentwicklungsgesetz. Esbringt uns einen Schritt weiter. Ich weiß, das ist nichtdie ganze Antwort. Wir werden in diesem Herbsteine intensive Debatte miteinander darüber zu füh-ren haben.

Wir sollten nicht aus dem Blick verlieren: Den Ar-beitslosen ist es egal, ob der Bundesminister oder derMinisterpräsident oder der Bürgermeister bezahlt.Sie wollen, dass etwas Vernünftiges für sie erreichtwird. Wir dürfen nicht das Bild bieten, dass wir unsim Streit über Zuständigkeiten verheddern. Eskommt darauf an, vernünftige Regelungen zu finden.Einiges kann besser werden, als es heute ist. Wir ha-ben uns für das nächste Jahr vorgenommen, die In-strumente des Arbeitsmarktes insgesamt zu verbes-sern, nachdem wir sie geprüft haben. Daran solltenwir gemeinsam arbeiten. – Vielen Dank für die Auf-merksamkeit.

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Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Bundes-minister, herzlichen Dank!

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. –Herr Staatsminister Mackenroth (Sachsen) gibt eineErklärung zu Protokoll*).

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen vor.

Wer entsprechend Ziffer 1 dem Gesetz zuzustim-men wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. –Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt.

Wir haben nun noch über die empfohlene Ent-schließung zu befinden.

Bitte das Handzeichen für Ziffer 6 der Ausschuss-empfehlungen! – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 7.

Ziffer 8! – Mehrheit.

Ziffer 10! – Minderheit.

Ziffer 11! – Minderheit.

Ziffer 12! – Minderheit.

Ziffer 15! – Minderheit.

Ziffer 18! – Mehrheit.

Ziffer 20! – Minderheit.

Ziffer 21! – Mehrheit.

Ziffer 23! – Mehrheit.

Ziffer 29! – Minderheit.

Ziffer 30! – Mehrheit.

Ziffer 31! – Minderheit.

Bitte das Handzeichen für alle noch nicht erledig-ten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat eine Entschließung ge-fasst.

Zur gemeinsamen Abstimmung nach § 29 Abs. 2der Geschäftsordnung rufe ich die in dem UmdruckNr. 6/2006**) zusammengefassten Beratungsgegen-stände auf. Es sind dies die Tagesordnungspunkte:

3 bis 5, 7, 9, 10, 16 bis 18, 20, 21, 23, 25, 26,28 a), 29, 30, 33 bis 35, 37, 41, 44, 46, 48 und51 bis 58.

Wer den Empfehlungen folgen möchte, den bitteich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Dann ist so beschlossen.

Je eine Erklärung zu Protokoll haben abgegeben:Herr Minister Wiegard (Schleswig-Holstein) zu

*) Anlage 4**) Anlage 5

Bundesminister Franz Müntefering

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 229

(A C)

(B) D)

)Tagesordnungspunkt 4*) und Herr Minister Profes-sor Dr. Reinhart (Baden-Württemberg) zu Tagesord-nungspunkt 9**).

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6:

Gesetz zur Änderung personenbeförderungs-rechtlicher Vorschriften und arbeitszeitrechtli-cher Vorschriften für Fahrpersonal (Drucksache409/06 [neu])

Es gibt eine Wortmeldung von Herrn SenatorDr. Freytag (Hamburg). Sie haben das Wort. Bittesehr.

Dr. Michael Freytag (Hamburg): Herr Präsident,meine Damen und Herren! Ich begrüße die Wirkungs-richtung des vorliegenden Gesetzes, insbesondere imHinblick auf den deutlich erhöhten Bußgeldrahmenbei Verstößen gegen das Personenbeförderungs-recht. Es ist ein Gebot der Praxis, gravierendem Fehl-verhalten mit einer angemessenen, spürbaren Sank-tion begegnen zu können. Besondere Bedeutung hatdie hiermit verbundene nachhaltige Erhöhung dergeneralpräventiven Wirkung.

Meine Damen und Herren, angesichts der fortge-schrittenen Zeit möchte ich meine Rede im Übrigenzu Protokoll***) geben.

Ich bitte Sie, dem Gesetz zuzustimmen.

Präsident Peter Harry Carstensen: Eine gute Idee,Herr Senator Dr. Freytag. Herzlichen Dank!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitteich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Dann ist so beschlossen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 8:

Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Nor-menkontrollrates (Drucksache 411/06)

Es gibt eine Wortmeldung von Minister ProfessorDr. Reinhart (Baden-Württemberg).

Prof. Dr. Wolfgang Reinhart (Baden-Württem-berg): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kol-legen! „Im Prinzip ist Bürokratieabbau wieGärtnern – das hört nie auf.“ – So hat jüngst ein Ken-ner der Materie, Professor J a n n von der Univer-sität Potsdam, das Problem zutreffend beschrieben.Ein Ende ist also nicht in Sicht. Vielleicht können wirmit der heutigen Initiative ein neues Kapitel beimBürokratieabbau aufschlagen.

Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen: Eineauf Einzelmaßnahmen beschränkte Deregulierungreicht nicht aus, um das Übermaß an Bürokratie undKostenlasten, insbesondere für die kleinen und mitt-leren Unternehmen, zu beseitigen.

*) Anlage 6**) Anlage 7

***) Anlage 8

(

(

Das vorliegende Gesetz geht mit der Einsetzung ei-nes Nationalen Normenkontrollrats und der Bürokra-tiekostenmessung nach dem so genannten Standard-kostenmodell einen neuen Weg.

Ich möchte mich meinem Vorredner anschließenund auf Grund der fortgeschrittenen Zeit die ergän-zenden Ausführungen zu dieser Frage zu Protokoll*)

geben.

Wir begrüßen das Gesetz.

Präsident Peter Harry Carstensen: Ich bedankemich, Herr Minister.

Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegen Ihnendie Ausschussempfehlungen vor.

Empfehlungen oder Anträge auf Anrufung des Ver-mittlungsausschusses liegen nicht vor.

Ich stelle damit fest, dass der Bundesrat den Ver-mittlungsausschuss n i c h t anruft.

Wir haben noch über die vom Wirtschaftsausschussempfohlene Entschließung abzustimmen. Aus denAusschussempfehlungen rufe ich auf:

Ziffer 2! – Mehrheit.

Ziffer 3! – Mehrheit.

Ziffer 4! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat, wie soeben beschlossen,eine Entschließung gefasst.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 60:

Steueränderungsgesetz 2007 (Drucksache 464/06)

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer ist dafür, demGesetz zuzustimmen? – Das ist die Mehrheit.

Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 61:

Gesetz zur Neuregelung der Besteuerung vonEnergieerzeugnissen und zur Änderung desStromsteuergesetzes (Drucksache 465/06)

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Eine Ausschussempfehlung auf Anrufung des Ver-mittlungsausschusses oder ein entsprechender Lan-desantrag liegt nicht vor.

Ich stelle fest, dass der Bundesrat zu dem Gesetzeinen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundge-setzes n i c h t stellt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 62:

Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinienzur Verwirklichung des Grundsatzes derGleichbehandlung (Drucksache 466/06)

*) Anlage 9

Präsident Peter Harry Carstensen

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230 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A C)

(B) D)

)Wortmeldungen liegen nicht vor. – Eine Erklärung

zu Protokoll*) gibt Herr Minister Breuer (Nordrhein-Westfalen).

Eine Empfehlung auf Anrufung des Vermittlungs-ausschusses oder ein entsprechender Landesantragliegt nicht vor.

Ich stelle daher fest, dass der Bundesrat zu demGesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 desGrundgesetzes n i c h t stellt.

Tagesordnungspunkt 63:

Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlussesüber den Europäischen Haftbefehl und dieÜbergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaa-ten der Europäischen Union (EuropäischesHaftbefehlsgesetz – EuHbG) (Drucksache 467/06)

Frau Staatsministerin Dr. Merk (Bayern), Herr Par-lamentarischer Staatssekretär Hartenbach (Bundes-ministerium der Justiz) und Frau BürgermeisterinSchubert (Berlin) geben je eine Erklärung zu Proto-koll**).

Eine Empfehlung auf Anrufung des Vermittlungs-ausschusses oder ein entsprechender Landesantragliegt nicht vor.

Ich stelle daher fest, dass der Bundesrat zu demGesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 desGrundgesetzes n i c h t stellt.

Tagesordnungspunkt 64:

Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklungdes Gesetzes über Unternehmensbeteiligungs-gesellschaften (UBGG) – Antrag der LänderNordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Ham-burg, Niedersachsen gemäß § 36 Abs. 2GO BR – (Drucksache 461/06)

Dem Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Ba-den-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen sind dieLänder Brandenburg und Sachsen beigetreten.

Es gibt eine Wortmeldung von Frau MinisterinThoben (Nordrhein-Westfalen).

Christa Thoben (Nordrhein-Westfalen): Herr Präsi-dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! DieWirtschaftsministerkonferenz hat auf Initiative Nord-rhein-Westfalens im Dezember 2005 den Ad-hoc-Arbeitskreis „Weiterentwicklung des UBGG“ einge-setzt. Der Arbeitskreis hat unter dem Vorsitz meinesHauses den Entwurf einer Gesetzesnovelle abge-stimmt. Diesen Gesetzesvorschlag hat die Wirt-schaftsministerkonferenz am 7. Juni dieses Jahreseinstimmig gebilligt und die an der Arbeitsgruppebeteiligten Länder um Antragstellung im Bundesratgebeten.

Ich bitte Sie daher, die gemeinsame Gesetzesinitia-tive der Länder Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Nie-

*) Anlage 10**) Anlagen 11 bis 13

(

(

dersachsen und Baden-Württemberg zu unterstützen.Weitere unterstützende Voten sind uns willkommen.

Die übrigen Ausführungen gebe ich gern zu Proto-koll*). – Danke schön.

Präsident Peter Harry Carstensen: HerzlichenDank, Frau Thoben!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Ich weise die Vorlage dem Finanzausschuss – fe-derführend – sowie dem Rechtsausschuss und demWirtschaftsausschuss – mitberatend – zur weiterenBeratung zu.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 11:

Entwurf einer … Verordnung zur Änderungstraßenverkehrsrechtlicher Vorschriften – An-trag der Freien und Hansestadt Hamburg –(Drucksache 396/06)

Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnendie Ausschussempfehlungen vor.

Wer entsprechend Ziffer 1 dafür ist, den Verord-nungsentwurf der Bundesregierung zuzuleiten, denbitte ich um das Handzeichen. – Das ist eine Minder-heit.

Damit wird der Verordnungsentwurf entspre-chend Ziffer 2 der Ausschussempfehlungen der Bun-desregierung n i c h t zugeleitet.

Tagesordnungspunkt 12:

Entschließung des Bundesrates zur Änderungder Neuregelung des Fälligkeitstermins fürSozialabgaben – Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg gemäß § 36Abs. 2 GO BR – (Drucksache 430/06)

Eine Erklärung zu Protokoll**) gibt MinisterBreuer (Nordrhein-Westfalen). – Weitere Wortmel-dungen liegen mir nicht vor.

Ich weise die Vorlage dem Ausschuss für Arbeitund Sozialpolitik – federführend – sowie dem Ge-sundheitsausschuss und dem Wirtschaftsausschuss– mitberatend – zu.

Tagesordnungspunkt 65:

Entschließung des Bundesrates zur Integrationund Einbürgerung – Antrag der Länder Hes-sen, Bayern, Schleswig-Holstein gemäß § 36Abs. 2 GO BR – (Drucksache 460/06)

Dem Antrag der Länder Hessen, Bayern, Schles-wig-Holstein ist das Saarland beigetreten.

Wortmeldungen: Herr Staatsminister Bouffier (Hes-sen) und Herr Minister Dr. Stegner (Schleswig-Hol-stein).

Bitte sehr, Herr Bouffier.

*) Anlage 14**) Anlage 15

Präsident Peter Harry Carstensen

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 231

(A C)

(B) D)

) Volker Bouffier (Hessen): Herr Präsident! MeineDamen und meine Herren! In der nächsten Wochefindet bei der Bundeskanzlerin der Integrationsgip-fel statt. Ich freue mich sehr, dass zum ersten Mal aufhöchster politischer Ebene die Aufgabe der Integra-tion angegangen wird. Ich verspreche mir von die-sem Gipfel wichtige Impulse.

Für die Frage, wie sich unser Land weiterentwi-ckelt, ist es von entscheidender Bedeutung, dass esuns gelingt, die Millionen Menschen, die aus den un-terschiedlichsten Ländern mit völlig unterschiedli-chen Traditionen, Wertvorstellungen und kulturellenHintergründen zu uns gekommen sind, in unser Landzu integrieren. Wenn die gemeinsame Entwicklungfriedlich und erfolgreich verlaufen soll – das ist un-sere gemeinsame Überzeugung –, dann müssen wirvom Reden zum Handeln kommen.

Es geht dabei schon lange nicht mehr um die Fragedes Ob, sondern um die Frage des Wie. Wir müssenvon dem häufigen Nebeneinander zum gelebten Mit-einander kommen. Das bedeutet, wir müssen Paral-lelgesellschaften vermeiden und sie dort, wo sie ent-standen sind, Stück für Stück wieder auflösen. Wirbrauchen gemeinsame Grundlagen, wie wir in Zu-kunft unser Leben gestalten wollen, nach welchenWerten und nach welchen Grundüberzeugungen.Das ist nicht beliebig, sondern das orientiert sich anunserer Verfassung und an den Überzeugungen un-serer Gesellschaft.

Dabei müssen wir ein faires Angebot an diejenigenmachen, die zu uns gekommen sind; aber sie müssendieses Angebot auch annehmen.

In diesem größeren Zusammenhang ist die Einbür-gerung sozusagen der Schlussstein der Integration.Nicht jede Einbürgerung ist per se ein Gewinn. Jedegelungene Integration, die in die Einbürgerung mün-det, ist ein Gewinn.

In den letzten Monaten wurde intensiv darüber dis-kutiert, ob das bisherige Einbürgerungsverfahrendiesen Überlegungen und diesen Zielsetzungen ge-nügt. Wir sind in der Innenministerkonferenz zu demErgebnis gekommen, dass das bisherige VerfahrenMängel aufweist und diesen Grundüberzeugungennicht hinreichend genügt. Ich will das an zwei Bei-spielen deutlich machen.

Wir verlangen das Bekenntnis zur freiheitlich-de-mokratischen Grundordnung. Das ist selbstverständ-lich. Aber wie geschieht das? Durch Unterschrift un-ter ein Formular. Eigentlich hat es aber keinen Sinn,richtigerweise ein Bekenntnis zur freiheitlich-demo-kratischen Grundordnung zu verlangen, wenn mannicht vorher sicherstellt, dass derjenige, der es abge-ben soll, weiß, worum es geht. Deshalb muss erreichtwerden, dass sich der Bewerber mit den tragendenPrinzipien, mit den Werten und mit der Entwicklungdieser Verfassung und dieser Gesellschaft vertrautmacht, sich mit ihnen auseinander setzt und sie ak-zeptiert.

Es gibt ein Zweites, das eigentlich selbstverständ-lich ist, bislang aber nicht geschieht: Derjenige, der

(

(

Staatsbürger werden will – wir werben aus vielerleiGründen dafür –, sollte auch etwas von dem Landwissen, dessen Staatsbürger er werden will. Das zuverlangen, was gemeinhin als „staatsbürgerschaftli-ches Rucksackwissen“ bezeichnet wird, ist keine un-nötige Erschwerung, sondern, richtig verstanden,eine Hilfestellung. Derjenige, der sich mit dem Land,seinen Bedingungen, seiner Geschichte und seinenBesonderheiten vertraut macht, ist anschließend we-sentlich besser in der Lage, seine Entwicklung unddie Entwicklung seiner Kinder in diesem Land so zugestalten, dass es für alle Seiten erfolgreich ist.

Warum das bisherige Verfahren aus der Sicht allerInnenminister unzureichend und jedenfalls nicht hin-länglich brauchbar ist, kann man an Folgendem er-kennen: Wer in unserem Land eine Niederlassungs-erlaubnis haben will, muss einen Integrationskursbesuchen; wer Staatsbürger werden will, muss dasnicht tun.

Ich halte dies gemeinsam mit meinen Kolleginnenund Kollegen für falsch. Wir haben deshalb in Hes-sen und in vielen anderen Bundesländern die De-batte aufgegriffen und sind zu dem Ergebnis gekom-men, dass wir verbindliche Einbürgerungskursebrauchen, in denen diese Gesichtspunkte verankertsind. In der Entschließung wird dazu eine ganzeReihe von Punkten, die ich aus Zeitgründen nicht allevortrage, im Einzelnen benannt.

Wir wollen diese Kurse verbindlich halten. Wir wol-len auch das Ergebnis überprüfen. Wir möchten, dassdies ernst gemeint ist, dass es eine echte Auseinan-dersetzung mit diesen Fragen gibt. Deshalb solltendie Kurse Verbindlichkeitscharakter haben.

Die Innenministerkonferenz hat sich mit dieserAufgabe beschäftigt und nach intensiver Diskussionein Konzept unter dem Stichwort „Fördern und For-dern“ beschlossen. Im allgemeinen Teil äußern wiruns zu Integrationsfragen, die uns sicherlich nochlange beschäftigen werden. Im besonderen Teil be-schreiben wir die Notwendigkeit der Verbesserungdes Einbürgerungsverfahrens.

Dieses Konzept beseitigt die vorhandenen Mängel.Es eröffnet bessere Chancen der Integration, und eswahrt bundeseinheitliche Standards.

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dasswir dort einen Vorschlag verankert haben, den wirspeziell unter das Stichwort „Fördern“ gestellt ha-ben. Wir sind davon ausgegangen, dass es bei derRegelanwartschaftszeit von acht Jahren bleiben soll,meinen aber, dass wir denjenigen, die sich besondersgut integrieren, also hohe Integrationsleistungen er-bringen, zeigen sollten, dass sie uns willkommensind. Deshalb haben wir vorgeschlagen, dass in sol-chen Fällen die Einbürgerung ohne weiteres nachsechs Jahren möglich sein soll.

Wir haben den Schwerpunkt auf besondere Bedin-gungen des Spracherwerbs gelegt und halten im Üb-rigen an den Voraussetzungen fest, die auch bislangim Verfahren erforderlich waren.

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232 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A C)

(B) D)

)Wir haben gute Aussichten, die Mängel des bishe-

rigen Verfahrens abzustellen und zu besseren Ver-fahren und Inhalten zu kommen, weil sich die Bun-desregierung zurzeit im Prozess der Novellierungdes Aufenthaltsgesetzes befindet. Es besteht diegroße Chance, die Punkte, die in der Entschließungim Einzelnen aufgeführt sind, mit in den Novellie-rungsprozess aufzunehmen.

Die Innenministerkonferenz wendet sich an dieBundesregierung mit der Bitte und der Aufforderung,diese Gesichtspunkte aufzugreifen. Der Ihnen vorge-legte Entschließungsantrag der Länder Hessen, Bay-ern und Schleswig-Holstein sowie – wenn ich es rich-tig gehört habe – dankenswerterweise auch desSaarlandes soll dieses Anliegen bekräftigen undseine Umsetzung beschleunigen. Ich bitte herzlichdarum, dass wir unseren Standpunkt in der Grund-frage für unser Land, wie wir es erreichen, dass dieEntwicklung für alle – sowohl für diejenigen, dieschon immer hier waren, als auch für diejenigen, diezu uns gekommen sind – erfolgreich und friedlichverläuft, durch ein möglichst einstimmiges Votumdes Bundesrates unterstreichen.

Die Kollegen aus Rheinland-Pfalz haben einen Än-derungsantrag vorgelegt. Ich muss sagen: Ich kanndarin nichts Neues erkennen, aus meiner Sicht auchnichts Besseres. Aber er ist sicherlich soziologischer.Mir ist wichtig – das sage ich den Kollegen ausRheinland-Pfalz –, dass wir die Einstimmigkeit beibe-halten. Deshalb empfehle ich, den Änderungsantragmit aufzunehmen, und ich bitte das Haus, sowohldieser Änderung als auch dem Antrag auf sofortigeSachentscheidung, vor allen Dingen aber der Ent-schließung zuzustimmen. – Ich danke Ihnen.

Präsident Peter Harry Carstensen: Herr Staats-minister, herzlichen Dank!

Das Wort hat Minister Dr. Stegner (Schleswig-Hol-stein).

Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Holstein): Herr Präsi-dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „In-tegration“ hat alle Chancen, zum Wort des Jahres zuwerden. Wir haben es in der Hand, ob es ein Begriffaus Sonntagsreden bleibt oder ob wir es mit Lebenerfüllen und damit Taten folgen lassen.

Die Vorarbeit ist geleistet. Heute könnte eine wich-tige Zwischenetappe sein. Der Integrationsgipfel, aufden Herr Kollege Bouffier hingewiesen hat, könnteden Startschuss für bundesweit koordiniertes Han-deln geben.

Mit dem Zuwanderungsgesetz wurde parteiüber-greifend konstatiert, dass Deutschland ein Einwan-derungsland ist. Sollte es weiterhin Skepsis geben, sowird sie durch den jüngsten Mikrozensus ausge-räumt. Fakt ist danach, dass rund ein Fünftel unsererBevölkerung einen Migrationshintergrund hat. Beider Altersgruppe der unter 25-Jährigen ist es sogarjeder Vierte.

(

(

Die meisten dieser Menschen sind übrigens gut in-tegriert. Sie leben hier; sie arbeiten hier; sie zahlenihre Steuern und Beiträge. Wir haben in SachenStaatsbürgerschaft eigentlich auch keine substanziel-len Probleme – außer dass zu wenige Menschen siebeantragen. In der Tat: Es ist der Schlussstein gelun-gener Integration, wenn jemand sie beantragt.

Schon 1979 hatte der erste Ausländerbeauftragteder Bundesregierung, Heinz K ü h n , in seinemMemorandum eine konsequente Integrationspolitikauf allen politischen Ebenen eingefordert. Notwen-dig sei ein „Maßnahmebündel, das die Chance zu ei-ner vorbehaltlosen und dauerhaften Eingliederungeröffnet“. Erst ein Vierteljahrhundert später hat dasZuwanderungsgesetz ein bundesweites Integrations-programm verankert.

Viele Landesregierungen und Kommunen habenIntegrationskonzepte erstellt. Was fehlt, ist die Ver-knüpfung der Integrationskonzepte zu einemGesamtrahmen. Handlungsbedarf besteht vom Aus-länderrecht über Bildung und Erziehung bis zumWohnungs- und Städtebau.

Vieles läuft parallel und ungesteuert. MancheMaßnahme verpufft dadurch ungewollt in ihrer Wir-kung. Bund, Länder und Kommunen investieren inMilliardenhöhe in Integrationsmaßnahmen. Es fehltalso nicht an den notwendigen finanziellen Ressour-cen für eine vernünftige Integrationspolitik. Es fehltvielmehr an einem bedarfsgerechten und ab-gestimmten „Maßnahmebündel“, um das Wort vonHeinz Kühn aufzugreifen.

Dieses Maßnahmebündel mit einem optimalen Zu-sammenspiel der verantwortlichen Akteure auf allenEbenen wird mit dem bundesweiten Integrations-programm angestrebt. Ich hoffe sehr, dass dieserGipfel – es hat in letzter Zeit viele Gipfel gegeben –nicht im Wesentlichen auf mediale Wirkung abstellt.Das ist in der Demokratie zwar wichtig. Im Kern gehtes aber darum, dass sich Bund, Länder und Kommu-nen sowie die gesellschaftlichen Gruppen auf Zieleund Eckpunkte verständigen, um ein Integra-tionsprogramm in Gang zu setzen.

Die Innenministerkonferenz hat sich im Mai aufEckpunkte zur Integration geeinigt. Das war nichtleicht. Man kam von verschiedenen Ebenen und vonverschiedenen Ecken her. Dass Sie heute einen ge-meinsamen Antrag von Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein und jetzt auch des Saarlandes vorfinden, istmeines Erachtens ein ermutigendes Zeichen dafür,dass man in der Lage und willens ist, solche Dingegemeinsam anzugehen.

Mit diesen Eckpunkten würden die Länder auf ei-ner soliden Basis in den Integrationsgipfel gehen. Vorder heutigen Sitzung ist die Frage aufgetaucht: Wa-rum müsst ihr das vor dem Integrationsgipfel ma-chen? – Ich will es mit einem Satz begründen: weildie Länder und Kommunen die Hauptlast der exeku-tiven Verantwortung für die konkret zu leistendeIntegrationsarbeit zu tragen haben. Das kann durchnoch so schöne Erklärungen anderswo nicht ersetzt

Volker Bouffier (Hessen)

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 233

(A C)

(B) D)

)werden, es ist die tägliche Praxis. Daher rührt der Be-darf, das Problem zu lösen.

Übrigens geht es keineswegs, wie ich gestern in ei-ner großen Zeitung gelesen habe, in erster Linie umschärfere Sanktionen gegen Einwanderer. Das wärefalsch. Eine solche Akzentsetzung hat das LandSchleswig-Holstein mit Sicherheit nicht in den Bun-desrat eingebracht.

Im Zentrum der Eckpunkte steht vielmehr das Bildder Zweibahnstraße. Herr Kollege Bouffier hat vonFordern und Fördern gesprochen. Diese Begriffesind im Zusammenhang mit Hartz IV ein bisschendiskreditiert worden. Sie sind aber richtig. Zwei-bahnstraße heißt: Leistungen des Gemeinwesens aufder einen Seite und Erwartung an diejenigen, diebei uns leben, auf der anderen Seite. Migrantinnenund Migranten müssen es als ihre selbstverständlicheAufgabe begreifen, sich und ihre Kinder in die deut-sche Gesellschaft zu integrieren und einen aktivenBeitrag zu leisten. Integration ist insofern Pflicht,meine sehr verehrten Damen und Herren. Gefordertwerden muss ein aktives Bekenntnis zu Demokratieund moderner Gesellschaft als gemeinsame Grund-lage des Miteinanders.

Auch hier gibt es eine Zweibahnstraße: Glaubens-und Religionsfreiheit sind das eine, Meinungs- undPressefreiheit das andere. Beides ist zu akzeptieren.Das gilt gleichermaßen für die deutsche Bevölke-rung. Wir reden also nicht über Sonderregeln für die-jenigen, die zu uns kommen.

Es geht nicht um das in der Öffentlichkeit sehr in-tensiv diskutierte so genannte „Wissensquiz“. Esgeht auch nicht um Gesinnungsprüfung. Worum esgeht, ist das Zusammenleben auf dem Fundamentgemeinsamer Werte. Die deutsche Verfassung sagtdas, was dazu zu sagen ist: Demokratie, Rechtsstaat-lichkeit sowie Meinungs- und Religionsfreiheit. Übri-gens gehört die Gleichberechtigung von Mann undFrau zu den Verfassungsprinzipien, die wir inDeutschland haben. Auf diesem Fundament ist vielPlatz für kulturelle Vielfalt und individuelle Lebens-entwürfe. Niemand wird gezwungen, seine Herkunftund Identität aufzugeben.

Wir wollen Integration, nicht Assimilation. Wirwollen Menschen, die zu uns kommen, integrieren.Wir wollen sie nicht verbeamten. Daher haben wiruns auf eine Lösung verständigt, nach der die Länderzwischen einer Eidesleistung und einer feierlichenEinbürgerungsveranstaltung wählen können. Beidesist gleichermaßen möglich.

Ich meine, dass die Bevölkerung mit Offenheit undausgestreckter Hand auf die Migrantinnen und Mi-granten zugehen sollte.

Zu dem aktiven Bekenntnis zu Demokratie undmoderner Gesellschaft gehört eines in allerersterLinie: Man muss Deutsch verstehen und sprechenkönnen; sonst kann man sich nicht integrieren. Dasist nicht zu viel verlangt.

Auch dies ist eine Zweibahnstraße: Der Staat mussausreichend Förderangebote zur Verfügung stellen.

(

(

Das gilt übrigens auch für die Jugendlichen, dieaus den ehemaligen GUS-Staaten kommen, keines-wegs nur für andere; auch dort haben wir massiveProbleme, meine sehr verehrten Damen und Herren.Die Sprachanforderungen müssen für alle gelten, sowie das Zuwanderungsgesetz es für erwachsene Zu-wanderinnen und Zuwanderer mit den Integrations-kursen vorsieht.

Wer die Sprache nicht beherrscht, hat keineChance, eine Ausbildung abzuschließen und einenArbeitsplatz zu finden. Er wird sich nicht integrierenund zu anderen Dingen greifen. Wir haben dann Pro-bleme, deren Lösung uns teurer zu stehen kommt alsSprachkurse. Von denjenigen, die zugewandert sind,müssen wir erwarten, dass sie sich den Mühen desSpracherwerbs auch tatsächlich stellen.

Entscheidend für den Erfolg ist also, dass die staat-lichen Systeme so aufgestellt sind, dass Menschenmit Migrationshintergrund die gleichen Zugangs-möglichkeiten zu Bildung, Ausbildung und Berufhaben. Es geht um Teilhabe am gesellschaftlichen,am wirtschaftlichen, am sozialen und am politischenLeben.

Wir müssen weg von der Dauerförderung noch soguter Projekte und hin zu justierten Systemen kom-men, die integrationsfördernd, nicht integrations-hemmend sind. Hier warten große Hausaufgaben aufBund, Länder und Kommunen.

Das gilt insbesondere für den Bildungsbereich. Ichwill das nicht im Detail ausführen, um Sie zeitlichnicht zu sehr zu beanspruchen. Mit „Mini-Sprach-kursen“ allein ist es nicht getan. Wir brauchen inte-grative Sprachförderungskonzepte, wie wir sie z. B.in Schleswig-Holstein entwickelt haben.

Dazu gehört, dass Eltern ihre Kinder im Rahmen ih-rer Möglichkeiten unterstützen. Frühzeitiger Kinder-gartenbesuch, regelmäßiger Schulbesuch, Unterstüt-zung bei Hausaufgaben und Teilnahme an all denDingen, die in Deutschland zur Schule dazugehören,dürfen erwartet werden. Eltern müssen ihre Kinderanimieren, Bildungschancen zu nutzen, auch wennder Weg steinig ist.

Es muss darum gehen, in einem größeren Maß, alses bisher möglich war, Chancen zu bieten und Chan-cen zu nutzen. Hierbei kann ein bundesweites Inte-grationsprogramm eine maßgebliche Rolle spielen.Die Chancen zu nutzen ist Verpflichtung der Zuwan-derer.

Gleichzeitig leben bei uns allzu viele Menschen,die eine unsichere Perspektive haben, was ihren Auf-enthaltsstatus angeht, obwohl sie und ihre Kinder in-tegriert sind. Auch diesen Menschen müssen wir einePerspektive geben.

Pluralität kann unsere seit jeher weltoffene Gesell-schaft stärken. Migration kann aber auch ins Abseitsund zur Bildung von Parallelgesellschaften führen.Wir haben bei unseren französischen Nachbarn vorkurzem gesehen, wie weit es gehen kann, wenn mandie entsprechende Verknüpfung nicht herstellt.

Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Holstein)

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234 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A C)

(B) D)

)Insofern brauchen wir eine moderne Integrations-

politik, die weder schwärmerisch ist noch auf dieStammtische zielt. Beides wäre gleichermaßen falsch.Gerade als Bürger eines Landes, aus dem vor einigenJahrzehnten viele Menschen fliehen mussten, die an-derswo integriert wurden, haben wir die Verpflich-tung – auch die historische Verpflichtung –, in einerPhase, in der es den Deutschen so gut geht wie nochnie in ihrer Geschichte, keine hartherzige Politik zubetreiben, sondern eine Politik, die mit dem Prinzipdes Förderns und Forderns Menschen integriert, diehier leben wollen. Es geht also um ein pragmatisches,viele Politikfelder berührendes Integrationskonzeptin einem weltoffenen Land.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meinesErachtens hat die zu Ende gehende Fußballwelt-meisterschaft gezeigt, dass die im Vorfeld geäußerteBedenkenträgerei und Miesepetrigkeit ebenso wiedas Katastrophengerede völlig unbegründet waren.Die Welt war und ist zu Gast bei außerordentlichfröhlichen Freunden. Das mag für uns Ansporn sein,diesen Schwung für die Aufgaben mitzunehmen, diewir auf dem Feld der Integrationspolitik zu leistenhaben – übrigens keineswegs wir Politiker alleine,sondern auch Kirchen, Verbände, Gewerkschaftenund andere Organisationen sowie Arbeitgeber undArbeitnehmer. Wir können die Verantwortung über-nehmen.

Ich bitte Sie herzlich um Zustimmung zu dem vonBayern, Hessen, Schleswig-Holstein und dem Saar-land vorgelegten Antrag. – Vielen Dank.

Präsident Peter Harry Carstensen: Danke schön,Herr Stegner!

Mir liegt keine Wortmeldung mehr vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Ausschussberatun-gen haben nicht stattgefunden. Die antragstellendenLänder haben jedoch beantragt, bereits heute in derSache zu entscheiden. Wer also für sofortige Sachent-scheidung ist, den bitte ich um das Handzeichen. –Das ist die Mehrheit.

Zu der Entschließung liegt ein Änderungsantragvon Rheinland-Pfalz vor, über den ich zunächst ab-stimmen lasse. Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit.

Wer stimmt der Entschließung mit der soeben fest-gelegten Änderung zu? – Das ist die Mehrheit.

Dann ist so beschlossen.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich die Tagesord-nungspunkte 13 und 27 auf:

13. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung desElterngeldes (Drucksache 426/06)

in Verbindung mit

27. Siebter Familienbericht – Familie zwischenFlexibilität und Verlässlichkeit – Perspektivenfür eine lebenslaufbezogene Familienpolitik und Stellungnahme der Bundesregierung (Druck-sache 292/06)

(

(

Wortmeldungen liegen nicht vor. – Minister Breuer(Nordrhein-Westfalen) gibt eine Erklärung zu Proto-koll*).

Wir kommen zur Abstimmung. Ich beginne mitPunkt 13, dem Elterngeld.

Dazu liegen Ihnen die Ausschussempfehlungenvor. Ich erbitte das Handzeichen für:

Ziffer 1! – Mehrheit.

Ziffer 2! – Mehrheit.

Ziffer 3! – Mehrheit.

Ziffer 5! – Mehrheit.

Ziffer 6! – Mehrheit.

Ziffer 8! – Mehrheit.

Ziffer 10! – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 11.

Nun bitte Ihr Handzeichen zu allen noch nicht erle-digten Ausschussempfehlungen! – Das ist die Mehr-heit.

Der Bundesrat hat entsprechend Stellung genom-men.

Nun zu Punkt 27, dem Familienbericht!

Ich stelle fest, dass der Bundesrat entsprechend derEmpfehlung des federführenden Ausschusses für Fa-milie und Senioren den Bericht zur Kenntnis nimmt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 14:

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderungdes Gesetzes zur Verbesserung der personel-len Struktur beim Bundeseisenbahnvermögenund in den Unternehmen der Deutschen Bun-despost (Drucksache 399/06)

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen in Drucksache 399/1/06 vor.

Ihr Handzeichen bitte für die unter Ziffer 1 emp-fohlene Stellungnahme! – Das ist die Mehrheit.

Es ist so beschlossen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 15:

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ver-tragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertrags-arztrechtsänderungsgesetz – VÄndG) (Druck-sache 353/06)

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen in Drucksache 353/1/06 und ein AntragThüringens in Drucksache 353/2/06 vor.

Wir beginnen mit den Ausschussempfehlungen.Zur Einzelabstimmung rufe ich auf:

Ziffer 1! – Mehrheit.

Ziffer 5! – Mehrheit.

*) Anlage 16

Dr. Ralf Stegner (Schleswig-Holstein)

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 235

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)Ziffer 9! – Mehrheit.

Ziffer 11! – Minderheit.

Nun bitte das Handzeichen für den Antrag Thürin-gens! – Mehrheit.

Zur Sammelabstimmung: Wer stimmt den nochnicht erledigten Ziffern der Ausschussempfehlungenzu? – Das ist die Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf,wie soeben festgelegt, Stellung genommen.

Tagesordnungspunkt 19:

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderungdes Erneuerbare-Energien-Gesetzes (Druck-sache 427/06)

Wortmeldung: Frau Ministerin Thoben (Nordrhein-Westfalen). Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Christa Thoben (Nordrhein-Westfalen): Herr Präsi-dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beiden Änderungen des Erneuerbare-Energien-Geset-zes, über die wir heute beraten, scheinen auf den ers-ten Blick umfangreiche rechtstechnische Änderun-gen im Vordergrund zu stehen.

Dieser erste Eindruck täuscht gründlich. Die wich-tigste Vorschrift des Gesetzentwurfs ist kurz und ein-fach. Sie bestimmt, dass § 16 Abs. 5 aufgehobenwird. Damit entfällt in Zukunft die Deckelung derEntlastung stromintensiver Betriebe bei den durchdas EEG verursachten Mehrkosten. Das ist für Nord-rhein-Westfalen mit zahlreichen Standorten derstromintensiven Industrie, darunter den drei größtendeutschen Aluminiumstandorten, ein wichtiger undnotwendiger Schritt. Er macht für die stromintensiveIndustrie die Entlastung, mit der sie bei den EEG-Kosten rechnen kann, wieder verlässlich kalkulier-bar.

Verfolgt man die Entwicklung der Härteklausel imEEG für die stromintensive Industrie, drängen sichaber auch grundsätzliche Schlussfolgerungen auf:Am Anfang stand – noch im alten EEG – bekanntlicheine eng gefasste Härteklausel für wenige besondersstromintensive Unternehmen, vor allem für die Alu-miniumindustrie. Das neue EEG erweiterte 2004 dieEntlastung, weil deutlich geworden war, dass zahl-reiche Branchen durch die EEG-Belastungen in ihrerinternationalen Wettbewerbsposition beeinträchtigtwurden. Natürlich führte die Erweiterung der Härte-klausel zu einer stärkeren Belastung der übrigenKunden. Daher erfand man die Deckelung. Entgegenden Versicherungen des Bundesumweltministeriumsgriff sie bereits im ersten Jahr. Folge war, dass dieEntlastung der besonders stromintensiven Betriebegekürzt wurde; sie war also nicht mehr berechenbar.Diesen Konstruktionsfehler wollen wir beseitigen.Dabei wissen wir, dass wir den Bürgern spätestenszum Jahresende sagen müssen, dass die Strompreiseauch wegen der EEG-Mehrkosten wieder steigenwerden.

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Man muss sich diese Vorgeschichte vor Augen füh-ren, um zu erkennen, dass die Finanzierungsrege-lung des EEG zur Förderung der erneuerbaren Ener-gien auf Dauer mit massiven Akzeptanzproblemenrechnen muss. Daher unterstützen wir den AntragBayerns, das Finanzierungssystem für die erneuer-baren Energien grundlegend zu überprüfen. Das Er-gebnis der Überprüfung soll Grundlage für das wei-tere Vorgehen sein.

Ich will betonen:

Dies ist kein Plädoyer gegen die Förderung erneu-erbarer Energien.

Mir ist bewusst, dass auch wettbewerbsorientierteFinanzierungskonzepte – etwa Quoten- oder Aus-schreibungsmodelle – bei der konkreten Ausgestal-tung durchaus Probleme aufwerfen.

Aber die Diskussion um die Härteklausel zeigt,dass wir die Frage einer konzeptionellen Neuorien-tierung bei der Förderung der erneuerbaren Ener-gien nicht tabuisieren sollten. Akzeptanz wird dieFörderung auf Dauer nur finden, wenn stärkereAnstrengungen unternommen werden, das Förder-volumen insgesamt auf das notwendige Maß zureduzieren. Wir fordern von den etablierten Energie-versorgern bei der Netzregulierung effiziente Leis-tungsbereitstellung. Für die Betreiber von Anlagenzur Erzeugung erneuerbarer Energien kann kein an-derer Maßstab gelten.

Ich appelliere daher auch an das Bundesumwelt-ministerium, spätestens den Erfahrungsbericht zumEEG zu nutzen, um über die Ausschöpfung vorhan-dener Effizienzpotenziale und über alternative För-derkonzepte nachzudenken.

Präsident Peter Harry Carstensen: Frau Ministerin,herzlichen Dank!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen vor. Aus Drucksache 427/1/06 rufe ich auf:

Ziffer 1! Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit.

Ziffer 2! – Das ist nicht die Mehrheit.

Ziffer 3! – Das ist die Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurfentsprechend Stellung genommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 22:

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung telekom-munikationsrechtlicher Vorschriften (Druck-sache 359/06)

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegen Ihnendie Ausschussempfehlungen und ein Antrag des Lan-des Rheinland-Pfalz vor.

Der Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen inDrucksache 359/3/06 wurde zurückgezogen.

Präsident Peter Harry Carstensen

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236 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

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)Ich beginne mit den Ausschussempfehlungen. Zur

Einzelabstimmung rufe ich auf:

Ziffer 1, bei deren Annahme der Antrag des LandesRheinland-Pfalz entfällt! Wer ist dafür? – Mehrheit.

Damit entfällt der Antrag des Landes Rheinland-Pfalz.

Ziffer 2! – Mehrheit.

Ziffer 4! – Minderheit.

Ziffer 8! – Minderheit.

Ziffer 12! – Minderheit.

Ziffer 13! – Minderheit.

Ziffer 25! – Minderheit.

Ziffer 26! – Mehrheit.

Ziffer 28! – Minderheit.

Ziffer 29, bei deren Annahme Ziffer 30 entfällt! –Minderheit.

Ziffer 30! – Mehrheit.

Ziffer 33! – Minderheit.

Dann bitte ich um Ihr Handzeichen für alle nochnicht erledigten Ziffern der Ausschussempfehlun-gen. – Das ist die Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf,wie soeben beschlossen, Stellung genommen.

Tagesordnungspunkt 24:

Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom25. April 2005 über den Beitritt der RepublikBulgarien und Rumäniens zur EuropäischenUnion (Drucksache 360/06)

Es liegen Wortmeldungen von Frau Bürgermeiste-rin Schubert (Berlin), Minister Breuer (Nordrhein-Westfalen) und Staatsminister Gloser (AuswärtigesAmt) vor.

Bitte sehr, Frau Schubert.

Karin Schubert (Berlin): Herr Präsident, meine Da-men und Herren! Berlin begrüßt den Beitritt Bulga-riens und Rumäniens zur Europäischen Union.

Die große europäische Familie nimmt zwei weitereMitglieder auf und schließt damit die historischefünfte Erweiterungsrunde ab. Der Beitritt Bulgariensund Rumäniens ist ein weiterer wichtiger Schritt, umdie Spaltung des Kontinents in Ost und West endgül-tig zu überwinden und dauerhaften Frieden inEuropa zu gewährleisten.

Rumänien war das erste Land des damaligen Ost-blocks, mit dem die Europäische Gemeinschaft 1974offizielle Beziehungen aufnahm. Von da war es aller-dings noch ein weiter Weg, der schließlich im Jahre2000 zu Beitrittsverhandlungen führte, die im Juli2004 abgeschlossen worden sind. Ich glaube, wir allekönnen mit dem Ergebnis dieser Verhandlungen zu-frieden sein.

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Beide Länder haben in dieser Zeit ein außerordent-liches Maß an Reformbereitschaft und Reformfähig-keit bewiesen. Wenn wir uns vor Augen führen, wieschwierig Reformen in unserem eigenen Land durch-zusetzen sind, dann erahnt man, was die gesamt-gesellschaftliche Angleichung an den EU-Rechtsbe-stand innenpolitisch für die einzelnen Länderbedeuten muss. Beide Länder haben es verdient, am1. Januar 2007 in die Europäische Union aufgenom-men zu werden. Debatten über eine mögliche Ver-schiebung um maximal ein Jahr auf den 1. Januar2008 sind unseres Erachtens kontraproduktiv. Es gehtvor allem darum, die europäisch orientierten Reform-kräfte in den Ländern weiterhin zu stärken. Daransollten wir alle interessiert sein.

Die Kommissionsberichte vom Mai 2006 benennenin klarer Sprache Defizite, die beide Länder noch zubeseitigen haben. Nur so können Bulgarien und Ru-mänien die Anwendung von Schutzklauseln vermei-den, die ein Beitrittsvertrag erstmals in dieser Formvorsieht.

Die Schutzklauseln sind geeignete Instrumente,um den Reformdruck auch über den 1. Januar 2007hinaus aufrechtzuerhalten; denn in den ersten dreiJahren nach dem Beitritt kann die Kommission aufAntrag eines Mitgliedstaates wirksame Schutzmaß-nahmen verhängen, und zwar im Falle relevanter De-fizite in den zentralen Bereichen Binnenmarkt, Justizund Inneres. Denkbar sind sogar Auszahlungssper-ren bei den Strukturfondsmitteln oder Agrarmitteln.Die Schutzmaßnahmen gelten über den Dreijahres-zeitraum hinaus, bis der Missstand behoben ist. Er-gänzend zu diesen Mechanismen gelten, wie bei derErweiterungsrunde 2004, Übergangsregelungen fürbestimmte Grundfreiheiten. Für Deutschland ist diemehrjährige Einschränkung der Arbeitnehmerfrei-zügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit in be-stimmten Bereichen von besonderer Bedeutung.

Wir sollten uns und der Öffentlichkeit diese Viel-zahl von Schutzmechanismen ins Bewusstsein rufen,auch um mehr oder weniger begründeten Ängsten inder Bevölkerung wirksam entgegentreten zu können.Wir dürfen diese Ängste und die zunehmende Skep-sis gegenüber der Erweiterung der EuropäischenUnion nicht klein reden; wir dürfen Ängste aber auchnicht schüren, indem der Eindruck erweckt wird, ein-zelne Kandidatenländer hätten die Beitrittsreife nichterreicht und würden zu einer Gefahr oder einer Be-lastung für die Europäische Union.

Mit dem Abschluss der fünften Erweiterungsrundesteht in den nächsten Monaten zugleich eine Gene-raldebatte über die zukünftige Erweiterungspolitikder Europäischen Union an. Wir werden mit dem Eu-ropa der 27 an einem Punkt angekommen sein, andem die bisherige Politik nicht einfach fortgeführtwerden kann, weder unter dem Gesichtspunkt derinstitutionellen Voraussetzungen noch unter dem Ge-sichtspunkt der politischen Akzeptanz in weiten Tei-len der europäischen Öffentlichkeit. Rat, Kommissionund Parlament haben eine Debatte über die Aufnah-mefähigkeit der Europäischen Union angeregt. Diefinnische Präsidentschaft hat noch für 2006 eine all-

Präsident Peter Harry Carstensen

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)gemeine Aussprache über die Erweiterungspolitikangekündigt. Diese Diskussionen müssen ernsthaftund ergebnisoffen geführt werden, wenn wir keinEuropa der zwei Geschwindigkeiten oder ein Kern-europa haben wollen.

Lassen Sie mich abschließend zu einem formalenAspekt der heutigen Beratung kommen! Anders alsdie Bundesregierung sind wir in Berlin der Meinung,dass das Gesetz der Zustimmung von zwei Drittelnder Stimmen des Bundesrates bedarf. Mit dieserRechtsauffassung können die Länder direkt an dieumfangreiche Protokollerklärung eines ehemaligensächsischen Staatsministers anknüpfen. Dr. Thomasd e M a i z i è r e hat am 20. Juni 2003 im Bundesratdankenswerterweise klar festgehalten, dass mit dendamaligen Beitrittsverträgen eine wesentliche Ände-rung der vertraglichen Grundlagen der EuropäischenUnion verbunden ist, durch die das Grundgesetz sei-nem Inhalt nach geändert wird. Deswegen sind wirder Auffassung, dass hier eine Zweidrittelmehrheitnotwendig ist. – Ich bedanke mich.

Präsident Peter Harry Carstensen: Ich bedankemich, Frau Bürgermeisterin.

Das Wort hat Minister Breuer (Nordrhein-West-falen).

Michael Breuer (Nordrhein-Westfalen): Sehr geehr-ter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren!Auf Grund der bestehenden Vereinbarungen tretenBulgarien und Rumänien spätestens am 1. Januar2008 der Europäischen Union bei.

Dies geschieht unabhängig von der am 16. Mai ge-troffenen Beurteilung der Europäischen Kommission,dass nach den Monitoring-Berichten die Vorberei-tungen von Rumänien und Bulgarien auf die EU-Mit-gliedschaft trotz vieler Fortschritte noch erheblicheDefizite in einigen Bereichen, insbesondere in denBereichen Inneres und Justiz, aufweisen.

Die Kommission hat es unterlassen, eine Empfeh-lung zum Beitrittsdatum – 1. Januar 2007 oder1. Januar 2008 – auszusprechen und dies auf AnfangOktober aufgeschoben. Grundlage sollen weitereMonitoring-Berichte darstellen. Vor diesem zeitli-chen Hintergrund wird der Bundesrat heute auchkeine Entscheidung über die Zustimmung zum Ent-wurf des Ratifikationsgesetzes treffen, sondern dieEmpfehlung abwarten.

Für den unbedarften Beobachter erscheint diesschon ein wenig paradox. Einerseits besteht einefeste und verbindliche Erweiterungszusage spätes-tens zum 1. Januar 2008, andererseits kann die Kom-mission den beiden Ländern nicht bescheinigen, dasssie uneingeschränkt beitrittsreif sind. Dies bedeutetfür mich: Wir brauchen dringend eine Verstän-digung über die weitere Erweiterungspolitik und-strategie der Europäischen Union. Die Bundesregie-rung muss sich im Europäischen Rat hierfür einset-zen.

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Die Kommission hat mit ihrer Entscheidung im Mai2006 deutlich gemacht, dass der Beitritt zur Europäi-schen Union von der Erfüllung klar aufgezeigter Bei-trittskriterien abhängt. Mit anderen Worten: Vorraus-setzung ist nach der Grundidee der EuropäischenUnion zunächst einmal die Beitrittsreife des jeweili-gen Kandidatenlandes. Jetzt zeigt sich, dass die ver-bindliche Festlegung eines konkreten Beitrittszeit-punktes unabhängig davon, ob die Kriterien wirklicherfüllt sind, zumindest – ich formuliere es vorsichtig –problematisch war.

Ein anderer Punkt ist: Auch die Europäische Unionmuss bei Erweiterungen aufnahme- und integra-tionsfähig sein. Ich halte es für äußerst problema-tisch, potenziellen Beitrittskandidaten Aufnahme-bereitschaft zu signalisieren, wenn die EU selbsthierauf nicht vorbereitet ist. Europa benötigt drin-gend eine Reform seiner Institutionen, wenn es mitdemnächst 27 Mitgliedern handlungs- und funktions-fähig bleiben will.

Dies ist auch bei den Bürgerinnen und Bürgern derEuropäischen Union angekommen. Diese haben viel-fach den Eindruck, dass das vorgelegte Tempo derErweiterung und die aktuellen Möglichkeiten derEuropäischen Union zur Aufnahme weiterer Mitglie-der auseinander gedriftet sind. Die Zahlen des sogenannten Eurobarometers sind da eindeutig. Siebelegen die skeptische Haltung weiter Bevölke-rungskreise. In der Bundesrepublik sind demnachfast 60 % gegen die Aufnahme weiterer Staaten inden nächsten Jahren. Mit solchen Einschätzungenund den dahinter stehenden Sorgen müssen wir ver-antwortungsvoll umgehen.

Es ist für viele schwer nachvollziehbar, dass neueMitgliedstaaten der Europäischen Union beitretenund die anderen Mitgliedstaaten sich gleichzeitigüber wichtige Schutzklauseln absichern müssen,wenn die beitretenden Staaten die Aufnahmekrite-rien nachweislich nicht erfüllen. Dies ist ein Wider-spruch in sich, der der Bevölkerung der Mitgliedstaa-ten nur schwer zu erklären ist.

Meine Damen und Herren, ich begrüße es sehr,dass der Europäische Rat auf seiner Tagung im De-zember 2006 alle Fragen erörtern will, die sich im Zu-sammenhang mit künftigen Erweiterungen stellen.Er hat auf seiner letzten Tagung am 15./16. Juni inBrüssel die Kommission gebeten, einen Sonderbe-richt über alle einschlägigen Aspekte der Aufnahme-fähigkeit der Union vorzulegen. Insbesondere solldie Vorlage der Kommission dem Erfordernis Rech-nung tragen, dass der Erweiterungsprozess der Öf-fentlichkeit in der Union angemessen erläutert wird.Damit ist der Fahrplan vorgegeben. Nun müssenaber auch Taten folgen.

Das Land Nordrhein-Westfalen ist wie die übrigenBundesländer über den Bundesrat zu konstruktiverMitarbeit bereit, um die Bundesregierung in ihrenGesprächen im Europäischen Rat zu unterstützen.

( V o r s i t z : Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang Reinhart)

Karin Schubert (Berlin)

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)Was die rechtlich strittige Frage angeht – meine

Vorrednerin hat es angesprochen –, ob das Gesetzder Zustimmung des Bundesrates mit Zweidrittel-mehrheit bedarf, vertritt Nordrhein-Westfalen dieAuffassung, dass eine solche erforderlich ist, weilmit dem Beitrittsvertrag die vertraglichen Grundla-gen der Europäischen Union auf eine Weise geändertwerden, die das Grundgesetz seinem Inhalt nach än-dert bzw. ergänzt. Über Einzelheiten werden wirsicherlich diskutieren. – Ich bedanke mich für dieAufmerksamkeit.

Amtierender Präsident Prof. Dr. WolfgangReinhart: Vielen Dank, Herr Minister Breuer!

Herr Staatsminister Gloser (Auswärtiges Amt),bitte.

Günter Gloser, Staatsminister im Auswärtigen Amt:Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Die Bundesregierung hat am5. April 2006 die Einleitung des Ratifikationsverfah-rens für den Beitritt von Bulgarien und Rumänien zurEuropäischen Union beschlossen. Damit haben wiruns auch innerstaatlich darangemacht, eines der gro-ßen europapolitischen Projekte der vergangenenJahre zu vollenden: die fünfte Erweiterungsrunde derEuropäischen Union.

Es handelt sich dabei um viel mehr als nur ein am-bitioniertes europapolitisches Projekt. Diese Erweite-rungsrunde nach Süden und Osten ist ein wahrhafthistorischer Prozess, ein eingelöstes Versprechen,eine aktive Politik für Frieden und Stabilität auf un-serem Kontinent. Über Jahrzehnte war Europa ge-spalten – eine Teilung in Ost und West, die wir mitder Aufnahme der zehn neuen Mitgliedstaaten vorzwei Jahren überwunden haben. Millionen Men-schen, die einst hinter dem Eisernen Vorhang lebenmussten, sind nun Teil unserer Union von Wohlstand,Freiheit und Frieden. Diese historische Dimensionsollten wir auch heute im Auge haben, wenn wirüber die Ratifizierung des Beitrittsvertrages von Bul-garien und Rumänien sprechen.

Am 25. April 2005 haben alle Mitgliedstaaten derEuropäischen Union den Beitrittsvertrag unterzeich-net und sich verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2006die Ratifikationsurkunden zu hinterlegen. Sollten dieKandidaten dann alle Auflagen erfüllen, wäre derWeg für den vertraglich vorgesehenen Beitritt am1. Januar 2007 frei.

Wir alle wissen: Dieser Beitritt ist nicht nur einehistorische Verpflichtung, nicht nur eine großeChance für diese beiden Länder, er ist auch einegroße und nicht leichte Herausforderung für die Eu-ropäische Union.

Die Bundesregierung hat deshalb immer wiederklargestellt: Voraussetzung für den Beitritt ist, dassdie beiden Kandidaten die 1993 in Kopenhagen auf-gestellten politischen, wirtschaftlichen und rechtli-chen Kriterien erfüllen. In beiden Ländern sehen wirimmer noch erheblichen Reformbedarf – das ist so-

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eben auch angesprochen worden –, der vor dem Bei-tritt abgearbeitet werden muss.

Wir haben uns deshalb in sehr enger Abstimmungmit der Kommission und mit unseren europäischenPartnern die Sache nicht leicht gemacht. Am 16. Mai2006 hat die Kommission Monitoring-Berichte vor-gelegt, die die Lage nicht nur sehr differenziert ana-lysieren, sondern meiner Meinung nach auch sehrgute Vorschläge zum weiteren Vorgehen enthalten.

Die Kommission bescheinigt beiden Ländern er-hebliche Fortschritte bei den Vorbereitungen auf denBeitritt. Sie benennt aber auch klar die Bereiche, indenen noch Defizite bestehen: Im Falle Rumäniensbetrifft dies Einzelbereiche der Landwirtschaft unddie Umsetzung des EU-Mehrwertsteuersystems, imFalle Bulgariens die Landwirtschaft, aber auch dieBekämpfung von Korruption und organisierter Kri-minalität.

Im Lichte der Analyse spricht sich die Kommissionfür den Beitritt zum 1. Januar 2007 aus, allerdingsnur, wenn beide Länder konkrete Fortschritte in denDefizitbereichen erzielen. Hierzu wird die Kommis-sion im Herbst einen weiteren Bericht vorlegen. Bul-garien und Rumänien haben es nun selbst in derHand, pünktlich beizutreten, d. h. zum 1. Januar 2007,nicht erst 2008. Beide haben aber auch verstanden– das zeigen die Gespräche gerade in den letzten Ta-gen –, dass sie dafür ihre Reformbemühungen fortset-zen und noch verstärken müssen.

Darüber hinaus wurde eine Lösung gefunden, umauf mögliche Ungleichgewichte auch nach dem Bei-tritt noch flexibel reagieren zu können. Sollten ver-bleibende Defizite z. B. negative Auswirkungen aufden Binnenmarkt haben, kann die Kommission bisdrei Jahre nach dem Beitrittstermin besondereSchutzmaßnahmen ergreifen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrtenDamen und Herren, dies alles ist eine gute Mischungaus Anreizen, strikter Konditionalität und Kontrolleund in der jetzigen Situation in jeder Hinsicht ange-messen. Die Bundesregierung unterstützt deshalbnicht nur das Vorgehen der Kommission, sie begrüßtauch, dass Bulgarien und Rumänien ehrgeizige Ak-tionspläne beschlossen haben, um die von der Kom-mission angeführten Defizite zu beseitigen.

17 unserer Partner in der Europäischen Union ha-ben den Beitrittsvertrag bereits ratifiziert, in vierweiteren Ländern hat das Parlament positiv entschie-den. In Frankreich steht nach der Annahme durch dieNationalversammlung nur noch die Zustimmung desSenats aus. In dieser Situation sollten auch wir allesdaransetzen, unserer Verpflichtung aus dem Beitritts-vertrag nachzukommen, und die Ratifizierung mög-lichst zügig abschließen. Für Ihre Kooperationsbe-reitschaft bedanke ich mich sehr.

Amtierender Präsident Prof. Dr. WolfgangReinhart: Vielen Dank!

Frau Staatsministerin Dr. Merk (Bayern) für FrauStaatsministerin Müller und Herr Staatsminister

Michael Breuer (Nordrhein-Westfalen)

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)Winkler (Sachsen) haben je eine Erklärung zu Proto-koll*) gegeben.

Zur Abstimmung liegt Ihnen die Ausschussempfeh-lung in Drucksache 360/1/06 vor. Ich rufe auf:

Ziffern 1 bis 9 gemeinsam! – Das ist die Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellunggenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 28 b):

Stellungnahme der Bundesregierung zum Tä-tigkeitsbericht 2004/2005 der Bundesnetzagen-tur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation,Post und Eisenbahnen und zu denSondergutachten der Monopolkommission„Wettbewerbsentwicklung bei der Telekommu-nikation 2005: Dynamik unter neuen Rahmen-bedingungen“ sowie „Wettbewerbsentwick-lung bei der Post 2005: Beharren auf altenPrivilegien“ (Drucksache 331/06)

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegen Ihnendie Ausschussempfehlungen vor.

Zur Einzelabstimmung rufe ich aus der Ziffer 1 denAbschnitt „Zu B – Stellungnahme zum Kapitel Tele-kommunikation“ auf. Ihr Handzeichen bitte! – Das istdie Mehrheit.

Aus dem Abschnitt „Zu C – Stellungnahme zumKapitel Post“ rufe ich zunächst die Buchstaben b und fgemeinsam auf. Ihr Handzeichen bitte! – Das ist dieMehrheit.

Nun bitte Ihr Handzeichen für den Buchstaben h! –Mehrheit.

Ihr Handzeichen für alle noch nicht erledigtenTeile der Ziffer 1! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat zu der Vorlage, wiesoeben beschlossen, Stellung genommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 31:

Grünbuch der Kommission der EuropäischenGemeinschaften: Europäische Transparenzini-tiative (Drucksache 349/06)

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungender Ausschüsse in Drucksache 349/1/06 vor. Zur Ein-zelabstimmung rufe ich auf:

Ziffern 1 und 7 gemeinsam! – Mehrheit.

Damit ist Ziffer 11 erledigt.

Ziffern 5 und 6 gemeinsam! – Minderheit.

Ziffer 8, zunächst ohne Absatz 4! – Mehrheit.

Bitte das Handzeichen für Absatz 4 der Ziffer 8! –Minderheit.

*) Anlagen 17 und 18

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Ziffer 9! – Mehrheit.

Ziffer 10! – Mehrheit.

Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle-digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr-heit.

Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellunggenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 32:

Geänderter Vorschlag für eine Verordnung desRates zur Änderung der Verordnung (EG,Euratom) Nr. 1605/2002 über die Haushaltsord-nung für den Gesamthaushaltsplan der Euro-päischen Gemeinschaften (Drucksache 390/06)

Keine Wortmeldungen.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungender Ausschüsse in Drucksache 390/1/06 vor. Zur Ein-zelabstimmung rufe ich auf:

Ziffer 6! – Mehrheit.

Ziffer 7! – Mehrheit.

Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle-digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr-heit.

Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellunggenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 36:

Mitteilung der Kommission der EuropäischenGemeinschaften an den Europäischen Rat –Eine bürgernahe Agenda: Konkrete Ergeb-nisse für Europa (Drucksache 394/06)

Es liegt eine Wortmeldung von Staatsminister Hoff(Hessen) vor.

Volker Hoff (Hessen): Herr Präsident! Meine sehrverehrten Damen und Herren! Die Europäische Kom-mission hat zum europäischen Gipfel vor drei Wo-chen mit der Mitteilung „Eine bürgernahe Agenda:Konkrete Ergebnisse für Europa“ einen Beitrag zurDebatte über die Zukunft des Verfassungsvertragesund der Europäischen Union vorgelegt. Sie regt da-rin an, den Schwerpunkt des europapolitischen Han-delns auf ein Europa der Resultate, weniger auf dieinstitutionelle Reform zu richten. Dazu wird eineganze Reihe von Initiativen vorgeschlagen. Ihr Zielsoll sein, mehr Vertrauen der Bürgerinnen und Bür-ger in die Europäische Union zu schaffen und sie vonderen Notwendigkeit zu überzeugen. Die Mitteilungsteht heute auf unserer Tagesordnung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebeKolleginnen und Kollegen, grundsätzlich ist der An-satz, zu konkreten, für die Bürgerinnen und Bürgersichtbaren Ergebnissen zu kommen, richtig und be-grüßenswert. Auch die in der Kommissionsmitteilungenthaltenen Vorschläge zur Wahrung des Subsidiari-tätsprinzips und für eine fundierte Debatte über diekünftige Erweiterungspolitik – wir haben bereits da-von gehört – sind sehr zu befürworten.

Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang Reinhart

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)Etliche Vorschläge aber sind unter Subsidiaritäts-

gesichtspunkten, aus Gründen der Kompetenzord-nung oder schlicht wegen Unnötigkeit grundsätzlichabzulehnen. Vornehmlich gilt diese Kritik dem Vor-schlag, auf der Basis des geltenden Vertrages vonNizza Kompetenzen in der Innen- und Justizpolitikund in der Ausländer- und Asylpolitik, darunter er-hebliche Teile der polizeilichen und justiziellen Zu-sammenarbeit in Strafsachen und die legale Migra-tion, zu vergemeinschaften. Dies halten wir vomAnsatz her für völlig falsch. Ich kann auf die KritikBezug nehmen, die von führenden Europaabgeord-neten gegenüber diesem Kompromiss schon geäußertworden ist. Durch neue Zentralisierungstendenzender Kommission wird die Absicht, den Verfassungs-prozess wieder zu beleben, genau ins Gegenteil ver-kehrt. Gerade in dezentral strukturierten Mitglied-staaten würden damit Ängste der Bürger vor einemübermächtigen Zentralstaat Europäische Union ehergestärkt als abgebaut.

Nun zu den Vorschlägen im Detail! Zwar sind diegenannten Maßnahmen auf der Basis der geltendeneuropäischen Verträge möglich. Es sollte jedoch demVerfassungsvertrag, der gerade für die polizeilicheZusammenarbeit und hinsichtlich der legalen Migra-tion ein fein austariertes und abgestimmtes Systemdarstellt, nicht vorgegriffen werden. Wir wollen we-der eine EU-Strafrechtskompetenz noch wollen wir,dass die Europäische Union bestimmt, wie viele Dritt-staatsangehörige nach Deutschland einreisen dürfen,um hier zu arbeiten. Die Umsetzung dieser Vor-schläge würde zu einer einseitigen und weit reichen-den Kompetenzverschiebung zu Lasten der Mit-gliedstaaten und damit auch von uns Ländernführen. Das können wir in dieser Form nicht akzep-tieren.

Eines möchte ich betonen: Die Zustimmung desBundesrates galt dem Gesamtpaket Verfassungsver-trag. Manches haben wir im letzten Jahr akzeptiert,was wir als herausgelöste Einzelmaßnahme in jedemFall ablehnen würden. Ich halte es daher für richtig,wenn der Bundesrat der Kommission ein deutlichesZeichen gibt, dass sie hier auf dem Holzweg ist, unddass wir die Bundesregierung bitten, in Brüssel ent-sprechend aktiv zu werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wol-len zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Kompe-tenzverlagerungen nach Brüssel, sondern erst Klar-heit, wie es mit dem Verfassungsvertrag weitergeht.Dazu passt, was das Europäische Parlament gesternauf Antrag eines Abgeordneten beschlossen hat. Ichzitiere wörtlich:

Das Europäische Parlament fordert den Ratnachdrücklich auf, die Brückenklausel von Arti-kel 67 Absatz 2 … zu aktivieren, um dem Parla-ment Mitentscheidungsbefugnisse im Bereichder Integration und der legalen Einwanderungzu übertragen, und im Rat Beschlüsse mit quali-fizierter Mehrheit zu fassen;

Dies hat auch die Kommission in der Bürgeragendavorgeschlagen.

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Meine Damen und Herren, dies ist genau der fal-sche Weg. Wir lehnen ihn ab. Ich darf Sie sehr herz-lich bitten, dem Antrag, den wir heute vorgelegt ha-ben, die Zustimmung zu geben. – Ich danke Ihnen.

Amtierender Präsident Prof. Dr. WolfgangReinhart: Vielen Dank, Herr Staatsminister Hoff!

Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegen Ihnendie Empfehlungen der Ausschüsse in Drucksache394/1/06 vor. Ich rufe auf:

Ziffern 1 bis 18 gemeinsam! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellunggenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 38:

Mitteilung der Kommission der EuropäischenGemeinschaften: Umsetzung des Gemein-schaftsprogramms von Lissabon – Die Sozial-dienstleistungen von allgemeinem Interesse inder Europäischen Union (Drucksache 324/06)

Keine Wortmeldungen.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungender Ausschüsse in Drucksache 324/1/06 vor. Ich rufeauf:

Ziffern 1, 2, 4, 7 bis 9 gemeinsam! – Mehrheit.

Ziffern 3, 5 und 6 gemeinsam! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellunggenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 39:

Verordnung zur Änderung von Verordnungenzur Anpassung an das Tierische-Nebenpro-dukte-Beseitigungsrecht (Drucksache 364/06)

Keine Wortmeldungen.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen in Drucksache 364/1/06 vor. Zur Einzelab-stimmung rufe ich auf:

Ziffer 1! – Mehrheit.

Ziffer 5! – Mehrheit.

Ziffer 6! – Minderheit.

Nun bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle-digten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat der Verordnung entspre-chend zugestimmt und eine Entschließung gefasst.

Wir kommen zu Punkt 40:

Verordnung zur Durchführung des TierischeNebenprodukte-Beseitigungsgesetzes (Tieri-sche Nebenprodukte-Beseitigungsverordnung –TierNebV) (Drucksache 365/06)

Keine Wortmeldungen.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen sowie drei Anträge Bayerns vor.

Volker Hoff (Hessen)

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)Aus den Ausschussempfehlungen in Drucksache

365/1/06 rufe ich zur Einzelabstimmung auf:

Ziffer 1! – Mehrheit.

Ziffer 2! – Mehrheit.

Ziffer 3! – Mehrheit.

Ziffer 4! – Minderheit.

Ziffer 8! – Mehrheit.

Nun zum Antrag Bayerns in Drucksache 365/2/06! – Minderheit.

Zurück zu den Ausschussempfehlungen:

Ziffer 10! – Mehrheit.

Ziffer 11! – Mehrheit.

Wir kommen zu dem Antrag Bayerns in Druck-sache 365/3/06. Bitte Ihr Handzeichen! – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 13 der Ausschussempfehlun-gen.

Ziffer 14! – Mehrheit.

Ziffer 18! – Mehrheit.

Weiter mit dem Antrag Bayerns in Drucksache 365/4/06! Bitte Ihr Handzeichen! – Minderheit.

Zurück zu den Ausschussempfehlungen:

Ziffer 19! – Minderheit.

Ziffer 20! – Minderheit.

Ziffer 25! – Mehrheit.

Nun bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle-digten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat der Verordnung entspre-chend zugestimmt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 42:

Erste Verordnung zur Änderung der Geflügel-Aufstallungsverordnung (Drucksache 370/06)

Wortmeldungen liegen nicht vor. – Minister Profes-sor Dr. Reinhart (Baden-Württemberg) für MinisterHauk und Staatsminister Professor Dr. Deubel(Rheinland-Pfalz) haben je eine Erklärung zu Proto-koll*) gegeben.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen in Drucksache 370/1/06 vor. Ich rufe auf:

Ziffern 1 bis 4 gemeinsam! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat der Verordnung entspre-chend zugestimmt und eine Entschließung gefasst.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 43:

Verordnung zur Änderung von Verordnungenzum Schutz vor Geflügelpest (Drucksache 371/06)

Keine Wortmeldungen.

*) Anlagen 19 und 20

(

(

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen in Drucksache 371/1/06 vor. Zur Einzelab-stimmung rufe ich auf:

Ziffer 1! – Mehrheit.

Ziffer 2! – Minderheit.

Wir kommen zur Schlussabstimmung: Wer der Ver-ordnung nach Maßgabe der vorherigen Abstimmungzuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzei-chen. – Das ist die Mehrheit.

Dann ist so beschlossen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 45:

Verordnung zur Approbation von Tierärztin-nen und Tierärzten (TAppV) (Drucksache 351/06)

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen in Drucksache 351/1/06 vor. Zur Einzelab-stimmung rufe ich auf:

Ziffer 1! – Minderheit.

Ziffer 5! – Mehrheit.

Nun bitte das Handzeichen für die übrigen Aus-schussempfehlungen mit Ausnahme der Ziffer 7! –Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat der Verordnung, wie so-eben festgelegt, zugestimmt.

Wir haben noch über die empfohlene Entschlie-ßung abzustimmen.

Ich bitte um das Handzeichen für Ziffer 7. – Mehr-heit.

Damit hat der Bundesrat die Entschließung gefasst.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 47:

Verordnung zur Ablösung der Betriebsverord-nung für pharmazeutische Unternehmer(Drucksache 398/06)

Keine Wortmeldungen.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen in Drucksache 398/1/06 und vier Landes-anträge vor.

Wir beginnen mit den Ausschussempfehlungen:

Ziffer 2! – Minderheit.

Bitte das Handzeichen für Ziffer 3! – Mehrheit.

Ziffer 5! – Mehrheit.

Ziffer 6! – Minderheit.

Der Antrag Hamburgs in Drucksache 398/5/06! –Mehrheit.

Zurück zu den Ausschussempfehlungen:

Ziffer 13! – Mehrheit.

Ziffer 17! – Minderheit.

Bitte das Handzeichen für den Antrag Schleswig-Holsteins in Drucksache 398/3/06! – Mehrheit.

Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang Reinhart

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242 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A C)

(B) D)

)Damit entfällt die Abstimmung über Ziffer 23 der

Ausschussempfehlungen.

Bitte das Handzeichen für den Antrag Sachsens inDrucksache 398/2/06 (neu)! – Mehrheit.

Damit entfällt die Abstimmung über Ziffer 24 derAusschussempfehlungen.

Weiter mit den Ausschussempfehlungen:

Ziffer 26! – Mehrheit.

Ziffer 29! – Mehrheit.

Bitte das Handzeichen für den Antrag Bayerns inDrucksache 398/4/06! – Mehrheit.

Wer stimmt den noch nicht erledigten Ziffern derAusschussempfehlungen zu? – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat der Verordnung, wie so-eben festgelegt, zugestimmt und eine Entschließunggefasst.

Wir kommen zu Punkt 49:

Verordnung zur Vereinfachung der abfallrecht-lichen Überwachung (Drucksache 336/05, zuDrucksache 336/05)

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen vor. Zur Einzelabstimmung rufe ich ausDrucksache 439/06 auf:

Ziffer 10! – Mehrheit.

Ziffer 11! – Mehrheit.

Ich ziehe Ziffer 20 vor. Bitte Ihr Handzeichen! –Mehrheit.

Ziffer 16! – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 17.

Ziffer 26! – Mehrheit.

Ziffer 51! – Mehrheit.

Nun bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle-digten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat der Verordnung entspre-chend zugestimmt und eine Entschließung gefasst.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 50:

Verordnung zur Umsetzung der Ratsentschei-dung vom 19. Dezember 2002 zur Festlegungvon Kriterien und Verfahren für die Annahmevon Abfällen auf Abfalldeponien (Drucksache245/06)

Es liegt eine Wortmeldung von Frau MinisterinGönner (Baden-Württemberg) vor.

Tanja Gönner (Baden-Württemberg): Herr Präsi-dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! InAnbetracht der fortgeschrittenen Zeit mache ich we-nige Bemerkungen, den Rest der Rede gebe ich zuProtokoll*).

*) Anlage 21

(

(

Bei der Verordnung zur Umsetzung der Ratsent-scheidung vom 19. Dezember 2002 zur Festlegungvon Kriterien und Verfahren für die Annahme vonAbfällen auf Abfalldeponien hat sich Baden-Württemberg zwei Ziele vorgenommen: erstens voll-zugstaugliche Rechtsvorschriften mit klaren Vorga-ben einzuführen, die flexibel genug sind, damit auchdie örtlichen und regionalen Belange berücksichtigtwerden können; zweitens bestehende nationaleStandards zu wahren. Das heißt: Nur noch behan-delte Siedlungsabfälle werden abgelagert.

Der hohe Ausbaustandard unserer Deponien lässtes zu, einzelne Zuordnungswerte an den europäi-schen Standard anzugleichen. Damit kann auch imDeponiebereich eine Harmonisierung der Vorschrif-ten durchgeführt werden. Wir geben unsere ökologi-schen Grundsätze nicht auf.

Insgesamt verfolgen wir das Ziel, schon bei derUmsetzung der Ratsvorgaben eine Linie in das un-durchsichtige Regelwerk hineinzubekommen. DerVorschriftendschungel aus drei Verordnungen undzwei Verwaltungsvorschriften muss gelichtet werden.

Allerdings bitte ich Sie, bei den Ziffern 30 und 35entgegen den Ausschussempfehlungen mit Nein zustimmen. Hier geht es darum, einmal festgelegteGrenzwerte, von denen wir auf Grund wissenschaftli-cher Begleitung wussten, dass sie technisch machbarsind, wieder zu lockern, weil bestimmte Anlagenbe-treiber nicht in der Lage sind, sie, obwohl technischnachgewiesen, zu erreichen. Ich halte es für ein fal-sches Signal, wenn wir diese Werte verringern.

Ich bitte Sie, die beiden Ziffern der Ausschussemp-fehlungen abzulehnen. – Herzlichen Dank.

Amtierender Präsident Prof. Dr. WolfgangReinhart: Vielen Dank!

Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp-fehlungen vor. Zur Einzelabstimmung rufe ich ausDrucksache 245/1/06 auf:

Ziffer 12! – Mehrheit.

Ziffer 16! – Mehrheit.

Ziffer 18! – Mehrheit.

Ziffer 20! – Mehrheit.

Ziffer 21! – Mehrheit.

Ziffer 22! – Mehrheit.

Damit entfällt Ziffer 60.

Ziffer 23! – Mehrheit.

Ziffer 24! – Mehrheit.

Ziffer 25! – Mehrheit.

Ziffer 26! – Mehrheit.

Ziffer 30! – Mehrheit.

Ziffer 35! – Mehrheit.

Ziffer 42! – Mehrheit.

Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang Reinhart

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 243

(A C)

(B) D)

)Ziffer 45! – Mehrheit.

Ziffer 46! – Mehrheit.

Ziffer 47! – Mehrheit.

Ziffer 48! – Mehrheit.

Ziffer 49! – Mehrheit.

Ziffer 50! – Mehrheit.

Ziffer 51! – Mehrheit.

Ziffer 52! – Mehrheit.

Ziffer 54! – Mehrheit.

Ziffer 55! – Mehrheit.

Ziffer 61! – Minderheit.

Ziffer 62! – Minderheit.

Ziffer 64! – Mehrheit.

Ziffer 65! – Mehrheit.

Ziffer 66! – Mehrheit.

Ziffer 67! – Minderheit.

Ziffer 70! – Mehrheit.

Nun bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle-digten Ausschussempfehlungen! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat der Verordnung entspre-chend zugestimmt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 66:

Benennung von Vertretern in Beratungsgre-mien der Europäischen Union (Bereich Ge-sundheit) – Geschäftsordnungsantrag des Lan-des Nordrhein-Westfalen – (Drucksache 422/06[neu])

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Ausschussberatungen sind noch nicht abge-schlossen. Das Land Nordrhein-Westfalen beantragt,bereits heute in der Sache zu entscheiden.

(

(

Wer für sofortige Sachentscheidung ist, den bitteich um das Handzeichen. – Mehrheit.

Zur Abstimmung liegt Ihnen die Ausschussempfeh-lung in Drucksache 422/1/06 vor. Wer dafür ist, derEmpfehlung des Gesundheitsausschusses zu folgen,den bitte ich um das Handzeichen. – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat entsprechend beschlos-sen.

Ich rufe Punkt 67 auf:

Benennung eines Mitglieds und eines stellver-tretenden Mitglieds für den Beirat der Bundes-netzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommu-nikation, Post und Eisenbahnen – Antrag desLandes Baden-Württemberg gemäß § 36 Abs. 2GO BR – (Drucksache 478/06)

Keine Wortmeldungen.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Ausschussbe-ratungen haben noch nicht stattgefunden. Baden-Württemberg hat jedoch beantragt, bereits heute inder Sache zu entscheiden.

Ich frage zunächst, wer der beantragten sofortigenSachentscheidung zustimmt. – Mehrheit.

Wer stimmt den Benennungsvorschlägen zu? –Mehrheit.

Dann ist so beschlossen.

Damit haben wir die Tagesordnung der heutigenSitzung abgewickelt.

Die nächste Sitzung des Bundesrates berufe ich einauf Freitag, den 22. September 2006, 9.30 Uhr.

Bevor ich die Sitzung schließe, wünsche ich Ihnenein – letztmalig – spannendes Fußballwochenendeund erholsame Sommerferien.

Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluss: 13.43 Uhr)

Amtierender Präsident Prof. Dr. Wolfgang Reinhart

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244 Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A C)

(B)

) (Beschlüsse im vereinfachten Verfahren (§ 35 GO BR)

Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften anden Europäischen Rat: Die Zeit der Reflexion und Plan D

(Drucksache 395/06)

Ausschusszuweisung: EU

Beschluss: Kenntnisnahme

Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments unddes Rates zur Einführung eines Gemeinschaftsprogramms zur Ver-besserung der Funktionsweise der Steuersysteme im Binnenmarkt(Fiscalis 2013)

(Drucksache 393/06)

Ausschusszuweisung: EU – Fz

Beschluss: Kenntnisnahme

Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments unddes Rates zur Einführung eines Aktionsprogramms für das Zollwesenin der Gemeinschaft (Zoll 2013)

(Drucksache 392/06)

Ausschusszuweisung: EU – Fz – In – Wi

Beschluss: Kenntnisnahme

Fünfundsiebzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschafts-verordnung

(Drucksache 418/06)

Ausschusszuweisung: Wi

Beschluss: Absehen von Stellungnahme

(D)

Feststellung gemäß § 34 GO BR

Einspruch gegen den Bericht über die 823. Sitzungist nicht eingelegt worden. Damit gilt der Bericht ge-mäß § 34 GO BR als genehmigt.

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 245*

(A C)

(B) D)

)Anlage 1

Erklärung

von Minister Prof. Dr. Wolfgang Reinhart(Baden-Württemberg)

zu Punkt 59 a) und b) der Tagesordnung

I. Grundsätzliche Bewertung

Die Föderalismusreform ist endlich am Ziel, unddas ist gut so. Die Geburt war nicht leicht und gelangnur unter heftigsten Wehen. In der Not mussten er-neut Sachverständige konsultiert und die Einleitungnoch einmal verzögert werden. Am Ende drücktenund zogen auch die Hebammen nicht immer in diegleiche Richtung. Kein Wunder also, dass das Kindgerade in der Schlussphase der Geburt noch einigeBlessuren davongetragen hat.

Aber wir wollen nicht mäkeln. Als Väter und Müt-ter lassen wir das hinter uns. Wir freuen uns und dür-fen alle gemeinsam stolz sein.

Die Reform ist ein Erfolg für die große Koalition,ein Signal für ihre politische Handlungsfähigkeit, einBeweis für die Durchsetzungskraft der Kanzlerin undAusweis für die Reformfähigkeit des Föderalismus.

Die Reform kann allerdings auch ihren Kompro-misscharakter nicht verleugnen. So ist es nicht nurein Schönheitsfehler, dass in letzter Sekunde dieneue Gemeinschaftsaufgabe „Förderung von Vorha-ben der Wissenschaft an Hochschulen“ eingeführtwurde. Zur Entflechtung von Zuständigkeiten undzur Klarstellung politischer Verantwortlichkeitenträgt dies sicherlich nicht bei. Die Änderung ist auchnicht notwendig, um einen Hochschulpakt von Bundund Ländern zur Bewältigung des anstehenden „Stu-dentenbergs“ abzuschließen.

Andererseits bleiben die Länder künftig von Ein-flussnahmen des Bundes im Schulbereich verschont.Ein Ganztagsschulprogramm wird es künftig nichtmehr geben. Manche sprechen insoweit etwas ten-denziös von einem Kooperationsverbot; der BegriffKorruptionsverbot trifft die Sache wahrscheinlichbesser. Es hat heute freilich keinen Sinn, sich mitSchönheitsfehlern aufzuhalten.

Wichtig bleibt: Die Länder sind dem Bund bis zurSchmerzgrenze entgegengekommen; es gab also aufBundesseite keine Ausreden mehr. Und: Baden-Württemberg wird der Reform aus Überzeugung zu-stimmen, weil sie per saldo einen großen Fortschrittmarkiert.

Zum ersten Mal werden die Verflechtungen zwi-schen Bund und Ländern aufgebrochen – beim Zu-stimmungsrecht des Bundesrates oder bei den Misch-finanzierungen.

Zum ersten Mal werden die Landtage in ihren Ge-setzgebungsrechten deutlich gestärkt – im Hoch-schulrecht oder im Recht des öffentlichen Dienstes.

Zum ersten Mal wird der unterschiedlichen Ge-staltungskraft und dem unterschiedlichen Gestal-tungswillen in den Ländern Rechnung getragen –durch das Abweichungsrecht.

(

(

II. Umsetzung der Föderalismusreform in Bund und Ländern

Es hat jetzt keinen Sinn, lang darüber zu diskutie-ren, was gut und schlecht ist und was vielleicht bes-ser oder noch schlechter gewesen wäre. Wir müssenden Blick vielmehr nach vorn richten. Denn die Föde-ralismusreform ist mit der Beschlussfassung in Bun-destag und Bundesrat nicht abgeschlossen; sie fängtim Grunde genommen erst an. Jetzt muss mit Lebenerfüllt werden, was bisher nur auf dem Papier steht.Einige Ansätze hierzu:

Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens gibtden Startschuss für die Umsetzung in den Ländern.Unser Credo lautet: Das Eintreten für mehr Subsidia-rität, mehr Wettbewerb und mehr Gestaltungsfreiheitdürfen kein Lippenbekenntnis bleiben, es muss raschin praktische Politik umgesetzt werden. Die Men-schen müssen spüren, dass durch die Zuständigkeitder Länder etwas besser wird – weniger Bürokratie,mehr Freiheit, mehr Passgenauigkeit und mehr Ent-scheidungsrechte des Landtags.

Die Umsetzung der Reform in den Ländern istnicht allein eine Aufgabe der Regierungen. Es istwichtig, dass sich die Landtage jetzt aktiv in die Um-setzung einbringen und damit deutlich machen, dasssie ihre neuen Zuständigkeiten auch verantwortlichwahrnehmen. Um ihretwillen wurde die Reform inerster Linie gemacht.

Die Länder sind künftig zwar für die Besoldungund Versorgung ihrer Beamten zuständig; dem Bundverbleibt aber die Zuständigkeit für die Statusrechte.Die Gefahr ist real, dass er diese Zuständigkeit weitauslegt und dadurch den Regelungsspielraum derLänder über Gebühr einschränkt. Die Länder müssenhier aufpassen und wenn nötig den Bund in dieSchranken weisen. Ob die Beamten in Baden-Württemberg mit 65 oder mit 67 in Pension gehen,lassen wir uns nicht vom Bund vorschreiben.

Im Umweltrecht wird – anders als von Umweltver-bänden behauptet – die Zuständigkeit des Bundesausgeweitet. Dass ein Bundesumweltgesetzbuchmöglich wird, war unser gemeinsames Anliegen. DieLänder werden sich in diese Gesetzgebung mitNachdruck einbringen. Ich biete konstruktive Mit-arbeit an und verweise ergänzend darauf, dass esohne Zustimmung des Bundesrates auch künftig keinUGB geben wird.

Für die Gemeinschaftsaufgaben im Hochschul-bereich müssen wir nach dem Wegfall der Ge-meinschaftsaufgaben „Hochschulbau“ und „Bil-dungsplanung“ und im Hinblick auf die neueGemeinschaftsaufgabe „Wissenschaftsförderung“ dieStrukturen überdenken. Klar ist: Wir brauchen auchkünftig den Wissenschaftsrat und seine Expertise. BeiBLK und KMK könnte eine Neuordnung dagegenMöglichkeiten der Synergie eröffnen.

III. Neuordnung Finanzverfassung –Föderalismusreform II

Finanzverfassungsrechtliche Fragen waren bisherweitgehend ausgeklammert. Das war nicht zu än-dern; sonst hätte es schon die Föderalismusreform I

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246* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A C)

(B) D)

)nicht gegeben. Umso dringlicher ist es jetzt, sich derFöderalismusreform II anzunehmen.

Baden-Württemberg hat im Jahr 2005 rund2,2 Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleicheingezahlt; zusätzlich fast 1,5 Milliarden Euro gingenuns durch den Umsatzsteuerausgleich verloren.

Deutschland reißt 2006 zum fünften Mal in Folgedie Maastricht-Kriterien.

Viele Länder können 2006 keinen verfassungsge-mäßen Haushalt aufstellen.

Offensichtlich läuft da etwas aus dem Ruder, undoffensichtlich reichen die bisherigen verfassungs-rechtlichen Vorgaben nicht aus, um Fehlentwicklun-gen zu verhindern. Ich bin deshalb froh, dass dieMPK mit der Kanzlerin ein klares Bekenntnis zurFöderalismusreform II abgelegt hat. Nach der Som-merpause sollen die Gespräche beginnen.

Das alles wird nicht einfach: Bremen, Berlin oderdas Saarland haben andere Vorstellungen als Baden-Württemberg, Hessen oder Bayern. Niemand kanndeshalb mit dem Kopf durch die Wand gehen. Wennwir Verbesserungen erreichen wollen, sind wir auf-einander angewiesen.

Außerdem stehen wir unter Zeitdruck: SpätestensEnde 2008 schließt sich das Zeitfenster, innerhalbdessen eine Reform gestemmt werden kann.

Deshalb wird, wie Max Weber es sagte, ein „be-harrliches Bohren dicker Bretter mit Augenmaß undLeidenschaft zugleich“ nötig sein. Ich füge hinzu: ingegenseitigem Vertrauen, dass niemand den anderenüber den Tisch ziehen will.

Anlage 2

Erklärung

von Ministerpräsident Dieter Althaus(Thüringen)

zu Punkt 59 a) und b) der Tagesordnung

Der Deutsche Bundestag hat am vergangenenFreitag mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheitdie Föderalismusreform verabschiedet. Ein umfang-reiches Reformprojekt steht nach jahrelanger Bera-tung vor seiner letzten Hürde im Bundesrat. Heutehaben wir die Chance, den parlamentarischen Weg,der auch durch den mehrheitlichen Beschluss der Mi-nisterpräsidenten geebnet worden ist, erfolgreich ab-zuschließen.

Ich bin überzeugt: Auch die Vertretung der Länderwird ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung gerechtwerden.

Die Föderalismusreform ist der Schlüssel, um diepolitischen Entscheidungsprozesse in Deutschland zubeschleunigen und Blockademöglichkeiten abzu-bauen. Dieses Ziel erreichen wir durch eine Entflech-tung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern und

(

(

durch eine deutliche Reduzierung der Zahl zustim-mungspflichtiger Gesetze.

Was wir heute verabschieden wollen, ist das Re-sultat jahrelanger intensiver Beratungen, in die auchdie Ergebnisse mehrerer Anhörungen eingeflossensind. Insgesamt sieben Mal sind der Rechtsausschussdes Deutschen Bundestages und der Ausschuss fürInnere Angelegenheiten des Bundesrates zu gemein-samen Sitzungen zusammengekommen, um dieStellungnahmen der mehr als hundert Experten ent-gegenzunehmen.

Die Sachverständigen haben die geplante Reformüberwiegend als Schritt in die richtige Richtung be-grüßt. Gleichwohl gab es – was nicht überraschendwar – im Detail zahlreiche Änderungswünsche.

Der Freistaat Thüringen hat seine abweichendenPositionen z. B. zum Beamtenrecht oder zur Hoch-schulbauförderung wiederholt zum Ausdruck ge-bracht. Auch beim Strafvollzug wäre uns eine andereLösung lieber gewesen.

Das ändert jedoch nichts an der Richtigkeit undNotwendigkeit des Gesamtpakets, das die Minister-präsidenten in ihrer Konferenz am 22. Juni 2006– nach einer Reihe von Detailänderungen und Präzi-sierungen – gebilligt haben. Einige Aspekte möchteich hervorheben:

Wir haben die Chance, dass sich die beste Politikim Bereich der Bildung durchsetzt. Die ThüringerLandesregierung ist überzeugt, dass Wettbewerb zufairen Bedingungen nicht zu weniger, sondern zumehr Qualität, mehr Leistung im bundesweiten undinternationalen Vergleich führt.

Das so genannte Kooperationsverbot im Bereichder Hochschulfinanzierung, das schon nach dem ur-sprünglichen Entwurf keine generelle Anwendunggefunden hätte, ist weiter gelockert worden. Bundund Länder können auch künftig gemeinsam Wissen-schaft und Forschung fördern – sofern alle Länder zu-stimmen.

Die Aufnahme der Begriffs „Wissenschaft“ – Arti-kel 91b neu GG – ermöglicht es dem Bund, direktLehre und Dozentenstellen an Hochschulen zu finan-zieren. Bei den Finanzhilfen – Artikel 104b neu GG –ist jetzt klargestellt, dass auch künftig Bund-Länder-Programme im Bereich der Hochschullehre möglichsind.

Die Mehrzahl der Länder hat sich dafür ausge-sprochen, die Zuständigkeit für den Strafvollzug aufdie Länder zu verlagern. Selbstverständlich sind dieLänder an die Vorgaben des Grundgesetzes und derRechtsprechung genauso gebunden wie der Bund –eine „Zersplitterung des Strafvollzugsrechts“ ist des-halb nicht zu befürchten.

Thüringen wird diese neue Regelungskompetenzverantwortlich wahrnehmen und die Qualität desdeutschen Strafvollzugs erhalten. Dazu gehört auchein bestimmtes Maß an Einheitlichkeit, das durch dieKoordinierung zwischen den Ländern sichergestelltwird.

Der internationale Terror nimmt keine Rücksichtauf bundesstaatliche Strukturen und Ländergrenzen.

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 247*

(A C)

(B) D)

)Deshalb ist es wichtig und richtig, dass der Bund dieausschließliche Gesetzgebungskompetenz erhält,wenn es um die Abwehr von Gefahren des interna-tionalen Terrorismus geht. Eine Beeinträchtigung deroriginären Landespolizeiarbeit ist durch diese Rege-lung nicht zu befürchten.

Beim Umweltschutz haben die Länder erst dannein Abweichungsrecht, wenn ein noch zu erlassendesUmweltgesetzbuch des Bundes in Kraft tritt. Für dieFelder, auf denen die Länder vom Bundesrecht ab-weichen dürfen, ist vereinbart worden, dass Bundes-gesetze frühestens sechs Monate nach ihrer Verkün-dung in Kraft treten – in Eilfällen auch schon früher,wenn der Bundesrat mit einfacher Mehrheit zu-stimmt.

Die Länder werden sich – wenn es so weit ist – vorallem auf die Umsetzung landesspezifischer Beson-derheiten konzentrieren. Im Übrigen ist das Umwelt-recht in weiten Teilen an Vorgaben aus Brüssel unddamit an gewisse Standards gebunden.

Diese wenigen Beispiele zeigen: Von einer gele-gentlich behaupteten Kleinstaaterei kann nicht dieRede sein. Es geht vielmehr darum, die bundesstaat-liche Ordnung zu modernisieren und in einer zweitenStufe die Finanzbeziehungen zwischen Bund undLändern weiterzuentwickeln.

Die Ministerpräsidenten der Länder haben am22. Juni 2006 mit der Bundeskanzlerin vereinbart,dass Vertreter der Länder, des Deutschen Bundesta-ges und der Bundesregierung zügig Gespräche überdas weitere Verfahren und die notwendigen Verfas-sungsänderungen aufnehmen.

Ohne Zweifel: Das werden nicht minder schwie-rige Verhandlungen sein! Gefordert ist die Bereit-schaft aller Beteiligten, Strukturen zu entwickeln, diedie Leistungsfähigkeit des Staates insgesamt erhö-hen. Thüringen wird in diesem Sinn den weiterenReformprozess aktiv mitgestalten.

Es ist unser Ziel, dass auch die zweite Stufe derFöderalismusreform zu einem Erfolg wird, der aller-dings die Erfüllung wichtiger Kriterien voraussetzt:

1. Mit dem Zuwachs an Länderkompetenzen mussauch eine aufgabenadäquate Finanzausstattungverbunden sein.

2. Auf die teilungsbedingte Sondersituation Thürin-gens und der übrigen jungen Länder ist Rücksichtzu nehmen.

3. Die bis 2019 geltenden Regelungen zum Solidar-pakt II und zum Bund-Länder-Finanzausgleichdürfen deshalb nicht zur Disposition stehen.

Zusammenfassend stelle ich fest: Die erste Stufeder Föderalismusreform ist ein guter Kompromiss imInteresse Deutschlands und im Interesse Thüringens.Die Vorteile liegen auf der Hand: mehr Bürgernäheund Transparenz, stärkere Orientierung an regiona-len Besonderheiten, offener Wettbewerb um diebeste Politik.

(

(

Aus diesen Gründen wird der Freistaat Thüringendem vorliegenden Gesetz zur Änderung des Grund-gesetzes und dem Föderalismusreform-Begleitgesetzzustimmen.

Anlage 3

Erklärung

von Minister Michael Breuer(Nordrhein-Westfalen)

zu Punkt 1 der Tagesordnung

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen trittdem Gesetz über die Feststellung des Bundeshaus-haltsplans für das Haushaltsjahr 2006 nicht ent-gegen. Sie weist allerdings auf die EinlassungenNordrhein-Westfalens in der Plenardebatte zumHaushaltsbegleitgesetz 2006 in der Sitzung des Bun-desrates am 16. Juni 2006 hin.

Anlage 4

Erklärung

von Staatsminister Geert Mackenroth(Sachsen)

zu Punkt 2 der Tagesordnung

Für die Freistaaten Sachsen und Thüringen gebeich folgende Erklärung zu Protokoll:

Die Regelung zur dauerhaften finanziellen Entlas-tung der Kommunen für die Zeit ab dem 1. Januar2007 muss auch die nachhaltige Entlastung der Kom-munen in Ostdeutschland umfassen. Dabei ist sicher-zustellen, dass die Sonderlasten der ostdeutschenKommunen durch die strukturelle Arbeitslosigkeitund die daraus entstehenden überproportionalenLasten durch die Zusammenführung von Arbeitslo-senhilfe und Sozialhilfe ausgeglichen werden.

Anlage 5

Umdruck Nr. 6/2006

Zu den folgenden Punkten der Tagesordnung der824. Sitzung des Bundesrates empfehlen die Aus-schüsse bzw. der Ständige Beirat dem Bundesrat:

I.

Zu dem Gesetz einen Antrag auf Anrufung desVermittlungsausschusses nicht zu stellen:

Punkt 3 a)Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht imZuständigkeitsbereich des Bundesministeriumsfür Arbeit und Soziales und des Bundesministe-riums für Gesundheit (Drucksache 405/06)

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248* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A C)

(B) D)

)II.

Den Gesetzen zuzustimmen:

Punkt 3 b)Erstes Gesetz über die Bereinigung von Bundes-recht im Zuständigkeitsbereich des Bundesminis-teriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung(Drucksache 406/06)

Punkt 4Investitionszulagengesetz 2007 (InvZulG 2007)(Drucksache 407/06)

Punkt 5Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstaltfür den Digitalfunk der Behörden und Organisa-tionen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS-Gesetz –BDBOSG) (Drucksache 408/06)

Punkt 7Gesetz zur Einführung einer Grundqualifikationund Weiterbildung der Fahrer im Güterkraft-oder Personenverkehr (Drucksache 410/06)

Punkt 9Erstes Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemm-nisse insbesondere in der mittelständischen Wirt-schaft (Drucksache 436/06)

Punkt 10Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommenvom 6. November 2003 über den Schutz von Tie-ren beim internationalen Transport (revidiert)(Drucksache 403/06)

III.

Gegen die Gesetzentwürfe keine Einwendungenzu erheben:

Punkt 16Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bun-desdisziplinargesetzes, des Bundesbeamtenge-setzes und weiterer Gesetze (Drucksache 354/06)

Punkt 17Entwurf eines Gesetzes zur Auflösung der Unab-hängigen Kommission zur Ermittlung des Ver-mögens der Parteien und Massenorganisationender Deutschen Demokratischen Republik (Druck-sache 355/06)

Punkt 20Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung desAllgemeinen Eisenbahngesetzes (Drucksache357/06)

Punkt 23Entwurf eines Gesetzes zu dem ÜbereinkommenNr. 170 der Internationalen Arbeitsorganisation

(

(

vom 25. Juni 1990 über Sicherheit bei der Ver-wendung chemischer Stoffe bei der Arbeit(Drucksache 361/06)

Punkt 25

Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom12. August 2004 zwischen der BundesrepublikDeutschland und der Republik Ghana zur Ver-meidung der Doppelbesteuerung und zur Verhin-derung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet derSteuern vom Einkommen, vom Vermögen undvom Veräußerungsgewinn (Drucksache 362/06)

Punkt 26

Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom26. Oktober 2004 zwischen der EuropäischenUnion, der Europäischen Gemeinschaft und derSchweizerischen Eidgenossenschaft über dieAssoziierung dieses Staates bei der Umsetzung,Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (Drucksache 363/06)

IV.

Zu den Gesetzentwürfen die in den zitierten Emp-fehlungsdrucksachen wiedergegebenen Stellung-nahmen abzugeben:

Punkt 18

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Über-stellungsausführungsgesetzes und des Gesetzesüber die internationale Rechtshilfe in Strafsachen(Drucksache 356/06, Drucksache 356/1/06)

Punkt 21

Entwurf eines Gesetzes über die Weiterverwen-dung von Informationen öffentlicher Stellen(Informationsweiterverwendungsgesetz – IWG)(Drucksache 358/06, Drucksache 358/1/06)

V.

Von der Vorlage Kenntnis zu nehmen:

Punkt 28 a)

Tätigkeitsbericht 2004/2005 der Bundesnetz-agentur für Elektrizität, Gas, Telekommunika-tion, Post und Eisenbahnen – Bericht nach § 121Abs. 1 Telekommunikationsgesetz und § 47 Abs. 1Postgesetz undSondergutachten der Monopolkommission ge-mäß § 121 Abs. 2 Telekommunikationsgesetz undgemäß § 44 Postgesetz i.V.m. § 81 Abs. 3 Telekom-munikationsgesetz (a.F.) (Drucksache 863/05)

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 249*

(A C)

(B) D)

)VI.

Zu den Vorlagen die Stellungnahme abzugebenoder ihnen nach Maßgabe der Empfehlungen zuzu-stimmen, die in der jeweils zitierten Empfehlungs-drucksache wiedergegeben sind:

Punkt 29Vorschlag für eine Verordnung des EuropäischenParlaments und des Rates über die Haftung vonBeförderern von Reisenden auf See und im Bin-nenschiffsverkehr bei Unfällen (Drucksache 174/06, Drucksache 174/1/06)

Punkt 30Grünbuch der Kommission der Europäischen Ge-meinschaften über die Kompetenzkonflikte undden Grundsatz ne bis in idem in Strafverfahren(Drucksache 53/06, Drucksache 53/1/06)

Punkt 33Grünbuch der Kommission der Europäischen Ge-meinschaften über die Unschuldsvermutung(Drucksache 348/06, Drucksache 348/1/06)

Punkt 35Vorschlag für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates zur Änderung derRichtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Ra-tes zwecks Verbesserung der Wirksamkeit derNachprüfungsverfahren im Bereich des öffent-lichen Auftragswesens (Drucksache 327/06,Drucksache 327/1/06)

Punkt 37Vorschlag für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates zur Änderung derRichtlinie 91/477/EWG des Rates über die Kon-trolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen(Drucksache 391/06, Drucksache 391/1/06)

Punkt 51Verordnung über den Erlass und die Änderungverkehrsrechtlicher Vorschriften zur Durchfüh-rung des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Geset-zes (Drucksache 366/06, Drucksache 366/1/06)

VII.

Das Einvernehmen zu der Zustimmung zu demVorhaben gemäß § 5 Abs. 3 EUZBLG zu erklären:

Punkt 34Beschluss des Rates zu „Prävention, Abwehr-bereitschaft und Folgenbewältigung im Zusam-menhang mit Terrorakten und anderen Sicher-heitsrisiken für den Zeitraum 2007–2013“Rahmenprogramm „Sicherheit und Schutz derFreiheitsrechte“ (Drucksache 413/06, Drucksache413/1/06)

(

(

VIII.

Den Vorlagen ohne Änderung zuzustimmen:

Punkt 41Verordnung zur Änderung marktordnungsrecht-licher Verordnungen (Drucksache 369/06)

Punkt 44Elfte Verordnung zur Neufestsetzung der Beträgenach § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Hilfe für Frauenbei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderenFällen (Drucksache 368/06)

Punkt 46Verordnung über die Kennzeichnung von Arznei-mitteln in Blindenschrift bei Kleinstmengen (Blin-denschrift-Kennzeichnungs-Verordnung) (Druck-sache 352/06)

Punkt 48Verordnung zur Änderung der Eurojust-Anlauf-stellen-Verordnung (Drucksache 429/06)

IX.

Entsprechend den Anregungen und Vorschlägenzu beschließen:

Punkt 52Vorschlag für die Berufung eines Mitglieds desVerwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit(Drucksache 419/06, Drucksache 419/1/06)

Punkt 53Benennung von Vertretern in Beratungsgremiender Europäischen Union (Umweltschutz auf Kom-missions- wie auf Ratsebene – ThemenbereichHochwasserrisikomanagement) (Drucksache 423/06, Drucksache 423/1/06)

Punkt 54Personelle Veränderung im Beirat für Ausbil-dungsförderung beim Bundesministerium für Bil-dung und Forschung (Drucksache 309/06, Druck-sache 309/1/06)

Punkt 55Benennung eines Mitglieds des Kuratoriums derStiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepu-blik Deutschland“ (Drucksache 401/06)

Punkt 56Benennung eines Mitglieds für den Eisenbahnin-frastrukturbeirat (Drucksache 400/06)

Punkt 57Benennung eines Mitglieds und eines stellvertre-tenden Mitglieds des Beirates der Bundesnetz-agentur für Elektrizität, Gas, Telekommunika-tion, Post und Eisenbahnen (Drucksache 431/06)

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250* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A C)

(B) D)

)X.

Zu den Verfahren, die in der zitierten Drucksachebezeichnet sind, von einer Äußerung und einem Bei-tritt abzusehen:

Punkt 58

Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht(Drucksache 421/06)

Anlage 6

Erklärung

von Minister Rainer Wiegard(Schleswig-Holstein)

zu Punkt 4 der Tagesordnung

Schleswig-Holstein stimmt dem Investitionszula-gengesetz 2007 und seinen Zielen zwar zu, weistaber auf Folgendes hin:

1. Staatliche Fördermaßnahmen stellen ein nicht un-wesentliches Kriterium der Unternehmen im Rah-men von Investitionsentscheidungen dar. Sie be-einflussen diese Entscheidungen nicht immer imSinne des Gesetzgebers, sondern führen auch zunicht erwünschten Mitnahmeeffekten bzw. zu Er-gebnissen, die mit den Intentionen des Gesetzesnicht übereinstimmen. Das Ziel des Investitions-zulagengesetzes besteht darin, zusätzliche Ar-beitsplätze im Fördergebiet zu schaffen. DieAnknüpfung der Tatbestandsmerkmale an Sachin-vestitionen spiegelt dies aber nicht ausreichendwider. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dassFirmen unter gleichzeitiger Aufgabe oder Redu-zierung der Funktionen ihrer bisherigen Betriebs-stätte die Mittel in Anspruch nehmen, ohne dassdiese öffentliche Förderung gesamtwirtschaftlicheinen Vorteil bringt. Die Bundesregierung wirddeshalb aufgefordert, alle notwendigen Maßnah-men zu treffen, die eine Fehlleitung der Investiti-onszulagenmittel nachhaltig verhindern.

2. Die Zahl der vom Investitionszulagengesetz be-günstigten Wirtschaftszweige wurde in der Ver-gangenheit angesichts der fortschreitenden wirt-schaftlichen Entwicklung in den neuen Ländernpermanent reduziert. Demgegenüber erweitertdas Investitionszulagengesetz 2007 den Fördertat-bestand. Die nunmehr vorgesehene Investitionszu-lagenberechtigung des Beherbergungsgewerbeskann nach Auffassung Schleswig-Holsteins zuWettbewerbsverzerrungen führen. Die Tourismus-wirtschaft und damit auch das Beherbergungsge-werbe haben sich in den neuen Ländern sehr gutentwickelt und verfügen zwischenzeitlich über einhohes Qualitätsniveau. Insoweit ist nicht auszu-schließen, dass die vorgesehene Förderung zu ei-ner Fehlleitung staatlicher Mittel führt.

(

(

Anlage 7

Erklärung

von Minister Prof. Dr. Wolfgang Reinhart(Baden-Württemberg)

zu Punkt 9 der Tagesordnung

Baden-Württemberg unterstützt das Ziel der Bun-desregierung, insbesondere kleine und mittlere Un-ternehmen von Bürokratiekosten zu entlasten. Da-durch kann die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebegestärkt werden.

Das vorliegende Gesetz geht aber nicht weit ge-nug. Insbesondere ist die von der Bundesregierungvorgesehene Anhebung der gesetzlichen Buchfüh-rungspflichtgrenze beim Umsatz von 350 000 Euroauf 500 000 Euro zu gering. Dadurch wird kein deut-licher Bürokratieabbau bewirkt. Baden-Württem-berg fordert deshalb eine Anhebung auf 1 MillionEuro. Auch in anderen Industrieländern liegt dieGrenze in einer solchen Größenordnung.

Anlage 8

Erklärung

von Senator Dr. Michael Freytag(Hamburg)

zu Punkt 6 der Tagesordnung

Mit dem vorliegenden Gesetz zur Änderung per-sonenbeförderungsrechtlicher Vorschriften kannnun ein auch von Hamburg seit längerem verfolgtesZiel realisiert werden: die Erhöhung der Obergrenzefür Bußgelder, die bei Ordnungswidrigkeiten wegenVerstößen gegen das Personenbeförderungsrechtverhängt werden können. Seit Inkrafttreten des Per-sonenbeförderungsgesetzes im Jahre 1961 konntenBußgelder von maximal 10 000 DM bzw. 5 000 Euroverhängt werden.

Die Vorschriften des Personenbeförderungsgeset-zes dienen vorrangig dem Ziel, Leben und Gesund-heit der Fahrgäste zu schützen. Deshalb gibt es imPersonenbeförderungssektor deutlich mehr Regelun-gen und Vorschriften als in anderen Gewerbezwei-gen. Dies ist auch erforderlich, wie Busunfälle immerwieder zeigen. Ein Fall erregte kürzlich besonderesAufsehen: Ein Busunternehmer wollte für eine Klas-senfahrt ein verkehrsunsicheres Fahrzeug einsetzen,was durch die Stilllegung des Fahrzeugs durch dieherbeigerufene Polizei verhindert werden konnte.

Es kann und darf nicht sein, dass es sich für ver-antwortungslose Unternehmer letztlich rentiert, ei-nen nicht verkehrstüchtigen Bus auf die Reise zuschicken, weil die eingesparten Reparaturkostendeutlich höher sind als das eventuell zu erwartendeBußgeld. Gerade in Fällen, in denen mit ordnungs-widrigem Verhalten wirtschaftliche Vorteile erzieltwerden, muss der Staat die Möglichkeit haben,

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 251*

(A C)

(B) D)

)empfindliche Sanktionen zu verhängen, damit sichebendieses Verhalten nicht mehr rentiert.

Es ist auch Aufgabe des Staates, die ehrlichen Un-ternehmer vor dieser besonders verantwortungslosenArt des unlauteren Wettbewerbs zu schützen. Denn– das will ich betonen – der größte Teil der Busunter-nehmer hält sich an die gesetzlichen Regelungen undmuss hierfür nennenswerte Kosten in Kauf nehmen.Diese Busunternehmer wollen ihren Fahrgästen ne-ben Qualität bestmögliche Sicherheitsstandards bie-ten. Gerade diese Anstrengungen dürfen nicht durchdas Fehlverhalten einiger schwarzer Schafe hinter-trieben werden. Der Konkurrenzkampf in diesemGewerbe ist hart; umso mehr kommt es darauf an,Fehlverhalten, das Rechtsverstöße billigend in Kaufnimmt, angemessen sanktionieren zu können.

Die Gesetzesänderung betrifft nicht nur Busbe-triebe, sondern auch das Taxengewerbe. Gerade inder harten Wettbewerbssituation im großstädtischenBereich ist immer wieder zu beobachten, dass Taxi-fahrer ihr Fahrzeug auch außerhalb der gekenn-zeichneten Stände bereithalten oder wenig lukrativeFahrten über kurze Distanzen ablehnen. Mit solchemrechtswidrigen Verhalten verschaffen sich einzelneUnternehmen gegenüber ihren rechtstreuen Konkur-renten erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Die Auf-sichtsbehörden in Hamburg gehen daher verstärktgegen derartige Auswüchse vor.

Hamburg erprobt in einem Pilotversuch den Ein-satz von Fiskaltaxametern, um eine ordnungsgemäßeAbrechnung und Versteuerung aller Fahrten sicher-zustellen. Da hier bereits erste positive Rückmeldun-gen vorliegen, wird erwogen, dieses System verbind-lich einzuführen. In diesem Zusammenhang wirdeine Hamburger Bundesratsinitiative vorbereitet.

Wir dürfen es nicht zulassen, dass schwarze Schafedie gesamte Branche in Misskredit bringen. Die vie-len kundenfreundlichen und korrekt arbeitenden Ta-xifahrer haben ein Recht darauf, vor den Praktikenunredlicher Fahrer geschützt zu werden. Hierzu ge-hört die Androhung und gegebenenfalls Verhängunghöherer Bußgelder.

Letztendlich ist es auch gezielte Verbraucher-schutzpolitik, in der Personenbeförderung Qualitäts-standards zu halten und auszubauen, die der Sicher-heit und dem Komfort der Kunden zugute kommen.

Ich freue mich deshalb, dass die von Hamburg ver-folgte Zielsetzung, den Bußgeldrahmen deutlich zuerhöhen, jetzt realisiert werden kann. Mit der vomBundestag beschlossenen Differenzierung der einzel-nen Tatbestände nach schweren Verstößen mit einerObergrenze von 20 000 Euro und den übrigen Ver-stößen mit maximal 10 000 Euro Buße sind wir ein-verstanden. Entscheidend ist, richtige Signale zu set-zen und klarzustellen, dass Fehlverhalten gerade indiesem Bereich deutlich schärfer sanktioniert wirdals bisher. Damit wird zugleich die abschreckendeWirkung nachhaltig erhöht.

Ich darf Sie bitten, dem vorliegenden Gesetz zuzu-stimmen.

(

(

Anlage 9

Erklärung

von Minister Prof. Dr. Wolfgang Reinhart(Baden-Württemberg)

zu Punkt 8 der Tagesordnung

Der Grund ist: Über das Volumen und die Vertei-lung der staatlich verursachten Bürokratiekosten beiUnternehmen und Bürgern gibt es keine exaktenZahlen. Niemand weiß, auf Grund welcher Gesetzeund Verordnungen auf welcher staatlichen Ebenewelche Kosten entstanden sind. Solange diese Infor-mationen fehlen, können wir politisch nicht wirksamsteuern.

Wer wissen will, wo Geld für unnötige Bürokratieverschwendet wird, muss daher messen. In den Nie-derlanden wurde dafür das Standardkostenmodellentwickelt; es wird seit mehreren Jahren erfolgreichpraktiziert. Damit kann man die administrativenBelastungen für Unternehmen in Euro und Cent mes-sen. Es wird nicht mehr auf eine „gefühlte Büro-kratie“ abgestellt, sondern Kostentransparenz her-gestellt.

Gemessen werden die Informations- und Berichts-pflichten, die sich aus einer staatlichen Anforderungergeben. Dazu zählen Anträge, Formulare, Statisti-ken, Nachweise usw. Diese Pflichten erhalten Preis-schilder. Auf dieser Basis können dann die politischenEntscheidungen fallen, bestimmte bürokratische Be-lastungen zurückzuführen oder erst gar nicht entste-hen zu lassen.

Die niederländische Regierung hat sich das Zielgesetzt, die Belastungen so bis 2007 um 25 % zu re-duzieren; in den Niederlanden sind das 4,1 Milliar-den Euro pro Jahr. Weil mit diesem Modell die Verur-sacher genau identifiziert werden können, sindZielvorgaben für alle Fachressorts möglich.

Außerdem erhalten wir bei neuen Gesetzen end-lich Transparenz. Wir müssen wissen, wie viel Büro-kratieaufwand mit den Entwürfen, über die wir bera-ten, verbunden ist. Der Hinweis in den Entwürfen„Kosten: Keine – Bürokratie: Keine“ wird hoffentlichder Vergangenheit angehören.

Wir begrüßen deswegen die Initiative, das Stan-dardkostenmodell einzuführen und diesen Prozessdurch die Einrichtung eines Nationalen Normen-kontrollrates zu begleiten.

Die Länder – auch Baden-Württemberg – sind be-reits in verschiedenen Projekten zur Anwendung desStandardkostenmodells auf landesrechtlicher Ebeneaktiv. Wir können gerne unsere Erfahrungen beisteu-ern.

Jedenfalls wünsche ich mir – dabei spreche ich si-cherlich auch für andere Kolleginnen und Kollegen –,dass die Bundesregierung mit den Ländern bei deranstehenden Messung des Bundesrechts eng zusam-menarbeitet. Bundesrecht wird nun einmal im Regel-fall von den Ländern vollzogen. Aus der Sicht desje-nigen, der von einer Informationspflicht betroffen ist,

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252* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A C)

(B) D)

)macht eine Beschränkung auf reines Bundesrechtkeinen Sinn.

Der Normenkontrollrat soll beim Bundeskanzler-amt angesiedelt werden. Wir halten das für eindeutigrichtig. Nur mit der entsprechenden politischenRückendeckung werden wir zu substanziellen Fort-schritten in Sachen Bürokratieabbau gelangen.

Lassen Sie mich noch einige Worte zu der Ihnenvorliegenden Entschließung, die wir unterstützen, sa-gen:

Der Hinweis auf die materiell-rechtlichen Belas-tungen der Wirtschaft macht deutlich, dass Bürokra-tie und die damit verbundene Kostenlast natürlichnicht auf die Informationskosten beschränkt sind. Esist jedoch richtig, mit diesem einfachen, gleichzeitigaber innovativen Ansatz des Standardkostenmodellsanzufangen. Denn Bürokratieabbau wird damit zu-nächst von der inhaltlichen Auseinandersetzung be-freit. Deshalb sprechen wir in der Entschließungauch von der Messung materiell-rechtlicher Belas-tungen in einem weiteren Schritt. In den Niederlan-den wird derzeit eine entsprechende Methodik ent-wickelt.

Der zweite Punkt betrifft die Einschränkung, dassnur Entwürfe der Bundesregierung, nicht aber Ent-würfe von Bundestag und Bundesrat auf ihre Kosten-folgen hin untersucht werden sollen. Wir wünschenuns, dass auch Gesetzesvorhaben des Bundesratesoder aus der Mitte des Bundestages in die Folgenab-schätzung des Normenkontrollrates aufgenommenwerden können. Zu einer entsprechenden gesetzli-chen Klarstellung ist es bei der Beratung im Bundes-tag auf Wunsch der SPD-Fraktion zunächst leidernicht gekommen.

Möglicherweise kommen wir aber im Weiterendoch noch zu einer Einbeziehung entsprechenderGesetze, etwa bei der Stellungnahme der Bundesre-gierung zu Gesetzesvorhaben des Bundesrates oderin anderer geeigneter Weise bei Vorhaben des Bun-destages.

Abschließend möchte ich festhalten: Lassen Sieuns rasch mit der Arbeit beginnen! Die Unternehmenin Deutschland erwarten zu Recht spürbare Erfolgebei der Reduzierung von Bürokratielasten. Der neuesystematische Ansatz von Standardkostenmodell undNationalem Normenkontrollrat bietet hierfür dieGrundlage. Nutzen wir die Chance für mehr Freiheit,Wachstum und Beschäftigung in unserem Land!

Anlage 10

Erklärung

von Minister Michael Breuer(Nordrhein-Westfalen)

zu Punkt 62 der Tagesordnung

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen er-kennt an, dass der Bundestag einigen wesentlichen

(

(

Punkten der auch von NRW eingebrachten Stellung-nahme des Bundesrates vom 16. Juni 2006 Rechnunggetragen hat.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen weistdarauf hin, dass das vorliegende Gesetz nach wievor in Teilen überflüssige Vorschriften enthält, dieBelastungen für das Wirtschafts- und Rechtslebenschaffen und die nicht zwingend von den zu Grundeliegenden europäischen Richtlinien vorgegeben wer-den.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen erwar-tet von der Bundesregierung, dass EU-Richtliniengrundsätzlich 1 : 1 umgesetzt werden.

Anlage 11

Erklärung

von Staatsministerin Dr. Beate Merk(Bayern)

zu Punkt 63 der Tagesordnung

Der Bundestag hat am 29. Juni 2006 das Gesetzzur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über denEuropäischen Haftbefehl beschlossen. Mit diesemGesetz wird der Schutz Deutscher vor Auslieferungverbessert. Im Grundsatz gibt es darüber keinenStreit. Zu zwei Punkten wirft die Gesetzesformulie-rung bei der Auslieferung Deutscher allerdings Fra-gen auf:

1. Der Deutsche Bundestag hat zum einen dieEmpfehlung des Bundesrates nicht aufgegriffen, beider Auslieferung Deutscher den Grundsatz der Ver-hältnismäßigkeit ausdrücklich im Gesetz zu veran-kern.

Nach unserem Verfassungsrecht gilt der Verhält-nismäßigkeitsgrundsatz immer. Eine ausdrücklicheVerankerung im Gesetz ist aber bei dieser hoch-sensiblen Regelungsmaterie ein besonders deutlichesSignal. Sie dient auch dem besseren Verständnis un-serer Bürger.

Das bedeutet z. B., dass die Auslieferung einesDeutschen dann nicht möglich ist, wenn nach unse-rem Strafrecht offenkundig eine Freiheitsstrafe nichtzu erwarten ist. Das Gleiche gilt, wenn die Dauer desAuslieferungsverfahrens in keinem Verhältnis zu derzu erwartenden Strafe steht. Wenn etwa ein Deut-scher in der EU einen Ladendiebstahl mit einemSchaden von 20 Euro begeht, ist eine Auslieferungregelmäßig unverhältnismäßig. Der Schutz Deutscherfordert klare Regelungen.

2. Zum anderen spreche ich Fälle an, die zu-gleich Inlands- und Auslandsbezug haben. Nachdem Gesetzesbeschluss liegt ein maßgeblicher Be-zug der Tat zum Inland in der Regel vor, „wenn dieTathandlung vollständig oder in wesentlichen Tei-len im Geltungsbereich dieses Gesetzes begangen

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 253*

(A C)

(B) D)

)wurde und der Erfolg zumindest in wesentlichenTeilen dort eingetreten ist. Bei der Abwägung sindinsbesondere der Tatvorwurf, die praktischen Erfor-dernisse und Möglichkeiten einer effektiven Straf-verfolgung und die grundrechtlich geschützten Inte-ressen des Verfolgten unter Berücksichtigung dermit der Schaffung eines europäischen Rechtsraumsverbundenen Ziele zu gewichten und zueinander insVerhältnis zu setzen.“ – In diesen Fällen ist eineAuslieferung ausgeschlossen.

Der Praxis tun wir mit der zitierten Regelung kei-nen Gefallen. Der Bundesrat hat eine wesentlichklarer formulierte Alternative vorgeschlagen, diedem Bundesverfassungsgericht ebenfalls Rechnungträgt.

Damit zur Gleichstellung von Ausländern: Im ur-sprünglichen Regierungsentwurf war die obligatori-sche Gleichstellung von bestimmten Ausländern mitDeutschen festgeschrieben, obwohl das Bundesver-fassungsgericht dies nicht gefordert hat. Ausländer,die mit einem deutschen Familienangehörigen oderLebenspartner in familiärer oder lebenspartner-schaftlicher Lebensgemeinschaft leben, sollten dengleichen Schutz vor Auslieferung genießen wie Deut-sche.

Ich habe am 10. März 2006 im Bundesrat diese Re-gelung kritisiert. Dieser Kritik wurde nur scheinbarRechnung getragen. Die Vorschrift aus dem Regie-rungsentwurf wurde zwar gestrichen, allerdingswurde ein neuer § 83b Abs. 2 eingefügt. Danachk a n n die Bewilligung der Auslieferung j e d e sAusländers, der im Inland seinen gewöhnlichen Auf-enthalt hat, in zwei Fällen abgelehnt werden:

1. Bei einer Auslieferung zum Zweck der Strafver-folgung, wenn die Auslieferung eines Deutschennicht zulässig wäre.

2. Bei einer Auslieferung zum Zweck der Strafvoll-streckung, wenn der Ausländer nach Belehrung nichtzustimmt und sein schutzwürdiges Interesse an derStrafvollstreckung im Inland überwiegt.

Auch wenn diese Regelung nur fakultativ ist undgerichtlicher Kontrolle unterliegen soll, geht sie mirzu weit.

Angesichts fehlender materieller Kriterien für dieGleichstellung müssen wir mit einer unterschiedli-chen Bewilligungspraxis in Deutschland rechnen.Das bedeutet erhebliche Rechtsunsicherheit.

Bayern hat im Rechtsausschuss weder zur aus-drücklichen Berücksichtigung des Grundsatzes derVerhältnismäßigkeit bei Deutschen noch zur Strei-chung der Gleichstellungsregelung für Ausländereine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsaus-schusses bekommen. Angesichts dieses Ergebnissessehen wir von einem Landesantrag ab. Unsere Be-denken bestehen gleichwohl fort.

(

(

Anlage 12

Erklärung

von Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach(BMJ)

zu Punkt 63 der Tagesordnung

Wir können heute nach intensiven Beratungen dasEuropäische Haftbefehlsgesetz verabschieden. Mitdem Gesetz erfüllen wir Punkt für Punkt die Vorga-ben des Bundesverfassungsgerichts. Wir haben unsdiese Arbeit nicht einfach gemacht. Wir haben dieErgebnisse der Sachverständigenanhörung des Bun-destages sorgfältig ausgewertet und unsere Konzep-tion noch einmal unvoreingenommen auf den Prüf-stand gestellt.

So wollen wir – als Konsequenz aus der Anhörung –bei der Rücküberstellung auf das Erfordernis der bei-derseitigen Strafbarkeit verzichten. Es geht hier umdie Fälle, dass Deutsche im Ausland wegen einer Tatverurteilt werden, die bei uns nicht strafbar ist. Dasist durchaus denkbar, etwa bei einer Verurteilung imAusland wegen fahrlässigen Betruges, den es bei unsnicht gibt. Wenn wir hier bei der Rücküberstellungauf der beiderseitigen Strafbarkeit bestünden, hießedas, dass der verurteilte Deutsche seine Strafe nichtin Deutschland verbüßen kann, obwohl er dasmöchte, sondern weiterhin in einem ausländischenGefängnis sitzen muss.

Wir haben auch Änderungen bei der Ausländer-klausel vorgenommen. Wir sind nicht so weit gegan-gen, die Klausel komplett zu streichen, wie der Bun-desrat es gefordert hatte. Ich verrate aber sicherlichkein Geheimnis, wenn ich sage, dass mir das Ab-rücken von der Formulierung des Gesetzentwurfsschwer gefallen ist.

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Diese Er-kenntnis ist glücklicherweise inzwischen auch beiden meisten Kollegen im Bundestag angekommen.Man kann mit der Realität so umgehen, dass manversucht, das Beste daraus zu machen, d. h., dassman sich aktiv um Integration bemüht. Manche ver-suchen bei jeder passenden oder unpassenden Gele-genheit, mit ausländerfeindlichen Ressentiments aufStimmenfang zu gehen. Das braucht aber derzeit nie-mand. Ich finde es deshalb mehr als schade, dass ge-rade der Kompromiss zur Ausländerklausel, den wirin konzentrierten Gesprächen gemeinsam mit unse-rem Koalitionspartner erarbeitet haben, heute wiedereinmal von Bayern angegangen wird – ein Foul, dasgelbwürdig ist!

Menschen mit ausländischem Pass, die inDeutschland leben, halten sich zum sehr großen Teilan unsere Gesetze und werden nie straffällig. Auchdas sollte man betonen. Natürlich gibt es auch Aus-länder, die Straftaten begehen, hier oder im Ausland,vielleicht sogar ihrem Geburtsland, zu dem sie allen-falls noch emotionale Beziehungen haben. Wenndiese Menschen bei uns gut integriert und verwurzeltsind, halte ich es nicht für richtig, bei der Frage der

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254* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

(A C)

(B) D)

)Auslieferung einzig und allein darauf abzustellen,was für einen Pass sie haben.

Wir geben deshalb der Bewilligungsbehörde dieMöglichkeit, im Einzelfall von einer Auslieferung– unter den gleichen Voraussetzungen wie bei einemdeutschen Staatsbürger – abzusehen. Denken Sieetwa an einen jungen Erwachsenen, der als Kindausländischer Staatsbürger hier geboren wurde, seingesamtes bisheriges Leben hier verbracht hat und fürden Deutschland zur Heimat geworden ist. Hier mussdoch zumindest die Möglichkeit eröffnet werden zuprüfen, ob man so jemanden in einer Fallkonstella-tion ausliefert, in der man bei seinem deutschenNachbarn von einer Auslieferung absehen würde.Mehr wollen wir nicht. An der zwingenden Regel zuGunsten bestimmter Ausländer halten wir nicht mehrfest.

Die Kritik aus Bayern, diese Regelung schützeAusländer, die sich in Deutschland illegal aufhalten,ist so typisch für Sie, wie sie falsch ist. Zum einen istes nicht Sache des Europäischen Haftbefehls, hier il-legal lebende Ausländer abzuschieben. Zuständigdafür sind die Ausländerbehörden, und es gibt dafürein besonderes Verfahren. Das wissen Sie. Zumanderen: Wenn sich ein Ausländer illegal bei uns auf-hält, ist das in die Einzelfallabwägung einzubezie-hen. In der Regel wird in solchen Fällen ein berech-tigtes Interesse eben nicht bestehen.

Richtig ist allerdings, dass eine gewisse Diskre-panz darin besteht, ob ein Ausländer nach dem Euro-päischen Haftbefehlsgesetz in einen EU-Staat oderob er auf vertraglicher Grundlage in einen Drittstaatausgeliefert werden soll. Die Ausländerklausel giltnur beim EU-Haftbefehl. Aber: Auch wenn wir ver-traglich verpflichtet sind, einen Ausländer an einenDrittstaat auszuliefern, besteht auch hier ein Ent-scheidungsspielraum, der es erlaubt, im Einzelfall,etwa wegen der familiären Situation, von der Auslie-ferung abzusehen.

Das Argument Bayerns, dass Behörden und Ge-richte mit der fakultativen Ausländerklausel in derPraxis Schwierigkeiten haben werden, halte ich fürvorgeschoben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir,wie bei anderen Regelungen auch, innerhalb kurzerZeit eine gut handhabbare und verlässliche Spruch-praxis bekommen werden.

Kurz noch zu Ihrer Forderung, den Verhältnismä-ßigkeitsgrundsatz bei der Auslieferung von Deut-schen ausdrücklich im Gesetz zu erwähnen: Der Ver-hältnismäßigkeitsgrundsatz gilt schon heute undfindet im Gesetzestext seine Stütze im Ordre Public,§ 73 IRG. Welche Funktion soll eine weitere Erwäh-nung haben? Sie wollen sagen: Was gilt, das gilt. –Das ist schon handwerklich nicht in Ordnung, weilSie damit der Praxis den falschen Gegenschluss nahelegen, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nichtgilt, wenn es um die Auslieferung eines Ausländersgeht, weil dort nicht noch einmal ausdrücklich steht,dass er gilt.

(

(

Zum Schluss möchte ich die gesetzestechnischenDetails beiseite lassen, über die wir leider streitenmüssen. Wir sollten nicht aus den Augen verlieren,worum es insgesamt geht und warum wir das Gesetzheute verabschieden.

Die Grenzen in Europa sind in den letzten Jahr-zehnten immer durchlässiger geworden. Das wareine glückliche Entwicklung, und zahllose Menschenprofitieren heute davon. Das sollten wir nie verges-sen. Wir sorgen mit dem EU-Haftbefehl dafür, dassauch die Strafverfolgung mit der europäischen Inte-gration Schritt halten kann und neben der Freizügig-keit Sicherheit und Recht in der EU gewährleistetwerden.

Anlage 13

Erklärung

von Bürgermeisterin Karin Schubert(Berlin)

zu Punkt 63 der Tagesordnung

Wir befinden uns heute im zweiten Anlauf, einEuropäisches Haftbefehlsgesetz zu erlassen. DasVorgängergesetz wurde durch das Bundesverfas-sungsgericht für nichtig erklärt. Seither wurden eineweitere Bund-Länder-Besprechung und eine Sach-verständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bun-destages durchgeführt. Der Bundestag hat den Ge-setzentwurf daraufhin mit Mehrheit beschlossen.

Die Bayerische Staatsregierung wollte zu demneuen Gesetz wiederum den Vermittlungsausschussanrufen, obwohl sich der Rechtsausschuss mit großerMehrheit dagegen ausgesprochen hat. Das ist auchrichtig so; denn das vom Bundestag verabschiedeteGesetz erfüllt die Vorgaben des Bundesverfassungs-gerichts. Im Übrigen stellt es einen fachlich undrechtspolitisch gut tragbaren Kompromiss dar. Dievon Bayern ursprünglich angestrebte Anrufung desVermittlungsausschusses hätte daher auch zu keinemanderen Ergebnis geführt, sondern nur eine unnötigeweitere Verzögerung der Umsetzung des EU-Auslie-ferungsverfahrens dargestellt.

Bayern wollte erreichen, in § 73 des Gesetzes überdie Internationale Rechtshilfe in Strafsachen bei derAuslieferung Deutscher den Grundsatz der Verhält-nismäßigkeit ausdrücklich zu verankern. Dies istnicht erforderlich, weil dieser Verfassungsgrundsatzauch ohne einfachgesetzliche Regelung zu beachtenist und auch in vielen anderen Gesetzen nicht aus-drücklich geregelt ist. Daher wird auch niemand da-ran zweifeln, dass die zuständigen Oberlandesge-richte diesen Grundsatz auch ohne ausdrücklicheRegelung im IRG angemessen berücksichtigen wer-den.

Die zweite Änderungsabsicht Bayerns betrifft mit§ 83b Abs. 2 IRG eine Regelung über die Ausliefe-rung von Ausländern, die ihren gewöhnlichen Auf-enthalt im Inland haben. Die zuständige Verwal-tungsbehörde soll im Rahmen ihres Ermessens

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 255*

(A C)

(B) D)

)darüber entscheiden, ob der für Deutsche geltendeAuslieferungsschutz auf diese Ausländer erstrecktwird. Deren Auslieferung zur Strafverfolgung kann,muss aber nicht abgelehnt werden, wenn sie einenDeutschen betreffend unzulässig wäre.

Bei der Auslieferung zur Strafvollstreckung kanneine Ablehnung der Bewilligung erfolgen, wenn derbelehrte Ausländer der Auslieferung nicht zustimmtund sein schutzwürdiges Interesse an der Vollstre-ckung im Inland überwiegt.

Diese Regelungen erlauben angemessene Ent-scheidungen im Einzelfall und sind in der gebotenenverfassungskonformen Auslegung auch ausreichendbestimmt.

Die von Bayern verfolgte Streichung von § 83bAbs. 2 IRG stellt demgegenüber keine bessere, son-dern eine einseitige Lösung dar.

Das uns vorliegende Europäische Haftbefehls-gesetz ist im Deutschen Bundestag von den Regie-rungsfraktionen und der FDP mitgetragen wordenund stellt einen gut vertretbaren rechtspolitischenKompromiss dar. Dass im Vermittlungsausschussoder in einem weiteren Verfahren ein anderes Ergeb-nis zu Stande käme, wäre ziemlich unrealistisch. Esist daher zu begrüßen, dass Bayern nunmehr dieseÄnderungsabsichten nicht weiterverfolgt und mit dergroßen Mehrheit der Länder die Auffassung vertritt,dass der Vermittlungsausschuss nicht angerufen wer-den soll.

Wir sollten jede unnötige Verzögerung vermeidenund das Gesetz alsbald in Kraft treten lassen, damitDeutschland im EU-Auslieferungsverkehr wieder un-eingeschränkt handlungsfähig ist.

Anlage 14

Erklärung

von Ministerin Christa Thoben(Nordrhein-Westfalen)

zu Punkt 64 der Tagesordnung

Die Wirtschaftsministerkonferenz hat auf InitiativeNordrhein-Westfalens im Dezember 2005 den Ad-hoc-Arbeitskreis „Weiterentwicklung des UBGG“eingesetzt. Der Arbeitskreis hat unter dem Vorsitzmeines Hauses über den Entwurf einer Gesetzes-novelle abgestimmt. Diesen Gesetzesvorschlag hatdie Wirtschaftsministerkonferenz am 7. Juni diesesJahres gebilligt und die an der Arbeitsgruppe betei-ligten Länder um Antragstellung im Bundesrat gebe-ten.

Der Antrag im Bundesrat ist ein gemeinsamer An-trag der Länder Nordrhein-Westfalen, Hamburg,Niedersachsen und Baden-Württemberg. Nach mei-ner Information erwägen andere Länder, dem Antragbeizutreten. Dass für diesen Antrag eine so breite Ba-

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sis gefunden werden konnte, werte ich als großen Er-folg.

Mit der Weiterentwicklung des UBGG sollen eineVerbesserung der Rahmenbedingungen für die Mit-telstandsfinanzierung und eine Belebung des Mark-tes für Wagniskapitalbeteiligungen an innovativenmittelständischen Unternehmen erreicht werden. Be-sonders weise ich auf die positiven Beschäftigungsef-fekte gerade bei innovativen mittelständischen Un-ternehmen durch Venture Capital hin. Dies haterneut eine Studie des Center for Entrepreneurialand Financial Studies an der Technischen UniversitätMünchen bestätigt.

Eckpunkte der im Entwurf vorgelegten Gesetzes-novelle sind:

– Die mittelstandspolitische Zielsetzung des UBGGsoll verdeutlicht werden.

– Das Spektrum der Wagniskapitalbeteiligungen,die Unternehmensbeteiligungsgesellschaften(UBGen) eingehen dürfen, soll erweitert werden.Beispielsweise sollen künftig Beteiligungen anUnternehmen in der Rechtsform der Offenen Han-delsgesellschaft und an Gesellschaften europäi-scher Rechtsformen zulässig sein.

– Unnötige Beschränkungen im UBGG sollen künf-tig entfallen; Regelungen flexibler und praxisnä-her gefasst werden. Zum Beispiel sollen Beteili-gungen an Unternehmen in der Rechtsform derGmbH & Co. KG erleichtert werden. Da mittel-ständische Unternehmen häufig in dieser Rechts-form geführt werden, ist die bisherige restriktiveRegelung ein Wettbewerbsnachteil für UBGen unddieses Unternehmen selbst.

– Erleichterungen sind auch hinsichtlich der Regelnüber den Eigenkapitalersatz vorgesehen. Gesell-schafterdarlehen, die die UBG selbst gewährt, sol-len wie Gesellschafterdarlehen ihrer Muttergesell-schaft behandelt werden.

– Der Kreis der Zielunternehmen, an denen sich UB-Gen beteiligen dürfen, soll weiter gefasst werden.Außerdem ist eine Verlängerung der möglichenHaltefristen vorgesehen. Teile des Gesetzes sollenklarer gefasst werden.

Der Gesetzesvorschlag tangiert – das möchte ichbetonen – nicht das im Koalitionsvertrag auf Bundes-ebene enthaltene Vorhaben, das UBGG zu einem all-gemeinen Private-Equity-Gesetz fortzuentwickeln.Dieses große und komplexe Vorhaben will der Bundnach meinem Kenntnisstand erst in der zweitenHälfte der Legislaturperiode in Angriff nehmen. Hin-sichtlich der jetzt vorgesehenen mittelstandsfreundli-chen Erleichterungen besteht allerdings kurzfristigerHandlungsbedarf.

Ich bitte Sie daher, die gemeinsame Gesetzesini-tiative der Länder Nordrhein-Westfalen, Hamburg,Niedersachsen und Baden-Württemberg zu unter-stützen.

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256* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

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)Anlage 15

Erklärung

von Minister Michael Breuer(Nordrhein-Westfalen)

zu Punkt 12 der Tagesordnung

Am 1. Januar 2006 ist eine neue Regelung zurFälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge in Kraftgetreten. Nach dem früheren Recht wurden die Bei-träge spätestens am 15. des Folgemonats fällig. AufGrund der Neuregelung sind die Beiträge bereits amdrittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats zuzahlen. Für Arbeitgeber, die variable Löhne, z. B.Stundenlöhne, zahlen, bedeutet dies, dass sie zu-nächst die voraussichtliche Beitragsschuld ermittelnund im Folgemonat eine Verrechnung durchführenmüssen.

Dieses Verfahren führt für die Arbeitgeber zu ei-nem erheblichen bürokratischen Mehraufwand. DieLandesregierung Nordrhein-Westfalen hat diese Än-derung im letzten Jahr gleichwohl mitgetragen, weilnur so eine Anhebung des Beitragssatzes zur Renten-versicherung im Jahr 2006 auf 20 % vermieden wer-den konnte.

Die Erfahrungen der letzten Monate belegen, dassdie Befürchtungen hinsichtlich des zu erwartendenbürokratischen Mehraufwands berechtigt waren.Hinzu kommen programmierte Streitigkeiten hin-sichtlich der richtigen Ermittlung der voraussicht-lichen Beitragsschuld zwischen den Arbeitgebernund der Betriebsprüfung der Rentenversicherungund das permanente Risiko, dass die erforderlichenMittel nicht rechtzeitig bei der Rentenversicherungvorliegen.

Um diese Probleme zu lösen, hat die Landesregie-rung von Nordrhein-Westfalen einen Vorschlag ent-wickelt und mit dem vorliegenden Antrag als Prüf-bitte an die Bundesregierung in den Bundesrateingebracht. Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat beschlossen, dem Antrag beizutre-ten.

Wie man einer Pressemitteilung des Bundesminis-teriums für Arbeit und Soziales entnehmen kann,sieht inzwischen auch die Bundesregierung die Not-wendigkeit einer Verwaltungsvereinfachung. ImWirtschaftsausschuss des Bundestages wurde einentsprechender Änderungsantrag beschlossen. Ichdenke, das ist ein gutes Beispiel für die Vorteile unse-res föderalen Systems, in dem ein Wettbewerb zwi-schen Bund und Ländern um die besten Ideen undLösungen geführt wird.

Mit unserem Vorschlag lassen sich die von mir ge-nannten Probleme lösen: Die Arbeitgeber können aufAntrag das Beitragszahlverfahren umstellen und ein-malig zum 15. des ersten Monats einen Sonder-Gesamtsozialversicherungsbeitrag in Höhe von ei-nem Zwölftel des letzten Jahresbeitrages zahlen.Vom nächsten Abrechnungsmonat an ist der Beitragentsprechend dem früheren, bis Ende 2005 geltendenRecht zu zahlen, also spätestens am 15. des Folgemo-

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nats. Nachträgliche Abrechnungen entfallen. Bei Be-endigung der Betriebstätigkeit oder bei Rückkehr zudem heute geltenden Verfahren der Vorausschätzungist der einmalige Sonder-Gesamtsozialversicherungs-beitrag mit dem letzten zu zahlenden Beitrag zu ver-rechnen.

Die im Bundestag diskutierte Änderung auf Vor-schlag des Bundessozialministeriums sieht dagegen– wie ich es verstanden habe – lediglich eine Verein-fachung der Vorausschätzung vor. Der bürokratischeMehraufwand einer Verrechnung im Folgemonat so-wie die Liquiditätsrisiken der Rentenversicherungwerden damit nicht beseitigt.

Daher bin ich der Auffassung, dass unser Antragbesser geeignet ist, die aufgezeigten Probleme zu lö-sen. Ich bitte Sie, den vorliegenden Antrag der Lan-desregierungen von Nordrhein-Westfalen undBaden-Württemberg zu unterstützen, damit er alter-nativ zu den Überlegungen im Bundestag geprüftwird.

Anlage 16

Erklärung

von Minister Michael Breuer(Nordrhein-Westfalen)

zu Punkt 13 der Tagesordnung

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen unter-stützt grundsätzlich die familienpolitische Zielset-zung, Paaren die Familiengründung zu erleichternund die Entscheidung für mehr Kinder zu fördern. Siehält verfassungsrechtliche Zweifel an der Vereinbar-keit der so genannten Partnermonate mit dem Eltern-recht aus Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz aller-dings noch nicht für restlos ausgeräumt, so dass eineweitere Prüfung der vorgesehenen Regelungen aufihre Verfassungsfestigkeit durch die Bundesregie-rung empfohlen wird. Zugleich unterstreicht die Lan-desregierung ihre Auffassung, dass im Hinblick aufden vorgesehenen Einsatz erheblicher Steuermittelsoziale Unausgewogenheiten zu vermeiden sind. Indiesem Sinne sollten deshalb die Auswirkungen derRegelungen auf einkommensschwache Familiennoch einmal überprüft werden.

Anlage 17

Erklärung

von Staatsministerin Dr. Beate Merk(Bayern)

zu Punkt 24 der Tagesordnung

Für Frau Staatsministerin Emilia Müller gebe ichfolgende Erklärung zu Protokoll:

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Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006 257*

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)Die Bayerische Staatsregierung arbeitet seit vielen

Jahren in gemeinsamen Kommissionen mit den Re-gierungen Rumäniens und Bulgariens zusammen.Wir haben den Beitrittswunsch dieser Staaten aktivunterstützt, insbesondere durch Hilfestellungen fürdiese Länder bei der Entwicklung einer funktionie-renden Verwaltung. Deshalb freuen wir uns, dassdieser Prozess mit den vorliegenden Verträgen einenentscheidenden Schritt nach vorne kommt.

Beide Länder haben beachtliche, große Fort-schritte erzielt, die in dem Monitoring-Bericht derKornmission anerkannt werden. Gleichzeitig be-nennt die Kommission aber deutlich und zu Recht dienoch verbleibenden Defizite. Durch die bedingteEmpfehlung der Kommission wird beiden Staateneine Beitrittsperspektive zum 1. Januar 2007 eröffnet,der Druck zur Beseitigung bestehender Defizite undzur konsequenten Umsetzung notwendiger Reformenjedoch weiter aufrechterhalten. Wir hoffen auf größteAnstrengungen von Seiten Bulgariens und Rumäni-ens. Zugleich müssen wir aber wissen, was zu tun ist,wenn Defizite bei der Erreichung unverzichtbarereuropäischer Standards und Grundregeln bis zumHerbst nicht vollständig beseitigt werden.

Für Bayern kommt es nun darauf an, sicherzustel-len, dass sich solche Defizite der Beitrittskandidatennicht nachteilig auf die Mitgliedstaaten und dieRechtsgemeinschaft der EU auswirken. Deshalb hal-ten wir die konsequente Anwendung der im Beitritts-vertrag vorgesehenen Übergangs- und Schutzbe-stimmungen für unumgänglich. Ich denke hier nebenden ohnehin bestehenden Übergangsbestimmungenim Bereich Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienst-leistungsfreiheit vor allem an die Möglichkeit, Rechtein den Bereichen Binnenmarkt, Justiz und Inneres so-wie Strukturfonds und Direktzahlungen auszusetzen.

Lassen Sie mich folgende Beispiele nennen:

Sofern Rumänien die nach dem EU-Rechtsrahmenfür die Mehrwertsteuer und die Verbrauchssteuernerforderlichen EDV-Systeme nicht rechtzeitig ein-richten sollte, kann die Kommission nach Artikel 37Maßnahmen ergreifen, damit die Steuerkontrollenzwischen Rumänien und der übrigen EU fortgesetztwerden können.

Ebenfalls auf Grund von Artikel 37 könnten Aus-zahlungen von EU-Mitteln an Bulgarien und Rumä-nien ausgesetzt werden, solange kein integriertesVerwaltungs- und Kontrollsystem für die Landwirt-schaft (InVeKoS) eingerichtet ist.

Ohne entsprechende Schutzmaßnahmen drohenVerwaltungsprobleme und Missbrauch. Wir wissen,dass dies die Akzeptanz der Bürger für die EU wieauch für diese Beitritte nachhaltig beschädigenwürde. Wir fordern deshalb die Kommission auf, inallen Bereichen, in denen sich eine entsprechendeNotwendigkeit abzeichnet, die rechtlich vorgesehe-nen Schutzmaßnahmen in enger Abstimmung mitden Mitgliedstaaten zu erlassen.

Keine Alternative zu diesen Maßnahmen wäre inmeinen Augen eine Verzögerung des Ratifikations-

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verfahrens in Deutschland. Dies würde die nach demBeitrittsvertrag erforderliche Hinterlegung der Ratifi-kationsurkunde bis zum 31. Dezember 2006 in Fragestellen. Die bisherigen Zeitplanungen müssen einge-halten werden.

Hinweisen will ich allerdings auf den für Oktober2006 angekündigten Bericht der Kommission überdie Fortschritte Rumäniens und Bulgariens bei derErfüllung der Beitrittsvoraussetzungen. Der Berichtwird eine Beurteilung der Fortschritte beider Länderbei der Behebung der noch bestehenden Defizite unddie erforderlichen Schutzmaßnahmen enthalten.Bundestag und Bundesrat sollten deshalb erst nachVorlage des Fortschrittsberichts abschließend überdie deutsche Ratifizierung entscheiden.

Ich erlaube mir, die Vertreter der Bundesregierungauf ein Problem hinzuweisen, das auch die Aus-schussempfehlungen zu dem vorliegenden Gesetz-entwurf unterstreichen.

Die Bundesregierung verletzt mit der Vorlage desEntwurfs des Ratifizierungsgesetzes als Einspruchs-gesetz Beteiligungsrechte des Bundesrates. DasGrundgesetz bestimmt, dass ein Ratifizierungsgesetzals Zustimmungsgesetz vorzulegen ist, über das mitverfassungsändernder Zweidrittelmehrheit zu ent-scheiden ist, wenn dadurch die vertraglichen Grund-lagen der EU geändert werden. Genau darum geht esdoch bei einem Beitritt: Die Zusammensetzung desRates und damit das Stimmgewicht Deutschlands inder EU ändern sich. Die Zusammensetzung der Kom-mission ändert sich. Die Zusammensetzung des Euro-päischen Parlamentes und damit die dortigen Mehr-heitsverhältnisse ändern sich.

Wir stellen fest: Das Ratifizierungsgesetz bedarfder Zustimmung des Bundesrates mit Zweidrittel-mehrheit. Ich fordere deshalb die Bundesregierungauf, Vorlagen zur Ratifizierung von Beitrittsverträgenin der verfassungsmäßig vorgesehenen Form vorzu-legen. Bei künftigen Beitritten kann dieser Frage er-hebliche Bedeutung zukommen.

Anlage 18

Erklärung

von Staatsminister Hermann Winkler(Sachsen)

zu Punkt 24 der Tagesordnung

Der Bundesrat nimmt heute im ersten DurchgangStellung zum Entwurf des Ratifikationsgesetzes zumVertrag über den Beitritt Rumäniens und Bulgarienszur EU. Eine abschließende Entscheidung des Bun-desrates zu dem Gesetzentwurf ist derzeit nicht an-gezeigt. Eine Entscheidung soll – wie auch im Bun-destag geplant – erst nach Vorlage des nächstenBerichts der Kommission zum Stand der Vorbereitun-gen dieser Staaten Ende September bzw. Anfang Ok-tober erfolgen.

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258* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

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)Die vorliegende Stellungnahme des Bundesrates

greift diesen Sachstand kritisch auf. Nach den ak-tuellen Berichten der Kommission vom Mai diesesJahres bestehen weiterhin erhebliche Defizite bei derVorbereitung auf den Beitritt sowohl in Rumänien alsauch in Bulgarien. Dies gilt für wichtige Bereiche wiedie Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Wirksam-keit der Justiz sowie für den Kampf gegen organi-sierte Kriminalität und Korruption. Weiterhin beste-hen erhebliche Defizite bei der Vorbereitung derLandwirtschaftsverwaltung und der Verwaltung vonEU-Mitteln.

Wir alle wissen, dass eine grundlegende Verbesse-rung des Vorbereitungsstandes beider Staaten, dienicht nur die Harmonisierung der gesetzlichenGrundlagen, sondern auch die Verbesserung derVerwaltungspraxis betrifft, in den verbleibenden vierMonaten fast unmöglich ist. Wir wissen auch, dasseine Verschiebung des Beitritts um ein Jahr, wie sieder Beitrittsvertrag bei Defiziten grundsätzlich er-möglichen würde, so gut wie ausgeschlossen ist. Einesolche Entscheidung müsste von den Mitgliedstaateneinstimmig getroffen werden. Einzelne Staaten ha-ben bereits angekündigt, dass sie einem solchen Vor-gehen nicht zustimmen würden. Jedoch selbst bei ei-ner Verschiebung um ein Jahr hätte die EU am Endedieser Frist keine Handhabe, wenn auch dann nochDefizite im Vorbereitungsstand bestünden. Der Bei-tritt zum l. Januar 2008 müsste, wie vertraglich zuge-sagt, erfolgen.

Ich bin der Ansicht, dass der Abschluss des Vertra-ges und die Nennung eines festen Beitrittsterminsbereits im April 2005 ein Fehler war. Zu diesem Zeit-punkt waren die gravierenden Defizite des Vorberei-tungsstandes beider Staaten bekannt. Ich verweiseauf die Monitoring-Berichte der Kommission vomOktober 2004, in denen alle kritischen Bereiche be-nannt wurden und in denen es zu einem Staat heißt:„Die Korruption ist (...) weiterhin ein ernstes Problemund weit verbreitet.“

Durch den Abschluss des Vertrages zu diesem frü-hen Zeitpunkt wurden Fakten geschaffen, die dieDurchsetzung der von der EU aufgestellten Kriterienextrem erschwert haben, da ein Beitritt zur Union inletzter Konsequenz auch ohne Erfüllung dieser Be-dingungen ermöglicht wurde. Verstehen Sie michnicht falsch: Rumänien und Bulgarien gehören zurEuropäischen Union, und der Vorbereitungsprozessbeider Länder, der mit großen politischen, sozialenund wirtschaftlichen Veränderungen verbunden ist,verdient allen Respekt. Wenn man sich aber für be-stimmte Beitrittskriterien entschieden hat, sollte mandiese ernst nehmen und auf ihrer Erfüllung als Vo-raussetzung für den Beitritt beharren. Tut man diesnicht, so gefährdet man die Glaubwürdigkeit derUnion nach innen bei ihren Bürgern sowie nach au-ßen bei den Beitrittsstaaten.

Vor diesem Hintergrund sollte sich die Europäi-sche Kommission im Hinblick auf ihre für Ende Sep-tember angekündigte Empfehlung zu Rumänien undBulgarien ernsthaft Gedanken über die Anwendungder im Beitrittsvertrag enthaltenen Schutzklauselnfür die Bereiche Binnenmarkt sowie Justiz und Inne-

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res machen. Wenn im Herbst noch Defizite bestehen,könnte allein durch die Anwendung dieser Instru-mente ein Signal gesetzt werden, dass die Union esmit der Erfüllung der Kriterien ernst meint. Für dieZukunft sollte hieraus die Lehre gezogen werden,dass die umfassende Beitrittsreife eines Staates fürdie Aufnahme in die EU vor Festlegung eines kon-kreten Zeitpunktes gegeben sein sollte.

Die Vorgänge um den Beitritt von Rumänien undBulgarien zur Europäischen Union zeigen beispiel-haft den Reform- bzw. Diskussionsbedarf im Hinblickauf eine Erweiterungsstrategie der EuropäischenUnion. Die Auseinandersetzung mit einer eventuel-len weiteren Vergrößerung der Union darf sich nichtdarin erschöpfen, den sicher wichtigen EU-Verfas-sungsprozess erneut zu beleben, um die europäi-schen Institutionen „aufnahmefähig“ zu machen. Siemuss auch Antworten auf die Frage geben, wer auswelchen Gründen zur EU gehören soll, was die Vor-und Nachteile sind und welche Folgen für Gesell-schaft, Wirtschaft und Politik zu erwarten sind. Ichvermisse konkrete Antworten auf diese Fragen. InDeutschland besteht eine wachsende Skepsis derBürger gegenüber der EU, und Umfragen belegeneine mangelnde Unterstützung der Fortsetzung desErweiterungsprozesses gegenüber den Staaten deswestlichen Balkans, gegenüber der Türkei oder ge-genüber der Ukraine.

Der Europäische Rat hat am 15./16. Juni 2006 be-kräftigt, dass sich die Union verstärkt mit diesemThema befassen muss. Im Herbst wird die Kommis-sion einen Sonderbericht zur Erweiterungsstrategieder Union mit Schwerpunkt auf alle Aspekte im Zu-sammenhang mit der Aufnahmefähigkeit der Unionvorlegen. Ich denke, dass dieser Schritt überfällig ist,und hoffe, dass aus dieser Analyse Konsequenzengezogen werden.

Anlage 19

Erklärung

von Minister Prof. Dr. Wolfgang Reinhart(Baden-Württemberg)

zu Punkt 42 der Tagesordnung

Für Herrn Minister Peter Hauk gebe ich folgendeErklärung zu Protokoll:

Die Aviäre Influenza hat seit ihrem Auftreten aufRügen wie kaum eine andere Seuche die Diskussionin der Bevölkerung, der Wissenschaft und der Politikbeherrscht. Sie traf Europa in der Form der Wild-vogelseuche nicht unvorbereitet. Gleichwohl warendie gesetzlichen Maßnahmen am Anfang sehr auf dieHausgeflügelpopulation zugeschnitten.

Schritt für Schritt haben wir uns, gestützt auf wis-senschaftliche Erkenntnisse, mit der Wildvogelseu-che „Geflügelpest“ auseinander gesetzt. Eines stehtfest: Es besteht noch großer Forschungsbedarf. Ich

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)begrüße es daher, dass die Bundesregierung dieseForschungen unterstützt.

Auch wir in Baden-Württemberg wollen flankie-rend helfen. Mit dem Bodensee haben wir ein inter-nationales Gewässer, an dem neben dem FreistaatBayern auch das EU-Mitgliedsland Österreich unddas Drittland Schweiz liegen. Mit dem Forschungs-projekt „Constanze“, an dem sich alle Bodensee-anrainer beteiligen wollen, runden wir im Süden un-sere Aktivitäten ab.

Zu diesem Zeitpunkt legt die Bundesregierung dieÄnderung der Geflügel-Aufstallungsverordnung vor,mit dem Ziel, die Aufstauung des Hausgeflügels zuperpetuieren. Das passt nicht zusammen. Ein solcherSchritt ist erst dann angebracht, wenn wir über dieweitere Entwicklung des Seuchengeschehens unddie Konsequenzen, die wir daraus ziehen müssen,mehr Klarheit haben.

Es gilt noch viele Fragestellungen zu bearbeiten.Ich habe deshalb Verständnis, wenn die Bundeslän-der das von der Bundesregierung auf unbestimmteZeit beabsichtigte Aufstallungsgebot zunächst biszum 28. Februar 2007 befristet sehen wollen. Baden-Württemberg unterstützt diese Linie.

Wir sehen darüber hinaus die Notwendigkeit,dann erneut alle vorliegenden Erkenntnisse auszu-werten und weitere Maßnahmen sorgfältig abzu-wägen. Dies sage ich auch mit Blick auf unsereheimischen geflügelhaltenden Betriebe und die Ge-flügelzüchter.

Mir ist die öffentliche Diskussion sehr wohl be-kannt. Die Sorgen der Bevölkerung sind vollkommenverständlich. Dennoch muss immer wieder daraufhingewiesen werden: Die Vogelgrippe ist zunächsteine Tierseuche. Wir sollten daher mit Augenmaßvorgehen und nicht verfrüht Maßnahmen ergreifen,über deren Notwendigkeit wir zum jetzigen Zeit-punkt nicht ausreichend fundiert entscheiden kön-nen.

Anlage 20

Erklärung

von Staatsminister Prof. Dr. Ingolf Deubel(Rheinland-Pfalz)

zu Punkt 42 der Tagesordnung

Auf Grund der Tatsache, dass seit Anfang Mai2006 in Deutschland kein Fall von Geflügelpest mehraufgetreten ist und sich die bundesweit festgelegtenRisikogebiete auf deutlich weniger als 50 % der Lan-desfläche erstrecken, sollte der Grundsatz der Auf-stallungspflicht – mit Ausnahmemöglichkeiten – vomGrundsatz der Freilandhaltung – mit Aufstallungs-pflicht in Risikogebieten – abgelöst werden.

Rheinland-Pfalz stimmt der Verordnung dennochzu, da sie nunmehr bis Ende Februar 2007 befristetwerden soll. Es wird davon ausgegangen, dass bis zu

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diesem Zeitpunkt konkrete Vorschläge der von derLänderarbeitsgemeinschaft Gesundheitlicher Ver-braucherschutz (LAGV) gebildeten Länderarbeits-gruppe vorliegen, welche Regelungen langfristig be-stehen bleiben müssen, um einerseits ausreichendenSeuchenschutz zu gewährleisten, andererseits aberallen Sparten der Geflügelhaltung zukünftig einewirtschaftliche Existenz zu ermöglichen.

Anlage 21

Erklärung

von Ministerin Tanja Gönner(Baden-Württemberg)

zu Punkt 50 der Tagesordnung

Ich freue mich, dass die Empfehlungen des Um-weltausschusses die dringend notwendigen Ergän-zungen zur Vorlage des Bundes enthalten:

Erstens. Wir bringen die Nutzung des Energie-potenzials von Abfällen voran. Auf Grund des einge-führten Heizwertkriteriums dürfen Abfälle mit ent-sprechendem Energieinhalt nicht mehr abgelagertwerden.

Zweitens. Abfälle aus großen Schadensereignis-sen, z. B. Hochwasser und Großbrand, können künf-tig unbürokratisch und schnell entsorgt werden. Eineentsprechende Ausnahmeregelung verschafft Ver-waltung und Wirtschaft die notwendige Flexibilität.

Drittens. Wir schaffen Rechtssicherheit für die De-poniebetreiber: Bei den so genannten grenzwertigenAbfällen führen wir quantitative Vorgaben für dieZulässigkeit einer Abweichung von den Kriterien derAbfallablagerungsverordnung ein.

Viertens. Wir nutzen den hohen Ausbaustandardunserer Deponien: Wir heben die Zuordnungswertefür Sonderabfalldeponien auf EU-Niveau an. So ver-bessern wir die internationale Wettbewerbsfähigkeitunserer Wirtschaft.

Bei der Harmonisierung der deutschen Vorschrif-ten mit den europäischen Vorgaben hätte ich mirmehr Mut zu Veränderung gewünscht – getreu nachdem Motto: Darf's etwas mehr sein? Konkretes Bei-spiel: Es liegen Empfehlungen zur Abstimmung vor,wonach künftig Abfälle auf einer Deponie für Inert-stoffe verwertet werden können, obwohl die gleichenAbfälle dort nicht mehr beseitigt werden dürfen. Ichfinde, dass wir uns derartige Unstimmigkeiten zuLasten der Umwelt, unserer Wirtschaft und auch derentsorgungspflichtigen Körperschaften nicht leistensollten.

Das Deponierecht geht – hoffentlich in absehbarerZeit – in eine zweite Runde. Deshalb möchte ich andieser Stelle den mehrfach an die Bundesregierunggerichteten Appell, das Deponierecht zusammenzu-fassen, nochmals aufgreifen. Das Schlüsselwort heißt„integrierte Deponieverordnung“. Seit längerem an-gekündigt, warten wir auf die Vorschläge des Bun-

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260* Bundesrat – 824. Sitzung – 7. Juli 2006

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)des. Ich bin überzeugt, dass Sie mir darin beipflich-ten, dass wir – die Länder – frühzeitig Gelegenheitbekommen müssen, unsere Vorschläge einzubringen.Die Vorstellung von einer schlanken, dennoch aus-reichend konkreten und vollzugstauglichen Verord-nung muss Realität werden.

Eine Empfehlung des Umweltausschusses stößtbei uns auf Widerspruch. Es geht um die Anhebungvon Grenzwerten für mechanisch-biologisch behan-delte Abfälle. Diese Grenzwerte wurden seinerzeitauf der Basis wissenschaftlicher Untersuchungen sofestgelegt, dass ähnlich günstige abwasser- und ab-luftseitige Emissionsfrachten wie bei der Ablagerungvon thermisch behandelten Abfällen gewährleistetwerden können. Jetzt werden flugs die Werte an-gehoben, nur weil es Probleme mit der Einhaltungeinzelner Grenzwerte gibt, deren Erreichbarkeit manzuvor vollmundig versprochen hat.

Mir ist bewusst, dass wir Entsorgungssicherheitbrauchen. Mir ist auch bekannt, dass derzeit diemeisten mechanisch-biologischen Behandlungsanla-gen noch Probleme haben, die Zuordnungswerte desAnhangs 2 der Abfallablagerungsverordnung einzu-halten. Die Mehrheit des Umweltausschusses emp-fiehlt die Anhebung der Zuordnungswerte. Das isteine Lösung. Aber: Baden-Württemberg plädiert für

(eine auf drei Jahre befristete Lösung. Dann hättendie Anlagenbetreiber ihre Betriebe optimieren undan den technischen Fortschritt anpassen können. Dienotwendige Entsorgungssicherheit wäre gewährleis-tet.

Ich bedauere es sehr, dass unser Antrag keineMehrheit gefunden hat. Wir werden unser Anliegenbei der integrierten Deponieverordnung weiterver-folgen. Lediglich den Wünschen der Anlagenbetrei-ber zu folgen ist ein gefährliches Signal. Aufwei-chungstendenzen des mit dem 1. Juni 2005eingeleiteten Paradigmenwechsels dürfen wir keinenVorschub leisten.

Sie mögen sich fragen, warum wir über ca. 70 Än-derungsanträge abstimmen sollen, obwohl die Zeitfür eine integrierte Deponieverordnung überreif ist.Meine Antwort: Bis die integrierte Verordnungkommt, brauchen wir im Interesse einer zukunfts-fähigen Abfallwirtschaft ein EU-konformes und praxis-taugliches Deponierecht.

Ich bitte Sie, für die vorliegende Empfehlung desUmweltausschusses zu votieren. Der Ausschuss emp-fiehlt viele Verbesserungen und Handlungsoptionen.So setzen wir auch ein Signal für die künftige inte-grierte Deponieverordnung.

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