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Politik in der Krise Klaus Armingeon Universität Bern Vortrag Universität Konstanz 3. Juli 2013

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Politik in der Krise

Klaus ArmingeonUniversität BernVortrag Universität Konstanz3. Juli 2013

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Fragestellung und Struktur

> Funktionale Notwendigkeiten versus der Anspruch der demokratischen Gestaltung in der grossen Rezession:

Wann und wie macht Politik einen Unterschied?

These: Konditionale Gestaltungskraft der Politik die weit hinter dem zurückbleibt, was demokratietheoretisch geboten ist.

Bericht über Ergebnisse verschiedener Forschungsvorhaben. Gemeinsamkeit: n > 20, quantitativ und qualitativ

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Berichte

> Institutionen und das keynesianische Strohfeuer> Die zweite Phase: Austerity is the only game in town> Politische Parteien und die Implementierung von Austerität> Was Märkte mögen> Wie Bürgerinnen und Bürger reagieren

— Der Vertrauensverlust in die EU— Der Entzug der Unterstützung für die nationale Demokratie

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Institutionen und das keynesiansche Strohfeuer

> Weshalb entscheiden sich einige Regierungen für massive antizyklische Politik; andere für eine moderate Ausgabensteigerung und andere für harte Austerität?

> Analyse der Ausgabenprogramme, der Defizitveränderungen.

> Spanien versus Deutschland versus baltische Länder.

> Kein linearer/kein starker linearer Zusammenhang mit Schuldenstand, Defiziten, automatischen Stabilisatoren, Regierungszusammensetzung.

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Institutionen und das keynesiansche Strohfeuer

> Die Default-Strategie in vernetzten Volkswirtschaften auf der Basis der Erfahrungen mit keynesianischer Politik: Aktivitätsnachweis (z.B. Verschrottungsprämie) plus Vermeidung eines starken Engagements.

> Die Austeritätsstrategie wurde gewählt, wenn es keine andere politisch aussichtsreiche Option gab (IMF Auflage, prioritäre Ziel des Euro-Beitritts).

> Die keynesianische Strategie setzte einen fiskalischen Spielraum voraus und die Fähigkeit, schnell ein Stimulierungsprogramm zu entwickeln und umzusetzen: ‚unified governments‘ (in der Regel ein-Parteien-Regierungen).

> Erschienen in Governance 2012.

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Die zweite Phase: Austerity is the only game in town

> Die critical juncture/ punctuated equilibrium These:> ‚You never want a serious crisis to go to waste...Things that

we have postponed too long, that were long-term, are now immediate and must be dealt with. This crisis provides the opportunity for us to do things that you could not do before.’ (Wall Street Journal, Nov. 21, 2008 )

> Gourevitch: Die Krise destabilisiert die alten Koalitionen, erlaubt neuen Koalitionen und neue Politiken.

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Die zweite Phase: Austerity is the only game in town

> n = 35> Wird die Krise zur grossen Reform genutzt. Wird mit der

Vergangenheit gebrochen (Gourevitch)?> Rentenreformen (Modernisierung/Umbau): Nicht mehr als vor

der Krise (fRDB).> Aktive Arbeitsmarktpolitik: Keine einschneidende Aenderungen

(fRDB und OECD).> OECD Empfehlungen (new risk) Strukturreformen: Keine

Aenderungen (OECD).> Keine grosse Reformen (Bertelsmann Index).> Länderberichte (EJPR- Data Yearbook): Keine grossen

Reformen.> Was ändert sich: Die Stärkung rechtspopulistischer Parteien.

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Die zweite Phase: Austerity is the only game in town

> Wie können wir das erklären – die Gourevitch-Voraussetzungen sind nicht gegeben:

> Keine neuen Koalitionen> Keine neuen Ideen> Keine Krise der bestehenden Ordnung: Der Wohlfahrtsstaat

als ‚Reformverhinderer‘> Kein fiskalischer Handlungsspielraum unter Bedingungen der

Kapitalmobilität und der Euro-Integration

> (erscheint in Castles et al. Welfare State Reader, 2012, Armingeon ed. 2012: Festschrift Schmidt)

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Politische Parteien und die Implementierung von Austerität

> Wenn schon Sparpolitiken nicht zu vermeiden sind, machen dann politische Parteien einen Unterschied bei der Ausgestaltung dieser Sparpolitiken. Sind die linken Parteien eher moderater?

> Design und Daten— IMF Fiscal Monitor, 4 Ausgaben, strukturelles Defizit/Ausgaben.— Historische Defizite/Ausgaben (drei vorhergehende Daten).— Geplante Defizite/Ausgaben (dieses und die zwei folgenden

Jahre)— Differenz zwischen geplanten und historischen

Defiziten(Ausgaben— TSCS , FE (Fiscal Monitor)

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Politische Parteien und die Implementierung von Austerität

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Politische Parteien und die Implementierung von Austerität

> Modell 1 und 2: Zinssätze sind hervorragende Prädiktoren der geplanten Defizite und Ausgaben: Je höher die Zinsen auf die Staatsschulden, desto schärfer die geplante Sparpolitik.

> Parteien machen keinen Unterschied.

> Aber vielleicht ein Interaktionseffekt: Bei niedrigeren Zinsen gibt es einen Spielraum, den Parteien nutzen können?

> Antwort Modell 3 und 5: In Bezug auf Defizite gibt es diesen signifikanten Interaktionseffekt nicht.

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Politische Parteien und die Implementierung von Austerität

> Modelle 4 und 6: Bei den Ausgaben gibt es einen Interaktionseffekt: Wenn die Zinssätze niedrig sind, dann planen die linken Parteien, Ausgaben weniger zu kürzen, als rechte Parteien.

> Hollande versus Cameron

> Das bedeutet substanziell: Da es bei den Defizite (Ausgaben und Einnahmen) KEINEN Parteieneffekt gibt, heisst das, dass linke Parteien in der Austeritätspolitik eher auf mehr Steuerbelastung und rechte Parteien eher auf mehr Ausgabenkürzung setzten.

> .

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Politische Parteien und die Implementierung von Austerität

> Diese Effekte sind nur bei geringen Zinssätzen signifikant; bei mittleren bis höheren Zinssätzen verwischen sich die parteipolitischen Unterschiede.

> Ähnliche vorläufige Befunde aus einer historischen Analyse von grossen Austeritätsprogrammen und Einkommensungleichheiten (ECM) (zusammen mit Kai Guthmann und David Weisstanner).

> Versionen erscheinen in Castles (ed.) Welfare State Reader 2012 und Armingeon (ed.) Festschrift Schmidt.

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Was Märkte mögen

> Märkte reagieren auf die Leistungen von Regierungen (Wachstum, Schulden, Defizite) und berechnen entsprechend die Zinsen, die sie auf Staatsschulden erheben. Diese Zinssätze sind zentrale Prädiktoren der Sparpolitiken.

> Ein demokratietheoretischer Trost?> 1960-2011, alle Demokratien. CPDS.> Ergebnis 1: Die objektiven ökonomischen Daten erklären

schlecht den Zinssatz.> Ergebnis 2: Auch NACH KONTROLLE von objektiven

Wirtschafts- und Fiskaldaten bleibt eine ideologische Prämie: Streik, stabile Regierung, schlanker Staat, Rückbau Wohlfahrtsstaat und –sehr schwach – rechte/liberale Regierungen.

> (erscheint in Armingeon ed. Festschrift Schmidt)

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Wie Bürgerinnen und Bürger reagieren

> Die Troika oder die internationalen Finanzmärkte hebeln in einigen Ländern die Demokratie aus und in anderen Ländern schränken die Finanzmärkte den Spielraum der demokratischen Politik ein.

> Schreiben die Bürgerinnen und Bürger diesen Verlust den internationalen Organisationen zu?

> Entziehen sie den nationalen Demokratie die Unterstützung?

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Der Vertrauensverlust in die EU

> Eurobarometer, 2007 ff. Cross-classified MLM> Es gibt tatsächlich einen EU-Effekt: Wenn die Troika im Land war,

sinken (auch nach Kontrolle der ökonomischen Strukturvariablen) die Vertrauenswerte.

> Aber mindestens ebenso wichtig ist ein anderer Mechanismus:— Die EU ist nichts anderes als die Verlängerung der nationalen Regierung.

Je mehr ich meiner nationalen Regierung vertraue, desto mehr vertraue ich der EU. Der Kern ist die Wahrnehmung der nationalen Politik und Ökonomie.

> Wichtiger Beleg: Nationaler Regierungswechsel - mehr Vertrauen in die nationale Regierung; aber auch: Nationaler Regierungswechsel – mehr Vertrauen in die EU!

> Zusammen mit Besir Ceka. Erscheint in EUP

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Die Erosion der Unterstützung für die nationale Demokratie

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Die Erosion der Unterstützung der nationalen Demokratie

> Eurobarometer 2007-2011> TSCS und cross classified MLM> Zwei Frames

— National— International

> Das nationale Frame ist sehr wichtig und im Zentrum ist die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage.

> Zusammen mit Kai Guthmann. Derzeit im R & R

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Schluss

> Das demokratische Problem:

> Dem demokratischen Nationalstaat geht die Gestaltungskapazität verloren.

> Die Bürgerinnen und Bürger denken im nationalstaatlichen Rahmen und machen den Nationalstaat dafür verantwortlich, was die EU und die internationalen Finanzmärkte verursachen.

> Die EU zieht zunehmend Politikbereiche an sich und muss sie an sich ziehen; aber sie hat dafür weder die demokratische Legitimation noch die demokratische Kontrolle.

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