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Polizeiruf 110: Söhne Rostocks DasErste.de 19. JANUAR 2020 20:15 UHR

Polizeiruf 110: Söhne Rostocks - Norddeutscher Rundfunk · Inhalt In Sascha Bukows Armen stirbt der 36-jährige Frank Fischer – und der aufstrebende Rostocker Jungunternehmer Michael

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Polizeiruf 110: Söhne Rostocks

DasErste.de

19. JANUAR 202020:15 UHR

Page 2: Polizeiruf 110: Söhne Rostocks - Norddeutscher Rundfunk · Inhalt In Sascha Bukows Armen stirbt der 36-jährige Frank Fischer – und der aufstrebende Rostocker Jungunternehmer Michael

InhaltIn Sascha Bukows Armen stirbt der 36-jährige Frank Fischer

– und der aufstrebende Rostocker Jungunternehmer Michael Norden, der das mit ansieht, flieht. Bald finden sich Hinweise, dass Norden sich irgendwo in Rostock versteckt hält und etwas mit der Sache zu tun hat. König und Bukow treffen sich mit Nordens Jugendliebe Beate, einer Allein-erziehenden, der ihr halbwüchsiger Sohn Jon über den Kopf wächst. Doch sie weiß nach eigener Aussage ebenso wenig über den Verbleib Nordens wie dessen Geliebte Alex. Die einzige Info: Norden und Fischer waren Schulfreunde. Es wird noch ein langer Tag vergehen, bis klar ist, was wirklich hinter dem Mord an Frank Fischer steckt.

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Inhalt 3

Anneke Kim Sarnau ist Katrin König 7Gespräch 8

Charly Hübner ist Alexander Bukow 11Gespräch 12

Tilman Strauß ist Michael Norden 14Statement 15

Oskar Belton ist Jon Hövermann 16Statement 17

Katharina Behrens ist Beate Hövermann 18Statement 19

Markus Busch (Drehbuch) Kurzbiographie 20Gespräch 21

Christian von Castelberg (Regie) Kurzbiographie 24Gespräch 25

Impressum / Pressekontakt 28

„Polizeiruf 110 – Söhne Rostocks“ auch als Audio-Podcast in der ARD Audiothek! Begleitend zum Krimi gibt es die neue Rostocker Folge auch als Hörfassung – z. B. für unterwegs. Mit den Origi-nal-Stimmen aller Schauspielerinnen und Schauspieler sowie einer Erzählstimme, die durch die Handlung der Geschichte führt, wird aus dem Fernsehkrimi auch ein Hörgenuss. Die 90-minütige Hörfilmfassung wird voraus-sichtlich ab Freitag, 17. Januar 2020, in der ARD Audiothek zum Streaming und Download bereitstehen. Neben dem Rostocker «Polizeiruf 110» sind für Pod-cast-Fans ebenfalls die NDR „Tatorte“ mit Maria

Furtwängler und Florence Kasumba, Til Schweiger und Fahri Yadim, Axel Milberg und Almila Bagriacik sowie Wotan Wilke Möhring und Franziska Weisz begleitend zur Erstausstrahlung im Fernsehen zu hören. Aktuell bzw. in Kürze sind entsprechend die Podcasts zum „Polizeiruf 110: Dunkler Zwilling“, „Tatort: Querschläger“ und „Tatort: Tschill out“ in der ARD Audiothek abrufbar.

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Der „Polizeiruf 110: Söhne Rostocks“ ist eine Produktion der Filmpool fiction GmbH im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks für Das Erste.

StabRegie Christian von Castelberg Buch Markus BuschKamera Martin FarkasSchnitt Dagmar LichiusKostümbild Susanne WittMaskenbild Jeanette Kellermann Nina HeppelmannCasting Mai Seck Szenenbild Sonja StrömerMusik Eckart GadowTon Thorsten SchröderProduktionsleitung Matthias Mann Jens Michael Stabenow (NDR)Produzentin Iris KieferProducerin Ilka FörsterRedaktion Daniela Mussgiller (NDR)

ProduktionsangabenDrehzeit 19.02.19 – 20.03.19Drehorte Rostock und Hamburg Länge 88′18′′

BesetzungKatrin König Anneke Kim SarnauAlexander Bukow Charly Hübner Anton Pöschel Andreas GuentherVolker Thiesler Josef HeynertHenning Röder Uwe PreussMichael Norden Tilman StraußJon Hövermann Oskar BeltonBeate Hövermann Katharina BehrensStefan Larges Germain Wagneru. v. m.

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Anneke Kim Sarnauist Katrin König

Nach ihrem Studium an der Stuttgarter Hoch-schule für Musik und Darstellende Kunst ging Anneke Kim Sarnau zunächst ans Theater (u. a. Burgtheater in Wien, Schauspielhaus Hamburg). Unter der Regie von Stefan Krohmer drehte sie die Filme „Barracuda Dancing“, „Ende der Sai-son“ (Grimmepreis mit Gold, Deutscher Fern-sehpreis, Goldene Kamera), „Sie haben Knut“ und „Mitte 30“. Für ihre Leistung in dem NDR Drama „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ (Regie: Marc Rothemund) wurde sie ebenfalls mehrfach ausgezeichnet. Seit 2010 ermittelt Anneke Kim Sarnau im „Polizeiruf 110“ des NDR. Außerdem spielte sie z. B. in „Wellness für Paare“ (Regie: Jan Schütte), „Fremde Haut“ (Regie: Angelina Mac-carone), „Honig im Kopf“ (Regie: Til Schweiger),

„Vier Könige“ (Nominierung Deutscher Filmpreis als beste Nebendarstellerin) von Theresa von Eltz,

„Die Kleinen und die Bösen“ (Regie: Marcus Sehr), „Sweethearts“ (Regie: Karoline Herfurth) sowie aktuell in der NDR Silvester-Komödie „Käse und Blei“ (Regie: Felix Koch) und im Kinofilm „Schoko“ (Regie: Sarah Blaßkiewitz) .

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„Katrin König irrt gerade wie durch einen dunklen Wald“Gespräch mit Anneke Kim Sarnau

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Der neue Fall führt in die Welt eines jungen Unterneh-mers, der mit Personalvermittlung und Zockerei reich geworden ist. Wie gefiel Ihnen die Geschichte?Ich mochte, dass man hier sieht, wie sich jemand ver-rennt und aus einer Form von Gier heraus alles verliert. Der Fall um Michael Norden führt vor Augen, dass so etwas wie Integrität ungemein wichtig ist und Geld allein nicht glücklich machen kann.

Die Profilerin hat selbst auch ein Integritätsproblem, seit sie im Fall Janina Beweise gefälscht hat. Als Guido Wachs sich nun aus der Haft meldet, gewinnt die Sache an Dramatik ...Das ist wie ein wahrgewordener Albtraum für sie. Tat-sächlich sieht man auch an ihrem Beispiel, wie wichtig integres Verhalten ist, weil Fehlverhalten einen irgend-wann wieder einholt. Katrin König befindet sich innerlich weiterhin auf einer Achterbahn und bekommt Panik, als sie einen Brief von Guido Wachs erhält, in dem er ihren Gesetzesverstoß ganz klar benennt.

Sie übernachtet im Präsidium, sogar ein Flachmann taucht bei ihr auf. Spiegelt sich darin nicht ein Verhalten, dass wir sonst von Bukow kennen? Die beiden sind ja durchaus verwandte Seelen, vor allem insofern, als sie beide verletzte Seelen sind. Da ist es sicher kein Zufall, dass sie in Krisenzeiten hier und da ähnliche Mechanismen und Verhaltensweisen entwi-ckeln, mit ihren Problemen umzugehen. Allerdings trinkt Bukow ganz anders als Katrin König (lacht). Er hätte eine komplette Pulle auf den Tisch gestellt und keinen Flachmann versteckt; das ist ja noch halbwegs dezent. Vielleicht ist das auch nur eine Art Beruhigung für sie, vielleicht trinkt sie gar nicht wirklich davon. Katrin König irrt gerade wie durch einen dunklen Wald. Die Ermitt-lungsarbeit hält sie noch einigermaßen in der Spur, aber sie kann nicht verbergen, dass sie in einer Identitätskrise steckt. Sie hat bestimmte Normen und Werte über Bord geworfen, und da dann wieder einigermaßen in die Reihe zu kommen, die entstandene Leere neu und gut zu füllen, das dauert eben.

Wir sehen, wie sie in voller Fahrt hinterm Steuer die Augen schließt. Müssen wir uns Sorgen um sie machen?Man sagt ja oft, dass jeder irgendwo einen gesunden Anker braucht, und bei ihr fällt jetzt gerade so viel weg; sie hat kein Privatleben, das ihr Halt geben könnte. Sie

ist ein einsamer Wolf und immer allein unterwegs. Der Beruf war stets die Struktur, innerhalb derer sie sich sicher bewegen konnte, aber seit sie da für sich eine Grenze überschritten hat, hat sie etwas unwiederbring-lich verloren. Das wird ihr durch den Brief und den Anruf von Wachs vor Augen geführt, und ich glaube schon, dass man ein bisschen Sorge um sie haben muss. Bislang konnte sie sich immer auf sich selbst verlassen, aber jetzt stellt sie sich so in Frage, dass diese Sicherheit weg ist. Diese Geschichte macht mehr mit ihr, als sie dachte.

Sascha Bukow reagiert sehr viel pragmatischer auf den Brief von Wachs und warnt sie eindringlich davor, ihren Fehler an offizieller Stelle einzugestehen. Spielt sie denn mit diesem Gedanken?Es ist schon wichtig und angebracht, dass Bukow in dem Punkt so energisch ist. Denn sie hat im Moment keinen klaren Kopf, und die Gefahr, dass sie blindlings losrennt und noch mehr Chaos stiftet, ist schon relativ groß.

Wie ist ihr Verhältnis zu Bukow momentan? Am Ende des letzten Films hat sie ihn geküsst, aber nun verspürt sie offenbar nicht den Impuls, ihn ins Vertrauen zu ziehen.Das ist auch nicht so leicht, wenn man das Gefühl hat, verloren zu sein, und weiß, dass der andere es auch nicht ganz leicht hat im Leben mit sich und mit allen. Und dann arbeiten die beiden ja auch noch an einem neuen Fall, der kompliziert ist. Alles ist irgendwie eher düster, und da fällt es dann schwer zu sagen, ich mache jetzt einen Schritt ins Helle. Das traut sie sich einfach noch nicht. Alles, was passiert, bringt sie so durcheinander, dass Schuld und Angst und Scham verhindern, dass sie sich jemandem anvertraut.

Katrin König verlässt während eines Verhörs unvermittelt den Raum. Beeinträchtigen diese Probleme ihre Arbeit?Sie ist durchaus bei der Sache, vor allem wenn es ums Menschliche geht, dockt sie auch in diesem Fall voll an. Aber ich glaube, dass sie zwischendurch genervt ist; es ärgert sie, dass so viele Leute die Unwahrheit erzählen und es den Ermittlern einfach nicht gelingen will, hinter diese Lügengebilde zu schauen. Auch, dass mit Michael Nordens Sohn und Exfreundin Unschuldige in den Fall hineingezogen werden und zu Opfern zu werden drohen, weil Leute aus bloßer Gier kriminell werden, macht sie wütend. Katrin König kann Ungerechtigkeit eben nur schwer ertragen.

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Charly Hübner ist Alexander Bukow

Charly Hübner absolvierte die Hochschule für Schauspiel-kunst Ernst Busch und stand auf diversen namhaften Büh-nen; seit 2013 ist er am Schauspielhaus Hamburg engagiert. 2018 gewann er den Theaterpreis Hamburg „Rolf Mares“. Seit seinem Kinodebüt 2003 mit „Männer wie wir“ war er z. B. im Oscar-gekrönten Drama „Das Leben der Ande-ren“ zu sehen und neben Anke Engelke in „Ladykracher“ (2008–2013, u. a. Deutscher Comedypreis, Deutscher Fern-sehpreis). Seit 2010 ermittelt er für den NDR „Polizeiruf 110“ (Bayerischer Fernsehpreis 2013, Preis des Regieverbandes

„Metropolis“ 2013, „Jupiter” 2014, Roland-Filmpreis 2019). Weitere Produktionen sind u. a. „Unter Nachbarn“ (Regie: Stephan Rick, Goldene Kamera 2013), die NDR Koproduktion

„Die Banklady“ (2014, Regie: Christian Alvart), Detlev Bucks „Bibi & Tina“-Filme, „Bornholmer Straße“ (Regie: Christian Schwochow; Darstellerpreis Fernsehfestival Baden-Baden 2014, Grimme Preis 2015), „Magical Mystery“ (Regie: Arne Feldhusen, Ernst-Lubitsch Preis als bester Schauspieler),

„Drei Tage in Quiberon“ (Regie: Emily Atef) und „Lindenberg“ (Regie: Hermine Hubtgeburth). 2016/2017 führte Charly Hübner bei der preisgekrönten Dokumentation „Wildes Herz“ Regie.

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Markus Buschs Story handelt von brüchigen Biografien und der Suche nach abwesenden Vätern. Was ist für Sie das Spannende daran? Busch erzählt von jemandem, der seine Wurzeln kappt, also dieser neuen europäischen Idee folgt, die seit dem Fall der Mauer propagiert wird. Michael Norden sagt sich: „Meine Herkunft ist nicht gerade die tollste; ich bin kein Hamburger Reedersohn und habe auch keinen Papa im Vorstand von Volkswagen, mein Vater ist ein Penner. Aber ich bin schlau und nehme jetzt meine Talente und mache was daraus.“ Mit Geschäftemacherei und Spekulation, also Dingen, mit denen man heute schnell reich werden kann, gelingt es ihm tatsächlich, Karriere zu machen. Aber es braucht nur sehr wenig, bis so eine Karriere im Spätkapitalismus auch wieder den Bach runtergeht. Schon eine einzige Fehlspekulation bringt wie ein Husten das ganze Kartenhaus von Norden wieder zum Einsturz, und das zieht dann erstaunlicher-weise eine ganze Serie von Gewalt nach sich; es entwi-ckelt sich so ein Strudel, in den auch die Ermittler rein-geraten. Diese Geschichte habe ich so noch nicht erzählt bekommen und daher finde ich es erzählenswert.

Und passend für eine Stadt wie Rostock?Ja! Für mich ist das ein typischer Rostocker Fall und die Geschichte sehr typisch für diese Stadt – zumal mit den Möglichkeiten, die Michael Norden hat, von da abzu-hauen. Tilman Strauß ist auch eine super Besetzung für die Rolle dieses Aufsteigers, weil er die Lässigkeit und Nonchalance, die so jemand haben muss, dieses Talent, perfekt verkörpern kann und trotzdem in der Ausstrah-lung auch einen kleinen Knacks hat.

Sascha Bukow war lange schlecht auf Katrin König zu sprechen. Nach dem Kuss am Ende des letzten Films wirkt er wie ausgewechselt. Macht er sich Hoffnung auf mehr? Bukow ist durch diesen Kuss wie aufgeklart und sagt sich, dass das vielleicht doch die Frau ist, um die er noch

mal kämpfen muss mit Ende vierzig. Er ist verliebt, aber das erkennt sie natürlich noch gar nicht, weil sie diese Panik hat wegen Guido Wachs. Der ganze Fall um Michael Norden ist etwas, was von außen auf Bukow einströmt; erst als Guido Wachs sich aus dem Gefäng-nis meldet und Druck auf Katrin König macht, kommt in Bukow eine richtige Energie. Das ist sein Moment in dem Film, und es ist ganz klar, dass er sie jetzt beschüt-zen wird. Das ist wie bei einem alten Ritter, der auflebt, wenn er sich um seine Prinzessin kümmern darf, weil er das als seine wichtigste Aufgabe betrachtet.

Bukow mischt sich massiv ein, als er von Wachs‘ Brief an die Profilerin erfährt, und will verhindern, dass sie die Sache auf ihre Art zu klären versucht ...Sein Verhalten ist sicher grenzwertig, aber es geht in dem Moment auch um eine ernsthafte Angelegenheit. Es ist gut, dass Bukow von dem Brief weiß, weil er ja tat-sächlich in der Sache mit drinhängt und weil wichtig ist, dass einer die Zügel in die Hand nimmt. Das ist im Inter-esse von beiden. Bukow hat einen viel klareren Blick auf diese Angelegenheit, weil er sich im Umgang mit Schuld oder Fehlverantwortung viel besser auskennt als Frau König. Für Katrin König ist das Neuland.

Aber lässt es sich so leicht handeln? Am Schluss deutet sich an, dass sich das Problem noch zuspitzen wird.Das Besondere an „Söhne Rostocks“ ist, dass der Film nicht so einer klassischen Dramaturgie folgt, sondern zugleich eine fallende und eine steigende Dynamik hat. Es gibt zwei verschiedene Stränge; einen, der von einem jungen Mann erzählt, der in so einem sozialen Gefüge einfach abstürzt, und zwar in rasantem Tempo. Und den anderen, der ein sich zuspitzendes Problem, eine wach-sende Bedrohung beschreibt. Die Horizontale in diesem Film ist ein wichtiger Baustein zu dem, was im nächsten Fall passieren wird.

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„Diese Geschichte habe ich so noch nicht

erzählt bekommen“Gespräch mit Charly Hübner

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Tilman Strauß ist Michael NordenTilman Strauß, Jahrgang 1982, studierte von 2006 bis 2010 an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Von 2009 bis 2016 war er festes Ensemblemitglied an der Berliner Schau-bühne, wo er u. a. in Inszenierungen von Falk Richter, Thomas Ostermeier, Katie Mitchell und Michael Thalheimer auf der Bühne stand. Seit 2017 ist Tilman Strauß Gast am Deutschen Schauspiel-haus Hamburg. Neben der Theaterarbeit steht Tilman Strauß auch für Kino- und Fernsehproduktionen vor der Kamera, u. a. in

„Feierabendbier“ (Regie: Ben Brummer, 2017), „Lux – Krieger des Lichts“ (Regie: Daniel Wild, 2014), „Tatort: Die Wiederkehr“ (Regie: Florian Baxmeyer, 2014) und „Wir waren Könige“ (Regie: Philipp Leinemann, 2012), wofür er als bester Darsteller für den Förder-preis Neues Deutsches Kino nominiert war. Momentan ist Tilman Strauß in einer Hauptrolle in Tim Dünschedes Kinofilm „Limbo“ auf zahlreichen Filmfestivals zu sehen.

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„Norden verkörpert einen Typus, der zu Recht heute in Verruf geraten ist“Statement von Tilman Strauß

Michael Norden ist ein von Ehrgeiz getriebener Mensch und ein Glücksritter, der im Übermaß von seinen eigenen Fähigkeiten überzeugt ist. Er nutzt mit seiner Zeitarbeitsfirma die schlechte Situation anderer Leute aus und macht Termingeschäfte an der Börse. Zu Beginn der Geschichte hat er sich allerdings gerade gründlich verzockt. Er wurde von einem ehemaligen Partner hin-tergangen, den er selbst schlecht behandelt hat; letztlich fällt ihm also sein eigenes Verhalten auf die Füße. Für mich hat diese Figur eine große Kraft; Norden handelt aus einer gewissen Paranoia heraus und nie ganz sauber; er verstrickt sich nach und nach immer tiefer in seine Machenschaften, schläft nicht mehr, macht sich schuldig und schraubt sich immer weiter in einen Zustand hinein, den er nicht mehr kontrollieren kann. Das war für mich als Schauspieler wahnsinnig interessant. Norden ist nicht nur finanziell, sondern auch auf der persönlichen Ebene bankrott. Er ist ein einsamer Mensch, der seine Familie ver-leugnet und sich nur seinem kruden Ideal von Erfolg verpflichtet fühlt. Gegen Ende gibt es einen Moment, in dem er erkennt, dass sich solche Mechanismen über die Generationen hinweg weiter-tragen und er seinen Sohn noch retten kann. Das hindert ihn aber erst einmal nicht daran, all diese Fehler zu machen. Die Figur ist eine Art Fallbeispiel; Norden verkörpert einen Typus, der zu Recht heute in Verruf geraten ist.

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Oskar Belton ist Jon HövermannOskar Belton, Jahrgang 1999, besucht die New Talent Schauspielschule in Hamburg. Sein Debüt gab er 2015 in der dänisch-deutschen Produktion „Unter dem Sand“ (R: Martin Zandvliet), die u. a. den Preis als „Best Nordic Film“ beim Gøteburg Film Festival gewann und für Dänemark als bester fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert wurde. Weitere Arbeiten von Oskar Belton sind a. u. die Serie „Parfum“, der NDR „Tatort: Das verschwundene Kind“ sowie aktu-ell „Das Mädchen am Strand“ und „Tod von Freunden“.

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„An der Figur des Jon hat mich in erster Linie das Milieu interessiert, in dem er aufgewachsen ist“Statement von Oskar Belton

An der Figur des Jon hat mich in erster Linie das Milieu interessiert, in dem er aufgewachsen ist. Ich war früher öfter mit meinen Brüdern und meinen Eltern in unserem Haus in einem kleinen Dorf in Meck-lenburg-Vorpommern und habe dort viele Jugendliche getroffen, die aus ähnlichen sozialen Verhältnissen kamen wie Jon Hövermann. Jon hätte sich ein Leben mit einem Vater, einer Autoritätsperson, gewünscht, wie jeder Jugendliche in seinem Alter, und als er erfährt, dass sein Vater ein erfolgreicher Unternehmer ist, also im Grunde das Gegenteil seiner Mutter, will er ihn natürlich kennenlernen. Die Szene, in der Jon seinen Vater das erste Mal trifft, war insofern eine Heraus-forderung für mich, als ich so ein Ereignis aus meinen privaten Erfah-rungen nicht kenne. Um die Szenen zwischen Jon und Michael spielen zu können, musste ich mir ein Substitut für Michael suchen und eine ähnliche reale Erfahrung aus meinem Leben im Hinterkopf halten. Jon erschrickt bei der ersten Begegnung mit Michael Norden nicht über das Blut an seiner Kleidung, sondern es verstärkt seine Neugier. Jon stellt sich viele Fragen: Was macht mein Vater wirklich? Was hat mein Vater getan? Wieso wollte er mich nie? Und er hofft, jetzt end-lich Antworten auf seine Fragen zu bekommen.

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Katharina Behrens ist Beate HövermannKatharina Behrens, die von 2003 bis 2007 das Max Reinhardt Seminar in Wien besuchte, steht seit 2004 auf der Theaterbühne und wurde für ihre Darstellungen mehrfach ausgezeichnet.Seit 2013 ist sie auch in Fernseh- und Kinoproduktionen zu sehen. Für ihre Rolle im Kurzfilm „Wo wir sind“ gewann sie bei mehreren Festivals den Preis als beste Schauspielerin. Weitere Arbeiten der Berlinerin sind u. a. der preisge-krönte Film „Kosmonautensehnsucht“ sowie die NDR Produktionen „Teufels-moor“ und „Tatort: Borowski und die weiße Möwe“. Im Herbst 2019 stand Katharina Behrens für das Fernsehspiel

„Tag X“ und für eine Episodenrolle in „Ein starkes Team“ vor der Kamera.

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„Beate hat schlicht und einfach Angst um ihren Sohn“Statement von Katharina Behrens

Beate Hövermann ist eine Kämpferin. Sie hat sich in jungen Jahren entschieden, ihr Kind allein großzuzie-hen, nachdem der Vater sich von ihr abgewandt und die Stadt verlassen hatte, und voller Hingabe versucht, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen und für das Kind da zu sein. Sie liebt ihren Sohn über alles, und ganz unabhän-gig davon, wer der Vater ist und warum er sie im Stich gelassen hat, wusste sie immer, wofür und für wen sie kämpft. Sie hat nie jemandem erzählt, wer der Vater ist; zunächst war ihr das lieber, weil sie sich und ihr Kind mit dieser alten Geschichte nicht belasten wollte. Und in einer überschaubaren Stadt diejenige zu sein, die „nicht weiß“, wer der Vater ihres Kindes ist, muss man erst einmal aushalten. Sie hätte es leichter haben können, wenn sie weggezogen wäre, aber sie ist dageblieben und hat sich der Situation gestellt. Natürlich hat Beate auch Fehler gemacht. Sie dachte lange, dass sie Jon irgendwann alles erzählen würde, aber dann hat sich nie der richtige Zeitpunkt ergeben. Heute hat sie einen Teenager vor sich, der ihr über den Kopf wächst, und sie stößt finanziell und kräftemäßig an ihre Grenze. Dass der Vater zurück in Rostock und erfolgreicher Unterneh-mer ist, macht ihr die Sache keineswegs leichter. Sie ver-sucht so lange klarzukommen, bis sie nicht mehr weiter-weiß und Geld von ihm fordert. Dass sie Jon weiterhin nicht erzählen mag, wer sein Vater ist, liegt einerseits an ihrem Stolz, aber auch daran, dass Michael seine Vater-rolle verleugnet. Beate hat schlicht und einfach Angst um ihren Sohn.

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Markus Busch Drehbuch

„Michael Norden ist nicht der richtige Mensch für das Leben, das er sich ausgesucht hat“Gespräch mit Markus Busch

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In „Söhne Rostocks“ stehen die Ermittler lange vor immer neuen Rätseln, bis es ihnen gelingt, Licht ins Dunkel des Falls zu bringen. War diese Erzählstrategie von Beginn an Ihr Plan?Es gab die Idee, so etwas wie eine Schnitzeljagd durch ein Leben und durch eine Geschichte zu erzählen. Nor-malerweise würde man bei einer Schnitzeljagd ja nur die Zeichen sehen und schauen, wo man als Nächstes hin-muss. Dieses Prinzip haben wir aber aufgebrochen, weil wir es schöner fanden, nicht nur bei den Ermittlern zu bleiben, bei den Jägern, sondern immer wieder auch zu den anderen Figuren zu springen, um die es hier geht, zu den Menschen, die in diesen Strudel mit hineingezogen werden. Deshalb ist es nun keine echte Schnitzeljagd

mehr, aber die Struktur, dass man relativ lange immer wieder Zeichen und Spuren findet, denen man nachgeht, und Ereignisse stattfinden, die man sich nicht erklären kann, das kam von dieser ursprünglichen Idee.

Im Zentrum der Geschichte steht ein junger Unternehmer. Wer ist dieser Michael Norden? Es gab relativ früh schon den Gedanken, dass Norden jemand ist, der sich ein falsches Leben ausgesucht hat. Und wenn man so will, stellt sich am Ende heraus, dass man im falschen Leben eben kein richtiges Leben führen kann. Anders ausgedrückt: Michael Norden ist nicht der richtige Mensch für das Leben, das er sich ausgesucht hat. Im Grunde war er immer jemand, der sein eigenes

Der Drehbuchautor Markus Busch begann seine Karriere 1996 mit Regieassistenzen sowie der künstlerischen Mitarbeit bei diversen Fernseh- und Spielfilmproduk-tionen von Horst Königstein. Mit dem von Dominik Graf inszenierten Film „Bittere Unschuld“ gab er 1998 sein Drehbuchde-büt. In den Folgejahren entstanden meh-rere Filme mit Dominik Graf als Regisseur, u. a. „Der Felsen“, der 2002 am internatio-nalen Wettbewerb der Berlinale teilnahm, sowie „Kalter Frühling“, der für den Adolf-Grimme-Preis 2005 nominiert war. Es folg-ten die Drehbücher zum „Tatort: Raben-

herz“ (2008) unter der Regie von Torsten C. Fischer und „Dreileben – Komm mir nicht nach“ (2010), erneut in der Inszenierung von Dominik Graf. 2011 schrieb Markus Busch nicht nur das Drehbuch für den Kinofilm „Die Räuberin“, sondern führte auch Regie. In den letzten Jahren ent-wickelte er u. a. die Drehbücher zum NDR

„Tatort: Feuerteufel“ (2012, Regie: Özgür Yildirim), zu „Goster“ (2014, Regie: Didi Danquart), „Am Abend aller Tage“ (2016, Regie: Dominik Graf) sowie zum „Tatort: Inferno“ (2018, R: Richard Huber).

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Leben und seine Familie gesucht hat; jemand, der lange Wege gegangen ist. Er ist früh weggezogen, um seinen Vater zu suchen, und wiedergekommen mit dem Vor-satz: „Ich werde ein besseres, ein erfolgreicheres Leben führen als mein Vater.“ Das war letztendlich ein Irrweg, aber als er das erkennt, ist er schon an einem Punkt, an dem er nicht mehr umkehren kann.

Woher kam die Idee zu einer Figur, die im falschen Leben feststeckt?Anfangs gab es nur diese Figur und die Ausgangssi-tuation, und ich wusste selbst nicht, was der nächste Schritt sein würde. Es klingt ein bisschen lyrisch, wenn ich das so sage, aber bei der Suche nach ihm tauchten immer mehr Menschen am Rande seines Weges auf. Daher kam auch die Entscheidung zu sagen, wir müs-sen uns am Anfang ein bisschen mehr Zeit lassen beim Erzählen, denn wir werden eine ganze Reihe von Leuten kennenlernen. Damit man diese Figuren, wenn sie dann wichtig werden, auch wiedererkennt, muss man ihnen den Raum und die Zeit lassen, wirklich richtige Figuren zu werden: die Mutter, die Exfreundin, die Freundin des Opfers und so weiter.

Das Thema Väter und Söhne zieht sich durch Ihr Drehbuch. Väter sind hier vor allem abwesend, unzuverlässig – Sehnsuchtsfiguren.Tatsächlich geht hier einerseits immer wieder um Väter und Söhne; also um leibliche Väter, um Ziehväter, um verschollene und wiedergefundene Söhne und Väter. Aber es geht auch die ganze Zeit um Geld, egal, ob es sich um die Figuren handelt, die Geld besitzen, oder um die, die nie genug haben und sich deshalb vielleicht zu kleinen Erpressungen oder Schlimmerem hinreißen lassen. Und man hat das Gefühl, dass die Konzentration auf Geld und Wohlstand, so wie es dann läuft, eigentlich immer ein Irrweg ist.

Inwiefern passt diese Geschichte an einen Ort wie Rostock? Nun, die Hauptfigur, die wir haben, ist ja vor einiger Zeit weggegangen und dann nach Rostock zurückgekehrt. Wir sind jetzt 30 Jahre nach der Wende und der Wieder-vereinigung, und Michael Norden ist im Grunde eine Figur, die auch noch ein Echo eines früheren Weggehens in sich trägt. Sein Vater ist noch zu DDR-Zeiten aus sei-nem Leben verschwunden, und das holt ihn auf gewisse

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Weise schon ein. Ich glaube auch, dass eine Art von Kapitalismus-Überforderung für diese Figur eine Rolle spielt, eine bestimmte Form von Erwartung: Du kannst nur glücklich sein, wenn du etwas darstellst und wenn du Geld hast. Natürlich wird dieser Irrtum überall began-gen, aber an einem Ort, wo das noch nicht so lange in der DNA drinsteckt und nicht so lange eingeübt wurde, hat es vielleicht auch eine andere Tragik für eine Figur, als das etwa in Dortmund der Fall wäre. Auch das Weg-gehen und Wiederkommen ist an so einem Ort etwas anderes.

Katrin König kämpft mit den Folgen ihrer Beweis-manipulation im Fall Janina. Was war Ihnen hier wichtig?Sie sollte an den Punkt kommen zu verstehen, dass es ein Fehler wäre, sich diesmal genauso zu verhalten, wie

sie es schon mal gemacht hat. Damals hat sie gesagt, ich stehe zu dem, was ich getan habe, und bezahle dafür. Jetzt muss sie sich auf einer höheren Ebene überlegen, was sie gemacht hat. Dass sie versucht hat, sich über alles zu stellen, also Gott zu spielen, wie der verurteilte Guido Wachs ihr vorwirft. Das ist etwas grundsätzlich anderes als die Aussagen, die damals zu einer modera-ten Geldstrafe für sie und Bukow geführt haben, denn hier geht es ans Selbstverständnis. Und es hat auch etwas mit Wahrheit und richtigem Leben zu tun; damit, wie man sich im Leben entscheidet, und ob es wirklich das ist, was einem selbst entspricht. In diesem Punkt gibt es auch einen Bezug zwischen Michael Norden und Katrin König. Aber insgesamt ist ihre Geschichte natür-lich zeitlich größer als die von Michael Norden, die ja hier abgeschlossen wird.

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Christian von Castelberg Regie

„Meine Aufgabe habe ich vor allem darin gesehen, das Vater-Sohn-Thema ins emotionale Zentrum zu rücken“Gespräch mit Christian von Castelberg

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Was hat Sie an „Söhne Rostocks“ gereizt? Ich wollte schon länger gern ein Projekt mit Autor Mar-kus Busch machen, und als ich hörte, dass es nun ein Drehbuch von ihm gibt, habe ich sofort zugesagt. Ich finde ihn im Situativen sehr gut. Die Art, wie er die psychologischen Situationen zwischen den Figuren ent-wickelt, sagt mir sehr zu, und auch die Dialoge, die er schreibt, wirken für mich sehr authentisch. Dieser Fall ist insofern ein bisschen untypisch, als die Geschichte um den Unternehmer Norden selbst nichts Existenzielles für die Kommissare hat, sondern sie ganz normal ermitteln müssen. Sonst ist es beim Polizeiruf Rostock zumeist so, dass Sascha Bukow oder Katrin König im Zuge ihrer Ermittlungsarbeit in eine existenzielle Not geraten, hier stehen die Episodenfiguren etwas stärker im Vordergrund. Natürlich wird aber auch die Horizontale weitererzählt: Katrin König wird hier von etwas eingeholt, was in der Vergangenheit liegt; sie hat in einem früheren Fall Beweise gefälscht und wird nun damit konfrontiert, dass der Täter das weiß und sie unter Druck setzt.

Worauf haben Sie den Akzent gelegt?Meine Aufgabe habe ich vor allem darin gesehen, das Vater-Sohn-Thema, das der Geschichte um Michael Norden zugrunde liegt, ins emotionale Zentrum zu rücken und die Figur dieses jungen Unternehmers nah-bar zu machen. Jemanden, der mit Personalvermittlung

und Abzocken sein Geld macht, kann man leicht als unsympathisch darstellen; dasselbe gilt auch für Nor-dens Lehrmeister, den Immobilienmakler Stefan Larges. Aber für die Dramaturgie der Geschichte ist das nicht so interessant. Es ist interessanter, die Leute nahbar zu machen, darum habe ich versucht, auch das Verhältnis zwischen Michael Norden und Stefan Larges als eine Art Vater-Sohn-Beziehung zu verdeutlichen.

Norden taucht gleich zu Beginn des Films unter; die Suche nach ihm erweist sich als schwierig ...Es fiel häufiger der Begriff Schnitzeljagd für diese Suche, aber ich finde das nicht ganz passend, weil es dann ja einfach wie ein Spiel wäre. Michael Norden hat aber eine konkrete Motivation, nämlich eine materiell-finanzielle; er hat sich verzockt und muss herausfinden, was pas-siert ist. Schon bevor auf seinem Grundstück plötzlich ein Toter liegt, hat er nächtelang durchgearbeitet, um seine misslungene Investition zu retten. Und als er sei-nen toten Freund sieht, weiß er, dass das kein Zufall sein kann, sondern inszeniert war. So hat er eine klare Moti-vation; er taucht unter, um den Täter zu finden. „Söhne Rostocks“ ist kein Krimi, in dem von Beginn an Gefahr im Verzug ist und die Kommissare unter Hochdruck ermit-teln müssen; hier ist zunächst mal nichts lebensbedroh-lich, aber die Geschichte entwickelt dann sehr viel Eigen-dynamik und Spannung.

Christian von Castelberg, der zunächst ein Chemie-Studium in Zürich abschloss, besuchte Ende der 1980er-Jahre die Regie-klasse sowie Drehbuch- und Schauspiel-kurse am American Film Institute (AFI, später UCLA). 1993 gab er sein Fernseh-film-Regiedebüt und inszenierte Martin Suters Drehbuch zum „Tatort: Herren-boxer“. Es folgten zahlreiche Filme – zum

Beispiel die ersten beiden Episoden von „Donna Leon“ sowie „Die Mörderin“ und „Der Tote im Spreewald“. Der Regisseur ist insbesondere durch seine teilweise preis-gekrönten Arbeiten für Krimireihen und

-serien bekannt. Vor allem tragen die Rei-hen „Bella Block“ und „Polizeiruf 110“ seine unverwechselbare Handschrift.

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Nordens Mentor Larges beschreibt ihn als „manisch aggressiv“, von Gier und Risikobereitschaft getrieben. Verstehen Sie den Niedergang der Figur als eine Art Kapi-talismuskritik?Ich arbeite selten mit dem Blick auf gesellschaftliche Fra-gen, sondern schaue eher aufs Psychologische. Natürlich kann man diese Profilierungssucht, die Michael Norden umtreibt, auf den Kapitalismus schieben, aber ich finde, so etwas hat manchmal auch mit einer mangelnden Aufgehobenheit im Elternhaus zu tun. Wenn man keine

innere Heimat hat, keine Familie, dann muss man die irgendwie äußerlich herstellen. Michael Norden ist nun aber an einem Wendepunkt in seinem Leben angekom-men. Bis jetzt zählten für ihn nur Geld und Erfolg, am Schluss bricht er jedoch mit dieser Regel. Nach all den Irrungen und Wirrungen folgt ein emotionaler Höhe-punkt, über den wir hier natürlich nicht zu viel verraten wollen.

Die Darsteller der Episodenrollen, die wir hier sehen, sind noch nicht sehr bekannt, ihr intensives Spiel bleibt jedoch im Gedächtnis. Berichten Sie uns von der Arbeit mit ihnen.Wenn man eine Reihe bedient, also etwas, wo zwei Kom-missare schon gut etabliert und beliebt sind, hat man den Vorteil, dass man sich etwas freier bewegen kann, was die Besetzung der Episodenrollen angeht. Tilman Strauß und Oskar Belton als Vater und Sohn und auch Katharina Behrens als Exfreundin und Mutter dieses Sohnes waren echte Glücksgriffe. Sowohl Tilman als auch Katharina brachten eine hervorragende Kombina-

tion aus sehr gutem Spiel mit allen anderen und gleich-zeitigem Bei-sich- und Durchlässig-Bleiben mit. Auch der Junge hatte so eine Art, die ganz besonders war. Das liegt nicht nur an Techniken – natürlich auch, sehr viel – aber auch an einer Bereitschaft, einem Mut, sich fallenzu-lassen. Meine Aufgabe sehe ich darin, den Schauspie-lern Raum zu lassen und Hilfe zu bieten. Charly Hübner hat netterweise mal gesagt, er möge sehr gern mit mir arbeiten, weil ich zuhören könne und den Input von allen ernstnehme, aber trotzdem irgendwann sage: „Jetzt ist Schluss, jetzt machen wir es so.“

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