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100 BLATT UND EINBAND Pop-up Pop-up ist eine der faszinierendsten und reizvollsten Möglichkeiten, ein flaches zweidimensionales Blatt mithilfe von Schnitten, Falzen und zusätzlich angefügten Teilen in eine dreidimensionale Bühne zu verwandeln. Die Bezeichnung „Pop-up“ steht für eine ganze Reihe von Techniken, mit denen sich aus einem zweidimensionalen Blatt ein drei- dimensionaler Raum erzeugen lässt. Diese Verwandlung kann entweder durch das bloße Aufschlagen des Buchs in Gang ge- setzt werden oder durch die Verwendung von Laschen und Zungen, die der Leser schieben oder an denen er ziehen muss, um die Gestalt der Seite zu verändern. Zu den Pop-up-Techniken gehören etwa komplexe Schnitte und Falze eines einzelnen Blatts oder das Einkleben von Papier- und Papptei- len zum Gestalten von Szenen – ihnen allen gemeinsam ist die dynamische Verwandlung des Blatts in der Hand des Lesers. Die lange Geschichte des Pop-ups begann im 13. und 14. Jahrhundert. Ursprünglich diente das Pop-up als didaktisches Mittel, das beispielsweise in Anatomie- oder Physio- logiebüchern eingesetzt wurde. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden Pop-up- Bücher und -Karten im Zuge der Weiterent- wicklungen in der Drucktechnik mehr und mehr zur Unterhaltung produziert, insbeson- dere für Kinder. Diese Entwicklung ging in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Großbritannien als Zentrum aus, breitete sich von dort über ganz Europa aus und wurde insbesondere in Deutschland wiederum durch Fortschritte in der Druck- und Produk- tionstechnik vorangetrieben. Zeitgenössische Designer von Pop-up-Bü- chern wie der US-amerikanische Buchkünst- ler Robert Sabuda schaffen äußerst komplexe dreidimensionale Szenen, die das Blatt auf derart eindrucksvolle und magische Weise verwandeln, wie dies beim Schlüpfen des Schmetterlings aus dem Kokon geschieht. Bei dem hier vorgestellten Projekt liegt der Schwerpunkt auf der als „Parallelfalzung“ bekannten Pop-up-Technik, bei der auf dem Blatt mithilfe von Schnitten und Falzen die Illusion von dreidimensionaler Räumlichkeit erzeugt wird, ohne dabei Teile zusätzlich ein- zukleben oder anzubringen. Diese Art von Pop-up lässt sich hervorragend in ein Lepo- rello integrieren. CHARAKTERISTISCHE EIGENSCHAFTEN Bei Pop-up-Büchern, die auch „lebende Bü- cher“ genannt werden, geht es in erster Linie um interaktive, dynamische Veränderungen, die auf einer einzigen Doppelseite stattfin- den. Das Buch wird zum Leben erweckt, in- dem der Leser in transformative Prozesse eingebunden wird, an denen er einfach teil- haben muss. Er wird zum Mitwirkenden des Geschehens, indem er das Blatt wendet, an einer Lasche zieht oder eine Klappe anhebt. Nach dieser Vorstellung erwacht das Buch erst dann aus seinem Dornröschenschlaf, wenn es geöffnet wird – in dieser Hinsicht ist es auf den Leser angewiesen. Das gilt natür- lich auch für jedes andere Buch, doch das Pop-up-Buch greift diese Vorstellung auf und haucht ihr für jedermann sichtbar und greif- bar Leben ein. Häufig kommt auch das Aufkleben zu- sätzlicher Papierelemente auf das bereits vor- handene Blatt zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Papierelemente, die sich bewegen, verändern oder Informationen enthüllen, wenn sie betätigt werden. Alle diese Ele- mente kehren wieder in ihre ursprüngliche Position zurück, wenn das Buch geschlossen wird. Pop-ups erfordern einen unglaublichen planerischen und experimentellen Aufwand und stellen wohl die komplexeste Bearbei- tung eines Blatts dar, an die sich ein Buch- künstler wagen kann. Das charakteristische Merkmal eines Pop- ups ist der Akt des Umblätterns selbst, der die Verwandlung in Gang setzt, und zwar ganz unabhängig davon, ob diese Verwand- lung durch Ankleben von Elementen oder durch Einschneiden und Falzen des Blatts be- wirkt wird. Es ist die Bewegung selbst, die das innerste Wesen und die Magie des Pop- ups ausmacht.

Pop-up

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Anleitung für ein Pop-up - Buch

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100 BLATT UND EINBAND

pop-upPop-up ist eine der faszinierendsten und reizvollsten Möglichkeiten,

ein fl aches zweidimensionales Blatt mithilfe von Schnitten, Falzen und

zusätzlich angefügten Teilen in eine dreidimensionale Bühne zu verwandeln.

Die Bezeichnung „Pop-up“ steht für eine ganze Reihe von Techniken, mit denen sich aus einem zweidimensionalen Blatt ein drei-dimensionaler Raum erzeugen lässt. Diese Verwandlung kann entweder durch das bloße Aufschlagen des Buchs in Gang ge-setzt werden oder durch die Verwendung von Laschen und Zungen, die der Leser schieben oder an denen er ziehen muss, um die Gestalt der Seite zu verändern. Zu den Pop-up-Techniken gehören etwa komplexe Schnitte und Falze eines einzelnen Blatts oder das Einkleben von Papier- und Papptei-len zum Gestalten von Szenen – ihnen allen gemeinsam ist die dynamische Verwandlung des Blatts in der Hand des Lesers.

Die lange Geschichte des Pop-ups begann im 13. und 14. Jahrhundert. Ursprünglich diente das Pop-up als didaktisches Mittel, das beispielsweise in Anatomie- oder Physio-logiebüchern eingesetzt wurde. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden Pop-up-Bücher und -Karten im Zuge der Weiterent-wicklungen in der Drucktechnik mehr und mehr zur Unterhaltung produziert, insbeson-dere für Kinder. Diese Entwicklung ging in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Großbritannien als Zentrum aus, breitete sich von dort über ganz Europa aus und wurde insbesondere in Deutschland wiederum durch Fortschritte in der Druck- und Produk-tionstechnik vorangetrieben.

Zeitgenössische Designer von Pop-up-Bü-chern wie der US-amerikanische Buchkünst-ler Robert Sabuda schaffen äußerst komplexe dreidimensionale Szenen, die das Blatt auf derart eindrucksvolle und magische Weise verwandeln, wie dies beim Schlüpfen des Schmetterlings aus dem Kokon geschieht. Bei dem hier vorgestellten Projekt liegt der Schwerpunkt auf der als „Parallelfalzung“ bekannten Pop-up-Technik, bei der auf dem Blatt mithilfe von Schnitten und Falzen die Illusion von dreidimensionaler Räumlichkeit erzeugt wird, ohne dabei Teile zusätzlich ein-zukleben oder anzubringen. Diese Art von Pop-up lässt sich hervorragend in ein Lepo-rello integrieren.

cHaraKtErIstIscHE EIgEnscHaftEnBei Pop-up-Büchern, die auch „lebende Bü-cher“ genannt werden, geht es in erster Linie um interaktive, dynamische Veränderungen, die auf einer einzigen Doppelseite stattfi n-den. Das Buch wird zum Leben erweckt, in-dem der Leser in transformative Prozesse eingebunden wird, an denen er einfach teil-haben muss. Er wird zum Mitwirkenden des Geschehens, indem er das Blatt wendet, an einer Lasche zieht oder eine Klappe anhebt. Nach dieser Vorstellung erwacht das Buch erst dann aus seinem Dornröschenschlaf, wenn es geöffnet wird – in dieser Hinsicht ist es auf den Leser angewiesen. Das gilt natür-

lich auch für jedes andere Buch, doch das Pop-up-Buch greift diese Vorstellung auf und haucht ihr für jedermann sichtbar und greif-bar Leben ein.

Häufi g kommt auch das Aufkleben zu-sätzlicher Papierelemente auf das bereits vor-handene Blatt zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Papierelemente, die sich bewegen, verändern oder Informationen enthüllen, wenn sie betätigt werden. Alle diese Ele-mente kehren wieder in ihre ursprüngliche Position zurück, wenn das Buch geschlossen wird. Pop-ups erfordern einen unglaublichen planerischen und experimentellen Aufwand und stellen wohl die komplexeste Bearbei-tung eines Blatts dar, an die sich ein Buch-künstler wagen kann.

Das charakteristische Merkmal eines Pop-ups ist der Akt des Umblätterns selbst, der die Verwandlung in Gang setzt, und zwar ganz unabhängig davon, ob diese Verwand-lung durch Ankleben von Elementen oder durch Einschneiden und Falzen des Blatts be-wirkt wird. Es ist die Bewegung selbst, die das innerste Wesen und die Magie des Pop-ups ausmacht.

Material Blatt für das Pop-up:

1 Blatt weißes Papier (140 g/m2) à 21 x 29 cm oder in DIN A4 zum Kopieren der Vorlage

Werkzeug Skalpell, Stahlmaßstab

und Schneidematte Falzbein

102 BLATT UND EINBAND

Damit Sie die Konstruktion eines Pop-ups besser verstehen, sind auf der gegenüber-liegenden Seite die Vorlagen für drei verschiedene Pop-ups abgedruckt. Jedes dieser geschnittenen und gefalzten Pop-ups besteht aus linearen Schnitten und zwei unter-schiedlichen Arten von Falzen – aus Falz und Gegenfalz.

Schritt 1Fotokopieren Sie die gewählte Vorlage für das Pop-up. Vorlage A ist am einfachsten umzusetzen, Vorlage C am schwierigsten. Die Laufrichtung des Papiers, auf das Sie kopieren, sollte nach Möglichkeit parallel zu den gestrichelten Falzlinien der Vorlage verlaufen. Die Zeichnung auf der Vorlage entsprechend ausrich-ten. Dies ist besonders wichtig, wenn Sie die Vorlage auf schwe-reres Papier kopieren wollen. Jede durchgezogene Linie muss mit einem Skalpell geschnitten werden. Die kurz gestrichelten Linien stehen für Falze, die in derselben Richtung wie der Mittelfalz ge-falzt werden, die lang gestrichelten Linien bezeichnen Gegen-falze, d. h. Falze, die in die entgegengesetzte Richtung zum Mit-telfalz ausgeführt werden. Zunächst die durchgezogenen Linien sorgfältig mit Skalpell und Stahlmaßstab schneiden.

Schritt 2Jede Falzlinie sorgfältig mit dem spitzen Ende eines Falzbeins oder einem vergleichbaren Werk-zeug rillen – eine leere Kugelschreibermine ist ideal dafür. Das Vorrillen der Linien erleichtert Ihnen das Falzen, das unter Umständen ausgesprochen knifflig sein kann. Nach dem Rillen den Mittelfalz des Blatts herstellen und die kurz gestrichelten Linien in derselben Richtung falzen.

Schritt 3Nun alle lang gestrichelten Linien in der entgegengesetzten Richtung falzen. Wenn Sie damit fertig sind, sollten Sie das Blatt entlang des Mittelfalzes zusammenklappen können, als würden Sie ein Buch zu-klappen, wodurch sich das Pop-up flach aneinanderfügt.

anfErtIgEn EInEs pOp-ups

HInWEIs:

Um zu verhindern, dass auf der Vorder-seite des Pop-ups aufgedruckte Linien zu sehen sind, wählen Sie zum Kopieren der Vorlage einen möglichst hohen Hellig-keitsgrad und falzen dann alle Linien ent-gegen der auf der Vorlage angegebenen Richtung, sodass das Pop-up auf der Rück-seite des Blatts entsteht, auf der sich keine Linien befinden. Dies ist auch dann noch möglich, wenn Sie alle beschriebenen Schritte bereits ausgeführt haben. Aller-dings bewirkt dieser Kniff auch, dass das Pop-up spiegelbildlich ausfällt. Alternativ

dazu können Sie die Vorlage einfach mit Bleistift abzeichnen und die Linien wieder ausradieren, wenn das Pop-up fertig ist.

103POP-UP

doppelter parallelfalz (a)

stufen (B)

Komplexe stufen (c)