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Proletarische Revolution im 143. Jahr der Pariser Kommune revolutionär-kommunistische Zeitung in Österreich Proletarier/innen aller Länder, vereinigt euch! unabhängig von Staat und Kapital 14. Jg. Nr.55 Dezember 2013 Spendenempfehlung: 2, - Euro Möglicher- weise verhält sich einiges anders, als ich es mir gedacht habe... Die progressive Tendenz der allge- meinen Profitraten zum Sinken ist also nur ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümlicher Ausdruck für die fortschreitende Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit

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Proletarische Revolution

im 143. Jahr der Pariser Kommune

revolutionär-kommunistische Zeitung in Österreich

Proletarier/innen aller Länder, vereinigt euch!

unabhängigvon Staat und Kapital

14. Jg.

Nr.55

Dezember 2013 Spendenempfehlung: 2,- Euro

Impressum:Medieninhaber, Herausgeber,

für den Inhalt verantwortlich

Kollektiv Proletarische Revolution

c/o Stiftgasse 8, 1070 Wienwww.prolrevol.wordpress.comwww.prolrevol.wordpress.com

Die Proletarische Revolution liegt in folgenden Buchhandlungen / Vereinslokalen auf (und ist dort auch käufl ich zu erwerben):

- Buchhandlung Frick, 1010 Wien, Schulerstrauchhandlung Frick, 1010 Wien, Schulerstrauchhandlung ße 1-3- Buchhandlung des ÖGB, 1010 Wien, Rathausstraße 21/Ecke Universitätsstraße- Literaturcafe Buchhandlung Lhotsky, 1020 Wien, Rotensterngasse 4/Ecke Taborstraße- Marxer Lesestube, 1030 Wien, Marxergasse 18- Buchhandlung Jauker, Sampogasse 4, 1140 Wien- Buchhandlung Alex, 4020 Linz, Hauptplatz 21- Buchhandlung Hacek, 9020 Klagenfurt, Paulitschgasse 5-7- Rotes Antiquariat, Rungestraße 20, D-10179 Berlin- Buchladen Georgi Dimitroff, Speyerer Straße 23, D-60327 Frankfurt/Main- M 99, Manteuffelstraße 99, D-10997 Berlin- Aufbau Buchvertrieb, Kanonengasse 35, 8004 Zürich

Kollektiv Proletarische RevolutionKollektiv Proletarische Revolution

Im Abo

kostet die PR für 1 Jahr

im Inland 20,- Sozialabo 15,-im Ausland 30,- Euro

Zeitungen, Sachbücher,Romane und vieles mehr

MARXER LESESTUBE

Vereinslokal desMARXER Literatur- und Studienklubs

A-1030 Wien, Marxergasse 18(Ecke Gärtnergasse,

5 Minunten von U3/U4 Landstraße)

Tel: 0681 / 10278815Filme: donnerstags 18.00 Uhr

(siehe Ankündigung auf der Innenseite)und nach Vereinbarung

Möglicher-weise

verhält sich einiges anders,

als ich es mir gedacht habe...

Die progressive Tendenz der allge-meinen Profitraten zum Sinken ist also nur ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümlicher Ausdruck für die fortschreitende

Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit

Alexander Grigoropoulos, am 6. Dezember 2008 in Athen von einem Polizisten erschossen,

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EditorialInhaltProfitrate

Profitsystem in der Bredouille Nöte der Bourgeoisie: Wachstum und InvestitionenSteigen die Profite? Finanzialisation der „Realwirtschaft“ Gewicht des Finanzsektors Ursachen und Triebkräfte Profitrate in Österreich Folgen? Revolutionäre Antwort oder kleinbürgerlicher Holzweg? Endnoten

Faktoren, die dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegenwirken

Mehrwert bzw. Mehrwertrate Profitrate Aneignung fremden MehrwertsErhöhung der Profitmasse Subventionen Fiktive Profite „Bilanzgestaltung“

Marx zum Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate

Besonderheiten des österreichischen Monopolkapitals

Geschichte der Profitrate in Österreich

Österreich

Widerlegung von 14 Lügen zum Pensionssystem

Krieg und Kriegsgefahr

Syrien: Imperialistischer AufmarschSpenden für das selbstverwaltete Rojava Französische Militärintervention in Zentralafrikanischer Republik

Demokratischer Kampf

Islamische Verschleierung

Volksbefreiungskampf

Offensive der Neuen Volksarmee Philippinen

Für neue Leser/innen:

Die „Proletarische Revolution“ erscheint seit 2001. Sie greift mit revolutionär-kommunistischen Positionen in aktuelle Kämpfe und in damit verbundene prak-tische und theoretische Auseinandersetzungen ein. So setzt sie die Tradition der von den Marxisten-Leninisten Österreichs 1963 gegründeten „Rote Fahne“ und der 1972 bis 1980 erschienen österreichischen (Wochen-) Zeitung „Klassen-kampf“ fort. Das Kollektiv Proletarische Revolution stellt sich die Aufgabe, durch die Verbindung der Erfahrungen und Lehren von nahezu 200 Jahren revolutionä-rer, internationaler Arbeiter/innen-Bewegung mit dem aktuellen Klassenkampf

in Österreich und weltweit einen Beitrag zu leisten zur Bewusst-machung und Revolutionierung der Arbeiter/innenklasse im heu-tigen Österreich.Die „Proletarische Revolution“ kämpft in der Tradition der inter-nationalen revolutionär-kommunistischen Bewegung. Diese hat sich vor einem halben Jahrhundert intensiv mit den Fehlern der Kommunistischen Partei der Sowjetunion auseinandergesetzt und ab Anfang der 1960er Jahre einen scharfen Kampf gegen die Weg-bereiter des bürokratischen Staatskapitalismus in der Sowjetunion

geführt. Die theoretische und praktische Verteidi-gung einer marxistisch-leninistische Generallinie für die Weltrevolution hat damals zur Gründung neuer, revolutionär-kommunistischer Zeitungen und Parteien geführt, die sich an der chinesischen Kulturrevolution unter Mao Zedong orientierten. Das Kollektiv Proletarische Revolution geht davon aus, dass ohne positive Berücksichtigung der the-oretischen und praktischen Leistungen der chine-sischen Kulturrevolution die Theorie und Praxis der revolutionären kommunistischen Bewegung nicht entsprechend den aktuellen Anforderungen des revolutionären Klassenkampfs weiterentwi-ckelt werden können. Die „Proletarische Revolution“ bringt in 4 bis 6 Ausgaben jährlich sowohl agitatorische und pro-pagandistische Aufrufe, Stellungnahmen und Redebeiträge zu aktuellen Kämpfen als auch wissenschaftliche Untersuchungen, Analysen und Thesen von österreichischen und international re-levanten Parteien und Organisationen der revolu-tionären kommunistischen Weltbewegung.

Die „Proletarische Revolution“ ist unabhängig von Staat und Kapital und finanziert sich ausschließlich aus Spen-den, Abo-Einnahmen und anderen freiwilligen Beiträgen. Abo-Bedingungen siehe Umschlag hinten!Die „Proletarischen Revolution“ kann als pdf-Datei im Netz unter <prolrevol.wordpress.com> heruntergeladen werden.

Kollektiv Proletarische Revolution

Proletarische Revolution

im 143. Jahr der Pariser Kommune

revolutionär-kommunistische Zeitung in Österreich

Proletarier/innen aller Länder, vereinigt euch!

unabhängigvon Staat und Kapital

14. Jg.

Nr.53

September 2013 Spendenempfehlung: 2,- Euro

Impressum:Medieninhaber, Herausgeber,

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Kollektiv Proletarische RevolutionKollektiv Proletarische Revolution

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im Inland 20,- Sozialabo 15,-im Ausland 30,- Euro

Wir danken den Künstler/innen der NDF Philippinen für die schönen kämpferischen Bilder!

Im HUNGERSTREIK Yusuf seit 1. AugustÖzgür seit 3. August

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Kaum ist die neue bürgerliche Regierung angelobt, wer-den Einzelheiten über Raubangriffe auf die Arbeiter/innen und kleinen Angestellten bekannt. Höhere Ver-brauchssteuern auf Benzin und Tabak. Senkung der Bei-träge der Kapitalisten (vom kleinen Unternehmen bis zum Großkonzern) zu den Sozialabgaben („Lohnnebenkos-ten“). Zugleich wird die Wissenschaft jetzt offiziell der Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung unter-stellt (jetzt im „Wirtschaftsministerium“). Zum Augen-auswischen ein paar Vergünstigungen für die Kinder: Die Familienbeihilfe wird ein bissl erhöht und Kinder kriegen Zahnspangen gratis – aber Zahnkronen, Implantate usw. müssen wir – wie Brillen - weiterhin bar bezahlen. Die Krankenhauskosten werden auf dem Rücken des Pflege-personals „saniert“, ebenso wie die Bildungsausgaben auf Kosten der Lehrer/innen. Und vor allem die Drohung: Bis 2016 wollen sie wieder einmal ein „Nulldefizit“ auf dem Rücken der Arbeiter/innenklasse durchboxen. Da muss vor allem bei den Pensionen heftig weiter gekürzt werden…

Mit diesen Zeilen beginnt das IA.RKP-Flugblatt zur Regie-rungsbildung Mitte Dezember (siehe: iarkp.wordpress.com). Der Schwerpunkt dieser Ausgabe Nr.55 der „Proletari-schen Revolution“ ist aber das Profitsystem, konkret am Beispiel Österreich. Dabei beleuchten wir nicht nur die Entwicklung der Profite wichtiger Aktiengesellschaf-ten (soweit die Zahlen nicht geheim gehalten werden, wie bei Siemens), sondern stellen uns z.B. auch die Fra-ge, ob die Profite aus dem „Betriebsergebnis“ oder dem „Finanzergebnis“ (also aus der Produktion oder der Spekulation) stammen und vergleichen die Zahlen über die vergangenen Jahrzehnte. Eigene Beiträge be-handeln den tendenziellen Fall der Profitrate und die entgegenwirkenden Faktoren. Warum soviel Theorie? Weil wir ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis entwickeln können! (Auch du, nicht, du verkapp-ter Sponti!) Ein bissl Kenntnis der marxistischen Begrif-fe - Mehrwert(rate), Profit(rate), konstantes, fixes und variables Kapital usw.- erleichtert sicher das Verständnis der Texte. Dazu empfehlen wir die „Marxistische Arbei-terschulung – Politische Ökonomie“ im Neuen ISP-Verlag Köln oder das dünne Heft „Grundbegriffe der politischen Ökonomie“ aus der Marxer Lesestube in Wien.

Im letzten Drittel der Ausgabe bringen wir Beiträge aus der Agitprop der letzten Monate, einerseits zum Krieg des Kapitals gegen soziale Errungenschaften (14 Lügen zum Pensionssystem), andererseits zum Truppenauf-marsch um Syrien und zur Militärintervention Frankreichs in Zentralafrika. Schließlich noch einen aktuellen Artikel eines iranischen Exil-Aktivisten in Schweden zur islami-schen Verschleierung.Als Beilage findet ihr ein Stichwortverzeichnis zu allen bisher erschienenen Ausgaben der „Proletarischen Revo-lution“ (und ihrer Vorläufer seit 1993).

Und allen Kapitalisten und ihren Lakaien wünschen wir: Merry crisis and a happy new fear! We will overcome!

P.S. Die unleserliche Handschrift am Titelblatt ist von Karl Marx, „Das Kapital“.

Kollektiv Proletarische Revolution

FILME

in der Marxer Lesestube

Beginn jeweils Donnerstag um 18.00 Uhr

19.12. Film zur Diskussion: Schrei im Dezember (Alexandros Grigoropoulos, 15 Jahre, erschossen von einem Polizisten am 6.Dez. 2008 in Athen)

16.1. Film zur Diskussion: Weather Underground (Stadtguerilla in den USA 1970-77)

30.1. Texte zur Diskussion: Proletarische Revolution 55 (Dez.2013) - Ausflug in die Geschichte der Profitrate in Österreich

20.2. Film zur Diskussion: Sobibor, 14.Oktober 1943, 16 Uhr (Yehuda Lerner war 16 Jahre alt und bereits aus acht Lagern geflohen, als er dem SS-Aufseher Graetschus mit einer Axt den Schädel spaltete. Er handelte im Rahmen eines Aufstandsplans einer Gruppe Häftlinge im Lager Sobibor ...)

13.3. Film zur Diskussion: Angela Davis (Black Panther Party USA 1970)

10.4. Film zur Diskussion: Edelweiss-Piraten (Rebellische Jugend in Köln 1944)

15.5. Film zur Diskussion: Volkskrieg - ein Heimatfilm (Spielfilm Flucht, Österreich 2011)

12.6. Film zur Diskussion: Der 2. Juni 1967 (Der Tod von Benno Ohnesorg und der Freispruch des Polizisten Kurras)

Spenden für das selbstverwaltete Rojava an: Heyva Sor a Kurdistane, Schäferstr.4 53859 Niederkassel, Deutschland, Kreissparkasse Köln, Neumarkt 18-24, IBAN: DE49 370 502 990 004 010 481, BIC/SWIFT: COKSDE33, Zweck: ICOR-ROJAV

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Proletarische Revolution 55

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„Die Reichen werden immer reicher“ und es ver-stärkt sich die „Kluft zwischen arm und reich“. Daran gibt es keinen Zweifel. Sogar die Bour-geoisie jammert schon in gewissem Maß darü-ber bzw. lässt ihre Medien und „Sozialpartner“ darüber jammern. Sie hat dafür ihre Gründe, denn zu viel des für sie Guten könnte auf län-gere Sicht den Aberglauben an unsere „freie Marktwirtschaft“ unterminieren. Und weil das so ist, muss Ablenkungs- und Verschleierungs-propaganda gemacht werden: „Eine Reichen-steuer muss her!“ oder „Reiche zur Kasse!“. Von SPÖ und Grünen bis zu vorgeblich „kommunis-tischen“ Initiativlern und trotzkistischen Refor-misten wird gegen „die Reichen“ gepoltert und die „Umverteilung von oben nach unten“ als probates Mittel gegen die „Ungleichheit“ aus-gegeben. Das ist nur Sand in die Augen, manch-mal auch in die eigenen.

Es beginnt schon mit den „Reichen“. Wer sind die „Reichen“? Offensichtlich kann es sich da-bei, abgesehen von dem einen oder anderen Toto- oder Lotto-Gewinner, nur um Kapitalisten handeln, also um Leute, die direkt oder indirekt Profit aus der Ausbeutung der Arbeiter/innen-klasse ziehen, oder um solche, die das Resultat eben dieser Ausbeutung geerbt haben, oder al-lenfalls noch um solche, welche die Bourgeoisie - als ihre Offiziere und Unteroffiziere - an die-ser Ausbeutung teilhaben lässt. Wieso spricht man das nicht klar aus? Wie zeitgeistkonform es doch ist, sich über die „Reichen“ zu empören, ohne das Wort „Kapitalisten“ in den Mund neh-men zu müssen, sich über den Reichtum dieser Kerle aufzuregen, aber den eigentlichen Kern der Sache, das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln, Banken, Handelsketten etc. und die Notwendigkeit ihrer Enteignung zu „vergessen“. Oder es allenfalls beiläufig zu er-wähnen, aber jedenfalls nicht ins Zentrum der Angelegenheit zu stellen. Wer aber auf diese Weise das Problem in den Verteilungsverhältnis-sen ansiedelt statt in den Produktions- und Ei-gentumsverhältnissen, der betreibt, so gut er es vielleicht meint, Bourgeoispropaganda zur Ver-schleierung der wahren Ursachen der Misere.

Folgt man dem reformistischen Weltbild, geht es der österreichischen Bourgeoisie prächtig: Milliardenprofite des Kapitals, immer mehr Mil-lionäre und Milliardäre, Profitscheffeln auch aus der Finanzspekulation, gute Positionierung in der internationalen Konkurrenzschlacht, auch politisch fest im Sattel, kurzum ein wahres Pa-

radies für die herrschende Ausbeuterklasse. Es stellt sich allerdings die Frage: Warum arbeiten sie dann mit solchem Nachdruck an der Steige-rung der Ausbeutung, an der weiteren „Dere-gulierung“ des Arbeitsmarkts, an der Aushöh-lung und Zerstörung des Sozialsystems, des Gesundheitswesens usw.? Warum daran, auch in Österreich die industrielle Reservearmee von Arbeitslosen, Prekären, Leiharbeitern auszubau-en? Sie wissen doch, dass sie damit auf Dauer den „sozialen Frieden“, der sich für sie bisher tausendfach rentiert hat, und ihre „Sozialpart-nerschaft“ untergraben. Warum bauen sie den Polizeistaat immer weiter aus? Warum treiben sie die „Profilschärfung“ des Bundesheeres auch für Einsätze im Inneren voran? Worüber sind sie beunruhigt, wovor haben sie Angst? Wenn es ihnen so prächtig ginge, hätten sie doch auch in Zukunft alle Mittel in Händen, um den Klassen-widerspruch zu dämpfen und jede klassenkämp-ferische Bewegung unter Kontrolle zu halten. Zugegeben, etliche von ihnen hat die jüngste Krise erwischt, darunter einige ganz schön hef-tig, z.B. die insolvente Alpine Bau, auch die eine oder andere Bank, und sie wissen natürlich, dass das nicht die letzten Krisenopfer in ihren Reihen sind. Alle, auch die, denen es derzeit (noch) gut geht, sorgen sich um die Zukunft ihrer Profite angesichts der Dauerdepression, aus der die Ka-pitalverwertung seit Jahren nicht herauskommt. Es muss sie in tiefster Seele eine fundamentale Sorge um den Fortgang ihres kapitalistischen Werkels plagen. Heute wird diese Sorge vor al-lem gespeist durch ihre inzwischen, im sechsten Krisenjahr, offensichtliche völlige Unfähigkeit, aus der Wirtschafts- und Finanzkrise herauszu-kommen. Wenn in diesem Zusammenhang auf das Schwächeln der „Wachstumslokomotiven“ China, Indien, Brasilien etc. hingewiesen wird („gänzlich unerwartet“, als ob es dort nicht ebenfalls Kapitalismus, Wirtschaftszyklen, Spe-kulationsblasen und Krisen gäbe) oder auf die plötzlich wie eine Geißel Gottes vom Himmel gefallene „Schuldenkrise“, heißt das bloß, den Finger nur auf einige Symptome der Krise des Kapitalismus zu legen, nicht aber auf diese Kri-se selbst. Erheblich verschärft werden die bour-geoisen Sorgenfalten durch den teilweise uner-wartet heftigen und anwachsenden Widerstand der Arbeiter/innenklasse einiger europäischer Länder gegen das kapitalistische „Krisenma-nagement“ (v.a. in Griechenland, Spanien, Por-tugal, teilweise auch Italien, aber in kleinerem Maß auch in den in kapitalistischem Sinn noch relativ gut dastehenden Ländern wie Frankreich

Die Reichen werden immer reicher - und doch ist ihr Profitsystem in der Bredouille

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und teilweise sogar Deutschland). Für eine der-art tiefe und seit Jahren andauernde Krise, wie wir sie seit 2008 erleben, muss es jedenfalls tie-fe, immanente, d.h. im System selbst liegende (und daher auch nicht im Rahmen dieses Sys-tems behebbare) Ursachen geben. Das streiten die Bourgeois in der Öffentlichkeit natürlich ab, aber in ihrem tiefsten Inneren spüren sie dieses „Problem“ doch, jedenfalls die helleren Köpfe in ihren Reihen.

Nöte der Bourgeoisie bezüglich Wachstum und Investitionen

Das Werkel der Profitmacherei stottert seit Jah-ren. Deshalb sehnt sich die Bourgeoisie so in-brünstig nach dem vielgerühmten „Wachstum“. Wachstum aus dem Mund des Bourgeois heißt natürlich nicht etwa Wachstum der Löhne oder Pensionen oder eine Verbesserung des Sozialsys-tems oder ein Mehr an Jobs, sondern einzig und allein Wachstum der Kapitalverwertung und des Profits. Aber das Wachstum lässt zu wün-schen übrig. Die jährlichen Wachstumsraten des österreichischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) 1 zeigen - und zwar durch alle Konjunkturzyklen hindurch! - eine anscheinend unablässige und unentrinnbare Tendenz nach unten. Wir stellen in Grafik 1 neben die jährlichen Wachstumsra-ten auch fünfjährige gleitende Durchschnitte 2, was Zacken glättet und damit den Trend deut-licher macht.

Was ist die Ursache für das tendenziell im-mer schwächere Wachstum oder, anders aus-gedrückt, für die Tendenz zu Stagnation und Dauerdepression 3 - nicht nur in Krisenzeiten, sondern selbst in Zeiten, wo eigentlich zwi-schendurch auch einmal ein Aufschwung oder wenigstens eine „Erholung“, die den Namen verdient, erwartet werden könnte? Dafür gibt es einige Faktoren, die sich gegenseitig bedin-gen und beeinflussen. Da ist einmal - aus refor-mistischer Sicht die „Hauptursache“ - die Seite des privaten Konsums, d.h. die Lohndrückerei, die wachsende Prekarität und Arbeitslosigkeit, weiters die Spar- und Sanierungspolitik des Staates, die horrenden Kosten der „Bankenret-tungen“ und anderer Krisenpakete, mit denen das Kapital „gerettet“ bzw. sein Profit subven-tioniert wurde, usw. Eine Zeitlang können dort oder da auch Exportzuwächse den Mangel an Binnennachfrage kompensieren, aber wo es Ex-portweltmeister gibt, muss es bekanntlich auch Importweltmeister geben, deren Wirtschaft eben dadurch kaputtgemacht wird und die da-her bald als Abnehmer auslassen werden.

Der elementarste Krisenfaktor liegt aber nicht auf der Nachfrage-, sondern auf der Produktions-seite. Es herrschen massive Überproduktion und vor allem massive Überakkumulation (= latente Überproduktion). Überkapazitäten im Vergleich zur Größe des Marktes, wohin man schaut, und infolgedessen stotternde Investitionen. Aber

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Wachstumsraten des österreichischen BIP

jährliche Wachstumsraten gleitende Durchschnitte 5 JahreGrafik 1Quelle: AMECO-Datenbank der Europäischen Kommission/ gross domestic product

Profitsystem

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Proletarische Revolution 55

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nur Investitionen, d.h. Kapitalakkumulation auf stets erweiterter Stufenleiter, ermöglichen ka-pitalistisches Wachstum, d.h. Profitwachstum, in halbwegs nachhaltiger Weise. Nur wenn die Investitionen wachsen bleiben Mehrwertpro-duktion und damit der Profit in Fahrt und damit das kapitalistische Werkel überhaupt. Das ist ein immanentes Gesetz der Kapitalakkumula-tion, das sich über die Konkurrenz, in interna-tionalem Maßstab, vermittelt. Deshalb sind die Investitionen, und zwar diejenigen in die „Real-wirtschaft“ (nicht solche in Finanzblasen!), das Um und Auf. Und genau hier sieht es besonders schlecht aus: die Investitionen lahmen. Grafik 2 zeigt die Nettoanlageinvestitionen, also die In-vestitionen, die den Anlagekapitalstock „netto“ vergrößern 4.

Die Grafik spricht für sich. Nach kontinuierlichem Anstieg bis etwa 1990 erschlafft die „unterneh-merische Dynamik“. Es folgten wilde Spekula-tionsblasen der „new technologies“ und eines schon damals komplett aus dem Ruder laufen-den Banken- und Finanzsektors und nach dem - gerade wegen und nur dadurch produzierten - Rekordniveau von 1999 - wie im Lehrbuch! - der Plumps in die Krise 2001. Danach kamen die Investitionen nie mehr richtig in Fahrt. Sie düm-pelten auf stagnierendem Niveau dahin - bis zum nächsten, noch schwereren Kriseneinbruch 2008/09. Die „Erholung“ von 2011/12 war nur ein Strohfeuer 5, seither krebsen die Investitio-

nen wieder auf relativ niedrigem Niveau dahin. Denkt man sich in den rechten Teil dieser Grafik, das wäre ab 1999, eine Trendlinie hinein, sieht man, dass es bergab geht. Die „Dynamik“ der Investitionen wird immer schwächer. Dabei re-den wir hier von nominellen (nicht inflations-bereinigten) Werten; rechnete man die Preis-steigerungen heraus, lägen die Werte häufig im negativen Bereich. In diesen Jahren ist der Anlagekapitalstocks real geschrumpft.

Aber warum ist das so? Wegen der „gedämpften Stimmung“ der Kapitalisten, ihres zu geringen Optimismus? Wegen zu geringer Risikobereit-schaft und zu wenig punch? Weil „das Kapital ein scheues Reh (ist)“, wie der Präsident der Indus-triellenvereinigung einmal meinte? Es liegt ba-

nal daran, dass es tatsächlich immer schwieriger wird, mit Investitionen in die „Realwirtschaft“ den erwarteten (und von den „Märkten“ des Geldkapitals geforderten) Profit zu machen. Es gibt ja fast überall Überkapazitäten, in einigen Branchen riesige, z.B. in der Stahl- oder in der Automobilbranche. Sollen sie außer den heute schon überflüssigen, teilweise sogar stillstehen-den (darunter einige nagelneu errichtete!) noch ein paar neue Autowerke dazu bauen und die Überkapazitäten damit weiter erhöhen? Zwar werden immer noch neue Autowerke gebaut, v.a. in den USA (nachdem dort 2008 und in den Folgejahren die dortige Autoindustrie dezimiert

Grafik 2Quelle: AMECO-Datenbank der Europäischen Kommission/ net fixed capital formation

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Entwicklung der Nettoanlageinvestionen 1960 bis 2012

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wurde) und in China, aber das zielt vor allem dar-auf, die dortigen Konkurrenten auszustechen. Das Gesamtproblem der Branche, eine gewalti-ge Überkapazität, wo - trotz vieler Werksschlie-ßungen (v.a. in den USA) - nach wie vor, genau wie vor dem Krach 2008, einer installierten Pro-duktionskapazität von etwa 95 Millionen PKW ein jährlicher Absatzmarkt von 60 Millionen ge-genübersteht, wird dadurch nur verschärft. Der wirklich große Krach steht dieser Branche noch bevor. Vielleicht hat er schon begonnen, darauf deuten die radikalen Zusperrpläne z.B. von PSA (Peugeot), General Motors (Opel) und Fiat hin, die seit 2012 umgesetzt werden. Insgesamt hat die globale Automobilindustrie für die aller-nächste Zeit die Schließung von 16 Werken in Europa angekündigt, viele davon bis 2014 6. Die Überakkumulation macht die Profitabilität von neuen zusätzlichen Investitionen immer fragli-cher und diese daher immer riskanter.

Deutlich auch die Aussage der Grafik 3, die den Anteil der Nettoanlageinvestitionen am BIP dar-stellt. Da das BIP, das ja alles Mögliche abbildet und nicht nur die „Realwirtschaft“ 7, immer noch stärker wächst als die Nettoanlageinvestitionen, sinkt logischerweise deren Anteil am BIP. Die-sen Anteil nennt die bürgerliche „Wirtschafts-wissenschaft“ die „Investitionsneigung“ einer Wirtschaft und von ihr hängt, wie man in jedem Lehrbuch dieser „Wissenschaft“ nachlesen kann, das Wohl und Wehe einer Volkswirtschaft ab. Sie hat sich in Österreich seit den 1990er Jahre von 10% des BIP auf etwa 5% halbiert(!).

Das heißt aber, dass ein immer kleiner werden-der Teil der volkswirtschaftlichen „Wertschöp-fung“ in die erweiterte Reproduktion, d.h. in die Akkumulation des Kapitals der „Realwirt-schaft“ fließt (und, wie wir wissen, dafür ein im-mer größerer in die „Akkumulation“ von fikti-vem Kapital, in den aufgeblasenen Überbau von „Finanzinvestments“, die sich früher oder später als „heiße Luft“ entpuppen). Wo soll dann aber auf Dauer der steigende Profit und damit Reich-tum herkommen? Der wirkliche Reichtum einer Gesellschaft kommt nur aus der wirklichen Ak-kumulation, nicht aus der Anhäufung fiktiven Kapitals. (vgl. PR 42)8

Zusammenfassend: Wir sehen vor uns eine Wirtschaft, die zwar in Pracht und Herrlichkeit als „dynamischer“ Kapitalismus daherkommt, die aber in ihrem Inneren allmählich verfault. Das was einzig und allein „Dynamik“ bringen könnte sind nun einmal die Investitionen in die „Realwirtschaft“, denn nur dort wird wirklich Wert und Mehrwert produziert. „Investitionen“ in Finanzprodukte sind nur fiktiver Überbau, auch sie können eine Zeitlang einen scheinba-ren Boom (der „Märkte“), sogar ein gewisses Wachstum des BIP und natürlich dem einzelnen Kapital Profit bringen, aber eben nur eine Zeit-lang und nur in dem Maß, in dem es sich Profit aneignen kann, der den im produktiven Sektor erzeugten Mehrwert zur Grundlage hat. Und genau diese Grundlage wird systematisch ero-diert und unterspült, wenn stagnierende oder sogar sinkende Investitionen den verfügbaren Mehrwert beschränken.

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Anteil der Nettoanlageinvestitionen am österreichischen BIP

Grafik 3Quelle: AMECO-Datenbank der Europäischen Kommission/ gross domestic product, net fixed capital formation

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Allerdings wird das Bild erst vollständig, wenn wir auch den Kapitalexport (soweit er in Direk-tinvestitionen ins Ausland besteht) mit beden-ken, denn auch das sind (jedenfalls teilweise) reale Investitionen. Wäre es denkbar, dass die

inländischen Investitionen nur deshalb lahmen, weil so viel im Ausland investiert wird? Ausland-sinvestitionen saugen zweifellos einen Teil des für Investitionen insgesamt verfügbaren Kapi-tals auf. Ist vielleicht die schwächliche Verfas-sung der inländischen Anlageinvestitionen nur eine scheinbare Misere und eigentlich nur Ge-genstück wachsenden Kapitalexports?

In der Tat weist die o.a. Statistik als Anlageinves-titionen nur Investitionen im Inland aus (analog dazu, wie ja auch die gesamte „Wertschöpfung“ der bürgerlichen Statistik (Bruttoproduktions-wert, Bruttoinlandsprodukt ...) nur den Inlands-bereich abdeckt. Das ist - gerade unter Bedin-gungen globalisierter Monopole - nicht falsch, sondern durchaus sinnvoll, denn es zeichnet ein Bild des inneren Zustandes einer Volkswirtschaft und dieser ist eben auch Basis und festes Kern-stück jeder Expansion nach außen. Wenn oder sobald es keine solide Grundlage im Inneren gibt, ist auch die Expansionskraft einer Bour-geoisie dahin, jedenfalls auf längere Sicht, trotz zeitweiligen Überspielens der Probleme durch

Profit und Extraprofit aus dem Kapitalexport 9. Grafik 4 stellt gegenüber einerseits den Kapita-lexport in Form von Direktinvestitionen ins Aus-land und andererseits die Bruttoanlageinvestiti-onen im Inland 10.

Man sieht die kontinuierliche Zunahme der Di-rektinvestitionstätigkeit ins Ausland bis 2006, man sieht, wie sie unmittelbar vor dem Krach hochschnellt - und mit dem Krach einbricht. Der ganz aus der Reihe tanzende Ausreißer von 2007 (fast eine Verdoppelung!) und der anschließen-de heftige Rückschlag zeigen, dass es sich bei dem spektakulären 2007er Rekord um eine spe-kulationsgetriebene Blase handelte, die auch viel heiße Luft mit eingeschlossen hatte. Aber der starke und sich lange Jahre hin beschleu-nigende Anstieg des Kapitalexports seit Mitte der 1990er Jahre ist eine Tatsache und damit ist zweifellos Kapital für die inländische Inves-titionstätigkeit abgezogen worden. Die Grafik zeigt allerdings auch, dass das relative Gewicht der Auslandsinvestitionen im Vergleich zu den inländischen zwar groß ist und steigend, aber so gewaltig groß auch wieder nicht, dass sie alles „investitionsgeneigte“ Kapital aufsaugen wür-den. Es liegt - abgesehen von dem Ausreißer 2007/08 - stets zwischen 20% und 30% der in-ländischen Investitionen. Dazu kommt, dass ein erheblicher Teil dieser Auslandsinvestitionen auf

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Österreichischer Kapitalexport und Bruttoanlageinvestitionen

Kapitalexport Bruttoanlageinvestitionen

Grafik 4Quellen: UNCTAD/ foreign direct investments (flows) sowie AMECO-Datenbank der Europäischen Kommission/ gross fixed capital formation

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Investitionen in unproduktiven Bereichen (Ban-ken, Versicherungen, Handel, Immobilienspeku-lation...) entfallen und dass sie oft überhaupt keine Anlageinvestitionen sind, sondern z.B. Kaufpreise für Banken- und Firmenübernah-men, die zu einem Teil gar keinen realen Bezug haben, sondern nur zukünftige Profiterwartun-gen reflektieren und somit Investitionen in fik-tives Kapital sind. Das ist auch der Grund dafür, dass die Auslandsinvestitionen, wie man deut-lich in der Grafik sieht, sehr viel instabiler und volatiler (stärker schwankend) sind. Sie können, so entscheidend wichtig sie für den Gesamtpro-fit des Kapitals sind, eine „solide“ Entwicklung der Inlandsinvestitionen keinesfalls ersetzen. Daher schafft, alles in allem genommen, der Kapitalexport die Tendenz zur Abflachung und Stagnation der Nettoanlageinvestitionen nicht aus der Welt und entkräftet der Hinweis auf sie nicht unsere Analyse.

Steigen die Profite vielleicht trotzdem?

Wieso, wodurch, auf welcher Grundlage wächst dann aber der kapitalistische Reichtum? Wenn die Reichen immer reicher werden - findet das eine Grundlage im Wachstum der Profite? Wach-sen diese trotz Krise und Tendenz zu Stagnation und Depression? Ziehen sich die Kapitalisten vielleicht aus einem mehr oder weniger stag-nierenden und manchmal sogar schrumpfenden

BIP und trotz lahmender Investitionen trotzdem immer höhere Profite aus dem Kapitalkreislauf? Wenn ja, wie? Faktoren, die in diese Richtung wirken, gibt es in der Tat: Verschärfung der Aus-beutung der eigenen Arbeiter/innenklasse und der Ausplünderung des Volkes, immer stärkere „Entlastung“ und direkte Subventionierung der Profite durch den Staat, die Ausplünderung der EU-Neokolonien in Ost- und Südosteuropa, die Plünderung der Rohstoffe und anderer Ressour-cen in den neokolonial abhängigen Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas, darunter auch der Arbeitskräfteressourcen ... Das alles fettet die „zu Hause“ erwirtschafteten Profite massiv auf. Aber reicht das?

Wie haben sich die Profite bzw. Profitraten in den letzten paar Jahren entwickelt? Da man zur deren Untersuchung detaillierte Daten aus den Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen braucht, diese aber nur bei Firmen verfügbar sind, die nach dem Aktienrecht oder halbwegs vergleichbar und detailliert bilanzieren, be-schränken wir uns hier auf die österreichischen Aktiengesellschaften 11.Wir sehen in Grafik 5 die Profitrate 12 unmittel-bar bis vor dem Kriseneinbruch 2008 hochziehen, dann heftig einbrechen, aber sich 2010 schon wieder prächtig erholen. Wie ist das möglich in einer Situation sehr schwachen Wachstums, um nicht zu sagen von Stagnation und Depression?

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Profitrate der österreichischen Aktiengesellschaften

Grafik 5Quelle: Statistik Austria/ Statistik der Aktiengesellschaften 2001 - 2010/ Allgemeine Aktiengesellschaften (also ohne Bank-aktiengesellschaften).

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Aus der „Realwirtschaft“, aus den wirklichen Profiten, kann man das jedenfalls nicht erklä-ren. Natürlich steigt die Ausbeutung, steigen die staatlichen „Entlastungen“ und Subventi-onen, steigen die Plünderungsprofite aus dem Kapitalexport etc. - aber können diese Faktoren die miserable Gesamtlage kompensieren?

Wachsende Finanzialisation der „Realwirt-schaft“

Die jüngste Entwicklung der Profitrate hat engs-tens mit der sog. Finanzialisation 13 zu tun, Fi-nanzialisation auch der „Realwirtschaft“. Das bedeutet, dass sich die Kapitalisten ihre Pro-fitrate dadurch aufbessern, dass sie zunehmend ins „Finanzgeschäft“ gehen und sich relativ we-niger um Mehrwerterzeugung und selbst Mehr-wertumverteilung in der Zirkulationssphäre kümmern, als um eine solche in der Finanzsphä-re. Kurzfristig ist das auch durchaus ein proba-tes Mittel, auf Dauer beschleunigen sie dadurch aber den Prozess, sich das eigene Grab zu schau-feln. Grafik 6 spricht eine klare Sprache. Wir sehen das (hellblaue) Betriebsergebnis bis 2007, also in den drei Jahren vor dem Krach, ansteigen und mit der Krise ab 2008 einbrechen. Wir sehen aber das (violette) Finanzergebnis 14 im selben Zeitraum wesentlich stärker steigen. Während

sich das Betriebsergebnis 2001-2007 nicht ein-mal verdoppelt, steigt das Finanzergebnis auf das 12fache: lag es 2001 noch bei 0,6 Mrd. €, so 2007 schon bei 6,2 Mrd. €. 2006 und 2007 leiste-te das Finanzergebnis einen höheren „Ergebnis-beitrag“ als das Betriebsergebnis. Es folgte 2008 der Krach, das Betriebsergebnis brach massiv ein, während das Finanzergebnis überhaupt auf Null abstürzte. Besonders bemerkenswert ist allerdings das letzte Jahr dieser Statistik, 2010, das eine regelrechte Explosion des Finanzer-gebnisses auf bisher nie dagewesene 7,2 Mrd. € brachte. Der „Ausweg aus der Krise“, der den Firmen wieder schöne Gewinne und steigende Aktienkurse brachte, bestand maßgeblich im neuerlichen Ankurbeln des „Finanzgeschäfts“. Die Kongruenz der Grafiken 5 und 6 springt ins Auge: Die Jahre mit einem überdurchschnittli-chen Anstieg der Profitrate sind auch die Jahre mit einem überdurchschnittlich hohen Finanzer-gebnis; das Krisenjahr 2008 dagegen mit seinem Einbruch der Profitrate ist auch das Jahr des voll-ständigen Wegbrechens des Finanzergebnisses.

Immer größere Teile des Profits 15 kommen nicht mehr aus dem „eigenen“ und „eigentli-chen“ Grundgeschäft dieser Firmen. 2001 war der Beitrag des Finanzergebnisses zum Ge-samtergebnis noch 20%, 2010 schon über 60%. Ein immer größerer Teil des Profits, 2010 weit

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Betriebs- und Finanzergebnis der österreichischen Aktiengesellschaften

Betriebsergebnis FinanzergebnisGrafik 6Quelle: Statistik Austria/ Statistik der Aktiengesellschaften 2001 - 2010/ Allgemeine Aktiengesellschaften (also ohne Bank-aktiengesellschaften).

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mehr als die Hälfte, stammt nicht aus dem selbst produzierten Mehrwert und nicht einmal aus dem im Rahmen des Grundgeschäfts über den Markt umverteilten Mehrwert, sondern daraus, dass man in der Finanzsphäre Profit macht, in Form des Einstreichens von Zinsen, Dividenden, Kursgewinnen, Gewinnen aus dem Handel mit Beteiligungen, aus sog. „Venture Capital“ und aus Spekulation mit Finanzprodukten aller Art. Woher kommt dieser Profit, soweit er keine Ba-sis in selbst produziertem Mehrwert findet? Es kann nur entweder Aneignung fremden Mehr-werts sein, Mehrwert, den man anderen, häufig schwächeren Kapitalisten, häufig aus schwäche-ren Ländern, abjagt oder Vorgriff auf zukünftig noch zu produzierenden Mehrwert, wie er sich in der Finanzsphäre als fiktives Kapital ausbildet.

Nun ist es aber - das ist eine Art von „Rache des Montezuma“ - so, dass diese Sorte von oft spek-takulärer Reichtumszunahme, die von Börsen-kursen, „Bewertungsansätzen“, Preisen diverser Finanzprodukte usw. abhängt und sich, wenn es „besonders gut läuft“, in Phantasie“werten“ und Spekulationsblasen darstellt, eben auch nicht sehr „nachhaltig“ ist. Wenn z.B. der Kurs der Strabag-Aktie auf ein Drittel fällt, ist nicht nur der „Firmenwert“ nur mehr ein Drittel „wert“, sondern drittelt sich auch der diesbe-zügliche Reichtum des Herrn Haselsteiner 16. Wenn - mit großem Trara in der bürgerlichen und reformistischen Presse! - im Jahr 2012 „die Zahl der Millionäre wieder um 7% stieg“, dann war das banal wegen des Anstiegs der Börsen-kurse und wegen der schon ziemlich überdehn-ten Immobilienblase. Nächstes Jahr kann das wieder weg sein, denn irgendwann platzt die Immobilienblase in Wien und anderen Städten und irgendwann entdecken die „Märkte“, dass die Aktienkurse auf Dauer nicht boomen kön-nen, wenn alles das, woher der Profit kommt und daher auch die Dividenden, nicht steigt. Im Aktienkurs wird der erwartete zukünftige Pro-fit vorweggenommen, wenn dieser aber dann nicht kommt, kracht irgendwann der Kurs. Wenn der Reichtum aus heißer Luft besteht, ist er eben nicht sehr beständig. Damit der Reich-tum der Bourgeoisie wirklich und dauerhaft wüchse, müssten die wirklichen Profite wach-sen, nicht bloß fiktive „Finanzgewinne“ und die Spiegelungen der wirklichen Akkumulation in Börsenkursen und fiktiven „Werten“ fiktiver Fi-nanzprodukte. Natürlich ist es empörend, „dass den 77.600 Millionären ein Drittel des gesamten Privatvermögens gehört ... und die Zahl dieser Millionäre sich 2012 in Österreich um 7% ver-

größerte „ (Arbeiterkammer) - aber zugleich ist es doch so, dass das nicht unbedingt irgen-detwas Relevantes für Arbeiter/innenklasse und Volk geändert hat. Übrigens interessiert uns als Kommunisten nicht nur und gar nicht in erster Linie das „Privatvermögen“ dieser Kerle (in ih-ren Stiftungen etc.), sondern das gesamte kapi-talistische „Betriebsvermögen“, das sie beherr-schen oder an deren Beherrschung sie beteiligt sind, und das natürlich ebenfalls kapitalistisches Privateigentum darstellt, auch wenn sie persön-lich keinen unmittelbaren Verprassungsnutzen daraus ziehen.

Wachsendes Gewicht des Finanzsektors

Das - eben dargestellte - wachsende Gewicht des Finanzgeschäfts im „Nicht-Finanz-Sektor“ ist eine Sache, das wachsende Gewicht des Fi-nanzsektors in der Volkswirtschaft eine zweite (Grafik 7).

FIRE steht in Grafik 7 für „Finance, Insurance, Real Estate“ und bezeichnet den Finanzsek-tor im weiten Sinn, d.i. vor allem einmal den Banken- und Versicherungssektor sowie den Immobiliensektor (der in dieser Definition nur Handel und Vermietung von bzw. Spekulation mit Immobilien samt dem zugehörigen Bauträ-gergeschäft zum Gegenstand hat, nicht aber Errichtung und Bau selbst, und daher ebenfalls im Wesentlichen ein reines Finanzgeschäft ist). Genau genommen müsste man auch die diesen Sektoren zuarbeitenden sonstigen Dienstleis-tungsbereiche dazunehmen, aber das sparen wir uns hier, obwohl es den Trend verstärkt zeigen würde. Der Banken- und Versicherungs-sektor wuchs im Zeitraum 1976-2012 um 266%, der Immobiliensektor um 155%. Das BIP (bzw. die Bruttowertschöpfung, d.i. das BIP abzgl. der indirekten Steuern) insgesamt (d.h. incl. FIRE!) wuchs in diesem Zeitraum aber nur um 110%.

Die Grafik zeigt aber auch, dass das erhöhte Wachstum des Finanzsektors so übermäßig auch wieder nicht ist, wie manche glauben. So über-mäßig kann sich die Finanzspekulation auch wieder nicht von der „Realwirtschaft“, der Quel-le auch ihres Profits, entfernen. Ihr wachsender „Beitrag“ zum BIP reflektiert selbstverständlich in Wirklichkeit nur die wachsende Mehrwert- bzw. Profitmasse, die sie an sich ziehen kann, denn dieser Sektor ist ein unproduktiver Bereich, er erzeugt selbst keinen Wert und Mehrwert, sondern zieht lediglich Teile des Mehrwerts aus den produktiven Sektoren an sich.

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Das wachsende Gewicht des Finanzsektors ei-nerseits und das wachsende Gewicht des Finanz-ergebnisses im Nicht-Finanz-Sektor andererseits - beides zeigt klar die zunehmende Finanziali-sation der Wirtschaft. Durch sie kann zeitweilig die Tendenz zum Fall der Profitrate banal da-durch kompensiert werden, dass fiktive Profi-te fiktiven Kapitals zeitweilig wirkliche Profite aufbessern. In den von den kapitalistischen Fir-men publizierten Jahresabschlüssen und dem-entsprechend in den Statistiken wird unter die-sen Umständen unter „Gewinn“ auch viel heiße Luft 18 ausgewiesen. Das hilft eine Zeitlang, den Kummer darüber zu vergessen, aber eben nur eine Zeitlang - bis zum nächsten Krach.

Ursachen und Triebkräfte dieser Entwicklung

wer den Dingen auf den Grund gehen will, muss sich folgende Fragen stellen: Was ist Zweck und Triebkraft der kapitalistischen Wirtschaft - und was nicht? Was sind die fundamentalen Gründe für das offenkundige Lahmen dieser Triebkraft und für die Bredouille der Kapitalverwertung und der Profitrate?

„Man muss es nie vergessen, dass die Produk-tion (des) Mehrwerts - und die Rückverwand-lung eines Teils desselben in Kapital, oder die Akkumulation, bildet einen integrierenden Teil dieser Produktion des Mehrwerts - der unmittel-

bare Zweck und das bestimmende Motiv der ka-pitalistischen Produktion ist. Man darf diese da-her nie darstellen als das, was sie nicht ist, näm-lich als Produktion, die zu ihrem unmittelbaren Zweck den Genuss hat oder die Erzeugung von Genussmitteln für den Kapitalisten. Man sieht dabei ganz ab von ihrem spezifischen Charak-ter, der sich in ihrer ganzen inneren Kerngestalt darstellt.“ (Marx „Kapital“ III, MEW 25, p.253f.) Marx richtet sich hier speziell gegen Auffassun-gen, die glauben, die persönliche Bereicherung und den persönlichen Luxus der Kapitalisten in den Mittelpunkt stellen zu müssen. Es ist aber nicht die Produktion und das Anhäufen von Ge-brauchswerten Ziel kapitalistischen Wirtschaf-tens, sondern die Produktion von Mehrwert ver-mittels der Produktion von (Tausch)werten. Die Wiederverwertung des Mehrwerts als Kapital, sein Verbleiben im Kreislauf des Kapitals (und eben gerade nicht sein Verbrauch zu Konsum-tionszwecken des Bourgeois) ist dafür essentiell und macht eben die „Akkumulation auf erwei-terter Stufenleiter“ aus. Würde der Bourgeois den Mehrwert bzw. Profit in sehr maßgeblichem Umfang „verprassen“, dann unterminierte er sich die Basis der Kapitalverwertung und seine Konkurrenzposition und ginge er wahrschein-lich bald unter. Das heißt nicht, dass er sich nicht ein (für die Begriffe eines normalen Menschen gewaltiges) Stück des Profits für seinen persön-lichen Konsum abzweigt, aber dieses bleibt -

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"Beitrag" FIRE zum österreichischen BIP

Bruttowertschöpfung Bank- und Versicherungssektor ImmobiliensektorGrafik 7Quelle: Statistik Austria/Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen/Bruttoinlandsprodukt nach Wirtschaftsbereichen (real, verkettete Volumensindizes, 2005 = 100) 17

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auch wenn es noch so obszön groß ist gemessen an den Lebensverhältnissen der Massen - doch nur ein kleiner Prozentsatz des gesamten Profits 19. Der Drang des Bourgeois nach persönlichem Reichtum und Luxus besteht, aber er macht nicht das Wesen der Bourgeoisexistenz aus 20. Selbst wenn ein Kapitalist in „mönchischer Be-scheidenheit“ darbte (das ist nur eine Redens-art und hat nichts mit wirklichem Mönchsleben einst und jetzt zu tun), änderte das nichts an seiner Rolle in der Kapitalverwertung und der Ausbeutung der Arbeiter und oft sind die - nur für ihre Verhältnisse natürlich - „bescheidenen“ Bourgeois die fanatischesten und gefährlichsten Kapitalverwerter. Wenn daher jemand, ein der Papierform nach sehr Linker, schreibt, „während ... immer mehr von uns verarmen und arbeits-los werden, füllen sie sich ihre Taschen mit Geld, bereichern sich, feiern ihre abgehobenen Fes-te und schwimmen im Luxus und Reichtum!“, dann verharmlost er in seiner berechtigten Em-pörung den Bourgeois und verwandelt ihn aus einer, wie Marx es nennt, Charaktermaske der Kapitalverwertung, aus einem Ausbeuter in ei-nen bloß bösen und raffgierigen Prasser, in ei-nen „Jedermann“, wie er nicht umsonst jedes Jahr auf dem Salzburger Domplatz vor einer begeisterten Bourgeoisklientel vorgeführt wird. Das ist nichts als eine kleinbürgerliche Kritik am Bourgeois als Konsumenten - und gerade nicht an ihm als Charaktermaske des Kapitals. Es trägt dazu bei, den traurigen ideologischen Zustand zu befestigen, dass Empörung über und Gepol-ter gegen den Reichtum der Reichen nicht als Enthüllungsmaterial zur Verschärfung des Klas-senwiderspruchs zwischen Bourgeoisie und Pro-letariat dient, sondern an dessen Stelle tritt.

Die Triebkraft des Kapitals ist einzig und allein das Streben nach Maximalprofit und das ist identisch mit dem „Akkumulationstrieb“. Maß-stab dessen ist die Profitrate. Sie ist, wie Marx sagt, der „Stachel der kapitalistischen Produkti-on (wie die Verwertung des Kapitals ihr einziger Zweck)“. Und genau das ist zugleich der Kern der Bredouille der Bourgeoisie. Denn eben die-se Profitrate ist gesetzmäßig dazu verdammt, tendenziell zu fallen. Das Kapital produziert selbst im Zuge seines Akkumulationsprozesses diesen tendenziellen Fall der Profitrate. Dieser Fall ist im Grunde nur das „zweite Ich“ der Ak-kumulation des Kapitals selbst. Das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate wird im „Ka-pital“, Band III, ausführlich erörtert. Hier nur so-viel: Das Kapital muss in seiner Jagd nach Maxi-malprofit und getrieben durch die Konkurrenz

stets danach trachten, nicht nur die Ausbeutung des Arbeiters zu steigern, sondern auch die Pro-duktivität durch Verbesserung der Produktions-mittel (Maschinerie, Anlagen, Transportmittel, Lagerlogistik etc.) zu erhöhen. Das verlangt aber – neben sonstigen Verbesserungen des Produktionsprozesses - in aller Regel höhere Investitionen. Zunehmend werden Arbeiter/in-nen durch Maschinen ersetzt. Ferner – genauso wichtig - bewegen die Arbeiter/innen dadurch größere Massen zirkulierenden Kapitals (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Vormaterial, Werk-zeuge…). Durch all das wird die „lebendige Ar-beit“, das variable Kapital, zunehmend durch „tote Arbeit“, vergegenständlicht im konstan-ten Kapital, ersetzt. Der Anteil des konstanten am vorgeschossenen (investierten) Gesamtka-pital steigt, d.h. relativ immer mehr „Sachka-pital“ steht relativ immer weniger Arbeitskraft gegenüber. Marx nennt dieses Verhältnis die organische Zusammensetzung des Kapitals, das ist die „Wertzusammensetzung des Kapitals, insofern sie durch seine technische Zusammen-setzung bestimmt wird und deren Änderungen widerspiegelt“ („Kapital“ I, MEW 23, p.640) Der Anstieg der organischen Zusammensetzung des Kapitals im Zuge der kapitalistischen Akkumula-tion ist ein unumstößliches Entwicklungsgesetz derselben und ein zwangsläufiger Prozess, denn nur so kann der Kapitalist „seine“ Produktivität erhöhen und die Konkurrenten ausstechen so-wie sich einen Teil des von (bzw. eher bei) ihnen produzierten Mehrwerts aneignen. Nur wenn die Akkumulation selbst zum Stillstand käme, würde sich das ändern. Wert und daher auch Mehrwert erwächst aber nur aus der lebendigen Arbeit, nicht aus der Maschinerie etc. Daraus folgt, dass zwar vielleicht die produzierte oder auch nur angeeignete Mehrwert- bzw. Profit-masse größer wird, dass durch verstärkte Aus-beutung vielleicht auch die Ausbeutungs- oder Mehrwertrate steigt, dass aber bezogen auf das noch stärker wachsende konstante Kapital die Rate des Profits dennoch sinkt. Kapitalakkumu-lation, Erhöhung der organischen Zusammen-setzung des Kapitals und tendenzieller Fall der Profitrate sind nur verschiedene Äußerungsfor-men ein und desselben Prozesses. Zumal dieser untrennbar mit zunehmender Konzentration und Zentralisation des Kapitals (und letztlich der Herausbildung von Monopolen) verbunden ist, was den ganzen Prozess weiter beschleunigt. In ihrer Jagd nach dem Maximalprofit untergra-ben sich so die Kapitalisten auf Dauer die Basis der Mehrwertproduktion.

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Marx schreibt daher, dass dies „immanente Schranken“ der kapitalistischen Produktion dar-stellt und weiter: „Die kapitalistische Produktion strebt beständig, diese ihr immanenten Schran-ken zu überwinden, aber sie überwindet sie nur durch Mittel, die ihr diese Schranken aufs Neue und auf gewaltigerem Maßstab entgegenstel-len. Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst...“ (Marx „Ka-pital“ III, MEW 25, p.260) Den Teufelskreis kann man sich leicht veranschaulichen: Druck auf die Profitrate treibt zu höherer organischer Zusam-mensetzung des Kapitals - dies wiederum senkt, ungeachtet kurzfristiger positiver Wirkungen für das Einzelkapital, auf Dauer erst recht die Profitrate des Gesamtkapitals, die Durchschnitt-sprofitrate, selbst wenn sich zugleich die Aus-beutungsrate erhöht - dies wiederum zwingt die Kapitalisten zu weiterer Steigerung der Ausbeu-tung und weiterer Steigerung der Produktivität - usw. usf. Das ist - abgesehen von zeitweilig entgegengesetzt wirkenden Faktoren (wir kom-men gleich dazu) - ein unentrinnbarer Kreislauf der kapitalistischen Akkumulation.

Dazu kommt - und heute in potenzierter Weise - das wachsende Gewicht unproduktiver Berei-che, die sich ebenfalls aus der Profitrate bedie-nen: Banken und Versicherungen natürlich, aber auch Handel, Werbung und Marketing, Horden von Consultants, Bilanzierungsexperten, Steu-erberatern, Notaren, Rechtsanwälten, Markt-forschern und Marketingmenschen, „Märkte“-Beobachtern und Investor Relations-Experten, Public Relations-Beratern, Besserwissern und Coaches jeder Art ... nicht zu vergessen die staatliche Bürokratie, den ideologischen Appa-rat der Bourgeoisie und den staatlichen Gewalt-apparat. Aber nur der produktive Sektor schafft Wert und damit auch Mehrwert, während sich alle anderen nur aus dem im produktiven Be-reich erzeugten Mehrwert einen Teil aneignen können. Daher engt die relative Abnahme des produktiven Sektors die Basis für die Verteilung des verfügbaren Mehrwerts bzw. Profits zwi-schen den Kapitalisten immer mehr ein, immer größere unproduktive Bereiche müssen sich mit den produktiven den dort und nur dort erzeug-ten Mehrwert teilen. Das bedeutet nochmals Druck auf Profit und Profitrate.

Es gibt freilich auch Faktoren, die dem tendenzi-ellen Fall der Profitrate entgegenwirken 21. Das darf man sich nicht so vorstellen, dass die einen Faktoren in Richtung des tendenziellen Falls der Profitrate wirken und die anderen davon völlig

unabhängig in die entgegengesetzte Richtung. Sie sind gerade nicht voneinander getrennt. Es dreht sich vielmehr um einen einzigen, in sich widersprüchlichen Prozess und die Faktoren in beide Richtungen werden durch dieselben Ur-sachen hervorgerufen und angetrieben. Wir ha-ben gerade gesehen, wie der Druck auf die Pro-fitrate vermittels der notwendigen Gegenmaß-nahmen der Kapitalisten zu weiterem Druck auf die Profitrate führt. „Wie alles in der Konkur-renz und daher im Bewusstsein der Agenten der Konkurrenz sich verkehrt darstellt, so auch dies Gesetz, ich meine dieser innere und notwendige Zusammenhang zwischen zwei scheinbar sich Widersprechenden.“ (MEW 25, p.235)

Was sind entgegenwirkende Faktoren? In ers-ter Linie ist das die Steigerung der Ausbeutung der eigenen Arbeiter/innenklasse und - indirekt vermittels des Waren- und direkt vermittels des Kapitalexports - ausländischer Teile der interna-tionalen Arbeiter/innenklasse und der Völker der vom Imperialismus abhängigen Länder, ein-schließlich der neokolonialen Plünderung der Rohstoff- und sonstigen natürlichen Ressourcen großer Teile des Erdballs. Eine entscheidend wichtige Rolle spielt die Erschließung neuer, zu-sätzlicher Ausbeutungsräume für das Kapital. In den letzten drei Jahrzehnten war das vor al-lem die Erweiterung seines Aktionsraums durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und die rasante kapitalistische Entwicklung in China. Der österreichischen Bourgeoisie erlaubte das im Speziellen, sich eine maßgebliche Position bei der Ausbeutung des Balkan zu sichern. Eine wichtige Rolle spielt aber auch die fortschrei-tende kapitalistische Durchdringung aller Län-der der Erde und aller Sphären dieser Länder, einschließlich der zunehmenden Durchkapita-lisierung der imperialistischen Gesellschaften selbst, die Verwandlung aller nur denkbaren Le-bensbereiche und -funktionen in Betätigungs-felder kapitalistischer Verwertung (Beispiel: der menschliche Stoffwechsel, der an allen Ecken und Enden Gegenstand kapitalistischer Produk-tion wird, vom Fertigfutter bis zum Pay WC). Ein weiterer wichtiger Faktor ist die - dem Be-griff nach unabhängig von der Steigerung der Ausbeutung, wiewohl in der Praxis fast immer damit verbunden - Erhöhung der Produktivität. Dazu gehören technische oder organisatorische Verbesserungen des Produktionsprozesses (Pro-duktionsorganisation, Energieeffizienz, Einsatz von Wissenschaft und Forschung, ...) Entschei-dend wichtig auch die Verbilligung des konstan-ten Kapitals, die eine immer größere Rolle spielt

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und ein oft übersehener, aber entscheidender Antrieb der „Globalisierung“ ist. Das umfasst nicht nur die eigentlichen Materialkosten, son-dern auch z.B. Energiekosten, Organisation und Kosteneinsparung in der Lager- und Transport-logistik etc. Damit verbunden ist in der Regel eine Erhöhung der Zirkulationsgeschwindigkeit des Kapitals. Last but not least ist zu nennen die mit einer (in den Ausmaßen und Folgen) noch nie dagewesenen Brutalität gegen Natur und Umwelt durchgesetzte Ausplünderung der Naturreichtümer, wobei die Naturvorkommen und -kräfte als solche, an und für sich, also ab-gesehen von den Explorations- und Förderkos-ten (und abgesehen von der Grundrente, die der Grundeigentümer für das Bodenmonopol einsackt) keinen Wert haben und daher „gra-tis“ sind 22. Last but not least ist die massive staatliche Subventionierung der Profitrate zu nennen, vom System der Steuern und der Sozi-alversicherung bis zu einer nur deshalb für das Kapital profitablen Nuklearindustrie, weil nahe-zu alle Kosten und Folgekosten von Staat und Gesellschaft getragen werden 23. Auch Not- und sonstige Verstaatlichungen nehmen Kapital aus dem Ausgleich der Profitraten heraus, um es auf Staatskosten zu erhalten und/oder zu sanieren. Wenn verstaatlichtes Kapital sich nicht genau wie privates geriert, wenn es z.B. statt Erzie-lung von Maximalprofit die Subventionierung der Privatwirtschaft als Aufgabe hat (wie es bei der Verstaatlichten Industrie in Österreich lange Zeit der Fall war) - dann hebt es damit durch den „Verzicht“ auf eigenen Profitanspruch die auf die anderen Kapitale zu verteilende Mehr-wertmasse an, der von ihm produzierte Mehr-wert wird umverteilt.

Wir führen das alles an, um zu zeigen, dass star-ke Faktoren dem Fall der Profitrate entgegen-wirken. Marx schreibt: „Wenn man die enorme Entwicklung der Produktivkräfte der gesell-schaftlichen Arbeit (Anm.: wir ergänzen heu-te: im Weltmaßstab) ... betrachtet, ...so tritt an die Stelle der Schwierigkeit, welche bisher die Ökonomen beschäftigt hat, nämlich den Fall der Profitrate zu erklären, die umgekehrte, nämlich zu erklären, warum dieser Fall nicht größer und rascher ist.“ (ebd., p.242). Alle diese Faktoren sind starke, aber auf Dauer doch nur Palliativ-mittel und können die historische Tendenz nicht aufhalten. „(Sie heben) nicht das allgemeine Ge-setz auf. Aber (sie machen), dass es mehr als Ten-denz wirkt, d.h. als ein Gesetz, dessen absolute Durchführung durch gegenwirkende Umstände aufgehalten, verlangsamt, abgeschwächt wird.“ (ebd., p.244).

Tendenziell sinkende Profitrate? Das klingt für manche Ohren vielleicht bizarr. Werden denn nicht, ganz im Gegenteil, die Kapitalisten immer reicher? Natürlich sprudeln nach wie vor die Millionen und Milliarden an Profiten, auch trotz Krise (bei einigen Spekulanten und Glücksrittern sogar wegen der Krise). Aber was hier sprudelt, besteht - wie wir gesehen haben - vielfach nur aus heißer Luft, ist papierener „Wert“ und dem-entsprechend flüchtig. Es gibt aber noch einen anderen Faktor, der bei oberflächlicher Betrach-tung in die Irre führen kann. Es ist nämlich eine Sache, ob die Rate des Profits (gemessen am vorgeschossenen Kapital) steigt oder fällt, und eine andere, wie sich die Masse des Profits ent-wickelt. „Das Gesetz des fortschreitenden Falls der Profitrate oder der relativen Abnahme der angeeigneten Mehrarbeit im Vergleich mit der von der lebendigen Arbeit in Bewegung gesetz-ten Masse vergegenständlichter Arbeit schließt in keiner Weise aus, dass die absolute Masse der vom gesellschaftlichen Kapital in Bewegung ge-setzten und exploitierten Arbeit, daher auch die Masse der von ihm angeeigneten Mehrarbeit wächst...“ (ebd., p.226) „Die Masse des ... pro-duzierten Mehrwerts, daher die absolute Masse des ... produzierten Profits kann also wachsen, trotz des progressiven Falls der Profitrate. Dies kann nicht nur der Fall sein. Es muss der Fall sein - vorübergehende Schwankungen abgerechnet - auf Basis der kapitalistischen Produktion.“ (ebd., p.228) Warum das? Weil die Tendenz zum Fall der Profitrate, aus der Kapitalakkumula-tion geboren, dieselbe erst recht antreibt, erst recht zu weiterer Steigerung der Produktivität, weiterer Konzentration und Zentralisation des Kapitals zwingt usw. usf. „Dieselben Ursachen, welche einen tendenziellen Fall der allgemei-nen Profitrate produzieren, (bedingen) eine beschleunigte Akkumulation des Kapitals und daher Wachstum der absoluten Größe oder Ge-samtmasse der von ihm angeeigneten Mehrar-beit (Mehrwert, Profit).“ (ebd., p.235) Wir kön-nen hier nicht näher auf den „zwieschlächtigen“ Charakter des „Gesetzes (eingehen), dass „die aus denselben Ursachen entspringende Abnah-me der Profitrate und gleichzeitige Zunahme der Profitmasse“ Hand in Hand gehen (p.230), so dass „der durch die Entwicklung der Produktiv-kraft verursachte Fall der Profitrate begleitet ist von einer Zunahme in der Profitmasse“ (ebd., p. 236). Wir können auch nicht näher beleuchten, welche - wichtige - Rolle die Profitmasse - neben der Profitrate - in der Konkurrenzschlacht und damit ebenfalls wieder in der kapitalistischen Akkumulation spielt. Die Profitrate bleibt aber der Maßstab allen kapitalistischen Tuns - auch

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wenn der große Kapitalist mit (eventuell!) klei-nerer Profitrate, aber größerer Profitmasse den kleineren mit (eventuell!) größerer Profitrate, aber kleinerer Profitmasse aus dem Markt wer-fen kann.

Klar ist, dass wachsende Profitmasse auch wach-senden kapitalistischen Reichtum bedeutet. Wenn dieser zugleich durch fiktive Renditen zeitweilig aufgefettet wird, umso mehr. So gibt es immer mehr und immer reichere Millionäre und Milliardäre oder - um die zweitrangige Ebe-ne der „Privatpersonen“ und „Privatvermögen“ zu verlassen - immer größere, konzentriertere, zentralisiertere Kapitale, Monopole, die immer größeren, gigantischen Profit machen - aber das ändert nichts daran, dass der wahre Antrieb und der wahre Maßstab die Profitrate ist, an-gesichts der Finanzialisation heute erst recht. Sinn und Wesen unserer Gesellschaftsordnung ist eben nicht der Reichtum als solches, seine bloße Anhäufung, die Schatzbildung, sondern die unaufhörliche grenzenlose Vermehrung des Reichtums, seine Bewegung, sein „Leben“ als sich ständig und - der bourgeoisen Idee nach - grenzenlos verwertendes Kapital. Dies ist eine vom Willen des einzelnen Bourgeois ganz un-abhängige Gesetzmäßigkeit, die ihm durch die Konkurrenz gnadenlos aufgezwungen wird. Wer zurückbleibt kommt unter die Räder.

Und genau das ist der Punkt: Mögen die Reichen auch immer reicher werden, sie stehen trotzdem (solange sie als Kapitalisten agieren, nicht wenn sie sich wie manche von ihnen aus dem aktiven kapitalistischen Treiben verabschieden und nur mehr passiv von Zinsen, Dividenden und Grund-rente leben) in der Konkurrenzschlacht, sie kön-nen nicht bzw. nur bei Strafe des Untergangs passiv wie Dagobert Duck in ihrem Reichtum baden, sie sind dem Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate ausgesetzt und müssen die-sem mit allen Mitteln rastlos entgegenarbeiten. Als „Reiche“, als „Jedermänner“, als „Verzehrer von Revenue“, wie Marx sagen würde, d.h. von für die Konsumtion bestimmten Profitanteilen, geht es ihnen - im Moment jedenfalls - (noch) gut, aber als Kapitalisten, als Agenten der Ka-pitalverwertung, als deren „Charaktermasken“, sind sie trotzdem in einer äußerst unkomfortab-len und - historisch betrachtet - perspektivlosen Situation.

Die Entwicklung der Profitrate in Österreich bestätigt das Marx‘sche Gesetz

Wir haben vor drei Jahren die historische Ten-denz der Profitrate für den Zeitraum 1945 bis 2007 untersucht („Proletarischen Revolution“ Nr.39, Jänner 2010). Das bestätigte die Wirk-samkeit des Gesetzes des tendenziellen Falles der Profitrate. Tendenziell wohlgemerkt eben wegen der erwähnten, dem Fallen entgegen-wirkenden Faktoren. Marx schreibt, „dass die-selben Ursachen, die das Fallen der allgemeinen Profitrate hervorbringen, Gegenwirkungen her-vorrufen, die diesen Fall hemmen, verlangsamen und teilweise paralysieren. Sie heben das Gesetz nicht auf, schwächen aber seine Wirkung ab. Ohne das wäre nicht das Fallen der allgemeinen Profitrate unbegreiflich, sondern umgekehrt die relative Langsamkeit dieses Falls. So wirkt das Gesetz nur als Tendenz, dessen Wirkung nur unter bestimmten Umständen und im Verlauf langer Perioden schlagend hervortritt.“ (MEW 25, p.249) „Dieselben Ursachen (streben) zur Verminderung der Profitrate und zur verlang-samten Bewegung dieser Verminderung.“ (245) Allerdings: Die dem Fallen der Profitrate entge-genwirkenden Faktoren wirken ihm nur zeitwei-lig und relativ entgegen, des Grundproblem der Kapitalverwertung bleibt.

Das Ergebnis unserer Studie war kurz zusam-mengefasst: Im letzten halben Jahrhundert hat-ten wir nach der kurzen Rekonstruktionsperiode nach dem Weltkrieg (bis etwa Mitte der 1950er Jahre) einen Anstieg der Profitrate - leicht be-greiflich, wenn man den Ausgangspunkt be-denkt. Es folgte deren massiver Verfall, nahezu ihre Halbierung bis Mitte der 1970er Jahre; Stag-nation in den 1980er Jahren; neuerlicher Anstieg der Profitrate in den 1990er Jahren, v.a. wegen der massiven Steigerung der Ausbeutung, dem Kapitalexport und der Neokolonialisierung des Balkan und der beginnenden Finanzialisation der gesamten Wirtschaft; Einbruch der Profitrate in der Krise 2001/02; anschließend recht mäßiger Anstieg bis zum nächsten Krach 2007/08, hefti-ger Einbruch, Strohfeuer 2010, seither anhalten-de Stagnation mit leichter Drift nach unten.

Gesamtstatistiken für die Jahre seit 2010 liegen zwar noch nicht vor, aber ein Blick auf die Ge-schäftsberichte der wichtigsten österreichischen Konzerne deutet darauf hin. Wir sehen in Grafik 8 den Einbruch in der Krise, bei einigen die „Er-holung“ 2010 und die (bestenfalls) Stagnation seither 24.

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Voest OMV Strabag Porr Verbund

Ein Wunder ist dieser traurige Zustand der Profite nicht, wenn man bedenkt, dass das vielgerühmte, immer wieder angekündigte und immer wieder „enttäuschende“ Wachstum - ungeachtet der

regelmäßig wiederkehrenden „Hoffnungsschim-mer“ und der unausgesetzten Jubelmeldungen, dass es überall sonst in Europa noch schlimmer sei - in den letzten Jahren kraftlos dahindümpelt.

Grafik 8 Quelle: Geschäftsberichte der betr. Konzerne 2006 - 2012

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Quartalsweises Wachstum Industrieproduktion und BIP

Industrieproduktion BIP

Grafik 9Quelle: OECD/StatExtracts/Industry and Services/Industry/Production/Index (2005 = 100) sowie Quarterly National Accounts/Quarterly Growth Rates of real GDP, change over previous quarter

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ROCE = Return on capital employed

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Grafik 9 stellt dar die quartalsweisen Wachs-tumsraten der Industrieproduktion sowie des BIP jeweils gegenüber dem Vorquartal (nicht gegenüber demselben Quartal des Vorjahres, also nicht die Jahresabstände!) von 2006 bis heute 25. Ein brüllendes Wachstum ist das nicht gerade, vielmehr krebst es um die Nulllinie. Wir sehen den scharfen Kriseneinbruch in 2008/09, das Aufschwünglein von 2010 (wie man sieht hauptsächlich vom Exportgeschäft der Indus-trie getragen und ansonsten bei bescheidensten Wachstumsraten), seither herrscht - allen Hur-rarufen zum Trotz - Stagnation (bei Ausschlägen des industriellen Wachstums nach oben und un-ten). (Wir sehen übrigens auch, wie schwächel-nd das Wachstum auch schon in der letzten Zeit vor dem Krach 2008 war, nämlich fast immer zwischen 0 und 1% und damals schon nieder-gehend.)

Trotz aller dem Fall der Profitrate entgegen-wirkenden Faktoren wirkt das Gesetz ihres ten-denziellen Falls weiter. Weiter steigt die orga-

nische Zusammensetzung des vorgeschossenen Kapitals, wachsen der Fixkapitalstock und das sonstige konstante Kapital im Verhältnis zum variablen Kapital, der eingesetzten Lohnarbe-it. “Die progressive Tendenz der allgemeinen Profitrate zum Sinken ist ... nur ein der kapital-istischen Produktionsweise eigentümlicher Aus-druck für die fortschreitende Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit.” (MEW 25, p.223) Und noch etwas wird aus der bisherigen Betrachtung deutlich, nämlich dass der tendenzielle Fall der Profitrate kein linearer Prozess ist, sondern sich eben auch über Krisen vermittelt.

Interessant für die Demonstration der Wirkung der steigenden organischen Zusammensetzung des Kapitals auf die Profitrate (vermittels des Anstiegs des Fixkapitalstocks, absolut und auch relativ zum variablen Kapital) sind zwei Statis-tiken der Europäischen Kommission über den “Nettokapitalstock” und die “Nettorendite” auf diesen Kapitalstock in Österreich 26 (Grafik 10).

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Nettorendite auf Nettokapitalstock

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Grafik 10Quelle: AMECO Datenbank der Europäischen Kommission/ net capital stock sowie net return on net capital stock

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Der Nettokapitalstock hat sich im letzten hal-ben Jahrhundert um 400% und damit auf das Fünffache erhöht. Da der Kapitalstock, d.h. das investierte und gebundene fixe Kapital, stark zugenommen hat, muss sich auch dessen jährli-cher anteiliger Verschleiß, die Abschreibungen darauf, d.h. der Kapitaleinsatz (der “Kapital-vorschuss”, wie es bei Marx heißt) entsprechend bzw., da sich der Rhythmus technologischer Sub-stitution in diesem Zeitraum beschleunigt hat, sogar überproportional erhöht haben. Das drückt auf die Profitrate bzw. die “Rendite”. Diese hat sich daher auch prompt im selben Zeitraum nur um 30% erhöht und ist gegenüber 2007 - trotz der Aufschwünglerei 2010/11 - sogar um 14% eingebrochen. (Die Bourgeois erwarten sich auch keine Besserung für 2013 und 2014, ihre - beruf-smäßig optimistischen! - Prognosen für 2013 und 2014 liegen bei neuen Tiefständen: 91,2 bzw. 91,8 gegenüber 93,2 in 2012 oder 108,8 im letz-ten “Vorkrisenjahr” 2007.)

Die Renditen bleiben weit hinter dem Wachstum des Kapitalstocks und daher dem des Kapitalein-satzes zurück. Dies, das im Vergleich zur daraus gezogenen Rendite überproportionale Wachs-tum des Kapitalstocks, entspricht der stetig stei-genden organischen Zusammensetzung des Ka-pitals (anders gesagt: dem Verhältnis zwischen konstantem und variablem Kapital) bzw. refle-ktiert diese - und das wiederum ist die Grund-lage, auf der sich der tendenzielle Fall der Profi-trate abspielt. Ob, wie, in welchem Maße er sich zu einem bestimmten Zeitpunkt auch tatsächlich materialisiert, hängt auch vom Grad der Wirk-samkeit der “entgegenwirkenden Faktoren” ab und ein solcher die Profitrate boostender Fak-tor ist heute die Finanzialisation der Wirtschaft, auch die der “Realwirtschaft”.

Was sind die Folgen?

Der tendenzielle Fall der Profitrate führt dazu, dass die Kapitalverwertung, jedenfalls die zu “at-traktiven” Profitraten, immer schwieriger wird. Die Folgen sind: Anhäufung von Geldkapital, das sich nicht verwerten kann, jedenfalls nicht in der “Realwirtschaft”, dementsprechend Läh-mung der wirklichen Anlageinvestitionen und Drängen dieses “überschüssigen” Geldkapitals in die “Finanzsphäre”. Salopp gesagt, sie wissen nicht mehr, wohin mit dem überschüssigen Geld, Geld übrigens, das trotz allem Luxus nur zum geringsten Teil von den Reichen verprasst wird (dies auch gar nicht, nicht einmal “bei bestem Willen”, werden könnte) und sich vielmehr zum allergrößten Teil als Kapital betätigen, also wied-

er Profit “produzieren” möchte und muss, dies aber in der “Realwirtschaft” nicht mehr kann. Da aber alles Kapital, auch das fiktive, seinen Profit nur aus der wirklichen Kapitalverwertung zie-hen kann, führt das zu einem gewaltigen Druck auf die Profitrate, aufgefettet von Zeit zu Zeit nur durch Spekulationsblasen, die allerdings ebenfalls zwangsläufig von Zeit zu Zeit platzen. Man kann eben nichts verteilen, was man nicht produziert hat. Man kann natürlich “die Zukunft diskontieren”, Vorgriffe auf den in der Zukunft erzeugten Mehrwert machen, aber nur in gewis-sen Grenzen. Irgendwann befällt selbst die op-timistischsten “Märkte” der Schwindel über sich selbst und sogar sie (erkennen zwar vielleicht nicht, dazu haben sie sich ihre eigenen metaphy-sischen Theorien über die Selbstproduktivität des Geldes zurechtgelegt, aber) spüren instinktiv, dass Börsengewinne nicht Jahr für Jahr um sagen wir 20% steigen können, wenn die volkswirt-schaftliche “Wertschöpfung” nur um 2% steigt. Das geht ein Jahr, zwei Jahre, vielleicht fünf Jahre (z.B. 2002 bis 2007), aber nicht auf Dauer. Dann werden sie unruhig und ein Börsen- oder sonstiger Krach ist die Folge

Die Folgen dieses inneren Widerspruchs der kapi-talistischen Produktion kennen wir bzw. erleben wir. Einerseits in Gestalt der angesprochenen Tendenzen zu Stagnation und Dauerdepression, und zwar durch alle Krisenzyklen 27 hindurch : Überproduktion, Überakkumulation und man-gelnde “Kapazitätsauslastung” (sowohl des konstanten Kapitals, d.h. der Maschinerie etc., als auch des potentiellen variablen Kapitals, in Form von Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit etc.). An-dererseits in Gestalt der daraus resultierenden enormen Krisenanfälligkeit. Jedes unerwartete Ereignis, z.B. jede an und für sich belanglose “Re-gierungskrise” in diesem oder jenem Land, jede Bankenpleite (selbst eine solche bescheidenen Ausmaßes), jede Unpässlichkeit der “Märkte” oder auch jeder Furz einer Ratingagentur kann das Werkel aus der Bahn werfen.

Eine weitere Konsequenz dieser Entwicklung ist die Verschärfung der Konkurrenz zwischen den Kapitalisten. Keiner darf zurückbleiben, ein Wet-tlauf um den Maximalprofit findet statt, wer - im kapitalistischen Sinn - gut, aber nicht gut genug ist, wird ruiniert und/oder geschluckt. Wo der Kuchen - im Verhältnis zu den Profitambitio-nen - relativ kleiner wird, wird das Hauen und Stechen zwischen ihnen größer. Zu zahlen hat dafür die internationale Arbeiter/innenklasse. Wenn z.B. auch nur ein Teil der - wie geplant - 16 Autowerke in Europa zugesperrt wird, wird das

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unweigerlich die österreichische Zulieferindus-trie treffen, weit schlimmer noch als bisher. Die Zeche zahlen immer die Arbeiter/innen.

Und ganz entscheidend: Die Krise seit 2008 war und ist auch ein neuer gewaltiger Anschub zur Steigerung der Intensität und der Produktivität der Arbeit, zu Rationalisierungsinvestitionen, zu riskanten Expansionsstrategien des Kapitals, zur beschleunigten Konzentration und Zentralisa-tion des Kapitals etc. - kurzum wieder zu Fak-toren, die den Druck und tendenziellen Fall der Profitrate beschleunigen.

Revolutionäre Antwort oder kleinbürgerlicher Holzweg?

Die Umverteilungspropaganda zielt nicht auf die Wurzel des Übels, die Produktionsverhältnisse, und lenkt stattdessen nur auf die Verteilungs-verhältnisse hin. Und hier auch wieder nur auf die Verteilung des “Privatreichtums” dort, wo er augenscheinlich und obszön öffentlich her-vortritt, nicht z.B. auf die “Verteilung” von Sie-mens oder der Voest, also der Produktionsmit-tel 28. Zu sagen, dass mit so etwas nur die Spitze des Eisbergs kritisiert wird, ist noch eine sehr beschönigende Darstellung. “Die sogenannten Verteilungsverhältnisse entsprechen also und entspringen aus historisch bestimmten, spezi-fisch gesellschaftlichen Formen des Produktion-sprozesses... Der historische Charakter dieser Verteilungsverhältnisse ist der historische Char-akter dieser Produktionsverhältnisse, worin sie nur eine Seite ausdrücken. Die kapitalistische Verteilung ist verschieden von den Verteilungs-formen, die aus anderen Produktionsweisen entspringen, und jede Verteilungsform ver-schwindet mit der bestimmten Form der Produk-tion, der sie entstammt und entspricht.” (MEW 25, “Distributionsverhältnisse und Produktions-verhältnisse”, p.890).

Was sind denn die Ursachen der sich rasant öff-nenden “Verteilungsschere”? Die immer maßlos-er werdende “Gier” der Kapitalisten? Brauchen sie immer mehr Zaster, um ihn zu verprassen? Anders gesagt: Handelt es sich beim Verhalten der Kapitalisten um menschliche Eigenschaften, solche schlechter Menschen halt, oder sind sie samt ihren Eigenschaften nur Charaktermasken gesellschaftlicher Zwänge, denen sie sich nicht entziehen können, es sei denn bei Strafe ihres Untergangs als Kapitalisten? Oder noch anders gesagt: Kann man die “Gier” des Kapitals be-seitigen, ohne den Kapitalismus zu beseitigen?

Die erste und elementarste Frage ist: Wer sind die Reichen und wer die Armen? Die Verteilungsver-hältnisse beruhen auf den Produktionsverhält-nissen. Da die Produktionsmittel in den Händen einer kleinen Klasse von Ausbeutern monopo-lisiert sind, eignet sich diese kraft ihres Eigen-tums “natürlicherweise” auch erhebliche Teile des Werts an, den die Klasse der Ausgebeuteten produziert, während umgekehrt letztere gar nicht anders kann, als ihre Arbeitskraft an die Eigentümer der Produktionsmittel zu verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Armut und Reichtum sind nicht schwammige “sozi-ologische Phänomene”, sondern entspringen aus bestimmten Klassenverhältnissen. Natür-lich kann, unter bestimmten Bedingungen, bei bestimmten günstigen Kräfteverhältnissen zwischen den Klassen, an den Verteilungsver-hältnissen etwas zugunsten der Arbeiter/innen-klasse geändert werden, und wurde dies in der Geschichte schon öfters, wenn nämlich die Kapi-talistenklasse ihr Eigentum und ihre Staatsmacht durch heftigen Klassenkampf bedroht sah, so-dass sie lieber versuchte, die Revolte durch Zug-eständnisse einzudämmen und zu zersetzen. Aber das beweist erst recht, dass nur dadurch, dass der Bourgeoisie das Messer an die Brust ge-setzt wird, etwas Substantielles erreicht werden kann - und die reformistische “Umverteilung-sideologie” zielt objektiv und subjektiv gerade darauf, dass der Bourgeoisie das Messer nicht an die Brust gesetzt wird. Umgekehrt gilt, dass ohne ständigen Abwehrkampf die Ausbeutung und Ausplünderung immer schlimmer wird und daher die Verteilung immer ungleicher. Aber auch jede Verbesserung stößt rasch an die Gren-zen des Lohnsystems und wird vor allem so bald als möglich, wenn die Bourgeois wieder fest im Sattel sitzen, zurückgedreht. Derzeit, bei rollend-en Angriffen der Bourgeoisie und ihres Staates gegen Löhne, Arbeitsrecht, Sozialsystem etc. und bei der heutigen gewerkschaftlichen und politischen Schwäche der Arbeiter/innenklasse, kann davon in Österreich allerdings sowie- so keine Rede sein.

Solche, die es gut meinen mit der Änderung der Verteilungsverhältnisse, mit der “Umverteilung von oben nach unten”, sollten sich folgende Frage überlegen: Sind die Armen arm (und immer ärmer), weil die Reichen reich (und im-mer reicher) sind? Oder sind umgekehrt die Reichen reich, weil die Armen arm sind? Das ist keinesfalls eine spitzfindige Wortspielerei. Es ist vielmehr die elementare Frage nach der Ursache von Armut und Reichtum und damit danach, wo

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der Hebel anzusetzen ist, um das Problem zu lösen. Bertolt Brecht schrieb einmal ein kleines Gedichtchen zu dieser Frage.

Armer Mann und reicher Mannstanden da und sah’n sich anund der arme sagte bleich:

Wär’ ich nicht arm, wärst Du nicht reich.

Die Armut erheblicher Teile von Arbeiter/innenklasse und Volk ist nichts als die Folge der Ausbeutung durch das Kapital. Würde die Arbeiter/innenklasse nicht ausgebeutet, gäbe es gar keinen unter den Kapitalisten zu verteilenden Mehrwert bzw. Profit und daher auch keinen kapitalistischen Reich-tum mehr. Der Kampf um die Veränderung der Verhältnisse muss auf die Produktion-sverhältnisse zielen. Die Produktionsver-hältnisse bestimmen alles. Wer das Eigen-tum an den Produktionsmitteln hat, eignet sich auch das damit erzeugte Produkt an. Wer nichts hat als seine Arbeitskraft, wird dagegen abgespeist mit dem Nötigsten, damit die Reproduktion seiner Arbeitsk-raft und der ganzen Arbeiter/innenklasse sichergestellt ist und die Ausbeutung auch in Zukunft fortgesetzt werden kann. Wer das Eigentum an den Produktionsmitteln hat, ist Herrscher über die Gesellschaft, er ist auch im Besitz der Staatsmacht und hat die ideologische Vorherrschaft über die Gesellschaft.

Welche Linie im Kampf gegen die Reichen? Das ist die Frage. Die einen, die Revisionis-ten und Reformisten, kämpfen gegen die “Reichen”, aber möglichst ohne die kapi-talistischen Verhältnisse in Frage zu stellen. Ein je rechterer Sack einer ist, desto weni-ger lassen sich seine “Reichen” als Kapital-isten wahrnehmen. Dafür entwickeln diese Leute umso geschäftiger “realistische” Rezepte und Vorschläge an die Bourgeoi-sie und ihren Staat, wie die Ungleichheit zu beheben wäre, ohne etwas an den ka-pitalistischen Produktionsverhältnissen zu ändern. Bei den “linken” Spielarten dieser Richtung ist es genauso, nur dass sie die Beseitigung der “Verteilungsungerechtig-keit” für etwas “Sozialistisches” halten. “Sozialismus” ist für sie allenfalls eine Art “moralischer Imperativ”, der sich in der Praxis aufs Beste verbindet mit ihrem Bemühen um eine Sanierung des Profitsys-tems und seine Reinigung von “Auswüch-

sen”, heutzutage meistens mit dem Ziel der “Zähmung”, “Eindämmung” oder - die ganz Radikalen - “Zerschlagung” des “raffenden” Geldkapitals, sprich durch Weichspülen des Kapitalismus, wofür sie auch ihre wunderbaren, wenn auch nach aller geschichtlichen Erfahrung äußerst abgeschmackten Vorschläge an die Bour-geoisie bzw. deren kleinbürgerlichen An-hang haben. Die anderen, die Kommu-nisten, treten für den konsequenten und radikalen Abwehrkampf der Arbeiter/in-nenklasse und der Volksmassen gegen die rollenden Angriffe des Kapitals auf - mit der Perspektive, diesen fortzuentwickeln zum revolutionären Umsturz der kapitalis-tischen Ordnung.

Die einen haben ihre “Logik” und finden ihre Kraft darin, dass ihr “Sozialismus”, ei-gentlich ein reformierter Kapitalismus, dem heutigen Kapitalismus moralisch überlegen wäre. Die anderen gehen davon aus, dass die Notwendigkeit der Beseitigung des Ka-pitalismus und seines letztendlichen Unter-gangs keine Frage der Moral ist, sondern der gesetzmäßigen Entwicklung der Ges-chichte, ihrer objektiven Widersprüche und einer Geschichte von Klassenkämpfen, wie das “Kommunistische Manifest” sagt. Die einen meinen, dass man den Kapitalismus (bzw. das was sie darunter verstehen, näm-lich das Böse an und in ihm) ändern oder “überwinden” muss, weil er schlecht und unmoralisch ist. Die anderen meinen, dass der Kapitalismus an seinen eigenen inner-en Widersprüchen zugrunde gehen wird und dass er, wie das Kommunistische Mani-fest sagt, auch seine eigenen Totengräber hervorbringt. Die ersteren betreiben sozu-sagen - in Paraphrasierung des berühmten Werks von Engels - die “Rückentwicklung des Sozialismus von der Wissenschaft zur Utopie” 29.

Die einen, die Revisionisten und Reform-isten, zeichnen ein Bild der Stärke und ei-gentlich Unbesiegbarkeit der Bourgeoisie. Die anderen verweisen auf die inneren Widersprüche der kapitalistischen Gesells-chaftsordnung, auf ihre Perspektiv- und Aussichtslosigkeit, ihr inneres Verfaulen, auf die völlige Unfähigkeit der Bourgeoi-sie, aus ihrer Krise herauszukommen. Sie verweisen auf die historische Überholtheit des Kapitalismus und die daraus resul-

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tierende “strategische” Schwäche der Bourgeoisie30.

Die einen fordern mehr “Verteilungs-gerechtigkeit” von der Bourgeoisie und wollen den “Reichen” ein bisschen etwas wegnehmen. Die anderen wollen die Kap-italistenklasse entmachten, enteignen und schließlich als Klasse beseitigen. Die einen wollen ein größeres “Stück vom Kuchen”, die anderen kämpfen dafür, dass sich die Arbeiter/innenklasse der Kapitalisten entledigt und sich das gesamte Produkt ihrer Arbeit selbst aneignet. “Gut, das ist das Stück Brot, aber wo ist der ganze Laib? Gut, das ist der Flicken, aber wo ist der ganze Rock?” - so wird das Problem (aus dem Gedächtnis zitiert) in “Die Mut-ter” von Brecht (nach dem Roman Maxim Gorkis) charakterisiert. Wir wollen - um weiter zu zitieren - das Teewasser und die Macht im Staat, d.h. die Diktatur des Pro-letariats und die Herrschaft der Arbeiter/innenklasse über die Produktion.

Die einen, für wie große “Realisten” sie sich auch halten mögen, sind, da klar-erweise die Bourgeoisie sogar das klitzek-leinste Stückchen ihrer Macht und ihres Ei-gentums und Reichtums nur hergibt, wenn man es ihr durch praktische Klassengewalt entreißt, nur realitätsferne Illusionisten. Die anderen vertreten die objektiv im ka-pitalistischen System und der Notwendig-keit seiner Überwindung begründeten In-teressen der Arbeiter/innenklasse und den Klassenkampf. Eine andere Perspektive als die sozialistische Revolution gibt es nicht bzw. sie wäre allenfalls die von Rosa Lux-emburg berühmt gemachte “Alternative” der Barbarei oder, wie es im Kommunis-tischen Manifest präziser heißt, des “ge-meinsamen Untergangs der kämpfenden Klassen”.

Die einen - jetzt kehren wir wieder zum Beginn unseres Artikels zurück - jammern über den wachsenden Reichtum der Re-ichen und suggerieren die Allmacht der Bourgeoisie. Die anderen verweisen auf die unüberwindlichen Probleme, mit denen die Bourgeoisie in ihrer Kapitalver-wertung konfrontiert ist. Sie verweisen damit - strategisch gesehen - auf die his-torische Aussichtslosigkeit der Aufrechter-haltung ihres überholten und verrotteten

Systems und - taktisch gesehen - auf ihre verfahrene Lage. Sie verweisen - trotz der scheinbaren Allmacht der Bourgeoisie - auf das, was ihr bevorsteht, wenn der proletarische Klassenkampf erst richtig in Fahrt kommt und die Arbeiter/innenklasse die Fesselung durch die bourgeoise Ideol-ogie durchbricht.

Wie geht es mit Krise und Profitrate weit-er? Wir sind jetzt im sechsten Krisenjahr und es ist kein “Licht am Ende des Tun-nels”. Wie es weitergeht hängt davon ab, wieweit es zu tatsächlicher Kapital-vernichtung kommt, tatsächliche Kapital-vernichtung in Form von Produktionska-pazitäten wohlgemerkt, nicht das Ablas-sen heißer Luft, wie stark und andauernd die Depression sein wird, die auf die akute Form der Krise gefolgt ist, ob bzw. wie ra-sch es zu einem neuerlichen akuten Krach kommt, ausgelöst vielleicht wieder durch einen Krach im Bankensektor, der wieder in derselben Verfassung ist wie 2007. Von staatlicher Seite wird alles getan, um die Kapitalvernichtung in Grenzen zu halten, was aber die zu lösenden Widersprüche nicht löst, sondern verschärft, die Staats-verschuldung weiter erhöht und zur stark-en Einengung staatlicher Handlungsspiel-räume führt, die eine noch stärkere Be-schränkung der Konsumkraft der Massen bewirkt. Wenn sich die Dinge so entwick-eln, wie es aus heutiger Sicht ausschaut, nämlich eine „Überwindung“ bzw. eben Nichtüberwindung der Krise ohne „ausre-ichende“ Kapitalvernichtung (Vernichtung von wirklichem Kapital!) in dem Ausmaß, wie es notwendig wäre, um die Akkumu-lation des Kapitals wieder auf „angemes-senem“ Niveau der Profitrate in Gang zu bringen, dann wird der Druck auf die Prof-itrate anhalten oder sich verstärken und dann besteht die Perspektive in einer lang anhaltenden Dauerdepression.

Klar ist, dass die Bourgeoisie bestrebt sein wird, den Verfall der Profitrate zu brem-sen oder sogar zeitweilig zu stoppen, nämlich einen neuerlichen, noch einmal verschärften gewaltigen Ausbeutungs- und Ausplünderungsfeldzug nach innen und auf internationaler Ebene zu führen und zugleich den Widerstand der Arbe-iter/innenklasse und des Volkes niederzu-halten – oder, wenn Sozialdemokratismus,

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Reformismus und Revisionismus es „friedlich“ nicht mehr schaffen, - Widerstand und Rebellion eben mit Gewalt niederzuschlagen.

Klar ist ebenfalls, dass sich die imperialistische Konkurrenz, der Wirtschaftskrieg, die politische und militärische Rivalität zwischen den ver-schiedenen Abteilungen der internationalen Bourgeoisie (unter Konstellationen, die noch in Entwicklung und Umgruppierung begriffen sind) massiv verschärfen werden. Es ist für den Imperialismus naheliegend, zu versuchen, du-rch noch größere neokoloniale und koloniale Plünderungsfeldzüge einen Ausweg aus der Dauerkrise zu finden. Die großen imperialis-tischen Mächte positionieren sich seit Jahren für

solche Feldzüge und bereiten sich darauf vor. Die österreichische Bourgeoisie ist auf dieser Ebene, ganz besonders auf militärischem Gebiet, ein kleiner Fisch, möchte und muss aber unbedingt auch mit dabei sein, um sich einen Anteil der Beute zu sichern. Auf Sicht drängt die Verschär-fung der Konkurrenz auf Kriege zu, und nicht mehr nur wie bisher regionale und meist in der Hauptseite Stellvertreterkriege, sondern Kriege zwischen den imperialistischen Staaten selbst. Erstmals seit den 1970er Jahren steigt heute die globale Kriegsgefahr wieder deutlich an. Der Klassenkampf im eigenen Land gegen die eigene Bourgeoisie muss heute mehr denn je den Kampf gegen Imperialismus und Krieg als wichtiges Ele-ment einschließen.

Endnoten

1 Wir verwenden beim BIP und dann bei den Nettoanlageinvestitionen sogenannte nominale (nicht reale) Wer-te. Das heißt, dass sie nicht inflationsbereinigt sind, sondern in laufenden Preisen ausgedrückt. Wir tun das wegen der längerfristigen Datenverfügbarkeit der nominalen Werte und auch wegen der relativ besseren Ver-lässlichkeit. Bei der Transformation „nominaler“ in „reale“ Werte geht es dermaßen intransparent zu, es wird „neu definiert“ und nachträglich „korrigiert“, sodass diese Werte mit noch größerer Vorsicht zu genießen sind als die „nominalen“. Insbesondere wird die inhärente Preissteigerung des BIP (der „BIP-Deflator“) in abenteu-erlicher Weise „geschätzt“ und die Schätzungsmethoden alle paar Jahre umgestellt. Für Strukturanalysen (z.B. Anteil der Nettoanlageinvestitionen am BIP) ist es ziemlich egal, ob man nominale oder reale Werte verwen-det, weil die Preissteigerung in ähnlicher Weise in beiden miteinander verglichenen Werten steckt. Auch für die Abbildung von Trends ist es zwar nicht ganz egal, aber doch nebensächlich. Nicht egal ist es nur insofern, als die Prozentskala links eventuell in die Irre führen könnte. Das hier ausgewiesene „Wachstum“ besteht zu einem erheblichen Teil nur aus Preissteigerungen, ist also gar kein wirkliches Wachstum. So wuchs das nomina-le BIP (Schaubild) im Zeitraum 1960-2012 um durchschnittlich 6,4% pro Jahr, das reale (nach Herausrechnung der Preissteigerung) allerdings nur um 2,9%. Um sich eine Vorstellung von der Größenordnung des wirklichen Wachstums zu machen, muss man sich daher die linke Prozentskala um die im BIP enthaltenen Preissteigerun-gen reduziert vorstellen. In den letzten Jahren lagen diese - je nach Rechenmethode, die bürgerliche Statistik ist hier genau wie beim Verbraucherpreisindex unglaublich findig, um die Preissteigerung herunterzurechnen - vermutlich bei etwa 2% (über den gesamten Zeitraum bei 3,5%), sodass die eigentliche „reale“ Nulllinie in der Grafik bei der 2%-Marke anzusiedeln ist und das heißt dann, wir krebsen seit Jahren knapp über Null dahin.

2 Das heißt, man trägt in jedem Jahr den Durchschnitt der letzten fünf Jahre ein, also z.B. für 2012 den Durch-schnitt der fünf Werte für 2008-2012.

3 Noch viel deutlicher ist diese Tendenz, betrachtet man nicht das BIP insgesamt, sondern nur den produktiven Sektor, denn vieles des sogenannten „Wachstums“ findet ja zunehmend in unproduktiven Bereichen statt, ins-besondere im Banken- und Versicherungssektor, im Immobiliengeschäft, in diversen parasitären „Dienstleistun-gen“ usw.

4 Anlageinvestitionen sind Investitionen in das Anlagevermögen, also in das fixe Kapital (z.B. Gebäude, Maschi-nen und Anlagen). Nettoanlageinvestitionen sind die Bruttoanlageinvestitionen abzüglich der Abschreibun-gen auf schon bestehendes Anlagekapital (wegen Verschleiß, Veraltern, sonstiger Entwertung...). Der Kapitalist muss natürlich zusätzlich zum fixen auch das zirkulierende Kapital vorschießen (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe einerseits und Löhne andererseits); dieses wird aber laufend vernutzt und geht nicht in das Anlagekapital ein.

5 ... und nur eine Kompensation des schweren Kriseneinbruchs. Wenn etwas in einem Jahr um 25% fällt und im nächsten wieder um 30% steigt, dann ist es ungefähr wieder dort, wo es vorher war.

6 Ähnlich die Situation in der Stahlindustrie, wo weltweit einer Rohstahlkapazität von 2,2 Milliarden Jahreston-nen eine tatsächliche Produktion von 1,5 Jahrestonnen gegenübersteht, also ebenfalls 40% Überkapazitäten bestehen.

7 Das BIP addiert alles auf, was kapitalistisch produziert und verkauft wird. Auch die „Wertschöpfung“ der un-produktiven Sektoren, sogar die „Produktion“ und der Verkauf von Finanzprodukten z.B. geht daher (letzteres mit gewissen Komponenten, natürlich nicht mit den astronomischen Handelsvolumina) ins BIP ein.

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8 Zur theoretischen Vertiefung des Themas des wirklichen und des fiktiven Kapitals und damit auch der wirkli-chen und demgegenüber der fiktiven Akkumulation - siehe die PR 42 (September 2010).

9 Gut kann man das am Beispiel Japans in den 1980er Jahren sehen. Die rasante weltweite Expansion war auf Sand gebaut, brach schließlich zusammen und stürzte das Land in eine nun schon Jahrzehnte anhaltende Krise. Hätte Japan damals auch über starke militärische Kapazitäten verfügt, hätte es wahrscheinlich versucht, diese Entwicklung durch militärische Bedrohung, Erpressung und notfalls auch Aggression und Besetzung anderer, z.B. südostasiatischer Länder zu verhindern oder wenigstens zu bremsen. Das hätte ihm vielleicht eine gewisse Schonzeit gebracht, mehr aber auch nicht. Militärmacht verlangt auch wirtschaftliche Macht und kann auf Dau-er nicht deren Schwächen und Probleme ersetzen.

10 Wir verwenden an dieser und nur an dieser Stelle nicht die Netto-, sondern die Bruttoanlageinvestitionen, denn wir wollen nur Äpfel mit Äpfeln vergleichen, daher nur die Direktinvestitionen ins Ausland (nicht sonsti-gen Kapitalexport z.B. in Form des Kaufs ausländischer Anleihen oder von Bankguthaben im Ausland) mit den Bruttoanlageinvestitionen (denn auch die Direktinvestitionen ins Ausland sind eine Bruttogröße). So richtig das für diesen konkreten Zweck ist, da Voraussetzung der Vergleichbarkeit, so wenig aussagekräftig sind die Bruttoanlageinvestitionen, wenn es um das tatsächliche Wachstum des Kapitalstocks geht. Denn in den Brutto-investitionen steckt auch der bloße Ersatz verschlissenen (und schon früher investierten) Kapitals - und das mit wachsender organischer Zusammensetzung des Kapitals immer mehr. Der Kapitalstock wächst aber nur, wenn die Bruttoanlageinvestitionen höher sind als die Abschreibungen des schon bestehenden Kapitals, anders ge-sagt: wenn es auch Nettoanlageinvestitionen gibt.

11 Die Statistik Austria hat seit Anfang 2013 Veränderungen bezüglich der von ihr publizierten Statistiken vorge-nommen. Einiges ist besser geworden, vieles schlechter. Die „Statistik der Aktiengesellschaften“ (2010 umfasste sie 741 Aktiengesellschaften) liegt detaillierter vor als bisher und reicht bis 2001 zurück. Sie deckt aber eben nur die Aktiengesellschaften ab und diese machen umsatzmäßig nur ein Siebentel der Gesamtwirtschaft aus, wenn auch das wichtigste. Die „Leistungs- und Strukturstatistik“, auf die man sich bisher immer beziehen konnte, ist dagegen stark ausgedünnt. Daten in Richtung Profit findet man in ihr überhaupt nicht mehr. Bei vielen Daten, die man sehen möchte und anklickt, erfährt man, man sei „möglicherweise nicht befugt“, um hinzuzufügen, dass man diese „Befugnis“ um 800 € im Jahr käuflich erwerben könne. Wir beschränken uns daher hier auf die Aktiengesellschaften. 12 Die Profitrate ist das Verhältnis des Profits zum Kapitaleinsatz. Unsere hier verwendete „Profitrate“ muss sich nach der Decke der bürgerlichen Statistik strecken und ermittelt sich als Quotient zwischen dem EGT („Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“) und einem „Kapitaleinsatz“, der aus den Material- und Herstellkosten, den Abschreibungen auf Anlagen, dem Personalaufwand und dem „übrigen betrieblichen Aufwand“ besteht.

13 Wir verwenden diesen - am englischen financialization angelehnten - griffigen Ausdruck für den Kreis von Erscheinungen, der daraus resultiert, dass das überschüssige und aus dem wirklichen Produktionsprozess ausge-schwitzte Geldkapital ein solches Ausmaß und ein solches Übergewicht erreicht hat, dass es dem gesamten Ka-pitalkreislauf, auch dem der „Realwirtschaft“, seinen Stempel aufdrückt und ihn in diesem Sinne „beherrscht“. Ein brauchbares deutsches Wort gibt es nicht, normalerweise wird mit Redensarten wie „finanzmarktgetriebe-ner Kapitalismus“ und dergleichen jongliert, wodurch sich allerdings - ganz im Sinn der kleinbürgerlichen Kri-tiker der Finanzmärkte - der Inhalt in etwas Falsches verdreht, nämlich als ob nicht trotzdem der kapitalistische Profit es wäre, der treibt, nicht etwa speziell der Zins, den das Geldkapital einstreift, und als ob sich dieser Profit, in allen seinen Komponenten, nicht trotzdem ausschließlich aus dem im produktiven Bereich der Wirtschaft erzeugten Mehrwert speiste.

14 Unter Finanzergebnis darf man sich allerdings nicht nur die pure Spekulation vorstellen. Es gehört genauso dazu die ganze Palette des „Finanzmanagements“, z.B. das Verwalten des Geldsacks, den viele Firmen haben, weil sie keine „realen“ und zugleich profitablen Anlagemöglichkeiten finden, Profite aus der Erledigung von Bankfunktionen „im eigenen Hause“, der Kauf und Verkauf von Firmen(anteilen) und auch die Profite, den sie aus Beteiligungen im In- und Ausland (z.B. am Balkan) in Form von Dividenden und sonstiger Gewinnabführung ziehen. 2010 z.B. entfielen von den 7,2 Mrd. € Finanzergebnis 1,6 Mrd. auf „Erträge aus dem Abgang von Fi-nanzanlagen“ (d.h. Verkauf von Beteiligungen und anderen Anlagen mit Gewinn). Das Finanzergebnis ist eine differenzierte Größe: ein Teil davon ist wirklich nur dem Jonglieren auf den Finanzmärkten zuzuschreiben, ein Teil dem schwunghaften Jonglieren mit Beteiligungen (die ja immer öfter nur gekauft werden, um sie mit Profit wieder zu verkaufen), wieder ein anderer Teil ist vielleicht sogar - zwar nicht nach den Bilanzierungsregeln, aber faktisch - eher dem Betriebsergebnis zuzuordnen. Wenn z.B. eine vollständig in einen österreichischen Mutterkonzern eingegliederte Tochter auf dem Balkan Gewinne nach Österreich abführt, wäre das eher dem Betriebsergebnis zuzuordnen, sofern ihr Profit aus dem operativen Geschäft stammt und wenn es sich um eine auf Dauer gerichtete Beteiligung handelt, nicht um Schnäppchenjagd und Zockerei. Eine (bilanzielle) „Wertstei-gerung“ dieser Tochter oder ein Gewinn bei ihrem Verkauf dagegen oder eben Zockerei und Handel mit Be-teiligungen ist tatsächlich eine reine Bilanz- bzw. Finanztransaktion. Da die Chose aber in der Bilanz und in der Statistik jedes Jahr gleich gehandhabt wird, hat die Unterscheidung zwischen Betriebs- und Finanzergebnis dennoch Aussagekraft, weil sie den Trend zeigt.

15 Des Profits der „Allgemeinen Aktiengesellschaften“, also der Nicht-Banken, wohlgemerkt. Eine ganz andere Geschichte wären die Bankaktiengesellschaften, die in noch größerem Ausmaß von der Plünderung speziell des Balkan leben. Wir konzentrieren uns hier aber auf die Aktiengesellschaften der „Realwirtschaft“ und ihre Profitraten.

16 2009 fiel die Strabag-Aktie von 45 € auf 10 € pro Stück, d.h. um 80%, und das Vermögen des Herrn Haselstei-ner, soweit es in diesen Aktien bestand, mit ihr. „Wie gewonnen, so zerronnen“ oder auch „Die Märkte haben es gegeben, die Märkte haben es genommen“. Heute liegt der Kurs bei 17 €, er hat sich nicht wieder auf das

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Blasenniveau von vor der Krise erholt. Natürlich haben die Bourgeois nicht ihr ganzes Vermögen nur in eigenen Aktien angelegt, aber mit anderen Finanzinvestments verhält es sich ja genauso.

17 Die Grafik zeigt die reale (inflationsbereinigte) Entwicklung des BIP sowie der „Beiträge“ des Finanzsektors i.e.S. (Banken, Versicherungen ...) und des Immobiliensektors dazu jeweils in Form von Indizes mit der Basis 2005 = 100. Wir haben also drei Indizes für die drei Größen, die sich im Jahr 2005 schneiden, weil die Basis der drei Indizes so gewählt wurde. Jeder Index bildet die Entwicklung der betr. Größe ab, je stärker die Steigung einer Linie ist, desto schneller ist die betreffende Größe gewachsen. Mehr sagt so etwas nicht, es wäre sinnlos, die Höhe der Linien miteinander vergleichen und daraus Schlüsse über ihre relative Bedeutung ziehen zu wollen.

18 Ein schönes Beispiel für das aktive Produzieren heißer Börsenluft ist der (in Österreich bis vor etwa einem Jahrzehnt noch verbotene) Rückkauf eigener Aktien durch eine Firma. Die Firma kauft an der Börse sozusagen einen Teil von sich selbst. Sinn ist einfach der, dass Dividendenrendite und damit Aktienkurs steigen, wenn sich die auszuschüttende Dividende auf weniger Aktien verteilt (eigene Aktien sind nicht dividendenberechtigt). An der wirklichen Profitabilität der Firma hat sich nichts geändert, aber der „Firmenwert“ hat sich erhöht. Dieser im Aktienkurs ausgedrückte „Wertzuwachs“ ist nur Schall und Rauch.

19 Im Zusammenhang mit dem Luxus und der Bereicherung der Bourgeoisie kommen von Zeit zu Zeit die Vor-standsgehälter der großen Kapitale ins Gerede und das Anliegen, sie zu beschränken oder zu kürzen, ein zweifellos sehr ehrenwertes, allerdings nur wenig relevantes Anliegen. Gehälter plus „Bonifikationen“ plus „Gewinnbeteiligungen“(in Form von stock options) plus „Pensionsvorsorgen“ des Vorstandes machen über die letzten Jahre hin bei den großen Industriekonzernen (Voest Alpine, Siemens, „Verbundgesellschaft“, ÖMV etc.) zwischen 0,2% und 0,8% des Gesamtprofits aus. Wobei natürlich z.B. die 13 Millionen € für die 5 Vorstands-mitglieder der ÖMV im Jahr 2012 kein Pappenstiel sind, aber erstens visiert man damit trotzdem nur 0,4% des Profits an und zweitens würde für den ÖMV-Arbeiter nichts anders, wenn man sie auf die Hälfte oder ein Viertel oder auch auf ein Hundertstel (das wären immer noch 2.200 Euro pro Kopf und Monat!) kürzt.

20 Marx weist allerdings an anderer Stelle darauf hin, dass es mit der Fortentwicklung der kapitalistischen Pro-duktion (und wir ergänzen heute: noch weitaus mehr mit dem Imperialismus) in gewisser Weise zu einer Art „Refeudalisierung“ der Bourgeoisie kommt, wo persönlicher Luxus wieder eine weitaus größere Rolle spielt als in frühbourgeoiser Zeit. Das hat einfach damit zu tun, dass die frühe Bourgeoisie eine neue, aufstrebende Klasse war, die sich erst gegenüber dem Feudaladel emanzipieren musste, während sie inzwischen längst eine überkommene, niedergehende Klasse ist, genauso parasitär und nach Fäulnis stinkend wie seinerzeit der Feuda-ladel. Trotzdem macht es einen großen Unterschied, ob der Feudalherr seinen Lebenszweck in der Anhäufung von Gebrauchswerten findet oder der Kapitalist den seinen in der „ihrer Natur nach schrankenlosen“ Kapital-verwertung.

21 Wir meinen hier Faktoren, die ihm wirklich entgegenwirken, indem wirklich mehr wirklicher Mehrwert bzw. Profit produziert oder durch Umverteilung unter den Kapitalisten angeeignet wird, nicht indem der Profit wie ein Luftballon mit heißer Luft aus der Finanzsphäre aufgeblasen wird.

22 Das Grundeigentum stellt dar einen „Titel auf (ein) mit besondern Eigenschaften begabtes Stück des Erdkör-pers“ und bedeutet eine „monopolisierte Naturkraft“, aber der „Gebrauchswert Boden hat keinen Wert“, bloß erscheint die Grundrente und als eine spezielle Form davon die Bergwerksrente als sein „Tauschwert“ (Marx, „Kapital“ III, MEW 25, p. 781, 783 und 825). Der Grundbesitzer schöpft durch sein Monopol den Surplusprofit des betreibenden Kapitalisten ab - sofern und soweit dieser ihn nicht daran hindert, z.B. das französische Nukle-armonopol Areva den Staat Niger durch Okkupation und Militärintervention. Letzteres liegt freilich außerhalb ökonomischer Gesetzmäßigkeiten, ist aber unter neokolonialen oder kolonialen Verhältnissen gang und gäbe.

23 Ein weiteres besonders krasses Beispiel neben der Nuklearindustrie ist das Schiefergas. Hier besteht eine potentielle Naturressource, die aber nur um den Preis der massiven Zerstörung ganzer Landstriche und fürch-terlicher Folgeschäden abgebaut werden kann (Fracking). Nach dem Abbau wird, wie man in den USA bereits deutlich sieht, eine verwüstete Gegend hinterlassen, von Erdbeben und Bodenrutschungen bedroht und mit verseuchtem Grundwasser für Jahrzehnte (ein kleiner Vorgeschmack dessen, was dem Niger für den Abbau „französischen“ Urans geschah und geschieht). Das Gas selbst ist wie gesagt „gratis“, da Naturressource und - als Naturvorkommen - ohne inkorporierte menschliche Arbeit. Die Kosten der staatlichen Konzession entsprechen bestenfalls der Grundrente (Bergwerksrente) und stellen daher eine Subvention dieser „erfolgversprechenden neuen Technologie“ dar. Die Förderung ist billiger als bei Erdgas, denn gefördert wird (z.B. in Polen, dem ersten großen Exploitationsgebiet in Europa) nur in 3.000 Meter Tiefe. Konkurriert gegen Erdgas wird also durch eine unfassbare Umweltverwüstung, die aber nicht von den Förderkonzernen zu tragen ist und daher nicht in deren Kostenrechnung eingeht. Der Widerspruch zwischen kapitalistischen Kosten und wirklichen gesellschaftlichen Kosten ist - bei laufender und störungsarmer Produktion und ohne Gau oder Supergau - noch krasser als bei der Atomindustrie (im Falle des Gau oder Supergau natürlich wesentlich geringer, da räumlich und zeitlich beschränkter). Eine die gesellschaftliche Realität abbildende Politische Ökonomie der Schiefergasförderung ist genauso wichtig wie die der Nuklearindustrie.

24 Wir nehmen der Einfachheit halber eine übliche finanzkapitalistische Kennzahl aus den Geschäftsberichten dieser Konzerne, nämlich den ROCE („return on capital employed“), eine Art Rendite auf das vorgeschossene Kapital. Siemens, das den Leser/innen vielleicht abgeht, kommt nicht vor, weil Siemens Österreich seinen ROCE nicht publiziert und der ROCE des weltweiten Siemens-Konzerns in unserem Zusammenhang nicht vergleichbar wäre. Die Porr AG hat übrigens 2011 nicht außergewöhnlich hohe Verluste aus dem laufenden Geschäft einge-fahren, sondern bloß in Zusammenhang mit einer Änderung der Eigentümerstruktur massiv Rückstellungen für eventuelle schlagend werdende Risken und Verluste gebildet - aber vielleicht ahnte man auch schon die Alpine-Pleite und andere „Imponderabilien“ der Bauwirtschaft.

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25 Diese Grafik drückt die Dynamik des Wachstums aus, also nicht, ob die Wirtschaft wächst, sondern sozusagen ob die Wachstumsrate wächst, also ob sich das Wachstum beschleunigt oder verlangsamt. Nur wo das „Wachs-tum“ unter die Nulllinie geht, findet Schrumpfen der Wirtschaft statt, wo es darüber liegt, wächst das BIP zwar noch immer, aber immer schwächer. Sowohl zunehmende als auch nachlassende Tendenz werden auf diese Weise stärker akzentuiert.

26 Der Kapitalstock umfasst grob gesprochen das fixe Kapital und ist in der Ausgangsstatistik in Mrd. € darge-stellt. Die Kapitalrendite sind die eingestreiften Profite, in Beziehung gesetzt zum Kapitalstock. Diese ist leider nicht in absoluten Zahlen, sondern nur als Index mit der Basis 2005 = 100 verfügbar, sodass wir zwecks Vergleich-barkeit auch den Kapitalstock in einen Index auf Basis 2005 = 100 umgerechnet haben. Beide Zahlenreihen sind zu konstanten Preisen (auf dem Preisniveau 2005) ausgedrückt, also inflationsbereinigt. Diese Zahlen sind allerdings mit einer gewissen Mentalreserve zu genießen: die Rendite ist den Makroaggregaten der Volkswirt-schaftlichen Gesamtrechnung entnommen („Verteilung des Nettonationaleinkommens“), daher klassenmäßig unscharf (z.B. sind in der Kategorie „Bruttobetriebsüberschuss und Selbständigeneinkommen“ hochprofitables Monopolkapital und ruiniertes Kleingewerbe zusammengemischt) und auch sonst sehr grobschlächtig, sehr „makro“ eben; der Kapitalstock wird vermittels der Nettoanlageinvestitionen jährlich hochgerechnet, also aus ganz anderen Datenquellen ermittelt. Mit der o.a. Profitrate der Aktiengesellschaften ist diese Rendite daher nur sehr bedingt zu vergleichen. Aber es gilt wie immer in solchen Fällen, dass eine gewisse Aussagekraft über die Entwicklung (nicht auch über die absolute Höhe) gegeben ist, wenn jedes Jahr gleich - und sei es gleich falsch - gerechnet wird.

27 Der Kapitalismus macht nach wie vor eine zyklische Entwicklung durch. Allerdings hat sich die Ausprägung des Zyklus schon seit langem verändert und verändert sich immer weiter. Statt des „klassischen“ Zyklus - Erholung, Boom, Krach, (kurze) Depression - , den es schon bei der Weltwirtschaftskrise ab 1929 so nicht mehr gab, haben wir heute seit dem Krach ein einziges Gewürge, überhaupt nur eine Spur von Wachstum zustandezubringen, bei + 0,5% freuen sich schon alle wie die Schneekönige. Den Krach gibt‘s immer noch, aber mit dem anschlie-ßendem Boom ist es Sense. Das ist seit langem schon so, bloß diesmal ist es besonders scharf ausgeprägt.

28 Das, die „Verteilung“ der Produktionsmittel unter wem auch immer, wäre auch ein bizarrer Gedanke, des-sen Absurdität sofort ins Auge springt, es sei denn, man nimmt ihn für eine verkorkste Ausdrucksweise für die Entmachtung und Enteignung des Kapitals. In frühesten und frühen Phasen des Kapitalismus, als das Kapital noch weit nicht so konzentriert und zentralisiert war wie heute und ein Weg zurück (zu was?) wenigstens noch denkbar erschien, gab es in der Tat immer wieder solche Ideen und Strömungen, meist in „genossenschaftli-chem“ Gewand und immer ausgesprochen reaktionären Inhalts, weil sie die Widersprüche des Kapitalismus nicht nach vorwärts, durch die sozialistische Revolution, auflösen wollen, sondern nach rückwärts, indem sie die kapitalistische Entwicklung zurückdrehen wollten. Heute treten solche Bestrebungen normalerweise nur als ein reaktionäres Nischenprodukt auf. [Anders, wenn sich eine Wirtschaft in Zersetzung und im teilweisen Zusammenbruch befindet wie z.B. in Griechenland. Dort entstehen aus der Not, aus dem (durchaus buchstäb-lich gemeinten) „Kampf ums Überleben“, heraus der kleinbürgerlichen Genossenschafterei scheinbar ähnliche Formen, Selbsthilfe und Selbstorganisation des Volkes in der Produktion und einfache Tauschwirtschaft, sie sind aber dem Inhalt nach grundverschieden von der reaktionären kleinbürgerlichen Projektemacherei. Sie sind Formen der Selbstverteidigung im heutigen Abwehrkampf gegen Staatsmacht und Kapital und können positive Anknüpfungspunkte für den Klassenkampf bilden. Wie sich ihr Charakter entwickelt, ob kleinbürgerliche Träu-merei, der das Kapital bald wieder den Garaus machen wird, oder Mittel zur Beförderung des Klassenkampfes und des Klassenbewusstseins hängt davon ab, wie weit sich die revolutionäre sozialistische Perspektive in den Massen verankern kann.]

29 Ein bürgerlicher „Marxist“ von der deutschen DKP, der Bruderpartei unserer hiesigen „Partei der Arbeit“ (vormals „Kommunistische Initiative“), meinte einmal, er fände „der Kapitalismus auch ohne das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate schlecht“ und „könne auch so gegen ihn kämpfen“. Natürlich! Aber er kämpft nicht auf Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus gegen den Kapitalismus, sondern als Kleinbürger gegen die Schlechtigkeit der Welt, und es erschöpft sich sein Kampf darin, den Kapitalismus moralisch zu verwerfen. Mit Klassenkampf und Revolution haben solche Leute nichts am Hut und ihr ganzer Kampf reduziert sich in der Praxis auf bürgerliche Weltverbesserungsphantasien.

30 Klingt das nicht alles nach der (von allen Revisionisten und Reformisten so geschmähten) „Zusammenbruchs-theorie“? Es geht darum, die historische Perspektiv- und Aussichtslosigkeit des kapitalistischen Systems aufzu-zeigen - entgegen allem heute weit verbreiteten Defaitismus. Aber selbstverständlich geht der Kapitalismus nicht „von selbst“ unter, er muss vielmehr, wenn er eben gerade nicht in Barbarei ausmünden soll, durch die sozialistische Revolution gestürzt werden und dies verlangt, dass die Arbeiter/innenklasse die politische Macht ergreift und ihre Diktatur über die Bourgeoisie errichtet und den bürgerlichen Staat zerschlägt. Etwas ganz anderes sind die früheren „Zusammenbruchstheoretiker“, meist revisionistische Sozialdemokraten (z.B. unsere „Austromarxisten“), die damit ihre Passivität (und ihren im Ernstfall konterrevolutionären Fleiß) kaschieren wollten und sich dabei auf eine Art von „eherner“ Geschichtsautomatik ausredeten. Denselben Leuten, denen unsere feste Überzeugung bezüglich der historischen Hinfälligkeit des Kapitalismus nicht recht ist (da eine „Zu-sammenbruchstheorie“ des Kapitalismus), ist auch unsere feste Überzeugung nicht recht, dass diese historische Hinfälligkeit praktisch exekutiert werden muss durch die politische und militärische Aktion des Proletariats zum Sturz der Bourgeoisie. Beides ist nicht überraschend, denn im Grund bedeutet ihre Haltung ja nur, dass sie - ers-tens - die Bourgeoisie für so stark und eigentlich unantastbar halten, dass man an den Versuch, sie zu stürzen, nicht einmal zu denken bräuchte, und dass sie - zweitens - jeden Versuch, sie zu stürzen, energisch bekämpfen und als „Putschismus“ denunzieren. So schließt sich der Kreis der ideologischen Konterrevolution.

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1. Erhöhung des Mehr-werts bzw. der Mehr-wertrate

1.1. Senkung der Löhne unter den Wert der Ar-beitskraftDie Methoden zum „Her-unterdrücken des Arbeits-lohns unter seinen Wert“ stellen „eine der bedeu-tendsten Ursachen (dar), die die Tendenz zum Fall der Profitrate aufhalten“ (Marx). Da ist einmal die direkte Senkung des Lohns, das elementarste Mittel des Kapitals, lange Jahre

eher ein Ausnahmefall, heutzutage wieder auf breiter Front praktiziert. Es vermittelt sich meistens nicht in der offen-brutalen Form (welche freilich vom bürgerlichen Recht schon vorgesehen wird durch die Möglichkeit z.B. von „Änderungskündigun-gen“ etc.), sondern über die „Reorganisation“ der Arbeitsverhältnisse („Be-triebsübergänge“, Aus-gliederungen etc.), über die Schaffung und massen-hafte Verbreitung von pre-kären Arbeitsverhältnissen

(Leiharbeit, Teilzeit- und Saisonarbeit, Scheinselb-ständigkeit und Pseudo-“Werkverträge“, misera-bel und oder (unter gewis-sen Umständen) gar nicht bezahlte Zwangsprakti-kanten im Zusammenhang mit Ausbildungsgängen, die Zivildiener, Ferienjobs ...), über die schrittweise Weg-“Flexibilisierung“ des Arbeitsrechts und speziell des bisschen Kündigungs-schutzes und die „Libe-ralisierung des Arbeits-markts“ (bis hin zu den - jahrzehntelang verbo-

Faktoren, die dem tendenziellen Fall der Profitrate

entgegenwirken

Die folgende Übersicht stellt weder eine vollständige Auflistung, noch eine Analyse der angespro-chenen Faktoren dar. Sie dient lediglich dazu, die dem Kapital zur Verfügung stehenden Mittel und Wege aufzuzeigen und etwas zu strukturieren. Etliche dieser Faktoren greifen in der einen oder anderen Form und Richtung ineinander. Wenn man an das Marx‘sche „Kapital“, Band III ( Dritter Abschnitt „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate“, Vierzehntes Kapitel „Entgegenwirkende Ursachen“) denkt, wird man die dort aufgeführten Faktoren wiedererkennen: sie wirken nach wie vor 1, einige stellen sich allerdings heute, in der Epoche des Monopolkapitals und des Imperialismus, anders dar. Neue, von Marx noch nicht oder nicht explizit genannte Faktoren (wiewohl manche davon an anderen Stellen des „Kapital“ oder der „Theorien über den Mehrwert“ oder anderswo schon angedeutet) sind dazugekommen und/oder haben wesentlich an Bedeutung gewonnen - alles nämlich, was mit der vollen Herausbildung des Monopols, des Imperialismus und einer damals un-vorstellbaren „Hypertrophie des Geldkapitals“ zu tun hat. Es ist dabei zu beachten, dass - wenn wir das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate betrachten - immer vom Gesamtkapital und seiner Durchschnittsprofitrate die Rede ist.

1 Das gilt mit einer Ausnahme, denn die „Zunahme des Aktienkapitals“ hat inzwischen eine qualitativ ganz andere Dimension erreicht und spielt im heutigen Finanzkapital eine ganz andere Rolle als damals. Nicht nur sind Aktiengesellschaften wie auch darauf aufbauende Überstrukturen, „die zweite und dritte Potenz der Ak-tiengesellschaft“, wie Engels damals zu den ersten Formen solcher Strukturen sagte (z.B. „Financial Trusts“, verschachtelte Aktiengesellschaften, Aktiengesellschaften auf Aktiengesellschaften, Hedge- und andere Fonds-gesellschaften .. - siehe z.B. Engels‘ Anmerkungen in MEW 25, p.453 und 458) - nicht nur sind solche Strukturen nicht mehr die Ausnahme, sondern sie bilden längst die typische Form der Organisation des großen Kapitals und es hat ihre Wirkung auf die Profitrate wegen der Hypertrophie des Geldkapitals und seiner bestimmenden Macht im Rahmen des Finanzkapitals insgesamt regelrecht gedreht. War die Aktiengesellschaft zu Beginn ihrer Karriere ein dem Fall der Profitrate entgegenwirkender Faktor, weil und sofern sich der Aktionär mit einer Art von (unter der Durchschnittsprofitrate liegendem) Zins begnügte, wirkt sie heute längst in die entgegenge-setzte Richtung, weil sich die „Aktionäre“ nicht einmal mehr mit der Durchschnittsprofitrate begnügen, son-dern enorm hohen Maximalprofit aus dem Kreislauf des produktiven Kapitals herauszuziehen wollen (Stichwort „shareholder value“). Das liegt selbstverständlich nicht am „Wesen der Aktiengesellschaft“, sondern an der monopolistischen Struktur des heutigen Kapitalismus, der eben Aktiengesellschaften und darauf aufbauende Superstrukturen (Überbau) am besten entsprechen. Entlastend gegenüber dem Druck auf die Profitrate wirkt demgegenüber alles, was Teile des Kapitals aus der Verteilung des Gesamtmehrwerts und dem Ausgleich der Profitraten herausnimmt; in früherer Zeit gehörten die Aktiengesellschaften dazu, in der heutigen Zeit gehört z.B. die (ggf. auch nur zeitweise) Verstaatlichung von Industrien oder Firmen dazu.

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tenen, inzwischen wieder erlaubten - berüchtigten „Kettendienstverträgen“ und einem massiven Über-gewicht unbefristeter Ar-beitsverträge bei Neuein-stellungen) - alles auf Basis wachsender Arbeitslosig-keit und ihres Zwillings-bruders, der Prekarität, und einer immer „effizien-ter“ durchorganisierten in-dustriellen Reservearmee, teilweise mit Zwangsar-beitscharakter. Das Hin-unterdrücken vermittelt sich aber auch - auf breiter Front und über Jahre hin - auf einem ganz anderen Weg, nämlich schleichend als indirekte Lohnsenkung über inflationäre Entwer-tung des Lohns (Reallohn-abbau). Ist die erstere, di-rekte Form eine brutalere und Schnellfeuerwaffe der Bourgeoisie, so hat sie in der zweiten, indirekten ei-nen unentwegt und weit-räumig grabenden und auf lange Sicht äußerst wirkungsvollen Maulwurf. Andere Möglichkeit sind perfide Akkordsysteme, die auf Lohnsenkung hin-auslaufen (weil die gefor-derte steigende Intensität der Arbeit nicht zu schaf-fen ist) oder „flexible Ar-beitszeitsysteme“, die zur Abschaffung der Über-stundenentlohnung füh-ren. Auch die Erhöhung von Sozialversicherungs-beiträgen gehört dazu, denn diese wären „eigent-lich“ (ginge es nach dem Wertgesetz), da Teil der Reproduktionskosten der Arbeitskraft, zur Gänze von den Kapitalisten zu tragen (deren „Lohnne-benkosten“ aber im Ge-genteil immer mehr „ent-lastet“ werden).

Ein anderer Prozess, der aber auf dasselbe hinaus-läuft, findet statt, wenn zwar der Lohn nicht ge-senkt wird, aber sich der Wert der Arbeitskraft er-höht, ohne dass der Lohn steigt. Das vermittelt sich - neben der Erhöhung der Arbeitsintensität - über Ausdehnung der Nacht- und Schichtarbeit, immer perfidere Schichtsysteme, alles was eben den Ver-schleiß und daher den Wert der Arbeitskraft pro verausgabter Arbeitsstun-de erhöht. Ähnlich, wenn berufliche Qualifizierung (und der dadurch erhöh-te Wert der Arbeitskraft) nicht bezahlt oder jemand unter seiner Qualifikation eingesetzt wird.

1.2. Erhöhung der Intensi-tät der Arbeit Dadurch wird in derselben Zeit mehr Arbeitskraft ver-ausgabt und mehr Mehr-wert produziert. Es ver-mittelt sich über Erhöhung des Arbeitstempos, Ver-größerung des Umfangs der zu überwachenden oder zu bedienenden Ma-schinerie oder eine andere Erhöhung des körperli-chen, geistigen, nervlichen etc. Energieaufwands des Arbeiters pro Zeiteinheit.

1.3. Verlängerung der Ar-beitszeitDas vermittelt sich über Verlängerung des Arbeits-tages (ob des Normalar-beitstags oder durch Über-stunden) bzw. der Arbeits-woche, Streichung von Feiertagen, aber auch z.B. durch Pausen-, Waschzei-ten- oder Urlaubskürzung, faktisches „Verbot“ von Arztbesuchen während der Arbeitszeit, unbezahl-

te unfreiwillige „Pausen“ und Springersysteme, nicht oder schlecht bezahlte Be-reitschaftsdienste.

1.4. Durchkapitalisierung der Gesellschaft, Unter-werfung neuer Bereiche unter das KapitalEs dreht sich entweder um aus technischen Gründen neu entstehende Produk-tionszweige, ob in der materiellen Produktion oder bei den sogenann-ten Dienstleistungen, und/oder um die Unterwer-fung bzw. Einbeziehung von Arbeits- und Lebens-bereichen, die das bisher nicht waren, unter die/in die Kapitalverwertung. In solchen Bereichen ist fast immer die organische Zu-sammensetzung niedriger, da Mechanisierung und Automatisierung noch nicht hochentwickelt sind, oft auch gar nicht möglich, und daher ein größerer Anteil lebendiger Arbeit, also variablen Kapitals, zur Anwendung kommt. Da-her wird dort relativ mehr Mehrwert produziert. Beispiele sind die IT- und Telekommunikationsbran-che (abgesehen von der hard ware, die fällt eher unter die Rubrik Lohns-klaverei), Nutzung wis-senschaftlicher Forschung und Entwicklung durch das Kapital, aber auch z.B. kapitalistisch betriebene Pflegeeinrichtungen oder das kapitalistisch bewirt-schaftete Bahnhofsklo und vieles andere mehr. In all diesen Fällen werden dem Kapital neue Aus-beutungssphären eröff-net, praktisch immer mit niedrigerer organischer Zusammensetzung als der Durchschnitt, häufig zu-

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gleich mit einer höheren Ausbeutungsrate.

1.5. Bremsung des „tech-nischen Fortschritts“ durch industrielle Reservearmee und Niedriglöhne Das ist eine indirekte Wir-kung der industriellen Reservearmee. Der Ersatz von menschlicher Arbeit durch Maschinenarbeit wird angetrieben durch den Zwang zur Erhöhung der Produktivität - wenn der Kapitalist dasselbe durch Niedriglöhne und Überausbeutung erreichen kann, fällt dieser „Sta-chel“ weg oder schwächt er sich ab. Eine doppelt wohltuende Wirkung für das Kapital tritt ein: einer-seits niedrigere organische Zusammensetzung des Ka-pitals, andererseits höhere Mehrwertrate.

2. Erhöhung der Pro-fitrate (unabhängig von der Mehrwertrate)

2.1. Verbilligung (bei Marx „Verwohlfeilerung“) des konstanten Kapitals Verbilligung von Ausrüs-tungen und Maschinen, Vor- und Zwischenproduk-ten im Produktionspro-zess, Roh-, Hilfs- und Be-triebsstoffen, also sowohl des fixen als auch des zir-kulierenden konstanten Kapitals. Dazu gehört auch maßgeblich die Ver-billigung durch den Au-ßenhandel, d.h. billigere Importe. (Ähnliches spielt sich übrigens ab, wenn bil-ligere Arbeitskraft impor-tiert wird, das verbilligt dann das variable Kapi-tal.) Auch die regelmäßi-ge Entwertung (vor allem, aber nicht nur) des fixen Kapitals durch absolute

und relative Überalterung, relativ im Vergleich zur technischen Fortentwick-lung, fällt in diese Katego-rie. Es vermittelt sich über Krachs und Krisen, ergibt sich aber auch als Folge „ewiger“ mitgeschleppter Überkapazitäten. Es be-trifft neben dem fixen Ka-pital auch die Entwertung des Lagerbestands und nicht absetzbarer Über-schussproduktion. Eine ökonomisch wie politisch besondere Bedeutung bei der Verbilligung des kon-stanten Kapitals haben die in den Neokolonien zu niederen und niedrigsten Kosten geplünderten Roh-stoffe oder auch die hoch subventionierten Ener-giekosten (übrigens auch die staatlich organisierte Schieberei mit den CO2-Emissionszertifikaten).Ferner gehören in diese Rubrik andere Formen der Ökonomisierung des kon-stanten Kapitals wie z.B. Reduzierung und Wieder- oder Weiternutzung von Ausschuss und Abfällen.

2.2. Erhöhung der Um-schlagsgeschwindigkeit des KapitalsDie Jahresprofitrate hängt davon ab, wie oft ein Ka-pital pro Jahr umschlägt. Schlägt es z.B. doppelt so oft um, ergibt sich - bei unveränderter Profitrate pro Umschlag - eine dop-pelt so hohe Jahrespro-fitrate bei gleichem Kapi-taleinsatz. Soweit es sich um den Produktionspro-zess dreht, wird die Um-schlagsgeschwindigkeit erhöht durch Beschleuni-gung bzw. Verkürzung der Dauer des Produktionspro-zesses samt seiner vor- und nachgelagerten Bereiche

(Transport- und Lagerlo-gistik). Der Umschlag des fixen Kapitals beschleunigt sich auch erheblich durch Nacht- und Schichtarbeit. Wenn dies mit erhöhtem Arbeitstempo (und nicht mit erhöhter Maschinen-geschwindigkeit) erzielt wird, steigt zugleich die Intensität der Arbeit. Für das Gesamtkapital (und auch für das Einzelkapital, wenn und soweit es auch die Zirkulationssphäre ab-deckt oder in sie hinein reicht) ist auch die Um-schlagsgeschwindigkeit im Zirkulationsprozess rele-vant.

3. Direkte Aneignung fremden Mehrwerts

3.1. Direkte Aneignung fremden Mehrwerts, sei es im Inland, sei es Ausland, vermittels Beteiligungen (hauptsächlich in Form von Aktien- oder sonstigen Ge-sellschaftsanteilen).

3.2. KapitalexportGeschieht die Investition im Ausland, liegt Kapital-export vor, d.h. dass unser Kapitalist auch Kapitalist in einem anderen Land wird und sich dort produzierten Mehrwert direkt aneignet. (Das muss nicht zwingend mit staatlichen und mafiö-sen Eingriffen in das Funk-tionieren des angeblich so hochgeschätzten Mark-tes und des Wertgesetzes verbunden sein, wird es aber unter Bedingungen monopolistischer und im-perialistischer Konkurrenz häufig.) 3.3. Offen räuberische An-eignungOft, rasch und problem-los geht der Kapitalexport

Faktoren, die dem Fall der Profitrate entgegenwirken

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unter Bedingungen neo-kolonialer Beherrschung eines Landes über in of-fen räuberische Aneig-nung. Er verbindet sich dann - abgesehen von der „friedlichen Gewalt“, die er an und für sich schon rein ökonomisch bedeu-tet (vom Ausspielen der „Marktmacht“ zum Nie-derkonkurrieren lokaler Industrien bis zur Devas-tierung ganzer Volkswirt-schaften) - mit purer Plün-derung, die nicht mehr viel mit den rechten kapitalis-tischen Dingen (d.h. dem Wertgesetz) zu tun hat, auch mit politischer und militärischer Beherrschung bzw. Gewalt bis hin zu di-rekter Okkupation. Beson-ders deutlich wird das im Bereich der Rohstoffe (z.B. die Rolle des französischen Nuklearkonzerns Areva im Niger oder US-Ölfirmen im Irak), im Infrastruktur-bereich (z.B. die EVN in Bulgarien) und im letzten Jahrzehnt immer mehr auch in der Kontrolle von Grund und Boden in den Neokolonien (z.B. der massive Aufkauf afrikani-schen Bodens durch China und andere Imperialisten). Manchmal erreichen die Imperialisten ihre Ziele, v.a die Aneignung von Roh-stoffen, auch ganz oder fast ganz ohne Kapitalex-port, indem sie lieber - wie z.B. im Kongo - in „Rebel-len“, marodierende Söld-nerbanden, „Unabhängig-keitsbewegungen“ usw. „investieren“ oder über Quislingregime in diese in-vestieren lassen. Das findet man klarerweise in keiner Kapitalmarktstatistik und wahrscheinlich auch in keiner Statistik über den Waffenexport, es ist aber nur ein anderes Mittel zu

demselben Zweck, der Kontrolle und Plünderung der Rohstoffe.

4. Indirekte Aneignung fremden Mehrwerts in der Zirkulationssphäre

4.1. Erhöhung der Produk-tivität und Umverteilung über den MarktHier geht es um die Bil-dung von Marktwerten (innerhalb eines Sektors) und den Ausgleich der in-dividuellen Profitraten zur Durchschnittsprofitrate (zwischen den Sektoren), also die Verwandlung der (individuellen) Werte in Produktionspreise. Das produktivere Kapital kann seine Produkte zu Preisen verkaufen, die über sei-nen individuellen Werten liegen, und dadurch Extra-profit einfahren.

4.2. Plünderung kleine-rer Kapitalisten durch die größeren vermittels Um-verteilung von weniger produktiven zu Kapitalen mit höherer Produktivität, meist unter Zuhilfenahme von „Marktmacht“, auch mittels „Verzerrungen“ des Preisgefüges (ver-mittels monopolistischer Marktwertbildung), also auch Umverteilung vom nichtmonopolistischen Ka-pital zu den Monopolen. Wir reden hier immer von ökonomisch basierter Um-verteilung entsprechend dem Wertgesetz, nicht von „Betrug und wechselseiti-ger Prellerei“ (Marx), die es natürlich auch gibt.

4.3. Warenexport und Warenimport, soweit sie sozusagen „rein“, ohne ökonomische Gewalt und ohne politische und/oder militärische Machtausü-

bung erfolgen. Die „kauf-männische“ Umverteilung wird allerdings im Imperi-alismus oft zu räuberischer Umverteilung, die durch ökonomische, politische, militärische Gewalt beför-dert wird. Einerseits durch Machenschaften wie beim oben schon erwähnten „Rohstoffimport“ aus dem Kongo (verbunden mit Waffenexport in den Kon-go). Andererseits durch „ungleiche Verträge“ („ungleich“ gemessen am Wertgesetz ) bei völliger Missachtung der Souve-ränität der betreffenden Länder (bei Kollaboration der dortigen Vasallenre-gimes). Z.B. sind die be-rühmten „terms of trade“, d.h. ungleiche Austausch-verhältnisse zwischen im-perialistischen und vom Imperialismus abhängi-gen Ländern, etwas, das sich nicht einfach aus den Marktverhältnissen „er-gibt“, sondern durch po-litische Abkommen und ungleiche Verträge produ-ziert und gegebenenfalls militärisch durchgesetzt wird. (Man braucht sich nur vorzustellen, was ge-schähe, wenn es im Niger plötzlich eine Regierung gäbe, die Areva aus dem Land werfen oder nur ih-ren Status in Frage stellen würde. Oder ein Staat auf dem Balkan die österreichi-schen Banken und Firmen, bzw. der Irak die US-Öl-konzerne rausschmeißt.)

5. Kompensation des Falls der Profitrate durch Erhöhung der Profitmasse

Eine Erhöhung der Profit-masse (trotz Sinken der Profitrate) ändert zwar nichts am Fall der Pro-

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fitrate, kompensiert die-sen aber insofern, als die ökonomische Macht des Einzelkapitals in der Kon-kurrenz auch dadurch, selbst bei sinkender Pro-fitrate, steigt. „Und so wälzt sich der Strom des Kapitals fort ... oder seine Akkumulation im Verhält-nis der Wucht, die es schon besitzt, nicht im Verhält-nis zur Profitrate.“ (Marx, „Kapital“ III, MEW 25, p.255) Dies verstärkt und befestigt Monopolmacht.

6. Stützung der Profitra-te durch direkte und indirekte Subventionen

Immer größere Lohnbe-standteile, die „eigent-lich“ (nach den Regeln des Wertgesetzes) der Kapita-list zu tragen hätte, wer-den ihm vom Staat und seinen Untergliederungen sowie von supranationalen Organisationen der Bour-geoisie (wie z.B. der EU) abgenommen (und durch Erhöhung des Massensteu-eraufkommens, insbeson-dere der indirekten Steu-ern, - nach einem neuen Modewort - „gegenfinan-ziert“). Diese „Entlastung“ bzw. „Verwohlfeilerung“ der Kosten des variablen Kapitals vermittelt sich über sukzessive „Entlas-tung“ des Kapitals (z.B. bei den Sozialversiche-rungsabgaben und ande-ren „Lohnnebenkosten“) und direkte Subventionen. In Frankreich, haben fran-zösische Marxisten ausge-rechnet, macht dies bereits die Hälfte dessen aus, wo-raus die Reproduktions-kosten der Arbeitskraft, ergo ihr Wert, bestehen. Wem das viel erscheint, der darf - neben Zuschüs-

sen in direkter Lohnform (z.B. Kurzarbeitergeldauf-stockung, Zuschüsse für jeden Ausbildungsplatz, Zuschüsse für jeden ein-gestellten „älteren Arbeit-nehmer“, in Frankreich für jeden, dem die Gnade eines unbefristeten Aus-beutungsvertrags gewährt wird (perverser Plan), in Deutschland die „Hartz IV-Aufstocker“ (perverse Re-alität), etc.) - nicht verges-sen z.B. die Ausbildungs-kosten der Kindergenera-tion, die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Gesundheit oder das Ren-tensystem, d.h. die Todes- und Elendsvermeidung im Alter, alles Dinge, die für die Reproduktion der Klas-se auf einem gegebenen gesellschaftlichen Niveau notwendig sind. Diese gesellschaftlichen Kosten werden zunehmend bru-tal auf die Arbeiter/in-nenklasse abgewälzt oder vom Staat finanziert - bei gleichzeitiger Steueraus-plünderung von Arbeiter/innenklasse und Volk und Steuerschonung der Bour-geoisie. Dieses Abwälzen auf die Arbeiter/innen-klasse läuft - bloß auf in-direktem Weg - ebenfalls auf das „Herunterdrücken des Arbeitslohns unter den Wert der Arbeitskraft“ bis hin zur regelrechten De-gradation der Lebensbe-dingungen hinaus.

7. Fiktive Profite aus fik-tivem Kapital

Das steigende Gewicht des „Finanzergebnisses“, also des Resultats von Fi-nanztransaktionen ohne direkten Zusammenhang mit dem eigentlichen Be-triebsergebnis, und der

Finanzspekulation führen zu fiktivem Profit, dem gar kein wirklich produ-zierter gesellschaftlicher Mehrwert entspricht. Es ist papierene Verdoppelung oder Vervielfachung des Profits und imaginierter Vorgriff auf zukünftigen Mehrwert. Dies hat trotz-dem eine reale Wirkung, indem es - bis zum unwei-gerlich folgenden Krach - das momentan disponible Geldkapital vermehrt, was sich auch in der in den Ge-schäftsbüchern abgebilde-ten Profitrate und der dar-aus abgeleiteten „Boni-tät“ („financial strength“) niederschlägt. Es findet zwar nur scheinbare Erhö-hung der Profitrate statt, die aber an der Oberfläche des kapitalistischen Trei-bens, im „Schein der Kon-kurrenz“, dennoch eine gewisse Realität gewinnt. Es ist eine, wie Marx das nennt, „reelle Mystifikati-on“.

8. Schönung der Profitrate durch „Bilanzgestaltung“

Das sind alles Dinge, die nicht fiktiv im gerade an-geführten Sinn sind, son-dern im Grunde banaler Schwindel, Dinge, die die tatsächliche Profitrate ei-gentlich nicht beeinflus-sen, nicht einmal fiktiv, die aber doch die in den Geschäftsbüchern ausge-wiesenen Profitkennzah-len beeinflussen (und sich daher in der Bourgeoissta-tistik niederschlagen). Sie schwächen daher, wenn auch nur auf dem Papier, den tendenziellen Fall der Profitrate ab oder besser gesagt: sie verschleiern ihn.

Faktoren, die dem Fall der Profitrate entgegenwirken

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8.1. Manipulation des Amortisationsfonds (Ab-schreibungen auf das fixe Kapital)Überhöhte Abschreibun-gen haben oft steuerli-che Gründe, weil sie das steuerpflichtige Ergebnis schmälern. Zugleich erhö-hen sie aber, und das ist für die „Märkte“ außer-ordentlich wichtig, den sogenannten „cash flow“ einer Firma, also das dis-ponible Geldkapital und damit ihre finanzielle „Bo-nität“. Man muss nicht aus dem Rückfluss des ver-brauchten fixen Kapitals unbedingt wieder neues fixes Kapital anschaffen, man kann damit auch Ak-quisitionen (Firmenkäufe, Beteiligungserwerbe) tä-tigen oder Liquiditätseng-pässe überbrücken.

8.2. „Bewertungsspielräu-me“Methoden und Spielräu-me der Bilanz- und daher

Ergebnisgestaltung er-lauben, den Profit höher oder niedriger darzustel-len - und das durchaus in Einklang mit den Gesetzen und Bilanzierungsrichtlini-en. „Spielräume“ eben. Das erlaubt das Schönen der Profitrate oder, falls aus taktischen Gründen einmal erwünscht (z.B. Verschiebung von Perio-denergebnissen, Steuer-vermeidung, Machtkämp-fe zwischen Bourgeoiscli-quen...), auch ihre künstli-che Verschlechterung.

8.3. Das kapitalisten-freundliche Steuersys-tem (eher Steuervermei-dungssystem - siehe z.B. „Gruppenbesteuerung“ von international tätigen Konzernen, zeitlich unbe-fristete Möglichkeit von Verlustvorträgen ...) dient ebenfalls (und ganz legal) der künstlichen Schönung des Bilanzgewinns und ähnlicher Kennzahlen. Al-

lerdings, das Finanzkapital und seine Analysten ver-gleichen heute in erster Li-nie die Profitabilität „vor Steuern“, um, wie es heißt, deren „Verfälschung“ durch das ihnen natürlich äußerst geläufige Steuer-system zu vermeiden und die Vergleichbarkeit mit anderen „Investments“ herzustellen. Was aber nichts daran ändert und sie nicht daran hindert, dass ihnen diese „Verfäl-schung“ praktisch und „cash wirksam“ Millionen und Abermillionen in die Kassen spült.

8.4. BilanzbetrugHier wird es auch im Sinne des bürgerlichen Gesell-schafts- und Steuerrechts halb- oder illegal, wobei es zwischen legal und illegal verschwimmende Grauzo-nen gibt.

Marx nennt das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate das „vom historischen Stand-punkt aus wichtigste Gesetz“ der Politischen Ökonomie. Es ist nämlich nicht eine theoretische Spintisiererei, die man - obwohl Marxist - nicht ernst zu nehmen bräuchte, sondern das Herz-stück der Marx‘schen ökonomischen Theorie, speziell auch der Krisentheorie, und es verweist zugleich auf die Schranken der Entwicklung des Kapitalismus und auf die Notwendigkeit und historische Unumgänglichkeit der sozialistischen Revolution.

Schon in den „Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie“ heißt es (MEW 42, p. 641/42):

„Es ist dies in jeder Beziehung das wichtigste Gesetz der modernen politischen Ökonomie und das wesentlichste, um die schwierigsten Verhältnisse zu verstehn. Es ist vom historischen Standpunkt aus das wichtigste Gesetz. Es ist ein Gesetz, das trotz seiner Einfachheit bisher nie begriffen und noch weniger bewußt ausgesprochen worden ist. Da diese Abnahme der Rate des Profits gleichbedeutend ist 1. mit der schon produzierten Produktivkraft und der materi-ellen Grundlage, die sie für neue Produktion bildet ...2. mit der Abnahme des Teils des schon produzierten Kapitals, der gegen unmittelbare Arbeit ausgetauscht werden muß, d.h. mit

Marx zum Gesetz des tendenziellen Falls

der Profitrate

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der Abnahme der unmittelbaren Arbeit, die erheischt ist zur Reproduktion eines ungeheuren Werts, der sich in großer Produktenmasse ausdrückt ... 3. [mit] der Dimension des Kapitals überhaupt, auch der Portion desselben, die nicht capital fixe ist; also großartig entwickel-ten Verkehrs, großer Summe der Tauschoperationen, Größe des Markts und Allseitigkeit der gleichzeitigen Arbeit; Kommunikationsmittel etc.,Vorhandensein des nötigen Konsumtionsfonds, um diesen ungeheuren Prozeß vorzunehmen (die Arbeiter essen, wohnen etc.), so zeigt sich, daß die schon vorhandne materielle, schon herausgearbeitete, in der Form von capital fixe existierende Produktivkraft, wie die scientific power, wie die Bevölkerung etc., kurz, alle Bedingungen des Reichtums, daß die größten Be-dingungen für die Reproduktion des Reichtums, i.e. die reiche Entwicklung des sozialen Indi-viduums — daß die durch das Kapital selbst in seiner historischen Entwicklung herbeigeführte Entwicklung der Produktivkräfte, auf einem gewissen Punkt angelangt, die Selbstverwertung des Kapitals aufhebt, statt sie zu setzen. Über einen gewissen Punkt hinaus wird die Entwick-lung der Produktivkräfte eine Schranke für das Kapital; also das Kapitalverhältnis eine Schran-ke für [die] Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit. Auf diesem Punkt angelangt, tritt das Kapital, d. h. Lohnarbeit, in dasselbe Verhältnis zur Entwicklung des gesellschaftlichen Reich-tums und der Produktivkräfte wie Zunftwesen, Leibeigenschaft, Sklaverei und wird als Fessel notwendig abgestreift. Die letzte Knechtsgestalt, die die menschliche Tätigkeit annimmt, die der Lohnarbeit auf der einen, des Kapitals auf der andren Seite, wird damit abgehäutet, und diese Abhäutung selbst ist das Resultat der dem Kapital entsprechenden Produktionsweise; die materiellen und geistigen Bedingungen der Negation der Lohnarbeit und des Kapitals, die selbst schon die Negation frührer Formen der unfreien gesellschaftlichen Produktion sind, sind selbst Resultate seines Produktionsprozesses. In schneidenden Widersprüchen, Krisen, Krämpfen drückt sich die wachsende Unangemessenheit der produktiven Entwicklung der Gesellschaft zu ihren bisherigen Produktionsverhältnissen aus. Gewaltsame Vernichtung von Kapital, nicht durch ihm äußere Verhältnisse, sondern als Bedingung seiner Selbsterhaltung, ist die schlagendste Form, worin ihm advice (der Rat) gegeben wird, to be gone and to give room to a higher state of social production (abzutreten und einer höheren Stufe der sozialen Produktion Platz zu machen).“

Im Band III des „Kapital“ heißt es im Dritten Abschnitt „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate“, Kapitel XV „Entfaltung der inneren Widersprüche des Gesetzes“ (MEW 25, p. 259/260):

„Diese beiden im Akkumulationsprozess einbegriffnen Momente sind aber nicht nur in dem ruhigen Nebeneinander zu betrachten, worin Ricardo sie behandelt; sie schließen einen Wi-derspruch ein, der sich in widersprechenden Tendenzen und Erscheinungen kundgibt. Die widerstreitenden Agentien wirken gleichzeitig gegeneinander.Gleichzeitig mit den Antrieben zur wirklichen Vermehrung der Arbeiterbevölkerung, die aus der Vermehrung des als Kapital wirkenden Teils des gesellschaftlichen Gesamtprodukts stam-men, wirken die Agentien, die eine nur relative Übervölkerung schaffen.Gleichzeitig mit dem Fall der Profitrate wächst die Masse der Kapitale, und geht Hand in Hand mit ihr eine Entwertung des vorhandnen Kapitals, welche diesen Fall aufhält und der Akku-mulation von Kapitalwert einen beschleunigenden Antrieb gibt.Gleichzeitig mit der Entwicklung der Produktivkraft entwickelt sich die höhere Zusammenset-zung des Kapitals, die relative Abnahme des variablen Teils gegen den konstanten.Diese verschiednen Einflüsse machen sich bald mehr nebeneinander im Raum, bald mehr nacheinander in der Zeit geltend; periodisch macht sich der Konflikt der widerstreitenden Agentien in Krisen Luft. Die Krisen sind immer nur momentane gewaltsame Lösungen der vorhandnen Widersprüche, gewaltsame Eruptionen, die das gestörte Gleichgewicht für den Augenblick wiederherstellen.Der Widerspruch, ganz allgemein ausgedrückt, besteht darin, daß die kapitalistische Produkti-onsweise eine Tendenz einschließt nach absoluter Entwicklung der Produktivkräfte, abgesehn vom Wert und dem in ihm eingeschlossnen Mehrwert, auch abgesehen von den gesellschaft-lichen Verhältnissen, innerhalb deren die kapitalistische Produktion stattfindet; während sie andrerseits die Erhaltung des existierenden Kapitalwerts und seine Verwertung im höchsten Maß (d.h. stets beschleunigten Anwachs dieses Werts) zum Ziel hat. Ihr spezifischer Charakter ist auf den vorhandnen Kapitalwert als Mittel zur größtmöglichen Verwertung dieses Werts gerichtet. Die Methoden, wodurch sie dies erreicht, schließen ein: Abnahme der Profitrate,

Marx zum Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate

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Entwertung des vorhandnen Kapitals und Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit auf Kosten der schon produzierten Produktivkräfte.Die periodische Entwertung des vorhandnen Kapitals, die ein der kapitalistischen Produkti-onsweise immanentes Mittel ist, den Fall der Profitrate aufzuhalten und die Akkumulation von Kapitalwert durch Bildung von Neukapital zu beschleunigen, stört die gegebnen Verhält-nisse, worin sich der Zirkulations- und Reproduktionsprozess des Kapitals vollzieht, und ist daher begleitet von plötzlichen Stockungen und Krisen des Produktionsprozesses.Die mit der Entwicklung der Produktivkräfte Hand in Hand gehende relative Abnahme des variablen Kapitals gegen das konstante gibt dem Anwachs der Arbeiterbevölkerung einen Stachel, während sie fortwährend künstliche Übervölkerung schafft. Die Akkumulation des Kapitals, dem Wert nach betrachtet, wird verlangsamt durch die fallende Profitrate, um die Akkumulation des Gebrauchswerts noch zu beschleunigen, während diese wieder die Akku-mulation, dem Wert nach, in beschleunigten Gang bringt.Die kapitalistische Produktion strebt beständig, diese ihr immanenten Schranken zu über-winden, aber sie überwindet sie nur durch Mittel, die ihr diese Schranken aufs neue und auf gewaltigerem Maßstab entgegenstellen.Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst, ist dies: daß das Kapital und seine Selbstverwertung als Ausgangspunkt und Endpunkt, als Motiv und Zweck der Produktion erscheint; dass die Produktion nur Produktion für das Kapital ist und nicht umgekehrt die Produktionsmittel bloße Mittel für eine stets sich erweiternde Gestaltung des Lebensprozesses für die Gesellschaft der Produzenten sind. Die Schranken, in denen sich die Erhaltung und Verwertung des Kapitalwerts, die auf der Enteignung und Verarmung der gro-ßen Masse der Produzenten beruht, allein bewegen kann, diese Schranken treten daher be-ständig in Widerspruch mit den Produktionsmethoden, die das Kapital zu seinem Zweck an-wenden muss und die auf unbeschränkte Vermehrung der Produktion, auf die Produktion als Selbstzweck, auf unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit lossteuern. Das Mittel - unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte - ge-rät in fortwährenden Konflikt mit dem beschränkten Zweck, der Verwertung des vorhandnen Kapitals. Wenn daher die kapitalistische Produktionsweise ein historisches Mittel ist, um die materielle Produktivkraft zu entwickeln und den ihr entsprechenden Weltmarkt zu schaffen, ist sie zugleich der beständige Widerspruch zwischen dieser ihrer historischen Aufgabe und den ihr entsprechenden gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen.“

Dass das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate ein politisch äußerst wichtiges Kernstück der marxistischen politischen Ökonomie ist, erkennt man auch daran, dass sämtliche Revisio-nisten und Reformisten sich seit Jahrzehnten aus Leibeskräften abmühen, es mit herablassen-der Miene zu belächeln und/oder wutentbrannt zu bespucken, es als belanglose Nebensache und/oder eher zufälligen Reflex auf die damalige Konjunkturentwicklung hinzustellen, es als einen (erstaunlich dummen, wie einige meinen) Irrweg Marx‘ , ohne jede wissenschaftliche Bedeutung, jedenfalls heutzutage (und eigentlich schon immer außer im 19.Jhdt.) gänzlich irrelevant, zu betrachten. Gleichzeitig schreiben sie sich aber seltsamerweise seit vielen Jahr-zehnten die Finger wund, immer wieder, um das verhasste Gesetz immer aufs Neue zu „wider-legen“. Selbst wenn man sonst nichts wüsste, müsste man daher zu der Auffassung kommen, dass das Gesetz des tendenziellen Falles der Profitrate ein mächtiger Pfahl im Fleisch des Revisionismus und Reformismus sein muss.

Einen neuen, ziemlich „umfassenden“ und „theoretisierten“, in Kreisen des bürgerlichen „Marxismus“ und der gewöhnlichen bourgeoisen Medien in den Himmel gelobten Anlauf im Kampf gegen das abscheuliche Gesetz stellen in den letzten Jahren die Schriften eines Micha-el Heinrich („Wie das Marxsche ‚Kapital‘ lesen?“) dar. Dieser shooting star der marxistelnden Professorentruppe der „alternativen“ Abteilung der deutschen Bourgeoisie plappert im Kern den alten Seich z.B. einer Joan Robinson, „marxistische“ Sozialdemokratin keynesianischer Prägung („An Essay on Marxian Economics“, 1949), oder eines Paul Sweezy („Monopoly Capi-tal“, 1966) nach, aber - und das ist neu und ganz im immer seltsamere Blüten treibenden revi-sionistischen Zeitgeist - „wissenschaftlich“ angereichert um die Behauptung, das abscheuliche Gesetz sei gar nicht von Marx, sondern eine Erfindung, ja nachgerade Fälschung von Engels. Marx selbst hätte zwar schon hin und wieder hin und her überlegt, aber kein „eigentliches Gesetz“ formuliert, am Ende seines Lebens eher Zweifel diesbezüglich gehabt und sich bloß nicht mehr von seinen eigenen Erkenntnissen lossagen können. Das ist schon ziemlich heftig

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und unverfroren. Marx selbst, der sich und sein eigenes Werk ja auch ein bisschen kannte, be-zeichnete das vermaledeite Gesetz demgegenüber bereits in den „Grundrissen“ aus 1857/58 als „das in jeder Hinsicht wichtigste Gesetz der modernen politischen Ökonomie“. Rosdolsky („Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen ‚Kapital‘“, 1968) widerlegte schon damals nicht nur inhaltlich die Robinsons, Sweezys, (zukünftigen) Heinrichs usw., sondern trug auch aus den „Grundrissen“, aus den Heften „Zur Kritik der politischen Ökonomie“, aus den „Theorien über den Mehrwert“ und aus dem „Kapital“ die Argumente bzw. Gegenargumente Marx‘ gegen die damalige und spätere Kritik zusammen. Alle, sogar die „allerneuesten“ „Wider-legungen“ Marx‘ wurden schon vor 150 Jahren von ihm selbst widerlegt. Die bourgeoisen Marxologen bieten daher ein peinliches und widerwärtiges Schauspiel. Die amerikanische „Monthly Review“, von Sweezy und Huberman 1949 gegründet, hat das Machwerk des Herrn Heinrich begeistert aufgegriffen und es jüngst unter dem Titel „Das Versagen der Marx‘schen Theorie der fallenden Profitrate“ abgedruckt.

Warum geifern sie alle, die vielen Revisionisten, marxistelnde „linke“ Reformisten, die meis-ten Trotzkisten, marxistelnde professorale Bourgeoiswissenschafter, gewöhnliche bürgerliche Marxologen - warum geifern sie alle so gegen ein Gesetz, das es ihrer Meinung nach gar nicht gibt? Warum hauen und stechen sie von allen Seiten auf das arme Gesetz ein? Warum ziehen sie - wie dieser Heinrich - schamlos eine solche Fälscherwerkstatt auf und erlügen sie immer wieder „neue Erkenntnisse“ aus wieder „neuer Forschung“, dass sich die Balken biegen? Wa-rum genieren sie sich nicht einmal, Engels (als Herausgeber des „Kapital“ III) anzupinkeln und ihm Verfälschung von Marx vorzuwerfen?

Man kann natürlich nicht in den ideologisch verkrampften Hirnwebereien dieser Leute lesen, aber es gibt eine materialistische Antwort. Sie müssen die inneren Widersprüche des Kapi-talismus, nämlich im Sinne antagonistischer, nicht in den Schranken des Systems auflösbarer Widersprüche, wegretuschieren, seine ökonomische Ausweglosigkeit bestreiten, seine öko-nomischen Perspektiven „aufhellen“, den wissenschaftlichen Sozialismus wegeskamotieren und sich dafür eine theoretische Grundlage für ihren „wissenschaftlichen Reformismus“ her-richten. Krisen im Sinne von Marx‘ Analyse, d.h. Überproduktions- und Überakkumulations-krisen, gibt‘s für sie längst nicht mehr, sondern wenn überhaupt (was man inzwischen nicht mehr leugnen kann, bis vor kurzem tat man es sehr wohl!), dann nur wegen der Gier des raffenden Kapitals, das das schaffende Kapital „eigentlich“ gar nicht bräuchte. Die historische Notwendigkeit, sich des Kapitalismus zu entledigen, und in diesem Sinne seine Tendenz zum „Zusammenbruch“ gibt‘s auch nicht mehr. Sogar das Wort von Rosa Luxemburg „Sozialismus oder Barbarei!“, gemeint als prägnanter Hinweis auf eben diese historische Notwendigkeit, wird ins Gegenteil, zu einem moralischen Appell verdreht. Was bleibt ist der „moralische Imperativ“, die Schlechtigkeit der Welt zu kritisieren und - „soweit wie möglich“ durch „ge-mäßigten Fortschritt im Rahmen der Gesetze“ (frei nach Karel Capek) - wegzureformieren. Dass ein Marx und Engels in so eine Gedankenwelt und in so eine Praxis nicht passen, liegt auf der Hand.

Marx zum Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate

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Die österreichische Bourgeoisie ist zwar im internationalen Maßstab vergleichs-weise schwach, das ergibt sich allein schon aus der Kleinheit des Landes, aber ande-rerseits - gemessen an dieser Kleinheit - in ihrer relativen ökonomischen Position ge-genüber der Konkurrenz ziemlich stark. Dessen ungeachtet ist die österreichische Bourgeoisie selbstverständlich denselben Zwängen und Problemen ausgesetzt wie ihre ausländischen Klassengenossen und kann sie weder dem tendenziellen Fall der Profitrate noch der Krisenhaftigkeit des Systems entrinnen, aber doch führen Sonderfaktoren dazu, dass diese Tendenz und auch die gegenwärtige Krise (bisher) weniger scharf wirken und so ihre Pro-bleme derzeit (noch) geringer sind als anderswo1. Fragt man sich nach den Grün-den, springen ins Auge erstens ihre her-ausragende imperialistische Stellung am Balkan 2 und die daraus nun schon über Jahrzehnte gezogenen Extraprofite, zwei-tens der Produktivitätsvorsprung auf eini-gen Gebieten 3, schließlich auch - und das ist die Basis des Ganzen - eine spezifische historisch entstandene und maßgeblich von der Sozialdemokratie getragene und gestaltete konkrete Ausprägung ihrer Ausbeutungsmethoden. Sie realisiert - auf Basis eines hohen Ausbeutungsniveaus im Inneren - durch Produktivitätsvorsprung und überdurchschnittlich hohen Kapita-lexport außergewöhnliche Extraprofite. Dies wiederum erlaubt ihr, neben der Bindung kleinbürgerlicher Schichten an sich auch eine beträchtliche Arbeiteraris-tokratie und Arbeiterbürokratie durchzu-füttern, ohne deshalb das „wettbewerbs-fähige“ Niveau ihrer Profitrate zu gefähr-den. Zwar ist sie wie ihre Konkurrenten ebenfalls gezwungen, die Steigerung der Ausbeutung und Ausplünderung und die Verarmung und Verelendung großer Teile von Arbeiter/innenklasse und Volk energisch voranzutreiben, denn die Kon-kurrenz schläft nicht, aber doch muss sie das (noch) nicht in der Schärfe und in dem Tempo wie viele andere europäische Bour-geoisien. Auch hierzulande steigen Armut und Prekarität, 1,4 Millionen Menschen (17% der Bevölkerung!) waren 2011 „ar-muts- und ausgrenzungsgefährdet“, so-gar der offizielle „Armuts- und Ausgren-zungsbericht“ spricht Bände 4 - das ist die

eine Seite der Medaille. Aber die Bour-geoisie und ihr Staat mussten bisher noch nicht massenhaft zu Maßnahmen greifen wie z.B. die deutsche Bourgeoisie, in punc-to systematischer Lohnraub, Aushebelung des Arbeitsrechts, aggressiver (und nicht bloß schleichender) Sozialabbau, Aus-höhlung und De-facto-Abschaffung des Streikrechts (Friedenspflicht, Schlichtungs-zwang, gerichtliche Streik“verbote“ am laufenden Band...). Mit dem „Mindest-sicherungsgesetz“ wurden zwar auch in Österreich auf Gesetzesebene Weichen in dieser Richtung gestellt, aber dieses Gesetz wird noch nicht wirklich „ausgeschöpft“. Das ist die andere Seite der Medaille.

Die österreichische Bourgeoisie hat (noch) mehr ökonomischen Spielraum. Es gibt daher nach wie vor - neben regelrecht privilegierten Schichten unter den Lohn-abhängigen - weitere nicht unbeträcht-liche Teile der Arbeiter/innenklasse und des Volkes, die noch nicht komplett un-ter die Dampfwalze des Kapitals geraten sind, sondern noch in „normalen“ Ar-beitsverhältnissen ausgebeutet werden 5. Das gefährdet (bisher) nicht nur nicht die „Wettbewerbsfähigkeit“ der Profitrate, sondern dient im Gegenteil der Sicherung der ideologischen und damit der Ausbeu-tungs-Stabilität. Es befestigt in beträchtli-chen Teilen der Klasse die Illusion, es mit einem irgendwie besseren Kapitalismus und einer dementsprechenden Regierung zu tun und einiges zu verlieren zu haben. (Diese Illusion hat überhaupt nichts zu tun mit der so genannten „Politikverdrossen-heit“, die sich ja nicht auf das politische Klassensystem, sondern nur auf „die Poli-tiker“ und allenfalls die konkrete Ausprä-gung der parlamentarischen Schmieren-komödie bezieht.) Das bietet eine ideale Basis für ideologische Diversion und - dies vor allem! - Spaltung der Arbeiter/innen-klasse und des Volkes. Darauf beruhen un-sere berühmte „Sozialpartnerschaft“ und der relative „Klassenfrieden“, ein relati-ver natürlich nur, denn es gibt trotzdem Klassenkämpfe und sie haben in einigen Bereichen die Tendenz, sich zu verbreitern und zu verstärken.

Allerdings, früher oder später, schlei-chend oder mit „scharfen Schnitten“ (das

Einige Besonderheiten des österreichischen Monopolkapitals

in der imperialistischen Konkurrenz

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ist nur eine Frage ihrer Taktik), wird und muss auch die österreichische Bourgeoisie brutalere Maßnahmen setzen, Maßnah-men, wie sie uns in vielen europäischen Ländern vorgeführt werden. Das ist das Gesetz der Konkurrenz und unabhängig von ihrer Einschätzung und ihrem Willen. Diese Konkurrenz verschärft sich mit der Wirtschaftskrise zusehends. Neue, dunk-lere Krisenwolken brauen sich zusammen. Die österreichische Bourgeoisie darf nicht zurückfallen in puncto Ausbeutungs- und Profitrate, wenn sie nicht riskieren will, in die zweite Ausbeuterliga abgedrängt zu

werden. Dass Österreich in mancher Hin-sicht bessere „Wirtschaftszahlen“ hat als die meisten Konkurrenten liegt nicht an gefinkelteren oder gar humaneren Kapi-talisten, besseren Regierungen und bra-veren Gewerkschaften, sondern an einer konkreten Ausprägung der Konkurrenzsi-tuation, in der sie agiert, und an einigen Spezifika ihrer Kapitalverwertung und -akkumulation. Aber wie immer im kapi-talistischen Leben sind erstens die Vorteile mit Risken erkauft und zweitens „so wie es ist bleibt es nicht“.

Wir nehmen zuerst einmal die relative ökonomische Stellung des österreichi-schen Kapitals gegenüber seinen Konkur-renten unter die Lupe 6.

Das österreichische Kapital, ist - im Sinn von Kapitalverwertung und Profitrate - deutlich produktiver als das deutsche. Die „gesamtwirtschaftliche Produktivität“ ge-messen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist 2012 um 11,7% höher als in Deutsch-land, die Produktivität pro Beschäftigtem sogar um 16,5%. Noch deutlicher der Ab-

stand, wenn man statt des BIP die sog. Bruttowertschöpfung der Volkswirtschaft (klarerweise auch wieder pro Kopf) her-anzieht, d.i. das BIP abzüglich der indirek-

ten Steuern (Mehrwertsteuer etc.). Dann hat Österreich sogar einen Vorsprung von 15,2% pro Kopf der Bevölkerung und von 20,2% pro Beschäftigtem 7. Ähnliches gilt für die Industrieproduktivität (Industrie-produktion pro Kopf), sie liegt um 7,2% höher als die deutsche und sie weist auch in den Krisenjahren ein starkes Wachstum

"Produktivität" des österreichischen im Vergleich zum deutschen Kapital

(Stand 2012) Österreich Deutschland Frankreich Ö vgl. mit D (in %)

BIP pro Kopf (in €) 36.400 32.600 31.100 11,7

BIP pro Beschäftigtem (in €) 74.000 63.500 75.600 16,5 BIP-Wachstum 2008-2012 (in %) 8,6% 7,8% 5,1% 10,3 BIP im EU-Vergleich (zu Kaufkraftparitäten, EU 27 = 100) 131 122 108 7,4

Bruttowertschöpfung pro Kopf (in €) 33.282 28.902 27.733 15,2 Bruttowertschöpfung pro Beschäftigtem (in €) 67.661 56.296 67.416 20,2 Industrieproduktion pro Kopf (in €) 11.554 10.774 7.458 7,2

Industriewachstum 2008-2012 (in %) 2,6% -0,7% -10,3% n.a. Bruttoanlageinvestitionen (in % des BIP) 19,7% 16,8% 18,0% 17,3 Nettoanlageinvestitionen (in % des BIP) 5,6% 2,5% 5,9% 124,0

Warenexportquote (in % des BIP) 40,8% 44,1% 21,6% -7,5 Exportquote i.w.S. (in % des BIP) 57,4% 51,7% 27,8% 11,0 Export Unit Values (Index, 2000 = 100) 168,4 176,1 182,1 -4,4

Kapitalexport (FDI) (Stände, in % des BIP) 39,6% 21,1% 41,9% 87,7 Kapitalexport (FDI) (Flüsse, 2008-2012, in % des BIP) 22,7% 9,6% 16,2% 136,5

Leistungsbilanzsaldo (in % des BIP) 3,0% 6,4% -1,8% -53,1 Staatsverschuldung (in % des BIP) 73,4% 81,9% 90,2% -10,4 Arbeitsstunden pro Beschäftigtem und Jahr 1.576 1.393 1.479 13,1

Lohnquote (in % des BIP) 50,3% 51,6% 53,4% -2,5

Anstieg reale Lohnstückkosten 2008-2012 (in %) 2,2% 3,6% 2,6% -38,9 Quellen: AMECO-Datenbank der EU-Kommission/UNCTAD/Österreichische Nationalbank/WKÖ

Kerndaten zur ökonomischen Positionierung der österreichischen Bourgeoisie

Besonderheiten des österreichischen Monopolkapitals

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auf, während die deutsche gegenüber 2008 gesunken ist. Auch das Wachstum der Produktivität in den fünf Jahren seit Krisenausbruch war in Österreich deutlich höher. Es werden auch mehr Investitionen getätigt als in Deutschland - obwohl auch die österreichischen Brutto- und Nettoan-lageinvestitionen in der Bredouille sind, aber eben ein bisschen weniger als die deutschen. Die Exportquote i.w.S. (also Waren und Dienstleistungen zusammen genommen) liegt ebenfalls höher als beim Nachbarn, nicht allerdings die der reinen Warenexporte. Allerdings schwächelt der österreichische Export in den letzten Jahren ein bisschen bezüglich seiner (in Marktpreisen ausgedrückten) „Werthal-tigkeit“ 8, diese ist immer noch hoch, liegt aber knapp unter der deutschen. Vor al-lem aber betrieb und betreibt die öster-reichische Bourgeoisie einen massiven Ka-pitalexport und übertrifft - natürlich auch wieder nur gemessen am BIP - Deutschland sowohl hinsichtlich des bereits im Ausland investierten Kapitals (Stände) als auch hin-sichtlich des anhaltenden Flusses weiteren Kapitalexports. Kurzum: Die österreichi-sche Bourgeoisie ist in der internationalen Konkurrenzschlacht sehr gut positioniert.

Woher kommt diese gute Positionierung? In der Hauptsache kommt sie von der „ef-fizienteren“ Ausbeutung der Arbeiter/innenklasse. In dieser Hinsicht steht die österreichische Bourgeoisie gegenüber Deutschland nämlich ebenfalls gut da - trotz weniger scharfen als den deutschen Hartz-Gesetzen bzw. einer entsprechen-den Anwendung dieser Gesetze, trotz (noch) etwas weniger Leiharbeit, trotz (noch) weniger Prekären und Arbeitslosen usw. 9. Es wird - gemessen in Arbeitsstun-den pro Beschäftigtem und pro Jahr - um 13,1% mehr gearbeitet als in Deutschland, die Lohnquote (am BIP) ist trotzdem nied-riger und ebenso sind es die Arbeitskos-ten je Stunde. Ein wunderbarer „Erfolg“ der „Sozialpartnerschaft“! Zu schärferen Methoden kann man immer noch grei-fen, vorbereitet darauf ist man ja schon! Den eigentlichen Maßstab des Kapitals für seine „Wettbewerbsfähigkeit“, die ja auf der Ausbeutung der Lohnarbeit beruht, stellen die sog. Lohnstückkosten dar, also die Lohnkosten, aber nicht für sich iso-liert genommen, sondern im Verhältnis zu den produzierten Gütern und erbrachten Dienstleistungen 10. Sie sind ein Maßstab der Arbeitsproduktivität. Auch bei höhe-

ren Lohnkosten können - bei noch höhe-rer Produktivität - die Lohnstückkosten niedriger sein, und sie können das nicht nur, sie werden es auch in der Regel, das macht eben den Konkurrenzvorteil des „entwickelten“ imperialistischen Kapi-tals gegenüber weniger entwickeltem aus. Bezüglich der Lohnstückkosten hat die österreichische Bourgeoisie eben-falls einen beachtlichen Konkurrenzvor-teil. Sie waren 2008, bei Beginn der Kri-se, schon niedriger als die deutschen und sind auch seither schwächer gestiegen als diese (+2,2% verglichen mit +3,6%) - also hat sich der Konkurrenzvorteil noch ver-stärkt. Das hat einerseits damit zu tun, dass die Wirtschaftskrise in Österreich et-was weniger tief ausfiel als in Deutschland (denn jeder Produktionsrückgang erhöht die Lohnstückkosten automatisch, selbst wenn sich an den Löhnen nichts ändert), andererseits damit, dass selbst der massi-ve Lohnraub und die massive Prekarisie-rung und Pauperisierung, wie wir sie in Deutschland sehen, nicht ausreichten, um den Produktivitätsvorsprung des öster-reichischen Kapitals zu kompensieren. Be-merkenswert, wie diese Tatsachen mit der ewigen Bourgeoisleier über die gefährde-te „Wettbewerbsfähigkeit“ kontrastieren, mit der man bei jedem klitzekleinen Zuge-ständnis an die Arbeiter/innenklasse über-schüttet wird 11. Aber unsere Bourgeoisie ist eben eine erfahrene und gewitzigte Klasse, sie stellt sich heute, in für sie noch relativ „guten Jahren“, vorsorglich schon auf wesentlich rauheren Konkurrenzwind und härtere Zeiten von morgen ein. Sie ist trotz ihres komfortablen Produktivitäts- und Ausbeutungsvorsprung keineswegs selbstzufrieden, vielmehr verweist sie der Blick auf Deutschland auf noch nicht oder jedenfalls nicht voll ausgeschöpfte „Po-tentiale“ der weiteren und noch schär-feren Steigerung der Ausbeutung, auf „Reserven“, über die sie noch verfügt und die sie noch brauchen wird. Für die öster-reichische Arbeiter/innenklasse macht das sichtbar, was alles noch auf sie zukommt - sofern und soweit nicht ihr Abwehrkampf dem einen Strich durch die Rechnung macht.

Zusammenfassend: Die österreichische Bourgeoisie steht gegenüber der deut-schen (und der der anderen EU-Länder) ziemlich gut da in der Konkurrenzschlacht. Ob das von Nutzen für Arbeiter/innen-klasse und Volk ist, wie uns vorgegaukelt

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wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. „Geht‘s der Wirtschaft gut, geht‘s uns al-len gut“ - so tönt es und steht es überall auf Plakatwänden. Je höher die Profitrate, heißt das im Klartext, desto besser für Ar-beiter/innenklasse und Volk. Lange vorher allerdings gilt: Je schärfer die Ausbeutung von Arbeiter/innenklasse und Volk, des-to höher die Profitrate. Der „Wirtschaft“ geht‘s umso besser, je mehr die Arbeiter/innenklasse ausgebeutet wird, also je - relativ - schlechter es uns geht. „Besser“ geht‘s außerdem, soweit überhaupt, im-mer nur zeitweilig und immer nur Teilen der Klasse, und auch das nur, wenn für die Bourgeoisie der relative Nutzen des zeit-weiligen „Klassenfriedens“ mehr wert ist als die paar Kröten, die sie das Schmier-geld an die „Sozialpartner“ kostet. Tat-sache ist, dass der relative Vorsprung der österreichischen Bourgeoisie gegenüber ihren Konkurrenten ihr (bisher) die Mög-lichkeit gibt, die Klassenwidersprüche zu dämpfen - natürlich nur relativ und zeit-weilig - ohne ihre Profitrate ernsthaft zu gefährden. Tatsache ist aber auch, dass das an der Steigerung der Ausbeutung und Ausplünderung sowie an der Verelen-dung beträchtlicher Teile der Klasse nichts ändert, dass sich die Klassenwidersprüche trotzdem verschärfen werden, dass es so, wie es ist, nicht bleiben wird.

„So, wie es ist, bleibt es nicht.“

So schreibt Bertolt Brecht in seinem „Lob der Dialektik“. Es gilt auch für die ka-pitalistische Konkurrenz. Am Beispiel Deutschlands und Frankreichs kann man gut studieren, wie schnell sich die relative

Stellung einer Bourgeoisie in der imperi-alistischen Konkurrenz ändern und sich die ökonomischen Kräfteverhältnisse ver-schieben können. Zur Zeit der vorletzten Wirtschaftskrise (2000/2001) war Deutsch-land - aus Sicht der Kapitalverwertung - der „kranke Mann Europas“. Die Produk-tivität der kapitalistischen Produktion war zurückgeblieben, der Produktionsapparat veraltet, das Lohnniveau im Vergleich zur Konkurrenz „zu hoch“. Trotz Annexion des DDR-Staatsgebiets und damit Erwei-terung der Produktionsbasis stand die deutsche Wirtschaft, sprich: die Profitrate relativ schlecht da. Aus der Krise heraus begann das deutsche Kapital eine gewal-tige Ausbeutungs-, Modernisierungs- und Rationalisierungsoffensive. Der Produkti-onsapparat wurde modernisiert und zu-gleich - mit den Hartz-Gesetzen der SPD-Grünen-Regierung - der „ausgeprägteste Niedriglohnsektor Europas“ (Schröder) und eine riesige industrielle Reservearmee geschaffen, ein lange nicht dagewesener massiver Reallohnabbau durchgesetzt, rollende Angriffe gegen die Sozialsysteme eingeleitet usw.. Einige Jahre später hatte die deutsche Bourgeoisie ihren Rückstand auf- und die Konkurrenz überholt. Zwar war und ist die deutsche Arbeiter/innen-klasse deutlich kämpferischer als z.B. die österreichische und sogar die bürgerlichen Gewerkschaften sind unter dem Druck der Verhältnisse nicht ganz so herunterge-kommen wie die österreichischen, aber doch konnte - auf Grundlage der ökono-mischen und ideologischen Spaltung von Klasse und Volk - dieser Ausbeutungsfeld-zug nicht abgewehrt werden. In Frank-reich demgegenüber hatte die Bourgeoi-

Deutschland, Frankreich, Österreich - differenzierte Wege der kapitalistischen Expansion

Was beim Vergleich von Deutschland und Frankreich ins Auge springt ist der beachtliche Vorsprung Frankreichs in puncto Kapitalexport. Frankreich hat hier seit langem Deutschland überflügelt. Das ins Ausland exportierte Kapital ist gemessen am BIP fast doppelt so hoch (!) wie in Deutschland und auch die Neuinvestitionen der letzten Jahre bedeutend höher. Andererseits ist der französische Wa-renexport, wiederum gemessen am BIP, deutlich niedriger. Die französische Bourgeoisie hat „die Ent-scheidung getroffen“, z.B. Renault-Werke lieber ins Ausland, z.B. nach Rumänien, zu verlagern und den Markt von dort aus zu bedienen. Das Rumäniengeschäft aber, die dortige Produktion, auch der Export von dort aus, kommen in der französischen Statistik nicht vor (sondern in der rumänischen). Daher sieht man, was Frankreich betrifft, starken Kapitalexport verbunden mit relativ geringerem Warenexport und einem relativen Rückgang der „einheimischen“ Industrieproduktion. Der Profit des französischen Kapitals dagegen ist nicht davon betroffen, es ist ihm im Prinzip egal, ob er im In- oder Ausland erwirtschaftet (und ggf. reinvestiert) wird. Die deutsche und die französische Monopolbour-geoisie haben - auf dem Boden unterschiedlicher konkreter Bedingungen ihrer Kapitalverwertung - zwei unterschiedliche „strategische Optionen“ gewählt. Das österreichische Monopolkapital hat die-ses „strategische Dilemma“ optimiert. Zwar kommt es bei der Exportquote nicht ganz an Deutschland heran, ist aber dennoch im internationalen Vergleich außerordentlich stark aufgestellt 12 - und beim Kapitalexport steht es sogar weitaus besser da.

Besonderheiten des österreichischen Monopolkapitals

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sie mit einer noch erheblich kämpferische-ren und militanteren Arbeiter/innenklasse (jedenfalls in wichtigen Teilen) zu tun, die sich in großen Klassenkämpfen (vor allem 1968 und 1995) einige Verbesserungen der Lage erkämpft hatte, welche man nur Schritt für Schritt wieder zurückdrehen konnte. Sie konnte daher beim Lohn- und Sozialabbau nicht mit der deutschen mit-halten. Sie verlegte sich dafür viel massiver als die deutsche auf den Kapitalexport, ge-riet aber, was die eigentliche inländische Produktionsbasis betrifft, ins Hintertreffen - mit allen Auswirkungen auf Zahlungsbi-lanz und Steuereinnahmen bzw. Staats-verschuldung. Heute wird Frankreich oft zwar nicht gerade als der „kranke Mann Europas“, aber immerhin als kränkelnd bezeichnet 13, während Deutschland von der gesamten EU-Bourgeoisie als Vorbild propagiert wird, ganz besonders in Frank-reich. So schnell können sich die Dinge än-dern!

Auch das österreichische Kapital und sei-ne Profitrate, so gut es im internationa-len Vergleich auch dastehen mag, sind erheblichen Risiken ausgesetzt: die hohe Balkanabhängigkeit, insbesondere des Fi-nanzsektors, die hohe Abhängigkeit von Zulieferindustrien ans imperialistische Ausland, z.B. für die Automobilindustrie - und natürlich der Tag für Tag von der Bourgeoisie und ihren Lakaien beklagte „Reformstau“, v.a. in den Sozialsystemen („Pensionsreform“, völlige Durchkapita-lisierung des Gesundheitssystems (samt Privatisierung) usw. usf.). Der Segen von heute kann rasch zu einem Fluch werden. Auch die „Insel der Seligen“ kann uner-wartet rasch durch den „Klimawandel“ auf ökonomischen und politischem Ge-biet, durch die nächste unvermeidliche Vertiefung der Wirtschafts- und Finanzkri-se, durch eine Verschärfung der zwische-nimperialistischen Rivalitäten, durch un-vorhergesehene Entwicklungen auf dem Balkan, durch den Aufschwung von Klas-senkämpfen weltweit und speziell auch in Teilen Europas, überschwemmt werden.

Ihr relativer Vorsprung, ihre relative Bes-serstellung gegenüber den Konkurrenten ändert nichts daran, dass auch das öster-reichische Kapital den Gesetzmäßigkeiten der Kapitalverwertung unterliegt und ins-besondere dem tendenziellen Fall der Pro-fitrate. Auch in Österreich, trotz aller ne-okolonialen (Mit)herrschaft auf dem Bal-

kan und aller „sozialpartnerschaftlichen“ Segnungen, ist die Profitrate unter Druck und lahmt die Profitmacherei - wenn auch etwas weniger als anderswo. Zwar wird der Fall der Profitrate durch einige Sonder- bzw. überdurchschnittlich ausge-prägte Faktoren gebremst und verzögert - aber er wird nicht aus der Welt geschafft. Einige Probleme schiebt die Bourgeoisie - im Vergleich zu anderen Bourgeoisien, die schon „weiter sind“ - vor sich her, einige Hemmnisse schrankenloser Ausbeutung und schrankenlosen „Rückbaus“ von Sozi-alsystemen sind dort schon beseitigt - das steht der österreichischen Bourgeoisie, d.h. genau genommen der Arbeiter/in-nenklasse und dem Volk Österreichs noch bevor. Dies zusammen mit den inzwischen wieder erheblichen Klassenkämpfen in ei-nigen europäischen Ländern wird früher oder später den Illusionen über die „Insel der Seligen“ und die „Segnungen der So-zialpartnerschaft“ heftige Schläge verset-zen und damit die Bedingungen des Klas-senkampfes verändern.

Vom Klassenstandpunkt aus betrachtet ...

... handelt es sich bei alldem „nur“ um die Bedingungen, die die Arbeiter/innenklasse im Klassenkampf vorfindet, nicht um den Klassenkampf selbst, um seine Notwendig-keit und Unausweichlichkeit aus den Ge-setzmäßigkeiten des Kapitalismus selbst heraus und um seine Ziele und Wege. Aus der relativen Besserstellung „ihrer“ Bour-geoisie zieht ein Teil der Arbeiter/innen-klasse und des Volkes gewisse zeitweilige Vorteile und auf dieser Grundlage wirken Desorientierung und Spaltung. Aber es ist eben nur ein Teil, wenn auch ein ziemlich großer, und es ist eben nur zeitweilig. Die Klasse, auch wenn bzw. soweit sie sich mit ihrem (noch) „relativ besseren“ Los zufrieden gibt und auf energischen Ab-wehrkampf verzichtet, ist deshalb nicht vor den zwangsläufig immer schärferen Angriffen durch das Kapital geschützt, die unteren Schichten sowieso nicht, die mittleren letztlich auch nicht. Ganz im Ge-genteil, je stärker der Aberglaube in die „Insel der Seligen“ und je schwächer der Abwehrkampf, desto desaströser die Fol-gen. Sogar die heute mehr oder weniger privilegierten Schichten, jedenfalls einen Teil von ihnen, kann es erwischen; in der Geschichte gab es, je nach der Höhe der Extraprofite des Kapitals, immer wieder Ausdehnung, aber eben auch „Redimensi-

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onierung“ dieser Schichten und sogar der eigentlichen Arbeiteraristokratie. Die österreichische Bourgeoisie hat sich einen Konkurrenz-vorteil erobert - aber nie-mand soll glauben, dass sie sich damit zufrieden geben darf oder kann. Nicht nur ist das Streben nach Maxi-malprofit an und für sich schrankenlos; im Gegenteil, je größer der Profit, des-to größer die „Gier“ nach dessen immer weiterer Er-höhung - der relative Kon-kurrenzvorteil der öster-reichischen Bourgeoisie ist auch jeden Tag durch die Konkurrenz bedroht und gefährdet, je größer der Vorsprung, desto größer die Gefahr, ihn zu verlieren. Er wird daher mit Zähnen und Klauen verteidigt, um den Vorsprung, d.h. den Extra-profit, zu erhalten, und alle Mittel dazu sind hauptsäch-lich solche auf dem Rücken der Arbeiter/innenklasse.

Kurzum: Der Konkurrenz-vorteil der Bourgeoisie hilft der Arbeiter/innenklas-se gar nichts, auch wenn es vielen so erscheint und wenn er tatsächlich für Teile der Klasse zeitweilig etwas abwirft. Er schützt nicht vor den unausweichlich bevor-stehenden Attacken des Kapitals. Er streut nur Sand in die Augen. Im Gegenteil, es kann kein wirksamer Ab-wehrkampf gegen die Stei-gerung der Ausbeutung ge-führt werden, solange und soweit man sich darauf ein-lässt, nur ein Bauer auf dem Schachbrett der kapitalisti-schen und imperialistischen Konkurrenz zu sein. Wenn es z.B. demnächst in der internationalen Automobil-industrie kracht (und zwar viel mehr noch als heute schon) und damit auch in der österreichischen Zulie-

ferindustrie (ebenfalls viel mehr noch als heute schon), oder wenn die großen ös-terreichischen Banken auf dem Balkan krachen und vom Staat „gerettet“ wer-den müssen (mit noch viel mehr Milliarden als heute schon) - dann ist es plötz-lich aus mit dem Konkur-renzvorteil und diese Krise des Profits wird brutal (viel brutaler als heute schon) auf die Arbeiter/innenklas-se abgewälzt werden, denn die Profitrate muss trotz-dem stimmen, um in der ersten Ausbeuterliga und noch dazu an führender Po-sition zu verbleiben.

Die Verteilung einiger Bro-samen an die Arbeiter/in-nenklasse ändert nichts an der Lage der Klasse als ausgebeutete und recht- und machtlose Klasse. Auch wenn sich Teile der Klasse heute etwas vormachen bzw. ihnen etwas vorge-macht wird und wenn sie sich in chauvinistischer Zu-friedenheit wiegen, dass es „uns“ oder wenigstens einem Teil von „uns bes-ser geht“ - so ist es heute schon nicht für erhebliche Teile von Klasse und Volk und so wird es in Zukunft für die große Masse immer weniger sein. Je länger die Krise anhält, desto schlim-mer wird es, und es wird noch viel schlimmer wer-den, und dann, wenn viele (und nicht mehr nur einige wenige) die Notwendig-keit des Abwehrkampfes erkennen, dann wird alles davon abhängen, welche Kampfkraft wir entwickeln können, und wir werden umso stärker sein, je früher wir damit begonnen haben und je besser wir Entschlos-senheit, Kampfkraft, Fähig-keiten heute schon entwi-ckeln.

Es stimmt schon, wir sit-zen in gewisser Weise mit den Kapitalisten „in einem Boot“, will sagen: wir le-ben in ihrem ökonomischen und politischen System, al-les läuft nach ihren Regeln und Gesetzen, wir werden von ihnen ausgebeutet und entrechtet, wir leiden unter ihren Krisen und ggf. auch Kriegen, wir können aber diesem System nicht entrin-nen - solange wir es nicht in der sozialistischen Revolu-tion stürzen. Doch die Me-tapher vom „gemeinsamen Boot“, die ja auf etwas ganz anderes zielt, nämlich auf die Vorspiegelung gemein-samer Klasseninteressen zwischen Proletariat und Bourgeoisie, ist nur Lüge und Betrug, denn wenn das kapitalistische Boot schlecht läuft oder gar auf Grund geht, dann zahlen wir die Zeche (Thomas Bernhard würde sagen: „naturge-mäß“) - aber wenn es gut läuft, zahlen wir sie auch (ebenfalls „naturgemäß“). Wir zahlen sie immer, in der Krise natürlich heftiger und übrigens im „bevorstehen-den Aufschwung“, den wir angeblich gerade wieder einmal haben, noch hefti-ger. Jetzt ist es besonders gefährlich, jetzt haben die Bourgeois den ersten Kri-senschreck überwunden, sich wieder formiert, ihre Reihen geordnet, jetzt stel-len sie ihre Schlachtordnung in der Konkurrenz auf, jetzt blasen sie zum Angriff 14. Die jüngste Krise bestätigt das ein neues Mal. Wir sind bloß die Rudersklaven im „gemeinsamen Boot“ und wir sollten darauf hinar-beiten, die Bourgeois über Bord zu werfen und selbst das Kommando zu über-nehmen.

Besonderheiten des österreichischen Monopolkapitals

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Endnoten

1 Vertiefend dazu siehe den Text zur Profitrate in Österreich „Die Reichen werden immer reicher - und doch ist ihr Profitsystem in der Bredouille“ am Anfang dieser Ausgabe, S.3ff.

2 Ins Auge springt in Bezug auf den Balkan in allererster Linie der Bank- und Versicherungssektor, aber es ist nicht nur dieser. Auch die „Realwirtschaft“ ist stark auf den Balkan expandiert, Beispiele sind die ÖMV, die Bau- oder die Elektrizitätswirtschaft, aber auch viele andere Industriekonzerne. 3 Nur ein paar Beispiele: Siemens Voest Alpine Industrieanlagenbau ist einer der drei „global players“ im metal-lurgischen Anlagenbau (neben Thyssen Krupp Engineering und Danieli) und baut beste Stahl- und Walzwerke. Die Voest Alpine AG produziert beste Stähle, die längsten Nahtlos-Rohre und Schienen usw. Die Siemens Ver-kehrtechnik, die frühere SGP, ist weltweites Kompetenzzentrum des Siemens-Konzerns für die Verkehrstechnik. Und es gibt einige weitere Beispiele, wo das österreichische Kapital technologischer Weltmarktführer (oder fast) ist, von den List-Motoren bis zur Kraftwerkstechnologie der Andritz AG (früher VA Tech AG bzw. Elin). Diese „high performance“ von wichtigen Teilen der österreichischen Bourgeoisie ist ein Grund mehr, sie nicht zu un-terschätzen. Sie kann sich dem Schicksal imperialistischer Bourgeoisien nicht entziehen und wird früher oder später gestürzt werden, aber sie ist ein mächtiger Gegner.

4 Armutsgefährdet war 2011 jemand laut dieser Statistik bei einem Monatseinkommen von unter 914 €, das war 60% des mittleren Einkommens (Median).

5 Dies ist einerseits die Folge der für das Kapital wunderbaren „Sozialpartnerschaft“, die zu einem System ge-führt hat, das die Ausbeutungsrate optimiert, indem zwar „Exzesse“ eingeschränkt bzw. auf Randzonen be-schränkt werden, wobei aber die „normale“ Ausbeutung auf hohem Niveau dafür umso reibungsloser und effi-zienter abläuft. Andererseits hat es mit dem Neokolonialismus (speziell, aber nicht nur auf dem Balkan) zu tun, indem ein Teil des dort gescheffelten Extraprofits nicht nur zur Bestechung der eigentlichen Arbeiteraristokratie und -bürokratie verwendet wird, sondern auch dazu, soziale Widersprüche zu dämpfen, indem (vorläufig) wei-tere Teile der Arbeiter/innenklasse noch „Schonzeit“ haben, nämlich solange die neokolonialen Extraprofite ungestört fließen. Es handelt sich dabei um durchaus beträchtliche Teile der Klasse, denen es „besser geht“ und die „etwas zu verlieren haben“. Lenin schreibt dazu: „Die ausgedehnte Kolonialpolitik (hat) dazu geführt, dass der europäische Proletarier zum Teil in eine solche Lage geraten ist, dass die Gesellschaft als Ganzes nicht von seiner Arbeit, sondern von der Arbeit der fast zu Sklaven herabgedrückten kolonialen Eingeborenen lebt.... Unter solchen Verhältnissen entsteht in bestimmten Ländern die materielle, ökonomische Grundlage, um das Proletariat des einen oder anderen Landes mit dem Kolonialchauvinismus anzustecken. Dies kann natürlich nur eine vorübergehende Erscheinung sein, nichtsdestoweniger muss man das Übel klar erkennen, seine Ursachen begreifen, um das Proletariat aller Länder zum Kampf gegen einen solchen Opportunismus zusammenschließen zu können. „ (LW 13, S.68) Den „kolonialen Eingeborenen“ hat man sich heute z.B. als ÖMV-Arbeiter in Rumä-nien vorzustellen.

6 Wir vergleichen konkret Österreich mit Deutschland; Frankreich fügen wir bloß als weiteres Beispiel hinzu, weil am Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich einige spezifische Unterschiede der kapitalistischen Akku-mulation (und des Klassenkampfes) sichtbar werden. Alle Werte (soweit nicht anders angegeben) sind solche aus 2012 bzw. alle Entwicklungen beziehen sich auf den Zeitraum 2008-2012, also seit Ausbruch der jüngsten Krise.

7 Die unterschiedlichen Relationen, je nachdem ob man das BIP oder die Bruttowertschöpfung (BWS) zum Ver-gleich heranzieht, bedeutet, dass in den deutschen Preisen höhere indirekte Steuern inkludiert sind als in den österreichischen. Die BWS, die die Steuern aus dem BIP herausnimmt, ist bezüglich der wirklichen Produktivität der aussagekräftigere Wert. Unterschiede beim Vergleich der Werte pro Kopf und denen pro Beschäftigtem zwischen zwei Ländern bedeuten, dass unterschiedliche Erwerbsquoten vorliegen.

8 Diese wird in der bürgerlichen Statistik üblicherweise ausgedrückt in den Export Unit Values, also den Werten je Volumenseinheit Export (dargestellt als Index mit Basis 2000 = 100). Allgemein gesprochen, d.h. wenn man von Preisschwankungen absieht, werden diese Unit Values umso höher sein, je technologisch höherwertig die exportierten Produkte oder Leistungen sind - allerdings, anders kann es im Kapitalismus nicht sein, drücken sich auch diese Values immer nur in Marktpreisen aus, so dass sie auch von Preisbewegungen beeinflusst werden und insofern nur von beschränkter Aussagekraft sind. Wenn z.B. die neokolonial abhängigen Länder niedrige solche Values haben, hängt das zuerst einmal damit zusammen, dass sie überwiegend Rohstoffe, Halb- und Zwischenprodukte und technologisch einfachere Waren exportieren, aber auch mit dem „ungleichen Tausch“ mit den monopolkapitalistischen Metropolen, d.h. damit, dass sie gezwungen sind, zu monopolkapitalistisch und neokolonial verzerrten Preisen zu exportieren (das was man die ungleichen terms of trade nennt). Eben-so sanken die Unit Values z.B. des österreichischen Exports seit 2008, weil wegen der Weltwirtschaftskrise ein Preisverfall auch bei technologisch hochwertigen Gütern und Leistungen stattfand (z.B. beim Stahl der Voest Alpine). Die österreichischen Export Unit Values lagen 2008 bei 181,8; wenn sie 2012 bei 168,4 lagen, heißt das nicht, dass sich die technologische Werthaltigkeit des Exports, sondern nur, dass sich seine Preise verschlechtert haben. Wenn die deutschen Unit Values noch 2008 unter den österreichischen lagen, aber heute knapp darüber,

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sagt das, dass der deutsche Export von einer für ihn günstigeren Preisentwicklung profitiert hat als der öster-reichische.

9 Die Arbeitslosenquote lag 2012 in Österreich bei 4,3%, in Deutschland bei 6,8%. In beiden Fällen sind das gezinkte Zahlen, die man in beiden Fällen in etwa verdoppeln muss, um sich der Realität zu nähern. „Öster-reich versteckt jeden zweiten Arbeitslosen“ - das bestätigen sogar die Oberösterreichischen Nachrichten vom 26.9.2013 auf ihrer Titelseite. Die Zahl der Leiharbeiter hat sich im letzten Jahrzehnt in Österreich verdoppelt, in Deutschland aber verdreifacht. Auch hier wird gezinkt und umgangen, was das Zeug hält; die Statistik erfasst nämlich nur solche Leiharbeiter, die von inländischen „Personaldienstleistern“ verliehen werden, nicht aber sol-che von ausländischen - was zwar auf dem Hundsdorfer‘schen Papier seit 2011 „verboten“, aber gängige Praxis ist (da nur „weitmaschig kontrolliert“).10 Lohnstückkosten sind Arbeitskosten gemessen an Produktionsvolumen, z.B. an einer Tonne Stahl oder einer Charge Kühlschränke. Letztere Größen werden aus Erhebungen der Produktionsvolumina abgeleitet (nicht der „Werte“ bzw. Preise) und in Volumensindizes dargestellt. Dies wird dann in Relation gesetzt zu den dafür not-wendigen Arbeitskosten. Da in den Volumina naturgemäß keine Preise und daher auch keine Preissteigerungen stecken, ist es naheliegend, auch die Arbeitskosten zu „de-inflationieren“. So werden aus den nominalen die realen Lohnstückkosten. Diese sind ein wichtiger Maßstab für die Konkurrenzfähigkeit eines Kapitals gegenü-ber anderen Kapitalen. Die Lohnstückkosten steigen übrigens in der Krise und bei sinkender Industrieproduk-tion trotz noch so viel Lohndrückerei und Antreiberei, weil dann auch kleinere Stückzahlen und „mühseligere“ Aufträge hereingenommen werden. Bei einem Aufschwung sinken sie dagegen. Absolute Daten zu den Lohn-stückkosten, d.h. absolute Beträge, sind in der publizierten bürgerlichen Statistik nicht zu finden, sie sind eines der bestgehüteten Geheimnisse. Man findet - als Index dargestellte - Zeitreihen, man findet internationale Vergleiche solcher Indizes, aber man findet keine absolute Zahlen. Dennoch kriegt man manchmal mehr als die banale AMECO-Statistik in die Hände. So publizierten z.B. 2012 auf Basis einer Sondererhebung von Eurostat zwei Statistiker des französischen staatlichen Statistikinstituts INSEE die sehr interessante Studie „Lohnkosten - ein europäischer Vergleich 1986 - 2008“. Die Studie erregte in Frankreich einige Bourgeois- und Regierungsge-müter, weil sie unbeabsichtigt (oder doch nicht ganz? zwei unerwartet widerborstige Statistiker?) das Märchen widerlegte, dass die Lohnkosten und die Lohnstückkosten in Frankreich viel, viel höher wären als in Deutsch-land, und ins Blickfeld rückte, dass die Lohnstückkosten nicht nur von den Lohnkosten, sondern ebenso von der Arbeitsproduktivität abhängen, und dass die Lohnkosten in der EU 15 Tendenz hätten, sich anzunähern, indem sie in den imperialistischen Hauptländern, wo sie relativ höher sind, relativ langsamer wachsen. Auch Österreich wird auf den 18 Seiten der Studie abgebildet und diskutiert.

11 Sozusagen intern verkündet die Wirtschaftskammer Österreich breitmäulig, dass Österreich im Zeitraum 2000- 2013 den fünftniedrigsten Anstieg der (nominalen) Lohnstückkosten von allen 28 EU-Ländern gehabt hätte (nach Deutschland, Griechenland, Polen und Schweden) und mit jährlich 1,5% klar unter dem EU 28-Schnitt von 2,9% läge.

12 Man muss zusätzlich bei einem Vergleich der Exportquoten (Waren und Dienstleistungen) die Kleinheit des Landes bedenken. Unter sonst gleichen strukturellen Umständen ist die Exportquote umso höher, je kleiner das Land ist, während ein großes Land per se mehr Binnenhandel hat.

13 Wobei dabei außer Acht gelassen wird, dass es dem französischen Monopolkapital im Prinzip egal ist, wo es seinen Profit macht, ob in Frankreich oder anderswo. Für das Land, also die bürgerliche Gesellschaft, und den bürgerlichen Staat ist es freilich nicht egal.

14 Während des akuten Stadiums der Krise war viel von „Überdenken“ und „Problemen“ die Rede, jetzt nur mehr von „Wettbewerbsfähigkeit“.

Besonderheiten des österreichischen Monopolkapitals

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Proletarische Revolution 55

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Wir haben vor drei Jahren die historische Entwicklung der Profitrate seit der Zeit nach 1945 und bis 2007 in einer ausführlichen Stu-die untersucht („Proleta-rischen Revolution“ Nr.39, Jänner 2010). Diese bestä-tigte die Wirksamkeit das Gesetz des tendenziellen Falles der Profitrate. Ten-denziell wohlgemerkt, d.h. dass zeitweilig sehr wohl „entgegenwirkende Fak-toren“ diesen tendenziel-len Fall überkompensieren können. Marx schreibt im Kapital, „..., dass diesel-ben Ursachen, die das Fallen der allgemeinen Profitrate hervorbringen, Gegenwirkungen her-vorrufen, die diesen Fall hemmen, verlangsamen und teilweise paralysie-ren. Sie heben das Gesetz nicht auf, schwächen aber seine Wirkung ab. Ohne das wäre nicht das Fallen der allgemeinen Profitra-te unbegreiflich, sondern umgekehrt die relative Langsamkeit dieses Falls. So wirkt das Gesetz nur als Tendenz, dessen Wirkung nur unter bestimmten Um-ständen und im Verlauf langer Perioden schlagend hervortritt.“ („Kapital“ III, MEW 25, p.249) Es dreht sich hier also nicht um Faktoren in der einen und davon getrennte Faktoren in der umgekehrten Rich-tung, es dreht sich viel-mehr um einen einzigen, in sich widersprüchlichen Prozess, die Faktoren in beide Richtungen werden durch dieselben Ursachen hervorgerufen und ange-trieben. „Dieselben Ur-sachen (streben) zur Ver-minderung der Profitrate

und zur verlangsamten Bewegung dieser Vermin-derung.“ (MEW 25, p.245) Allerdings: Die dem Fal-len der Profitrate entge-genwirkenden Faktoren wirken ihm nur zeitweilig und relativ entgegen, die-ses Grundproblem der Ka-pitalverwertung bleibt.

Im Österreich nach 1945 hatten wir zuerst die Re-konstruktionsperiode, den Wiederaufbau (samt Konversion der Rüstungs-industrie). Die Profitrate stieg daher, nicht erstaun-lich, ab den späten 1940er Jahren bis etwa Mitte der 1950er Jahre. Dann setzte eine Periode von Erweite-rungs- und Rationalisie-rungsinvestitionen ein, die bis Mitte der 1970er Jah-re dauerte. Die Profitrate sank infolgedessen in die-sen zwanzig Jahren mas-siv, um 40-50% (je nach verwendeten Daten und Berechnungsmethode). Trotz seiner Investitionen fiel das österreichische Ka-pital gegenüber der Kon-kurrenz (v.a. gegenüber dem deutschen) zurück: zu schwache technologische Entwicklung der Industrie, niedrigere Produktivität, Exportschwäche und Han-delsbilanzdefizit usw. Es folgte ein „Modernisie-rungsschub“, den sich die Kreisky-Regierung auf die Fahnen geschrieben hatte, und eine regelrechte Auf-holjagd. Diese Periode dau-erte von Ende der 1970er bis in die 1990er Jahre. In dieser Zeit wurde nicht nur die Industrie techno-logisch und betriebswirt-schaftlich „modernisiert“, sondern vor allem die Aus-

beutung enorm gesteigert. Das „Wirtschaftswunder“ war vorbei, es gab wieder die ersten Krisen (zualler-erst die Währungskrise von 1963), das elegante Wort „Rezession“ wurde geprägt, es gab wieder Arbeitslosigkeit - und es gab auch Streiks der Ar-beiter/innenklasse dage-gen, einige davon sehr massiv und einige Wochen dauernd (Böhler Ybbstal, Streikserien bei Böhler Kapfenberg, Möbelwerk Hukla u.a.), die größten Arbeitskämpfe seit dem Oktoberstreik von 1950, allesamt „wilde Streiks“ ohne bzw. gegen die ÖGB-Führung. Anfang der 1990er Jahre begann der systematische österreichi-sche Kapitalexport, zuerst noch schüchtern, ab Mitte der 1990er Jahre in immer rascherem Tempo. Gerade richtig, denn soeben hat-te sich nach dem Zusam-menbruch der sozialimpe-rialistischen Sowjetunion der Balkan als wunder-bares Feld der Expansion österreichischen Kapitals eröffnet. 1995 überholte es den EU-Durchschnitt in puncto Produktivität und zog in den Folgejahren re-gelrecht davon. Das alles bedeutete einerseits gro-ße Investitionen und ent-sprechende Erhöhung des Kapitalstocks, andererseits steigende Mehrwertra-te durch Produktion von mehr Mehrwert sowie An-eignung fremden Mehr-werts im Zuge des Aus-gleichs der Profitraten auf den Märkten. Im Ergebnis hatten wir in den 1980er Jahren, als diese Faktoren sich die Waage hielten,

Ausflug in die Geschichte der Profitrate in Österreich

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eine auf ziemlich gleichem Niveau oszillierende Pro-fitrate. In den 1990er Jah-ren hatten wir - erstmals seit Mitte der 1950er Jah-re - wieder einen Anstieg der Profitrate, getrieben durch weitere Steigerung der Ausbeutung der eige-nen, inzwischen gewerk-schaftlich völlig am Boden liegenden Arbeiter/innen-klasse (v.a. durch Produk-tion von relativem Mehr-wert durch Erhöhung der Intensität und Produkti-vität der Arbeit), durch Mehrwertumverteilung aus dem Warenexport und mehr und mehr durch di-rekte Aneignung fremden Mehrwerts durch den Ka-pitalexport. Lauter Fakto-ren, die das gleichzeitige Anwachsen des Fixkapi-talstocks und überhaupt der organischen Zusam-mensetzung des Kapitals überkompensierten. Die Profitrate stieg dement-sprechend kontinuierlich an - bis zur Wirtschaftskri-se 2001/02, die einen Ein-bruch brachte, gefolgt von einem mäßigen Anstieg - bis zur nächsten Krise, die 2007 und vor allem 2008 einsetzte und auch die Profitrate nach unten riss, diesmal wesentlich stärker als bei der Krise ein paar Jahre zuvor.

In den letzten eineinhalb Jahrzehnten wirkten be-reits massiv die Konse-quenzen der Finanzialisa-tion, die - zeitweilig - die

Aufblähung der Profitrate durch fiktive Renditen aus fiktivem Kapital ermög-licht. Gleichzeitig erreich-te der Waren-, vor allem aber auch der Kapitalex-port neue Rekorde und mit ihm natürlich das Ein-streichen gewaltiger Ex-traprofite, unter anderem aus den inzwischen wieder neokolonial bis direkt ko-lonial (Bosnien, Kosovo) abhängigen Ländern auf dem Balkan. Auch wird die Ausbeutung wurde massiv auch mit den „klassischen“ Methoden von Lohndrü-ckerei, Verlängerung des Arbeitstages usw. erhöht; eine hohe Arbeitslosenra-te, Prekarität, Aufblühen der (früher verbotenen) Leiharbeit, die „Flexibilisie-rung“, sprich Aushöhlung des Arbeitsrechts etc. er-möglichen das. Die zuneh-mende „Entsteuerung“ der Profite, die ständige „Entlastung bei den Lohn-nebenkosten“, die direkte Subventionierung des Ka-pitals nahm immer größe-re Dimensionen an. Das al-les zusammen ermöglichte ein Kompensieren oder sogar Überkompensieren des tendenziellen Falls der Profitrate in der Zeit zwi-schen den Krisen. Aber wie wenig richteten diese ent-gegenwirkenden Faktoren aus, gemessen an der Di-mension dieser Extraprofi-te. Gemessen daran wuchs die Profitrate zwischen den Krisen überraschend schwach. Wie stark muss

das Gesetz des tendenzi-ellen Falls der Profitrate wirken, wenn die Profitra-te sich am Ende, trotzdem nur sehr bescheiden nach oben kämpft! Allerdings sind die entgegenwirken-den Faktoren nur zum Teil „reale“ Prozesse (v.a. steigende Ausbeutung, stärkere Durchdringung der ganzen Gesellschaft durch kapitalistisches Be-wirtschaften, weite neue Ausbeutungsräume für den Waren- und Kapital-export, erhöhte Mehrwer-tumverteilung...), zum Teil bestehen sie nur in fikti-ven Renditen aus fiktivem Kapital und sind dement-sprechend luftige und zer-brechliche Geschöpfe.

Die Krisenanfälligkeit des Systems, angelegt in der wirklichen Akkumulation („Realwirtschaft“), poten-ziert sich durch den hy-pertrophen Überbau der fiktiven Akkumulation. Schon die Krise 2001/02, noch viel mehr aber die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise sind dafür der Beweis. Wie wir oben schon am Beispiel der Ak-tiengesellschaften sahen, brachte die Krise einen scharfen Einbruch der Pro-fitrate 2008 und 2009 mit sich und 2010 wieder eine zweifellos in der Hauptsei-te nur fiktive „Erholung“, die seither wieder zuse-hends abbröckelt.

Zur Geschichte der Profitrate in Österreich

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Proletarische Revolution 55

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Das „Koalitionsüberein-kommen“ für die Regie-rung der nächsten Jahre sieht neue Angriffe gegen Arbeiter/innenklasse und Volk vor. SPÖ und ÖVP sind sich im Prinzip einig, gestrit-ten wird - außer um Posten - nur über den konkreten „Kriegsplan“, über die Tak-tik und die begleitende Propaganda, das „Tarnen und Täuschen“ sozusagen, weil es halt nun einmal his-torisch zwischen ÖVP und SPÖ - unbeschadet dessel-ben Klassenstandpunkts - einige Unterschiede gibt, in erster Linie unterschied-lichen Rechtfertigungs- und Verschleierungsbedarf. Zum „Kriegsplan“ gehört neben anderem der weitere So-zialabbau und hier scheint man sich wieder einmal besonders auf das Pensions-system einzuschießen.

So werden wir damit voll gelabert, dass eine dras-tische „Pensionsreform“ unabwendbar und nicht mehr aufschiebbar sei. Im-mer mehr und viel zu viele Pensionisten, heißt es, ein viel zu niedriges Pensions-antrittsalter, Missbrauch wohin das Auge reicht, kurzum: alles unfinanzier-bar, übermäßige Belastung des eh schon verschuldeten Staatshaushalts - und vor allem unverantwortlich, ja direkt schamlos gegenüber „unserer Jugend“.

Die Pensionsfrage muss einer grundsätzlichen Be-trachtung vom Klassen-standpunkt aus unterzogen werden, ausgehend von der Notwendigkeit, im Klassen-kampf die Reproduktions-bedingungen der Arbeits-

kraft und der ganzen Klasse zu verteidigen und diesen Kampf in den Kampf gegen das Lohnsystem als Ganzes einzuordnen. Es bedarf auch in der Pensionsfrage eines prinzipiellen Standpunkts und eines dementsprechen-den Kampfprogramms. Wir haben uns damit in der PR 52 (März 2013) befasst. Hier wollen wir nur die Verlo-genheit der aktuell wieder angefachten Propaganda entlarven und zu diesem Zweck die von der Bour-geoisie, ihren Medien, ihren Parteien, ihren „Experten“, ihren Gewerkschaftsbonzen und Arbeiterkämmerern ausgestreuten Zahlen und Argumente unter die Lupe nehmen 1.

Lüge Nr.1: Das Pensionsan-trittsalter, sagen die Kapita-listen und ihre Politiker, lie-ge im Schnitt bei 58,3 Jah-ren und müsse jetzt endlich und dringend zumindest „auf 60 Jahre angehoben werden“. Es lag aber, sagt das Handbuch der Sozial-versicherung (S.96), alle Al-terspensionen zusammen-genommen (wohlgemerkt auch die „vorzeitigen“ we-gen langer Versicherungs-dauer und Dauerarbeits-losigkeit kurz vor „Pensi-onsreife“), 2012 bei 62,9 Jahren bei den Männern und 59,3 bei den Frauen. Im (gewichteten) Durchschnitt ergibt das 60,9 Jahre und nicht 58,3.

Lüge bzw. Betrug Nr.2: Of-fenkundig rechnen sie - sta-tistische Abwegigkeit und politische Niedertracht! - die Invaliditätspensionen hinein, um das durchschnitt-liche Anfallsalter statistisch

zu drücken. Sie könnten auch noch die Unfallrenten hineinrechnen, aber das tun sie bis jetzt noch nicht 2. Was haben aber die durch die Arbeitsbedingungen kaputt gemachten Invalidi-täts- bzw. Erwerbsunfähig-keitspensionisten, also die besonders hart getroffenen Opfer der kapitalistischen Produktionsweise, mit dem (angeblich) „zu niedrigen Pensionsalter“ zu tun? Er-werbsunfähigkeit ebenso wie Unfall richten sich nicht nach irgendeinem Pensi-onsalter. Die 58,3 Jahre, die überall hinausposaunt wer-den, sind eine reine Mogel-packung.

Lüge Nr.3: Das faktische Pensionsantrittsalter, sagen die Kapitalisten, sei nicht nur zu niedrig, sondern es lasse sich bisher auch trotz aller Bemühungen nicht er-höhen, sodass drastischere Maßnahmen immer drän-gender werden. Das Hand-buch (S.96) sagt indes, das faktische Pensionsalter stieg bei den Männern seit 1996 bis heute ständig an, von damals 60,2 auf jetzt 62,9 Jahre, also um immerhin 2,7 Jahre, und auch 2012 stieg es wieder von 62,7 auf 62,9. Bei den Frauen war es 1996 bei 57,9 Jahren gele-gen, stieg ebenfalls seither um 1,4 Jahre an, 2012 ist es eine Spur gesunken (von 59,4 auf 59,3), aber es liegt ohnehin kaum mehr unter dem derzeitigen Regelpen-sionsalter für Frauen von 60 Jahren.

Lüge Nr.4: Die „Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähig-keit bzw. Erwerbsunfähig-

„Neue“ Regierung - neuer Anlauf zum Ruinieren des Pensionssystems

Widerlegung von 14 Lügen zum Pensionssystem

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keit“, so heißt neuerdings die „Invaliditätspension“, werde, sagen die Kapita-listen, missbraucht und sei sozusagen ein üblicher Weg zur früheren Pensio-nierung, Das Handbuch sagt (S.95), dass 2012 von 68.150 Anträgen (und es traut sich eh schon kaum mehr jemand einen An-trag stellen, weil er weiß, dass er wahrscheinlich ab-gelehnt wird) nur 27.446 genehmigt wurden, d.s. 40%. Sie brüsten sich noch damit, dass sie eine Ableh-nungsmaschine sind und sind ganz stolz, dass nur 12% der Abgelehnten bei anschließenden Sozial-gerichtsverfahren Erfolg haben. Und das obwohl sie zugeben müssen, dass immer mehr Menschen durch den kapitalistischen Arbeitsprozess kaputt ge-macht werden. Kein Wun-der, dass die Zahl der Neu-zugänge seit 2008 sinkt, auch 2012 wieder. Seit 2010 sinkt sogar auch Jahr für Jahr der „Bestand“ an Invaliditätspensionisten, auch 2012 wieder, es sind noch ganze 208.339. „Der Trend wurde gebrochen“ freuen sich die „Experten“. Zunehmende Blockade des Zuganges verbunden mit der unterdurchschnittli-chen Lebenserwartung der Betroffenen führen zu die-sem Resultat. Dazu kommt noch das inzwischen offen ausgesprochene Bestre-ben, die Invaliditätspen-sion als solche überhaupt abzudrehen. Angestrebt wird, sie soweit als mög-lich durch eine immer nur zeitlich befristete Zuerken-nung der Arbeitsunfähig-keit zu ersetzen, d.h. dass man immer wieder von ei-ner bösartigen Bürokratie

„überprüft“ und drang-saliert wird. Außerdem, sagen sie, sei doch kaum jemand „ganz“ arbeitsun-fähig, sondern eben nur „gemindert“, und daher könne doch auch der Bein-amputierte oder Quer-schnittsgelähmte noch lo-cker an einem Computer oder in einer Lagerhalle als Portier arbeiten.

Lüge Nr.5: Das Regelpensi-onsalter selbst sei nicht so sehr das Problem, verstel-len sich die Kapitalisten - wissend, dass es letztlich sehr wohl auch und sogar in erster Linie um das Re-gelpensionsalter gehen wird, weil man an dieser Schraube am wirksams-ten und flächendeckend drehen kann. Heute aber, sagen sie, gehe es um das „faktische“ Pensionsalter, denn es gingen ja heute „die allermeisten“ lange vor dem Regelpensionsal-ter in Pension, es gäbe zu viele „Schlupflöcher“ usw. Stimmt nicht, sagt das Handbuch (unfreiwillig), denn 2012 z.B. war der Zuwachs an Pensionisten „überwiegend auf eine Zunahme der Alterspen-sionen zum gesetzlichen Anfallsalter (mit 65 bzw. 60 Jahren) zurückzufüh-ren“ (S.93).

Lüge Nr.6: Es müsse, sagen die Kapitalisten, die „vor-zeitige Alterspension we-gen langer Versicherungs-dauer“ bzw. nunmehr „Langzeitversicherung“ 3 weiter stranguliert und so schnell als möglich ganz abgeschafft werden. Sie sind seit 2004 schon auf dem besten Weg dahin, die alte „Hacklerregelung“ gibt‘s längst nicht mehr,

das Nachfolgemodell hat die Schraube immer wei-ter angezogen und 2017 ist es sowieso aus damit. Die Zahl der Betroffenen hat sich, laut Handbuch (S.94), in den letzten zehn Jahren halbiert, 2012 war der kumulierte Stand noch 117.395 Menschen, d.s. 5% aller Pensionisten. Von wegen „die meisten“. Von der alten „Hacklerre-gelung“ profitierten 2012 noch satte 10.720 Perso-nen, d.s. 0,47%. Bald ist nichts mehr davon da. Und diese paar Leutchen sind das Kernproblem des Pen-sionssystems? Sie produzie-ren eine „Pensionslücke“, die den Staatshaushalt und „unsere Gesellschaft“ überhaupt gefährdet und die „Zukunft unserer En-kel“ obendrauf? Die Zah-len verweisen übrigens auch darauf, dass hier nur in der Hetzpropaganda „noch viel zu holen ist“, nicht aber in der Realität.

Lüge Nr.7: Der Zeitplan für die Anhebung des Frau-enpensionsalters auf 65 Jahre (derzeit schrittwei-se ab 2024) werde, heißt es jedenfalls momentan noch von SPÖ-Seite, nicht angetastet. Wieso disku-tieren dann alle „Exper-ten“ so inbrünstig darüber und hat der Herr Hunds-dorfer selbst ebendies vor einigen Monaten als „unumgänglich“ bezeich-net? Tatsächlich ist das Vorziehen der Anhebung des Frauenpensionsalters die wichtigste Schraube, an der sie drehen werden, bevor sie sich an das allge-meine Regelpensionsalter von 65 Jahren machen. Hier ist nämlich schnell „etwas zu holen“ und eine

Pensionslügen

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Proletarische Revolution 55

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ganze Menge - im Unter-schied zur „vorzeitigen Alterspension“ und zur „Invaliditätspension“, wo es mehr um propagandis-tisches Trommelfeuer als um praktische Ausbeute geht.

Lüge Nr.8: Immer weni-ger Beschäftigte, sagen die Kapitalisten, müssen immer mehr Pensionisten „aushalten“. Das sei ja das eigentliche Problem, an dem man selbst als Men-schenfreund „objektiv“ nicht vorbeikomme. Das geflügelte Wort lautet: „Früher entfiel auf zwei Arbeitende ein Pensio-nist, jetzt ist es schon bald umgekehrt.“ Als Maßstab in dieser Frage nennt das Handbuch die „Pensions-belastungsquote“, d.i. die „Relation zwischen der Zahl der Pensionen und der Zahl der Pensionsversicher-ten“ (S.99). Unter der Flut der „Reform“propaganda könnte man meinen, dass diese Quote ständig stie-ge: immer mehr Pensio-nisten kämen demnach auf relativ immer weniger Arbeitende. Indes kamen, sagt das Statistische Hand-buch (Tabelle 3.03), im Jahr 2012 nur 615 Pensionisten auf je 1.000 Versicherte. Das ist weit entfernt, ja das Gegenteil des Lügen-märchens (man hätte weit über 1.000 erwartet). Und zweitens hatte diese Quo-te 1992 noch bei 624 gele-gen, sie ist also in den letz-ten zwanzig Jahren nicht gestiegen, sondern ge-sunken. Das hat übrigens banal mit der steigenden Erwerbsquote (Anteil der Erwerbstätigen am Bevöl-kerungssegment von 15 bis 65 Jahren) zu tun, die-

se steigt Jahr für Jahr, auch 2012 wieder von 75,3% auf 75,9%. Wahr ist allerdings auch, dass die (relativ im-mer mehr) Erwerbstätigen relativ immer weniger ver-dienen und daher immer weniger in die Pensions-versicherung einzahlen - aber das ist eine andere Geschichte.

Lüge Nr.9: Alle diese Fürchterlichkeiten, sagen die Kapitalisten, führen zu einem immer größeren und „unfinanzierbaren“ „Defizit“ der Pensionsver-sicherung. Das Handbuch (S.116) hält demgegen-über fest: „Die Gesamt-einnahmen ... betrugen im Jahre 2012 35.734 Mio. €,... die Ausgaben betrugen 35.732 Mio. €. ... Das Rech-nungsjahr 2012 wurde so-mit vorläufig mit einem Gebarungsüberschuss von 2 Mio. € abgeschlossen.“ (S.116) [Übrigens liegt die Gebarung der Sozialver-sicherung als Ganzes seit 2009 Jahr für Jahr im Plus, wobei der höchste Über-schuss 2010 mit 385,7 Mio. € erzielt wurde und der-jenige 2012 sich auf 213,0 Mio. € bezifferte. Der größte Beitrag dazu kam aus dem Überschuss der Krankenversicherung von 135 Mio. € - die angeblich ebenfalls vor überborden-den Kosten jeden Augen-blick zu krepieren droht.]

Lüge Nr.10: Ja, sagen ei-nige Schlaumeier, aber in den Einnahmen steckt ja ein gewaltiger Staatszu-schuss, um das (angebli-che) „Defizit“ auszuglei-chen. Wie „gewaltig“ der „Staatszuschuss“ ist, findet man im Handbuch (S.116): 2012 deckte der

„Bundesbeitrag“ 20,5% der Gesamtausgaben (nur in der PVA 4: 17,1%), wäh-rend 76,0% (nur in der PVA: 79,4%) durch Versi-cherungsbeiträge finan-ziert wurden. Das ist aber noch lange nicht alles, denn fast die Hälfte die-ser 20,5% bezieht sich auf Ausgaben, die zwar von der Pensionsversicherung zu tragen, ihr aber eigent-lich gar nicht zuzuordnen sind, sondern ihr nur ir-gendwann zum Stopfen von Budgetlöchern vom Staat umgehängt wurden 5. Insgesamt summieren sich diese Posten immer-hin auf 3,5 Mrd. € - das ist fast die Hälfte des gesam-ten „Bundesbeitrags“ (7,3 Mrd. €).

Grundsatzargument zu Lüge Nr. 10: Zu diesem „Bundesbeitrag“, der in der Polemik in ein „Defi-zit“ umgelogen wird, ist folgende grundsätzliche Klarstellung erforder-lich: Als das ASVG in den 1950er Jahren beschlossen wurde, wurde der soge-nannte „Drittelzuschuss“ festgelegt, d.h. ein Drittel des Aufwands der Pensi-onsversicherung war aus dem Budget zu tragen. Ab den 1970 Jahren wurde dieser Zuschuss systema-tisch verringert, um heu-te bei 20,5% zu landen. Zweitens wurde aus dem wirklichen „Zuschuss“ nur mehr ein fiktiver „Bei-trag“, er besteht nur mehr aus einer Ausfallhaftung des Staates. Drittens wur-den wie schon gesagt der Pensionsversicherung im-mer mehr Staatssausga-ben aufgebürdet, die mit ihr eigentlich gar nichts zu tun haben; die Beiträge für

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Ersatzzeiten aus dem Prä-senzdienst z.B. gehörten eigentlich ins Militärbud-get, die von Zivildienern wären von deren Ausnut-zern zu tragen. Es werden so Mittel der Pensionsver-sicherung zweckentfrem-det. Der Staat agiert als Rentenklau - und nutzt das noch für seine „Defizit“- Propaganda aus. Viertens erhebt sich die Frage, wa-rum die zweite Hälfte des „Bundesbeitrags“ in ein „Defizit“ umgelogen wird, wo es doch nur Staatsaus-gaben sind wie alle ande-ren auch. Hat man schon jemals sagen hören, dass die Polizei und Armee ein riesiges „Defizit“ produ-zieren, das „eingedämmt“ und eigentlich abgeschafft gehörte? Oder gelten Ge-halt und Spesen des Herrn Faymann als Produktion von „Defizit“? Aber natür-lich wird das Geschrei über „Defizit“ nur dort ange-stimmt, wo man auf die Streichung oder drastische Verringerung von Ausga-ben zielt. Fünftens wäre es naheliegend, wenn schon, dann dieses angeb-liche „Defizit“ in Relation zum BIP zu betrachten, aber dann sähe man erst recht, dass weit und breit von „Explosion“ nichts zu sehen ist, sondern dieser Prozentsatz seit vielen Jah-ren ziemlich stabil bleibt und nur mit der krisenhaf-ten zyklischen Entwicklung des BIP schwankt: 2012 lag er bei 2,4% vom BIP, vor zehn Jahren war er bei 2,2% gelegen, 2004 hatte er einen Höchststand von 2,5% (Handbuch, S.117) .

Lüge Nr.11: Der Staats-haushalt, sagen die Ka-pitalisten, werde durch

dieses (angebliche) „Defi-zit“ ungeheuerlich belas-tet. Erstens wird er, wie man im Handbuch nach-lesen kann, im Sinne tat-sächlicher Geldeinschüsse überhaupt nicht belastet, sondern geht es lediglich um eine Ausfallhaftung des Bundes (was übrigens nach sich zieht, dass die Finanzierungskosten (Zin-sen) von der Pensionsver-sicherung selbst zu tragen sind). In Summe, sagt das Statistische Handbuch (Ta-belle 5.20) weiter, beläuft sich diese Bundeshaftung 2012 auf 7,3 Mrd. €, dieje-nige nur für die PVA sogar nur auf 4,5 Mrd. €. Wir haben außerdem oben ge-sehen, dass fast die Hälfte davon eigentlich abzuzie-hen wäre. So oder so ist das - nur zur Verdeutli-chung der Dimension - im Vergleich z.B. zu den 5,9 Mrd. € Zuschuss plus 15 Mrd. € Staatshaftungen für die Hypo Alpe Adria plus den geplanten 19 Mrd. € Haftungen für die demnächst aus ihr auszu-gliedernde „bad bank“ ein regelrechter Witz. Und die Hypo Alpe Adria (und alles nur offizieller Stand von heute!) ist nur ein kleines Beispiel.

Lüge Nr.12: Der „Bundes-beitrag“, sagen die Kapi-talisten, sei nicht nur zu hoch, sondern er steige auch noch ständig an und das massiv. Das Handbuch (S.117) dagegen sagt, dass er langfristig nicht sonder-lich stieg. Er betrug in den letzten zehn Jahren immer zwischen 4,3 und 5,9 Mrd. €. Nur im Jahr 2011 waren es 6,6 und 2012 7,3, aber das war nur die Folge der Wirtschaftskrise ab 2008.

Außerdem ist dieser An-stieg immer noch „sehr überschaubar“. Er hat überhaupt nichts mit Be-völkerungspyramide oder Überalterung zu tun, son-dern ausschließlich damit, dass erstens die Sozialver-sicherungsbeiträge we-gen Lohndrückerei sowie steigender Arbeitslosig-keit und Prekarität relativ immer mehr zurückgehen und zweitens die Kapita-listen immer mehr von den sog. „Lohnnebenkosten“ entlastet werden und ergo dessen immer weniger in die Sozialversicherung ein-zahlen.

Lüge bzw. Unterstellung Nr.13: Der Anstieg bei den Pensionen, sagen die Ka-pitalisten, müsse gebremst werden, jeder müsse in schwieriger Zeit Opfer bringen, man könne sich die „zu hohen“ Pensionen einfach nicht mehr leisten. Von wegen „zu hoch“: Das Statistische Handbuch (Tabelle 3.23) berichtet: Die durchschnittliche Pen-sion beläuft sich 2012 im Durchschnitt (Median) auf 1.159 €, bei den Arbeitern und Arbeiterinnen sogar nur auf 958 €. Besonders schlecht dran die Frauen mit einer durchschnittli-chen Pension von 819 € (nur Arbeiterinnen: 741 €). Zur Erinnerung: Die offizi-elle „Armutsgefährdungs-schwelle“ liegt bei 914 €.

Taschenspielertrick Nr.14: Manchmal werden die Beamtenpensionen mit den ASVG-Pensionen ver-mengt. So kommt man natürlich auf viel höhere Durchschnittspensionen und vor allem auf ein viel höheres Defizit, denn im

Pensionslügen

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Beamtenbereich gab es bis vor einigen Jahren über-haupt keine „Eigenbeteili-gung“, sondern waren die Beamtenpensionen (und sind es immer noch weit-gehend) aus dem Budget zu decken 6. Ohne das be-sondere Pensionsrecht der Beamten hier - übrigens klassenmäßig richtig, nicht demagogisch! - diskutie-ren zu wollen, ist jedenfalls klar, dass es sich hier gar nicht um eine Sozialversi-cherung im eigentlichen Sinn handelt, die auch ausgeglichen bilanzieren könnte. Deren „Defizit“ mit dem ASVG zu vermen-gen ist Rosstäuscherei und nur ein Betrüger kann ver-suchen, mit dem „Defizit“, d.h. der Budgetbelastung des Beamtensektors eine ASVG-“Reform“ zu be-gründen.

So weit einige Fakten und Zahlen.

Was kommt in den nächs-ten Jahren auf uns zu?

Die Hauptangriffslinien auf Systemebene sind:- Vorziehen der Anhebung des Regelpensionsalters für Frauen auf 65 Jahre- weitere Zurückdrängung und schließlich Beseitigung der „Invaliditätspension“- restlose Abschaffung der „vorzeitigen Alterspensi-on wegen langer Versiche-rungsdauer“

Hauptangriffslinien in der Praxis sind darüber hin-aus und in erster Linie die „Eindämmung“ der Kos-ten, also möglichst keine Pensionssteigerungen, hö-here Besteuerung der Pen-sionen usw. und deutliches Senken aller neuen Pensi-

onen, vor allem durch hö-here Abschläge usw. Auch alle Bestrebungen zur Er-höhung des gesetzlichen und faktischen Pensionsal-ters zielen in Wahrheit nur auf Senkung der Pensio-nen, denn es glaubt doch wohl keiner ernsthaft, dass die dadurch neu pro-duzierten Arbeitskräfte eine Chance haben, einen Job zu kriegen. Für so blöd sollte sich nicht einmal der interessierte bourgeoise „Experte“ ausgeben 7.

Gewünschte Nebeneffekte sind: - Vergrößerung der dispo-niblen Reservearmee von Arbeitslosen und Prekä-ren, die gar nicht in Pen-sion gehen können bzw. neben der Pension dazu verdienen müssen - „Reformen“ in Richtung „ beitragsorientiertes Pen-sionssystem“, also weg von den letzten Resten des „Solidarprinzips“ und hin zu noch mehr Umvertei-lung im Inneren des Pensi-onssystems - Forcierung der „privaten Vorsorge“ zwecks Schaf-fung eines profitablen Be-tätigungsfeldes der Geld-kapitalverwertung

Das Regelpensionsalter von 65 Jahren selbst haben sie zweifellos auch im Vi-sier, in Deutschland gibt‘s schon die „Rente mit 67“, die EU-Kommission hat ein paar ihrer „Wissenschaf-ter“ schon die Rente mit 70 durchsimulieren lassen, letzteres vielleicht noch nicht aktuell, aber heu-te schon eine zusätzliche Propagandakeule. In Ös-terreich thematisieren sie eine Erhöhung des Regel-pensionsalters von 65 Jah-

ren auf Regierungsebene im Moment aus taktischen Gründen noch nicht, jetzt knöpfen sie sich zuerst ein-mal das Frauenpensionsal-ter vor, aber es kommt so sicher wie das Amen im Gebet.

Die Pensionsfrage ist nur ein Feld, auf dem die Ar-beits- und Lebensbedin-gungen unterminiert wer-den und der Staat Arbei-ter/innenklasse und Volk ausplündert - während er im Gegenzug die Kapita-listen bedient, vermittels der „Entlastung bei den Lohnnebenkosten“ und di-rekter Zuwendungen und Subventionen, auch aus Mitteln der Sozialversiche-rung. Sie ist eng mit dem Sozialabbau insgesamt und mit dem großen und er-giebigen Plünderungsfeld des Steuersystems verbun-den. Aber kaum irgendwo sonst kann die Spaltung zwischen „den Alten“ und „den Jungen“ so gespielt werden wie hier - um die Klassenspaltung der Ge-sellschaft weg zu zaubern. Umso wichtiger, dass ge-meinsame Front der Ar-beiter/innenklasse und des Volkes gegen diese An-griffspläne gemacht wird - und zwar mehr noch im Interesse „der Jungen“, denn ihre viel im Mund ge-führte „Zukunft“ (von der im Kapitalismus und bei den Perspektiven, die die-ser heute noch hat, sowie-so keine Rede sein kann) wird damit nicht etwa gesichert, sondern immer weiter beschädigt. Es wird doch wohl keiner glauben, dass wenn man im Sozial-bereich „den Alten“ etwas wegnimmt, dies „den Jun-gen“ zugutekommt, statt

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dass es zur Aufbesserung der Profite der jungen wie alten Kapitalisten verwen-det wird. Natürlich gibt es heute einiges, zwar viel-leicht nicht Wichtigeres, aber bedeutend Näherlie-gendes: Arbeitslosigkeit, Prekarität, Lohnabbau, die Weg-Flexibilisierung des Arbeitsrechts, Arbeitshet-ze und vielfach grauenhaf-te Arbeitsbedingungen, die Pläne für das Gesund-heits- und Schulsystem.... Natürlich denkt jemand in jungen Jahren nicht daran, ob und welche Pension er in einem halben Jahrhun-

dert kriegt, und das ganz zu Recht, aber doch wer-den heute die Weichen gestellt, nicht nur wohin es mit dem Pensionssystem in Zukunft geht, sondern wie es überhaupt weiter geht in der Gesellschaft und im Klassenkampf. Am Elend der meisten Arbei-ter/innenpensionist/innen wird mit seltener Deut-lichkeit sichtbar, mit was für einem menschenver-achtenden System wir es zu tun haben - genauso wie man das am Elend des perspektivlosen jugend-lichen Arbeitslosen sieht.

Jeder Sieg des Kapitals, darunter jede „gelungene Reform“ im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts, stärkt die Ausbeuter und Reaktionäre auch an allen anderen Frontabschnitten. Deshalb müssen ja die Din-ge in ihrem Zusammen-hang betrachtet werden - und dieser Zusammen-hang besteht im Kapita-lismus, im Profitsystem, in der Ausbeutung. Deshalb muss, soll erfolgreich Wi-derstand aufgebaut wer-den, gemeinsame Front gegen alle diese Attacken gemacht werden.

Endnoten

1 Da sie zwar dem Volk gegenüber in unverfrorener Weise lügen, selbst aber schon gerne wissen möchten, was wirklich Sache ist, gibt es jährliche detaillierte Berichte und Statistiken des Hauptverbandes der Sozialversiche-rungsträger: „Handbuch der österreichischen Sozialversicherung 2013“, April 2013, 190 Seiten, und „Statistisches Handbuch der österreichischen Sozialversicherung“, November 2013, 208 Seiten, der Tabellenanhang dazu. 2 Das durchschnittliche Anfallsalter lag 2012 bei den Invaliditätspensionen bei 52,5 Jahren und bei den Unfall-renten bei 43 Jahren.3 D.h. die Möglichkeit des Pensionsantritts ab einem gewissen, Jahr für Jahr steigenden und sich den 65 Jahren nähernden Alter - sofern man bis dahin (bei Männern) 540 Versicherungsmonate oder 45 Jahre bzw. (bei Frau-en) 480 Versicherungsmonat oder 40 Jahre zusammen hat.4 Die PVA, die Pensionsversicherung der Arbeiter und Angestellten, ist das bei weitem größte Segment der Pen-sionsversicherung. Die anderen Segmente sind die SVA Eisenbahnen und Bergbau und diejenigen der Gewerbli-chen Wirtschaft (in der auch alle Freiberufler, vom Arzt bis zum Steuerberater sind) und der Bauern. Zusammen bilden sie den Hauptverband. Alle hier verwendeten Zahlen beziehen sich, soweit nicht ausdrücklich anders vermerkt, auf diese Gesamtheit.5 Es sind das z.B. Beiträge für Ersatzzeiten für Arbeitslosigkeit, Präsenzdienst, Zivildienst, Karenz- und Kinderbe-treuungsgeldbezug, Wochen- und Krankengeld, Kosten für Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation von Pensi-onisten sowie eine Beteiligung an deren Krankenversicherung, Ersätze für Ausgleichszulagen, die sowieso vom Sozialsystem zu tragen wären, usw. Selbstverständlich müssen alle diese Kosten vom Staat getragen werden, aber eben vom Staat und nicht zu Lasten der Pensionsversicherung und unter Anrechnung auf deren „Defi-zit“.

6 „Für Beamte ist eine gesetzliche Pensionsversicherung nicht vorgesehen, da ihnen aus ihrem Dienstverhältnis die Anwartschaft auf Ruhe (Versorgungs)genüsse zusteht.“ (Handbuch, S.87)

7 Obwohl: „Es ist schwierig, einen Wissenschafter dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn sein Einkommen davon abhängt, es nicht zu verstehen.“ (Upton Sinclair)

Pensionslügen

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Auch wenn momentan der "drohende US-Mili-tärschlag”, d.h. die Bom-bardierung Syriens aus der Luft und von der See, und die damit verbundene un-mittelbare Kriegsgefahr aus den imperialistischen Medien wieder ziemlich verschwunden ist, hält der Flottenaufmarsch vor und um Syrien unvermindert an - ebenso wie die Aufrüs-tung der “Freien Syrische Armee” und diversester sonstiger reaktionärer Kr iegsverbrecherban-den durch die westlichen Imperialisten und ebenso wie die Aufrüstung des syrischen Regimes durch die russischen Imperialis-mus (samt der Verlegung russischer Luftwaffen-, Luftabwehr- und Raketen-truppen sowie wahrschein-lich Truppen zur Unterstüt-zung von Küstenschutz- und Landungsoperationen nach Syrien). Syrien ist nach wie vor ein Kriegs-brandherd erster Ordnung und je dichter die Flotten-präsenz der rivalisieren-den Imperialisten, je in-tensiver ihre Manöver und Bewegungen (einschließ-lich der Raketenübungen ins offene Meer, auch sei-tens Israels), je größer da-her ihre Nervosität wird, desto leichter kann es zu Zusammenstößen und unkontrollierbaren Fol-gen kommen, selbst wenn diese nicht oder jedenfalls im Moment nicht gewollt sein sollten.

Der Flottenaufmarsch im östlichen Mittelmeer ist enorm: Dort kreuzten im September 2013 vier US-Raketenzerstörer, aus-

gerüstet mit jeweils 40 Marschflugkörpern, in-zwischen sind es fünf oder sechs. Es gibt auch U-Boot-gestützte Raketen, aber deren Standort lässt sich nicht verifizieren. Dazu kommt der Flugzeug-träger Nimitz, der inzwi-schen den Suezkanal passi-ert hat und am 20.Oktober im Mittelmeer eingelangt ist - begleitet vom Raketen-kreuzer Monterey. Im Ara-bischen Golf liegen weit-ere US-Flottenverbände, darunter der Flugzeug-träger Harry Truman.

Die britische Flottenprä-senz ist, da ja dem Cam-eron-Regime eine Beteili-gung an einem Syrienkrieg durch das eigene Parla-ment vermasselt wurde, vordergründig nicht auf eine Teilnahme an einem Angriff auf Syrien gerich-tet. Allerdings fand kür-zlich vor der albanischen Küste ein Manöver unter Beteiligung von zwei Fre-gatten, eines Hubschrau-berträgers und eines Land-ungsschiffes statt. Und irgendwo im Mittelmeer kreuzt ein mit Tomahawk-Raketen bestücktes strat-egisches U-Boot. Irgen-deinen “Beitrag” wird im Fall des Falles auch der britische Imperialismus leisten.

Die Präsenz des lautesten Kriegsschreiers, Frank-reich, ist mit der Fregatte Paul Chevalier, von der aus auch Libyen bombardiert wurde, relativ bescheiden. Anscheinend wurde auch keiner der drei Hubschrauberträger in das östliche Mittelmeergebiet

verlegt; wahrscheinlich sind sie in Westafrika und am Horn von Afrika un-abkömmlich. Die dort oder da kolportierte “Ein-satzfähigkeit binnen 48 Stunden” des Flugzeug-trägers Charles de Gaulle, der nach dem Asien- und dann Libyen-Einsatz gen-eralüberholt wurde und entgegen anders lauten-den Gerüchten nach wie vor in Toulon liegt, ist zwar denkbar, aber bisher nicht offiziell bestätigt. Auch Italien hat einen Zerstörer und eine Fre-gatte in die Region verlegt - angeblich zur Unterstüt-zung und Sicherung der UNIFIL-Operation im Liba-non. Und auch die deut-schen Imperialisten tragen ein bisschen etwas bei, in-dem die Fregatte Mosel (angeblich zur eventuellen Evakuierung deutscher Bürger aus dem Libanon) bereit steht, vor allem aber, indem das Spionag-eschiff Oker, das schon un-ter der rot-grünen Regier-ung die US-Aggression ge-gen den Irak unterstützte, den anderen westlichen Imperialisten zuarbeitet. (Die beiden Schnellboote Wiesel und Frettchen sind offiziell UNIFIL-Verbände, müssen aber eher schauen, dass sie in (militärisch) be-wegter See nicht selbst un-ter die Räder bzw. Schiff-spropeller geraten).

Dem westlichen Flotten-aufmarsch steht ein noch massiverer russi- scher gegenüber. Die russische Marine ist mit mehr als einem Dut-zend Kriegsschiffen im Mittelmeer vertreten.

Syrien: Der imperialistische Aufmarsch

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Darunter befinden sich die Landungsschiffe Pereswet, Nowotscherkassk, Jamal, Alexander Schabalin, Niko-lai Filtschenkow, Saratow, Asow und Kaliningrad, der Kleine Kreuzer Ad-miral Newelskoi, das Am-phibienschiff Minsk, der Zerstörer Admiral Penteljew, der Raketen-kreuzer Moskwa (für die NATO ein “Flugzeug-träger-Killer”), die Küs-tenschutzschiffe Smetliwy (zugleich das Flaggschiff der “Syrienflotte”) und Jaro-slaw Mudry. Das Landungs-boot Nikolai Filtschenkow lief am 25. September in syrische Gewässer ein und wurde von zwei syrischen Raketenbooten begrüßt. Dazu kommen einige Versorgungsschiffe, d.s. der Tanker Petchenga und das Rettungsschiff Krylow. Zum Verband wird zudem bald der aus dem Pazifik in Marsch gesetzte Flugzeug-träger Admiral Kusnezow stoßen. Weiters wurde ein U-Boot-Zerstörer der Baltischen Flotte (Sewe-romorsk?) verlegt und kreuzt vor der syrischen Küste. Ebenso angeblich ein mit Atomsprengkö-pfen bestücktes Nuklear-U-Boot (letzteres beruht aber nur auf US-Berichten und wurde von Russland nicht bestätigt). Es wurden in den letzten Monaten Schiffe der Baltischen, der Pazifik- und der Schwarzmeerflotte ins Mittelmeer verlegt. Bemerkenswert nicht nur die Zahl, sondern auch die Schiffstypen (Landungsschiffe, Amphi-bienschiffe (mit schwerem gepanzerten Gerät an Bord und Unterstützung durch Kampfhubschrau-

ber), Marineinfanterie... und die ganze Infrastruk-tur für einen veritablen Krieg). Man sieht, dass sich die russische Flotte nicht nur auf einen See- und Luftkrieg vorbere-itet, sondern dass auch ein Aufmarsch im Hinblick auf Kriegshandlungen auf syrischem Boden und an den syrischen Küsten statt-findet. Und es wird sich sicher nicht bloß um ein riesiges “Manöver mit Re-albezug” handeln.Auch China ist vor Ort und mit dem Landungsschiff Jinggangshan (samt 1.000 Marineinfanteristen!) ver-treten.

Russland hat weiters seine Schwarzmeerflotte ganz in der Nähe. Das russische Raketenschiff Grad Swi-jaschsk ist im März 2013 vom Stapel gelaufen. Das Schiff ist für Flach-wasser-Einsätze, z.B. im Kaspischen Meer oder in Küstenbereichen, und den Beschuss vom Meer- und Küstenzielen konzipiert und schwer bewaffnet mit Schiffsartillerie, Marschflugkörpern ge-gen See- und Küsten-ziele, Flugabwehrraketen und überschweren Mas-chinengewehren. Die Schwarzmeerflotte übt inzwischen fleißig weiter. Im September fand das Marinemanöver “Black-SeaFor” statt, an dem sich (ein seltsames Teilnehm-erspektrum!) alle Schwarz-meer Anrainer (Bulgar-ien, Georgien, Rumänien, Russland, Ukraine und Türkei) beteiligten. Das Manöver stand unter rus-sischem Kommando mit der Kommandozentrale in Varna (Rumänien) und

dauerte 13 Tage plus di-verse Hafenaufenthalte.

Besorgniserregend dabei - abgesehen von der eigentlichen Kriegsgefahr, die von jeder solchen Flottenkonzentration und -konfrontation ausgeht - auch die Massierung von Atomreaktoren (Schiffsantrieben) und möglicherweise auch Atomwaffen im östlichen Mittelmeer. Ein normaler U-Boot-Reaktor hat eine Leistung von 150 Mega-watt mit entsprechend viel Kernbrennstoff, die USS Nimitz hat wie jeder andere US-Flugzeugträger zwei Reaktoren mit je 140 MW Leistung eben-falls mit entsprechend viel Kernbrennstoff. Man kann sich die verheerenden Konsequenzen für den Mittelmeerraum und weit darüber hinaus ausmalen, wenn einer oder mehrere dieser Reaktoren im Zuge von Kampfhandlungen in die Luft gingen.

Neben dem Flotten-aufmarsch geht auch der Aufmarsch am Boden weiter. Russland liefert(e) an Syrien 130 S-400 Bo-den-Luft-Raketen (Assad hatte sogar die Lieferung von 200 Stück angekün-digt) und 10 MiG-29. In Jordanien werden 1.200 Mitglieder der “Freien Syrischen Armee” von US- UK- und FR-Instruktoren ausgebildet... 4.500 US-Soldaten befinden sich in Jordanien, grenznahe zu Syrien. Die USA verlegten zusätzlich F-16 Jets nach Jordanien, teilweise aus Dubai. Auch zwei weitere Patriot- Batterien werden nach Jordanien verlegt.

Syrien - Militäraufmarsch

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Seltsamerweise (oder auch gar nicht seltsamer Weise) sind derzeit die Gefahr weiterer imperialistischer Aggressionen gegen Syrien und die der wachsenden Kriegsgefahr wieder ganz aus den Blickfeld verschwunden. Das gilt leider nicht nur für die bourgeoisen Me-dien, sondern auch für Teile der antiimperialist-ischen Öffentlichkeit. Selt-samerweise (oder auch gar nicht seltsamer Weise) flammt die antiimperia-listische Propaganda auf und ebbt sie genauso wie-der ab mit der Konjunk-tur der Wahrnehmung des Kriegstreibens in den bourgeoisen Medien. Sind diese “besorgt” (vielleicht nur deshalb, weil man sel-ber nur seine Geschäfte in der Region machen will (z.B. im Ölsektor), sich aber nichts darüber hinaus zutraut), sind manche Anti-imperialisten es auch, sind diese “erleichtert”, sind sie es ebenfalls. Das ist alles in krassem Gegensatz zur Realität. Zudem stößt man seltsamerweise bei vielen Antiimperialisten auf das Phänomen, dass nur die US-Kriegsschiffe (und die der anderen

“Willigen”) wahrgenom-men, die russischen aber ganz übersehen (oder direkt wegeskamotiert) werden - wie man klarer-weise umgekehrt in der westlich-imperialistischen Propaganda oft auf das Phänomen stößt, die russi-sche Kriegsvorbereitung zu überschätzen, dies allerd-ings hauptsächlich nur als “harte Propaganda”, während das tatsächliche Ausmaß und die tatsächli-che Stärke des russischen Aufmarsches in der Region zugleich oft unterschätzt werden. Die Blindheit mancher Antiimperiali-sten in Richtung Russland mag man vielleicht damit rechtfertigen, dass die unmittelbare Gefahr des Anzettelns eines Überfalls auf und daher der Entfes-selung eines Krieges um Syrien heute von den USA ausgeht, aber die Gesamt-einschätzung der Lage in der Region wird so trotz-dem komplett falsch. Die Lage der syrischen Arbe-iter/innenklasse und des syrischen Volkes, seine Ausbeutung, Ausplünder-ung und Unterdrückung, die Abhängigkeit und Knechtung des Landes von bzw. durch den Imperial-

ismus, die Machtbasis des Assad-Regimes - das alles, die Wurzeln der Misere, erschöpft sich nicht in den seit drei Jahren anhalten-den Gemetzel und Kriegs-handlungen und auch nicht in der Gefahr noch massiverer militärischer imperialistischer Aggres-sionen. Es macht ja gerade die Situation in Syrien aus, dass der ursprüngliche Volksaufstand gegen das Assad-Regime und dessen “Selbstverteidigung”, zu-erst v.a. gegen das eigene Volk, inzwischen mehr ge-gen die “Rebellen”, inz-wischen zu einem unter-geordneten Element in der imperialistischen Rivalität geworden ist. Die Ent-wicklung geht eindeutig “vom Volksaufstand zum imperialistischen Geme-tzel” (PR 54). Nur wenige selbständige und nicht von diesen oder jenen Impe-rialisten abhängige Volks-bewegungen bestehen bzw. haben sich entwickelt - die wichtigste davon ist derzeit die von Rojava im kurdisch besiedelten Teil Syriens. (vgl. Syrien-Artikel in Proletarische Revolution Nr. 54)

Stoppen wir die imperialistische Aggression gegen Syrien! Keine Unterstützung für das Assad-Regime!

Keine Unterstützung der reaktionären Oppositionstruppen!Das syrische Volk muss seine Zukunft in die eigenen Hände nehmen!

Für Volksdemokratie und Sozialismus!

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Rojava (Westkurdistan) ist eine kleine Region im Norden Syriens. Das Gebiet ist politisch, wirtschaftlich und militärisch in den Händen des Volkes und wird von bewaffneten Volksverteidigungseiheiten (YPG) geschützt. Unter den etwa 15.000 Kämpfer/innen gibt es auch eigene „Frauenverteidigungseinheiten”, d.h. ausschließlich aus Frauen bestehende Brigaden. Die zentralen Regierungsgeschäfte werden vom Kurdischen Hochkomitee geführt, an der Basis in den Dörfern und Kleinstädten werden die Angelegenheiten durch Volkskomitees geregelt.

Seit das Kurdische Hochkomitee in Rojava die Macht übernommen hat, sperrt die Türkei im Norden den Zugang

zu dieser Region ab, um die kurdische Autonomie abzuwürgen, und hat einen kilometerlangen Grenzzaun errichtet. Gleichzeitig ist die die türkisch-syrische Grenze für faschistische islamische Kräfte z.B. der An-Nusra-Front in beide Richtungen offen.

Durchbrechen wir die Blockade von Rojava!

Unterstützt den Freiheitskampf

in ROJAVA (Westkurdistan/Nordsyrien)!

Spenden an: Heyva Sor a Kurdistane, Schäferstr.4 53859 Niederkassel, Deutschland,Kreissparkasse Köln, Neumarkt 18-24, IBAN: DE49 370 502 990 004 010 481, BIC/SWIFT: COKSDE33, Zweck: ICOR-ROJAVA

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Proletarische Revolution 55

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Am 22. November beklagte der französische Präsident Hollande: “In Zentralafrika kommt es zu abscheulichen Gräueltaten. Chaos und außerordentlich schwere Übergriffe. Wir müssen handeln!” Das Kriegsmin-isterium erklärte am sel-ben Tag, man fasse “eine Blitzoperation (ins Auge), zeitlich befristet, um die Ordnung wiederherzustel-len und die humanitäre Situation zu verbessern” und dies sei nur mehr “eine Frage von Tagen”. Seitens des französischen Imperia-lismus ist seit September die Rede von “allgemei-nem Chaos”, “Ausbruch der Anarchie”, “schweren Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit”, das “Ge-spenst eines religiösen und ethnischen Konflikts” gehe um, Zentralafrika sei dabei, zu einem “Tum-melplatz von Extremisten und bewaffneten Grup-pen” zu werden, man müsse verhindern, “dass die Krise außer Kontrolle gerate” .... alles halt, was zwar in mancher Hinsicht so sein mag, was aber vor allem üblicherweise zur “humanitären” Rechtfer-tigung einer Militärinter-vention durch imperialis-tische Truppen angeführt wird. Es ist auch die Rede von einer “Situation am Rande eines Genozids”, was einen - bezüglich der französischen Mission of-fensichtlich skeptischen - Afrikaexperten des “re-nommierten” (d.h. gut in die imperialistischen Strukturen eingebetteten) “Internationalen Studien- und Untersuchungszen-

trums” veranlasste, man solle das Wort Genozid nicht so derart “banali-sieren”. Außenminister Fabius bemühte auch die “extrem hohe Kinderster-blichkeit” und dass “ein-einhalb Millionen Men-schen hungern” - was of-fenbar erst in den Wochen seit September vom afrika-nischen Himmel fiel und womit das frühere fran-zösische Quisling-Regime und der französische Neo-konolialismus gar nichts zu tun haben.Tatsächlich wird Zentralaf-rika seit Monaten von “Unruhen”, bewaffneten Zusammenstößen, Überg-riffen marodierender Ban-den (darunter auch solche ausländischer Herkunft und solche bestehend aus ehemaligen Regierungs-soldaten) erschüttert. Am 24. März 2013 war die Regierung Bozizé, selbst 2003 durch einen Putsch an die Macht gekommen, von der Rebellenkoalition Séléka gestürzt und deren Chef, Djotodia, zum Prä-sidenten gemacht wor-den. In den Reihen der Séléka, einer wild zusam-mengewürfelten Truppe, kämpfen neben Zentralaf-rikanern auch aus Darfour geflüchtete Janjaweed-Milizen sowie tschadische Rebellen gegen das dor-tige Déby-Regime - was eben dieses Regime nicht daran hinderte, die Séléka finanziell, logistisch und militärisch zu unterstüt-zen, um den alten Spezl Bozizé zugunsten eines hoffentlich noch besseren Spezls zu entsorgen. Das französische Militär, das Bozizé 2007 noch bei der

Bekämpfung von Rebel-len an der sudanesischen Grenze unterstützt hatte, griff diesmal nicht ein. Die tschadische Armee, die noch im Dezember 2012 die Rebellen vor den Toren Bangui’s gestoppt hatte, ebenfalls nicht. Bozizé hatte ausgedi-ent. Die desolate Regier-ungsarmee zerfiel im Nu, die 800 Mann “Präsiden-tengarde”, eine seit 2003 berüchtigte Bande von brutalen Schlächtern, wurde rasch überwältigt. Das UNO-Hauptquartier in Bangui wurde bei die-ser Gelegenheit verwüstet - bloße Plünderung oder doch eine politische Ak-tion? Der Putsch ging aber dennoch nicht sang- und klanglos über die Bühne. Seither liefern sich Ver-bände der (“überwiegend moslemischen”) Séléka und solche der (“christli-chen”) Anti-Balaka-Miliz, aber auch alle möglichen bewaffneten Gruppen und Banden, bewaffnete Auseinandersetzungen, v.a. im Nordwesten des Landes, zuletzt auch in der Hauptstadt Bangui - wobei das “moslemisch” und “christlich” hier mehr noch als anderswo nur die Bedeutung hat, dass man sich in höchster Not halt an irgendwelchen Strukturen orientiert, die einem helfen, dass man nicht sofort ausgeraubt und umgebracht wird. Frankreich versuchte, das neue Regime unter Kon-trolle zu bekommen und zu stabilisieren - mit allem Brimborium, von einem Übergangspräsidenten bis zu späteren Wahlen (nach

Keine französische Militärintervention in der Zentralafrikanischen Republik!

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einer dreijährigen Über-gangsperiode). So kam es allerdings nicht. Größte Teile der Séléka verselb-ständigten sich gegenüber Djotodia und begannen, ihr eigenes Spiel zu spiel-en - mit wem jeweils auch immer im Hintergrund. Bozizé, im März geflüchtet und seither in Paris, orga-nisierte von dort aus den Widerstand gegen das Putschregime. Die Rebel-lenarmee der Séléka wurde von Djotodia zwar formell “aufgelöst”, wird aber de facto immer größer (aus ursprünglich 4.000 wur-den inzwischen 25.000 Mann) - wiewohl diese keinerlei geschlossenen Verband bilden, sondern “jedes Bataillon sich unab-hängig gemacht hat und keinerlei Befehle mehr entgegennimmt, von wem auch immer” (“Afrique Asie”, Nov. 2013), der Sta-atsapparat ist - außer viel-leicht in der Hauptstadt - praktisch nicht mehr vor-handen, die Infrastruktur weitgehend zusammenge-brochen. Es schaut alles nach somalischen (oder auch libyschen) Verhält-nissen aus. Es kämpfen auch örtliche Selbst-verteidigungsmilizen ge-gen Überfälle der Séléka und anderer Verbände und Banden. Diese Milizen sind ein wichtiges Element der Entwicklung. “Afrique Asie” schreibt: “Es ist gerade dieser Aspekt der Situation, der den Westen beunruhigt und ihn dazu veranlassen könnte, rasch entschlossene Maßnah-men zu ergreifen.” Die Zeitschrift ergänzt, dass die Selbstverteidigungs-milizen, obwohl verstän-dlich, “zwangsläufig die

Spirale der Gewalt weiter nach oben drehen” - statt dass sie sich abschlachten lassen und darauf warten, dass Frankreich sie erlöst. Natürlich, denn nichts fürchtet die Bourgeoisie mehr, als dass Teile des Volkes irgendetwas selbst in die Hand nehmen und sich womöglich selbst verteidigen. Kein Wunder, dass sich die französische Bourgeoisie fragt: Wie soll man denn unter solchen Verhältnissen das Land be-herrschen und ausbeuten? Das Land selbst, ein extremes Armenhaus, hat - entgegen dem, was in den meisten imperialistischen Medien kolportiert wird - nicht wahnsinnig viel, aber doch einiges an Bo-denschätzen und anderen Ressourcen. Der franzö-sische Atomkonzern Areva betreibt eine Uranmine (allerdings wurde 2011 der Abbau für zwei Jahre unterbrochen - Grund war der Preisverfall bei Uran nach der Katastro-phe von Fukushima), an der Grenze zum Tschad gibt es Erdölvorkommen (die sich allerdings 2012 bereits die China Natio-nal Petroleum Corpora-tion CNPC gesichert hat), Ressourcen an Tropen-holz und Naturkautschuk werden von französischen “Geschäftsleuten” auf Ba-sis von korrupten Regier-ungslizenzen ausgebeu-tet. Edelsteine und einige Mineralien werden “wild” abgebaut und außer Lan-des geschmuggelt, ebenso Elfenbein. Abgesehen davon befindet sich das Land aber in einer wichtigen strategischen Lage. Seine Nachbarstaaten sind

u.a. die Demokratische Republik Kongo, Tschad, Sudan, Südsudan und Uganda - lauter bekannte Namen aus der Chronik der Rohstoff- und Rebel-lenkriege. Im Falle der wei-teren Zersetzung könnte es auch leicht zum Auf-marschgebiet irgendwel-cher “Rebellen”, darunter tschadischer gegen den Tschad, werden und damit eine weitere französische Bastion gefährden. Frankreich braucht jedenfalls in Zentralafrika stabile Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse. Es hat sich daher im Sep-tember - nach langem Zögern - zum Eingreifen entschieden und bereitet seither eine Militärinter-vention militärisch und diplomatisch vor. Jetzt ist es anscheinend soweit. Am 26. November mor-gens gab der französische Kriegsminister bekannt, man würde weitere 1.000 Mann Truppen verlegen - zusätzlich zu der seit 2002 am Rande des Flughafens Bangui stationierten und im März 2013 verstärkten Truppe von derzeit 480. Ziel seien die “Säuberung” der Hauptstadt und wich-tiger Landesteile von “be-waffneten Banden”, der “Schutz der Bevölkerung”, “humanitäre Hilfe” - sow-ie, hier leuchtet schon mehr das praktische In-teresse durch, die “Sicher-ung der wichtigen Stra-ßenverbindungen nach Ka-merun und Tschad, die für die Wirtschaft dieses (von anderen Staaten) einge-schlossenen Landes lebens-wichtig sind”. Ein früherer Ministerpräsident, Zigué-lé, ist für die Intervention (“Ich habe kein Problem

Zentralafrikanische Republik

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damit ... Philosophieren kann man später, jetzt müssen Menschenleben gerettet werden.”), der “neue”, Tiangaye, ei-gentlich der alte, denn er war schon vor dem Putsch (seit Jänner 2013) der letzte Premierminis-ter Bozizé’s, ist auch nicht dagegen - anscheinend re-chnen sich beide Gruppie-rungen gute Chancen als Klinken- und zukünftige Stiefelputzer aus, wobei wohl das “neue” Regime, vielleicht angereichert um einige “alte” Elemente, die besten Chancen hat. Französische Zeitun-gen zitieren eine verlo-gene Stellungnahme des Außenministeriums, “man dürfe nur den Afrikanern helfen, nicht sich an deren Stelle setzen”, und mah-nen scheinheilig, “Frank-reich müsse jede Zweideu-tigkeit vermeiden in einem Land, wo es als alte Kolo-nialmacht lange Zeit nach Belieben Regierungen ein- und abgesetzt hat” (Le Monde, 26.11.13). Frankreich mobilisiert seit dem 25. November auch neuerlich den Sicherheitsrat der UNO. Bisher (seit Heranreifen der französischen Kriegspläne im September) waren der US- und der britische Imperialismus “zurück-haltend” gewesen, eine Militäroperation sei zu teuer und überhaupt... Sie beobachteten sicher, ob sie nicht selbst in anderer Weise Nutzen aus der Lage ziehen könnten. Jetzt aber, wo sich die französischen Kriegspläne konkretisiert haben und die Franzo-sen “es sowieso machen”,

haben die USA anschei-nend Position gewechselt. Frankreich schlägt eine UNO-Truppe von 6.000 bis 9.000 Mann vor, zusätzlich zu einer “panafrikanisch-en” Truppe MISCA der Af-rikanischen Union, die auf 3.600 Mann aufgestockt werden soll, aber schon ihre jetzige Sollstärke (der-zeit sind es 2.100 Mann) aus Soldaten- und Materi-almangel nicht zustande bringt. Die MISCA hat größte Teile der zentralaf-rikanischen Bevölkerung von vornherein gegen sich - allein schon weil sie zur Hälfte aus tschadischem Militär besteht. Das tschadi-sche Regime ist an der lan-gen oder manchmal auch sehr kurzen französischen Leine und (wenn es nicht selbst gerade von der französischen Armee vor Rebellen gerettet werden muss) sehr umtriebig in anderen Ländern, speziell auch in Zentralafrika. Dort hatte es beim Putsch 2003 wie auch beim Putsch 2013 die Hände massiv im Spiel . Das derzeitige zentralafri-kanische Regime, obwohl durchaus für eine franzö-sische “Sofortaktion”, ver-langt auf Sicht ein UNO-Mandat und verweist da-rauf, dass die Entsendung von UNO- und MISCA-Trup-pen Zeit brauche. Deshalb muss ja Frankreich “jetzt handeln”, denn so viel Zeit möchte es aus inneren und äußeren Gründen nicht mehr verstreichen lassen.Das Muster ist bekannt, zuletzt aus Côte d’Ivoire und Mali: Frankreich erledigt das Gröbste im Alleingang, besetzt die Schlüsselpositionen und

hätte dann gerne seine Rolle inter-national abge-sichert. Auch ein Waffen-lieferboykott gegen Zentralafrika wird der UNO vorgeschlagen - “mit Ausnahme von Militärma-terial, das für die MISCA und für französische Trup-pen bestimmt ist”.Wieder einmal betätigt sich - um ein in Frankreich zur Charakterisierung der französischen “Hil-fen” gängiges Bild zu verwenden - der Brands-tifter als Feuerwehrmann, und wieder kann er nur schlecht sein vollständiges Desinteresse am zentral-afrikanischen Volk und sein sehr konkretes Interes-se an der politischen Kon-trolle und an der Ausbeu-tung des Landes verhüllen. Wieder einmal muss daher in Frankreich und überall sonst gegen die geplante Militärintervention und gegen jegliche auslän-dische Einmischung in der Zentralafrikanischen Re-publik protestiert und auf-getreten werden. Das Volk muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, vi-elleicht sind manche der genannten Selbstvertei-digungsmilizen Ansätze dafür. Der Imperialismus hat noch nie und nirgends ein Problem im Sinne der Interessen der Völker Af-rikas gelöst - war und ist aber immer und überall die Wurzel dieser Prob-leme und die Triebkraft ihrer Verschärfung.

Stoppt die französiche Militärintervention! Imperialistische Truppen - raus aus Afrika!

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Seit einigen Tagen, nach dem Aufruf der „Kampa-gne zur Unterstützung des Verschleierungsrechtes“, (des islamischen Hidschab) haben einige Politikerin-nen und Kunst-Aktivistin-nen in Schweden aus an-geblicher Solidarität selbst den Schleier getragen und Fotos davon und über ihre Kampagne der Öffentlich-keit in sozialen Medien zur Verfügung gestellt. Sie haben diese Kampagne zur Unterstützung einer Frau begonnen, die in ei-ner Vorstadt von Stock-holm rassistisch attackiert worden war. Der Täter hat während der Flucht laut rassistische Sprüche von sich gegeben. Die Polizei untersucht im Moment den Vorfall. Frau Gudrun Schimen, die frühere Vorsitzende der Linkspartei in Schweden, Assa Rumson, Mitglied der Grünen Partei und Vero-nika Pamm, Mitglied der Linkspartei Schwedens und Parlamentsabgeordnete sowie Frau Gina Dirani, die als Moderatorin einer be-kannten „Talk-Show“ tä-tig ist, sind selbst demons-trativ mit Kopftuch in der Öffentlichkeit erschienen und haben die anderen Frauen im Land aufge-fordert, aus „Solidarität“ ebenfalls ein Kopftuch zu tragen. Zur Unterstützung der „attackierten Mosle-min“ wurden Demonstra-tionen, Protestaktionen usw. veranstaltet.

Die Frau wurde an einem Freitag in einer südlichen Vorstadt der Hauptstadt

Schwedens bewusstlos ge-funden und danach in ein Krankenhaus gebracht. Bis jetzt aber wurde kein Mensch verhaftet. Aber den Aktivistinnen, die diese Kampagne or-ganisieren, muss die Frage gestellt werden, ob man um die Rechte Homosexu-eller zu verteidigen selbst homosexuell werden muss, oder ob man zur Un-terstützung Obdachloser selbst die Wohnung auf-geben und auf der Straße schlafen muss, oder ob man, um Süchtige zu un-terstützen, erst selbst zur Droge greifen soll, ob, wer die Rechte von Roma und Sinti verteidigen möchte, selbst Angehörige/r die-ser Volksgruppe werden muss. - Oder ob zur Un-terstützung der Rechte religiöser oder nationaler Minderheiten, zB. Juden oder Bahais, oder anderer Gruppen man erst selbst Mitglied dieser Volks- und religiöser Gruppen sein muss. Weiters, ob man sich zur Unterstützung der Rechte der Kinder selbst in ein Kind verwandeln muss… ob man, um die Rechte der Tiere zu unter-stützen, selbst zum Tier werden muss… Schließ-lich, um den Kampf gegen Verschleierung und den Is-lamismus voranzutreiben, man sich, in extremer ge-genteiliger Form des Pro-tests, nackt in den Medi-en und der Öffentlichkeit präsentieren muss? Die nächste bedeutende Frage lautet: Wenn eine Frau, in diesem konkreten Fall, eine Frau mit islami-

schem Religionsbekennt-nis, durch die Rassisten angegriffen worden ist, soll eine Kampagne gegen Rassismus und Faschismus organisiert werden oder aber eine Kampagne zur Unterstützung des „Hid-schab“. Wird die Kampagne nicht vor allem rechten Strömun-gen und islamischen reak-tionären Gruppen in die Hände arbeiten und zur Stärkung des Patriarchats dienen? Ist es notwendig, selbst einen Schleier zu tragen, um das Hidschab-Recht zu verteidigen?

Ist diesen Frauenrechts-Ak-tivistInnen überhaupt be-wusst, dass so eine Kampa-gne eindeutig eine Unter-stützung der islamischen Verschleierung ist, welche ein Symbol der politischen Propaganda der religiösen Gruppen auf der Straße, auf Märkten, Universitä-ten, Arbeitsplätzen ist? Es ist längst klar, dass der Hidschab ein Symbol für die Versklavung der Frau-en, besonders in Ländern wie Sudan, Saudi-Arabien, Iran usw. ist, der den Frau-en mit Gewalt und polizei-licher Unterdrückung auf-gezwungen wird. In die-sen Ländern werden die Frauen, die den Hidschab nicht achten, sogar ins Ge-fängnis geworfen, ausge-peitscht und mit Geldstra-fen belegt. Zum Beispiel waren wir ZeugInnen, als gleich im ersten Jahr der islamischen Revolution 1979, Ayatol-lah Khomeini, der Gründer und Führer des islamischen

Islamische Verschleierung ist nicht irgendeine Bedeckung, sondern ein Symbolder Versklavung und Erniedrigung der Frauen

Ein Artikel von Bahram Rahmani, iranischer politischer Aktivist in Schweden

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Regimes, zur Bewahrung der islamischen Verklei-dung eine Verfügung sei-nes Willens erlassen hat, das die Frauen verpflich-tet, nicht nur an staatli-chen Arbeitsstellen, son-dern auch auf der Straße mit islamischem Hidschab zu erscheinen, andernfalls sie verhaftet und durch die Schlägertrupps, die sog. Hesballah (…) attackiert und geschlagen werden. In manchen Fällen wurde den Frauen Säure ins Ge-sicht gespritzt, Frauen, die sich geschminkt haben, wurden im Gesicht mit Rasierklingen geschnitten usw. Die Freitags-Vorbe-ter (Imam-Gomeh) des Re-gimes haben die Frauen, welche die islamische Ver-kleidung nicht vollständig beachteten, ständig mit schändlichen und schmut-zigsten Worten angespro-chen und beleidigt. Das Regime der islami-schen Republik hat wäh-rend seiner 34jährigen Herrschaft die Frauen per-manent unterdrückt und die ganze Gesellschaft mit einer allumfassenden Ge-schlechterapartheid über-zogen.Bis jetzt sind hunderte Frauen durch Islamisten verletzt und ermordet worden. Im Grunde genommen ist das Tragen des Hidschab kein „Recht“, sondern es wird - genauso wie Mili-tär-Uniformen oder be-stimmte faschistische oder rassistische Symbole - pro-pagandistisch benützt. Der Zwang zum Tragen des Hidschab dient dazu, reaktionäre religiöse und patriarchalische Vorhaben zur psychischen und phy-sischen Kontrolle der Frau-en durchzusetzen.

Der Zwang zur islamischen Verschleierung begann bereits ein Monat nach der sog. islamischen Revo-lution, und zwar ein paar Tage vor dem 8. März, dem internationalen Tag der Frauen. Die „Zeitung der islamischen Republik“ schrieb damals: „Die Frau-en müssen verschleiert zur Arbeit gehen“ und gemäß dem veröffentlichten Wil-len von Khomeini wurde ein Dekret erlassen. Die Zeitung schreibt weiter: „In islamische Ministerien dürfen die Frauen nicht nackt (als nackt betrach-tet) kommen oder auftre-ten. Die Frauen können zur Arbeit gehen, aber mit islamischem Hidschab“. Dieses Dekret Khomeinis zur Verschleierung der Frauen erlaubt gleichzeitig auch den Schlägertrupps des Regimes (Hesballah) „die Frauen, die kein isla-misches Hidschab tragen, als nackt zu betrachten und daher zu bestrafen „. Infolge dieses Dekrets wurden seitens vieler re-aktionärer und bornierter Ayatollahs weitere Anwei-sungen erlassen, dass die Beamtinnen, Angestell-ten, Arbeiterinnen in allen öffentlichen Ämtern, so-wohl im Inland als auch im Ausland und auch in den Auslandsvertretungen zB. der iranischen National-bank, kleiner und großer Firmen, welche unter der Aufsicht der islamischen Republik stehen, mit is-lamischer Bekleidung zur Arbeit erscheinen müssen.Somit wurden innerhalb einer Woche Millionen von Frauen, die in staatlichen und Regierungsämtern ar-beiteten, zur Zwangsver-schleierung verurteilt und ihre Arbeitsbedingungen

dadurch zusätzlich dras-tisch verschlechtert.Man muss bedenken, dass ein paar Jahrzehnte vor-her der Reza Schah Pahla-wi versucht hat, die Frauen mit polizeilicher Gewalt zu ent-schleiern und nun Khomeini daran ging, den Frauen mit Gewalt die is-lamische Verschleierung aufzuzwingen. Anders gesagt, sowohl der Schah, als auch die herrschenden Geistlichen verfolgten bei-de eine frauenfeindliche und antidemokratische Politik und sind zwei Sei-ten einer Medaille. Es passiert seit mehr als drei Jahrzehnten, dass die Führer der islamischen Republik im Iran immer wieder betonen, dass der Hidschab der Frauen die wichtigste Säule des isla-mischen Regimes ist. Sie sagen nicht, dass Korrupti-on, Unterschlagung, Raub an Staatseigentum, Zins-wucher, Folter, Hinrichtun-gen, „Zeitehe“ und Viel-weiberei für die Männer schlecht ist und die eigent-lichen Faktoren sind, die dieses Regime zum Nie-dergang führen werden. Als Beispiel sagte Herr Haddad Adel (derzeit ein Abgeordneter im islami-schen Parlament) vor nicht langer Zeit auf der Univer-sität „Al Zahra“ bei einem Vortrag: „Während der nahezu 200jährigen Kon-frontation mit dem Phä-nomen der Modernität ist eines der wichtigsten Pro-bleme, welches für uns im-mer auf der Tagesordnung steht, das Frauenproblem. Der Angriff auf den Islam wurde immer durch die Frauenproblematik ge-startet und der Hidschab ist einer der wesentlichen Punkte in dieser Auseinan-

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dersetzung.“ An anderer Stelle sagt er weiter: „In unserer Zeit ist das Symbol und die Ehre der Muslime der Hidschab der Frauen. Er ist ein Garant eines is-lamischen Lebens … Das Ablehnen des Hidschab in den westlichen Ländern, u.a. in Frankreich, welche Anspruch auf Freiheit und Demokratie haben, ist ein Beweis dafür, wie wichtig der Hidschab und dessen Beseitigung für diese sog. modernen Gesellschaften ist“. Es sind nur einige Wo-chen vergangen, seitdem Mullah Hassan Rohani anstelle von Ahmadined-jad die Regierungsagen-den übernommen hat, da meinte Herr Mohammad Moghadasai, der Stellver-treter des Stabs „Auffor-derung zum Rechten und Verbot des Verwerflichen1

„ (…): „Die Kontrolle über die Frauen muss weiterhin verschärft werden.“ Die islamische Presseagen-tur „Fars“ berichtet, dass heuer Pläne mit gesell-schaftlicher Orientierung in 200 Städten des islami-schen Iran aufgestellt und umgesetzt werden müs-sen, deren Schwerpunkt eben dieses Gebot „Auf-forderung zum Rechten und Verbot des Verwerfli-chen „ ist. In Teheran und einigen anderen Städten des Landes wurden ei-nige Geistliche und ihre ausführenden Organe mit starkem Widerstand und ablehnender Haltung der Frauen gegen diese Ver-schärfung konfrontiert. Dabei blieb es nicht, son-dern es gab solidarische Proteste von Fußgängern und Passanten, die solche Szenen beobachteten und die ausführenden Organe in manchen Fällen angrif-

fen, verletzten und ver-trieben. Nun hat dieser Stab, um dieses Gebot wieder in Gang zu setzen, die Nicht-einhaltung des Hidschab als eine Art soziales Übel erklärt und um das zu bekämpfen einen neuen Plan dafür aufgestellt, un-ter dem Titel: „Humaner Hinweis mit sozialem Fo-kus“, der Frauen bekämp-fen soll, welche keinen Re-spekt vor der islamischen Bekleidung und Verhalten haben.

Wir, die iranischen Immig-rantInnen, die zur Zeit in Schweden leben, sind in großer Mehrheit aufgrund von Unterdrückung, Zen-sur, Gefängnisstrafen, Fol-ter, Hinrichtungen seitens des islamischen Regimes geflüchtet und wir fühlen mit unserem Körper und unserer Seele die sexuel-le Apartheid und deren schädliche Folgen für die Gesellschaft. Trotzdem ha-ben leider auch manche iranischen politisch, kultu-rell und künstlerische Ak-tivistinnen den Aufruf zur Unterstützung des Rechts auf Hidschab, den Schleier zu tragen unterstützt und versuchten diese reakti-onäre Tat, mit demoago-gischen Mitteln zu recht-fertigen. Somit ist nicht verwunderlich, dass dieser Aufruf zur Unterstützung des Hidschab eine Tat war, die ganz begeistert durch die reaktionären religiösen Gruppierungen und Moscheen-Vertretun-gen sowie die islamischen Gruppen, wie die Islami-schen Räte in Somalia, die Taliban in Afghanistan und frauenfeindliche Regime wie Saudi Arabien, Sudan, und im Iran medial groß ausgebreitet wurde.

Wir sind der Meinung, dass alle Religionen eine unmenschliche, antieman-zipatorische und frauen-feindliche Sichtweise und Praxis vertreten. Keine der Religionen akzeptiert die Frauen als vollkommene Menschen, die einen au-tonomen Handlungsspiel-raum besitzen. In vielen Fällen sind es die Väter, Brüder oder irgendwelche anderen Männer aus der Familie, die über Lebensla-ge und zulässiges Verhal-ten der Frauen entschei-den.Wenn heute in den west-lichen Ländern die Frauen relativ mehr bürgerliche Freiheiten genießen, ist das kein Geschenk irgend-welcher religiöser Vertre-ter oder des Staates, son-dern diese Freiheiten in der westlichen Welt oder anderen Orten wurde nur durch langfristige, schwe-re, schmerzhafte Anstren-gungen der sozialen Be-wegungen, wie der Arbei-terInnen und Kommunis-tischen Bewegung, sowie der Frauen-, Jugend-, Stu-dentInnenbewegung und freidenkender Menschen im Kampf gegen Kapital, Patriarchat und Religion errungen und wurde den herrschenden Klassen auf-gezwungen und damit die religiöse Bevormundung zurückgedrängt.

Die Initiatorinnen der Kampagne - ob willent-lich oder nicht, wissentlich oder nicht - schwimmen im Strom der frauenfeind-lichen, reaktionären, isla-mischen Strukturen mit. Hidschab ist kein Recht, er ist ein Symbol der Un-terdrückung und Erniedri-gung und der psychischen und physischen Kontrolle

Islamische Verschleierung

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der Frauen als Eigentum der Männer.Ohne Zweifel müssen wir jeden Menschen, der auf der Straße durch die Ras-sisten attackiert wird, ver-teidigen. Es ist völlig unverständlich, dass die Ziele der schwedi-schen Aktivistinnen allein die „Freiheit der moslemi-schen Frauen“ ist, statt die umfassende Verteidigung der Menschenrechte.

Meiner Meinung nach liegt ein wichtiger Grund für die Kampagne zur Unterstützung des Rechts auf Hidschab in der Tat-sache der schwedischen Parlamentswahl, welche im September stattfand. Das heißt, ein Ziel der Par-lamentsabgeordneten ist unter anderem, mit Hilfe dieser Kampagne die Mus-lime und Musliminnen zu erreichen und die Stim-men und Unterstützung is-lamischer Gruppierungen zu gewinnen. Ich stelle diese Prognose deswegen zur Diskussion, weil man-che islamischen Gruppen in Schweden angekündigt hatten, sich bei diesen Wahlen nicht zu betei-ligen, weil die sozialde-mokratische Partei davor eines ihrer moslemischen Mitglieder ausgeschlossen hat. Der 28jährige Omar Mustafa ist der Direktor des schwedisch-islami-schen Vereins. Er wurde beim Kongress der sozi-aldemokratischen Partei, der in diesem Zeitraum stattfand zum Mitglied des Vorstands gewählt, aber nach seiner Wahl haben manche Mitglieder der Partei behauptet, dass im islamischen Verein, dessen Vorsitzender er ist, eine gewisse Gruppe existiert, denen antisemitische Aus-

sagen nachgewiesen wur-den, daher wurde Omar Mustafa aus der Partei aus-geschlossen. Aus diesem Grund gab es eine heftige Diskussion und sogar man-che muslimische Gruppen in Schweden kündigten an, sich bei der Wahl nicht zu beteiligen. Bedauerli-cherweise gab es zu der gleichen Zeit, als der Auf-ruf der „Kampagne zur Unterstützung des Rechts auf Hidschab“ organisiert wurde, in Somalia einen Anschlag auf einen schwe-dischen Staatsbürger, der dabei gestorben ist, ein weiterer wurde verletzt. Bei einer Geiselnahme und einer Schießerei in Soma-lia am Mittwoch, 21. Au-gust 2012 wurde Hassan Abdirahim, ein 24jähriger Schwede mit somalischer Abstammung, Mitglieder der schwedischen Links-Partei, ermordet. Frau Anna Margaret Liv, die Führerin der Kollektiven Linkspartei in Stockholm wurde bei diesen Ereig-nissen ebenfalls durch ei-nen Schuss verletzt. und lag danach in einem Spital in Nairobi, Kenia. Diese zwei Personen waren in Begleitung von mehreren Jugendlichen im Rahmen eines Entwicklungshilfe-projektes in Somalia un-terwegs. Dies ereignete sich nachdem Frau Anna Margaret Liv auf der Uni-versität von Mogadischu ein Referat gehalten hat-te, als sie und Hassan Ab-durahim dabei waren, das Universitätsgelände zu verlassen. Außer Abdura-him wurde auch ein ande-rer einheimischer Begleiter von Frau Liv getötet. Herr Junas Schosdet, der Führer der Linkspartei hat dieses Ereignis bedauert.

Wir fragen uns, warum die Parlamentarier um den Tod dieses jungen Mannes und zur Verurteilung die-ses politisch islamisch mo-tivierten Attentates keine Protestaktionen organi-siert haben. Warum haben sie gegen die rassistischen und fa-schistischen Angriffe der Partei „Die schwedischen Demokraten“ keine Kam-pagne organisiert? Herr Markus Wiechel ist ein Vertreter dieser rechtsra-dikalen Partei und sitzt im Parlament. Ende April 2013 wurde Markus Wie-chel wegen seiner rassi-schen Aussagen beim ei-nem facebook-Chat nur sehr oberflächlich kriti-siert, wo er in Begleitung eines Parteikollegen, ei-nen Videofilm mit dem Titel „Die Verbrennung einer afrikanischen Hexe“ die Akteure mit den Wor-ten „höllischer Teufel und zurückgebliebener Retter der Pensionsgelder“ cha-rakterisierte. Die Zeitung „Sun Express“ schrieb zu dieser Nach-richt, dass der Begriff „zu-rückgebliebener Retter der Pensionsgelder“ bei rassis-tisch und fremdenfeindli-chen Parteien verwendet wird und er ist ein Hinweis auf jene Politikerinnen, welche sagen, die Immig-rantinnen können durch ihre Arbeit die Kosten der Pensionen und den schwe-dischen Bevölkerungs-wohlstand sichern.Der Vertreter der Partei der Demokraten, Herr Martin Kinonen sagt, die Informationen genügen nicht für ein Urteil, und er fügt hinzu, wenn Wiechel wirklich solche Aussagen gemacht hätte, sei es be-schämend. Aber die Partei

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hat keine Absicht, das The-ma weiter zu verfolgen.

Selbstverständlich gab es auch viele schwedische und iranische politisch-, kulturell- und künstle-risch- aktive Frauen, die nicht bereit waren, sich der reaktionären Kampa-gne „Zur Unterstützung des Rechts auf Hidschab“ anzuschließen, sondern die in schwedischen und persischsprachigen Me-dien, während sie den Angriff auf die „mosle-mische Frau“ verurteilten und ihre Menschenrechte verteidigten, die Organi-satorinnen der Kampagne kritisiert und sich dagegen geäußert haben.

Ein kleiner Exkurs:

Der Begriff Hidschab be-deutet nicht nur Verschlei-erung oder Verdeckung, sondern er ist eine religi-öse Tendenz in den islami-schen Gesellschaften und heißt eigentlich wörtlich übersetzt „Vorhang“ und damit das zwangsweise Verstecken der Frauen hin-ter dem Vorhang.Paradoxerweise ist das heilige Buch der Moslems, der Koran, eigentlich sehr stark auf das Diesseits be-zogen und wird als erste Verfassung der Islamischen Khalifa-Staaten auf der Erde betrachtet.Während der Zeit Moham-meds und Alis (Schwager Mohammeds und der 1. Imam der Shiiten) wurden Strafen gegen jene Frau-en, die sich den Männern nicht direkt beugen woll-ten, verhängt. In den Su-ren Nur und Al-Ahzab sind die Bestimmungen für die Bedeckung und die Annä-herung von Männern und

Frauen festgeschrieben worden. In dem Vers (Ayeh), in dem von Hidschab die Rede ist, ist die Hidschab zuerst im Zusammenhang mit den Frauen Moham-meds gebraucht worden. Im Koran sind speziell den Frauen des Propheten Be-fehle vorgeschrieben. Die 1. Ayeh, die sich an die Frauen von Mohammed richtet, beginnt mit die-sem Satz: „Es gibt Unter-schiede zwischen euch und anderen Frauen.2“ Die Auslegung dieser Ayeh be-deutet, dass der Islam und der Koran ein spezielles Recht für die Frauen von Mohammed vorschreibt. Im Koran steht eindeutig für die Frauen des Prophe-ten: „… Bleibt in euren Häusern…!3“ Ayscha war ein siebenjähriges Mäd-chen, das Mohammed mit über 50 Jahren geheiratet hat. Als sie 9 Jahre war, hat Mohammed sie richtig „zu seiner Frau gemacht“, das heißt, sie praktisch verge-waltigt. Mohammed hatte viele Frauen, Ayscha war eine davon, die den islami-schen Vorschriften wider-sprochen hat. Über dieses widerspenstige Verhalten erzählt man verschiedene Geschichten. Die Ayeh, wo das Wort Hidschab vorkommt, die 53. Ayeh von Al-Ahzab, besagt: „Wenn sie für euch irgend eine Sache oder ein Kleidungsstück vorbe-reitet, soll zwischen euch immer ein Vorhang sein.4“ Diese Ayeh, so wie sie Herr Ayatollah Motahari inter-pretiert, wurde nach ei-nem Vorfall von Gott an Mohammed gesandt, bei dem Ayscha mit einem ihrer Diener (Sklaven) bei

einem Liebesakt erwischt worden war. Nach dem Tod von Mohammed wurden die islamischen Gesetze zuerst in 8 verschiedenen Versionen, alle mit dem Namen Koran, zusammen-gestellt, bis die islamischen Khalifa alle Versionen bis auf eine vernichtet haben, um Zwietracht innerhalb der islamischen Gemeinde zu verhindern. In diesen Gesetzen wird den Frau-en Mohammeds sogar das Wiederverheiraten nach Mohammeds Tod verbo-ten. Gerade diese Bestim-mungen für die Frauen von Mohammed wurden auch als Vorbild für die anderen Frauen in der islamischen Gesellschaft angesehen, vor allem dort wo die isla-mischen Neigungen einen starken Einfluss und große politische Macht besitzen.

Nach den islamischen Ge-setzen und Fatva (Anwei-sungen) sowie Übertra-gungen von Aussagen Mo-hammeds, die im Koran zusammengefasst sind, wird eine Frau als halber Mann gezählt, zB. beim Erbrecht und die Männer haben volles Kontrollrecht über die Frauen. Darüber hinaus sind die Frauen verpflichtet, innerhalb der Familie und Gesellschaft den Männern absoluten Gehorsam zu leisten. Die moslemischen Männer, vor allem in den islamisch regierten Ländern, haben die Erlaubnis, mehrere Frauen zu heiraten (offi-ziell vier) und in der schi-itischen Auslegung des Islam dürfen sie zusätzlich mit unendlich vielen Frau-en „Zeitehen“ eingehen. („Außereheliche Ehe“, zB. stundenweise).

Islamische Verschleierung

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Proletarische Revolution 55

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Wenn aber eine Frau mit einem Mann eine außere-heliche Beziehung eingeht und erwischt wird, wird sie entweder gesteinigt oder durch ihren Vater, Groß-vater, Bruder oder andere Verwandte im Namen des Ehrenschutzes bestraft, in vielen Fällen auch ermor-det. Diese reaktionären mittelalterlichen Gesetze haben das Leben der meis-ten Frauen in vielen asia-tischen und afrikanischen Ländern erschwert und oft unerträglich gemacht. Die Regime wie in Saudi-Ara-bien und Iran stellen viele menschenfeindliche und unterdrückerische Pläne auf, speziell aber gegen Frauen.

Ideologisch gesehen sind in jeder Religion die Frau-en auf den niedrigsten Stand herabgewürdigt und die Männer auf den höchsten hinaufgesetzt.Die Funktion des Hidschab im Islam besteht in der po-lizeilichen Kontrolle, so-wohl in sexueller Hinsicht, als auch bei etlichen ande-ren Abgrenzungen sowohl in der Familie, als auch in der GesellschaftWobei die Frauen weder emanzipatorische Rechte besitzen, noch über ih-ren eigenen Körper und Sexualleben entscheiden können. Sie können nicht einmal den gewünsch-ten Mann heiraten, weil schlussendlich darüber von ihrem Vater oder anderen männlichen Verwandten entschieden wird.Dadurch wird ersichtlich, dass der Hidschab, unab-hängig von seiner tradi-tionellen Entstehung vor dem Islam (worauf wir hier nicht eingehen können),

eigentlich ein religiöses Symbol ist. Der Hidschab wird durch die islamischen Gruppierungen benutzt, um die Abgrenzung und Unterdrückung der Frau-en zu rechtfertigen, um damit ihre reaktionären ideologischen Ziele zu ver-wirklichen und für die Öf-fentlichkeit ein idealisier-tes Bild von einer „from-men, islamischen Frau“ zu produzieren. Denn die Is-lamisten versuchen durch die große Bewertung der Hidschab sowohl die Kon-trolle über die Frauen zu verschärfen als auch den universellen Anspruch zur Vergrößerung des islami-schen Einflusses durchzu-setzen.

Die islamischen Gruppen und Regierungen geben jährlich Millionen Dollar für die islamische Propa-ganda und besonders für einen ganzen Kontrollap-parat („Sittenwächter“) für die Überwachung is-lamischer Kleidungsvor-schriften (Bedeckungs-Co-dex) aus.

Nun fragt man sich, war-um sich die künstlerischen, kulturellen, politischen Aktivistinnen in Schweden nicht für die emanzipato-rische Gleichheit von Frau-en und Männern einsetzen und eine dementsprechen-de Kampagne organisieren und vor allem warum sie nicht für das grundlegen-de demokratische Recht für die Trennung von Reli-gion und Staat kämpfen? Warum richten sie sich nicht gegen die Religions-schulen, unter anderem die Islamischen Schulen in Schweden? Warum treten sie nicht dagegen auf, dass

den Mädchen durch die Familie verboten wird, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, zB. auch di-verse sportliche Aktivitäten oder gemeinsame Aktivi-täten mit Burschen unter-bunden werden? Warum protestieren sie nicht ge-gen den Aufbau von Mo-scheen als sog. kulturelle Zentren durch reaktionäre islamische Länder, wie Sau-di Arabien, Qatar … in den Großstädten Schwedens (und vielen anderen euro-päischen Ländern). Diese sog. „Kulturzentren“ sind gute Nährböden für isla-mische Gruppen wie Al Kaida, Taliban, Salafisten und andere erzreaktionä-re Gruppen, um ihre sog. Djihad-Soldaten zu rekru-tieren, oder zB. auch das Heranziehen und Ausbil-den von Tschetschenen für den Krieg in Syrien. Jene Orte sind unter anderem auch eine Tribüne für die reaktionären Mullahs, die ebenfalls aus islami-schen Ländern exportiert werden, ohne sprachliche Kenntnisse oder eine mini-male Ahnung über die Län-der, wo sie predigen. Ihre Hauptaktivitäten beste-hen eigentlich darin, den Laizismus zu verdammen und die Einhaltung der is-lamischen Verschleierung der Frauen zu überwachen und gegen die individuel-len und kollektiven Frei-heiten, und vor allem die Freiheiten der Frauen zu predigen und eine patriar-chalische Vorstellung von der Gesellschaft zu propa-gieren.Die Imam-Ali Moschee, die durch das islamische Re-gime im Iran in verschie-denen Städten Schwedens eingerichtet ist, ist einer

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dieser Orte zur Verdum-mung und Vernebelung der Menschen und dient als ein sog. kultureller Ort dazu, die Menschen von den Gesellschaften, in de-nen sie leben, fernzuhal-ten und abzuschotten und sie für ihre reaktionären Zwecke zu mobilisieren und instrumentalisieren.Eine der wichtigsten Ei-genschaften des Säkula-rismus ist eigentlich, den Einfluss der Religion aus dem Erziehungs- und Jus-tizsystem fern zu halten. In Schweden ist es erlaubt, dass islamische und ande-re religiöse Gruppierun-gen ihre religiösen An-sichten und Einflusse in Kindergarten und Hort, Schule und sogar bei Ge-setzesauslegungen vor Ge-richt verbreiten und ihre verbrecherische mittelal-terliche Lehre unter dem Vorwand des „kulturellen Pluralismus“ den Jugend-lichen, vor allem den jun-gen Frauen, aufzwingen.

Die Aufgabe der progres-siven und fortschrittlichen Menschen und Gruppen ist die Schaffung einer Atmosphäre und Forde-rung und Durchführung einer Kampagne, welche imstande ist, gegen jeg-liche Form der religiösen Propaganda, egal welcher

- in Kindergärten, Schulen, Universitäten und öffentli-chen Räumen zu protestie-ren und die Hintermänner und ihre reaktionären Zie-le zu entlarven. Solche religiöse Propagan-da schadet stark der Soli-darität unter den freiheits-liebenden und Emanzipa-tion suchenden Gruppen, vor allem gegen die Frau-en. Ich möchte noch mal darauf hinweisen, dass der islamische Hidschab nicht nur eine religiöse Bede-ckung oder Verschleierung ist, sondern er ist ein ganz reaktionäres und gefährli-ches ideologisches Symbol, welches unter dem Vor-wand der sog. Freiheit der Bekleidung auf den Stra-ßen, Schulen, Universitä-ten zur Schau gestellt wird. Der islamische Hidschab ist auf keinen Fall eine ge-wöhnliche Bedeckung son-dern er ist das Symbol der Verachtung, Erniedrigung und Unterdrückung der Mädchen und Frauen, die die unmittelbaren Leidtra-genden und Opfer sind.Um dem entgegen zu tre-ten muss man durch Auf-klärung, kulturelle und politische Arbeit und auch mit juristischen Mitteln, die Familien verpflichten, das Recht ihrer Mädchen und Frauen zu wahren und sie nicht durch Zwangs-

verschleierung zu „beglü-cken“.Bedauerlicherweise ha-ben wir in Schweden oft gehört, dass ein Mädchen oder eine Frau durch ih-ren moslemischen Vater oder Bruder um ihre Ehre zu retten, getötet wurde. So gesehen dient die jet-zige Kampagne der Poli-tikerInnen und kulturell und künstlerischen Akti-vistinnen zur Freiheit auf Kopfbedeckung - bewusst oder unbewusst - den Zie-len der reaktionären und religiösen Gruppen. Diese Aktivitäten verstärken im Grunde genommen die reaktionären Positionen der Moscheen und religi-ösen Gruppierungen in der schwedischen Gesell-schaft. So gesehen scha-det eine solche Politik den Anstrengungen zu Säku-larismus und dem Kampf für Sozialismus und wahre Emanzipation von Frauen und Männern sowie den individuellen und kollekti-ven Freiheiten. Deswegen ist die Aufgabe der fort-schrittlichen und wirklich demokratischen Kräfte, bei solch einer Kampagne nicht teilzunehmen, son-dern sie stark zu kritisie-ren und den reaktionären Inhalt zu entlarven.

Fußnoten:1رکنم زا یهنو فورعم هب رما 12ءاسنلا نم دحاک نتسل یبنلا ءاسن ای 23نکتویب یف نرقو 3

4باجح ءارو نم نهولساف اعاتم نهومتلاس اذاو 4

25.8.2013

Dieser Artikel wurde von Bahram Rahmani, einem iranischen Exil-Aktivist in Schweden verfasst und durch einen linken Iranischen Aktivisten in Wien übersetzt, redigiert und veröffentlicht. Wir haben ihn etwas gekürzt. Nähere Informationen über den Verfasser dieses Artikels und andere Artikel von ihm können über folgende Adresse bezogen werden: [email protected].

Islamische Verschleierung

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Behauptungen der Streit-kräfte der Philippinen widerlegt: In einer Serie von Offensiven der NPA in Süd-Mindanao wurden 20 Soldaten getötet

Es entspricht nicht der Wahrheit, wenn der Kom-mandant des Truppen-Kommandos für Ost-Mind-anao, Generalleutnant Rai-nier G. Cruz III die absurde Behauptung aufstellt, dass sie sich letzte Woche in der Stadt Maco im Composte-la-Tal „in ihrem Feldzug Bayanihan gegen die NPA behauptet hätten“ und vier Guerillas der Neuen Volksarmee (NPA) getötet hätten. Der Feind hat zwi-schen dem 18. November und 6. Dezember grausa-me Militäroperationen mit verschiedenen Beschie-ßungen und Bombarde-ments unternommen, was zu einem Ziviltoten führ-te, sowie zu drei weiteren Verschleppten und hun-derten Vertriebenen aus den Städten Maragusan und Maco. Die Streitkräfte der Phi-lippinen (AFP) bemühen sich vergeblich, ihre grau-samen Taten gegen die Volksmassen zu verstecken und die wirklichen Resul-tate auf dem Schlachtfeld

umzudrehen. Im Gegen-satz zu den wahllosen Flä-chenbombardements und Beschießungen durch die AFP-Streitkräfte, die nicht zwischen Kämpfer/innen (der NPA) und Zivilist/in-nen unterscheiden, hat die NPA in den letzten drei Wo-chen mehrere ferngezün-dete Explosionen durch-geführt und die Einheiten des Feindes als berechtigte Ziele in vier verschiedenen Strafaktionen angegrif-fen. Die AFP-Streitkräfte erlitten dabei insgesamt 34 Opfer, davon 20 Getö-tete und 14 Verwundete, als Einheiten der NPA un-ter dem Subregional-Kom-mando „Compostela-Tal und Davao-Golf“ eine Se-rie von taktischen Offensi-ven durchführten, um das faschistische 71. und 66. Infanterie-Bataillon und die Aufklärungskompanie (DRC) der 10. Infanterie-Division des AFP-Komman-dos für Ost-Mindanao zu bestrafen.

Ein Rückblick auf die Er-eignisse der vergangenen paar Wochen zeigt, wie die AFP-Streitkräfte nicht die NPA besiegten, sondern - ironischerweise - unbe-waffnete Bäuer/innen und die arme Bevölkerung.

- Am 18. November um 6:30 in der Früh überschüt-tete das 66. Infanterie-Bataillion das Barangay (Dorf) Mahayahay, nahe der Stadt Maragusan, im Compostela-Tal mit Flieg-erbomben; einen ganzen Tag lang feuerte der Feind auf Bauernhäuser und zwang damit die Bewoh-ner/innen zu flüchten.

- Am 21. November um 7 Uhr Früh bombardierte das 66. Infanterie-Bataillon die Dörfer von Sitio Camuso, Barangay Parasanun. Um ungefähr 9 Uhr verwick-elten die Pulang Bagani Kompanie und das Rhyme Petalcorin Command Front 27 Operations-Kommando der Neuen Volksarmee (NPA) das 71. Infanterie-Bataillon in Nord-Davao, Barangay New Leyte, Maco in bewaffnete Kämpfe; da-bei wurden drei Soldaten getötet und drei verwun-det. Um etwa 10:30 Vormit-tag bombardierte das Mil-itär Ortschaften in Nord-Davao, Barangay New Leyte, Maco mit 105mm Horowitzer-Kanonen. Um 16 Uhr überschütteten zwei MG-520 Helikop-ter die Kampflinien in Nord-Davao und Masara, Maco, mit Bomben. Als der Feind in seinem Camp

Philippinen:Offensive der Neuen Volksarmee (NPA)

gegen faschistische Truppen

Die Streitkräfte der Philippinen (AFP) verzeichneten 20 Tote und 14 Verwundete, als NPA-Einheiten des Subregional-Kommandos „Compostela Valley-Davao Golf“ eine Serie von taktischen Offensiven unternahmen, um die faschistischen Truppen der 10. Infanterie-Division zu bestrafen

Presseerklärung von Daniel Ibarra, Sprecher des Subregional-Kommandos der NPA „Composte-la-Tal und Davao-Golf“ in Süd-Mindanao, 9.Dezember 2013

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im Barangay Parasanun um 23 Uhr weiter Wider-stand leistete, brachte die NPA eine ferngezündete Bombe zur Explosion, die fünf Soldaten tötete und sechs verwundete.

- Am 23. November um 8 Uhr Früh griff die NPA das Camp des 71. Infante-rie-Bataillon, Alpha Kom-panie, an und verwundete drei Soldaten. Um unge-fähr 10 Uhr Vormittag bombardierten zwei MG-520 Helikopter die Bauern-häuser der Dörfer Elizalde, Teresa, und New Barili, in Maco.

- Am 25. November um 9 Uhr Abend brachte die NPA eine ferngezündete Bombe in Sitio Camuso, Barangay Parasanun, zur Explosion, die vier Soldat-en des 66. Infanterie-Ba-taillons tötete.- Am 28. November griff die NPA Truppen des 71. Infanterie-Bataillons in Si-tio Biokadan, Barangay Te-resa, an und tötete einen Soldaten. Um 9 Uhr Vor-mittag zwang das Militär die Bewohner/innen von Biokadan und Sitio Ma-hayahay, Barangay Teresa, ihre Häuser zu verlassen und zu flüchten.

- Am 4. Dezember um 8 Uhr Früh legten die 6. Pu-lang Bagani Kompanie und das Rhyme Petalcorin Command Front 27 Opera-tions-Kommando der NPA dem 71. Infanterie-Batail-lon einen Hinterhalt in Sitio Lim-aw, Barangay Teresa,

bei dem sieben Soldaten getötet und fünf verwun-det wurden. Um 9:30 Vor-mittag bombardierte der Feind die Ortschaften Sitio Lim-aw und Sitio Gakub, wobei er eine 105mm Horowitzer-Kanone ein-setzte und in der Folge die Dorfbewohner/innen zur Flucht zwang.

- Am 6. Dezember um 10 Uhr Vormittag über-fielen und plünderten die Aufklärungskompanie der 1001. Division und das 71. Infanterie-Bataillon die Ortschaften Sitio Binagyu-han, Barangay Malamu-dao, in Maco. Eine Stunde später bombardierten MG-520 Helikopter die Ortschaften Sitio Bina-gyuhan und Sitio Barabay in Barangay Malamudao; und Sitio San Vicente von Barangay New Barili. Das Militär erschoss dabei Pe-dro Tinga, einen Zivilisten, und nahm drei weitere Zivilisten fest: Dodong Camporemundo, Orong Gabriel und Abla Bakud. Die Opfer waren alle Be-wohner von Purok 2, Ba-rangay Malamudao.

Nicht genug der Desinfor-mation mit der fälschlichen Bezeichnung der Opfer als NPA-Guerillas verabrede-ten sich die Kommandan-ten der AFP-Streitkräfte mit dem „Verantwortli-chen“ für Barangay Mala-mudao, dem Hauptmann Edgar Reyabonansa, die Familien der Opfer zum Schweigen zu bringen und sie davon abzuhalten, eine

öffentliche Strafanzeige gegen den Feind einzu-bringen.

Wieder einmal zeigen die offensichtlichen Ver-tuschungsaktionen und die Fülle von Menschen-rechtsverletzungen in den letzten Wochen das wah-re Gesicht der AFP-Streit-kräfte als Vertreter der Ungerechtigkeit und einer schändlichen Neutralisie-rungspolitik unter dem Namen des (gegen die Volksmassen gerichteten) Feldzugs Oplan Bayanihan . Die Massen können sich nur auf die revolutionäre Gerechtigkeit verlassen, die jetzt wie bisher von der NPA, der Neuen Volks-armee, vertreten wird, die bei ihren Strafaktionen legitime Ziele in den AFP-Streitkräften und des US-Aquino-Regimes angreift.

Multimedia, Archivmaterial und zusätzliche Informationen über die Nationaldemokratische Front der Philippinen (NDFP) und den revolutionären Kampf sind verfügbar auf: www.ndfp.net und www.philippinerevolution.netNDFP International Information Office, Postfach 19195, Moreelsepark 11, 3511EP Utrecht, Niederlande;Telefon: +31 30 2310431; email: [email protected] und [email protected]

Philippinen - NPA

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EditorialInhaltProfitrate

Profitsystem in der Bredouille Nöte der Bourgeoisie: Wachstum und InvestitionenSteigen die Profite? Finanzialisation der „Realwirtschaft“ Gewicht des Finanzsektors Ursachen und Triebkräfte Profitrate in Österreich Folgen? Revolutionäre Antwort oder kleinbürgerlicher Holzweg? Endnoten

Faktoren, die dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegenwirken

Mehrwert bzw. Mehrwertrate Profitrate Aneignung fremden MehrwertsErhöhung der Profitmasse Subventionen Fiktive Profite „Bilanzgestaltung“

Marx zum Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate

Besonderheiten des österreichischen Monopolkapitals

Geschichte der Profitrate in Österreich

Österreich

Widerlegung von 14 Lügen zum Pensionssystem

Krieg und Kriegsgefahr

Syrien: Imperialistischer AufmarschSpenden für das selbstverwaltete Rojava Französische Militärintervention in Zentralafrikanischer Republik

Demokratischer Kampf

Islamische Verschleierung

Volksbefreiungskampf

Offensive der Neuen Volksarmee Philippinen

Für neue Leser/innen:

Die „Proletarische Revolution“ erscheint seit 2001. Sie greift mit revolutionär-kommunistischen Positionen in aktuelle Kämpfe und in damit verbundene prak-tische und theoretische Auseinandersetzungen ein. So setzt sie die Tradition der von den Marxisten-Leninisten Österreichs 1963 gegründeten „Rote Fahne“ und der 1972 bis 1980 erschienen österreichischen (Wochen-) Zeitung „Klassen-kampf“ fort. Das Kollektiv Proletarische Revolution stellt sich die Aufgabe, durch die Verbindung der Erfahrungen und Lehren von nahezu 200 Jahren revolutionä-rer, internationaler Arbeiter/innen-Bewegung mit dem aktuellen Klassenkampf

in Österreich und weltweit einen Beitrag zu leisten zur Bewusst-machung und Revolutionierung der Arbeiter/innenklasse im heu-tigen Österreich.Die „Proletarische Revolution“ kämpft in der Tradition der inter-nationalen revolutionär-kommunistischen Bewegung. Diese hat sich vor einem halben Jahrhundert intensiv mit den Fehlern der Kommunistischen Partei der Sowjetunion auseinandergesetzt und ab Anfang der 1960er Jahre einen scharfen Kampf gegen die Weg-bereiter des bürokratischen Staatskapitalismus in der Sowjetunion

geführt. Die theoretische und praktische Verteidi-gung einer marxistisch-leninistische Generallinie für die Weltrevolution hat damals zur Gründung neuer, revolutionär-kommunistischer Zeitungen und Parteien geführt, die sich an der chinesischen Kulturrevolution unter Mao Zedong orientierten. Das Kollektiv Proletarische Revolution geht davon aus, dass ohne positive Berücksichtigung der the-oretischen und praktischen Leistungen der chine-sischen Kulturrevolution die Theorie und Praxis der revolutionären kommunistischen Bewegung nicht entsprechend den aktuellen Anforderungen des revolutionären Klassenkampfs weiterentwi-ckelt werden können. Die „Proletarische Revolution“ bringt in 4 bis 6 Ausgaben jährlich sowohl agitatorische und pro-pagandistische Aufrufe, Stellungnahmen und Redebeiträge zu aktuellen Kämpfen als auch wissenschaftliche Untersuchungen, Analysen und Thesen von österreichischen und international re-levanten Parteien und Organisationen der revolu-tionären kommunistischen Weltbewegung.

Die „Proletarische Revolution“ ist unabhängig von Staat und Kapital und finanziert sich ausschließlich aus Spen-den, Abo-Einnahmen und anderen freiwilligen Beiträgen. Abo-Bedingungen siehe Umschlag hinten!Die „Proletarischen Revolution“ kann als pdf-Datei im Netz unter <prolrevol.wordpress.com> heruntergeladen werden.

Kollektiv Proletarische Revolution

Proletarische Revolution

im 143. Jahr der Pariser Kommune

revolutionär-kommunistische Zeitung in Österreich

Proletarier/innen aller Länder, vereinigt euch!

unabhängigvon Staat und Kapital

14. Jg.

Nr.53

September 2013 Spendenempfehlung: 2,- Euro

Impressum:Medieninhaber, Herausgeber,

für den Inhalt verantwortlich

Kollektiv Proletarische Revolution

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Die Proletarische Revolution liegt in folgenden Buchhandlungen / Vereinslokalen auf (und ist dort auch käufl ich zu erwerben):

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Kollektiv Proletarische RevolutionKollektiv Proletarische Revolution

Im Abo

kostet die PR für 1 Jahr

im Inland 20,- Sozialabo 15,-im Ausland 30,- Euro

Wir danken den Künstler/innen der NDF Philippinen für die schönen kämpferischen Bilder!

Im HUNGERSTREIK Yusuf seit 1. AugustÖzgür seit 3. August

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Kaum ist die neue bürgerliche Regierung angelobt, wer-den Einzelheiten über Raubangriffe auf die Arbeiter/innen und kleinen Angestellten bekannt. Höhere Ver-brauchssteuern auf Benzin und Tabak. Senkung der Bei-träge der Kapitalisten (vom kleinen Unternehmen bis zum Großkonzern) zu den Sozialabgaben („Lohnnebenkos-ten“). Zugleich wird die Wissenschaft jetzt offiziell der Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung unter-stellt (jetzt im „Wirtschaftsministerium“). Zum Augen-auswischen ein paar Vergünstigungen für die Kinder: Die Familienbeihilfe wird ein bissl erhöht und Kinder kriegen Zahnspangen gratis – aber Zahnkronen, Implantate usw. müssen wir – wie Brillen - weiterhin bar bezahlen. Die Krankenhauskosten werden auf dem Rücken des Pflege-personals „saniert“, ebenso wie die Bildungsausgaben auf Kosten der Lehrer/innen. Und vor allem die Drohung: Bis 2016 wollen sie wieder einmal ein „Nulldefizit“ auf dem Rücken der Arbeiter/innenklasse durchboxen. Da muss vor allem bei den Pensionen heftig weiter gekürzt werden…

Mit diesen Zeilen beginnt das IA.RKP-Flugblatt zur Regie-rungsbildung Mitte Dezember (siehe: iarkp.wordpress.com). Der Schwerpunkt dieser Ausgabe Nr.55 der „Proletari-schen Revolution“ ist aber das Profitsystem, konkret am Beispiel Österreich. Dabei beleuchten wir nicht nur die Entwicklung der Profite wichtiger Aktiengesellschaf-ten (soweit die Zahlen nicht geheim gehalten werden, wie bei Siemens), sondern stellen uns z.B. auch die Fra-ge, ob die Profite aus dem „Betriebsergebnis“ oder dem „Finanzergebnis“ (also aus der Produktion oder der Spekulation) stammen und vergleichen die Zahlen über die vergangenen Jahrzehnte. Eigene Beiträge be-handeln den tendenziellen Fall der Profitrate und die entgegenwirkenden Faktoren. Warum soviel Theorie? Weil wir ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis entwickeln können! (Auch du, nicht, du verkapp-ter Sponti!) Ein bissl Kenntnis der marxistischen Begrif-fe - Mehrwert(rate), Profit(rate), konstantes, fixes und variables Kapital usw.- erleichtert sicher das Verständnis der Texte. Dazu empfehlen wir die „Marxistische Arbei-terschulung – Politische Ökonomie“ im Neuen ISP-Verlag Köln oder das dünne Heft „Grundbegriffe der politischen Ökonomie“ aus der Marxer Lesestube in Wien.

Im letzten Drittel der Ausgabe bringen wir Beiträge aus der Agitprop der letzten Monate, einerseits zum Krieg des Kapitals gegen soziale Errungenschaften (14 Lügen zum Pensionssystem), andererseits zum Truppenauf-marsch um Syrien und zur Militärintervention Frankreichs in Zentralafrika. Schließlich noch einen aktuellen Artikel eines iranischen Exil-Aktivisten in Schweden zur islami-schen Verschleierung.Als Beilage findet ihr ein Stichwortverzeichnis zu allen bisher erschienenen Ausgaben der „Proletarischen Revo-lution“ (und ihrer Vorläufer seit 1993).

Und allen Kapitalisten und ihren Lakaien wünschen wir: Merry crisis and a happy new fear! We will overcome!

P.S. Die unleserliche Handschrift am Titelblatt ist von Karl Marx, „Das Kapital“.

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FILME

in der Marxer Lesestube

Beginn jeweils Donnerstag um 18.00 Uhr

19.12. Film zur Diskussion: Schrei im Dezember (Alexandros Grigoropoulos, 15 Jahre, erschossen von einem Polizisten am 6.Dez. 2008 in Athen)

16.1. Film zur Diskussion: Weather Underground (Stadtguerilla in den USA 1970-77)

30.1. Texte zur Diskussion: Proletarische Revolution 55 (Dez.2013) - Ausflug in die Geschichte der Profitrate in Österreich

20.2. Film zur Diskussion: Sobibor, 14.Oktober 1943, 16 Uhr (Yehuda Lerner war 16 Jahre alt und bereits aus acht Lagern geflohen, als er dem SS-Aufseher Graetschus mit einer Axt den Schädel spaltete. Er handelte im Rahmen eines Aufstandsplans einer Gruppe Häftlinge im Lager Sobibor ...)

13.3. Film zur Diskussion: Angela Davis (Black Panther Party USA 1970)

10.4. Film zur Diskussion: Edelweiss-Piraten (Rebellische Jugend in Köln 1944)

15.5. Film zur Diskussion: Volkskrieg - ein Heimatfilm (Spielfilm Flucht, Österreich 2011)

12.6. Film zur Diskussion: Der 2. Juni 1967 (Der Tod von Benno Ohnesorg und der Freispruch des Polizisten Kurras)

Spenden für das selbstverwaltete Rojava an: Heyva Sor a Kurdistane, Schäferstr.4 53859 Niederkassel, Deutschland, Kreissparkasse Köln, Neumarkt 18-24, IBAN: DE49 370 502 990 004 010 481, BIC/SWIFT: COKSDE33, Zweck: ICOR-ROJAV

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MARXER LESESTUBE

Vereinslokal desMARXER Literatur- und Studienklubs

A-1030 Wien, Marxergasse 18(Ecke Gärtnergasse,

5 Minunten von U3/U4 Landstraße)

Tel: 0681 / 10278815Filme: donnerstags 18.00 Uhr

(siehe Ankündigung auf der Innenseite)und nach Vereinbarung

Möglicher-weise

verhält sich einiges anders,

als ich es mir gedacht habe...

Die progressive Tendenz der allge-meinen Profitraten zum Sinken ist also nur ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümlicher Ausdruck für die fortschreitende

Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit

Alexander Grigoropoulos, am 6. Dezember 2008 in Athen von einem Polizisten erschossen,

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