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Editorial 66 DuD • Datenschutz und Datensicherheit 30 (2006) 2 Privacy4DRM: Innovationen für den Kunden – nicht gegen ihn! Johann Bizer, Rüdiger Grimm Ausgangslage Die Entwertung der Urheberrechte im In- ternet deckt einen Interessenkonflikt zwi- schen Anbietern und Kunden digitaler Waren auf. Die Anbieter bewerten den unzureichenden Schutz der Urheber und Verwerter als Entwicklungshemmnis digita- ler Vertriebsmöglichkeiten. Um den Urhe- ber- und Verwertungsschutz technisch durchzusetzen, werden technische Systeme entwickelt, die über eine Verfolgung von individuellen Nutzerspuren im Internet funktionieren. Die Erwerber der Rechte werden in der weiteren Nutzung der von ihnen einmal erworbenen digitalen Güter systematisch eingeschränkt. Die Kunden befürchten durch DRM eine Überwachung und Kontrolle ihres Nut- zungsverhaltens. Sie sind nicht bereit eine Einschränkung ihrer Nutzungsmöglichkei- ten nach Erwerb eines Nutzungsrechtes zu akzeptieren. Im Ergebnis wird die Nutzung geschützter digitaler Güter gemieden. Ein solches Verhalten beschränkt jedoch das spezifische Innovationspotential der Infor- mationstechnik, weil Entwicklung, Angebot und Nutzung digitaler Güter stagnieren und Potentiale der Wertschöpfung brach liegen. Die Zukunft der Informationsgesell- schaft hängt damit zentral von einem fairen Ausgleich zwischen Urheberrechten und Nutzerinteressen ab. Die heutigen Digital Rights Management-Systeme (DRM) erfül- len diesen Anspruch nicht, weil sie daten- schutzfeindlich sind und den Nutzer im Gebrauch der erworbenen Güter beschrän- ken. Um die Innovationspotentiale auszu- schöpfen, bedarf es daher eines grundlegen- den Paradigmenwechsels: Nicht der Schutz des Datenobjektes ge- hört in den Mittelpunkt von Digital Rights Management-Systemen, sondern der Nutzer, der Rechte erwirbt, in An- spruch nimmt und gegebenenfalls wei- terverkauft. Privacy4DRM Nicht gegen den Nutzer, sondern auf den Nutzer und seine Interessen müssen die DRM-Systeme der Zukunft eingestellt sein, dies ist die zentrale Botschaft, die sich hinter dem Begriff eines Privacy4DRM verbirgt. Die Entwicklung von DRM- Systemen, die diese Anforderungen erfül- len, würden innovative Potenziale anregen, wenn gleichzeitig Nutzerinteressen mit einem an der Nachfrage nach digitalen Gütern orientierten Geschäftsmodell ver- bunden würden. Es kommt also darauf an, den Schutz der Verwertungsrechte in die Hände der Nutzer zu legen. Dies gelingt nur, wenn die Ausrichtung von DRM- Systemen den Interessen der Nutzer entge- genkommt, ihre Datenschutzrechte gewahrt bleiben und den Erwerbern der Rechte weitere Nutzungsmöglichkeiten ermöglicht werden. Die Studie Privacy4DRM ist der Titel einer Studie über Datenschutz und Nutzerorientierung in DRM-Systemen. Sie ist wurde im Mai 2005 abgeschlossen und Ende des letzten Jahres im Internet veröffentlicht. 1 Die zentralen Ergebnisse werden in diesem Heft zusam- mengefasst. Auftraggeber der Studie ist das Bundes- ministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die Studie wurde im Rahmen einer Innovations- und Technikanalyse (ITA) vergeben. Auftragnehmer war ein Projektverbund, der technische, ökonomi- sche und rechtliche Kompetenzen miteinan- der verknüpft. Das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie (FhG-IDMT – 1 Bizer, Johann / Grimm, Rüdiger / Möller, Jan / Müller, Michael / Müller, Anja / Jazdze- jewski, Stefan / Puchta, Stefan / Will, Andreas, Privacy4DRM, Datenschutzverträgliches und nutzungsfreundliches Digital Rights Manage- ment, Kiel/Ilmenau 2005. Download unter http://www.datenschutzzentrum.de/drm Prof. Dr. Rüdiger Grimm) steht für die technische Kompetenz, das Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Ilmenau (IfMK – Prof. Dr. Andreas Will) für die ökonomi- sche Analyse, das Unabhängige Landes- zentrum für Datenschutz in Schleswig- Holstein (ULD – Dr. Johann Bizer, Jan Möller) für die informationsrechtliche, ins- besondere die datenschutzrechtliche Kom- petenz. Zu diesem Heft Im Mittelpunkt dieses Heftes stehen Beiträ- ge über den Datenschutz im digitalen Rech- te Management aus dem Umkreis des Pro- jektes Privacy4DRM. Johann Bizer, Rüdi- ger Grimm und Andreas Will skizzieren im Eingangsbeitrag die Bedeutung eines auf den Datenschutz ausgerichteten DRM. Rüdiger Grimm und Stefan Puchta be- schreiben an Hand einiger Beispiele die Strategien der Datenerfassung von DRM- Systemen. Jan Möller und Johann Bizer arbeiten vor diesem Hintergrund die zentra- len Datenschutzanforderungen an Systeme des Digital Rights Management heraus. Anschließend analysieren Andreas Will, Stefan Jazdzejewsk und Anja Weber vor dem Hintergrund einer ökonomischen Analyse die Kundenfreundlichkeit ausgewählter Musik-Downloadplattformen. In weiteren Beiträgen zu dem Themen- feld Privacy4DRM thematisiert Jan Möller in einem strukturellen Vergleich von P3P und DRM-Systemen die Bedeutung des Automatisierten Managements von Daten- schutzrechten heraus. Matthias Spielkamp analysiert die fehlende Transparenz im Online-Musikgeschäft. Markus Hansen arbeitet die Bedeutung des Sony BMG- Rootkit für die Entwicklung des DRM auf. In den Aufsätzen berichtet Noogie Kaufmann über die im Jahr 2005 ergangene Rechtsprechung zum Datenschutz. Ein zweiter Beitrag ist in Vorbereitung.

Privacy4DRM: Innovationen für den Kunden — nicht gegen ihn!

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Editorial

66 DuD • Datenschutz und Datensicherheit 30 (2006) 2

Privacy4DRM: Innovationen für den Kunden – nicht gegen ihn!

Johann Bizer, Rüdiger Grimm

Ausgangslage Die Entwertung der Urheberrechte im In-ternet deckt einen Interessenkonflikt zwi-schen Anbietern und Kunden digitaler Waren auf. Die Anbieter bewerten den unzureichenden Schutz der Urheber und Verwerter als Entwicklungshemmnis digita-ler Vertriebsmöglichkeiten. Um den Urhe-ber- und Verwertungsschutz technisch durchzusetzen, werden technische Systeme entwickelt, die über eine Verfolgung von individuellen Nutzerspuren im Internet funktionieren. Die Erwerber der Rechte werden in der weiteren Nutzung der von ihnen einmal erworbenen digitalen Güter systematisch eingeschränkt.

Die Kunden befürchten durch DRM eine Überwachung und Kontrolle ihres Nut-zungsverhaltens. Sie sind nicht bereit eine Einschränkung ihrer Nutzungsmöglichkei-ten nach Erwerb eines Nutzungsrechtes zu akzeptieren. Im Ergebnis wird die Nutzung geschützter digitaler Güter gemieden. Ein solches Verhalten beschränkt jedoch das spezifische Innovationspotential der Infor-mationstechnik, weil Entwicklung, Angebot und Nutzung digitaler Güter stagnieren und Potentiale der Wertschöpfung brach liegen.

Die Zukunft der Informationsgesell-schaft hängt damit zentral von einem fairen Ausgleich zwischen Urheberrechten und Nutzerinteressen ab. Die heutigen Digital Rights Management-Systeme (DRM) erfül-len diesen Anspruch nicht, weil sie daten-schutzfeindlich sind und den Nutzer im Gebrauch der erworbenen Güter beschrän-ken. Um die Innovationspotentiale auszu-schöpfen, bedarf es daher eines grundlegen-den Paradigmenwechsels:

Nicht der Schutz des Datenobjektes ge-hört in den Mittelpunkt von Digital Rights Management-Systemen, sondern der Nutzer, der Rechte erwirbt, in An-spruch nimmt und gegebenenfalls wei-terverkauft.

Privacy4DRM Nicht gegen den Nutzer, sondern auf den Nutzer und seine Interessen müssen die DRM-Systeme der Zukunft eingestellt sein, dies ist die zentrale Botschaft, die sich hinter dem Begriff eines Privacy4DRM verbirgt. Die Entwicklung von DRM-Systemen, die diese Anforderungen erfül-len, würden innovative Potenziale anregen, wenn gleichzeitig Nutzerinteressen mit einem an der Nachfrage nach digitalen Gütern orientierten Geschäftsmodell ver-bunden würden. Es kommt also darauf an, den Schutz der Verwertungsrechte in die Hände der Nutzer zu legen. Dies gelingt nur, wenn die Ausrichtung von DRM-Systemen den Interessen der Nutzer entge-genkommt, ihre Datenschutzrechte gewahrt bleiben und den Erwerbern der Rechte weitere Nutzungsmöglichkeiten ermöglicht werden.

Die Studie Privacy4DRM ist der Titel einer Studie über Datenschutz und Nutzerorientierung in DRM-Systemen. Sie ist wurde im Mai 2005 abgeschlossen und Ende des letzten Jahres im Internet veröffentlicht.1 Die zentralen Ergebnisse werden in diesem Heft zusam-mengefasst.

Auftraggeber der Studie ist das Bundes-ministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die Studie wurde im Rahmen einer Innovations- und Technikanalyse (ITA) vergeben. Auftragnehmer war ein Projektverbund, der technische, ökonomi-sche und rechtliche Kompetenzen miteinan-der verknüpft. Das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie (FhG-IDMT –

1 Bizer, Johann / Grimm, Rüdiger / Möller,

Jan / Müller, Michael / Müller, Anja / Jazdze-jewski, Stefan / Puchta, Stefan / Will, Andreas, Privacy4DRM, Datenschutzverträgliches und nutzungsfreundliches Digital Rights Manage-ment, Kiel/Ilmenau 2005. Download unter http://www.datenschutzzentrum.de/drm

Prof. Dr. Rüdiger Grimm) steht für die technische Kompetenz, das Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Ilmenau (IfMK – Prof. Dr. Andreas Will) für die ökonomi-sche Analyse, das Unabhängige Landes-zentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein (ULD – Dr. Johann Bizer, Jan Möller) für die informationsrechtliche, ins-besondere die datenschutzrechtliche Kom-petenz.

Zu diesem Heft Im Mittelpunkt dieses Heftes stehen Beiträ-ge über den Datenschutz im digitalen Rech-te Management aus dem Umkreis des Pro-jektes Privacy4DRM. Johann Bizer, Rüdi-ger Grimm und Andreas Will skizzieren im Eingangsbeitrag die Bedeutung eines auf den Datenschutz ausgerichteten DRM. Rüdiger Grimm und Stefan Puchta be-schreiben an Hand einiger Beispiele die Strategien der Datenerfassung von DRM-Systemen. Jan Möller und Johann Bizer arbeiten vor diesem Hintergrund die zentra-len Datenschutzanforderungen an Systeme des Digital Rights Management heraus. Anschließend analysieren Andreas Will, Stefan Jazdzejewsk und Anja Weber vor dem Hintergrund einer ökonomischen Analyse die Kundenfreundlichkeit ausgewählter Musik-Downloadplattformen.

In weiteren Beiträgen zu dem Themen-feld Privacy4DRM thematisiert Jan Möller in einem strukturellen Vergleich von P3P und DRM-Systemen die Bedeutung des Automatisierten Managements von Daten-schutzrechten heraus. Matthias Spielkamp analysiert die fehlende Transparenz im Online-Musikgeschäft. Markus Hansen arbeitet die Bedeutung des Sony BMG-Rootkit für die Entwicklung des DRM auf.

In den Aufsätzen berichtet Noogie Kaufmann über die im Jahr 2005 ergangene Rechtsprechung zum Datenschutz. Ein zweiter Beitrag ist in Vorbereitung.