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Privatrechtsbegriffe in den Tatbeständen des Steuerrechts. Zur Grundlegung einer steuerrechtlichen Hermeneutik. Schriften zur Rechtstheorie, Heft 68 by Wolfgang Maaβen Review by: Heinz Paulick FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 37, H. 2 (1979), pp. 374-378 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40911515 . Accessed: 18/06/2014 12:02 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.44.79.143 on Wed, 18 Jun 2014 12:02:22 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Privatrechtsbegriffe in den Tatbeständen des Steuerrechts. Zur Grundlegung einer steuerrechtlichen Hermeneutik. Schriften zur Rechtstheorie, Heft 68by Wolfgang Maaβen

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Privatrechtsbegriffe in den Tatbeständen des Steuerrechts. Zur Grundlegung einersteuerrechtlichen Hermeneutik. Schriften zur Rechtstheorie, Heft 68 by Wolfgang MaaβenReview by: Heinz PaulickFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 37, H. 2 (1979), pp. 374-378Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40911515 .

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374 Besprechungen

halt; insbesondere ist deutlich herausgestellt, daß nach neuem Recht bei vorläufiger Festsetzung auch von der Steuererklärung abgewichen werden kann, soweit eine partielle (indessen nicht abschließende) Prüfung stattgefunden hat. Die unter- schiedliche Qualität einer systematischen Kommentierung gegenüber einer bloßen Wiedergabe der Entwurfsbegründungen in der Bearbeitung von Mittelsteiner und Schaumburg zeigt sich bei § 164 besonders augenscheinlich. Auch in der ausführ- lichen Kommentierung des Zwischen Kommentars könnte indessen schärfer die berichtigende Qualität herausgearbeitet werden, die der Antrag gem. § 164 Abs. 2 S. 2 im Unterschied zum ebenfalls zulässigen Einspruch hat. Bei der Erörterung des Einspruches ( Anm. 6a) ist klar dargestellt, daß auf den Rechtsbehelf eine mate- rielle Prüfung aufgrund des verfügbaren Sachverhaltes vorzunehmen ist, daß also eine Überprüfung des Steuerfalles auch unabhängig von dem auf Berichtigung zielen- den Antrag gem. § 164 Abs. 2 S. 2 stattfinden muß, und zwar ohne die Aufschie- bungsmöglichkeit gem. § 164 Abs. 2 S. 3. Die Beschränkung des Einspruchsverfah- rens auf evidenten Mißbrauch erscheint allerdings unzutreffend. Der Nachprüfungs- vorbehalt deckt in jedem Fall nur eine noch nicht abgeschlossene Tatsachenfest- stellung, nicht jedoch offen gelassene Interpretations- und Subsumtionsfragen. Auch hinsichtlich der Rechtsfragen alles hinnehmen zu müssen, was nicht „abwegig" ist, kann dem Steuerbürger aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zugemutet werden.

Die Vorbemerkung zur Änderung von Steuerbescheiden (vor § 172 ff.) ist bei- spielhaft für das immer wieder festzustellende Bemühen der Verfasser, die kommen- tierten Einzelregelungen in einen größeren systematischen Zusammenhang zu stel- len. Durch derartige übergreifende Erläuterungen dürften sich die teilweise schwie- rigen und vom allgemeinen Verwaltungsrecht abweichenden steuerrechtlichen Be- standskraftdurchbrechungen auch dem mit verwaltungsrechtlichen Grundbegriffen noch weniger Vertrauten erschließen. Positiv hervorzuheben ist in diesem Zusam- menhang, daß die Verfasser die starke Begriffsverwirrung der alten Abgabenordnung nicht nur als schlechtes Beispiel der Vergangenheit erwähnen (Vorbem. 8 zu § 172), sondern sich konsequent bemühen, ihren Erläuterungen ausschließlich die neuen Be- griffe zugrundezulegen. In der Einzelkommentierung wird insbesondere die Abän- derbarkeit gem. § 174 bei widerstreitenden Einzelbescheiden und die nunmehrige Beschränkung bei Änderungsbescheiden gem. §§ 176, 177 in deutlichem Kontrast zum alten Recht gestellt und klar erläutert (Vorbem. 6 und 7). - In den Erläuterun- gen der Zusagenproblematik (§ 204) wird zu Recht das Ungenügen der positiven Regelung gegeißelt und auf den richterrechtlich entwickelten Vertrauensschutz nach förmlicher Auskunft verwiesen (Anm. 5b. bb. im Anhang zu § 4). Die auch von Sach- kennern immer stärker beklagte Undurchsichtigkeit des Steuerrechts gebietet in der Tat, daß die neue AO weiterhin als lückenhaft behandelt wird, so daß Raum für eine über § 204 hinausgehende Bindung der Finanzbehörden nach Treu und Glauben be- gründbar bleibt.

Wie aus den aufgeführten Beispielen erkennbar wird, halten die Verfasser die für ihren Kommentar gewählte Konzeption - systematische und einführende Er- läuterungen, gepaart mit ausgefächerter Einzelkommentierung anhand der Recht- sprechung - gut durch. Die Sprache ist erfreulich klar. Vor allem huldigen die Ver- fasser nicht der in anderen Kommentierungen zuweilen grassierenden Abkürzungs- wut, die dem Verleger Seiten sparen mag, den Leser hingegen überflüssige Nerven kostet. Wünschenswert bleibt die etwas stärkere Berücksichtigung des der Recht- sprechung entgegentretenden kritischen Schrifttums.

F. von Zezschwitz

Wolf gang Maaßen: Privatrechtsbegriffe in den Tatbeständen des Steuer- rechts. Zur Grundlegung einer steuerrechtlichen Hermeneutik. Schriften zur Rechtstheorie, Heft 68. Duncker & Humblot. Berlin 1977. 292 Seiten.

I. Die vorliegende rechtstheoretische Arbeit wurde im WS 1976/77 von der

Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation

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angenommen. Sie befaßt sich mit der Auslegungslehre im allgemeinen und mit der steuerrechtlichen Auslegungslehre im besonderen. Ausgangsgrundlage der Unter- suchung ist die Feststellung, daß privatrechtlich geprägte Begriffe, die in den Tat- beständen des Steuerrechts Verwendung gefunden haben, im Rahmen der Rechts- entscheidungen immer wieder zu Interpretationsschwierigkeiten führen. Die das Steuerrecht beherrschende wirtschaftliche Betrachtungsweise kennzeichnet den Aspekt, unter dem das Problem bisher betrachtet wurde. Nach Meinung des Ver- fassers hat jedoch die moderne Forschung die überkommene Interpretationsmetho- dologie überholt. Sein Anliegen ist es, einen Beitrag zur Veränderung des hermeneuti- schen Bewußtseins zu leisten, wobei es ihm darum geht, die traditionelle juristische Hermeneutik mit der philosophischen Hermeneutik zu konfrontieren, „die allseits betriebene Auslegungslotterie auf den Boden der hermeneutischen Tatsachen zurück- zuführen" und an Hand einer praxisnahen Problemstellung eine veränderte herme- neutische Denkweise zu vermitteln. Auf Grund einer philosophisch-hermeneutischen Theorie wird versucht, die Bedeutung dieser Theorie für die steuerrechtliche Praxis am Beispiel der privatrechtlich geprägten Merkmale, die in den Tatbeständen des Steuerrechts verwendet werden, zu demonstrieren und eine politische Steuerrechts- theorie als Ergänzung zu einer politischen Privatrechtstheorie zu entwickeln, wie sie etwa von Wiethölter gefordert worden ist.

II. Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel. Im ersten Kapitel wird zunächst die

Problematik der Privatrechtsbegriffe im Steuerrecht dargestellt. Es geht dabei um die Verbindlichkeit der privatrechtlichen Deutung dieser Begriffe für das Steuerrecht. Nach kritischer Auseinandersetzung mit den divergierenden Meinungen und Argu- menten kommt Verfasser zu dem Ergebnis, daß es für den Bereich des Steuerrechts nicht gerechtfertigt ist, allein auf die Verwendung eines privatrechtlich geprägten Begriffs in einem bestimmten Steuergesetz abzustellen. Entscheidend sei vielmehr, in welchem Steuertatbestand der betreffende Begriff auftaucht, da die spezifische Funktion eines Merkmals erst durch den Tatbestand, zu dem es gehört, abschließend bestimmt wird. Es gehe um die Frage, ob und inwieweit bei der Deutung privatrecht- lich geprägter Rechtsbegriffe eine inhaltliche Anpassung an den jeweiligen funktio- nalen Zusammenhang stattfinden kann.

Im zweiten Kapitel befaßt sich Maaßen mit den Vorbedingungen einer Problem- lösung, wobei er von der Idee und Wirklichkeit der Sinnbestimmung eines Rechts- textes ausgeht.

Nach Darstellung der Grundsätze der traditionellen steuerrechtlichen Ausle- gungslehre und der herkömmlichen Prinzipien, die ihr als Richtschnur dienen, wird ausgeführt, daß die Auslegung nach traditionellem Verständnis in erster Linie ein Problem der Zielbestimmung und der Methodenwahl sei. Die Kontroversen um die Zielbestimmung und die bei der Auslegung anzuwendenden Methoden seien aber so sehr zu einem zentralen Thema der juristischen Methodenlehre geworden, daß das Problem des Verstehens von Rechtstexten demgegenüber völlig in den Hintergrund getreten sei (S. 69). Maaßen bezweifelt, ob es überhaupt möglich sei, das Interpreta- tionsverhalten des zur Rechtsanwendung Berufenen methodisch zu disziplinieren und anzuleiten. Es ergebe sich vielmehr die Notwendigkeit, den bisherigen Lösungs- ansatz der methodologischen Hermeneutik zu überdenken und Gegenvorstellun- gen zu entwickeln, wobei sich die philosophische Hermeneutik als Alternative emp- fehle, denn es gehe letztlich um ein Problem des Verstehens. Die privatrechtlich ge- prägten Merkmale, die in den Steuertatbeständen verwendet werden, müßten inhalt- lich erfaßt und verstanden werden. Die methodologische Fragestellung der herkömm- lichen Auslegungstheorie sei verfehlt, solange die Bedingungen des Verstehens von Rechtstexten nicht aufgeklärt seien. Die philosophische Fragestellung sei die grund- legende und gehe der methodologischen sachlich voraus. Das Methodenproblem nehme erst den zweiten Platz ein. Die Abkehr von der methodologischen und die Hinwendung zu einer philosophischen Fragestellung erfordert nach Maaßen eine Korrektur der bisherigen Vorstellung von Hermeneutik. Man müsse zu einer philosophisch-herme- neutischen Fragestellung vordringen (S. 91). Deshalb wird die weitere Untersuchung

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im dritten Kapitel dem Problem des Verstehens aus semantischer und hermeneuti- scher Perspektive gewidmet.

Das vierte Kapitel befaßt sich mit dem Vorgang der Sinnerkenntnis, wobei das Verstehen als wirkungsgeschichtlicher Vorgang begriffen wird. Das Ziel der Gesetzes- auslegung lasse sich nicht - so wird ausgeführt - nach rechtlichen Kriterien festlegen, sondern sei dem Verstehenden immer schon vorgegeben. Ermittelt werde kein ob- jektiv-historischer Sinn, sondern ein auf die konkrete hermeneutische Situation des Interpreten applizierter Sinn. Sinnerkennntnis setze die Einbeziehung der hermeneu- tischen Situation des Interpreten in den Verstehensprozeß voraus. Jede Veränderung dieser Situation bedinge ein verändertes Verständnis des Tatbestands. Indem der rechtsanwendende Interpret einen Tatbestand von seiner eigenen hermeneutischen Position aus betrachte und betrachten müsse, wenn sein Verstehen möglich sein soll, vermag er nach Maaßen aus der sprachlichen Objektivation Entscheidungen „her- auszulesen", die der Gesetzesverfasser möglicherweise gar nicht „hineingelegt" hat. Denn wegen der wirkungsgeschichtlichen Verstrickung der Menschen sei kein Sinn- verständnis endgültig, auch nicht das des Gesetzgebers. Wenn also ein Tatbestand heute anders verstanden werde als im Zeitpunkt seines Inkrafttretens, so sei das durch seine geschichtliche Zeitstruktur gerechtfertigt, indem sich das Prinzip der Wirkungsgeschichte durchsetzt. Der Sinn rechtserheblicher Sprachgebilde sei mit- hin ein zeitbestimmter, geschichtlicher Sinn, der mit dem Fortgang des Überliefe- rungsgeschehens jeweils neu erschlossen werden muß (S. 179). Unter hermeneuti- schen Gesichtspunkten erweise sich hiernach die Bindung des Richters an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) durchaus als problematisch (S. 179 Anm. 256).

Auf der Grundlage seiner Erkenntnisse über den Sinnbegriff und den Ablauf juristischer Verstehensprozesse wendet sich Maaßen im fünften Kapitel speziell dem Verstehen der privatrechtlichen Tatbestandsmerkmale im Steuerrecht zu, wobei insbesondere die Möglichkeiten und Grenzen der steuerrechtlichen Hermeneutik untersucht und dargestellt werden. Nach Maaßen läßt sich das hermeneutische Ge- schehen nicht durch methodologische Postulate in ein kontrolliertes Verhalten des Interpreten überführen. Vielmehr habe die Ontologie des Verstehens zur Folge, daß sich die inhaltliche Bestimmung der Privatrechtsbegriffe einer methodischen Diszi- plinierung entziehe. Die Auslegung sei eine ewige Aufgabe, die sich auch angesichts äußerlich unverändert bleibender Gesetze stets von neuem stelle und stets eine neue Lösung erheische, da der Sinnzusammenhang, in den Gesetz und Gesetzesanwender hineingestellt sind, einem steten Wandel unterliege. Ein bestimmtes Verständnis der Privatrechtsbegriffe, das irgendwo und irgendwann einmal richtig gewesen sein mag, lasse sich für die Zukunft nicht festschreiben. Auch im Steuerrecht könne die Bedeutung der privatrechtlichen Tatbestandsmerkmale immer nur von Fall zu Fall und von Zeit zu Zeit ermittelt werden. Der Interpret müsse sich darauf beschränken, immer wieder neu zu verstehen, was die steuerrechtlichen Tatbestände und ihre privatrechtlich geprägten Merkmale besagen. Es ergebe sich dann u. U. die Not- wendigkeit einer korrigierenden Auslegung, durch die der als maßgeblich voraus- gesetzte Rechtstext eine inhaltliche Richtigstellung erfahre. Auch bei einer korrigie- renden Auslegung könne es immer nur darauf ankommen, ob die mit dem Steuertat- bestand angezielte ,, Sache Recht" den Bezugspunkt für eine inhaltliche Berichtigung der ,, fehlbestimmenden" Privatrechtsbegriffe bilde. Eine weitergehende Begrenzung der Auslegung durch den „möglichen Wortsinn" oder eine Bindung an die „Rechts- ansicht" der Gesetzesverfasser scheine weder notwendig noch berechtigt zu sein.

In einem abschließenden sechsten Kapitel behandelt Maaßen die Richtigkeit des Verstehens und der richterlichen Entscheidung. Er führt aus, daß sich eine all- gemeine politische Rechtstheorie zu einer Steuerrechtstheorie konkretisieren lasse, die dem Steuerrecht bei der Durchsetzung der inneren materiellen Demokratisierung einer sozial- wie rechtsstaatlich verfaßten politischen Gesellschaft eine Funktion zuweist. Es müsse insbesondere gewährleistet sein, daß sich wichtige wirtschaftliche Potenzen einem belastenden Zugriff nicht unerkannt und unkontrolliert entziehen können. So müsse bei der steuerrechtlichen Beurteilung einer aus Gründen der Steuer- ersparnis errichteten GmbH & Co. KG nicht mehr die Privatautonomie zur Debatte stehen, sondern die soziale Legitimität der beabsichtigten Steuereinsparung, denn nur so könne verhindert werden, daß „private" Macht das Steuerrecht in wichtigen

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Bereichen funktionsunfähig werden lasse, weil sie sich als politische, rechtlich aber nicht erfaßbare Herrschaft gegen die Interessen der Gemeinschaft durchzusetzen vermag. Solange deshalb auch die Körperschaftsteuerpflicht bedingungslos an die Rechtsform anknüpfe, werde sich die Besteuerung gegen die Herrschaftsinteressen einzelner Gruppen kaum durchsetzen können, weil die konkreten Machtstrukturen durch die vom Gesellschaftsrecht zur Verfügung gestellten Formen nicht mehr erfaßt werden. Insoweit seien auch im Steuerrecht die Auswirkungen einer allgemei- nen Entwicklung erkennbar, die man als Begrenzung der staatlichen Handlungsfrei- heit und konkret der Steuerhoheit durch die „private" Wirtschaft beschreiben könne. Maaßen fordert deshalb eine Theorie des Steuerrechts und seiner Funktion in einer der Rechts- und Sozialstaatsidee verpflichteten Demokratie (S. 263).

III. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich in ihrer Reichweite nicht auf das Steuer-

recht, sondern ist von allgemeiner rechtstheoretischer Bedeutung. Sie ist deshalb interessant und in ihrer Gedankenführung neuartig, weil der Verfasser seine kriti- schen Ausführungen zur traditionellen juristischen Auslegungslehre zum Anlaß nimmt, auf Grund seiner philosophischen und sprachphilosophischen Untersuchungen Thesen zu erarbeiten, die die Grundlage für eine neue philosophisch-hermeneutische Auslegungstheorie abgeben sollen.

Der Kritik des Verfassers an der traditionellen juristischen Auslegungslehre, die in ihren Grundlagen bis auf das römische Recht zurückgeht und sich auf allen Rechtsgebieten bis heute bewährt hat, vermag ich mich nicht anzuschließen; sie braucht nicht aufgegeben und durch die vom Verfasser befürwortete philosophisch- hermeneutische Lehre ersetzt zu werden. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die teleologische Interpretation und die Berücksichtigung der Entwicklung der Ver- hältnisse bei der Gesetzesauslegung sowie die Umgehungsvorschrift des § 42 AO gewährleisteten von jeher und gewährleisten noch heute eine flexible, gegenwarts- bezogene Gesetzesauslegung und eine dynamische, allen Bedürfnissen der Praxis gerecht werdende Rechtsanwendung auch auf dem Gebiete des Steuerrechts. Das er- kennt im Grunde auch der Verfasser an. Er meint jedoch, daß sich infolge der neue- ren philosophischen, insbesondere sprachphilosophischen Forschungen ein neues Auslegungsverständnis und ein gegenüber der traditionellen juristischen Hermeneu- tik verändertes hermeneutisches Bewußtsein gebildet habe, an dem auch die juristi- sche Auslegung nicht vorbeigehen könne.

Gegen die Lehre Maaßens bestehen gewichtige rechtsstaatliche und verfas- sungsrechtliche Bedenken. Sie resultieren daraus, daß nach Maaßen das Ziel der Gesetzesauslegung sich nicht nach rechtlichen Kriterien festlegen lasse, sondern dem Interpreten vorgegeben sei. Ermittelt werde kein objektiv-historischer Sinn, sondern ein auf die konkrete hermeneutische Situation des Interpreten applizierter Sinn. Der Sinn rechtserheblicher Sprachgebilde und Rechtstexte sei aber wegen der wir- kungsgeschichtlichen Verstrickung des Menschen ein zeitbestimmter, geschichtlicher Sinn, der nicht auf einem endgültigen Sinnverständnis beruhe, sondern mit dem Fortgang des Überlieferungsgeschehens jeweils neu erschlossen werden müsse - ohne Beschränkung durch den noch möglichen Wortsinn und ohne Bindung an die Rechtsansicht der Gesetzesverfasser.

Nach Meinung Maaßens soll ,,ein Widerspruch zwischen der , Rechtsansicht' des Interpreten, die in einer korrigierenden Auslegung zum Ausdruck kommt, und der im Gesetzestext positivierten An- Sicht, die der »Gesetzgeber' von einer , Sache Recht' hat, mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung durchaus zu vereinbaren sein, sofern nur eine Übereinstimmung ,in der Sache' besteht" ... „Bindend ist für den Interpreten nicht das vordergründig Ausgedrückte, wenn es auch psychologisch so gewollt war, sondern die es bedingende Intention, die der Legislator zu materiali- sieren vermeinte" (S. 243). Deshalb sei bei den fehlbestimmenden Privatrechts- begriffen eine „Korrektur des Gesetzes", d.h. eine Anpassung der privatrechtlichen Einzelkonzeptionen an die übergeordnete „Sache Recht" nicht nur gestattet, sondern im Hinblick auf das Bindungspostulat sogar geboten und hermeneutisch notwendig (S. 244).

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Nach Meinung des Rezensenten ist diese Lehre mit den Grundsätzen der Ge- waltenteilung und der verfassungsrechtlich verankerten Bindung des Richters an das Gesetz nicht zu vereinbaren, weil eine solche Rechtsfindung, die nicht mehr an den Wortsinn des Gesetzes und an die Rechtsansicht des Gesetzgebers gebunden ist, sondern auf dem Sinnverständnis des Richters beruht, der Gefahr der Willkür aus- gesetzt wäre. Denn es kann nicht vorausgesehen werden, mit welchem Verständnis der Richter an das Gesetz herantritt und welchen Sinn er ihm beimessen wird. Nach Maaßens Meinung soll der Richter nicht einmal durch den Wortsinn gebunden sein, wenn eine an den Interessen der Gemeinschaft ausgerichtete Gesetzesauslegung das erfordere. Das aber würde zu einer Aushöhlung und Verwischung der Grenzen zwischen Legislative und Judikative führen und die Erinnerung an jene Zeiten wach- rufen, in denen der Satz galt: ,, Recht ist, was dem Volke nützt". Die Entscheidung des Richters wäre keine Rechtsentscheidung mehr, sondern eine an den Interessen einer plural istischen Gesellschaft orientierte politische Entscheidung, eine Entschei- dung, die nicht mehr vom positiven Gesetz, sondern vom jeweiligen Gesellschafts- verständnis des den pluralistischen Interessen verhafteten, „politisch entscheidenden Richters" (S. 260) getragen würde. Ich komme deshalb zu dem Ergebnis, daß die vom Verfasser entwickelte philosophisch-hermeneutische Auslegungstheorie bei der juri- stischen Gesetzesauslegung im geltenden Recht keine Anwendung finden kann, weil die rechtlichen Vorbedingungen dafür nicht gegeben sind. Ob man den Gedanken- gängen des Verfassers im übrigen folgen will, ist eine Weltanschauungsfrage.

Heinz Paulick

A.R. Prest und D.J. Coppock (Eds.): The U. K. Economy. A Manual of Applied Economics. Sixth Edition. Weidenfeld and Nicholson. London 1976. XVIII, 322 Seiten. Twelve years ago when the first edition of this Manual appeared, the editor,

A.R. Prest, expressed his conviction that in providing an account of the current features and problems of the U.K. economy there was "both room and need for an attempt to combine the functions of chronicler and analyst in the confines of a single book".

The publication of this sixth edition suggests that his claim was justified and that the volume fulfils a genuine need. Indeed, the scope and content of the present edition displays such marked similarities to the original that it suggests an underlying continuity both in the problems of the British economy and in the ways in which economists approach them. Admittedly, there are now two editors rather than one; half the authors of chapters in the first edition have now disappeared; the current version has about sixty extra pages, and a useful index; but the choice of subject- matter largely follows the same well-tested pattern.

Successive chapters in the current edition are: "The Economy as a whole", by M.C. Kennedy; "Monetary, Credit and Fiscal Policies", by N.J. Gibson; "Foreign Trade and the Balance of Payments", by J. 8. Metcalfe ; "Industry and Commerce", by J.R. Cable, assisted by M. Waterson; and "Labour", by David Metcalf and Ray Richardson. A close analysis of the changes on content and emphasis within these broad categories would doubtless provide both instruction and entertainment to stu- dents of recent economic ideas and history. Unfortunately, no such ambitious task can be undertaken here, although some insight can be derived even from a glance at the list of abbreviations and the authors cited in the index. More seriously, comparison with the first and fourth (1972) editions (the fifth, 1974, was not available to this reviewer) reveals that the greatest expansion has occurred in the chapter on external problems and not, as might have been expected, in the treatment of monetary issues. There is now a substantially enlarged section on exchange rate experience and policy; a somewhat doleful discussion of "the decline in competitive performance"; and throughout the volume E.E.C, policies and their implications figure prominently.

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