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Das Prochinin-Rätsel und die Chemie der Chinaalkaloide Illumina-Chemie.de - Artikel Druckversion Analytik i/ii/ii/isup/supsup/supi/ii/isup/supsup/supsup/supsup/supsup/supi/ii/i i/isup/supb/bimg/imgimg/imgimg/imgb/bb/b\2 Prochinin (Xn) Salzsäure 1 N und 0,1 N (C, Xi) Ammoniaklösung 25% (C, N, Xi) Aktivkohle Bromwasser (C) Kaliumhexacyanoferrat(III) Kieselgur Kaliumiodid (Xn) Kaliumnatriumtartrat-Tetrahydrat (Seignettesalz) Schwefelsäure 250 g/l (C) Ethanol 96% und absolut (F, Xi) Kaliumbromatlösung 0,1 N (Xn) Natriumthiosulfatlösung 0,1 N Kaliumbromid (Xi) Stärkelösung 1% Methylrotlösung 0,1% (F) Methylrot-Mischindikator (Ph.Eur.) (F) Dichlormethan (Xi, Xn) Diethylamin (C, F, T) Kaliumhexaiodplatinat-Sprühreagenz ________ Chinidin und Chinidinsulfat (Xn) Cinchonidin und Cinchonidinsulfat (Xn) Versuchsdurchführung: Vorbemerkungen : Chinarinde enthält über 20 Alkaloide, die verschiedenen Gruppen angehören. Unter China-Alkaloiden (oder Cinchona-Alkaloiden) im engeren Sinne versteht man die Alkaloide vom Chinolintyp, die eine Wirkung auf die Erreger der Malaria besitzen. Die bedeutendsten sind die Isomerenpaare Chinin und Chinidin bzw. Cinchonin und Cinchonidin: Artikel im Web: http://illumina-chemie.de/das-prochinin-raetsel-und-die-chemie-der-chinaalkaloide-t4527.html Copyright illumina-chemie.de, Autor: lemmi, Geschrieben am 25.06.2017 1 von 27

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Das Prochinin-Rätsel und die Chemie der Chinaalkaloide

Illumina-Chemie.de - ArtikelDruckversion Analytik

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Prochinin (Xn)Salzsäure 1 N und 0,1 N (C, Xi)Ammoniaklösung 25% (C, N, Xi)AktivkohleBromwasser (C)Kaliumhexacyanoferrat(III)KieselgurKaliumiodid (Xn)Kaliumnatriumtartrat-Tetrahydrat (Seignettesalz)Schwefelsäure 250 g/l (C)Ethanol 96% und absolut (F, Xi)Kaliumbromatlösung 0,1 N (Xn)Natriumthiosulfatlösung 0,1 NKaliumbromid (Xi)Stärkelösung 1%Methylrotlösung 0,1% (F)Methylrot-Mischindikator (Ph.Eur.) (F)Dichlormethan (Xi, Xn)Diethylamin (C, F, T)Kaliumhexaiodplatinat-Sprühreagenz________

Chinidin und Chinidinsulfat (Xn)Cinchonidin und Cinchonidinsulfat (Xn)

Versuchsdurchführung:

Vorbemerkungen :Chinarinde enthält über 20 Alkaloide, die verschiedenen Gruppenangehören. Unter China-Alkaloiden (oder Cinchona-Alkaloiden) imengeren Sinne versteht man die Alkaloide vom Chinolintyp, dieeine Wirkung auf die Erreger der Malaria besitzen. Diebedeutendsten sind die Isomerenpaare Chinin und Chinidin bzw.Cinchonin und Cinchonidin:

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Das Prochinin-Rätsel und die Chemie der Chinaalkaloide

Chinidin und Cinchonin besitzen (8R, 9S)-Konfiguration und sindrechtsdrehend. Chinin und Cinchonidin sind linksdrehend und (8S, 9R)-konfiguriert. Daneben kommen von allen Alkaloiden auch dieDihydro-Derivate vor, in denen die Vinylgruppe an Position 3 desChinuclidinringes zur Ethylgruppe hydriert ist. Die sogenannten epi-Isomere mit (8R, 9R)- bzw. (8S, 9S)-Konfiguration werden bei derSynthese des Chinins erhalten, kommen aber in der Natur nur invernachlässigbaren Spuren vor.

Chinidin ist das rechtsdrehende Stereoisomere des Chinins, beidesind Derivate des 6-Methoxychinolins. Sie geben charakteristischeund schon seit über 150 Jahre bekannte Farbreaktionen, nämlichdie Thalleiochin- und die Erythrochinrekation. Ihre schwefelsaurenLösungen fluoreszieren im langwelligen UV stark. Zur Detektion inder DC verwendet man am besten Iodplatinat-Sprühreagenz.Dabei geben Chinin und Chinidin rotbraune Färbungen.Demgegenüber leiten sich die Stereoisomere Cinchonin undCinchonidin vom unsubstituierten Chinolin ab. Sie fluoreszierennur schwach und die genannten Farbreaktionen fallen bei ihnennegativ aus. Mit dem Iodplatinat-Reagenz gibt Cinchonin einebraunviolette, Cinchonidin als einziges eine graublaue Färbung.

1. Analyse von “Prochinin“:

Die analysierte Substanz stellt ein feines, diskret cremeweißes,sich staubig anfühlendes und leicht verklumptes Pulver dar, dasmit Wasser geschüttelt sich nicht merklich löst. Gibt man zu einerAufschwemmung von 50 mg Substanz einen Tropfen verdünnteSchwefelsäure so löst sie sich in 5 ml Wasser vollständig auf. Zunächst habe ich die Farbreaktionen durchgeführt. Dazu wurdenje 1 ml der schwefelsauren Lösung mit Wasser auf 5 ml verdünnt.

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Thalleiochinreaktion: zu der Lösung wurden 2 TropfenBromwasser und nach vollständiger Entfärbung 0,2 mlAmmoniaklösung gegeben. Es trat eine intensiv grüne Farbe auf.Erythrochinreaktion: zu der Lösung wurden 2 Tropfen Bromwasserund nach vollständiger Entfärbung 2 Tropfen einer 10 %igenLösung von Kaliumhexacyanoferrat(III) gegeben. Nach Zugabevon 0,2 ml Ammoniaklösung wurde mit 2 ml Methylenchloridausgeschüttelt. Die organische Phase (unten) färbte sich intensivscharlachrot.

Der stark positive Reaktionsausfall zeigt an, dass8-Methoxychinolinalkaloide (Chinin oder Chinidin) in relevanterMenge vorhanden sein müssen. Dazu passt auch, dass dieLösung beim Eingießen in schwefelsaures Wasser im langwelligenUV stark fluoresziert.

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Als nächstes wurde eine Dünnschichtchromatographiedurchgeführt. Eingesetzt wurde eine Lösung von 2,5 mg Prochininin 1 ml Methanol sowie als Referenzlösung eine solche von 1,5 mgChinin in 1 ml Methanol. Je 2 µl der Lösungen wurden aufDC-Folien aufgetragen und diese mit einem Laufmittelgemisch aus9 VT Dichlormethan und 1 VT Diethylamin entwickelt(Kammersättigung, Entwicklungszeit ca. 14 Minuten). ZurDetektion wurde die Folie zunächst mit ethanolischerSchwefelsäure 5% besprüht (5 ml verdünnte Schwefelsäure + 20ml Ethanol) und im langwelligen UV auf Fluoreszenz geprüft. Dannwurde mit Iodplatinat-Reagenz besprüht und nach ca. 30 Minutenausgewertet (in dieser Zeit verblasst die Hintergrundfarbe durchdas Sprühreagenz und die Flecken der Alkaloide treten gutabgrenzbar hervor).

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Die rechte Spur enthält das Prochinin, links ist zum VergleichChinin aufgetragen. Man erkennt im Prochinin zwei Spots. Derobere ist violettbraun gefärbt, fluoresziert und kann nur demChinidin zuzuordnen zu sein. Der untere ist graublau gefärbt undentspricht dem Cinchonidin, da Cinchonin in diesem Laufmitteleinen höheren Rf-Wert als das Chinidin besitzt und sichviolettbraun anfärben würde. Im UV erkennt man außerdem, dass im Prochinin auch eine SpurChinin enthalten ist, jedoch zu wenig, als dass es sich im VISnachweisen ließe. Unverständlich war zunächst die kräftigeFluoreszenz des graublauen Spots, denn Cinchonidin fluoresziert,wie oben dargelegt, praktisch nicht. Die Lösung fand sich, als dieDC mit einem anderen Laufmittelgemisch (Chloroform + Methanol+ Ammoniaklösung = 17 + 2,8 + 0,2) wiederholt wurde.

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Hier liegt der Rf-Wert des Chinins wesentlich höher als bei demvorigen Laufmittel. Bei genauem Hinsehen fällt auf, dass deruntere der beiden Spots im Prochinin aus zwei Teilen besteht:einem blaugrauen Anteil und einem braunvioletten Anteil miteinem geringfügig höheren Rf-Wert. Der untere Spot besteht alsoaus zwei Substanzen: Cinchonidin und einem weiteren Alkaloid,das stark fluoresziert und sich mit Iodplatinat braunviolett färbt.Dabei konnte es sich nur um Dihydrochinidin handeln.

Das hier untersuchte “Prochinin“ besteht also aus einem Gemischvon Chinidin und Cinchonidin. Nun war die Frage nach derquantitativen Zusammensetzung. Im vorliegenden Fall ließ sichdieses Problem relativ einfach anhand der spezifischen Drehungder Substanz lösen. Es wurde eine Lösung von 0,1 g Prochinin in5,00 ml absolutem Ethanol hergestellt, durch 24-stündigesStehenlassen geklärt (die Lösung war diskret getrübt) und derDrehwinkel im Halbschattenpolarimeter bestimmt. Es ergab sicheine spezifische Drehung von +117°. Das entspricht einem Anteilvon knapp 61% Chinidin und gut 39% Cinchonidin, wobei eineSchwankungsbreite von ± 2 % zu berücksichtigen ist. (sieheErklärungen)

2. Isolierung der Chinaalkaloide aus “Prochinin“:

Zur Trennung der im “Prochinin“ vorliegenden Alkaloide Chinidinund Cinchonidin wurden mehrere Versuche durchgeführt. Dasbeste Ergebnis wurde mit folgendem Vorgehen erzielt:

Man verrührt 15 g Prochinin in 50 ml Wasser und gibt unterErhitzen im Wasserbad so viel 1 N Salzsäure zu, bis sich ebenalles gelöst hat. Die benötigte Menge Salzsäure kann berechnetoder jedenfalls abgeschätzt werden (siehe unter Erklärungen).Danach wird mit Wasser auf 150 ml verdünnt. In die heiße Lösung,die leicht trübe und deutlich braun gefärbt ist, rührt man 1 gAktivkohle und lässt für 15 Minuten im heißen Wasserbad stehen.Dann werden 0,5 g Kieselgur zugegeben und sofort über einevorgewärmte Nutsche abgesaugt. Das klare und nur nochblassgelblich gefärbte Filtrat lässt man abkühlen und verdünntdann in einem großen Becherglas mit Wasser auf 700 ml.Nun löst man 10 g Kaliumiodid in 50 ml Wasser und gibt dieLösung unter kräftigem Rühren (!) langsam in die Alkaloidlösung.Dabei bildet sich eine milchige Trübung, die immer dichter wird.Man stellt das Becherglas in ein Gefäß mit kaltem Wasser undlässt darin unter Rühren für 1,5-2 Stunden stehen. Die Temperaturder Mischung soll etwa 15 °C betragen. Dann saugt man ab,resuspendiert das Chinidinhydroiodid in 30 ml Wasser, saugterneut ab und stellt die vereinigten Filtrate beiseite. DerNiederschlag wird nun solange mit kaltem Wasser (15°C)gewaschen, bis eine Probe des Filtrates mit Ammoniaklösung imReagenzglas keine Trübung mehr ergibt (ca. 100 ml). Als nächstes rührt man das noch feuchte Chinidinhydroiodid ineinem kleinen Becherglas mit 60 ml Wasser an, gibt 20 mlAmmoniaklösung zu und rührt 45- 60 Minuten lang. Dann saugtman ab, resuspendiert in 50 ml 1% Ammoniakwasser, saugterneut ab und wäscht mit 300-350 ml kaltem Wasser aus, bis dasFiltrat nicht mehr alkalisch reagiert. Zuletzt wird scharf abgesaugt,zwischen Küchenkrepp abgepresst und auf einem Uhrglas bei 80°C getrocknet.

Ausbeute: 8,0 g rohe Chinidinbase (87%) als weißes Pulver mitdiskretem Cremeton

Als nächstes löst man 30 g Seignettesalz in 75 ml Wasser(gesättigte Lösung, ggf. leicht erwärmen), gibt die Lösung unterkurzem (!) Umrühren in das oben zurückgestellte Filtrat und lässtdann in einem Kaltwasserbad ruhig stehen. Zunächst passiertnichts. Nach wenigen Sekunden trübt sich die Flüssigkeit und esbeginnen feine, glänzende Kristallblättchen auszufallen. Nach2-stündigem Stehen bei 15 °C unter gelegentlichem Umrühren istdie Fällung vollständig. Man gießt den Überstand soweit möglichab, saugt das Cinchonidintartrat ab, resuspendiert in 40-50 mlkaltem Wasser, saugt erneut ab und wäscht auf der Nutschenochmals mit ca. 75 ml kaltem Wasser nach. Das Filtrat dieserFällung gibt mit Ammoniak keine Trübung mehr. Der seidenglänzende, weiße Niederschlag wird nun ebenfalls ineinem kleinen Becherglas in 35 ml Wasser suspendiert und 15 mlAmmoniaklösung zugefügt. Zunächst wird die Mischung etwasdickflüssig, im weiteren Verlauf aber gut rührbar. Man rührt 45Minuten, saugt ab, resuspendiert in einer Mischung aus 5 mlAmmoniaklösung und 25 ml Wasser und rührt nochmals für 15Minuten. Dann wird abgesaugt und mit ca. 200-250 ml kaltemWasser nachgewaschen, bis das Filtrat nicht mehr alkalischreagiert. Nach scharfem Absaugen und Abpressen trocknet manwie oben bei 60-80 °C.

Ausbeute: 3,8 g rohe Cinchonidinbase (65 %) als rein weißes,ziemlich lockeres, sich leicht elektrostatisch aufladendes Pulver

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Reinigung der Rohalkaloide:

Die Reinigung der Rohprodukte kann auf zwei Wegen erfolgen:durch Umkristallisieren oder indem man sie in die Sulfateüberführt.

1. Umkristallisieren:

Rohes Chinidin wird mit 90 %igem Ethanol (4 ml pro 1 g) auf demWasserbad erhitzt, bis völlige Lösung eingetreten ist, und dasGefäß aus dem Heizbad genommen. Man gibt langsam (!) -milliliterweise - Wasser zu und wartet nach jeder Zugabe 10-15Sekunden ob eine Trübung auftritt (ca. 0,5-0,75 ml pro 1g). Dannerhitzt man erneut, bis die Trübung verschwindet (evtl. nochmalseinige Tropfen Ethanol zugeben), filtriert die Lösung, sofern sienicht völlig klar ist, durch einen vorgewärmten Trichter in einkleines Becherglas und lässt langsam erkalten. NachdemZimmertemperatur erreicht ist stellt man für einige Stunden in denKühlschrank, saugt dann das in feinen Nadeln auskristallisierteChinidin ab, wäscht mit wenig 70%igem Ethanol nach und trocknetan der Luft.Ausbeute: 5,9 g (73%) C20H24O2N2, feine weiße Kristallnadeln

Mit dem rohen Cinchonidin verfährt man identisch, wobei für je 1 g Base 8 ml 70%iges Ethanol angewandtwerden. Das Alkaloid kristallisiert in kurzen, dicken Prismen oder Täfelchen.Ausbeute: 2,8 g (75 %) C19H22ON2, kleine farblose PrismenDie Mutterlaugen lässt man eindunsten. Der Rückstand kann auf die jeweiligen Sulfate verarbeitet werden.

2. Darstellung der Sulfate.

Man suspendiert die Alkaloidbase in Wasser, gibt eine berechnete Menge verdünnte Schwefelsäure zu underhitzt im siedenden Wasserbad, bis vollständige Lösung eingetreten ist (nötigenfalls noch etwas Wasserzugeben). Wenn die Lösung stark gefärbt ist (d.h. wenn man als Alkaloidbase die Reste der UK einsetzt) wirdsie durch Zugabe von etwas Aktivkohle und Kieselgur während des Erhitzens (5-10 Minuten) entfärbt unddann durch eine vorgewärmte Nutsche rasch abgesaugt. Beim langsamen Abkühlen erstarrt die Flüssigkeitzu einem Filz aus feinen, nadelförmigen Kristallen. Man rührt um, saugt ab, wäscht mit wenig eiskaltemWasser nach und lässt an der Luft trocknen.

Chinidin: auf je 1 g Base setzt man 12,5 ml Wasser und 0,605 ml verdünnte Schwefelsäure ein(Ausbeute: ca. 85% (C20H26O2N2)2SO4+2 H2O)Cinchonidin: auf je 1 g Base werden 12 ml Wasser und 0,666 ml verd. Schwefelsäure eingesetzt, (Ausbeuteca. 65% (C19H24¬-ON2)2SO4+3 H2O)Achtung: die Mengenangaben gelten für eine Schwefelsäure mit genau 250 g H2SO4/l! Gegebenenfalls zuvorkontrollieren!Entfärbung: für je 1,5 g Alkaloidbase 100 mg Aktivkohle + 50 mg Kieselgur zugeben.

Aus den – ggf. mit Aktivkohle entfärbten - Mutterlaugen kann durch Zugabe von Ammoniak die Alkaloidbasegefällt werden (reichlichen Überschuss anwenden, mindestens 8-fach!), welche nach Auswaschen undtrocknen wie oben angegeben umkristallisiert wird.

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Ausgangsstoff

Fällung von Chinidinhydroiodid (körnig-schwer, setzt sich rasch ab)

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Fällung von Cinchonidintartrat (voluminös, blättrig-kristallin)

Rühren mit Ammoniak

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Rohprodukte

Kristallisation von Chinidin

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Kristallisation von Cinchonidin

Kristallisation von Cinchonidinsulfat

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Kristallisation von Chinidinsulfat

3. Analyse der Alkaloide:

Als grobe Orientierung wurden die Thalleiochinrekation und die Fluoreszenzprobe (25 mg mit 1 ml verdünnterSchwefelsäure gelöst und in 50 ml Wasser verdünnt) durchgeführt.

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Thalleiochinprobe mit Cinchonidin (links) und Chinidin (rechts)

Fluoreszenz einer Lösung von 0,5 mg/ml Cinchonidin (links) und Chinidin (rechts) bei 365 nm

Erwartungsgemäß zeigt Cinchonidin eine negative, Chinidin dagegen eine positive Farbreaktion. Dieschwache Fluoreszenz des Cinchonidins kontrastiert mit der gleich gezeigten fehlenden Fluoreszenz in derDC und ist möglicherweise auf eine Spur verunreinigendes Chinin zurückzuführen (Cinchonidin selbst sollaber auch leicht fluoreszieren).

Die Qualität der Trennung der Alkaloide wurde mittels DC im selben System wie oben angegeben geprüft.Die beiden Folien enthalten in der ersten Spur das Prochinin aufgetragen. Die linke Folie zeigt auf Spur 2 dasrohe Cinchonidin, Spur 3 das Cinchonidin nach UK und Spur 4 nach Überführen in das Sulfat. Die rechteFolie enthält analog auf Spur 2 das rohe Chinidin und in den Spuren 3 und 4 wiederum das umkristallisierteChinidin bzw. Chinidinsulfat.

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DC im UV bei 365 nm.

DC im Vis nach Detektion mit Iodplatinat

Es zeigte sich, dass das rohe Cinchonidin Spuren von Chinidin enthielt (kenntlich an der Fluoreszenz imlangwelligen UV). Nach einmaligem Umkristallisieren oder Überführung in das Sulfat war Chinidin nicht mehrnachweisbar. Die ebenfalls vorhandenen Spuren von Chinin ließen sich interessanterweise nicht vollständigentfernen.Das Chinidin war DC-analytisch schon als Rohsubstanz rein, hatte allerdings eine leicht cremeweißeFärbung. Nach dem UK bzw. als Sulfat lag es in schneeweißen Kristallen vor.

Als nächstes wurde die spezifische Drehung der Alkaloide bestimmt. Dazu wurden von den Basen Lösungenin Ethanol, vom Chinidinsulfat (bei 130°C entwässerte Substanz) in 0,1 N Schwefelsäure hergestellt (jeweilsc = 2,0). Gefunden wurde:

Chinidin: +259° (Literaturwert: +260°)Cinchonidin: -103° (Literaturwert: -107°)Chinidinsulfat: +280° (Arzneibuch: +275 bis +290°)

Zur Gehaltsbestimmung wurden je 300 mg der Alkaloidbasen in 20 ml Ethanol 96% gelöst, 25 mlabgekochtes (CO

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Das Prochinin-Rätsel und die Chemie der Chinaalkaloide

2-freies) Wasser und 0,2 ml Methylrot-Mischindikator zugegeben und mit 0,1 N Salzsäure bis zumFarbwechsel von Grün nach Grau (nicht bis Violett!) titriert. Da der Umschlag nicht ganz scharf ist, arbeitetman am besten mit einer Vergleichslösung: man titriert eine Mischung von 50 ml Ethanol 50% und 1000 µl1N NaOH unter Zusatz des Mischindikators mit 0,1 N HCl bis zum Umschlag nach grau - wobei gleich derFaktor der Salzsäure unter den angegebenen Bedingungen ermittelt wird - und stellt dann bei der Analyseauf den selben Farbton ein. Ein Milliliter 0,1 N Salzsäure entspricht 32,44 mg Chinidin (oder Chinin) bzw.29,44 mg Cinchonidin (oder Cinchonin). Gefunden wurde ein Gehalt von:

Chinidin: 100,2 %Cinchonidin: 100,03 %

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Das Prochinin-Rätsel und die Chemie der Chinaalkaloide

Umschlag des Methylrot-Mischindikators

Schließlich musste noch der Anteil an Dihydrobasen in den Präparaten bestimmt werden. Dafür wurde einebromatometrische Methode nach dem DAB 9 angewandt:Im 500 ml-Schliff-Erlenmeyerkolben wurde eine genau abgewogene Menge Alkaloidbase (ca. 200 mg) in 15ml 2 M Salzsäure gelöst, die Lösung mit 20 ml Wasser verdünnt und 0,5 g Kaliumbromid sowie 0,1 mlMethylrotlösung zugegeben. Dann wurde mit 0,1 N Kaliumbromatlösung bis zum Farbumschlag nachblassgelb titriert, eine Lösung von 0,5 g Kaliumiodid in 200 ml abgekochtem Wasser zugefügt und für 5Minuten verschlossen im Dunkeln stehen gelassen. Schließlich wurde das ausgeschiedene Iod mit 0,1 NNatriumthiosulfatlösung, unter Zugabe von 5 ml Stärkelösung als Indikator, zurücktitriert. Der tatsächlicheVerbrauch an Kaliumbromatlösung wurde aus dem gemessenen Verbrauch abzüglich des Verbrauchs anNatriumthiosulfatlösung errechnet. Ein Blindversuch ergab einen Leerwertverbrauch von 0,1 mlKaliumbromatlösung, der ebenfalls in Abzug gebracht werden muss.Ein Milliliter Kaliumbromatlösung entsprechen 16,22 mg Chinidin (oder Chinin) beziehungsweise. 14,72 mgCinchonidin (oder Cinchonin). Der Anteil an Dihydrobase errechnet sich aus der Differenz der Einwaage undder gefundenen Alkaloidmenge. Die Versuche ergaben:

Chinidin: 157,7 mg (Einwaage 206,9 mg), entsprechend 24,1 % DihydrochinidinCinchonidin: 172,5 mg (Einwaage 180,6 mg) entsprechend 4,48 % Dihydrocinchonidin.

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Bromatometrie: Farbumschlag bei Titration mit Kaliumbromatlösung

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Rücktitration des überschüssigen Kaliumbromats

Entsorgung:

Flüssigkeiten und Feststoffe, die bei diesen Versuchen anfallen können über das Abwasser bzw. mit demHausmüll entsorgt werden, ebenso die Produkte.

Erklärungen:

1. Trennung der Chinaalkaloide:

Grundlage für die Trennung der Chinaalkaloide ist ihre Eigenschaft, mit bestimmten Reagenzien selektivunlösliche Salze zu bilden. In der folgenden Tabelle sind die Löslichkeiten der einzelnen Alkaloide undwichtiger Salze aus der Literatur10, 13, 15 zusammengestellt:

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Es ist günstig, wenn man die Zusammensetzung des Alkaloidgemisches größenordnungsmäßig kennt, umdie Mengen der Reagenzien berechnen zu können. Zunächst ist es wichtig, dass die Alkaloidsalzlösung vorder Zugabe von Fällungsreagenzien annähernd neutral reagiert, d.h. nur einbasische Salze (am besten alsHydrochloride) enthält. Die Chinaalkaloide sind zweibasische Basen. Der Chinolin-Stickstoff besitzt einen pKb

-Wert von 6,0 und bildet bei der Protonierung ein fast neutral reagierendes Kation. Der zweite Stickstoff, imChinuclidinring, ist dagegen viel schwächer basisch (pKb 9,9 im Chinin) und die Salze, die mit zweiÄquivalenten Säure gebildet werden, reagieren in wässriger Lösung stark sauer. Auch dieLöslichkeitsverhältnisse sind anders: das “saure Chininsulfat“ und das Chinindihydrochlorid lösen sich inWasser wesentlich besser, als die einbasischen Salze. Die folgende Tabelle erlaubt es, die zur Umsetzungbenötigte Säuremenge zu berechnen:

Zur Fällung des Chinidins mit Kaliumiodid wird letzteres in leichtem Überschuss (etwa doppeltestöchiometrische Menge) zugesetzt, also etwas mehr als die erwartete Chinidinmenge in g. Die Fällung musslangsam unter gutem Rühren vorgenommen werden, da der Niederschlag sonst schmierig wird.Kaliumnatriumtartrat (Seignettesalz) muss zur Fällung von Cinchonidin in kräftigem Überschuss (zehnfachestöchiometrische Menge) zugegeben werden, damit die Fällung vollständig wird – ungefähr das Fünffacheder erwarteten Cinchonidinmenge in g. Hier ist starkes Rühren unzweckmäßig, da ein sehr feinkristallinesProdukt viel Mutterlauge festhält. Die Testung des Filtrates mit Ammoniaklösung zeigt, dass die Fällungvollständig ist. Verluste könnten beim Auswaschen mit Wasser entstehen, evtl. wäre eineSeignettesalzlösung als Waschflüssigkeit geeigneter. Die gefällten Salze werden dann durch Digerieren mit Ammoniak in die freien Basen überführt, wobeiAmmoniumiodid bzw. Ammoniumtartrat in Lösung gehen. Dabei ist ein reichlicher Überschuss an Ammoniakeinzusetzen - von dem ja nicht viel benötigt wird - um die Umsetzung vollständig zu machen (etwa dieachtfache stöchiometrische Menge). Die Basen sind fast nicht wasserlöslich und können daher gründlichausgewaschen werden.

Je nach dem, welches Alkaloid mengenmäßig vorherrscht, wird das Vorgehen verschieden sein. Bei derExtraktion aus Chinarinde nutzt man die Schwerlöslichkeit des Chininsulfates - insbesondere beiAnwesenheit von Ammoniumsulfat - aus, um zuerst dieses pharmazeutisch bedeutendste Alkaloid von denBegleitbasen abzutrennen. Anschließend wird in der Regel Cinchonidin durch Tartrat gefällt, dabei fällt etwanoch vorhandenes Chinin mit aus, das aus dem Basengemisch durch Waschen mit Ether (oder Chloroform)entfernt werden kann. Chinidin wird als Hydroiodid gefällt und Cinchonin zuletzt aus der Mutterlauge nachAlkalisieren mit Ammoniak mit Hilfe von Chloroform ausgeschüttelt.

Bei meinen Versuchen ergab sich, dass es günstiger war, das Chinidin zuerst zu fällen. Beim umgekehrtenVorgehen nahm der ziemlich voluminöse Cinchonidintartrat-Niederschlag Chinidin mit auf und es wurde einstark verunreinigtes Rohprodukt erhalten.

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2. Analytik der Chinaalkaloide

Die grüne Farbreaktion des Chinins9 wurde 1838 von André erstmalig beschrieben und von Brandes als Thalleiochinreaktion - griechisch θαλλός, thallos = der grüne Zweig, vgl.Thallium! - bezeichnet. Analog beschrieb Vogel (1850) die Erythrochinreaktion - griechischἐρυθρός, erythros = rot (wie man sieht, war die Bewunderung fürdas antike Griechenland damals noch ungebrochen). Die Reaktionen sind ist natürlich nicht spezifisch fürChinin oder Chinidin, sondern treten bei allen Derivaten des 6-Hydroxychinolins auf. Immerhin sind sie socharakteristisch, dass sie zur Identifizierung von Chinaalkaloiden heute noch in den Arzneibüchern stehen.Der Reaktionsablauf ist kompliziert und die gebildeten Farbstoffe sind offenbar nicht einheitlich. DieThalleiochinreaktion verläuft über eine Abspaltung der Methoxygruppe, Bromierung in Position 5 desChinolins und anschließende 6,6'-Dimerbildung über eine vom Ammoniak gestellte Stickstoffbrücke. Bei derErythrochinreaktion tritt nach der Bromierung eine Oxydation mit Bildung eines 5-Cinolinons und eine8,8'-Dimerbildung ein. Einzelheiten können den unten angegebenen Veröffentlichungen entnommen werden11, 13.

Zur dünnschichtchromatographischen Trennung der Chinaalkaloide wurden zahlreiche Laufmittel angegeben.Manche trennen besser die einzelnen Basen, andere trennen die Dihydrobasen besonders gut ab1. In dieArzneibücher wurde zur Identifizierung ein Laufmittelgemisch aufgenommen (Toluol + Ether + Diethylamin =8 + 4,8 + 2), bei dem die Dihydrobasen mit den Hauptalkaloiden laufen, da ein gewisser Anteil der ersterentoleriert wird und sich so in der DC nur ein Spot ergibt9, 13. Das oben angegebene Laufmittel33 nimmt eineZwischenstellung ein. Um die Chinaalkaloide ganz frei von Dihydrobasen - die durch Umkristallisieren oderFällung nur sehr schwer zu entfernen sind - zu erhalten, hat man die präparative DC eingesetzt2. Auf diese Weise wurden auch die spezifischen Drehungen für die reinen Alkaloide ermittelt2. Sie betragen (c= 2,0 in Ethanol) für

Chinin: -166° ± 1°Dihydrochinin: -142° ± 1°Chinidin: +267° ± 1,5°Dihydrochinidin: 232 ± 1,6° Für handelsübliches Chinidin (15 % Dihydrobase zulässig) wird eine spezifische Drehung von +260°angegeben13. Für Cinchonin (+226,1°) und Cinchonidin (-106,9°) habe ich nur Werte in der älteren Literaturgefunden, wobei der Reinheitsgrad der damals untersuchten Substanzen nicht ganz sicher ist15. In einem Gemisch aus Chinidin und Cinchonidin besteht nun folgende Beziehung:

[α]Prochinin = -107 (1 – x) + 260 x

Die Gleichung beschreibt den Drehwinkel des Gemisches als Summe der Drehwinkel der Komponentenmultipliziert mit ihrem jeweiligen Massenanteil, wobei x den Anteil an Chinidin im Gemisch darstellt. DieAuflösung nach x für den Messwert von +117° ergibt 0,6076. In graphischer Darstellung sieht das so aus:

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Das von mir verwendete Halbschattenpolarimeter erlaubt keine Ablesung über die erste Nachkommastellehinaus und ist relativ lichtschwach, so dass bei einer Ablesegenauigkeit von ± 0,1° der Fehler dererrechneten spez. Drehung ± 5° betragen würde. Durch den relativ flachen Verlauf des Graphen wirkt sichdas auf das Ergebnis aber nur wenig aus und führt zu einer Schwankung des Analysenresultates um nur ±2%.

Das reine Chinidinsulfat (c = 2,0 in 0,1 N Schwefelsäure) besitzt eine spezifische Drehung2 von +289° ± 0,8°,das reine Dihydrochinidinsulfat eine solche von +258,0 ± 0,8°. Das Arzneibuch erlaubt für die arzneilichverwendete Substanz einen relativ weiten Bereich (+275° bis +290°). Ein Wert von +275° würde einemDihydrochinidinsulfat-Anteil von 45 % entsprechen. Demgegenüber sind aber nur 15 % Dihydrobase imPräparat zulässig (beim Chinin sogar nur 10 %). Zu Zeiten des DAB 7 (1968-1978) waren noch 20%Dihydrochinidin erlaubt. Mein Präparat - bzw. das in meinem "Prochinin" enthaltene Chinidin - hätte diesenAnforderungen nicht genügt.

Zur acidimetrischen Titration der Alkaloidbasen hat es sich als günstig erwiesen, in einem 30-40 % Ethanolenthaltenden Medium zu arbeiten. Die Alkaloide werden nur bis zur ersten Stufe titriert, wobei derÄquivalenzpunkt bei pH 6,05 liegt21. Es ist schwierig, für diesen Punkt einen günstigen Indikator zu finden.Methylrot schlägt erst bei niedrigerem pH um, wird aber in ethanolischer Lösung säureempfindlicher, so dasssich der Umschlagsbereich zu höheren pH-Werten verschiebt. Der Mischindikator enthält außerdemMethylenblau, wodurch der Umschlag (reines Methylrot: gelb -> gelborange) von grün nach grau erfolgt unddadurch besser sichtbar wird. Der Ethanolzusatz ist so zu bemessen, dass am Endpunkt eine Konzentrationin dem genannten Bereich (30-40 %) erreicht wird. Das für die Analyse benutzte Wasser muss zuvorabgekocht worden sein, um gelöstes Kohlendioxid auszutreiben.

Die bromatometrische Bestimmung der Chinaalkaloide13, 21 erlaubt es, die eigentlichen Alkaloide (die eineVinylgruppe enthalten) neben ihren Dihydrobasen zu bestimmen. Die Vinylgruppe addiert Brom, welchesdurch Kaliumbromat in situ aus Bromid freigesetzt wird:

BrO

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3- + 6 H+ + 5 Br- ---> 3 H2O + 3 Br2

Der Umschlagspunkt des zugesetzten Indikators Methylrot (der ebenfalls bromiert wird und dadurch zu Gelbverblasst) ist etwas schwer zu erkennen und der Umschlag erfolgt oft verzögert, weshalb man genauereErgebnisse erhält, wenn man einen kleinen Überschuss Bromat zusetzt und dann mit Natriumthiosulfatzurücktitriert. Hier muss das zur Herstellung der Kaliumiodidlösung verwendete Wasser abgekocht sein, umgelösten Sauerstoff auszutreiben und den sogenannten "Luftfehler" zu verringern. Da 1 Mol Alkaloid 2 ValBrom bindet ist die Äquivalentmasse der Alkaloide gleich ihrer halben Molmasse. Nach dem aktuelleneuropäischen Arzneibuch wird der Anteil an Dihidroderivaten in Chinaalkaloiden gaschromatographischbestimmt9, die International Pharmacopeia gibt jedoch nach wie vor die bromatometrische Methode an.

medizinische Verwendung und Wirkung der Chinaalkaloide:

Alle der besprochenen vier Chinaalkaloide wirken gegen die Erreger der Malaria (Plasmodium ssp.).Mikroskopisch beobachtet man an den Parasiten unter Chinin eine Fragmentierung des Zytoplasmas undeine Abtrennung des violettroten Zellkerns vom blauen Zytoplasma

Plasmodium vivax (Erreger der Malaria tertiana) in einem roten Blutkörperchen

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Veränderungen unter Behandlung mit Chinin (eigene Beobachtungen)

Aufgrund dieser Beobachtung stufte man das Chinin zunächst als “allgemeines Protoplasmagift“ ein undversuchte, es auch gegen andere Krankheitserreger einzusetzen, was jedoch keinen befriedigenden Erfolghatte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahm man dann an, dass es mit der DNA-Replikation derParasiten interferiere13. Der tatsächliche Wirkmechanismus wurde erst vor ca. 20 Jahren aufgeklärt.Malariaparasiten leben und vermehren sich im Inneren der roten Blutkörperchen und nutzen das darinreichlich vorhandene Hämoglobin als Nährstoff. Dabei bekommen sie aber ein Problem: wenn derEiweißanteil des Hämoglobins abgebaut ist, bleibt der Eisen-Porphyrin-Komplex, das Häm, übrig undentfaltet aufgrund seiner Eigenschaft als Oxydase eine erhebliche Giftwirkung auf die Protozoen. Plasmodium entledigt sich dieser Gefahr mit Hilfe eines Enzyms, das Häm überWasserstoffbrückenbindungen zu katalytisch unwirksamen Makromolekülen polymerisiert. Diese Polymerefallen als gelbbraune Niederschläge (sogen. Hämozoin) aus und sind als mikroskopisch sichtbares“Malariapigment“ schon seit der Entdeckung der Erreger durch Alphonse Laveran (1881) bekannt. Chinin &Co. verhindern durch Interaktion mit dem Häm dessen Polymerisation, die Entgiftung ist nicht möglich unddie Erreger sterben ab.

Die Tatsache, dass auch Chinidin, Cinchonidin und Cinchonin bei Malaria wirksam sind, ist für dieAnnäherung an das historische Prochinin-Rätsel wichtig. In Bezug auf die minimale effektivePlasmakonzentration ist Chinin sogar die am wenigsten wirksame Substanz27, 31. Andere Faktoren,besonders die Absorption aus dem Magen-Darm-Trakt, sind aber zu berücksichtigen. So ist in der Summebei oraler Einnahme, wenn man Chinin als Vergleichssubstanz heranzieht, vom Chinidin nur die halbe Dosis,von Cinchonin und Cinchonidin aber die doppelte Dosis notwendig um den gleichen therapeutischen Effektzu erzielen27. Die epi-Isomere (8R, 9R und 8S, 9S) sind unwirksam. Es konnte gezeigt werden, dass sieerstens viel schlechter in die Blutkörperchen diffundieren und zweitens die Anlagerung an das Häm überWasserstoffbrücken durch die Elektronenkonfiguration behindert ist18. Warum ausgerechnet das Chinin -weder das erste entdeckte Chinaalkaloid, noch das am häufigsten vorkommende - schon früh im 19.Jahrhundert zum meistgebrauchten der vier Derivate avancierte, hat vermutlich vor allem mit der Darstellungzu tun. Da Chinin von allen Alkaloiden das am schwersten lösliche Sulfat bildet, ist es aus denChinarindenextrakten am leichtesten rein abzutrennen

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34

Die Chinaalkaloide haben aber noch weitere Wirkungen, nämlich direkt auf den Organismus, welche um dieMitte des letzten Jahrhunderts ausführlich studiert wurden3. Die wichtigsten betreffen die Effekte auf das Herzund auf die Skelettmuskulatur.

Am Herzen wirken die Substanzen, und hier besonders das Chinidin, auf das elektrische Reizleitungssystem,indem die Natriumkanäle in der Zellmembran blockiert werden, was zu einer Verkürzung desAktionspotentials und einer Verlängerung der Refraktärperiode führt. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts(Wenckebach 1914, von Frey 1918) wurde bemerkt, dass Chinidin in der Lage ist, bestimmteHerzrhythmusstörungen, speziell Vorhofflimmern, zu unterdrücken24. Es wurde bis in die 90er Jahreausgiebig als Antiarrhythmikum verwendet. Zeitweise war der Bedarf so hoch, dass es partialsynthetisch ausChinin durch Racemisierung dargestellt werden musste13, denn Chinidin ist von allen vieren das in denChinarinden in der geringsten Konzentration vorkommende Alkaloid. Heute wird es kaum noch verwendet. Eshat sich nämlich herausgestellt, dass es zwar das Vorhofflimmern unterdrückt, die Prognose(Lebenserwartung, Vermeidung von Komplikationen) aber nicht verbessert und im Gegenteil sogar selbsttödliche Rhythmusstörungen - sogen. torsades-de-pointes - auslösen kann (proarrhythmische Wirkung).

Die zweite Wirkung, die auf die Muskulatur, ist historisch ebenfalls bedeutend. Chinin vermindert dieAnsprechbarkeit von Muskeln auf Nervenimpulse und unterdrückt z.B. kälteinduziertes Muskelzittern. Zudiesem Zweck wurde es auch von den südamerikanischen Indianern vor dem Eintreffen der Spanierangewandt, wenn sie sich in die kalten Bergregionen begaben oder Flüsse durchqueren mussten. DieWirkung auf die Malaria war den Ureinwohnern entgegen der Legende unbekannt, und zwar aus demeinfachen Grunde dass diese Krankheit auf dem amerikanischen Kontinent gar nicht vorkam und erst vonden Spaniern aus der alten Welt “mitgebracht“ wurde. Aber die spanischen Gelehrten - zuerst die Jesuiten - zogen folgenden Schluss: das “Wechselfieber“ beginnt mit heftigen Kälteschauern und Schüttelfrost. Alsomusste eine Droge, die Kältezittern verhindert, bei dieser Erkrankung wirksam sein24. Sie war es. So ist dieChinarinde ein Beispiel dafür, wie aufgrund völlig falscher theoretischer Annahmen eine wichtige Entdeckunggemacht werden kann. Bis zur Entdeckung des Malariaerregers nahm man daher durchgängig an, dass dasChinin durch Interaktion mit dem Organismus fiebersenkend wirke30. Selbst danach hielt sich die Meinung,das Chinin sei “fiebersenkend“ noch hartnäckig. Da Muskelaktivierung zum Temperaturhaushalt beiträgt,lässt sich durch Chinin tatsächlich eine geringe Erniedrigung der Körpertemperatur bewirken, etwa in derGrößenordnung von 0,5 °C. Die echten Antipyretika wie - Acetylsalicylsäure oder Paracetamol - wirkendagegen über eine Beeinflussung des “verstellten“ Sollwertes im Hirnstamm und führen auch bei hohemFieber zu einer Normalisierung der Temperatur. Nichtsdestotrotz war Chinin bis in die 70er Jahre hineinBestandteil zahlreicher Medikamente gegen Grippe und banale Erkältungen, bis es im Rahmen derNovellierung des Arzneimittelgesetzes auch hier verschwand. Heute hat es noch eine Nischenindikation: esgibt ein Präparat mit 200 mg Chininsulfat pro Tablette (zum Vergleich: für die Malariabehandlung werden 3 x500-750 mg pro Tag verwendet) zur Behandlung nächtlicher Wadenkrämpfe. Aber auch diese Anwendung istauf dem Rückzug: das Nutzen-Nebenwirkungs-Verhältnis wird als negativ angesehen und das früher freiverkäufliche Mittel ist inzwischen der Rezeptpflicht unterstellt.

Das Prochinin-Rätsel:

Das von mir untersuchte “Prochinin“ ist eine Mischung aus Chinidin und Cinchonidin im Verhältnis 60:40. DieErgebnisse meiner Recherchen geben aber ein abweichendes Bild, wie sich gleich zeigen wird. Dazu habeich alte Fachzeitschriften und Monographien durchgesehen. Von den auf dem Etikett der Packungangegebenen Firmen existiert heute nur noch Buchler. Zimmer gehörte seit 1926 zu Boehringer Mannheimund dieses Unternehmen wurde 1992 von dem Pharmakonzern Roche übernommen34.Produktionsunterlagen existieren nicht mehr, eine Zuordnung des Produktes zu irgendeiner Charge odereinem Herstellungsjahr ist somit nicht mehr möglich5.

Der wesentliche Hinweis auf den Ursprung des Prochinins findet sich in der Festschrift “Dreihundert JahreBuchler“ von 1958Artikel im Web: http://illumina-chemie.de/das-prochinin-raetsel-und-die-chemie-der-chinaalkaloide-t4527.html

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4. Demnach wurde es zu Beginn der 40er Jahre während des Krieges für Deutschland durch die Seeblockadeim Westen und den Krieg mit Russland im Osten immer schwieriger, an Chinarinde als Rohstoffheranzukommen. Chinin aber war ein kriegswichtiges Medikament.

“… trotz allem wurde die Versorgung mit Chinarinde unzureichend, es wäre zu einer großen Mangellagegekommen, hätten nicht die deutschen Fabrikanten auf Anregung Dr. Buchlers [der Chemiker und damaligeBraunschweiger Firmenleiter Dr. ing. Walther P.L.A. Buchler - Anm. lemmi] ein standardisiertes Präparat derdrei Nebenalkaloide des Chinins, von denen in Friedenszeiten große Vorräte angewachsen waren, das>Prochinin< herausgebracht und in bulgarischen Malariagebieten mit Erfolg testen lassen. Dort wurde esauch zuerst im Großen eingesetzt. … Das auch heute noch gerne gebrauchte Präparat war eine große Hilfebei der Malariabekämpfung.“ (loc. cit. S. 133)

Die Herstellung von Prochinin dürfte also 1941 begonnen worden sein. Der letzte Satz weist darauf hin, dasses auch nach dem Krieg noch weiterverwendet wurde. Wie war es zusammengesetzt? In der ältestenZeitschriftenpublikation zu diesem Thema, die ich gefunden habe16, ist folgendes angegeben:

Diese Zusammensetzung dürfte der ungefähren mengenmäßigen Verfügbarkeit der Nebenalkaloideentsprochen haben und stellte vielleicht auch noch einen Bedarf an Chinidin für kardiologische Zwecke inRechnung. Auch die weiteren Literaturstellen nennen eine identische Zusammensetzung3, 17,19. Die Dosierungwird mit “1,0 Chinin = 1,5 Prochinin“ angegeben16. An Anwendungsgebieten werden neben derMalariabehandlung auch die Anwendung bei Vorhofflimmern, bei Grippe (sogar zur Prophylaxe!) sowie als“wehenstärkendes Mittel“ in der Geburtshilfe genannt16. Ein weiterer Artikel bestätigt, dass zu den vonBuchler erwähnten “deutschen Fabrikanten“ auch Boehringer Mannheim gehörte17, die damals schonEigentümerin der Chininfabrik Zimmer war.

Die Verwendung von Chinaalkaloidgemischen zur Behandlung der Malaria konnte zu diesem Zeitpunkt schonauf eine lange Tradition zurückblicken. Bereits in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts hatten die Engländerdamit begonnen, Cinchona pubescens (alter Name: Cinchona succirubra) in Indien anzubauen. Die Pflanzengediehen prächtig, und man erhoffte sich, vom Import des Chinins unabhängig zu werden. Leider enthält dieRinde der kultivierten “roten China“ nur relativ wenig Chinin, jedoch reichlich Nebenalkaloide. Die englischeKolonialverwaltung entschloss sich daher, auf die kostspielige und aufwändige Trennung der Alkaloide zuverzichten und ein Präparat zu produzieren, das die Gesamtalkaloide in dem in den Pflanzen vorhandenenMengenverhältnis enthielt22. Es wurde cinchona febrifuge oder später Totaquina genannt, war wesentlichbilliger als reines Chinin und wurde insbesondere zur Behandlung der nativen Bevölkerung in Indienverwendet. Das Präparat war aber nicht standardisiert und die Zusammensetzung variierte durchAnpflanzung anderer Cinchona-Spezies und teilweise Extraktion des Chinins aus dem Rohmaterial über dieZeit20. Die Niederländer dagegen pflanzten auf Java Cinchona calisaya an (manchmal auch als Cinchonaledgeriana bezeichnet, nach Charles Ledger, der die Samen der Pflanzen nach Europa gebracht hatte), eineausgesprochen Chinin-reiche Art. Durch gezielte Züchtung gelang es ihnen, den Alkaloidgehalt der Rindenweiter zu erhöhen und sich so über Jahrzehnte das Weltmonopol auf die Erzeugung von Chinin zu sichern22.

Noch zum Ende des 20 Jahrhunderts wurden systematische Untersuchungen durchgeführt, in denen dieChinaalkaloide in Kombination zur Therapie der Malaria eingesetzt wurden. Zur Anwendung kam einGemisch aus gleichen Teilen Chinin, Chinidin und CinchoninArtikel im Web: http://illumina-chemie.de/das-prochinin-raetsel-und-die-chemie-der-chinaalkaloide-t4527.html

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8, 25. Die Studien ergaben bei etwas geringerer Dosierung eine gleich gute Wirksamkeit wie reines Chinin.Man erhoffte sich dabei eine Wirkung auch gegen resistente Stämme von Plasmodium falciparum, desgefährlichsten der fünf bekannten Malariaerreger. Dieser Ansatz setzte sich jedoch offenbar nicht durch.Heute beherrschen synthetische oder partialsynthetische Malariamedikamente - insbesondere Derivate desin der chinesischen Staude Artemisia annua aufgefundenen Artemisinins - die Therapie. Da die Erregerjedoch für ihre rasche Resistenzentwicklung bekannt und berüchtigt sind, ist es nicht auszuschließen (undnach der Meinung des Autors dieser Zeilen sogar wahrscheinlich) dass Chinin und die anderenChinaalkaloide in Zukunft wieder eine Renaissance erfahren.

Noch einmal zurück zum Prochinin. Wann die Herstellung und der Vertrieb eingestellt wurden, kann ich nichtangeben. Mit Sicherheit wurde es, nach dem Zeugnis von Walther Buchler, noch in den 50er Jahren undnach einer anderen Quelle sogar bis Ende der 60er Jahre produziert – allerdings mit einer anderenZusammensetzung als der ursprünglichen. Es enthielt 1968 überwiegend Chinin (40%) und Cinchonin (50%)mit einem kleinen Anteil an Chinidin und Cinchonidin (je 5%)5.

Das von mir untersuchte Präparat fällt völlig aus dem Rahmen. Seine Zusammensetzung entspricht nichtdem “standardisierten Prochinin“ der 40er Jahre. Die Etikettierung lässt aber darauf schließen, dass derBehälter noch zu Kriegszeiten in Betrieb genommen wurde. Das sagt zunächst natürlich nichts darüber aus,wann der zuletzt darin enthaltene Inhalt hergestellt wurde. Da aber auf der Verpackung der Charge das“Consortium“ Boehringer-Buchler-Zimmer genannt wird, ist anzunehmen, dass diese noch während desKrieges produziert wurde. Wieso sie eine so eklatant andere Zusammensetzung hat, als in der damaligenLiteratur angegeben war, wird bis auf weiteres ein Rätsel bleiben.

Literatur:

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Das Prochinin-Rätsel und die Chemie der Chinaalkaloide

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