60
Prof. Dr. Gudela Grote L Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 ofessur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS2006 Teil G. Grote Prof. Dr. Gudela Grote Departement Management, Technology, and Economics, Kreuzplatz 5 Tel. 01- 632 7086/7078, e-mail: [email protected] www.oat.ethz.ch

Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Vorlesung Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS2006

Teil G. Grote

Prof. Dr. Gudela GroteDepartement Management, Technology, and Economics, Kreuzplatz 5Tel. 01- 632 7086/7078, e-mail: [email protected]

Page 2: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Übersichtsplan – Vorlesungsblock von Gudela Grote

9.5.06 Prozess- versus Arbeitssicherheit; Personenbezogene Massnahmen der Sicherheits-förderung

16.5.06 Automation und Sicherheit23.5.06 Sichere Gestaltung von Organisation – Strategien

des Management von Unsicherheit30.5.06 Beurteilung von Sicherheitsmanagement;

Gastvortrag: Ulrich Straub, Leiter Sachversicherung, Risk Engineering Services, Swiss Re

Fallstudie: Koordination in Hochrisiko-Teams

Page 3: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Organisatorisches zur Fallstudie

• Ausgabe der Arbeit am 16.5.2006• In Kleingruppen von 2-4 Personen zu bearbeiten • Abgabe der Fallstudie per e-mail an [email protected] bis

26.5.2006

Page 4: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Handeln in risikoreichen Arbeitssystemen -Arbeits- und Prozesssicherheit

Page 5: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Anforderungen an menschliches Handeln aus Perspektive …… Arbeitssicherheit• Ziel ist der Schutz des Menschen vor Gefahren

am Arbeitsplatz• Sicherheit ist Sekundäraufgabe für den

Arbeitenden mit Anforderungen an– Risikowahrnehmung (z.B. Beachten von

Hinweistafeln)– Risikobezogenes Entscheiden (z.B.

Beurteilung von Sicherheitsvorrichtungen)– Vorbeugendes Handeln (z.B. Tragen von

Schutzkleidung)• Sicherheitsförderung durch Massnahmen

hinsichtlich– Mensch: Wissen über Gesundheitsge-

fährdungen und deren Vermeidung– Technik: Absicherung durch Schutzvor-

richtungen etc.– Organisation: Reglementierung von

Sicherheitsvorkehrungen

… Prozesssicherheit• Ziel sind sichere Produktionsprozesse

• Sicherheit ist Teil der primären Arbeitsaufgabe mit Anforderungen an

– Risikowahrnehmung (z.B. Erkennen von Prozessabweichungen)

– Risikobezogenes Entscheiden (z.B. Abbruch einer Operation)

– Vorbeugendes Handeln (z.B. Voran-kündigung einer Betriebsstörung)

• Sicherheitsförderung durch Massnahmen hinsichtlich

– Mensch: Fach- und Methodenkompetenz

– Technik: Absicherung durch Redundanzen und Automation

– Organisation: Reglementierung von Arbeitsprozessen

Page 6: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Risikowahrnehmung

• Erkennen möglicher Schäden– Beachten, Gewichten und Deuten von Hinweisen auf kritische Bedingungen– Beeinflussung durch Vorerfahrung, Erwartungen, Bedürfnisse etc.– Beschränkung durch begrenzte Aufnahmekapazität

• Wahrscheinlichkeitsbeurteilung– Überbewertung von Basiswahrscheinlichkeiten– Kognitive Heuristiken (z.B. Verfügbarkeit)– Abhängigkeit von Nutzenbeurteilung und Kontrollerwartungen– Unrealistischer Optimismus

• “Experten” vs. “Laien”– Unterschiedliche Gewichtung von quantitativer / qualitativer und von

“objektiver” / “subjektbezogener” Information

Page 7: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Gewohnheitsebene Regelebene Wissensebene Art der Aktivität Gewohnheitshandlung Problemlösen auf der

Basis gespeicherter Regeln

Problemlösen, bei dem nicht auf bestehende Regeln zurückgegriffen werden kann

Aufmerksamkeits-fokus und Kontrollmodus

auf Anderes als die Aufgabe gerichtet; automatische Prozesse

auf das Problem ge-richtet; automatische Prozesse

auf das Problem ge-richtet; bewusste, "begrenzt rationale" Prozesse

Einfluss situationaler Faktoren

personbezogene Faktoren sind dominant (Häufigkeit der Handlung / Regelanwendung)

hoch

Beispiele fehlerauslösender Bedingungen

• Parallele Zielset-zungen

• Assoziation aufgrund gemeinsamer Merkmale

• Übervereinfachung von Sachverhalten

• Verfügbarkeit von Lösungsmustern

• unvollständige Ent-scheidungsregeln

• Linearisierung von Prozessen

Leichtigkeit der Fehlerentdeckung

schnelle und effektive Fehlerentdeckung

schwierige Fehlerentdeckung, oft nur durch Intervention von aussen

Risikobezogenes Entscheiden und Handeln:Kognitive Fehler (Reason 1990)

Page 8: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Vermeidung von Fehlern (1)

• Abhängig von der Art der kognitiven Fehler(z.B. Routine vermeiden bei skill-basierten Fehlern, Ausbildung verbessern bei knowledge-basierten Fehlern)

• Unter Berücksichtigung der vorhandenen Motivation(z.B. bei sehr eintönigen Tätigkeiten ist genügend Aufmerksamkeit besonder schwer sicherzustellen)

• Unter Berücksichtigung sozialer und organisationaler Faktoren(z.B. Wertschätzung von sorgfältigem Arbeiten, Zeitdruck)

Page 9: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Vermeidung von Fehlern (2)

Aber:• Grundsätzlich sind Fehler nicht gänzlich vermeidbar.• Die Häufigkeit von Fehlern kann nur reduziert und

ihre Auswirkung abgefedert werden.• DieVermeidung von Fehlern ist auch nicht unter allen

Bedingungen wünschbar, da Fehler auch Lern- und Veränderungchancen bieten.

Page 10: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Vorbedingungen Hohe Kohäsion Isolation Direktive Führung Hoher Zeitdruck

Symptome Illusion der Einstimmigkeit Gefühl der Unfehlbarkeit Zensur von Abweichlern Stereotype über Aussenstehende Kollektive Rationalisierung

Merkmale der Entscheidungsprozesse

Mangelhafte Informationssuche Mangelhafte Alternativensuche Selektive Bewertung von Alternativen Fehlende Planung von Konsequenzen

Massnahmen, um Gruppendenken zu verhindern

• Offene Entwicklung und Bewertung von Alternativen

• Ermutigung zu Kritik und Meinungsabwei-chungen

• Beizug von Experten • Institutionalisierung eines Advocatus diaboli

Risikobezogenes Entscheiden und Handeln:Gruppendenken (Janis, 1972)

Page 11: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

(Mangelnde) Motivation für vorbeugendes Handeln -Beispiel: Gründe für das Nichttragen von Hörschutz (Pasig, 1994)

• Mit der Frage habe ich mich noch nicht beschäftigt.• Eine sprachliche Verständigung ist nicht möglich.• Die Laufgeräusche der Maschine sind nicht zu hören.• Der Gehörschutz ist mir lästig.• Ich bin im Rentenalter.• Der Lärm kann mir nichts anhaben.• Die anderen tragen auch keinen Gehörschutz.• Die Führungskräfte haben das Gehörschutztragen nicht

angewiesen.• Für das Gehörschutztragen gibt es keinen Erschwerniszuschlag.

Page 12: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Modell der Motivation für vorbeugendes Handeln - Bsp. GehörschutzTragen von Gehörschutz Nichttragen von Gehörschutz

Mögliche Konsequenzen und ihre Bewertung:

Vermeidung körperlicher Schädigung (+)

eingeschränktes Wohlbefinden (-)

Einschränkung bei der Erfüllung von Arbeitsanforderungen (-)

soziale Zugehörigkeit (+/-)

soziale Anerkennung (+/-)

Mögliche Konsequenzen und ihre Bewertung:

körperliche Schädigung (-)

keine Einschränkung des Wohlbefindens (+)

keine Einschränkung bei der Erfüllung von Arbeitsanforderungen (+)

soziale Zugehörigkeit (+/-)

soziale Anerkennung (+/-)

Wahrscheinlichkeit der Konsequenzen:

Wahrgenommene Gefährdung

Wahrgenommene Funktionalität des Schutzes (bzgl Sicherheit und Arbeitsanforderungen)

Tragekomfort / optische Gestaltung

soziale Normen

Führungsverhalten

Page 13: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

"Sicherheit durch menschliches Handeln"

Dezentrale Autonomie und Kontrolle: Förderung von Kompetenz und

Motivation für flexibles Handeln in komplexen Umwelten

"Sicherheit trotz menschlicher Fehler"

Zentrale Autonomie und Kontrolle: Reduktion von Handlungsspiel-

räumen durch Reglementierung und Automation

Sicherheitsfaktor?Risikofaktor?

Die menschliche Rolle in risikoreichen Systemen: Ein Balanceakt

Personbezogene, technische und organisatorische Massnahmen als Spiegel und Bestätigung von

Menschenbildern

Page 14: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Personbezogene Sicherheitsmassnahmen in Unternehmen

Page 15: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Personbezogene Massnahmen der Sicherheitsförderung

• Können: Personalauswahl, Ausbildung

• Wollen: Motivationsförderung

• Sollen / Dürfen: Vorbilder, Normen/Kultur

Page 16: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

• Gefahrenerkennung

Ausbildung zur Förderung sicheren Handelns

Wissen entsteht wesentlich auch durch die Arbeitstätigkeit selbst !

Ergänzung von Ausbildung mit Rückmeldung über Verhaltensänderungen und Anreizen für Verhaltensänderungen

Passung von Ausbildungsziel und Anwendbarkeit des Gelerntenz.B. handlungsorientiertes Unterweisen: zugeschnitten auf konkrete Arbeitstätigkeit mit gemeinsamer Problemanalyse, Lösungssuche und Zieldefinition sowie Rückmeldung über Erfolge

Grundsätzlich wichtig:

• Kommunikations-/Kooperationsfähigkeit• Entscheidungsfähigkeit• Massnahmenwissen

Page 17: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

MotivationBedürfnismodell: Motivation = f (Befriedigung / Frustration von Bedürfnissen) z.B. Maslow: Physiologische Bedürfnisse Sicherheitsbedürfnisse Zugehörigkeits- und Zuneigungsbedürfnisse Wertschätzungsbedürfnisse Selbstaktualisierungsbedürfnisse

Prozessmodell: Motivation = Wert x Instrumentalität x Erwartung Entscheidung, eine bestimmte Handlung auszuführen oder zu unterlassen, beruht auf der Antwort zu folgenden Fragen: • Welches Ziel möchte ich erreichen? • Führt die Handlung zu diesem Ziel? • Wie wahrscheinlich ist der Erfolg der Handlung

Page 18: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Fehlende Motivation nicht als Mangel der Mitarbeitenden, sondern der Arbeitssituation

Extrinsische Motivation durch äussere Anreize

Intrinsische Motivation durch Aufgabenorientierung

Finanzielle Anreizsysteme Äussere Arbeitsbedingungen Kontrolle und Überwachung Soziale Beziehungen Druck

Vollständige Aufgaben

Anforderungsvielfalt

Aufgabenbezogene Kooperation

Entscheidungsspielräume

Lernmöglichkeiten

Je weniger intrinsische Motivation …

Je weniger extrinsische Motivation ……

desto me hr in tri ns is ch e

Moti vi eru n g n ö tig

… d

e sto

meh

r ex t

r ins i

s che

Mot

i vie

rung

nöt

ig

Förderung durch menschengerechte Arbeitsgestaltung

Page 19: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Page 20: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Instruktion für Fallstudie• Schritt 1: Schauen Sie die auf www.oat.ethz.ch unter Lehre / VL

Risikoverhalten abrufbare Videoaufnahme eines Simula-torflugs an (möglichst vor dem 23.5.) und notieren Sie alles, was Ihnen positives und negatives an der Art, wie Captain und Copilot zusammenarbeiten, auffällt.

• Schritt 2: Schauen Sie das Video nochmals nach dem 23.5. an, ergänzen Sie Ihre Beobachtungen und Bewertungen der Zusammenarbeit und benutzen Sie die am 23.5. in der Vorle-sung diskutieren Mechanismen adaptiver Koordination, um Ihre Bewertungen zu systematisieren. Formulieren Sie eine Rückmeldung und Empfehlungen an die Piloten zu ihrer Zu-sammenarbeit.

• Geben Sie die schriftliche Dokumentation Ihrer Arbeit in Schritt 1 und 2 bis zum 26.5. per e-mail an [email protected] ab.

Page 21: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Automation und Sicherheit

Page 22: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Aufgabenverteilung Mensch-Technik

Software-Ergonomie / DialoggestaltungGestaltung Anzeigen / InstrumenteGestaltung Arbeitsplätze / ArbeitsumgebungErgonomie:

Technische Hilfsmittel zur Verhaltensbeeinflussung (z.B. Signale)

Technische Redundanzen

Technische Sicherung kritischer Systemfunktionen (z.B. ABS)

Technikgestaltung in risikoreichen Arbeitssystemen

Page 23: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

QuickTime™ and aTIFF (LZW) decompressor

are needed to see this picture.

Cockpit A320

Page 24: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Menschliche Fehler bei Incidents im AirbusMenschliche Fehler bei Incidents im Airbus

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

4 (2%)

6 (3%)

7 (3%)

8 (4%)

9 (4%)

15 (7%)

16 (7%)

19 (9%)

20 (9%)

35 (16%)

38 (18%)

39 (18%)

SonstigesWahrnehmung

InterpretationSelbstüberschätzung

Slips/ LapsesProcedures

Planung/TimingEntscheidung

System OperationCrew Koordination

A/C-HandlingSituationsbewusstsein

Page 25: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Beispiel: Lack of Situation Awareness

• Crew ist sich nicht bewusst über V2• keine Bewusstheit über Power Setting (N1)• bemerkt Mode Change nicht• ist sich der niedrigen Rotationsrate nicht bewusst• bemerkt nicht, dass A/THR in Climb Thrust• sind sich nicht bewusst, im Leerlauf zu fliegen

Page 26: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Lack of Situation Awareness

fokussierte Aufmerksamkeit

mangelndes Feedback ATS

mangelndes Feedback Sidesticks

hohe mentale Belastung

Interpretationsfehlerinformationelle Einflüsse

Zugrundeliegende Faktoren Hinweis auf Bedeutung der (un)ergonomischen Gestal-tung von Steuerelementen im Airbus

Page 27: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Aufgaben in automatisierten Arbeitssystemen:"Supervisory control" (Sheridan, 1987)

(5) Lernen aus Erfahrung, um zukünftig die Leistung zu verbessern

(4) Eingreifen, d.h. der "supervisor" übernimmt die Kontrolle, wenn das Ziel erreicht ist oder er unterbricht die automa-tische Kontrolle in Notfällen, um einen neuen Zielzustand zu definieren oder eine Vorgehensweise umzuprogrammieren

(3) Überwachen der automatischen Prozesse on-line, um sicherzustellen, dass die Planung eingehalten wird und um Fehler zu entdecken

(2) Programmierung der Technik auf der Basis der Planung

(1) Planung off-line, welche Aufgabe wann zu tun ist

Page 28: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Vier Problembereiche bei Arbeitstätigkeiten in automatisierten Systemen

• Nichtpassung von Verantwortung und Kontrollmöglichkeiten

• Verlust von Erfahrungswissen

• Resttätigkeiten in Automationslücken

• Mischung qualitativer Über- und quantitativer Unterforderung

Page 29: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

"(...) das automatische Kontrollsystem ist eingeführt worden, weil es die Aufgabe besser erfüllen kann als der Operateur, und doch wird vom Operateur verlangt, dass er das richtige Funktionieren des Systems überwacht. (...) wenn die Entscheidungen vollständig spezifiziert werden können, kann der Computer sie schneller treffen, unter Berücksichtigung von mehr Entscheidungen und genauer spezifizierten Kriterien im Vergleich zu dem, was ein Mensch könnte. Daher ist es unmöglich, dass der menschliche Operateur unmittelbar überprüfen kann, ob der Computer seinen eigenen Regeln korrekt folgt.

Ironien der Automation

Man kann deshalb vom Operateur nur erwarten, dass er die Entscheidungen des Computers auf einer Meta-Ebene überwacht, um festzustellen, ob die Entscheidungen des Computers 'akzeptabel' sind. Falls der Computer für die Entscheidungen eingesetzt wird, weil menschliche Urteilskraft und intuitives Schlussfolgern dem jewei-ligen Kontext nicht angemessen sind, fragt sich, welche der Entscheidungen akzeptiert werden sollte? Der mensch-liche Überwacher hat eine unmögliche Aufgabe erhalten." (Bainbridge, 1982)

Page 30: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Ironien der Automation

mangelnde Kompetenz / Motivation / Übung

bzgl. Beurteilen des Funktionierens von Technik

bzgl. richtigem Eingreifen

Reduzierte Grundlagen, um menschliche Aufgabe zu erfüllen

Versuchter Ausschluss des Menschen aus automatisierten Systemen erhöht seine Bedeutung (Backup-Funktion)

Page 31: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Thesen zur sicherheitsförderlichen Automation

These 5: Kontrolle ist durch die Mensch-Technik- und Mensch-Mensch-Aufgabenteilung bestimmt.

These 4: Nicht eine Entweder-Oder-Entscheidung aufgrund quantitativer Leistungs-vergleiche, sondern die komplementäre Gestaltung der Interaktion von Mensch und Technik unter Nutzung ihrer qualitativ unterschiedlichen Potentiale ist anzustreben.

These 3: Um Verantwortung übernehmen zu können, müssen die Systeme für den Menschen kontrollierbar sein; Kontrolle beinhaltet die Durchschaubarkeit, Vorhersehbarkeit und Beeinflussbarkeit des Systems.

These 2: Menschen müssen auch in automatisierten Systemen die Verantwortung für das Funktionieren des Systems übernehmen.

These 1: Jedes automatisierte System ist ein soziotechnisches System, unabhängig vom Grad der Automatisierung.

Page 32: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Strategien für die Aufgabenverteilung zwischen Mensch und Technik

Allokationskriterium Menschenbild Technikbild Ausdrückliche Planung mensch-licher Aufgaben

Wirtschaftlichkeit Kostenfaktor nein

Maximale Automation Stör-/Risikofaktor Effizienz-/ Sicherheitsfaktor

nein

Ausnutzung der Leistungspotenziale

konkurrierender Leistungsfaktor ja

Motivierende/menschengerechte Aufgaben

wertvolle Ressource

Unterstützung des Menschen

ja

Situationsangepasste Flexibilität

wertvolle Ressource ja

Page 33: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Menschliche Fähigkeiten im Vergleich zu technischen PotentialenMensch besser als Maschine Maschine besser als Mensch Wahrnehmung schwacher und/oder unerwarteter Signale auch bei viel "Rauschen"

Wahrnehmung von vorher spezifizierten Signalen auch ausserhalb menschlicher Sinne

(Wieder-)Erkennen komplexer Reizmuster in verschiedenen Situationen

Verarbeitung quantitativer Information nach vorgegebenen Regeln

Behalten von Prinzipien und Strategien, weniger Einzelinformationen, über lange Zeit

Behalten grosser Mengen von Detailinforma-tion

Erinnern relevanter Informationen einschliess-lich assoziativer Ketten

Abruf von Information nach vorgegebenen Regeln

Improvisation in "Not"-Situationen Zuverlässige Ausführung repetitiver Prozesse Setzen von Prioritäten bei Überbelastung Aufrechterhaltung gleicher Leistung über

lange Zeiträume und bei hoher Belastung

hochausgebildete Sensorik

ImprovisationsfähigkeitBewältigung von "ill-defined" Problemen

Geschwindigkeit

exakte Wiederholung ohne ErmüdungBewältigung von komplexen, aber "well-defined" Problemen

Page 34: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Kritik an der Vergleichsstrategie

d.h. Automatisierung einer Funktion beeinflusst Ausführung anderer Funktionen durch den Menschen

Ausführungsbedingungen ergeben sich aus Wechselwirkungen zwischen Funktionen

d.h. statt Entweder-Oder-Entscheiden bei der Funktionsverteilung ist die Interaktion von Mensch und Technik zu gestalten

Mensch und Technik sind nicht austauschbar, sondern ergänzen sich

d.h. die gleiche Funktion wird von Mensch und Technik qualitativ anders erfüllt

Mensch und Technik sind nicht quantitativ vergleichbar

Page 35: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Das Grundprinzip der Komplementarität

sondern als komplementäre Unterstützung der Stärken des Menschen und Kompensation seiner Schwächen

nicht als Konkurrent und nicht als Nachbildung des Menschen mit dem Ziel, ihn zu ersetzen,

d.h. Technik

Gestaltung der Interaktion von Mensch und Technikauf der Grundlage einer sich zu einer neuen Qualitätergänzenden Unterschiedlichkeit

Page 36: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Kriterien für eine komplementäre Aufgabenverteilung zwischen Mensch und Technik -Förderung menschlicher Kontrolle über technische Prozesse

Durchschaubarkeit und Vorhersehbarkeit• Prozesstransparenz

Möglichkeit des Aufbaus mentaler Modelle bzgl. Art und zeitlichem verlauf des Bearbeitungsprozesses; Art und Ausmass der Prozessrückmeldungen

Beeinflussbarkeit• Dynamische Kopplung

Ausmass und Nutzung der technisch gegebenen Wahlmöglichkeiten bzgl. Zeit, Ort, Arbeitsverfahren und gefordertem kognitivem Aufwand

• AutoritätAufteilung der Entscheidungsgewalt über Informationszugang und Beeinflussung der Prozessausführung zwischen Mensch und Technik

• FlexibilitätVeränderungbarkeit der Funktionsteilung zwischen Mensch und Technik und Aufteilung der diesbezüglichen Entscheidungsgewalt

Page 37: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Komplementäre Systemgestaltung

Schaffung von vollständigen, sinnvollen Aufgaben in soziotechnisch optimierten Arbeitssystemen(d.h. Förderung eines "aktiven Operateurs"; Operateur als "Systemmanager")

und

Förderung der Kontrolle über das technische System(d.h. Durchschaubarkeit / Vorhersehbarkeit und Beeinflussbarkeit des Systems)

durch

Vermeidung / Verringerung der "Ironien der Automation"

Page 38: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Sichere Gestaltung von Organisation – Strategien des Management von Unsicherheit

Page 39: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Definitionen für Sicherheitskultur und Sicherheitsmanagement• Safety culture: “that assembly of characteristics and

attitudes in organizations and individuals which establishes that, as an overriding priority, nuclear safety issues receive the attention warranted by their significance” (INSAG, 1991)

• Safety management: “the safety management system comprises those arrangements made by the organization for the management of safety in order to promote a strong safety culture and achieve good safety performance” INSAG, 1999)

Page 40: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Policy Level Commitment

Self-Regulation

Definition of responsibilities

Definition and Control of Safety Practices

Qualifications and Training

Rewards and SanctionsAudit, Review and Comparison

Communication

Rigorous and Prudent Approach

Questioning Attitude

Managers' Commitment

Statement of Safety Policy

Management Structures

Resources

Individuals' Commitment

Elemente von Sicherheitskultur nach INSAG (1991)

Page 41: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Merkmale sicherer Organisationen:Beschreibung von Sicherheitskultur oder Sicherheitsmanagement? (z.B. Cohen, 1977; Reason, 1993)

• Commitment des Management zur Sicherheit• Sicherheitsausbildung und -motivation• Sicherheitsgremien und - vorschriften• Unfallberichte• Angemessene Inspektionen und Kommunikation• Angemessene Vorschriften für Betrieb und Unterhalt• Gutgestaltete und funktionierende technische Anlagen• Gute allgemeine Ordnung

Page 42: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Organisationskultur"a pattern of basic assumptions - invented, discovered, or developed by a given group as it learns to cope with its problems of external adaptation and internal integration - that has worked well enough to be considered valid and therefore, to be taught to new members as the correct way to perceive, think, and feel in relation to those problems" (Schein, 1985)

Artefakte Sichtbare Strukturen und Prozesse in der Organisation(schwer zu entziffern)

WerteStrategien, Ziele, Philosopien (gültige Rechtfertigungen)

GrundannahmenUnbewusste, als selbstverständlich angenommene Glaubenssätze, Beurteilungen, Gefühle(primäre Quelle von Werten und Handlungen)

Page 43: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Soziotechnisches Modell der Sicherheitskultur (Grote & Künzler, 2000)

Materielle Merkmale der Organisation

Immaterielle Merkmale der Organisation

Normen und Grundannahmen, die die Integration von Sicherheit in alle Arbeitsprozesse fördern

Normen und Grundannahmen zu soziotechnischen Gestaltungsprinzipien wie Automationsphilosophie und Umgang mit Vertrauen/Kontrolle

Verankerung der Sicherheit in der Aufbau- und Ablauforganisation

Gemeinsame Optimierung von Technikeinsatz und Arbeitsorganisation mit dem Ziel der Regulation von Schwankungen und Störungem am Entstehungsort

}

}

Proaktiv

Soziotechnisch integriert

Wertebewusst

sichtbar, aber oft nicht entzifferbar

unsichtbar, selbstverständlich

Ziel: Verbindung zwischen Sicherheitskultur und gesamthafter Organisationskultur sowie zu nicht direkt sicherheitsbezogenen materiellen Merkmalen der Organisation

Page 44: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Indikatoren im soziotechnischen Modell der Sicherheitskultur

• Individuelles und kollektives Sicherheitsbewusstsein als Handlungsbasis

• Fragende Grundhaltung bzgl. Praktiken und Leitlinien• Partizipation aller Betroffenen bei Entscheidungs- und Veränderungsprozessen• Reflexion der Balance von zentraler vs. dezentraler Kontrolle und Autonomie

(III) Wertebewusstes Handeln

• Kontrollierbare technische Systeme• Individuelle Motivation durch Aufgabenorientierung• Selbstregulation in kleinen Regelkreisen• Aufgabenangemessene technische und organisatorische Sicherheitssysteme

(II) Soziotechnisch integrierte Systemgestaltung

• Institutionalisierte kontinuierliche Verbesserungsprozesse• Erhebung von Negativ- und Positivindikatoren von Sicherheit• Ressourcenplanung als Verpflichtung zur Sicherheitsförderung• Strategische und operative Sicherheitsziele für alle Unternehmensbereiche

(I) Proaktive Sicherheitsförderung

Page 45: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Sicherheitskultur im Kontext des Management von Unsicherheit

Page 46: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Fallbeispiel: Störung in einer Polyethylen-Anlage (aus einer realen Tätigkeitsbeobachtung)

In einer Produktionsanlage eines Petrochemiewerks wird Polyethylen aus in Isobutan gelöstem Ethylen unter hohem Druck und hoher Temperatur unter Zuhilfenahme verschiedener anderer Chemikalien, u.a. Hexan, in sogenannten Loop-Reaktoren hergestellt. Ein Operateur im Kontrollraum dieser Produktionsanlage überwacht den Reaktionsprozess in zwei solchen Reaktoren auf einer Reihe von Bildschirmen und Prozessschreibern. Mit Blick auf einen der Prozessschreiber erläutert einer seiner Schichtkollegen der Beobachterin: "Wenn diese beiden Kurven nicht mehr parallel laufen, ist Vorsicht geboten - wenn sie sich kreuzen, muss sofort der Prozess gestoppt werden." Bei den beiden Kurven handelt es sich um Messungen des Drucks im Reaktor und des Energieverbrauchs bei einer Gruppe von Pumpen; die Kreuzung der beiden Kurven zeigt eine Klumpung des Polyethylens an, wodurch einerseits der Druck im Reaktor steigt, andererseits mehr Energie nötig ist, um das fertige Produkt aus dem Reaktor zu pumpen. Neben den Prozessschreibern wurde auch ein Blatt Papier angeklebt, auf dem kritischen Werte für diese beiden Parameter stehen, unterschieden nach dem Wert, bei dem der Vorgesetzte zu unterrichten ist, und dem Wert, bei dem der Prozess abgestellt werden muss, was sofortiges Leeren des Reaktors und Spülen mit Wasser sowie einen mehrstündigen Produktionsunterbruch bedeutet. Eine Stunde später beginnen sich die beiden Kurven tatsächlich aufeinander zu zu bewegen. Der Operateur bemerkt dies sofort und verändert nach Überprüfung einiger anderer Kenngrössen die Sollwerte für den Produktionsstoff Hexan - er hat sich zusätzlich über die Hexan-Sollwerte in den Prozess-vorschriften vergewissert -, wodurch das Prozessleitssystem den Zufluss des Stoffes reduziert und der Reaktor aufgrund des geringeren Reaktionsvolumens entlastet wird. Gleichzeitig hat der Operateur auch den Schichtführer informiert, der wenige Minuten später aus einer Sitzung heraus zu ihm kommt und auch während des weiteren Verlaufs der Störung anwesend ist. Die ersten Aktionen des Operateurs haben den Trend der Messgrössen noch nicht umgekehrt, erst weitere Reduktionen des Hexanzuflusses und schnelleres Entleeren des Kessels führen nach mehr als einer Viertelstunde wieder zu einer Normali-sierung der Werte. Im Verlauf dieser Störung haben sich die beiden Kurven auf dem Prozessschreiber kurzfristig gekreuzt, im Vertrauen auf seine Fähigkeiten und unterstützt durch den Schichtführer hat sich der Operateur aber dagegen entschie-den, den Prozess gänzlich zu stoppen. Statt einen grösseren Produktionsausfall zu verursachen, hat er innerhalb einer halben Stunde den Prozess wieder weitgehend normalisiert, auch die Resultate der Qualitätskontrolle sind bald wieder positiv. Der Schichtkollege kommentiert "Ich hätte den Prozess ganz sicher gestoppt", dabei ist aber Bewunderung für die Kompetenz des Anderen zu spüren.

Ihre Aufgabe:Hat der Operateur richtig gehandelt? Warum?

Page 47: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Kernprinzipien von Arbeitsorganisation: Zwei Herangehens-weisen an das Management von Unsicherheit (Grote, 2004)

*Unsicherheiten können aus der Systemumwelt und/oder den Transformationsprozessen im System stammen.

Minimierung von Unsicherheiten– Komplexe, zentrale Planungs-systeme– Reduktion von operativen Hand-

lungsspielräumen durch Regle-mentierung und Automatisierung

– Störungen als zu vermeidende Symptome ineffizienter System-gestaltung

Bewältigung von Unsicherheiten– Planung als Ressource für situatives

Handeln– Fördern operativer Handlungs-

spielräume durch vollständige Aufgaben und laterale Vernetzung

– Störungen als Gelegenheit für Kompetenzerwerb/-einsatz und für Systemveränderungen

Bindung

Autonomie

Balance durch lose Kopplung Motivation durch Aufgabenorientierung

Autonomie höherer OrdnungFlexible Wechsel zwischen Organisationsformen

Kultur als Basis für Koordination/Integration

Page 48: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Mechanistische vs. organismische Organisation (Burns & Stalker, 1960)

Mechanistisch Organismisch Spezialisierung / Differenzierung Funktionale Integration

Abstrakt und genau definierte Teilaufgaben losgelöst vom Gesamtziel

Teilaufgaben und Rollen mit klarem Bezug zur Gesamtaufgabe

Koordination vertikal und unidirektional Koordination lateral und reziprok

Hierarchische Struktur bzgl. Führung und Wissenstransfer

Netzwerk bzgl. Führung und Wissens-transfer

Routine Innovation

wirkungsvoll in statischen Umwelten wirkungsvoll in dynamischen Umwelten

Kontingenzansätze: Minimierung von Unsicherheit möglich bei wenig Unsicherheiten, Bewältigung von Unsicherheit nötig bei vielen Unsicherheiten

Page 49: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Die unsichere Beziehung zwischen Autonomie und Sicherheit• Positive Beziehung

– Einführung teilautonomer Arbeitsgruppen (z.B. Pasmore et al., 1982) – Zwischenbetrieblicher Vergleich zur Beziehung zwischen individueller Autonomie und

Arbeitsunfällen (z.B. Shannon et al., 1997)– Fallstudien in “high reliability organizations” zu flexiblen, situationsbezogenen Wechseln

zwischen hoher/niedriger Autonomie (LaPorte & Consolini, 1991)• Negative Beziehung

– Zwischenbetrieblicher Vergleich zur Beziehung zwischen individueller Autonomie und Arbeitsunfällen (z.B. Saari & Lathela, 1978; Hoyos et al., 1981)

– Fallstudien zu Unfällen: Unvereinbare Anforderungen an gleichzeitige De-/Zentrali-sierung in eng gekoppelten und komplexen Systemen (Perrow, 1984)

• Gemischte Resultate– Zwischenbetrieblicher Vergleich zur Beziehung zwischen individueller Autonomie und

Sicherheitsmanagement: Positiv ausser für autonome Störungsbehandlung (Grote & Künzler, 2000)

– Einführung teilautonomer Arbeitsgruppen: Positiv für proaktives Verhalten, keine Beziehung zu Vorschrifteneinhaltung (Turner, 2002)

Ausmass organisationaler Unsicherheit als Moderator?

Page 50: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Balance zwischen Autonomie und Zentralisierung durch lose Kopplung

The concept of loose coupling allows theorists to posit that any system, in any organizational location, can act on both a technical level, which is closed to outside forces (coupling produces stability), and an institutional level, which is open to outside forces (looseness produces flexibility) (Orton & Weick, 1990)

Mechanismen für lose Kopplung:– Motivation durch Aufgabenorientierung– Autonomie höherer Ordnung– Flexible Wechsel zwischen Organisationsformen– Integration/Koordination durch Kultur

Page 51: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

"Before you can decentralize, you first have to centralize so that people are socialized to use similar decision premises and assumptions so that when they operate their own units, those decentralized operations are equivalent and coordinated. This is precisely what culture does. It creates a homogeneous set of assumptions and decision premises which, when they are invoked on a local and decentralized basis, preserve coordination and centralization. Most important, when centralization occurs via decision premises and assumptions, compliance occurs without surveillance. This is in sharp contrast to centralization by rules and regulations or centralization by standardization and hierarchy, both of which require high surveillance. Furthermore, neither rules nor standardization are well equipped to deal with emergencies for which there is no precedent." (Weick, 1987)

Koordination and Integration durch Kultur

Page 52: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Lose Kopplung durch angemessene Standardisierung• Standards unterstützen koordiniertes Handeln ohne

Notwendigkeit für explizite Koordination• Standards unterstützen geteilte mentale Modelle der

Situation und des angemessenen Handelns• Standards reduzieren die bewusste individuelle

Handlungsplanung• Standards können explizite Koordination in anomalen

Situationen verhindern Welche und wieviele Standards sind nötig, um situatives,

flexibles Handeln zu unterstützen ?

Page 53: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Standardisierung als eine Form der Koordination von Arbeitsprozessen (Kieser & Kubicek, 1992)

• Koordination = Abstimmung arbeitsteiliger Prozesse und Ausrichtung auf das Organisationsziel

• Koordination kann erreicht werden durch– Zentrale Programme und Pläne (= Standardisierung)– Persönliche Weisungen– Laterale Teaminteraktion

• Koordination kann explizit oder implizit sein.

Page 54: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Adaptive Koordination (Entin & Serfaty, 1999)

• Adaptive Koordination:Aufgrund situativer Anforderungen müssen verschiedene Koordinationsformen gewählt werden– Z.B. Implizite Koordination durch Standards und durch

laterale Teaminteraktion bei hoher Aufgabenlast– Z.B. persönliche Weisungen und explizite Koordination

durch laterale Teaminteraktion in neuen Situationen

Page 55: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Forschungsprojekt: Erfordernisse und Effekte adaptiver Koordination (Grote, Zala & Grommes, 2004)

• Nachweis des Auftretens und der Effekte adaptiver Koordination– Durch den Vergleich Cockpit Crews (hohe

Standardisierung) mit Anästhesieteams (niedrige Standardisierung)

– Durch den Vergleich verschiedener Arbeitsphasen mit unterschiedlicher Standardisierung und Arbeitsbelastung innerhalb der beiden Arbeitssitua-tionen

Page 56: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Flugphase

1

Take-off

2

Vorbereitung

Clean approach

3

Anflug und Landung

Durchschnittliche Dauer (min.) 3 10 3

Arbeitsbelastung Niedrig Niedrig Hoch

Standardisierung Hoch Niedrig Hoch

Koordinationseinheiten (KE) total 840 3514 1429

KE standardisierte Kommunikation 52% 9% 28%

KE explizit 66% 81% 60%

KE implizit 34% 19% 40%

KE Fhrung 2% 14% 3%

KE Heedful interrelating 2% 18% 19%

r=.37 zwischen Leistung und expliziter Koordination total Gute Teams nutzten mehr Führung in Phase 2 and weniger in Phasen 1 & 3. Gute Teams hatten First Officers, die weniger implizite Koordination nutzten.

Resultate für Cockpit Crews (N=42 Crews in Simulatortrainings)

Page 57: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Einleitungsphase

1

Vorbereitung

2

Preintubation

3

Intubation

4

Zusätzliche Vorbereitung

5

Transport

Durchschnittliche Dauer (min.)

11 7.5 3 12 2

Arbeitsbelastung Niedrig Moderat Hoch Hoch Niedrig Standardisierung Hoch Moderat Moderat Niedrig Keine

Koordinationsein-

heiten (KE) total

1561 1605 916 1780 372

KE explizit 59% 69% 71% 74% 70% KE implizit 41% 31% 29% 26% 30%

KE Führung 10% 15% 17% 17% 22% KE Heedful

interrelating

6% 9% 12% 10% 15%

Resultate für Anästhesieteams(N=23 reale Narkoseeinleitungen)

Page 58: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Zusammenfassung der Ergebnisse

• Teams nutzen adaptive Koordination in Verbindung mit verschie-denen Graden an Standardisierung und Arbeitsbelastung:Hohe Standardisierung mehr implizite Koordination weniger Führung weniger heedful interrelating

Hohe Arbeitsbelastung mehr implizite Koordination (nur Cockpit Crews) mehr heedful interrelating

• Unerwartet mehr explizite Koordination im Cockpit– Kein geteilter Handlungsraum– Geringe Teambekanntheit– CRM training– Simulator-Effekt

Page 59: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Schlussfolgerungen für die Förderung sicherer Organisationen

• Angemessenes Management von Unsicherheit ist zentral für sichere und effiziente Arbeitsprozesse.

• Sicherheitsmanagement muss in Richtung des Unsicher-heitsbewältigungsansatzes gehen, ohne die Balance mit dem Unsicherheitsminimierungsansatz zu verlieren.

• „Regelmanagement“ ist ein vielversprechende Ansatz, um diese Balance zu fördern:– Systematische Entscheidungen über die Ebene der Handlungsregula-tion,

die durch die Regeln angesprochen ist (Ziel, Prozess, konkrete Handlung)– Mehr Nutzung von Prozessregeln, z.B. zur Unterstützung adaptiver

Koordination, insbesondere in unsicheren Arbeitskontexten– Systematische Wahl des Vorgehens für die Entwicklung von Regeln

Page 60: Prof. Dr. Gudela Grote VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006 Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich Vorlesung Risikoverhalten

Prof. Dr. Gudela Grote

VL Risikoverhalten in Arbeitswelt und Alltag SS 2006

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich

Prüfungsliteratur

• Grote, G. (in Druck). Arbeits- und Prozesssicherheit. In H. Schuler & Kh. Sonntag (Hrsg.), Handbuch der Arbeits- und Organisationspsychologie. Göttingen: Hogrefe.

• Grote, G. (2004). Uncertainty management at the core of system design. Annual Reviews in Control, 28, 267-274.

• Reason, J. (1990). Human error. Cambridge: Cambridge University Press (Dt.: Menschliches Versagen. Heidelberg: Spektrum.) Kap. 7.

• Weick, K.E. (1987). Organizational culture as a source of high reliability. California Management Review, 29, 112-127.