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Profil Nationaldemokratische Schriftenreihe 13 Folge Grundlagen einer nationaldemokratischen Volkswirtschaftslehre NPD Die Nationalen Arbeitskreis Wirtschaftspolitik beim NPD-Parteivorstand

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Grundlagen einer nationaldemokratischen Wirtschaftsordnung

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ProfilNationaldemokratische Schriftenreihe

13Folge

Grundlagen einernationaldemokratischenVolkswirtschaftslehre

NPDDie NationalenArbeitskreis Wirtschaftspolitik beim NPD-Parteivorstand

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Grundlagen einernationaldemokratischenVolkswirtschaftslehre

Raumorientierte Volkswirtschaft statt „Basar-Ökonomie“

Positionspapierdes ArbeitskreisesWirtschaftspolitik beim NPD-Parteivorstand

Impressum:Herausgeber: NPD-Parteivorstand(V.i.S.d.P.: Arne Schimmer, Eigendruck im Selbstverlag)Seelenbinderstraße 42, 12555 BerlinTel. 030/65011-0, Fax 030/65011-140, Internet: http://www.npd.de; ePost: [email protected]

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Hinweis:Das vorliegende Positionspapier geht auf ein

wirtschaftspolitisches Thesenpapierdes NPD-Arbeitskreises „Volk und Staat“ zurück und wurde dann vom Arbeitskreis

Wirtschaftspolitik beim NPD-Parteivorstand überarbeitet und in die nunmehr

vorliegende Form gebracht. Ergänzt wurde es um einen geschichtlichen

Vorspann, ein Glossar, eine Literaturliste und die entspre-chenden Auszüge aus dem Parteiprogramm

und den Antworten der NPD auf die „Wahlprüfsteine der sächsischen Wirtschaft anläßlich der Wahl

zum 4. Sächsischen Landtag am 19. September 2004“.In seiner Form wurde der Text

als Arbeitsgrundlage zur innerparteilichenOrientierung vom Parteivorstandzur Veröffentlichung freigegeben.

Berlin, im November 2006

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InhaltVorwort..................................................................... 6Geschichte............................................................... 8Merkantilismus - Kameralismus........................................ 8Physiokraten und Klassiker...............................................10Fichte und Hegel – Idealismus und die Rolle der Korporationen.................................................................... 11Sozialismus und Marxismus.............................................. 14Romantiker und Historismus............................................. 16Das 20. Jahrhundert – Keynes und Gesell....................... 17Deutsche Wege – Organische Wirtschaftslehre nach Spann, Preußischer Sozialismus und gelenkte Marktwirtschaft nach Eucken.............................................19Neoliberalismus ................................................................ 20

Der Weg in den Abgrund........................................ 22Der Crash an den Börsen – Der gescheiterte Neoliberalismus erfordert den Paradigmenwechsel.......... 22Die Entstehung der Kursblase in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts.............................................23Schema einer spekulativen Attacke.................................. 25Keine Alternativen zum Krisenkapitalismus? Was ist nationaler Antikapitalismus?................................. 27

Die raumorientierte Volkswirtschaft..................... 32Ricardos Gesetz der komparativen Kostenvorteile........... 34Gibt es eine Krise der Erwerbsarbeit?.............................. 36„Raumorientiert“ wieso und warum?................................ 37Das neue Paradigma........................................................ 39Globalisierung und sozioökonomischer Verfall – ein Gesamtprozeß mit positiver Rückkopplung................................................................... 42Exportlastigkeit: Außenwirtschaft verdrängt Binnenwirtschaft................................................................ 46Der deutsche Exportüberschuß........................................ 48Stagnierende Investitionen im Inland, Kapitalanlagen der Industrie im Ausland........................... 49Der implodierende Dienstleistungsbereich........................ 50Importe verhindern gewerbliche Vielfalt in Deutschland... 53Verdrängung der Binnenwirtschaft durch die Exportwirtschaft................................................................. 55

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Elemente der raumorientierten Volkswirtschaft.. 59Märkte und Staat............................................................... 61Das kapitalistische Gewinnprinzip.................................... 67Sozialpolitik und Recht auf Arbeit...................................... 71Der Kapitalbildungsprozeß................................................ 73Landschafts- und Umweltschutz........................................77

Auszug aus dem Parteiprogramm der NPD......... 79 Die Wirtschaft muß dem Volke dienen.............................. 79Die raumorientierte Volkswirtschaft................................... 80Währung, Steuern und Finanzen...................................... 81Sozialpolitik als nationale Solidarität................................. 81

IHK Leipzig: Wahlprüfsteine der sächsischen Wirtschaft anläßlich der Wahl zum 4. Sächsischen Landtag am 19. September 2004

Antworten der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD)............................................... 83

GlossarKleines Wirtschafts- und Finanzwörterbuch von A-Z........ 96

Kleine Literaturliste................................................ 122

Endnoten................................................................. 129

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Inhalt

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Udo Voigt, NPD-Partei-vorsitzender

VorwortIn den vergangenen Jahrzehnten ist es zu einem weitrei-chenden und beinahe vollständigen Paradigmenwechsel in den Wirtschaftswissenschaften gekommen. Der Keynesianismus wurde als wirtschaftspolitische Leitvorstellung vom Neolibera-lismus abgelöst. Die „Globalisierung“ – verstanden als ein poli-tischer Prozeß, der sukzessive zur unumschränkten Marktfrei-heit von Unternehmen auf den Weltmärkten führt – ist zu dem wohl meistbenutzten Schlagwort in den politischen Debatten der vergangenen zehn Jahre geworden. Diese Globalisierung – angeheizt durch nationale Privatisierungen – hat temporär zu mehr Wettbewerb, allerdings ohne mehr Wohlfahrt, dafür aber zu mehr Konzentrationsprozessen in der Wirtschaft und dadurch zu noch mehr Macht von weltweit agierenden Konzer-nen geführt. Insbesondere die Liberalisierung der Finanzmärk-te ermöglichte es, daß heute – wie nie zuvor – mit Währungen, Rohstoffen und Unternehmen spekuliert werden kann.

Nach dem Absturz der Börsenkurse im Jahr 2000, durch die eine gigantische Kapitalvernichtung in Gang gesetzt wurde, wird die Weltwirtschaft gegenwärtig durch ein Dreieck von gefährlichen Krankheitssymptomen paralysiert: von der weltweiten Rezes-sion und Deflation als Folge der globalen Kapitalvernichtung bisher unbekannten Ausmaßes, von pessimistischen Zukunfts-erwartungen, von denen die wirtschaftlichen Entscheidungen von Investoren und Konsumenten zunehmend bestimmt wer-den, und von der Sogwirkung nationaler wie internationaler Insolvenzen auf der Staaten- und der Unternehmensebene. Aber auch allgemein ist der Prozeß von Globalisierung und Li-beralisierung von zunehmenden Verteilungsungerechtigkeiten gekennzeichnet. Die Zahl der Menschen ohne Arbeit oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen hat weltweit eine bis jetzt nicht gekannte Größenordnung erreicht. Auch in Deutsch-land zeigen sich die Schatten der Globalisierung in einer an-steigenden Armutsquote. Die neoliberalen Geister verkünden auch hier landauf, landab ihre Heilslehre von der angeblich notwendigen Dominanz und Vorherrschaft der Märkte und ih-rer Befreiung von staatlicher Bevormundung. Der Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft wird einseitig zugunsten des Profitvorteils vermögender Kapitalschichten aufgegeben, die sich schon immer einen armen und schwachen Staat leisten konnten.

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Gibt es Alternativen? Das vorliegende Positionspapier, das in erster Linie von Per Lennart Aae und Arne Schimmer sowie – das Glossarium betreffend – von Martin Laus ausgearbeitet wurde, geht davon aus, daß der Mensch sich nicht auf den egoistischen homo oeconomicus der Ellbogengesellschaft re-duzieren läßt, sondern ein „gesellschaftliches Wesen“, oder – wie Aristoteles es formuliert – ein „politisches Tier“ (zoon po-litikon) ist, und es daraus folgend gar kein uneingeschränkt geltendes Autonomieprinzip für die Sphäre des Ökonomischen geben kann. Im Gegenteil: Wirtschaft ist für den Menschen da, nicht umgekehrt! Dieses eigentlich selbstverständliche ökono-mische Axiom scheint unter den heutigen kapitalistisch-neo-liberalen Verhältnissen verloren gegangen zu sein und eine geradezu revolutionäre Qualität zu gewinnen.

Das nationaldemokratische Konzept einer „raumorientierten Volkswirtschaft“, das in der vorliegenden Broschüre in den Grundzügen erläutert wird, ist das Gegenbild zu einer „freien Marktwirtschaft“, die frei von sozialer und ökologischer Verant-wortung ist, und all jene bestraft, die versuchen, ihre Arbeit ortsgebunden und verantwortungsbewußt zu tun. Dieses Ge-genmodell ist aus der Einsicht heraus geboren, daß auf der globalen Ebene der Mega-Konzerne und der supranationalen Institutionen all jene institutionalisierten Formen sozial verant-wortlicher und demokratisch kontrollierter politischer Macht fehlen, die notwendig wären, um den internationalen Konkur-renzkampf gegen seine Auswüchse abzuschirmen. Nicht zu-letzt soll die vorliegende Broschüre alle Leser in der Partei und über die Partei hinaus dazu ermuntern, sich über wirtschafts-politische Alternativen Gedanken zu machen, die jenseits der heute ständig propagierten Trias von Privatisierung, Liberali-sierung und Deregulierung liegen.

Berlin, im November 2006

Udo Voigt, Dipl.sc.pol.NPD-Parteivorsitzender

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Vorwort

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Geschichte

Jean Bodin (1530-1596)

„Es ist somit zwar hyperbolisch wahr, daß alles Ständische und Stehende verdampft, aber sachlich falsch. Die große Mobilmachung durch das Kapital muß stehenlassen, was sich der Liquidierung widersetzt. Sie kann lokale Kulturen nicht per Auslandsüberweisung transferieren, sie kann die generativen Prozesse modifizieren, aber nicht ersetzen… Die „res publica“ funktioniert nur als ein Parlament der Ortsgeister. Bürgergesellschaften verwahrlosen schnell, wenn sie den durchreisenden Ideologen und Sektenführern in die Hände fallen.“Peter Sloterdijk, Im Weltinnenraum des Kapitals

Geschichte

Von einer ausgearbeiteten autonomen Wirtschaftslehre kann erst an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert die Rede sein.Eine Volkswirtschaftslehre, die davon ausgeht, daß es ver-steh- und deutbare, allgemein vorhandene und überall sich durchsetzende Zusammenhänge des wirtschaftlichen Lebens gibt, die für die Wirtschaftspolitik zugleich die unabänderlichen Gesetze und die unüberschreitbaren Grenzen enthalten und festlegen, wäre weder in der Antike, wo alle Theoriebildung durch die Polis, noch im Mittelalter, wo alle Theoriebildung durch das Christentum begrenzt war, denkbar gewesen.

Merkantilismus - Kameralismus

Mit der Zerstörung der letzten mittelalterlichen Bindungen kommt es zunehmend zu einem „Bündnis der Ökonomik mit der mächtigsten geistigen Bewegung der Zeit, dem im Schoß der Kirche großgewordenen, nun aber aus seinen eigenen Voraussetzungen heraus revolutionierten und individualisier-ten Naturrecht“.1 Der Merkantilismus, der mit der frühen Na-tionenbildung zusammenfällt, fordert die möglichst weite Aus-dehnung der nationalen Keimzelle. Diese Ausdehnung will er größtenteils nicht durch Verständigung oder Vertrag erreichen, sondern der Krieg gilt ihm als das eigentliche politische Mittel und die Förderung der eigenen durch Schädigung der frem-den Wirtschaft erscheint ihm als die einzige Möglichkeit des Reichtums durch Außenhandel. Der Franzose Jean Bodin (1530-1596) entwickelt als erster das klassische Programm des Merkantilismus: hohe Ausfuhrzölle für Waren, die im Aus-

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land benötigt werden; Ausfuhrverbot für eigene Rohstoffe; niedriger Einfuhrzoll für ausländische Rohstoffe; hoher Ein-fuhrzoll für fremde Fabrikate. Daraus wird abgeleitet, daß die Staatswohlfahrt nur durch eine aktive Handelsbilanz befördert werden kann, in der sich der größtmögliche Überschuß der Warenausfuhr über die Wareneinfuhr sowie die größtmögliche Verhinderung des Imports und die Begünstigung des Exports von Fertigwaren widerspiegelt.

Sowohl der französische Merkantilismus als auch sein preu-ßisches Gegenstück, der Kameralismus2, gehen davon aus, daß ein starker Staat die Wirtschaft dirigieren und ordnen muß – etwa durch Schutzzölle, Manufakturgründungen, Getreide-bevorratung und Preisregulierung sowie durch gewerbliche und landwirtschaftliche Erziehungs- und Musteranstalten –, um eine optimale Entwicklung der Territorialwirtschaft und zu-gleich jedem Stand sein Einkommen zu garantieren. Während der französische Merkantilismus dem Außenhandel eine vor-rangige Stellung einräumt, weil dieser auf die überseeischen Kolonien Frankreichs ausgerichtet ist, konzentriert sich der preußische Kameralismus neben der Gründung staatlicher Ma-nufakturen auf die Entwicklung der Landwirtschaft vor allem in seinen ostelbischen Provinzen. Der Einfluß des preußischen Staates auf die Wirtschaft drückt sich aus in der Steigerung der fürstlichen Einkünfte aus den Domänen und Kammergü-tern. Der Kameralismus wurde – erweitert um eine allgemeine Wirtschafts- und Verwaltungslehre – seit 1727 an den Univer-sitäten Halle an der Saale und Frankfurt an der Oder als eige-ne staats- und wirtschaftswissenschaftliche Disziplin gelehrt3.

In England und Schottland, wo die Monarchen und verschie-dene Interessengruppen, wie die Merchant Adventures dem Außenhandel eine viel höhere Priorität als der Binnenwirtschaft einräumten, entwickelte sich aus dem Merkantilismus der puri-tanische Kommerzialismus, der eine gottgewollte Übereinstim-mung privatwirtschaftlicher Interessen mit dem allgemeinen In-teresse der Volkswirtschaft postuliert.

Bereits im 15. Jahrhundert hatten Portugiesen und Spanier vom Papst die Welt in ihre Interessenssphären einteilen las-sen. Besonders englische und schottische Handelslobbies laufen dagegen Sturm und erreichen, daß das Königreich Eng-land in mehreren Seeräuberkriegen gegen Spanien faktisch

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Geschichte

Manufaktur:In der Frühzeit des Kapitalismus dominierte zwar noch die Hand-arbeit, die Produktion war aber

bereits deutlich rationalisiert

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die päpstliche Einteilung der Welt aufhebt. Die englischen und schottischen Handelslobbies rechtfertigen ihre Politik nach innen und außen mit einer vom christlichem Protestantismus abgeleiteten puritanischen Moralideologie. Aus der Freiheit der christlichen Religionsausübung leiten sie die Freiheit der Meere ab, statt mare clausum (geschlossenes Meer), mare li-berum (freies Meer). Aus der damals aktuellen Argumentation entwickeln dann vor allem schottische Gelehrte die „Freihan-delsweltanschauung“ des 18. Jahrhunderts.

Gleichzeitig beginnen die englischen Handelsinteressenten durch Seeräuberei, monopolistische Handelsgesellschaften wie der East India Company und gesetzliche Maßnahmen, wie die Navigationsakte von 1651, erneuert und erweitert 1660, 1663 und 1673, ihre Weltanschauung so zu verformen, daß eben nicht der propagandistisch herausgestellte Freihandel für alle Ergebnis ihrer Politik ist, sondern durch die oben ge-schilderten antifreihändlerischen Maßnahmen wie die Naviga-tionsakte nur in einem durch englische und schottische Inter-essen abgesteckten Bereich stattfindet.

Erst nachdem das Vereinigte Königreich von Großbritannien zur Supermacht geworden ist und die Weltmeere militärisch und wirtschaftlich vollständig ohne Konkurrenz kontrolliert, wird 1849 die Navigationsakte aufgehoben.

Physiokraten und Klassiker

Mit dem Auftreten der französischen Physiokraten wandelte sich die Volkswirtschaftslehre von einer politischen Wissen-schaft, die ihren Zweck darin sah, dem Staatswohl zu dienen, in eine formal-systematische Wissenschaft. Francois Ques-nays (1694-1774) wissenschaftliches Hauptwerk, der Tableau économique beschränkt sich auf die reine Darstellung des wirtschaftlichen Kreislaufs und verzichtet auf die Darstellung politischer oder philosophischer Hintergründe. Erstmals wird die schematische Vorstellung der Wirtschaft als eines vom Ei-gennutz und der Absicht der Nutzenmaximierung getriebenen Gebildes geäußert.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts vollzieht sich in England durch technische Erfindungen wie der Dampfmaschine und dem me-chanischen Webstuhl sowie durch den systematischen Erwerb

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Geschichte

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weiterer außereuropäischer Kolonien der Übergang vom Früh- zum Hochkapitalismus. Der Schotte Adam Smith (1723-1790) wird zum Theoretiker dieses Hochkapitalismus und begründet die Schule der Klassiker.

An die Stelle der drei physiokratischen Einkommensformen Lohn, Profit und Rente setzt er in seinem Hauptwerk Der Wohlstand der Nationen die drei – später sogenannten – Pro-duktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden. Im Mittelpunkt der Smithschen Lehre steht der Preismechanismus als Gerüst der klassischen Wirtschaft, deren Antrieb und Gleichgewicht durch die freie Konkurrenz gewährleistet wird. Smith sucht zum ersten Mal nach Gesetzen der Preisbildung sowie nach den Rückwirkungen der Preise auf Einkommen und Produktion. Smith weist der Arbeitsteilung in seinem Lehrgebäude zentrale Bedeutung zu, da sie durch die wachsende Erzeugung markt-gängiger Sachgüter produktivitätssteigernd wirkt und sie somit wichtiges Anliegen jeder auf Mehrung des Volkswohlstands gerichteten Wirtschaftspolitik sei.

Mit David Ricardo (1772-1823) erreicht der Formalismus und die Abstraktion innerhalb der klassischen Schule ihren Höhe-punkt. Ricardos Beitrag zur Theorie des Außenhandels, seine Lehre von den „komparativen Kostenvorteilen“, ist bis heute ein Hauptargument neoliberaler Globalisierer geblieben. Nach Ricardo soll ein Land ein Gut nur dann herstellen, wenn es dieses günstiger als alle anderen Länder produzieren kann. Hält sich jedes Land an Ricardos Regel des absoluten Kosten-vorteils, kann nach Ricardo ein globales Wohlstandsmaximum durch Freihandel erreicht werden. Ricardo wurde somit zum theoretischen Vorbereiter der industriellen Monokulturen der Globalisierung, die, da sie extrem import- und exportabhängig sind, ständig vom Boom in die Depression fallen und somit sehr krisenanfällig sind.

Fichte und Hegel – Der deutsche Idealismus und die Rolle der Korporationen

Im Rahmen ihres philosophischen Gesamtgebäudes stellten die deutschen Idealisten auch wirtschaftliche Überlegungen an. Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) publiziert im Jahre 1800 mit seinem Werk Der geschlossene Handelsstaat ein eigenes Buch, daß sich mit der Frage einer gerechten und funktionie-

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Geschichte

Adam Smith (1723-1790)

David Ricardo (1772-1823)

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Geschichte

Johann Gottlieb Fichte (1762-1814)

renden Wirtschaftsordnung beschäftigt. Fichte spricht sich für ein staatliches Außenhandelsmonopol aus, da er im Handels-wettkampf zwischen den Nationen einen Hauptgrund für den Krieg sieht. Er weist deswegen auch den merkantilistischen Grundgedanken der Erhöhung des nationalen Handelsbilanz-überschusses auf Kosten anderer Staaten zurück, da eine stark vom Außenhandel abhängige Volkswirtschaft sowohl un-ter der Instabilität der Absatzmärkte und Güterpreise als auch der Erosion des Binnenabsatzes durch Einfuhr leide. Fichte sieht den Staat einerseits als interventionistische Macht, die über Maßnahmen wie das Außenhandelsmonopol, Preisfest-setzung und Geldausgabe die angemessen beschränkte Frei-heit, das heißt Selbstverwirklichungstätigkeit (Arbeit, Existenz und Eigentum) jedes Bürgers sicherstellt. Andererseits wird der Staat in Anknüpfung an das Mittelalter als organisches kor-poratives Ganzes gesehen. Neben die Staatsmächte treten in Fichtes Konzept die Korporationen, das Gewerk und die Zunft als selbstverwaltende Momente, die allerdings alle dem glei-chen Staatszweck dienen, das heißt sie sind Grundlage der Arbeits- und Existenzsicherung jedes Bürgers.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) lehnte die von Adam Smith zu Zwecken der Produktivitätserhöhung geforder-te Arbeitsteilung ab, da durch die zu seiner Zeit aufkommende industrielle Arbeitsteilung die Geschicklichkeit des Arbeiters beschränkt und seine Persönlichkeit verdorben würde. Hegel nahm Marxens Entfremdungstheorie teilweise vorweg und spricht im Zusammenhang mit den neuzeitlichen Produktions-weisen von „Vereinzelung der Arbeit“ sowie davon, daß die Ar-beiter mit der Maschine „mechanischer, abgestumpfter, geist-loser“ werden. Nach Hegel hat die Arbeit nicht die Funktion der Maximierung des Güterausstoßes, sondern den Sinn, daß der Arbeitende seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten, mit-tels deren er sich selbst erhalten kann, erhöht und das damit verbundene Moralbewußtsein erhält. Auch Hegel versucht, mit Hilfe der eigentlich aus dem Mittelalter stammenden Korporati-onen, die negativen Folgen der industriellen Revolution zu ver-hindern oder zumindest abzumildern. Da er das Fortschreiten der Volkswirtschaft hin zum Industrialismus für unvermeidlich hält, konzipiert er seine Korporationen im Hinblick auf ihre An-wendung auf die Industriegesellschaft. Hegel sieht in seinem Konzept staatliche Überprüfungen und Kontrollen bezüglich ihrer Personalzahl und Produktionsmenge vor. Den tieferen

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831)

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Zweck der Korporationen erläutert Hegel in seiner Rechtsphi-losophie4:

„In unseren modernen Staaten haben die Bürger nur beschränkten Anteil an den allgemeinen Geschäften des Staates: Es ist aber notwendig, dem sittlichen Menschen außer seinem Privatzwecke eine allgemeine Tätigkeit zu gewähren. Dieses Allgemeine, das ihm der moderne Staat nicht immer reicht, findet er in der Korporation. Wir sahen früher, daß das Individuum für sich in der bürgerlichen Gesellschaft sorgend auch für andere handelt. Aber diese bewußtlo-se Notwendigkeit ist nicht genug: zu einer gewußten und denkenden Sittlichkeit wird sie erst in der Korporation. Freilich muß über dieser die höhere Aufsicht des Staates sein, weil sie sonst verknöchern, sich in sich verhausen und zu einem elenden Zunftwesen herab-sinken. Aber an und für sich ist die Korporation keine geschlossene Zunft: sie ist vielmehr die Versittlichung des einzeln stehenden Gewerbes und sein Hinaufnehmen in einen Kreis, in dem es Stärke und Ehre gewinnt.“ 5

Die Ordnungsidee des Korporatismus, Staat und Gesellschaft nach dem Berufsprinzip zu organisieren, findet sich über den deutschen Idealismus hinaus in fast allen historischen Epo-chen und in allen politischen Ideenkreisen. Sie manifestiert sich deshalb auch in den unterschiedlichsten Formen. Im Mit-telalter, und noch darüber hinaus, war die städtische Bevöl-kerung vorwiegend in Zünften organisiert. In dem Maße, wie die Demokratisierung der Stadtverfassungen voranschritt, avancierten diese sogar zu politischen Körperschaften. Im Ge-gensatz zu den Zünften war das berufsständische Moment in den Herrschaftsständen ungleich weniger ausgeprägt. Das gilt sowohl für den Adel wie auch für den Klerus. Sowohl das herr-schaftsständische als auch das berufsständische Prinzip wur-de von der Naturrechtslehre des Liberalismus heftig attackiert. Dieser liberale Anti-Korporatismus konnte es allerdings nicht verhindern, daß sich die Gewerkschaften und Arbeitgeberver-bände in allen kapitalistischen Ländern als berufsständische Organisationen formierten. Die heutige, auf Dauer angelegte Zusammenarbeit zwischen Staat, Unternehmerverbänden und Gewerkschaften wird deshalb in der Politikwissenschaft häufig als Neo-Korporatismus bezeichnet. Gerade vielen Partei-gängern des Konservatismus ging es darum, auch den Staat in die berufsständischen Umgestaltungskonzeptionen einzu-beziehen; die bekanntesten Vertreter solcher Modelle waren Othmar Spann und Arthur Moeller van den Bruck.Hier finden sich Überschneidungen zum Sozialkonservatis-

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Geschichte

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Geschichte

Karl Marx (1818-1883)

mus; ein Begriff, der diejenigen konservativen Persönlich-keiten, politischen Ideen und Gruppen bezeichnet, „die früh die Bedeutung der sozialen oder Arbeiter-Frage im 19. Jhdt. erkannten und Vorschläge zu ihrer Lösung vorlegten in Ab-grenzung von einem zunächst feudalen, später bürgerlichen Interessen- oder Struktur-Konservatismus“6. Ausgehend von Hegels Staatsbegriff entwickelte Lorenz von Stein (1815-1890) eine eigene Sozialethik und Sozialpolitik. Da er sowohl eine Verallgemeinerung der Lohnarbeit wie auch den Mißbrauch des liberalistischen Staates als Werkzeug einer bürgerlichen Oligarchie ablehnte, plädierte er für ein „Königtum der sozi-alen Reform“ zum Schutz der abhängig arbeitenden Schich-ten. Sozialkonservatives Gedankengut findet sich auch in der Bismarckschen Sozialgesetzgebung und wirkte schließlich in der Weimarer Republik sowohl in der jüngeren Generation der SPD („Hofgeismarer Kreis der Jungsozialisten“), der katho-lischen Soziallehre wie auch in der Jugendbewegung fort, die ein auf Gemeinwohl ausgerichtetes Eigentumsrecht, Boden-reform und genossenschaftliche Gestaltung des Wirtschafts-lebens forderte. Hier waren auch die Einflüsse der „Frontge-neration“ des Ersten Weltkrieges und ihres Fronterlebnisses wirksam, durch das die Beteiligten eine schichtensprengende neue Form von Gemeinschaftlichkeit erlebt hatten, die auch in ihre Vorstellungen eines neuen Staates mit neuen Formen des Wirtschaftens einging.

Sozialismus und Marxismus

Schon immer in der Menschheitsgeschichte fanden sich Leh-ren, die ein neues Leben ohne jeglichen Güterbesitz oder zu-mindest mit anderer, gleichmäßiger Güterverteilung lehrten. Diese ideengeschichtliche Linie reicht vom Urchristentum über Campanellas im Kerker im Jahre 1602 verfaßte Vision vom „Sonnenstaat“ bis zur schwärmerischen Bewegung der Mün-steraner „Wiedertäufer“.

Ein von endzeitlichen Erlösungshoffnungen getragener Chil-lialismus verband sich im 19. Jahrhundert mit der Sozialkritik der Aufklärung und theoretischer Analyse zum Sozialismus. Seinen wichtigsten Vertreter fand der Sozialismus in Karl Marx (1818-1883). Sein Sozialismus ist eine geschichtphilo-sophische Evolutionstheorie, die aus der Analyse des Zirkula-tionsprozesses als Kreislauf der Ware die Entwicklung des Ka-

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pitalismus zu prognostizieren trachtet. Von dem französischen Anarchisten Pierre Proudhon (1805-1865) übernimmt Marx die Ansicht, daß allein der Produktionsfaktor Arbeit produktiv, die Produktionsfaktoren Boden und Kapital aber an sich un-produktiv seien. Nach Marx kann sich somit nur an die von Menschen verrichtete Arbeit ein tatsächlicher Mehrwert knüp-fen (Mehrwerttheorie), der sich in der Differenz des durch die Arbeit geschaffenen Wertes zum an den Arbeiter ausgezahlten Lohn quantifizieren läßt. Die Aneignung dieser Differenz be-gründet nach Marx die Existenz des Kapitalisten. Die Ausbeu-tung des Arbeiters und die Aneignung des Mehrwerts durch den Unternehmer kennzeichnen das Wesen des Kapitalismus. Die Konkurrenz der Unternehmer untereinander führt nach Marx zu Konzentrationsprozessen und der dem Kapitalismus inhärenten Fall der Durchschnittsprofitrate zu Arbeitslosigkeit und somit einer für den revolutionären Umsturz bereitstehen-den industriellen Reservearmee (Verelendungstheorie). Der Untergang des Kapitalismus ist nach Marx unvermeidlich, weil zwangsläufig eine finale Krise eintritt, wenn nach einiger Zeit der Bedarf an Kapitalgütern gedeckt ist und die Überkapazi-täten auf den Markt drücken (Unterkonsumtionstheorie). In dem zusammen mit Friedrich Engels (1820-1895) verfaßten und 1848 erschienenen Manifest der Kommunistischen Partei liefern die beiden eine bis heute in Teilen zutreffende Beschrei-bung des Globalisierungsprozesses:

Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsi-cherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vor allen früheren aus. (...) Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen. Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehn-teren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation/ = Ausbeutung/ des Weltmarktes die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmo-politisch gestaltet. Sie hat (...) den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, (...) durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltenteilen zugleich verbraucht

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Geschichte

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Pierre Proudhon (1805-1865)

Friedrich Engels (1820-1895)

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Geschichte

Friedrich List (1789-1846)

werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedig-ten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder (...) zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. (...)Die Bourgeoisie reißt (...) alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation (...). Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die sogenannte Zivilisation bei sich einzufüh-ren, das heißt, Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bild.7

Romantiker und Historismus

In Opposition zum antisozialen Kapitalismus des Adam Smith und dem mechanistischen Individualismus und Kosmopolitis-mus des David Ricardo entwickelte die deutsche Volkswirt-schaft Anfang des 19. Jahrhunderts eine originelle und eigen-ständige Antwort. Die Romantiker setzten an die Stelle eines mechanistischen Utilitarismus das organisch Gewordene, ihr Dreh- und Angelpunkt war statt des Individuums das Volk. Adam Müller (1779-1829) suchte der „Smithschen Begriffsauf-lösung positiv die schöpferische Idee gegenüberzustellen, hielt der in Wirtschaftsegoismen zersplitterten westlichen Gesell-schaft das Bild des wahren Staates entgegen und kam so zur Entdeckung der soziologischen Grundtatsache von Vorrang und Vorsein (Präexistenz) der Gemeinschaft.“8

Friedrich List (1789-1846) bezeichnete seine eigene Volkswirt-schaftslehre dann bewußt als „nationales System“. Zwei Ge-danken stechen aus Lists Werk hervor: Der Theorie des Wertes und Preises von schon fertigen, vorhandenen Gütern der Klas-siker stellte List seine eigene „Theorie der produktiven Kräfte“ des gesamten Volksreichtums gegenüber, die auch öffentliche Einrichtungen, Wissenschaft und Künste, Religiosität, Sittlich-keit, Intelligenz und Bildung sowie Rechtssicherheit umfaßte. Neben dieser Neufassung des Produktivitätsbegriffes wandte sich List entschlossen gegen die freihändlerischen Lehren sei-ner Zeit. „Freihandel“ kann es nach List nur zwischen Ländern gleicher wirtschaftlicher Stufe geben. Ist dies nicht der Fall, so muß das wirtschaftlich schwächere Land Zölle zur Heranzie-hung dauernder Produktivkräfte einführen, um seine eigenen heranwachsenden Produktivkräfte nicht der Vernichtung durch

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den internationalen Wettbewerb anheimzugeben. List sprach in diesem Zusammenhang ausdrücklich von „Erziehungszöl-len“.

Die tonangebende volkswirtschaftliche Schule im zweiten deutschen Reich war der Historismus unter Gustav Schmoller (1838-1917). Der Historismus ging zur Spezialuntersuchung von einzelnen Epochen, Völkern und Wirtschaftszuständen über, um als Ziel, so Schmoller, „wirtschaftsgeschichtliche Monographien, Verknüpfung jeder modernen Spezialunter-suchung mit ihren historischen Wurzeln“ zu erreichen. Das Defizit des Historismus lag auf theoretischem Gebiet, da er sich nicht ausreichend darum bemühte, die eigenen Ansichten rationaltheoretisch und formal zu begründen. Das Verdienst der historischen Schule ist es, die Volkswirtschaftslehre als interdisziplinäre Wissenschaft begründet zu haben, die den historischen Wechsel der Institutionen und Motivationen in ihr Lehrgebäude integriert und Staat und Verwaltung von vorne-herein in die Wirtschaftsordnung mit einbezieht. Die „soziale Marktwirtschaft“ der frühen BRD mit ihrem Kompromiß zwi-schen Markt, Wettbewerb und Leistungsprinzip wäre ohne den Historismus und sein Verständnis für gemischte Wirtschafts-formen wohl nicht denkbar gewesen.

Das 20. Jahrhundert – Keynes und Gesell

Der Cambridge-Professor John Maynard Keynes (1883-1946) brach radikal mit der angelsächsischen, klassischen Wirtschaftstradition und ging von der Grundthese aus, daß marktwirtschaftliche Systeme nicht selbstregulierend sind, sondern dauerhaft und tiefgreifend aus dem Gleichgewicht ge-raten können. In seinem ersten Buch Krieg und Frieden. Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrages von Versailles geißel-te Keynes die Strangulierung der deutschen Volkswirtschaft durch astronomische Reparationsverpflichtungen und sagte analytisch genau einen neuen Krieg voraus. In seinem unter dem Eindruck der Wirtschaftskatastrophe der „Großen De-pression“ im Jahre 1936 geschriebenen Hauptwerk Allgemei-ne Theorie stellte Keynes die These auf, daß das Schicksal der kapitalistischen Wirtschaft entscheidend davon abhängt, unter Umständen auch durch Staatseingriffe Vollbeschäftigung zu sichern. Keynes Ansatz war dabei, einige wichtige volks-wirtschaftliche Variablen herauszugreifen und zwischen ihnen

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Geschichte

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Gustav Schmoller(1838-1917)

John Maynard Keynes (1883-1946)

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Geschichte

Silvio Gesell (1862-1930)

klare Beziehungen herzustellen. In einer Rezession beispiels-weise soll der Staat seine Verschuldung für Ausgabenpro-gramme erhöhen beziehungsweise die Steuern senken, um Produktion und Einkommen zu stimulieren. Sein als Keyne-sianismus bezeichnetes Konzept der volkswirtschaftlichen Globalsteuerung sah den Staat als Hebel im wirtschaftlichen Prozeß vor. Keynes Beobachtung, daß sich Löhne und Preise nur sehr langsam an veränderte Situationen anpassen, ließ die Überzeugung der Klassiker, daß Märkte durch die sofortige Anpassung aller Variablen, die „unsichtbare Hand“ der Markt-kräfte, von sich aus wieder ins Lot kommen, zur Farce werden. Der Brite war der wirkmächtigste Ökonom des 20. Jahrhun-derts. Die Arbeitsmarktpolitik der Regierung Hitler mit dem To-talabbau der Arbeitslosigkeit von Anfang 1933 bis Ende 1937 wie auch Roosevelts New Deal-Politik eines Staatskapitalis-mus basieren auf den von Keynes beschriebenen Konzepten. Erst in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde unter Ronald Reagan und Margaret Thatcher der marktfixierte Neo-liberalismus zur tonangebenden Schule.

Der kreative Autodidakt Silvio Gesell (1862-1930) schlug in seiner Freiwirtschaftslehre Eingriffe in den Geldsektor und die Regelung des Eigentums an Grund und Boden vor, um eine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus zu schaffen. Aus-gangspunkt der Gesellschen Überlegungen ist die These von der „Streikfähigkeit“ des Geldes, das sich jederzeit ungestraft „weigern“ kann, seine ihm zugedachten Aufgaben zu erfül-len, da es der „Geldbesitzer“ zurückhalten kann und die so erzeugte Knappheit des Geldes den „Geldmehrwert“ (Zins) als leistungslosen Ertrag hervorbringt. Zur Reform des Geldwe-sens schlägt Gesell die Einführung von Freigeld vor, welches jährlich automatisch einen Teil seines Nennwertes verliert. Der so ausgelöste „Umlaufzwang“ des Geldes äußert sich in einem Ende der Geldhortung und einem „Investitionszwang“, der die Realkapitalbildung befördert. Um sicherzustellen, daß auch die Eigentümer von Grund und Boden kein leistungsloses Ein-kommen in Form einer „Grundrente“ empfangen, schlug Ge-sell das Modell eines Pächtersozialismus vor. Die Schaffung von „Freiland“ durch entschädigungspflichtige Enteignung und Sozialisierung des gesamten Bodeneigentums soll garantie-ren, daß sowohl Grundrente als auch Bodenwertsteigerungen für öffentliche Zwecke abgeschöpft werden.

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Werner Sombart (1863-1941)

Deutsche Wege – Organische Wirtschaftlehre nach Spann,

Preußischer Sozialismus nach Somart und gelenkte Marktwirtschaft nach Eucken

Der tief in der katholischen Tradition verwurzelte Othmar Spann (1878-1950) begründete die organische oder ganzheitliche Wirtschaftslehre. Spann weist allen Lebensbereichen ein Ei-genleben zu und vertritt ein dezentralistisches Gefüge von Ge-sellschaft und Wirtschaft. Seine dezentralistische Ordnungs-vorstellung sieht Spann im Ständestaat verwirklicht, in dem jeder Stand ein Ausdruck von Ganzheit sein soll. Die Volkswirt-schaftslehre soll seiner Ansicht auch kategorial gesehen keine von bloß mechanischen Preisgesetzen und Tauschverhältnis-sen ausgehende Wissenschaft mehr sein, sondern Ausdruck sinnvoll aufeinander angelegter Leistungen (wie Organisation, Erfinden, Lehren, Kreditvermittlung, Handel, Transport bis hin zur Produktion im engeren Sinn). Unter „Leistung“ versteht Spann nicht ergebnishafte Zielverwirklichung, sondern „Anteil-nahme des Mittels am Ziel“.

Einige der besten Köpfe der „Konservativen Revolution“, die die in der Zwischenkriegszeit dominierende Geistesströmung war, befaßten sich auch mit Fragen der Wirtschaftsordnung. Oswald Spengler und Arthur Moeller van den Bruck knüpften in ihrer Konzeption eines „Preußischen Sozialismus“ an den vom soldatischen Geist geprägten preußischen Verwaltungs-staat als nachahmenswertes Gegenmodell zur englischen Freihandelsdoktrin an. Dieser kennzeichnet in erster Linie eine Geisteshaltung und ist nicht an einer radikalen Umkehr der Eigentumsverhältnisse interessiert. Der bedeutendste Volkswirt der „Konservativen Revolution“ war Werner Sombart (1863-1941). Sombart und seine „verstehende Nationalökono-mie“ entwickelte den Begriff des „Wirtschaftssystems“, das er durch bestimmte Wirtschaftsprinzipien, Wirtschaftstechniken und eine charakteristische Wirtschaftsgesinnung (so ist nach Max Weber der Kapitalismus nicht ohne protestantische Ethik denkbar) gekennzeichnet sah. In seinem 1934 veröffentlichten Spätwerk Deutscher Sozialismus setzte sich Sombart kritisch mit der Wirtschaftspolitik des Dritten Reiches auseinander und forderte die völlige Überwindung des ökonomistischen Zeital-ters durch Reagrarisierungspläne, da die Urbanisierung durch

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Othmar Spann (1878-1950)

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Geschichte

Walter Eucken (1891-1950)

die Reizfülle städtischen Lebens und die Schaffung eines un-nötigen Reisebedürfnisses viele überflüssige Kosten schaffe. Mit seiner Kritik an der modernen Güterproduktion, die auf die Herstellung unsolider, kitschiger und technisch-überkompli-zierter Produkte ausgerichtet sei, wurde Sombart zum Vorrei-ter einer ökologischen Technikfolgenabschätzung.

Walter Eucken (1891-1950) gilt mit seinem Konzept der staat-lich gelenkten Marktwirtschaft als geistiger Vater der „sozialen Marktwirtschaft“. Er prägte den Begriff der „Ordnungspolitik“, in der die Maßstäbe einer staatlichen Wirtschaftsverfassung den Rahmen setzen, die Individuen darin aber frei entschei-den können. Nach dem Zweiten Weltkrieg hielt Eucken so-wohl Kapitalismus als auch Sozialismus für gescheitert. Er warnte immer vor der Gefahr einer sich selbst überlassenen Marktwirtschaft, da in ihr wirtschaftliche Interessengruppen immer mehr Märkte durch Kartelle, Fusionen, Dumpingpreise, Marktsperren und anderes kontrollieren würden, was zur Folge hätte, daß Unternehmen Regierungen erpressen könnten. Da Eucken schon zu seinen Lebzeiten der Ansicht war, daß sich der Leistungswettbewerb nur durchsetzen könne, wenn das Vordringen der internationalen Konzerne wirksam und nach-haltig bekämpft würde, dürfte er heute zu den entschiedenen Globalisierungskritikern zählen.

In seinem in erster Auflage 1940 erschienen Hauptwerk Die Grundlagen der Nationalökonomie analysiert Eucken das menschliche Fehlverhalten als Hauptursache wirtschaftlicher Krisen. Nach Eucken muß die Fehlerhaftigkeit des Menschen Entscheidungsgrundlage in der Wirtschaftspolitik sein und die Berücksichtigung dieses Faktors führt zur weitgehenden Aus-schaltung von fehlerhaftem Verhalten.

Neoliberalismus

Seit dem Regierungsantritt von Ronald Reagan und Marga-ret Thatcher in den frühen achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde der Neoliberalismus zum herrschenden wirtschaftlichen Leitbild. Sein wichtigster Theoretiker ist Milton Friedman (Jahrgang 1912), der einen schrankenlosen Indi-vidualismus predigt und jegliche staatliche Lenkung ablehnt. Friedman setzt den Markt absolut und sieht im Staat einen gefährlichen „Instabilitätsfaktor“. Konsequenterweise forderte

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Friedman deshalb auch die Abschaffung des staatlichen Füh-rerscheins, der Ärztelizenzen, des Abtreibungsverbots, der Schulpflicht und die Freigabe des Drogenhandels.

In der Geldtheorie entwickelte Friedman die Quantitätstheorie, nach der das Sozialprodukt nichts anderes ist als die Geldmen-ge multipliziert mit der Umlaufgeschwindigkeit, der Häufigkeit also, mit der die bestehende Geldmenge im Jahr verwendet wird. Da nach Friedman die Umlaufgeschwindigkeit über die Zeit stabil bleibt, da Haushalte und Unternehmen ihr Ausgabe-verhalten nicht abrupt ändern, führt eine Ausweitung der Geld-menge zu einer Erhöhung des Sozialprodukts. Dabei bedach-te Friedman nicht, daß in der Rezession die Verbraucher Geld lieber horten als ausgeben (die sogenannte „Liquiditätsfalle“) und ein einseitiger Anstieg der Geldmenge gegenüber der Gü-termenge immer zu Inflation führt.

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Milton Friedman (*1912)

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„Zugleich aber wehrt man sich gegen die Alternative hie Gulag – hie Mafia. Hat man wirklich nur die Wahl zwischen fanatischer Prinzi-pienreiterei auf der einen Seite und einer durch Zufall, Laune und Schlampigkeit gebremsten Gewalttätigkeit auf der anderen Seite? Tun sich nur zwei Wege vor uns auf: links die Straße zur genormten Zukunftsstadt mit den am Horizont einander treffenden Fluchtlinien der Balkone – rechts der Trampelpfad zu einer unterirdischen Wolfs-höhle, wo man sich damit zufrieden gibt, wenigstens den anderen die Suppe versalzen zu haben? Oder gibt es einen dritten Weg?“Armin Mohler, Liberalenbeschimpfung

Staat und Wirtschaft im schwarzen Loch der Globalisierung

Der Crash an den Börsen – Der gescheiterte Neoliberalismus erfordert einen Paradigmenwechsel

Erst mehrere Jahre nach den Allzeit-Höchstständen vom März 2000 wird das ganze volkswirtschaftliche Desaster offenbar, das die beispiellosen Kursstürze angerichtet haben. Durch den Börsen-Krach und exzessive Bilanzfälschungen in großen amerikanischen Konzernen ist der Neoliberalismus als Glau-benslehre, wonach Märkte überall effizient und Staaten über-flüssig sind, Reiche und Arme keine Interessengegensätze haben und sich die Wirtschaft am besten entwickelt, wenn sie keiner sozialen Kontrolle unterworfen wird, irreparabel beschä-digt und von der Wirklichkeit widerlegt worden. Die Tageszei-tung Handelsblatt versuchte die dramatischen Auswirkungen des gescheiterten Casino-Kapitalismus Anfang 2003 in Zahlen zu fassen: „Der Kurskollaps an den Aktienmärkten hat seit Au-gust 2000 in der Euro-Zone Börsenwerte von mehr als 2 900 Mrd. Euro vernichtet. Der Vermögensverlust ist damit fast halb so groß wie die Wirtschaftsleistung des Jahres 2000. Die ge-samte Marktkapitalisierung schrumpfte zwischen August 2000 und Oktober 2002 von 92 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 43 Prozent ... ‚Es handelt sich um die längste und tiefste Aktienbaisse der Nachkriegszeit‛, so Ulrich Hombrecher, Chefvolkswirt der WestLB. Er schätzt die globalen Börsen-

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wertverluste auf 45 Prozent des Weltsozialproduktes. Dieser drastische Kursverfall bremst die Konjunktur gleich über meh-rere Kanäle. Zum einen fallen die Aktienmärkte in Zeiten der Baisse für Unternehmen als Quelle für günstiges Eigenkapital aus – schließlich sind Neuemissionen oder Kapitalerhöhungen derzeit nahezu unmöglich...Neben den Unternehmen bekom-men auch private Haushalte den Vermögensverlust zu spü-ren, wenn sie Aktien direkt oder indirekt besitzen, etwa über Lebensversicherungen oder Fonds. Der Kursverfall macht sie ärmer und schränkt damit die Konsumfreude ein.“ 9

Die Entstehung der Kursblase in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts

Die der heutigen Misere vorangegangene Kursblase entwik-kelte sich in den neunziger Jahren des vergangenen Jahr-hunderts, die ein fiebriges Jahrzehnt der Spekulation waren. 1992 überhörte die Welt die erste Warnung: In diesem Jahr gelang es einem einzelnen Individuum, dem Großspekulanten George Soros, die italienische Lira, das britische Pfund und die schwedische Krone durch spekulative Attacken aus dem die Gemeinschaftswährung vorbereitenden, auf festgelegten Wechselkursen basierenden Europäischen Währungssystem herauszulösen. Die britische Zentralbank unterstützte in dem betreffenden Sommer die eigene Währung mit 50 Milliarden Dollar Devisenreserven - ohne Erfolg; Soros war am Tag der Abwertung mit einem Schlag um eine Milliarde Dollar reicher. Daß es einer einzelnen Person gelang, zwei G-7-Staaten zur Abwertung ihrer Währungen zu zwingen ist in der Geschich-te der Finanzmärkte ohne Beispiel. Der Tanz der Spekulanten setzte sich fort: 1995 machte der damals 23jährige Angestell-te der britischen Barings Bank Nick Leeson mit spekulativen Geschäften über eine Milliarde Dollar Verlust und riß eine der traditionsreichsten Privatbanken der Welt in den Ruin. Die Fi-nanzkrisen in Mexiko 1995 und in Asien (übrigens wieder mit Beteiligung von George Soros) und Rußland 1998 liefen dann nach dem gleichen Muster ab: Es gab einen einige Jahre von ausländischen Kapitalzuflüssen angeheizten Konsumboom bis die Investoren schließlich den Eindruck gewannen, daß die reale Wirtschaft ihr Engagement nicht rechtfertige. Der Her-dentrieb, der die internationale Anlegergemeinde erst dazu gebracht hatte, Länder, die eigentlich erst dabei waren, ihren

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Einwohnern einigermaßen menschenwürdige Verhältnisse zu schaffen, mit Investorengeldern förmlich zu überschwem-men, endete in einem noch rascheren Kapitalabzug, was zu sinkenden Aktienkursen und zusammenstürzenden Bilanzen führte. Die Finanzwelt schien regelrecht geschockt, daß sich die betreffenden Länder „doch nicht zu der erhofften Mischung der Sorte Singapur plus Schweiz entwickelten“10. Jeder Crash gründet nämlich in einer irrationalen Hybris der Erwartungen, die dann von der Wirklichkeit bitter enttäuscht werden. Auffällig

an der asiatischen Misere war, daß das ethnisch und kulturell homogene Südkorea die Krise am besten meisterte. Das starke nationale Gemeinschaftsgefühl der Koreaner führte dazu, daß diese ihr Familiengold zur Stärkung der Vermögensreserven bei der Zentralbank ablieferten. Das Völkergefängnis Indone-sien hingegen, das vor Ausbruch der Krise die besten makro-ökonomischen Grunddaten aufwies, stürzte in die schlimmste Wirtschaftskrise eines Landes seit dem Zweiten Weltkrieg und befand sich auch noch zwei Jahre nach der Asienkrise in einer bürgerkriegsähnlichen Agonie.

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Parketthandel an der Wall Street

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All diese Krisen konnten nur ausbrechen, weil die von ihnen betroffenen Länder nicht schlechtere, sondern bessere Markt-wirtschaften geworden waren. Die Diskrepanz zwischen den weltweit wachsenden Investitionsbedürfnissen und der – be-zogen auf die Entwicklung des BIP – rückläufigen Sparbildung wird dadurch verstärkt, daß größere Teile der laufenden Er-sparnisse direkt oder indirekt – via Banken und andere Fi-

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nanzintermediäre – nicht-investiven Zwecken zugeführt und zur Finanzierung entweder des privaten oder öffentlichen Konsums oder reiner Finanztransaktionen ohne realen Hinter-grund verwendet werden. Dadurch werden dem produktiven

Währung ist überbewertet (z.B. wegen Leistungsbilanz-defiziten oder Kapitaltransfers ins Ausland)

Die Erwartung der Abwertung setzt die Währung zusätzlich unter Druck

Nur die Zentralbank tauscht die Währung zum festen Wechselkurs

Spekulanten betreten die Bühne und tauschen Milliardenbeträge

Devisenreserven der Zentralbank gehen zur Neige

Credo der deregulierten Finanzmärkte: freien Kapitalverkehr - und damit weitere Währungsspekulatio-

nen - erhalten

Die Devisenreserven der Zentralbank sind aufgebraucht, der feste Wechselkurs bricht zusammen; andere Markt-

teilnehmer tauschen zu anderen Konditionen.

Folge: Währung kann billiger erworben werden; Speku-lanten haben gewonnen

Viele einschneidende Wirt-schaftskrisen der letzten Jahrzehnte sind eng mit der Währungspolitik verbunden. Exemplarisch ist hier die Asi-enkrise 1997/98 zu nennen, deren Auswirkungen auf die Weltkonjunktur sich über ei-nen viel größeren Zeitpunkt ausdehnen. In Folge dieser Krise wurden die Währungen einiger Länder gegenüber dem US-Dollar drastisch ab-gewertet. Auf den Phillipinen und in Malaysia betrug die Ab-wertung 40 Prozent, in Korea und Thailand 55 Prozent und in Indonesien über 80 Pro-zent.Konkreter Anlaß dieser ein-schneidenden Wechselkurs-änderungen waren Attacken auf die Währungen der asia-tischen Staaten. Wie kam es zu derartigen Attacken und worin lag die Motivation der Spekulanten?

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Spekulative Attacken

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Kreislauf wichtige Finanzierungsmittel entzogen. Darüber hin-aus stellen die seit geraumer Zeit im Übermaß wachsenden Finanzgeschäfte einen immer größeren Risikofaktor für das Weltfinanzsystem dar. Infolge der Deregulierung und Internationalisierung der Finanz-märkte fließt das Kapital heute weltweit viel rascher dorthin, wo es kurzfristig den höchsten Ertrag erwarten kann. Aus dieser Perspektive heraus verheißen reine Finanzgeschäfte – wie Portfolio-Verlagerungen an Börsen sowie Zins- und Wechsel-kursarbitrage-Geschäfte – raschere Gewinne als reale Inves-titionen oder kapitalmäßige Engagements in der Produktions- und Verteilungswirtschaft, die naturgemäß langfristig orientiert sein müssen und in der Regel erst nach einer oft jahrelangen Inkubations- und Bewährungszeit einen Ertrag abwerfen. Je mehr die reale Seite der Wirtschaft vernachlässigt wird, um so größer wird die Gefahr finanzieller Crash-Situationen. Denn letztlich können die Finanzmärkte kein Eigenleben führen, sonst riskieren sie wie eine Seifenblase zu zerplatzen, sobald ihr Volumen in keinem Verhältnis mehr zur Seife steht, die al-lein ihre Konsistenz gewährleistet. Mit dem rasanten Wachstum derivativer Instrumente wie bei-spielsweise Zinsoptionen, Zinsswaps, Futures, Währungss-waps, Caps, Collars usw. hat sich die Größenordnung der Ri-siken radikal geändert. Die Finanztransaktionen zwischen den verschiedenen Ländern und auf den Devisenmärkten machen heute das Zigfache des für die Finanzierung der Produktions-wirtschaft und des internationalen Waren- und Dienstleistungs-verkehrs benötigten Kapitals aus. Eine extreme Volatilität und Krisenempfindlichkeit des Finanzsystems ist die Folge, ganz abgesehen davon, daß die kurzfristige Profitorientierung der Finanztransaktionen die Grundlage für eine gesunde Weiter-entwicklung der Weltwirtschaft in Frage stellt, weil diese not-wendigerweise auf einer langfristig ausgerichteten und lang-fristig finanzierten Investitionstätigkeit beruhen muß.

Daß sich die bisherigen Krisen durch die als Finanzfeuerwehr auftretenden Institutionen IWF und Weltbank, die über die be-troffenen Länder Steuergelder nach dem Gießkannenprinzip ausschütteten, regional begrenzen ließen, macht die Sache eher noch schlimmer. Ein reinigendes Gewitter wurde vermie-den, während die volkswirtschaftlichen Grunddaten der Verei-nigten Staaten vor der Kulisse steigender Aktienkurse immer mehr verfallen. 2006 wird das US-Defizit im Handel mit Waren

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und Dienstleistungen sowie Transfers rund 800 Mrd. € betra-gen, das sind rund 6,6 Prozent des amerikanischen BIP. Es ist mithin nur eine Frage der Zeit, bis die Weltleitwährung Dollar implodieren und die diversen Volkswirtschaften zu tiefgreifen-den Entkoppelungsprozessen zwingen wird.

Keine Alternativen zum Krisenkapitalismus? Was ist nationaler Antikapitalismus?

Die sich verschärfenden Krisenphänomene des Globalkapi-talismus, der Ausverkauf von volkswirtschaftlichem Produk-tivkapital durch so genannte Hedge-Fonds und internationale Großinvestoren und das starke Aufkommen einer Linkspartei, bei der es sich nur um die geschickt vermarktete und um Oskar Lafontaine erweiterte PDS handelt, provozierten im Sommer 2005 eine massive „Kapitalismusdebatte“. Insbesondere das absehbare Scheitern des EU-Verfassungsvertrags nach den ablehnenden Referenden in Frankreich und den Niederlanden und die darauf folgende Debatte über ein baldiges Ende der Währungsunion lassen die Frage nach wirtschaftspolitischen Alternativen als immer drängender erscheinen. Denn es ist ganz klar, daß das „Nein“ der Niederlande und Frankreichs auch zu großen Teilen eine grundlegende Kritik am „System EU“ mit einschließt. Denn EU-Verfassung und Währungsuni-on sind von eindeutig neoliberalem Zuschnitt: Es ging stets nur darum, die Globalisierung des Kapitals zu exekutieren, die Transaktionskosten innerhalb der EU zu senken und den Glo-bal Players auf Kosten der Sozialtransfers freie Bahn zu schaf-fen. Alle diese Entwicklungen provozieren geradezu dazu, eine tiefergehende Kapitalismuskritik aus nationaler Sicht zu entwickeln. Dies wirft erstmal die grundlegende Frage auf, was „Kapitalismus“ eigentlich ist. Geld- und Warenbeziehungen, Fernhandel und Märkte gab es schließlich in unterschiedlich starken Ausprägungen schon seit der Antike und selbst bar-geldlosen Zahlungsverkehr schon seit der Zeit der Kreuzzüge, aber diese Phänomene stellten Nischen am Rande agrarisch geprägter Naturalwirtschaften dar. Ein totalitäres System von Geld- und Marktwirtschaft entstand daraus erst im 16. und 17. Jahrhundert – einerseits durch die ideelle Revolution des Protestantismus, der die „innerweltliche Askese“ predigte, und andererseits durch die Bedürfnisse der frühmodernen Kriegs-wirtschaft, die nach der Erfindung der Feuerwaffen die Kon-

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zentration von Produktion und Kapital zwingend werden ließ, worauf schon der wohl bekannteste Ökonom aus dem Umfeld der „Konservativen Revolution“, nämlich Werner Sombart, in seinem 1913 erschienenen Werk Krieg und Kapitalismus hin-wies.

Während noch bis ins späte Mittelalter die Arbeitsmärkte durch Gilden und Zünfte in ein System wechselseitiger Verpflich-tungen und Traditionen eingebunden waren, regierte ab dem Zeitenumbruch der Erfindung von Feuerwaffen zunehmend das sich von allen gesellschaftlichen Bindungen losgelöste abstrak-te Gewinnkalkül. Mehr und mehr wurde für die Menschen bei der Verrichtung von Arbeit das Geldinteresse entscheidend, demgegenüber der Inhalt der Arbeit gleichgültig zu werden be-gann. Der „Kapitalismus“ war geboren, und in den folgenden Jahrhunderten begann er einen eindrucksvollen Siegeszug, bei dem er auch die entferntesten Winkel der Erde eroberte. Der Kapitalismus führte in den letzten vier Jahrhunderten zu einer Produktivitätsexplosion, die in der Weltgeschichte ihresglei-chen sucht. Die größte Stärke kapitalistischer Systeme besteht darin, in der Gesellschaft vorhandenes Wissen zu nutzen, um Produktionsabläufe zu perfektionieren und Effizienzgewinne zu generieren. Andererseits führte der Kapitalismus auch zur „Entfremdung“ – der Fabrikarbeiter war nur noch ein kleines Rädchen in einem anonymen Getriebe und hatte keinen Bezug mehr zu den Produkten, die er herstellte. Von Anfang an waren kapitalistische Systeme im Gegensatz zu den äußerst stabilen, oft Jahrhunderte überdauernden feudalen Ordnungen äußerst krisenanfällig – die gigantischen Kapitalakkumulationen, die der Kapitalismus hervorbringt, werden immer dann zu einer Gefahr für die Weltwirtschaft, wenn es zur Bildung spekula-tiver Blasen an den Finanzmärkten oder von Klumpenrisiken in den Kreditportfolios der Banken kommt. Karl Marx entwickelte aus der Krisentheorie des Kapitalismus eine Revolutionstheo-rie, nach der die Endkrise des Kapitalismus den Umschwung in eine neue Gesellschaftsordnung ohne Eigentum und Aus-beutung – den „Kommunismus“ – hervorbringt. Im Gegensatz zur Marxschen Prophezeiung und trotz des „Weltbürgerkriegs“ des 20. Jahrhunderts, in dem Marxisten versuchten, die „Welt-revolution“ zu erzwingen, scheint der Kapitalismus zu Beginn des 21. Jahrhunderts alternativloser denn je zu sein. Allerdings hat er seit dem Ende der Blockkonfrontation 1989 sein Wesen entscheidend gewandelt. Statt der wirtschaftlichen Transak-

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tion der verschiedenen Volkswirtschaften, die zusammenge-nommen vor 1989 die „Weltwirtschaft“ bildeten, hat sich seit 1989 ein weltumspannender Globalmarkt gebildet, auf dem eine immer uneingeschränktere Mobilität für die Produktions-faktoren Arbeit und Kapital herrscht und es kaum mehr Zölle und Richtlinien gibt, die den Handel mit Gütern und Dienstleis-tungen regeln. Das kapitalistische Konkurrenzprinzip wird nun gnadenlos auf globaler Ebene durchgesetzt.

Die damit verbundenen sozialen Grausamkeiten und Wohl-standsverluste sind aber natürlich kein „Naturereignis“ wie ein Vulkanausbruch oder ein Erdbeben, so wie es die Entscheider in Politik, Medien und Wirtschaft gerne darstellen wollen, um von ihrer Eigenverantwortung für die verhängnisvolle Entwick-lung abzulenken. Der als „Globalisierung“ bezeichnete poli-tische Prozeß der Schaffung dieses Globalmarktes kam durch zahlreiche bi- und multilaterale Verträge und durch den Souve-ränitätstransfer an supranationale Institutionen wie die WTO, den IWF, die Weltbank und die Europäische Union zustande und wurde von den Regierungen der westlichen Welt in den letzten 15 Jahren „gemacht“. Wenn Franz Müntefering also in der Kapitalismusdebatte mit dem Finger auf Unternehmer und Konzerne gezeigt hat, dann könnten diese wieder auf ihn zurückzeigen. Denn in einer moralisch intakten Gesellschaft fühlt sich ein Unternehmer zwar für seine Angestellten und sein soziales Umfeld verantwortlich, er wird aber immer unter dem Zwang der Märkte agieren müssen, profitabel zu arbei-ten. Die Moral in der Wirtschaft läßt sich nur durch eine strin-gente Ordnungspolitik herstellen, die die zahlreichen Mängel marktwirtschaftlicher Ordnungen (Tendenz zur Selbstaufhe-bung des Marktes durch Monopolbildung, ruinöse Konkurrenz, fehlende Markttransparenz, Manipulierung von Bedürfnissen, wachsende Wohlstandsdivergenzen, Vernachlässigung öko-logischer Anliegen) zu mildern versucht. Das sich vertiefende ordnungspolitische Vakuum hat den asozialen Raubtierkapita-lismus der Gegenwart heraufgezüchtet – und sowohl schwarz-gelbe, schwarz-rote, als auch rot-grüne Regierungen haben sich an diesem Lemmingszug mit ganzen Kräften beteiligt.

Deshalb ist es auch heuchlerisch, wenn der ehemalige Ge-neralsekretär der SPD, Uwe Benneter, in spiegelverkehrter Umkehrung von Vorwürfen aus der Kaiserzeit nun als Sozi-aldemokrat die Unternehmer als „vaterlandslose Gesellen“

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bezeichnet, denn nicht zuletzt seine Partei hat die Vorausset-zungen für deren vaterlandsloses Agieren mitgeschaffen. Erst die Politik ermöglichte es den Finanzmärkten, sich allmählich und immer stärker von allen realwirtschaftlichen Grundlagen zu lösen und nach ihrer eigenen „Unlogik“ zu funktionieren, in-dem sie zunehmend dem Einfluß extrem kurzfristiger, spekula-tiver Überlegungen und Entscheidungen ausgesetzt sind. Der internationale Finanzsektor tritt den Regierungen der Staaten-welt nun als völlig autonomer Faktor gegenüber.

Wie in Goethes Gedicht vom „Zauberlehrling“ ist der von jed-weden ordnungspolitischen Einschränkungen befreite inter-nationale Finanzsektor zu einem unkalkulierbaren Damok-lesschwert geworden, das über der Weltwirtschaft schwebt. Angesichts der Tatsache, daß beispielsweise schon seit Jah-ren der Umfang des Handels mit Derivaten größer ist als das weltweite Geldvolumen, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis der Super-Gau eintritt, und die noch bestehenden speku-lativen Blasen des virtuellen Kapitalismus in sich zusammen-fallen. Die Weltwirtschaftskrise, die mit dem Börsenkrach im Jahr 2000 begann, würde dann endgültig die soziale Härte der Weltwirtschaftskrise von 1929 annehmen. Wieviel Leid der Zusammenbruch des Finanzblasen-Kapitalismus über die Menschen bringen wird, ist unklar – klar ist, daß es nach dem Zusammenbruch politische Formationen geben wird, die die Wirtschaft auf neue Wertordnungen verpflichten werden, in denen soziale Verantwortung wieder etwas gilt. Eine wirkliche Kapitalismuskritik, die sich nicht nur mit Symptomen aufhält und ihren Namen verdient, würde mit der Erkenntnis beginnen, daß das Ökonomische auch jenseits des Marktes gestärkt werden muß, wenn man den Kapitalismus überwinden will. Die nationale Opposition stünde nach dem großen Crash vor der Aufgabe, die „Entmarktung“ des wirtschaftlichen Lebens ein-zuleiten und – wie in früheren Zeiten – die Eigenwirtschaft, die ja beispielsweise in allen familiären Beziehungen nach wie vor dominierend ist, auf Kosten der Marktwirtschaft zu stärken. Das hieße im Umkehrschluß natürlich nicht, die Mechanismen des Marktes überhaupt nicht mehr zu nutzen! Aber es existieren konkrete ökonomische Hebel jenseits marktlicher Koordination, die schon heute problemlos eingesetzt werden könnten, ohne deshalb auf wirtschaftspolitisch längst widerlegte Konzepte wie den Kasernensozialismus Nordkoreas zurückgreifen zu müssen. Durch den Einsatz freier Software („Linux“) ließe sich

Schwarzer Freitag: Menschen-auflauf vor der Börse in der New Yorker Wall Street am „Schwar-zen Freitag“, 1929

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nicht nur das globale Marktmonopol von Microsoft erschüttern, sondern auch enorme Kostenersparnisse in Behörden und Unternehmen erzielen. Außerdem würde sich die Sicherheits-situation der EDV in Deutschland insgesamt verbessern, da die vergangenen Jahre gezeigt haben, daß der überwiegende Einsatz von Software eines Herstellers das Sicherheitsrisiko stark erhöht. Gerade die technologischen Innovationen der letzten Jahrzehnte würden eine „Miniaturisierung“ der Wirt-schaft, wie sie der nationalmarxistische Theoretiker Reinhold Oberlercher vorschlägt, ermöglichen, um die wirtschaftlichen Kreisläufe wieder zu verorten und auf die Ebenen der Kom-mune, der Region und der Nation rückzukoppeln. Erst wenn eine solche Erdung des Ökonomischen gelingt, wird auch der Primat des Politischen gegenüber dem Ökonomischen wieder hergestellt sein.

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Die wohl mächtigste Tendenz seit dem Ende des Kalten Krieges ist die der Entortung. Dieser Begriff beschreibt einen weitgehenden Verlust des lokalen Bezuges der Menschen. Mit der Planetarisierung des Waren-, Güter- und Datenverkehrs geht eine weitgehende Vernetzung einher, die anfällig ist ge-gen jede Art von Pannen, Störungen und Angriffen und die Menschen mit Informationen überflutet, statt ihnen Wissen zu vermitteln. Worte wie „Heimat“, „Familie“ und „Werte“ verlie-ren in der „ortlosen“ Welt ihren Sinn. Die Entortung verbindet sich mit Konzentrations- und Zentralisierungsprozessen, die in ländlichen Regionen nicht nur zu einer Welle von Filialschlie-ßungen bei Post und Sparkassen führen, sondern auch die Schließung weiterer Einrichtungen der Grundversorgung wie kleinen Lebensmittelläden, Gastronomiebetrieben und Fach-geschäften zur Folge haben. Der Philosoph Harald Seubert beschreibt die zerstörerische Wirkung von Entortungsprozes-sen folgendermaßen:

„Eine als Globalität ausgegebene Welt, deren Symbol das Netz ist, kann nur noch momentane Knoten aufweisen, keine Orte; Veror-tung führt sich in ihr ad absurdum. Daß fanatische Ranküne sich unschwer dieses technischen, den Ort verstellenden ‚Gestells‘ bedienen kann, ist eine der elementarsten Lehren des internatio-nalen Terrors. Wenn der ortlose ‚flexible man‘, ein Verwandter von Nietzsches letztem Menschen, die Utopie der Welt im Netz ist, wird er geräuschlos und unversehens zum letzten Exekutor der enthu-manisierenden Grundtendenz des 20. Jahrhunderts werden können. Dem anihilement der globalen Welt, das in Weltstaat und Weltgesell-schaft kulminiert (Ernst Jüngers Diagnose), ist in jedem Fall zu miß-trauen. Es spricht jedenfalls nichts dafür, daß eine solche Tendenz auf Dauer pazifizierend wirken wird, der nicht-verortete Mensch war seit je leichtes Beutegut und Treibsand jedweder Gewalt. Ins Offene seiner nicht festgelegten, sich aufgegebenen Existenz, zur Sorge um sich, zu dem authentischen Selbstverhältnis, wird er nicht finden, ohne den Ort seines Ausgangs, die vielfachen Orte von Gedächtnis und Erinnerung. Ortlos, entwurzelt werden indessen auch Begriffe und Orientierungen phantastisch und damit grotesk, gewissenloser Verfügung offenstehend. Vor diesem Hintergrund ist es höchst bedenklich, wenn zentrale politische Begriffe zusammenhanglos, ja unsinnig gebraucht werden. Staatsfreundschaft ist, wie Aristoteles wußte, abgelöst von der Verortung nicht möglich. Ohne sie wird ein

Die raumorientierte Volkswirtschaft

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Gemeinwesen zerfallen. Der Libertär wie der Heimat- und Ortlosig-keit zur Normativität erhebende Neojakobiner, der von Kant schon mit Verachtung gestrafte Moralitäts-Politiker nehmen dies billigend in Kauf.“ 12

Eine raumorientierte Volkswirtschaft würde im Gegensatz zum ortlosen Globalkapitalismus folgende Strukturelemente auf-weisen:

- Existenz einer lokalen, regionalen und nationalen po- litischen Kontrolle der Wirtschaft durch konsequente Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips- Orientierung auf die spezifischen Bedürfnisse der Gemeinschaft und der Gemeinde- Konzentration auf lokale menschliche und erneuer- bare Ressourcen- Flexible Arbeitsmöglichkeiten und fließende Arbeits- zeit- Vorrang einer vielfältig durchstrukturierten Volkswirt- schaft mit einer Vielzahl an Branchen und Produk- tionsmöglichkeiten statt auf den Weltmarkt ausgerich- teter industrieller Monokulturen- Reichhaltig differenziertes Angebot an Branchen und Dienstleistungen, um Wirtschaftsflauten bei einzelnen Produkten umgehen oder zumindest abschwächen zu können- Rückbildung der internationalen Finanzflüsse an die realwirtschaftlichen Ziele einer „nachhaltigen Entwick- lung“- Bestreben, Importe durch in der Region erzeugte Produkte und bereitgestellte Dienstleistungen zu ersetzen- Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen, die in jedem Staat die hauptsächliche ökonomische Grundlage für Beschäftigung, Ausbildung und Steuer- einnahmen bilden- Primat einer dezentralisierten Wirtschaftspolitik und Industrialisierung, um die überproportional wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Kosten der Verstädterung (Ent- und Versorgung, Umwelt, Ver- kehrs- und Energieprobleme, Rechtsschutz, Krimina- lität usw.) zu senken- Förderung der Gemeinwirtschaft jenseits von Wett-

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Raumorientierung

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bewerbsimperativ und Marktkoordination beispiels- weise über selbstverwaltete warenproduzierende Genossenschaften- Unbedingter Erhalt raumorientierter Finanzierungs- systeme wie Landesbanken, Sparkassen und Ge- nossenschaftsbanken

Ricardos Gesetz der komparativen Kostenvorteile

Das Gegenparadigma zur „raumorientierten Volkswirtschaft“ ist der Kapitalismus als totalitäre Ideologie des Marktes und der Freihandel. Die theoretische Begründung für einen „tota-len Freihandel“ lieferte der englische Ökonom David Ricardo schon an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert mit seiner Theorie der komparativen Kostenvorteile. Ricardo geht davon aus, daß wenn zwei Staaten Güter zu verschiedenen Preisen produzieren können, es für beide Staaten vorteilhaft ist, wenn sie sich auf die Güter spezialisieren, die jedes Land am kost-engünstigsten herstellen kann. Anschließend werden dann die Güter über Handelsbeziehungen ausgetauscht, und unter dem Strich ist dadurch der Wohlstand beider Länder gestiegen. Ri-cardos Quintessenz daraus: Freihandel nützt jedem.

Er versuchte seine Theorie an dem Beispiel anschaulich zu machen, daß wenn in England und Portugal nur die beiden Güter Wein und Tuch existierten und Portugal beim Wein und England beim Tuch Produktivitätsvorteile besäße Portugal aus-schließlich Wein und England ausschließlich Tuch produzieren solle und die beiden Länder dann die beiden Güter durch Han-del tauschen sollten, um Wohlstandsgewinne zu realisieren. Dieses Beispiel von Ricardo zeigt gut die Schwächen seiner Theorie: Würde in England portugiesischer Wein und übersee-ischer Weizen eingeführt, so bedeutete dies, daß dadurch der

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Ricardos Freihandelsdoktrin als Theorie der Globalisierung

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Boden brach gelegt, die Landwirtschaft vernichtet und nur das industrielle Gewerbe verrichtet würde und der gesamte innere Aufbau der Volkswirtschaft verändert würde.

Daraus folgt, daß in Gegensatz zur Sicht Ricardos nicht die Wertgleichung einzelner Waren in Form sogenannter kompa-rativer oder absoluter Kostenvorteile ausschlaggebend sein kann, sondern die Folgen für die volkswirtschaftliche Struktur insgesamt bei jeder Form von Außenhandel im Mittelpunkt ste-hen müssen. Ricardos Freihandelsdoktrin, die von der heu-tigen Globalisierung ziemlich exakt umgesetzt wird, hat breit gefächerte und ausdifferenzierte Volkswirtschaften in industri-elle Monokulturen verwandelt, die aufgrund ihrer beinahe voll-kommenen Weltmarktabhängigkeit ständig zwischen Boom und Depression schwanken. Ricardos Theorie ist darüber hin-aus sehr statisch; ein Land, das Vorteile bei der Gewinnung von Rohstoffen und Lebensmitteln hat, würde sich nur darauf konzentrieren und den Anschluß an die technologische Ent-wicklung verlieren. Ein höher entwickeltes Land könnte durch die Produktion industrieller Fertigprodukte sozusagen hohe Gewinnmargen mit Ewigkeitsgarantie einstreichen. Hätte Preußen seinerzeit die Ricardianischen Gesetze angewandt, dann würden in Brandenburg heute noch ausschließlich Kar-toffeln angebaut. Da man jedoch glücklicherweise auf die „Weisheit Ricardos“ verzichtete, konnte das zweite Deutsche Reich durch gezielte Staatshilfen und auf verschiedene Bran-chen spezialisierte Banken geeignete Rahmenbedingungen für Technologie- und Industriebetriebe schaffen und zur welt-weit führenden Wirtschaftsmacht aufsteigen13. An der Wende zum 21. Jahrhundert freilich bleibt ein solches, auf die Bewe-gungen des Freihandels beschränktes Bild unvollständig, da Machtkämpfe nun nicht mehr nur um Absatzmöglichkeiten auf internationalen Gütermärkten, sondern mehr und mehr um die Zirkulation inflationierter Finanztitel an den Weltbörsen ausge-tragen werden. Dieser Schritt von der Produktion hin zur Zir-kulation von Finanztiteln, deren Preisbewegungen sich völlig von der realen Warenproduktion entkoppeln, geht einher mit einer völlig neuen Qualität von „Rationalisierungsprozessen“, die menschliche Arbeit in einem noch nie dagewesenen Aus-maß durch Informations- und Steuerungstechnologie überflüs-sig macht.

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Gibt es eine Krise der Erwerbsarbeit?

Allgemein läßt sich seit Beginn der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts ein kontinuierlicher Trend mit zunehmender Ar-beitslosigkeit und Unterbeschäftigung erkennen, und dies, ob-wohl die Arbeitslosigkeit statistisch unterzeichnet wird. Der in den vergangenen Jahren trotz aller neoliberal und neokeyne-sianisch inspirierten Anstrengungen steigende Sockel struktu-reller Arbeitslosigkeit hat schon viele Beobachter zu der Frage geführt, ob den westlichen Industrieländern die Arbeit ausgeht, da in den vergangenen beiden Jahrzehnten mehrere neue Ba-sistechnologien auf den Gebieten der Telekommunikation, der Mikroelektronik, der Lasertechnik und der Biotechnologie ent-wickelt wurden. Diese wirkten zwar einerseits wertschöpfend durch die Erzeugung neuer Produkte und Produktionsverfah-ren sowie zur Erschließung neuer Märkte, andererseits aber arbeitsplatzvernichtend, da sie zur Rationalisierung der beste-henden Produktions- und Verkaufsstrukturen sowie Organisa-tions- und Finanzierungsformen eingesetzt wurden. Der Wirt-schaftshistoriker und Philosoph Robert Kurz14 diagnostiziert eine umfassende Systemkrise des westlichen Kapitalismus aufgrund seiner eigenen Produktivitätsstandards, die betriebs-wirtschaftlich immer neue Wellen von Rationalisierungen er-fordert, aber in den einzelnen Volkswirtschaften zu einem Aus-bluten der ökonomischen Substanz durch „ausufernde globale Verschuldungsprozesse sämtlicher Wirtschaftssubjekte (Staaten, Unternehmen, Private) und durch das Aufblähen historisch bei-spielloser spekulativer Finanzblasen auf den Aktienmärkten“15 führt. Konsum und Investition speisen sich in immer geringerem Ausmaß aus Lohn und Gewinn vorangegangener Produktions-prozesse, sondern aus Spekulationen mit Aktien, Immobilien und Rohstoffen. Prozesse der nationalen Entwicklung werden durch die transnationalen Wertschöpfungsketten der großen Konzerne aufgespalten, die das globale Kostengefälle im Rah-men des selbstmörderischen Wettlaufs der Volkswirtschaften um ihre Position als „günstigster Standort“ ausnutzen. Die ru-inöse globale Konkurrenz führt zu Inseln billiger Teilfertigung und Dienstleistungen, während gleichzeitig die Massen ver-armen und die Binnenökonomie abstirbt. Je mehr Menschen durch die dritte industrielle Revolution der Mikrotechnologie und Rationalisierung als „Überflüssige“ stigmatisiert werden, je mehr Nationalökonomien und Nationalstaaten zusammen-brechen, desto stärker werden die USA nach Kurz als natio-

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Roboter ersetzen zunehmend menschliche Arbeitskraft

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nale Weltmacht dazu gedrängt, auf einen globalen Notstand zu reagieren und gleichermaßen als nationale Weltmacht wie als Militärmaschine des planetarischen Kapitalismus eine Art Ausnahmezustand über die gesamte Erde zu verhängen.

Robert Kurz thematisiert in seinen Büchern, insbesondere in seinen historischen Werken, wie dem „Schwarzbuch des Kapi-talismus“, die institutionelle Polarität von Markt und Staat, die die strukturelle Aufspaltung des Individuums in einen homo oeconomicus und einen homo politicus nach sich zieht. Der sich völlig verselbstständigende Markt und die Absolutsetzung von Konkurrenz- und Wettbewerbsprinzip führen nach Kurz zu einem irrationalen und selbstmörderischen Verhalten des ganzen Systems. Allerdings finden sich bei Kurz nur wenige Aussagen über eine mögliche Transformation des bestehen-den Systems, ihm schweben anscheinend genossenschaft-liche und syndikalistische Modelle vor. Kurzens Skepsis in Bezug auf Alternativen resultiert wohl nicht zuletzt aus seiner ideologisch begründeten Ausblendung des Nationalen als der konkreten Erscheinungsform des Sozialen, ohne dessen Be-rücksichtigung kein tragfähiges und für die Menschen akzep-tables Transformationsmodell zur Überwindung des Globalka-pitalismus denkbar ist, das im Folgenden in ersten Grundzügen erläutert werden soll.

Raumorientiert, wieso und warum?

Da die Wirtschaft dem Menschen zu dienen hat, sollte am An-fang einer grundlegenden wirtschaftspolitischen Betrachtung der Mensch stehen. Schon Aristoteles bezeichnete ihn als Ge-meinschaftswesen (zóon politikón). Mit diesem Begriff ist in der Tat das spezifisch Menschliche angesprochen, ja nach Konrad Lorenz der evolutionäre Motor der Menschwerdung schlecht-hin, nämlich die soziale Intelligenz zur Bildung identitätsfähiger Gemeinschaften - Familien, Sippen, Stämmen, Völkern, Staa-ten – und zum interkulturellen Wettbewerb zwischen diesen.

Die menschliche Gemeinschaft ist identitätsfähig, aber auch identitätsstiftend. Das heißt, sie bildet einerseits die Grund-lage einer unverwechselbaren soziokulturellen Ordnung und einer arbeitsteiligen Wirtschaft, liefert aber andererseits auch die wichtigsten Impulse für die Persönlichkeitsentwicklung des

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38 Profil 13

einzelnen. Diese stärkt wiederum die Gemeinschaft. Schon die Erkenntnis dieser Wechselwirkung zwischen der individu-ellen Persönlichkeitsentwicklung und den sozioökonomischen Gemeinschaftsstrukturen weist der politischen Ökonomie eine Bedeutung zu, die nur im Rahmen eines grundlegenden Ver-ständnisses unserer sozialen, das heißt volklichen und kultu-rellen Lebensgrundlagen richtig gewürdigt werden kann.Die soziokulturelle menschliche Gesellschaft weist strukturelle Ähnlichkeiten mit ihrer natürlichen Umwelt auf, was nicht über-rascht, da sie ja ein Teil von ihr ist. Sie kann sich dementspre-chend auch nur als Teil des natürlichen Ganzen nachhaltig ent-wickeln, wobei dieses Ganze nicht global, sondern territorial und ökosystembezogen ist. Eben diesen Kategorien ist somit auch die Humangesellschaft uneingeschränkt zuzuordnen. Sie ist ein ethnisches Biotop oder ein „Ethnotop“, eine Wortschöp-fung, die verdeutlichen soll, daß Land und Volk – eben Biotop und Ethnotop – eng zusammengehören und nur gemeinsam überleben können. Das mag vielleicht wie eine Binsenwahr-heit klingen, wird aber von der heutigen, westlich kapitalistisch geprägten Economy geflissentlich ignoriert oder sogar negiert. Eine neue politische Ökonomie muß hingegen gerade diese Tatsache richtig würdigen.

Das Gemeinschaftsbedürfnis, das als grundlegendes mensch-liches Appetenzverhalten nur durch gemeinsame Daseinsvor-sorge nachhaltig befriedigt werden kann, ist der Wesenskern unserer menschlichen Disposition für komplexe Sozialstruktu-ren und wirtschaftliche Arbeitsteilung. Allein schon diese all-gemeine Erkenntnis weist den gigantischen Irrtum nach, der darin besteht, die Ökonomie isoliert von der ökologischen Systemhaftigkeit der soziokulturellen Gemeinschaft zu sehen, etwa als eine freischwebende technisch-logistische Struktur, die lediglich einer globalen Optimierung hinsichtlich ihres Ge-samtertrages bedürfe. Genau dieser Irrtum prägt die heutige ökonomische Agenda, und zwar durch die heute noch als der Weisheit letzter Schluß gefeierten schematischen Modelle der klassischen Nationalökonomie, etwa das bekannte „Ge-setz der komparativen Kostenvorteile“ von David Ricardo aus dem Jahre 1821. Solche simplen Modelle sind allenfalls für eine sehr schematische, rein quantitative Analyse eines Teilas-pekts ausreichend. Als wissenschaftliche Grundlage für eine umfassende ökonomische Doktrin, als welche sie tatsächlich ausgegeben werden, sind sie aber gänzlich ungeeignet. Denn

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sie berücksichtigen weder die starken inneren Bindungen der sozioökonomischen Systeme noch ihre Verflechtung mit der natürlichen Umwelt. Genau diese Tatbestände müssen dem-entsprechend den Ausgangspunkt einer neuen politischen Ökonomie bilden.

Zwischen der sozialen Lebensgemeinschaft in ihrem öko-logischen Territorium – Volk und Land – einerseits und den komplexen ökonomischen Strukturen andererseits gibt es eine Wechselwirkung in der Form, daß letztere von ersterer ausge-hen und sich von ihr zwar vorübergehend fortentwickeln und entfernen können, dieser Divergenz aber dadurch Grenzen gesetzt sind, daß die Gemeinschaft ihrerseits eine starke inne-re ökonomische Bindung braucht, ohne die sie auf die Dauer nicht überlebensfähig ist.

Bestes Beispiel hierfür ist die kleinste und zugleich auch ältes-te Wirtschaftseinheit, die Familie. Von ihr geht, kulturgeschicht-lich gesehen, die wirtschaftliche Entwicklung der Menschheit aus. In der modernen Massengesellschaft wird sie aber für die rein materielle Daseinsvorsorge anscheinend zunehmend überflüssig. Das hat zur Folge, daß ihr Fortbestand nicht mehr gesichert ist. Die soziale Keimzelle Familie löst sich mangels ökonomischer Sinnhaftigkeit auf, was zur sozialen Verwahr-losung, Kinderlosigkeit, Überalterung der Gesellschaft und einem allgemeinen sittlich-kulturellen und letztlich auch öko-nomischen Niedergang führt.

Weitere Beispiele für die fatalen Auswirkungen eines Abbaus der vielseitigen, räumlich tiefgestaffelten, polyzentrischen Wirt-schaftsstrukturen liefern alle einst blühenden Regionen, aus denen sich zuerst die Wirtschaft und dann ein Großteil der aktiven Bevölkerung verabschiedet. In Deutschland können wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts beobachten, wie sich vor allem in den neuen Bundesländern immer mehr Landesteile in dieser tragischen Weise entwickeln, etwa die sächsischen Regionen Oberlausitz und Erzgebirge.

Das neue Paradigma

Man spricht oft sehr oberflächlich von „der Wirtschaft“ und meint dabei etwas scheinbar von der Gesellschaft Abgehobenes, über ihr Stehendes, in Abhängigkeit der Standortgüte und der

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Launen der Finanzmärkte die Menschen mit Arbeitsplätzen in größerer oder kleinerer Zahl Beglückendes. Genau diesen Eindruck vermittelt das heute vorherrschende kapitalistisch-monetaristisch-globalkapitalistische Wirtschaftssystem, und zwar mit der beabsichtigten Folge, daß die damit verbunde-ne Entwicklung von den meisten Zeitgenossen als allgemeine Gesetzmäßigkeit mißverstanden wird. Das schafft wiederum die Bereitschaft, den Verfall der heimischen Wirtschafts- und Kulturräume und des Heimat- und Identitätsgefühls als unver-meidbares Schicksal hinzunehmen.

Dieses fatale Mißverständnis muß als Erstes von der neuen politischen Ökonomie beseitigt werden. Denn bei richtigem Verständnis sind wir selbst die Volkswirtschaft oder anders ausgedrückt: Die Volkswirtschaft ist der umfassendste Be-griff für die Summe aller unserer arbeitsteiligen Aktivitäten zur laufenden Bedarfsdeckung und zur gemeinsamen Daseins-vorsorge. Diese Aktivitäten gehören selbstverständlich nicht zu irgendeiner quasi autonomen Kategorie außerhalb oder neben der Gesellschaft, sondern sind für diese vielmehr ge-radezu konstituierend. Die ökonomischen Aktivitäten stellen den wichtigsten Sinn und Zweck und den wesentlichen Inhalt der Gemeinschaft dar, ohne den diese auf die Dauer nicht exi-stenzfähig bleiben kann, egal ob es sich um eine Familie, eine Gemeinde, eine Region, ein Land, ein Volk oder einen Staat handelt. Da eben keine menschliche Gemeinschaft überle-bensfähig bleibt, wenn sie ihren tiefsten Sinn verliert – auch dann nicht, wenn sie quasi an den Tropf gehängt oder von Fremden gefüttert werden würde -, muß eine neue politische Ökonomie der sozialen und nationalen Verantwortung die Wirt-schaft in einen gesellschafts- und volksbezogen Kontext als unveräußerlichen integralen Bestandteil des Gemeinwesens, des demokratischen politischen Diskurses und der gemein-samen Identität stellen.

Die Erkenntnis, daß die Wirtschaft nicht nur die schlichte Auf-gabe hat, zu möglichst niedrigen Preisen möglichst viele Güter bereitzustellen, sondern vielmehr auch dafür verantwortlich ist, im ideellen wie im materiellen Sinne jenes menschliche Ökosystem herzustellen, das wir als Leistungs- und Solidar-gemeinschaft bezeichnen und das die Gesellschaft für ihre Stabilität und Überlebensfähigkeit braucht, führt zum grundle-genden Axiom der neuen politischen Ökonomie:

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Die Wirtschaft muß sich an den Lebensräumen der Menschen orientieren!

Von diesem Postulat der raumorientierten nationalen Volks-wirtschaft muß die Analyse der derzeitigen Zustände und die Synthese neuer Wirtschaftsstrukturen ausgehen.

Keine Frage, daß dieses Postulat dem heute vorherrschenden kapitalgesteuerten Globalismus und Neoliberalismus in denk-bar krasser Form entgegensteht. Denn es repräsentiert eine politische Willensrichtung, die am Fundament der Globali-sierungsideologie rüttelt, dem ideologischen Absolutheitsan-spruch, daß die Globalisierung eine Einbahnstraße und ein unumkehrbarer Prozeß sei, der vielleicht verzögert, aber nicht umgedreht werden dürfe oder überhaupt könne.

Dieser Glaube wird von einer geistesgeschichtliche Traditi-on gespeist, die den tatsächlichen Verhältnissen in der Welt längst nicht mehr angemessen ist. Die Hartnäckigkeit, mit der er wider besseres Wissen noch vertreten wird, hängt zum Teil mit der allgemeinen Trägheit geistesgeschichtlicher Entwick-lungen, zum Teil aber auch mit einem von starken Interessen geschützten Tabu zusammen.

Der bevorstehende Paradigmenwechsel wird in der Brechung dieses Tabus bestehen. Die Feigheit des bürgerlichen Lagers um CDU und FDP hat bis jetzt verhindert, daß ein Wech-sel in „gemäßigter“ Form, das heißt ohne größere politische Verwerfungen vollzogen werden konnte. Aber auch die an einem gescheiterten, falsch verstandenen, heute erst recht völlig überholten Internationalismus orientierte ideologische Voreingenommenheit der linken Globalisierungskritiker trägt maßgeblich zur Tabuisierung der einzigen wirklichen Globali-sierungsalternative, der raumorientierten nationalen Volkswirt-schaft, bei.

Der Paradigmenwechsel wird aber dennoch bald kommen. Der Verfall von Staat und Gesellschaft, die Arbeitslosigkeit, die immense Verschuldung der öffentlichen Haushalte, das drohende Aussterben ganzer Landesteile, der Familienverfall, die Überalterung und die Massenarmut werden ihn erzwin-gen. Für kein anderes Land gilt das in stärkerem Maße als für Deutschland. Wir stehen in Wirklichkeit schon auf der Schwel-le zu einer gewaltigen Zäsur. Alle wichtigen Grunddaten über

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die deutsche Gesellschaft und Wirtschaft weisen darauf hin. Spätestens dann, wenn Deutschland für die Masse der expor-torientierten Industrie massiv und einschneidend an „Stand-ortattraktivität“ zu verlieren beginnt, wird wegen der wirtschaft-lichen Einseitigkeit und der demographischen Schieflage ein rascher Zusammenbruch eingeleitet werden, der mit turboar-tiger Selbstbeschleunigung Staat und Gesellschaft zerstören wird. Der Zeitpunkt hierfür ist noch nicht ganz da, aber die Grunddaten machen ihn unausweichlich und wichtige Indika-toren und Trends kündigen ihn unübersehbar an.

Der politische Paradigmenwechsel muß schon vor diesem Zusammenbruch kommen, sonst sind wir verloren. Denn im Rahmen des derzeitigen Systems ist das deutsche Volk nicht mehr regenerierbar. Das ist der Grund, weswegen wir uns jetzt intensiv mit dem Konzept der raumorientierten nationalen Volkswirtschaft beschäftigen müssen. Wenn in Deutschland die Lichter ausgehen, muß schon das neue Aggregat bereit-stehen, das die geistige Energie für jene Reorganisation des Volkes und der sozioökonomischen Strukturen liefert, welche das deutsche Volk braucht, um sich in einem nachfolgenden langen Zeitraum regenerieren zu können.

Globalisierung und sozioökonomischer Verfall – ein Gesamtprozeß mit positiver Rückkopplung

Der sozioökonomische Verfall unserer Gesellschaft kann an-hand einiger allgemein bekannter, häufig beklagter Phäno-mene nachgezeichnet werden, wie Exportlastigkeit, Implosion der Binnenwirtschaft, Arbeitslosigkeit und hoher Staatsver-schuldung. Diese werden von der Globalisierung und der Kapi-talherrschaft verursacht, während sie ihrerseits den sozioöko-nomischen Verfall auslösen, etwa in Form der wegbrechenden Kaufkraft, der Dauerkrise der sozialen Sicherungssysteme, der Handlungsunfähigkeit des Staates und der Gebietskörper-schaften, des Verfalls der öffentlichen Infrastruktur und schließ-lich der Verwahrlosung ganzer Regionen. Die Abhängigkeiten sind wechselseitig, denn der Verfall der nationalen und regio-nalen Binnenstrukturen und der entsprechenden Märkte für Wa-ren, Dienstleistungen und Arbeit führen zu einer noch stärke-ren Konzentration des Kapitals und damit der wirtschaftlichen

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Aktivitäten auf die weitgehend entnationalisierte, international vernetzte Exportindustrie („Basarökonomie“), während in den international weniger wettbewerbsfähigen Branchen und in den abseits der industriellen Zentren und internationalen Dreh-kreuze liegenden Regionen die Investitionen ausbleiben, weil dort eben durch die Verfallserscheinungen keine Renditemög-lichkeiten vermutet werden.

Die sich wechselseitig verstärkenden Einflüsse der Globali-sierung und des Verfalls großer Teile der sozioökonomischen Strukturen kennzeichnet das derzeitige ökonomische Gesamt-geschehen als einen Prozeß mit positiver Rückkopplung, um-gangssprachlich auch Teufelskreis genannt. Wenn ein solcher nicht beizeiten durch Außeneinwirkung gestoppt wird, wird er die Strukturen, auf die er wirkt, ganz oder teilweise zerstören. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die ungehinderte Fortsetzung der derzeitigen Entwicklung über kurz oder lang alle selbsttragenden sozioökonomischen Strukturen und damit das Sozialgefüge und die gesamte soziokulturelle Gemein-schaft in Deutschland vollständig zerstören wird.

So sehr sich die offizielle Wirtschafts- und Finanzdiskussion mit Phänomenen wie Arbeitsplatzexport, Kapitalflucht und Ar-beitslosigkeit an sich beschäftigt, so wenig nimmt sie die eben angesprochene dynamische Wechselwirkung zur Kenntnis. Das dürfte kaum sachlich, sondern in erster Linie ideologisch begründet sein, eben ein Ausdruck der schon erwähnten Tabu-isierung jeder grundlegenden Globalisierungskritik. Denn die Zusammenhänge sind offensichtlich. Sie können über lange Zeiträume zurückverfolgt und sowohl anhand von empirischen Daten als auch logisch-kausal nachvollzogen werden. Es han-delt sich um eine geradezu augenscheinliche, dem System innewohnende Gesetzmäßigkeit. Ihre beinahe vollständige Ausklammerung aus der politisch-ökonomischen Diskussion zu Gunsten überholter, rein quantitativer Betrachtungen aus dem 19. Jahrhundert ist eines der absurdesten Phänomene der Geistesgeschichte und für die ökonomische Wissenschaft geradezu beschämend.

Im folgenden sollen diese Zusammenhänge anhand einiger allgemein bekannter Eckdaten der ökonomischen Entwicklung in Deutschland diskutiert werden.

Profil 13 43

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44 Profil 13

BIP-Anteile Formeln,Formelzeichen

Beträge 1995 Beträge 2004 Waren und inländi-sche Dienstleistun-

gen für Konsum und Invest. im Inland (1)Beträge 1995 / 2004

Industrie-Exporte aus inländischer Wert-

schöpfung (Verarbei-tendes Gewerbe)

Beträge 1995 / 2004

Exportüberschuß bei Industrie-Produkten

(Verarbeitendes Gewerbe)

Beträge 1995 / 2004

Dienstleistungs-import (2)

Beträge1995 / 2004

Rechengrößen„Inlands-BIP“ (5): Davon . . . . . BIP - (1-q) x EP-

(EG – EP) =BIP – (EG – q x EP)

1.472.330 1.627.583

1.698.127 /1.911.575

Zuwachs: 12,6 %

BIP – ( EG - IP )

Bruttoinvestitionen des ver- arbeitenden Gewerbes

48.011

Bruttoinvestitionen der öffentlichen Hände

Sonstige öffentliche Investitionen

Bruttoanlagen-InvestitionenExportanteil (Industrieprodukte), der zur Finanzierung des Inlandsanteils an importierten Industrieprodukten benötigt wird

IP - q x EP 225.797 283.992

269.412 /440.073

Zuwachs: 63,3 %

(1-q) x EP

Exportanteil (Industrieprodukte), dem kein Gegenwert entsprichtSaldo aus Industrie-Produkten und Dienstleistungen

EG - IG 8.670(ca. 0,5 % vom BIP)

109.420(ca. 5 % vom BIP) 43.615 /

156.081Zuwachs:257,9 %

EP - IP

Exportanteil (Industrieprodukte) zur Finanzierung des Dienstleistungsdefizits. Identisch mit dem DIENSTLEISTUNGS-DEFIZIT

IG – IP – (EG – EP) 34.945davon Reisverkehrs-

defizit ca.60.000

46.661davon Reisverkehrs-

defizit ca.35.000 94.503 / 156.005

Zuwachs:65,1 %

IG - IP

DienstleistungsexportWird vollständig zur Finanzierung auslän-discher Dienstleistungen benötigt

EG - EP 59.558 109.344

Summen BIP 1.801.300 2.177.000

Relativer Inlandsanteil (Inlands-BIP / BIP) x 100

81,7 % 74,8 %

Eingangsgrößen Bemerkungen

(1) Für Konsum und Investitionen im Inland verwendete Waren und Dienstleistungen des in- und ausländischen produzierenden Gewerbes(2) von Inländern in Anspruch genommene ausländische Dienstleistungen(3) Reexportierte Industrieimporte 1995: 113.820 Euro = 33,5 % der Industrieimporte(4) Reexportierte Industrieimporte 2004: 284.581 Euro = 49,3 % der Industrieimporte(5) Direkt im Inland für Konsum und Investitionen verwendeter Teil des BIP

Industrie-Importe IP 339.617 (3) 577.375 (4)

Industrie-Exporte EP 383.232 733.456

Gesamt-Importe IG 434.120 733.380

Gesamt-Exporte EG 442.790 842.800

Bruttoinlandsprodukt BIP 1.801.300 2.177.000

Relativer Anteil der exportinduzierten Importe am Export (Prozent/100)

q 0,297 0,388

Tabelle 1: Verwendung des Bruttoinlandsprodukts 1995 und 2004 (Beträge in Millionen Euro, in jeweiligen Preisen)

Raumorientierung

Page 45: Profil-Heft 13

Profil 13 45

BIP-Anteile Formeln,Formelzeichen

Beträge 1995 Beträge 2004 Waren und inländi-sche Dienstleistun-

gen für Konsum und Invest. im Inland (1)Beträge 1995 / 2004

Industrie-Exporte aus inländischer Wert-

schöpfung (Verarbei-tendes Gewerbe)

Beträge 1995 / 2004

Exportüberschuß bei Industrie-Produkten

(Verarbeitendes Gewerbe)

Beträge 1995 / 2004

Dienstleistungs-import (2)

Beträge1995 / 2004

Rechengrößen„Inlands-BIP“ (5): Davon . . . . . BIP - (1-q) x EP-

(EG – EP) =BIP – (EG – q x EP)

1.472.330 1.627.583

1.698.127 /1.911.575

Zuwachs: 12,6 %

BIP – ( EG - IP )

Bruttoinvestitionen des ver- arbeitenden Gewerbes

48.011

Bruttoinvestitionen der öffentlichen Hände

Sonstige öffentliche Investitionen

Bruttoanlagen-InvestitionenExportanteil (Industrieprodukte), der zur Finanzierung des Inlandsanteils an importierten Industrieprodukten benötigt wird

IP - q x EP 225.797 283.992

269.412 /440.073

Zuwachs: 63,3 %

(1-q) x EP

Exportanteil (Industrieprodukte), dem kein Gegenwert entsprichtSaldo aus Industrie-Produkten und Dienstleistungen

EG - IG 8.670(ca. 0,5 % vom BIP)

109.420(ca. 5 % vom BIP) 43.615 /

156.081Zuwachs:257,9 %

EP - IP

Exportanteil (Industrieprodukte) zur Finanzierung des Dienstleistungsdefizits. Identisch mit dem DIENSTLEISTUNGS-DEFIZIT

IG – IP – (EG – EP) 34.945davon Reisverkehrs-

defizit ca.60.000

46.661davon Reisverkehrs-

defizit ca.35.000 94.503 / 156.005

Zuwachs:65,1 %

IG - IP

DienstleistungsexportWird vollständig zur Finanzierung auslän-discher Dienstleistungen benötigt

EG - EP 59.558 109.344

Summen BIP 1.801.300 2.177.000

Relativer Inlandsanteil (Inlands-BIP / BIP) x 100

81,7 % 74,8 %

Eingangsgrößen Bemerkungen

(1) Für Konsum und Investitionen im Inland verwendete Waren und Dienstleistungen des in- und ausländischen produzierenden Gewerbes(2) von Inländern in Anspruch genommene ausländische Dienstleistungen(3) Reexportierte Industrieimporte 1995: 113.820 Euro = 33,5 % der Industrieimporte(4) Reexportierte Industrieimporte 2004: 284.581 Euro = 49,3 % der Industrieimporte(5) Direkt im Inland für Konsum und Investitionen verwendeter Teil des BIP

Industrie-Importe IP 339.617 (3) 577.375 (4)

Industrie-Exporte EP 383.232 733.456

Gesamt-Importe IG 434.120 733.380

Gesamt-Exporte EG 442.790 842.800

Bruttoinlandsprodukt BIP 1.801.300 2.177.000

Relativer Anteil der exportinduzierten Importe am Export (Prozent/100)

q 0,297 0,388

Tabelle 1: Verwendung des Bruttoinlandsprodukts 1995 und 2004 (Beträge in Millionen Euro, in jeweiligen Preisen)

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46 Profil 13

Exportlastigkeit: Außenwirtschaft verdrängt Binnenwirtschaft

Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP)16 betrug im Jahr 2004 2.177 Milliarden Euro.17 Im selben Jahr wurden Waren im Wert von 733,5 Milliarden Euro exportiert.18 Daraus ergibt sich für das Jahr 2004 eine Exportquote bezogen auf das Brutto-inlandsprodukt von 33,7 Prozent. Diese dient als allgemeines Maß für die internationale Verflechtung der Wirtschaft. Sie hat sich seit 1995 wie folgt entwickelt:

Quelle: Berechnung aus Daten der statistischen Ämter. Siehe Fußnoten 16 und 17.*vorläufug

Diese Zeitreihe gibt schon eine Vorstellung davon, in welch dramatischem Ausmaß die Hinwendung der deutschen Wirt-schaft zu internationalen Märkten allein in den vergangenen 10 Jahren zugenommen hat.

Noch deutlicher wird diese Entwicklung, wenn man sich die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) etwas näher an-sieht. In der Tabelle 2 ist die Verwendung des Bruttoinlandspro-dukts (BIP), also der gesamten inländischen Wertschöpfung, in den Jahren 1995 und 2004 dargestellt. Die Eingangsgrößen sind jeweils das BIP, die Export- und Importdaten sowie der relative Anteil der exportinduzierten Warenimporte am Waren-export. Für die Exporte sind die Warenexporte (EP) und die Gesamtexporte (EG) getrennt angegeben, wobei die Differenz (EG-EP) den Dienstleistungsexport bezeichnet. Entsprechend sind die Warenimporte (IP) und die Gesamtimporte (IG) ange-geben, während sich die Dienstleistungsimporte aus der Diffe-renz (IG-IP) ergibt.

Von besonderer Bedeutung ist der relative Anteil der expor-tinduzierten Warenimporte am Warenexport (q). Mit diesem Prozentsatz wird jener relative Anteil an den Warenexporten (Industrieexporten) angegeben, der nicht in Deutschland, son-dern im Ausland hergestellt wird. Dieser Anteil hat sich zwi-schen 1995 und 2004 von 29,7 Prozent auf 38,8 Prozent er-höht. In den deutschen Exportprodukten aus dem Jahr 2004

Raumorientierung

Tabelle 2: Entwicklung der Exportquote 1995 - 2005

1995 2000 2003 2004 200521,3% 29,4% 31,2% 33,7% 36%*

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stecken also durchschnittlich fast 40 Prozent ausländische Vorleistungen oder, anders ausgedrückt, diese deutschen Ex-porte bestehen nur zu etwas über 60 Prozent aus deutscher Wertschöpfung.19 Die reexportierten Warenimporte machten 2004 fast die Hälfte aller Warenimporte aus (49,3 Prozent). Es handelt sich dabei sowohl um Halbzeuge, wie etwa Metall-teile, als auch um komplexe Komponenten und Teilsysteme, wie Fahrzeugmotoren, oder um ganze Endprodukte, die un-verändert reexportiert werden, etwa ein koreanisches Faxge-rät, das lediglich mit dem Logo des deutschen Reexporteurs versehen wird. Ein Großteil der reexportierten Importe stammt aus Fertigungen, die deutsche Unternehmen von den eigenen deutschen Standorten ins Ausland verlagert haben. So wird nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) mindestens jedes dritte Auto deutscher Hersteller komplett im Ausland gefertigt. Auch die Zulieferer der Automobilindustrie befinden sich immer häufiger im Ausland, und die großen deut-schen Zulieferer, wie ContiTech und Bosch, suchen sich ihrer-seits Zulieferer aus dem Ausland oder verlagern ihre eigene Produktion dorthin. Aber nicht nur in der Fahrzeugindustrie und in der übrigen Metall- und Elektroindustrie sind diese Praktiken üblich. In den Niedriglohnsparten, wie in der Textilindustrie und der Lederindustrie, kommen sie erst recht vor. Das deutsche Schuhunternehmen Salamander, das nicht zuletzt mit Exporten Milliardenumsätze macht, fertigt zum Beispiel keinen einzigen Schuh in Deutschland. Die deutschen Textilunternehmen, wie zum Beispiel der mittlerweile übernommene Jil-Sander-Kon-zern, exportieren jährlich für etwa 11 Milliarden Euro. Auch hier wird praktisch nichts in Deutschland produziert. Die Handelsbi-lanz weist bei Textilien gleichzeitig auch ungefähr 11 Milliarden Euro für Importe auf, in denen sowohl die „deutschen“ Marken-artikel als auch die direkt in Deutschland vermarkteten Import-textilien enthalten sind. Die betreffenden Unternehmen sind im Grunde keine Industrieunternehmen, sondern Handels- oder Marketingunternehmen. Das ist der Umstand, der Professor Hans-Werner Sinn veranlaßt hat, den Begriff „Basarökonomie“ zu prägen.Die Darstellung in Tabelle 1 ist gewählt worden, um die Ver-schiebung des Schwerpunktes der deutschen Wirtschaft von den eigenen inländischen Märkten ins Ausland zu zeigen. Die Entwicklung der angegebenen Einzelverwendungen des BIP zwischen 1995 und 2004, auf die im folgenden eingegangen werden soll, sprechen hier eine deutliche Sprache.

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In der „Basarökonomie“ schmilzt die Industrie auf kleine Kerne: VW-Werk in Wolfsburg

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Der deutsche Exportüberschuß

Der deutsche Exportüberschuß betrug im Jahre 2004 156,1 Milliarden Euro, das heißt die deutschen Ausfuhren von Indus-trieprodukten (und produktnahen Dienstleistungen) überstie-gen um diesen Betrag die entsprechenden Importe. Im Jahr 1995 waren es 43,6 Milliarden Euro. Das entspricht einem pro-zentualen Zuwachs von annähernd 258 Prozent.

Auch wenn man das Dienstleistungsdefizit in der deutschen Leistungsbilanz berücksichtigt, bleiben im Jahr 2004 109,4 Mil-liarden Euro Exportüberschuß gegenüber 8,7 Milliarden 1995, was sogar einer Steigerung von 1.157 Prozent entspricht. Die entsprechenden, zum großen Teil steuerfreien Gewinne wer-den hauptsächlich im Ausland investiert oder für Spekulations-geschäfte auf den internationalen Finanzmärkten verwendet. Eine durch die „Basarökonomie“ weitgehend international ver-netzte Exportindustrie verschiebt hier einen großen Teil der deutschen Wertschöpfung ins Ausland, und zwar ohne jede Gegenleistung für die deutsche Volkswirtschaft. Lediglich die Konzerne selbst und ihre Shareholder profitieren durch stei-gende Aktienkurse und Ausschüttungen und durch strategische Vorteile im globalen Finanzmonopoly. Die Deutschen können sich aber für das Geld weder etwas kaufen, noch sind sie über-haupt am Produktionsprozeß im Verhältnis zur Wertschöpfung angemessen beteiligt, wie noch gezeigt werden soll.

Die genannten 109,4 Milliarden Exportüberschuß machen im-merhin 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, das heißt, im Jahr 2004 wurde in Deutschland jeder zwanzigste Euro Wert-schöpfung praktisch ohne jede Gegenleistung im Ausland ver-schenkt. Hierzu stellt der Wirtschaftsprofessor Johann Eekhoff folgendes fest:

„Deutschland hat im vergangenen Jahr Güter und Dienstleis-tungen im Wert von rund 750 Milliarden Dollar exportiert, und damit sogar absolut mehr als die USA. Noch eindrucksvoller ist der Vergleich, wenn man die Importe abzieht: Die deutschen Exportüberschüsse betrugen fast 150 Milliarden Dollar; in den USA überwogen dagegen die Importe um 1300 Milliarden Dol-lar. Die hohen Exportüberschüsse und der starke Euro sind nach allgemeiner Auffassung ein Beweis für die Leistungsfä-higkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen

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Wirtschaft. (…) Es gibt [jedoch] kein originäres Interesse dar-an, einen Exportüberschuß zu erzielen, weil das ja bedeuten würde, daß auf den Gegenwert oder wenigstens auf den Ge-genwert für einen Teil der exportierten Güter verzichtet würde. (…) Dem Ausland zunächst einen Teil der Güter zu überlassen lohnt sich nur, wenn in Zukunft (mehr) Güter zurückfließen, wenn also später Importüberschüsse entstehen. Ein Land, das auf Dauer mehr exportiert als importiert, verschenkt einen Teil der produzierten Güter. Je höher der dauerhafte Exportüber-schuß, um so mehr müssen sich die Bürger des betreffenden Landes einschränken. Ein Exportüberschuß in Höhe von 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts würde den vollständigen Verzicht auf Konsum bedeuten. (…) Ein Exportüberschuß ist wie eine normale Kapitalanlage zu betrachten. Er lohnt sich nur, wenn die künftigen Konsummöglichkeiten eines Landes erhöht werden, wenn also mit dem gegenwärtigen Exportü-berschuß ein wertmäßig höherer künftiger Importüberschuß erzielt wird. Das eigentlich Positive und Angestrebte sind die künftigen Importüberschüsse.“20

Im Kontext des hier vorliegenden Beitrages steht aber nicht diese (volkswirtschaftliche) Verschleuderung von Werten an sich so sehr im Vordergrund. Viel gravierender ist die Tatsa-che, daß Unternehmen in Deutschland ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der eigenen Volkswirtschaft sogar ohne (volks-wirtschaftlich relevante) Gegenleistung für das Ausland pro-duzieren und dabei immer stärker mit Partnerunternehmen und eigenen Standorten im Ausland vernetzt sind, während die sozioökonomische Gemeinschaft im eigenen Land immer mehr ins Hintertreffen gerät, sowohl was die Beteiligung der inländischen Arbeitnehmer an der Produktion, als auch – über Steuern und Abgaben - was die Finanzierung öffentlicher und sozialer Aufgaben betrifft.

Stagnierende Investitionen im Inland, Kapitalanlagen der Industrie im Ausland

Ein weiteres deutliches Zeichen für die allmähliche Abkopp-lung von Wirtschaft und Kapital von der deutschen Gesell-schaft und ihrer sozioökonomischen Solidargemeinschaft ist die beharrliche Verweigerung von Investitionen im eigenen Land trotz ständig steigender Exporte.

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Während letztere im Zeitraum 1995 bis 2005 sich ungefähr verdoppelt haben dürften, sind im gleichen Zeitraum die Brut-toanlageninvestitionen im Inland sogar gesunken. Im Jahr 2004 investierten die Betriebe des deutschen Verarbeitenden Gewerbes insgesamt nur zirka 48 Milliarden Euro21, während gleichzeitig deutsche Anleger das fast Zweieinhalbfache da-von, nämlich 112,6 Milliarden Euro, außer Landes brachten (Nettokapitalausfuhr = Saldo aus deutschen Kapitalanlagen im Ausland und ausländischen Kapitalanlagen in Deutschland)22. In den ersten drei Quartalen 2005 betrug die Nettokapital-ausfuhr deutscher Anleger im Ausland 71,1 Milliarden Euro, also ebenfalls mehr als die Investitionen des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland im Jahr 2004. Die gesamten deut-schen Kapitalanlagen im Ausland im Jahr 2004 betrugen 253,9 Milliarden Euro, davon 5,9 Milliarden Direktinvestitionen, also Placierungen von Beteiligungskapital u.ä. In den ersten drei Quartalen 2005 erreichten die deutschen Direktinvestitionen im Ausland sogar 26,1 Milliarden Euro, also mehr als die Hälfte der Investitionen des Verarbeitenden Gewerbes in Deutsch-land 2004. Als besonderes Beispiel für die große Nachfrage nach Anlagemöglichkeiten für deutsches Kapital sei schließ-lich erwähnt, daß allein im ersten Quartal 2005 die deutschen Nettokapitalanlagen im Ausland mehr als 150 Milliarden Euro erreichten.

Der implodierende Dienstleistungsbereich

Auch der Dienstleistungsbereich wird zunehmend von Markt-kräften bestimmt, die außerhalb der deutschen Gesellschaft liegen. Im Zeitraum 1995 bis 2004 haben die deutschen Dienst-leistungsexporte von 59,6 Milliarden Euro auf 109,3 Milliarden Euro, also um 83,6 Prozent zugenommen. In derselben Zeit sind die Dienstleistungsimporte von 94,5 auf 156,0 Milliarden Euro, also um 65,1 Prozent gestiegen. Das Dienstleistungsde-fizit ist also von 34,9 auf 46,7 Milliarden Euro – 33,8 Prozent - gestiegen. Das gesamte deutsche Dienstleistungsvolumen wuchs zwischen 1995 und 2004 fast proportional zum Brutto-inlandsprodukt, nämlich von 1.093,4 Milliarden Euro (60,7 Pro-zent vom BIP 1995) auf 1.334,5 Milliarden Euro (61,3 Prozent vom BIP 2004).23 Der relative Anteil der Importe am Gesamtvo-lumen nahm demnach von 8,6 Prozent auf 11,2 Prozent zu.Diese Zahlen, die also schon eine mäßige Zunahme des An-teils ausländischer Dienstleistungen am deutschen Dienstleis-

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tungsmarkt zeigen, sind aber durch den Einfluß der Ein- und Ausgaben für Reiseverkehr verzerrt. Erst wenn man diesen Einfluß eliminiert, zeigt sich die tatsächliche Entwicklung, die wesentlich dramatischer ist. Folgende Tabelle gibt darüber Aufschluß:

Wie die Tabelle zeigt, ist der Reiseanteil auf der Importseite (Reisen von Deutschen ins Ausland) erheblich zurückgegan-gen. Das liegt möglicherweise zum Teil an den Anschlägen in Amerika im September 2001. Vermutlich spielen aber auch die trüben Wirtschaftsaussichten und der Reallohnrückgang in Deutschland seit dem Jahr 2000 eine Rolle. Wie dem auch sei, dadurch wird die gegenläufige Entwicklung des für die wirtschaftliche Struktur in Deutschland viel aussagefähigeren sonstigen Dienstleistungssektors etwas verdeckt. Deswegen sind in der Tabelle die Exporte und Importe von Dienstleis-tungen jeweils ohne Reisen berechnet. Das ergibt folgendes Bild:

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Tabelle 3: Veränderungen der Exporte und Importe von

Dienstleistungen mit und ohne Reisen zwischen

1995 und 2004

1995 2004 Änderung in Prozent

Exporte24 59.558 109.344./. Reisen25 25.797 22.234Exporte ohne Reisen 33.761 33.761 87.110 87.110 + 158

Importe24 94.503 156.005./. Reisen25 86.218 57.056Importe ohne Reisen 8.285 8.285 98.949 98.949 + 1.094Dienstleistungssaldo ohne Reisen

25.476 - 11.839

Gesamtes Dienst-leistungsvolumen in Deutschland23

1.093.400 Mio. € 1.334.500 Mio. €

Anteil der Importe ohne Reisen am gesamten Dienst-leistungsvolumen in Deutschland

0,76 % 7,4 %

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a) Der Dienstleistungssaldo ohne Reisen hat sich von +25,5 Milliarden Euro 1995 auf -11.839 Milliarden Euro 2004 ins Negative gekehrt.

b) Während die Dienstleistungsexporte ohne Reisen um 158 Prozent zugenommen haben, sind die entsprechenden Dienstleistungsimporte um ganze 1.094 Prozent gestiegen. Die Zunahme von ausländischen Dienstleistungen in Deutsch-land ist also um Größenordnungen stärker als die Zunahme deutscher Dienstleistungen für Ausländer.

c) Der Auslandsanteil am deutschen Dienstleistungs-markt (ohne Reisen) betrug im Jahr 2004 7,4 Prozent, wäh-rend er 1995 bei lediglich bei 0,76 Prozent lag. Der relative An-teil ausländischer Dienstleistungen hat also um das Zehnfache zugenommen.

Daraus kann man nur schlußfolgern: Deutschland ist dabei, den eigenen Dienstleistungsmarkt zu verlieren. Das gilt zu-nächst für unternehmensnahe Dienstleistungen, Patente und Lizenzen, Transporte, Versicherungen, Finanzdienstleistungen u.ä.. Als Folge der Osterweiterung, der EU-Dienstleistungs-richtlinie und der EU-Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsausbildungen für reglementierte Berufe („Diplome“; EU-Richtlinie Nr. 89/48/EWG) wird aber auch die Masse von Handwerkern, Steuerberatern, Rechtsanwälten u.s.w. von die-ser Entwicklung verstärkt erfaßt werden. Das Handwerk ver-liert heute schon jedes Jahr an Umsatz und Beschäftigten. Der Beschäftigtenrückgang im Handwerk lag in den letzten Jahren bei etwa 6 Prozent pro Jahr.

Besonders vor dem Hintergrund des Rückgangs der Beschäf-tigung im verarbeitenden Gewerbe und der langfristig stei-genden Bedeutung des Dienstleistungssektors (1960 knapp über 40 Prozent der Beschäftigten, heute über 60 Prozent) ist diese Entwicklung für die deutsche Volkswirtschaft katastro-phal. Ihr Einhalt zu gebieten, ist eine vordringliche Aufgabe bei der Sicherung der sozioökonomischen Basis der deutschen Gesellschaft.

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Importe verhindern gewerbliche Vielfalt in Deutschland

Die Importe von Waren zur Verwendung in Deutschland selbst, also nicht für die Wiederausfuhr, nahm von 1995 bis 2004 von 225,8 Milliarden Euro auf 284,0 Milliarden Euro, also um 25,8 Prozent, zu. Die sogenannten Terms of Trade, also das Tauschverhältnis zwischen Exporten und Importen entwickelte sich in den letzten Jahren im großen und ganzen so günstig für Deutschland, daß die für dieses Geld importierten Waren in einer ganzen Reihe von Industriesparten die inländische Produktion mehr oder weniger zum Erliegen gebracht haben. Das gilt natürlich zunächst für die Billiglohnsektoren. So betru-gen nach Gewerkschaftsangaben zum Beispiel in der Lederin-dustrie die Arbeitsplatzverluste im Zeitraum 2001 bis 2004 20 Prozent. Es ist nur eine Zeitfrage, wann Textilien, Bekleidung und Lederartikel nicht mehr in Deutschland hergestellt werden. Durch den Niedergang der Textilindustrie verlieren die Herstel-ler von Textilmaschinen ihren Heimatmarkt, so daß sie erstens ausschließlich auf Exporte angewiesen sind und zweitens die technologische Rückkopplung zum Anwender weitgehend verlieren. Andere technisch hochwertige Produkte werden nur noch vereinzelt in Deutschland hergestellt. Dazu gehören zum Beispiel Personalcomputer, Notebooks, Drucker-, Fax-, Multifunktionsgeräte und PC-Komponenten, wie Festplatten-laufwerke, Computerbaugruppen (Mainboards), Computerge-häuse mit Netzteil etc., aber auch entsprechende Softwarepro-dukte, alles Massenprodukte einer Schlüsseltechnologie, die in einem technisch fortschrittlichen Industrieland einfach her-gestellt werden müssen, damit eine entsprechende Technolo-giekultur entsteht, und das Land nicht von der technologischen Weiterentwicklung abgehängt wird. Generell gilt, daß die Her-stellung technischer Massenprodukte aufgrund der Wettbe-werbssituation und der komparativen Kosten in Deutschland einen schweren Stand hat. So wollte zum Beispiel der einzige deutsche Mobiltelefonhersteller, Siemens, die Mobiltelefons-parte wegen Verluste immer wieder verkaufen oder schließen. Nach dem derzeitigen Stand wird ein amerikanischer oder südostasiatischer Partner für eine Auslagerung in eine eigen-ständige Firma gesucht. Ähnlich erging es der Siemens Perso-nalcomputerproduktion, die um ein Haar geschlossen worden wäre, bevor Siemens den Partner Fujitsu zur Gründung einer gemeinsamen Tochterfirma fand. Siemens macht zwar einen

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Auch technologisch geprägte Branchen - wie hier die Papier-

industrie - wandern zunehmend aus Deutschland ab

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Gewinn von ca. drei Milliarden Euro im Jahr, aber dieses Geld ist beim herrschenden Profitmaximierungsprinzip der Konzern-leitung offenbar zu schade, um in eine technologisch extrem wichtige, aber beim derzeitigen internationalen Verdrängungs-wettbewerb wirtschaftlich schwierigen Sparte investiert zu wer-den, damit diese nicht einer ausländischen Konzernzentrale gehorchen muß, sondern unter deutscher Kontrolle bleiben und dem Technologiestandort Deutschland dienen kann. Das wäre aber an sich der volkswirtschaftliche Sinn des Gewinns.

Auch die optische und feinmechanische Industrie, die Kerami-kindustrie, insbesondere auch die technologisch wichtige tech-nische Keramik, und viele andere wichtige Industriesparten in Deutschland stecken wegen dem internationalen Wettbewerb in einer Krise mit schwankenden Umsätzen und Arbeitsplatz-verlusten.

Chronisch ist die Krise auch in der deutschen Landwirtschaft. Die Bauern leiden unter der EU-Preis- und Mengenregulie-rung und unter der auf WTO-Druck erfolgte Anpassung an Weltmarktpreise. Derzeit trifft dies die Zuckerrübenbauern besonders hart. Die Folge dieser Agrarpolitik ist, daß in Flä-chenländern, wie Bayern und Niedersachsen, Tausende von bäuerlichen Familienbetrieben jedes Jahr aufgegeben werden, mit schwerwiegenden Folgen für die jeweilige Region und ihre Kulturlandschaft.

Das Prinzip der Gewinnmaximierung und des Schließens oder Abstoßens von Industriesparten, so bald diese eine gewisse Zeit keinen Gewinn abwerfen, ergibt sich einerseits aus dem Sozialdumpings- und Verdrängungswettbewerb zwischen Volkswirtschaften mit zum Teil völlig unterschiedlicher sozi-aler Kultur und Tradition, zum anderen Teil aus der beinahe weltweiten Kapitalfreiheit, die dem Kapital erlaubt, sich bei zu-rückgehenden Gewinnen weltweit andere Renditeobjekte zu suchen. Das Kapital, das eigentlich die Aufgabe hat, innerhalb einer Volkswirtschaft eine fortlaufende dynamische Neuzu-ordnung von Ressourcen vorzunehmen, wird als Selbstzweck im Sinne seiner eigenen Maximierung dem heimischen Wirt-schaftskreislauf, dem es seine Entstehung verdankt, entzogen und in einen fremden Wirtschaftskreislauf, mit welchem es in keinem kausalen und funktionalen Zusammenhang steht, ein-gesetzt. Die Folge ist, daß es im ersteren fehlt und im letzte-

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ren als störender Fremdkörper wirkt, so als wenn ein Zahnrad aus einer Maschine entfernt und an irgendein Räderwerk einer fremden Maschine willkürlich angedockt werden würde.

Verdrängung der Binnenwirtschaft durch die Exportwirtschaft

Neben der auf das Bruttoinlandsprodukt bezogenen Export-quote wird häufig auch die Exportquote der Industrie betrach-tet. Diese ist einfach als das Verhältnis zwischen den Ausland-sumsätzen und den Gesamtumsätzen der Industrie definiert und betrug im Jahr 2004 für Gesamtdeutschland 39,6 Prozent, wobei dieser Durchschnittswert innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich verteilt ist. Die alten Bundesländer hatten ei-nen deutlich höheren Durchschnittswert als die neuen, näm-lich 40,9 Prozent gegenüber 25,5 Prozent. Beide Werte haben in den letzten Jahren eine gewaltige Steigerung erfahren: Seit 1991 stieg die Exportquote der westdeutschen Industrie um 14,1, die der mitteldeutschen um 11,6 Prozentpunkte.26

Aber auch innerhalb der alten bzw. der neuen Bundesländer sind große Unterschiede festzustellen. Während in boomenden westdeutschen Regionen die Exportquote der Industrie 2004 bereits über 50 Prozent lag, beispielsweise in Oberbayern 51 Prozent, in der Rhein-Neckar-Region über 52 Prozent, in der Region um Stuttgart 51 Prozent und in der kreisfreien Stadt Wolfsburg gar weit über 60 Prozent, lag sie beispielsweise in den Flächenländern Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen insgesamt bei 44,9 Prozent, 40,9 Prozent und 37,7 Prozent respektive. Unter den neuen Bundesländern weisen Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern die größten Abwei-chungen vom mitteldeutschen Durchschnitt auf. Der säch-sische Wert beträgt 30,2 Prozent, also fast 5 Prozentpunkte mehr als der Durchschnittswert, während Mecklenburg-Vor-pommern mit 19,7 Prozent fast 6 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt liegt.

Generell kann man feststellen, daß eine hohe Exportquote als Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft angesehen wird. Dort, wo die Exportquote und somit auch die internatio-nale Verflechtung der Wirtschaft hoch ist, sind auch die so-zioökonomischen Strukturen – Beschäftigung, Kaufkraft, öf-fentliche Haushalte etc. – verhältnismäßig gut entwickelt. In

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Regionen mit einer niedrigen Exportquote hingegen verfallen diese Strukturen zusehends. Man spricht von strukturarmen Regionen, Abwanderungsregionen etc. Im Zeitalter der Globa-lisierung genügen offensichtlich weder die regionalen noch die nationalen binnenwirtschaftlichen Beziehungen, um die sozio-ökonomischen Strukturen aufrecht zu halten. Da es sich dabei teilweise um Regionen mit Millionen Einwohnern handelt, und da die deutsche Binnenwirtschaft insgesamt über 80 Millionen Personen umfaßt, ist dies eine äußerst bemerkenswerte Ent-wicklung.

Denn diese seit Jahrzehnten anhaltende, in den letzten Jah-ren allerdings dramatisch eskalierende Entwicklung bedeutet eine systematische Verdrängung der Binnenwirtschaft durch die Außenwirtschaft.

Dem Export von Waren im Wert von 733,5 Milliarden Euro ste-hen im Jahr 2004 Importe im Wert von 577,4 Milliarden Euro gegenüber. Das entspricht einem Exportüberschuß von 156,1 Milliarden Euro, einem Rekordwert in der ununterbrochenen Reihe von Exportüberschüssen der Bundesrepublik Deutsch-land seit 1952.

Vor diesem Hintergrund kann sich die langfristig entwickeln-de, also strukturell bedingte oder, präziser gesagt, systembe-dingte, Erwerbslosigkeit nicht überraschen. Die Arbeitslosigkeit betrug in Westdeutschland im Jahre 1962 – wiederaufbaube-dingt – lediglich 100 000 Personen, im Jahre 1975 1 Million, im Jahre 1983 2 Millionen, im Jahre 1992 - nach der Wiederverei-nigung - über 3 Millionen, im Jahre 1994 4 Millionen, im Jahre 1998 4,8 Millionen und – nach einer kurzen Erholung wegen der Spekulationseuphorie der sogenannten New Economy - im Januar 2006 über 5 Millionen. Rechnet man das familiäre Umfeld hinzu, kann man vielleicht davon ausgehen, daß die-se Arbeitslosigkeit eine Bevölkerung von insgesamt etwa 10 bis 11 Millionen Menschen ganz oder teilweise direkt betrifft, ungefähr entsprechend der Bevölkerung von Niedersachsen und Schleswig-Holstein zusammen. Das bedeutet nichts an-deres, als daß große Bevölkerungsschichten und sogar ganze Landesteile in Deutschland vom Wirtschaftsprozeß und damit vom gesellschaftlichen Leben weitgehend ausgeschlossen sind. Ihre gesellschaftliche Existenzfähigkeit und Motivation wird durch den Entzug ihrer wirtschaftlichen Grundlage ge-

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schwächt, was im Notstand der öffentlichen Haushalte und in den sonstigen Auflösungserscheinungen der Gesellschaft im-mer deutlicher zum Ausdruck kommt.

In einigen westlichen Regionen zeigt sich auch, daß eine star-ke internationale Vernetzung der Wirtschaft der Verwahrlosung der sozioökonomischen Strukturen nicht etwa automatisch ent-gegenwirkt, sondern, umgekehrt, sogar verstärkt. Bremen hat zum Beispiel die höchste Exportquote der Industrie in Deutsch-land und gleichzeitig auch die höchste Arbeitslosenquote und einen extremen Haushaltsnotstand. Während es in der Ober-lausitz die weitgehend fehlenden ökonomischen Strukturen sind, die zur Verwahrlosung der Gesellschaft führen, erodiert in Bremen die wirtschaftliche Basis, weil die hauptsächlich überregional und international vernetzte Industrie immer weni-ger mit der regionalen Gesellschaft zu tun hat.

Der vorangegangenen Bestandsaufnahme der ökonomischen Situation kann man entnehmen, daß die ökonomische Krise in Deutschland vor allem systemimmanente Ursachen hat. Hier muß man in erster Linie vom eigentlichen Wesenskern der heutigen politischen Ökonomie sprechen, nämlich dem mehr oder weniger deutlich artikulierten Anspruch der Ökonomie auf völlige Autonomie von der auf soziokultureller Gemeinschaft basierenden Gesellschaft. Diese Autonomie der Ökonomie von der Gesellschaft ist sogar offizielle Doktrin des herrschenden Neoliberalismus. Denn die neoliberalen Ökonomen, allen vor-an Milton Friedman, definieren ihren sogenannten Monetaris-mus gerade als Vorrang des Kapitals, das heißt des Geldkapi-tals, vor der Wirtschaft und als Vorrang der Wirtschaft vor dem Volk. Durch den Zwang zur Selbstreproduktion soll das Kapital die Wirtschaft regelrecht vor sich hertreiben, immer wieder neue wirtschaftliche Potentiale, das heißt gewachsene kultu-relle Strukturen, entdecken und exploitieren, um permanentes ökonomisches Wachstum zu erzwingen.

Genau diese Eigenschaft der herrschenden politischen Öko-nomie verursacht den Verfall unserer sozioökonomischen Strukturen, denn diese sind ein Teil des sozialen und kultu-rellen – soziokulturellen – Systems und müssen es auch sein. Die soziokulturellen Systeme, also Völker, Staaten und Ge-meinwesen unterschiedlichster Art, können nämlich ohne eine enge Verzahnung mit eigenen sozioökonomischen Strukturen

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auf die Dauer gar nicht existieren.

Sogar Friedrich Engels hat dies in seinen Werken deutlich fest-gestellt. Er schrieb zum Beispiel:

„Die Arbeit ist die Quelle allen Reichtums, sagen die poli-tischen Ökonomen. Sie ist dies – neben der Natur, die ihr den Stoff liefert, den sie in Reichtum verwandelt. Aber sie ist noch unendlich mehr als dies. Sie ist die erste Grundbedin-gung allen menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, daß wir in gewissem Sinn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen.“ 30

Durch dieses Zitat von Engels werden – für viele vielleicht überraschend - zwei wichtige Grundsätze des nationaldemo-kratischen Wirtschaftsverständnisses formuliert, nämlich:

a) Die soziokulturelle Gemeinschaft ist für die mensch-liche Persönlichkeit existentiell notwendig.

b) Die sozioökonomische Grundlage der Gesellschaft, das heißt die gemeinsame Arbeit, dient nicht nur der reinen Überlebensfähigkeit des einzelnen oder gar der Schaffung von Reichtum, sondern sie ist vor allem die Grundbedingung für die Existenzfähigkeit der Gesellschaft und der soziokulturellen Gemeinschaft.

Wer die Richtigkeit und die Bedeutung dieser Grundsätze ein-mal erkannt hat, kann vor dem Hintergrund der vorangegan-genen Bestandsaufnahme der heutigen ökonomischen Situati-on nicht umhin, die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in der politischen Ökonomie anzuerkennen.

Unter den derzeitigen politischen Verhältnissen in Deutsch-land wird dies aber vorerst nur von den nationalen Kräften in unserem Land programmatisch formuliert werden können. Die Nationaldemokraten wollen hierzu mit den folgenden Thesen einen Anfang machen.

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Die gewachsenen Lebensräume sind gegebene Tatbestände der Siedlungs- und Verkehrsstruktur und der regionalen und überregionalen Wirtschaftskreisläufe. Sie sind in Raumord-nungsverfahren politisch zuzuordnen und festzulegen, und zwar mit dem Ziel der Erhaltung aller historisch gewachsenen Regionen unter Beibehaltung einer größtmöglichen kommu-nalen Vielfalt und Selbstverwaltung, aber auch unter Beach-tung der infrastrukturellen und wirtschaftlichen Tragfähigkeit aller Gebietskörperschaften und Verbänden von Gebietskör-perschaften. Die der Erhaltung aller gewachsenen Landesteile entsprechend festzulegenden Mindeststandards sollten den Rang eines Staatsziels und im Falle von Zielkonflikten den ausdrücklichem Vorrang vor der überregional oder handels- und industriepolitisch bedingten Förderung von Metropolen erhalten. Die Wirtschaftsräu-me sollten so weit wie möglich mit den gewachsenen L e b e n s r ä u m e n kongruent sein. Diese soziokultu-relle Kongruenz der Wirtschaft ist die Grundlage der vom Grundgesetz vorge-schriebenen Sozial-pflichtigkeit der im Wirtschaftsverkehr entstandenen und kumulierten Werte. Denn soziale Ver-antwortung entsteht nicht durch Rechts-vorschriften, son-dern durch soziale Bindung.

Die Wirtschaftsräume bilden um jede Region eine ineinan-der verschachtelte Hierarchie, gleichsam der konzentrischen

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Mit den „Thünenschen Kreisen“ legte der deutsche Volkswirt

Johann Heinrich Thünen (1783-1850) eine erste Theorie zur ökonomischen Effizienz der

Region vor.

Elemente der raumorientierten Volkswirtschaft

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Jahresringe eines Baumes, in welcher jede neue Schicht jene Elemente zum Ganzen hinzufügt, welche die inneren nicht ab-decken können.

Die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse, wie Ernährung, Wohnung und Kleidung, sind, soweit möglich und sinnvoll, in den heimat- und lebensnahen Wirtschaftsräumen abzude-cken, damit die entsprechenden Lebensräume ihre vielfältige und durchwachsene Lebensart und Arbeitskultur wie auch ihre ökologische Integrität bewahren und entwickeln können. Die Aufgabe der Landwirtschaft ist primär die Versorgung ihres eigenen Umlandes mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Die Verarbeitung dieser Erzeugnisse zu Grundnahrungsmitteln, beispielsweise Fleisch, Wurst, Milchprodukte, Brot, Wein, Bier etc., sollte ebenfalls vorwiegend regional erfolgen. Auch die wichtigsten öffentlichen Versorgungsbereiche, wie Wasser und Elektrizität, sollten regional bleiben, das heißt sie gehören in die Hand der Kommunen. Für die Energieversor-gung sind regionale Energiebilanzen zu erstellen, damit ein möglichst hoher Grad an Selbstversorgung mit elektrischer Energie erreicht werden kann. Die Bauwirtschaft sollte über-wiegend regional verankert sein usw.

Die Entwicklung und Produktion moderner Techniken mit breit-flächiger Verwendung, wie beispielsweise im Bereich der En-ergiegewinnung, der Materialforschung, der Wiederverwertung von Stoffen (Recycling), der Umwelt- und Biotechnologien, der sonstigen Verfahrenstechnologien, der Elektronik, der Infor-mationsverarbeitung, der Kommunikationstechnologie usw., sollten ebenfalls, soweit möglich, regional verteilt sein, damit die Kompetenzen im Volk möglichst breit verankert sind, und eine an den Bedürfnissen der Menschen und den natürlichen Gegebenheiten orientierte, intelligente, vielseitige Entwicklung stattfinden kann. Dies schließt – wegen der Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnik – keineswegs eine überre-gionale Vernetzung von Entwicklungsressourcen aus.

Die Bereiche Großindustrie, Großtechnologie, Forschung, Lehre und Information müssen sich zwar in überregionalen nationalen, teilweise auch europäischen oder sogar weltwei-ten Wirtschaftsräumen entwickeln. Im Gegensatz zum jetzigen Zustand darf dies aber kein Selbstzweck werden. Der Grund-satz lautet auch hier: Nur was auf der heimatlichen, regio-

Elemente

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nalen, überregionalen Ebene nicht abdeckbar ist, sollte auf die jeweils nächste Ebene verlagert werden.

Es ist die Aufgabe der Politik, vor allem der Wirtschafts-, Fi-nanz- und Geldpolitik, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die die Entstehung dieser soziokulturell kongruenten Wirtschafts-räume fördern.

Die Märkte und der Staat

Die Märkte sind jene nach dem Gesetz von Angebot und Nach-frage in gewissen Grenzen selbstregulierenden Systeme, die notwendig sind, um den wirtschaftlichen Austausch zu ermög-lichen. Sie sind branchenmäßig und räumlich gegliedert. Sie stellen den Rahmen dar, in dem gewisse Kräfte wie etwa Ange-bot und Nachfrage, Preise und Zinsniveau wirken, durch wel-che der Wirtschaftskreislauf innerhalb der Wirtschaftsräume angetrieben wird. Sie haben damit in erster Linie eine dienen-de Funktion. Sie können zwar als Teil eines langfristigen evo-lutionären Geschehens dazu beitragen, die Wirtschaftsräume anzupassen, sie dürfen diese aber nicht zerstören. Die Märkte müssen, um die Wirtschaftsräume in ihrer lebensnahen Subs-tanz erhalten zu können, räumlich begrenzt sein. Die räum-liche Begrenzung eines Marktes ist durch Vorteile der räumlich nahen Wirtschaftstransaktionen gegenüber den räumlich fer-nen bedingt. Solche Vorteile nehmen zwar durch die verkehrs- und kommunikationspolitische Entwicklung tendenziell ab. Al-lein aufgrund der kulturellen und strukturpolitischen Kosten der Nivellierung von Lebens- und Wirtschaftsräumen würden sie aber auch dann noch bestehen, wenn der utopische Fall ein-treten würde, daß sowohl die ökologischen und gesundheits-politischen als auch die energie- und rohstoffseitigen Trans-portkosten auf Null sinken. Daß dieser Fall in der Tat utopisch ist, beweisen die Ergebnisse zahlreicher Forschungsprojekte wie etwa der „Weltklimakonferenz“ oder des Club of Rome.

Freilich hat seit Beginn der achtziger Jahre die Weltmarkt-Konkurrenz eine neue Art der Rationalisierung geboren, deren technisch-wissenschaftlicher Träger die Mikroelektronik ist. Jetzt wird nicht mehr die menschliche Arbeitskraft innerhalb ihrer Tätigkeit rationalisiert, sondern immer mehr Arbeitsplät-ze werden sowohl durch Robotik und Steuerungssysteme als auch durch informationelle Straffung (die sogenannte Lean

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Elemente

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Production) völlig ersetzt. Deswegen haben es die entwickel-ten Industrieländer weniger mit einer zyklischen (immer wie-der vorübergehenden), sondern mit einer strukturellen (dau-erhaften) Massenarbeitslosigkeit zu tun. Von Zyklus zu Zyklus erhöht sich die „Sockelarbeitslosigkeit“, ohne daß irgendeine Problembewältigung in Aussicht wäre. Angesichts des das Wirtschaftsleben zerstörenden Dreiklangs von Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung, die das Paradigma des neuen Marktfundamentalismus bilden, setzt sich die NPD für eine „Entmarktung“ des wirtschaftlichen Lebens ein. Privatisie-rungen und Marktlogik müssen dort haltmachen, wo es um die Bereitstellung öffentlicher Güter geht, die der Staat bereitstel-len muß, da sie andernfalls gar nicht oder nur unzureichend bereitgestellt würden. Einen wirksamen Versuch, menschliche Arbeitskraft, Zeit und Ressourcen von der Logik von Markt und Profit abzukoppeln, sieht die NPD in der Form der Genos-senschaften, die insbesondere in der deutschen Wirtschafts-geschichte eine wichtige Rolle gespielt haben. Die NPD wird diesen Versuch, bestimmte Lebensbereiche durch selbstver-waltete Tätigkeiten aus den Zwängen der Lohnarbeit heraus-zunehmen, unterstützen und versuchen, den genossenschaft-lichen Ansatz in Theorie und Praxis weiterzuentwickeln.

Der Staat ist nach Hegels klassisch gewordener Definition der Wahrer des allgemeinen Interesses. Zu diesem allgemeinen Interesse gehört natürlich die Gestaltung und der Schutz der Wirtschaftsräume und Märkte. Insbesondere obliegt es der staatlichen Wirtschafts- und Raumordnungspolitik, die Wirt-schaftsräume nach Maßgabe der durch volkliche, kulturelle und ökologische Kriterien geprägten Regionen zu gestalten, während die Finanz-, Steuer-, Kredit- und Währungspolitik für funktionsfähige Märkte verantwortlich ist. Zum Schutz der Wirtschaftsräume und der Märkte sind staatliche Rahmenbe-dingungen in Form einer raumorientierten Marktordnung im In-neren und eines angemessenen Außenschutzes erforderlich. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben bedarf es eines starken und souveränen Staates. Die staatliche Planungs- und Gestal-tungshoheit muß in allen Bereichen wiederhergestellt werden, zum Beispiel in der Währungs- und Finanzpolitik durch den Ausstieg aus dem Euro, in der Industriepolitik, in der Agrar-, Lebensmittel- und Gesundheitspolitik, im Bereich der Grenzsi-cherung usw. Die auf Internationalisierung und internationale, kapitalistische Kontrolle der Wirtschaft hinauslaufenden Ver-

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einbarungen, wie die EU- und GATT-/WTO-Verträge müssen zum frühestmöglichen Zeitpunkt gekündigt und durch sinnvolle bilaterale Handelsvereinbarungen ersetzt werden. Es kann nämlich nicht bestritten werden, daß die intensiven internati-onalen Beziehungen und Konferenzen sowie die immer zahl-reicheren internationalen Organisationen auf globaler Ebene bisher keine den nationalstaatlich vergleichbaren exekutiven, judikativen und legislativen Handlungskompetenzen zu schaf-fen vermochten. Ohne ordnungspolitische Schranken, die aber letztlich nur im nationalstaatlichen Rahmen zu verwirklichen sind, wird sich aber das wirtschaftliche Prinzip ohne Rücksicht auf andere Ziele ausleben; die Folge ist ein zunehmendes Au-tonomwerden des wirtschaftlichen Systems, sein Abkoppeln von den übrigen Systemen. Zwar wird von vielen Beobachtern insbesondere der politischen Linken zurecht festgestellt, daß der globale Markt und die globalisierten Unternehmungen den demokratisch festgelegten nationalen Rahmenbedingungen und damit in einem gewissen Sinn einer demokratischen Kon-trolle entwichen sind. Daraus aber die Schlußfolgerung zu ziehen, es seien Wege zu finden, um die dringlich benötigten internationalen Regeln und Institutionen einer vermehrten de-mokratischen Kontrolle zu unterstellen, geht an der Tatsache vorbei, daß in der globalen Weltwirtschaft - die ein außeror-dentlich heterogenes Gebilde darstellt, deren Glieder sich in Bezug auf Größe, Wirtschaftskraft, Entwicklungsstand, Denk- und Verhaltensmuster, ideologische Ausrichtung und so weiter wesentlich voneinander unterscheiden - die auf nationaler Ebe-ne in einem jahrhundertelangen politischen Ausformungs- und Abschleifungsprozeß entstandenen demokratischen Struktu-ren und Institutionen gar nicht auf die auf die internationale Ebene angehoben werden könnten, weil sie dort einfach nicht funktionieren würden. Unter rein kommunikationstechnischen Aspekten stellt das „globale Dorf“ eine Realität dar, politisch aber bleiben der Nationalstaat und seine Institutionen alterna-tivlos.

Die schöpferischen Fähigkeiten der Menschheit hängen we-niger von der Zusammenballung aller Potentiale, sondern von der Vielfalt der volklichen und kulturellen Nischen ab. Durch die von den westlichen Industrieländern diktierte Globalisie-rung der Kommunikationssysteme droht eine zunehmende Einebnung der kulturellen Vielfalt auf niedrigem Niveau, eine Verarmung der vielfältigen Formen der Kreativität, der Wahr-

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nehmung und des Erfindungsgeistes, weil die fortschreitende Harmonisierung der materiellen Normen und Standards zur Harmonisierung der Kulturen nach westlichen Maßstäben führt. Niemand bestreitet, daß das westliche Denken, das vom Indi-vidualismus, vom Fortschrittsglauben und vom Rationalismus geprägt ist, zumindest in den alten Industrieländern eine histo-risch einmalige wirtschaftliche und technologische Entwicklung ermöglichte und die Grundlage für einen vergleichsweise sehr hohen Wohlstand in diesen Ländern bildete. Andererseits hat-te diese Denk- und Handlungsweise nicht nur positive Folgen. So trug der Individualismus entscheidend zur Befreiung des Individuums von der Unterdrückung durch autoritäre, religiöse, politische und gesellschaftliche Normen und Institutionen bei. Dadurch lockerte sich aber auch die Bindung des Individuums an die Gesellschaft und die Natur. Die Folgen zeigen sich heu-te in der Tendenz zu einer wachsenden Vereinsamung vieler Menschen, in der Spaltung persönlicher, familiärer und nach-barschaftlicher Bindungen, in der Bagatellisierung sozialer und ökologischer Probleme, im leichtfertigen Verbrauch natürlicher Lebensgrundlagen ohne Rücksicht auf ihre Langzeitwirkungen und in einem abbröckelnden Solidaritätsempfinden gegenüber den Mitmenschen. Durch den Grundgedanken, die Geschich-te sei auf ewigen Fortschritt angelegt, treten andere kulturelle Werte wie ganzheitliche Bildung, Maß und Muße, Gemein-schaftssinn und eigenschöpferische sowie kollektive Arbeit im-mer stärker in den Hintergrund.

Immer mehr Menschen erkranken psychisch, leiden an Streß oder geraten an den Rand des produktiven Systems. Der Ra-tionalismus in Wissenschaft und Philosophie hat zwar dem In-dividualismus auf gesellschaftlicher und politischer Ebene zum Durchbruch verholfen, aber dadurch andere Werte und ande-res Wissen zurückgebunden, insbesondere das künstlerische Potential der Menschen, ihre Neigung zu einem gefühlvolleren, die Grenzen überkühlter Rationalität sprengenden Denken oder der Wert familiärer Erziehungs- und Bildungsarbeit. Es geht zwar nicht darum, einem einseitigen Kulturpessimismus zu huldigen, doch die Schattenseiten der derzeitigen westli-chen Gesellschaftsform sind unübersehbar und dürfen in einer ordnungspolitischen Diskussion nicht verdrängt werden.

Angesichts des ordnungspolitischen Vakuums versuchen die transnationalen Konzerne, sich von den ihnen bisher auf nati-

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onalstaatlicher Ebene auferlegten „Fesseln“ zu lösen und sich in ihren Entscheidungen und Handlungen auf ein Ordre naturel liberaler Prägung zu berufen, das ein Maximum an Wirtschafts-freiheit gewährleistet und mit einem Minimum an staatlichen Regelungen auskommt. Die isolierte Bezugnahme auf den Ne-oliberalismus geht mit einem Kulturimperialismus einher, der eine zwangsweise Integration der ökonomischen mit den nicht-ökonomischen Zielen herbeiführen will und jeden Bezug auf die „Herkunftsmächte“ (Jürgen Habermas) Religion und Kultur als „fundamentalistisch“ verdammt – ein Schlagwort, das alle Gegner der „Diktatur des Relativismus“ (Papst Benedikt XVI.) zum Schweigen bringen soll. Verdrängt wird dabei, daß sich die nichtökonomischen Grundwerte weder eindeutig definie-ren noch konkretisieren lassen, und im weiteren, daß ein sol-ches komplexes Wertsystem vom einzelnen Menschen sowie von den unterschiedlichen politischen und sozialen Gruppen bereits in ein und demselben Land unterschiedlich gewertet wird. Für die Nationaldemokratie steht daher fest, daß die For-derung nach einem globalen ordnungspolitischen Konsens, der sich darüber hinaus auch anmaßt, über die Art und Wei-se der Integration der wirtschaftlichen mit den nichtwirtschaft-lichen Zielen und Wertvorstellungen zu bestimmen, sich schon längst in Richtung einer wirklichkeitsfremden, utopischen Visi-on hinbewegt, der es härtesten politischen Widerstand entge-genzustellen gilt. Die NPD akzeptiert die vielfältigen Optionen der Menschen und fordert die Achtung von anderen Kulturen und den Verzicht, den Völkern dieser Kulturkreise fremde und ungewünschte Anschauungen und Lebensziele aufoktroyieren zu wollen. In einem derartigen Konsens zwischen den Völkern und der Abkehr vom Ausschließlichkeitsanspruch westlichen Denkens sieht die Nationaldemokratie den Durchbruch zu ei-ner geläuterten Humanität, die jenseits des kalten und abstrak-ten Prinzip des Kosmopolitismus existiert.

Eine moderne Technologiepolitik wird durch die raumorien-tierte Volkswirtschaftsordnung nicht etwa behindert, sondern gefördert. Die NPD sieht durch die weit fortgeschrittene mo-derne Technik in hohem Maße gerade die dezentralen innova-tiven Entwicklungsbestrebungen. Dies gilt für Entwicklungen im Bereich der regenerativen Energien genauso wie für die Biotechnik, die Entwicklung von elektronischen Schaltungen, Software und vieles mehr. Die kleine, häufig im ländlichen Raum lebende und arbeitende Entwicklungsgemeinschaft

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ist in vielen Bereichen geradezu zum Prototyp für den tech-nischen Fortschritt geworden. Wenn sich dieses „Entwick-lungsbiotop“ inmitten einer wirtschaftlich, handwerklich und technisch durchwachsenen, vielseitigen Region befindet, findet es ein geradezu ideales Umfeld vor und erhält die für schöpferische, innovative Tätigkeiten wertvollsten Impulse aus entsprechenden fachlichen wie sozialen Querverbindungen. In der raumorientierten Volkswirtschaftsordnung wird gera-de die schöpferische Intelligenz stärkste Förderung erfahren. Dies wird aber nicht nur und nicht einmal vorwiegend durch die Förderung zentraler Forschungs- und Technologiepotentiale, sondern vielmehr durch eine intelligente Vernetzung aller kre-ativen Persönlichkeiten und Personengemeinschaften im Volk geschehen, und zwar unter Beachtung und Bewahrung ihrer heimatlichen, regionalen und landsmannschaftlich-kulturellen Verankerung. Überflüssig zu erwähnen, daß die moderne In-formations- und Kommunikationstechnik eine solche Vernet-zung in geradezu überwältigender Weise begünstigt. Im üb-rigen wird durch den technischen Fortschritt in allen Bereichen eine Verstärkung eigenwirtschaftlicher Aktivitäten, angefangen bei der Wirtschaftseinheit Familie, tendenziell begünstigt.

Die raumorientierte Dezentralisierung der Wirtschaft muß mit einer entsprechenden breiten Streuung der unternehme-rischen Initiative sowie des Eigentums am Produktivvermö-gen einhergehen. Dazu muß die Dominanz der Finanzmärk-te gebrochen werden, und zwar zugunsten der unmittelbar unternehmerisch Verantwortlichen und der am Arbeitsprozeß Beteiligten. Das Aktiengesetz ist nach dem Prinzip „Eigentum verpflichtet“ dahingehend zu ändern, daß der Erwerb von Ak-tienpaketen maßgeblicher Größe, beispielsweise von Schach-telanleihen, nur für physische oder juristische Personen mög-lich ist, die eine besondere Gewähr dafür bieten, sich zu der volkswirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verantwortung des Unternehmens zu bekennen und stets in diesem Sinne zu handeln. Hierfür sind entsprechende Qualifikationsverfahren einzuführen. Die Arbeitnehmerbeteiligung am Produktivver-mögen, etwa durch die Ausgabe von Belegschaftsaktien, zum Beispiel als Entgelt für besondere Leistungen beziehungswei-se Überleistungen, muß erweitert und auf eine verbesserte ge-setzliche Grundlage gestellt werden. Gleichzeitig müssen die Anforderungen an die Treue und Loyalität der Mitarbeiter zum Unternehmen ebenfalls erhöht werden.

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Das kapitalistische Gewinnprinzip

Das kapitalistische Gewinnprinzip ist einer der Hauptgegen-stände nationaler Kapitalismuskritik, und zwar wegen seiner Pervertierung zu einem Vehikel des schrankenlosen Verdrän-gungswettbewerbs und seiner dadurch bedingten beschleu-nigenden Wirkung auf den wirtschaftlichen Konzentrations-prozeß und die Globalisierung. Im Laufe der Entwicklung zur raumorientierten Volkswirtschaftsordnung wird dieses Prinzip einem fundamentalen Wandel unterworfen werden, im Zuge dessen es auf seinen eigentlichen, volkswirtschaftlich vertret-baren Sinn und Zweck zurückgeführt werden soll. Der Gewinn im Sinne der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, also im nationalökonomischen, makroökonomischen Sinne, ist per Definition die Differenz zwischen dem Nettonationalprodukt (NNP), das heißt der geldwerten Summe aller Nettoinvestiti-onen und aller an private oder öffentliche Verbraucher verkauf-ten Waren und Dienstleistungen, und der geldwerten Summe aller Produktionsfaktorkosten (Löhne, Kapital- und Boden-zins). Im Unterschied dazu ist in einer betriebswirtschaftlichen Rech-nung der Gewinn die Differenz zwischen der Summe aller Er-löse und der Summe aller Kosten des Unternehmens. Dieser Unternehmensgewinn wird aber nur dann auch zum Gewinn im nationalökonomischen Sinne, wenn er nicht seinerseits wieder für Waren und Dienstleistungen ausgegeben wird, also nicht durch Konsum weitere Produktionsfaktorkosten verursacht. So ist zum Beispiel der Gewinn einer Personengesellschaft meistens kein Gewinn im Sinne der volkswirtschaftlichen Ge-samtrechnung, sondern in der Regel zum überwiegenden Teil Unternehmerlohn. Der zuerst erwähnte, makroökonomische Gewinn, also der Restposten, der übrig bleibt, wenn alle Fak-torkosten (Löhne usw.) vom Gesamtgeldwert aller Waren und Dienstleistungen und aller Nettoinvestitionen abgezogen wer-den, besteht im wesentlichen aus dem akkumulierten Gewinn der Kapitalgesellschaften.

Nun bekommt man ja in Verbindung mit dem Begriff Gewinn in der Regel positive, im Zusammenhang mit Kosten hinge-gen meist negative Assoziationen. Dies ist hinsichtlich der Gewinne der Kapitalgesellschaften jedoch bereits aus sehr grundsätzlichen Erwägungen heraus fragwürdig. Denn für die

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eigentliche Aufgabe des Wirtschaftskreislaufes, nämlich die Aufgabe, ein vielseitiges, durchwachsenes, bodenständiges, an den Bedürfnissen von Land und Volk orientiertes Arbeits-leben zu ermöglichen, sind die Faktorkosten, nicht die abge-zweigten Gewinne zuständig. Erstere sind es ja, durch wel-che die eigentlichen wirtschaftlichen Leistungen von Land und Leuten bemessen werden. Letztere hingegen sind Geldmittel, die vorerst dem Wirtschaftskreislauf entzogen werden, und zwar letztlich mit dem Ziel, Macht auszuüben. Ob die Macht für die Volkswirtschaft gut oder schlecht ist, hängt dabei von denen ab, die sie ausüben, und von ihren Zielen. Auf jeden Fall ist die Feststellung wichtig, daß die wirtschaftlichen Leistun-gen und ihre Nutzung, also – nach der nationalökonomischen Terminologie – die Kosten sind, die den eigentlichen Zweck der Volkswirtschaft darstellen, während – ebenfalls nach der nationalökonomischen Terminologie – die Gewinne allenfalls eine dienende Funktion haben sollten, um diesen Zweck noch besser erfüllen zu können.

Heute nimmt die Akkumulation von Gewinnen in den großen Kapitalgesellschaften, besonders in den internationalen Kon-zernen und den mit ihnen verbundenen Finanzgruppen in einem atemberaubendem Tempo zu. Das hat für die Volkswirt-schaften vor allem folgende Konsequenzen:

- Erstens dienen die akkumulierten Gewinne immer seltener der Finanzierung von besonderen ökonomischen Kraftanstrengungen zum Wohle der Volkswirtschaften, da-für umso mehr dem Aufbau internationaler Industrieimperien durch Fusionen und Übernahmen, der Erzielung weiterer Gewinne durch internationale Spekulationsgeschäfte und schließlich der schlichten wirtschaftlichen und politischen Machtausübung.

- Zweitens zieht jedes Unternehmen, das Gewinne kumuliert, grundsätzlich mehr Kaufkraft aus der Volkswirt-schaft heraus, als es in diese über die Kosten für die Produk-tionsfaktoren (Löhne usw.) wieder hineinpumpt. Deswegen beruht das heutige kapitalistische Gewinnprinzip, wonach nur profitträchtige Unternehmen überhaupt noch eine Exis-tenzberechtigung haben, auf einer geradezu absurden mathematisch-logischen Ungereimtheit, einem fatalen Pa-radox, das einen mörderischen Verdrängungswettbewerb

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nach sich zieht, der die gesamte gewachsene Vielfalt der Wirtschaft vernichtet, und den nur wenige Konzerne über-leben werden. Denn die „Gewinner“ sind dazu verdammt, laufend neue Gewinne zu erzielen. Das zwingt sie zunächst dazu, Faktorkosten, das heißt in erster Linie Arbeitskosten abzubauen, wodurch sie ihre Bindung zum umliegenden Wirtschaftsraum immer mehr lösen. Denn sie geben immer weniger Menschen aus diesem Raum Arbeit, und sie ar-beiten, zugunsten von raumfremden, häufig ausländischen Billiganbietern, immer weniger mit heimischen Zulieferern und Dienstleistern zusammen. Sie tragen also immer weni-ger dazu bei, im eigenen Raum und im eigenen Land Kauf-kraft zu erzeugen. Trotzdem müssen sie, um auf die Dauer Gewinne erzielen zu können, noch mehr von der vorhan-denen Kaufkraft für sich und ihre Produkte beanspruchen, das heißt sie müssen neue Marktanteile hinzubekommen. Diese können zwar zum Teil durch „Wachstum“ entstehen. Da aber zumindest ein mengenmäßiges Wirtschaftswachs-tum mittelfristig weder zu erwarten noch zu wünschen ist, müssen die neuen Marktanteile in den meisten „konventi-onellen“ Branchen im wesentlichen von schwächeren Kon-kurrenzunternehmen übernommen werden. Von diesen Unternehmen werden dadurch viele in den Ruin getrieben oder durch Übernahme auf kaltem Wege liquidiert. Dann können zusätzliche Marktanteile, die für weitere Gewinne erforderlich sind, nur wieder anderen, noch existierenden Konkurrenzunternehmen abgenommen werden. Das führt wiederum zu deren Vernichtung usw.

- Diese Entwicklung zerstört in einem rasenden Tempo alle raumbezogenen Wirtschaftsstrukturen und wird, wenn sie nicht vorher durch einen Zusammenbruch des kapitali-stischen Systems zum Stillstand kommt, am Ende zu einem Oligopol von wenigen Superkonzernen und Finanzimperien führen, welche die Macht über eine Welt von strukturell un-terentwickelten, einzeln lebensunfähigen, teilweise verar-mten, jederzeit erpreßbaren wirtschaftlichen Monokulturen unter sich aufteilen. Diesen verhängnisvollen Prozeß gilt es unter allen Umständen aufzuhalten. Wohl gemerkt: Das soeben beschriebene kapitalistische Gewinnprinzip an sich ist natürlich nicht neu. Neu ist aber die ungeheure, ständig zunehmende Wucht, mit der es seit dem Ende des „Kalten Krieges“ wirtschaftliche Klein- und Mittelstrukturen staub-

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saugerähnlich aufsaugt und auch zwischen größeren Unter-nehmen einen regelrechten Vernichtungskampf entfesselt. Diese totale Hemmungslosigkeit verleiht dem System eine neue unheimliche Qualität, durch welche es nunmehr eine existenzielle Bedrohung für die gesamte zivilisierte Mensch-heit darstellt. Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts, hat für die sich bei diesem Prozeß speziell in Deutschland herausbildenden ökonomischen Strukturen den präg-nanten Begriff „Basar-Ökonomie“ erfunden, der die Ten-denz bezeichnet, daß der harte ökonomische Kern unserer Volkswirtschaft, der aus Industrieproduktion, Forschung und Entwicklung und produzierendem Gewerbe besteht, aus Deutschland verschwindet und unsere Volkswirtschaft deshalb zunehmend einer reinen Handelsplattform gleicht, die pathologisch zwischen exportinduziertem Boom und – in Phasen einer schwächelnden Weltwirtschaft – ebenfalls außenmarktabhängiger Depression hin- und herschwankt, bei gleichzeitiger allgemeiner Wachstumsschwäche und Massenarbeitslosigkeit. Sinn konstatiert: „Typischerweise verlagern die deutschen Firmen die arbeitsintensiven Teile ihrer Vorproduktketten in die Niedriglohnländer und spezi-alisieren sich auf die kundennahen Endstufen der Produk-tion. Der Karikatur, daß die Firmen nur noch die aus den Niedriglohnländern zugelieferten Teile zusammenschrau-ben, das Schild ‚Made in Germany‛ darauf kleben und dann die Welt beliefern, kommt die deutsche Wirtschaft schneller näher, als viele denken. Deutschland hat zwar den größten Industriebasar der Welt, es besteht aber die Gefahr, daß es sich auf Basar-Tätigkeiten beschränkt und die industrielle Basis seines Industrie-Basars allmählich verliert. Von 1995 bis 2004 ist die reale Industrieproduktion um etwa 26 Pro-zent gewachsen, der reale Import von Vorleistungen für die Industrie stieg um 64 Prozent, doch die reale Wertschöp-fung in der Industrie nahm nur um 9 Prozent zu. Gleichzeitig ist die Industriebeschäftigung im freien Fall begriffen. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs schrumpfte die Industrie-beschäftigung in Deutschland schneller als in jedem ande-ren entwickelten Land der Erde…Wer bei diesem Prozeß freilich nicht wettbewerbsfähig bleibt, sind die deutschen Arbeiter. Die Firmen bleiben genau deshalb wettbewerbs-fähig, weil sie sich der deutschen Arbeiter entledigen. Beide Parteien sitzen seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht mehr in einem Boot.“31

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- Genau diese verhängnisvolle Entwicklung ist es, der das Konzept der raumorientierten Volkswirtschaft entgegen-wirken will und wird. In der raumorientierten Wirtschaftsord-nung, die sich die Nationaldemokratie zum Ziel gesetzt hat, werden die Unternehmensgewinne nicht mehr ein Mittel zur volksfremden Beherrschung, Gleichschaltung und Glo-balisierung der Wirtschaft sein. Nein, sie werden vielmehr die Aufgabe haben, eine vorübergehende Konzentration von Wirtschaftskräften auf jene besonderen Vorhaben und Projekte herbeiführen, die im Interesse von Land und Volk wichtig oder gar unentbehrlich, jedoch ohne diese vorüber-gehende Kraftanstrengung nicht möglich sind. Dazu gehö-ren zum Beispiel viele Aufgaben in den Bereichen Umwelt, Energie, Kommunikation und Verkehr. Die Bündelung von Finanzmitteln ist verstärkt an volkswirtschaftlich sinnvolle Ziele zu knüpfen, während bei Erreichung oder Wegfall die-ser Ziele die Entbündelung begünstigt werden muß. Hierfür müssen neue gesetzliche Rahmenbedingungen in den Be-reichen Marktordnung, Wirtschaft und Finanzen geschaffen werden.

Dieses, in groben Umrissen beschriebene, raumorientierte Konzept bedeutet, daß ein krebsartig wucherndes, alle natür-lichen, gewachsenen Lebensräume zerstörendes Wirtschafts-system durch eine Ordnung ersetzt wird, die die Vielseitigkeit des Lebens, besonders auch des volklichen und kulturellen Lebens, tatsächlich gewährleistet. Dabei müssen nationalö-konomische heilige Kühe, wie beispielsweise das berühmt-berüchtigte „Gesetz der komparativen Kostenvorteile“, wenn nicht gerade geschlachtet werden, so doch deutlich in den Hintergrund treten und angesichts der kritischen Lage aller natürlichen und kulturellen Lebensgrundlagen einem mehr systemhaften, biologisch-kybernetischen, an den Bedürfnis-sen der Menschen und der von ihnen geprägten Landschaften orientiertem Denken weichen.

Sozialpolitik und Recht auf Arbeit

Die Möglichkeiten der Sozialpolitik stehen im engen Zusam-menhang mit der eben behandelten Frage der Globalisierung. Denn durch die verheerenden Folgen letzterer wird die leben-dige Arbeitswelt eines Volkes zerstört. Der Sozialstaat ist aber ohne eine vielseitige, im Volke tief verwurzelte Arbeitskultur,

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Wird Deutschland bald zu einem großen Industriemuseum? In

der „Basar-Ökonomie“ wird nur noch gehandelt und nicht mehr

produziert.

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aus der keiner ausgegrenzt wird, auf Dauer nicht finanzierbar. Deswegen ist die wichtigste sozialpolitische Forderung das Recht auf Arbeit. Dieses rein juristisch einklagen zu wollen, ist aber wenig hilfreich, wenn die zu seiner Verwirklichung er-forderlichen wirtschaftlichen Strukturen fehlen. Mit anderen Worten: Das Recht auf Arbeit ist nur durchsetzbar, wenn die systematische Vernichtung von Arbeitsstrukturen beendet wird und an die Stelle der gegenwärtig betriebenen Entfremdung zwischen Wirtschaft und Volk eine der nationalen Arbeit ge-mäße, raumorientierte nationale Volkswirtschaftsordnung tritt. Eine solche würde auch das Sozialprinzip des Grundgesetzes – im Gegensatz zum heutigen Globalkapitalismus – wieder mit Leben erfüllen. Dessen Inhalt definiert der Erlanger Staats-rechtler Prof. Dr. Karl-Albrecht Schachtschneider folgender-maßen: „Das Sozialprinzip ist als Prinzip der Gemeinschaft der in gleicher Freiheit verbundenen Menschen das Prinzip der Brüderlichkeit, welches gebietet, daß das Gemeinwesen, als Staat organisiert, die hinreichende Selbstständigkeit der Menschen, die Voraussetzung ihrer Willensautonomie als der Freiheit ist, verantwortet…Damit verpflichtet das Sozialprinzip den Staat zur bestmöglichen Förderung der allgemeinen Wohl-fahrt, welche er nach Maßgabe der Grundrechte, insbesonde-re des Menschenrechtsgehalts derselben, und unter Berück-sichtigung der ökonomischen Erkenntnisse zu verantworten hat. Ohne wirtschaftliche Prosperität hat das Wohlfahrtsziel des Staates keine Realisierungschance. Demgemäß überträgt das Sozialprinzip dem Staat die Verantwortung für die gesamt-wirtschaftliche Entwicklung…Die Wirtschaft hat eine dienende Funktion für das Gemeinwesen. Der Staat ist nicht berechtigt, seinen Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung aufzugeben, etwa weil er diese nicht mehr zu regulieren vermag.“32

Überhaupt muß aus nationaldemokratischer Sicht der Sozial-staat vornehmlich für gerechte Strukturen eintreten, so daß die sozialen Nothilfemaßnahmen nur in Ausnahmefällen erforder-lich werden. Zur Zeit sind die Verhältnisse genau umgekehrt: zerrüttete Familien, alleinerziehende Mütter, Millionen von Ar-beitslosen sind geradezu zum Normalfall geworden, für wel-chen die Sozialkassen in immer größerem Maße in Anspruch genommen werden müssen. Gleichzeitig wird die internatio-nalistische Wahnsinnspolitik gegen die nationale Volkswirt-schaft, gegen die Familie, gegen die Identität von Volk und Nation – unter anderem durch die Einwanderungs- und Über-

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fremdungspolitik – gegen Altruismus und Vaterlandsliebe mit unverminderter Intensität fortgesetzt, ja gesteigert.

Der Kapitalbildungsprozeß

Die herausragende Bedeutung des Kapitalbildungsprozesses und des Geldsystems für eine nachhaltige, sozial- und um-weltverträgliche Entwicklung der Volkswirtschaft wird heute in sträflicher Weise von den Wirtschaftswissenschaftlern ver-nachlässigt. Dabei wird die Frage, was „Kapital“ überhaupt ist und welchem Zweck es in einer Volkswirtschaft dient, entschei-dend dafür sein, ob der derzeitige Niedergang gestoppt wer-den kann, bevor es zu größeren Katastrophen oder Kriegen kommt. Wenn Geldwerte auf die hohe Kante gelegt werden, weil sie nicht für den unmittelbaren Konsum, die laufenden Be-triebskosten oder für sofortige Investitionen benötigt werden, spricht man bekanntlich von Sparen oder Rücklagenbildung. Dadurch wird grundsätzlich jenes Geldkapital gebildet, welches wir verkürzt einfach als „Kapital“ bezeichnen – so auch in die-ser Broschüre -, obwohl der Begriff eigentlich, je nach Zusam-menhang, entweder Geldwerte oder Sachwerte (‚Realkapital’) bedeuten kann. Dieser eigentliche Vorgang der Kapitalbildung ist mit der Geldwirtschaft offenbar untrennbar verbunden und mehr als bloß „sinnvoll“, nämlich volkswirtschaftlich notwendig und in der ökonomischen Praxis geradezu unumgänglich.

Das gilt es, im Auge zu behalten, wenn man daran geht, die Entwicklung des Kapitals von einem dienenden zu einem be-herrschenden, ja im wirtschaftlichen und politischen Leben krebsartig wuchernden Element zu analysieren und zu kriti-sieren. Diese Kritik ist heute in der Tat zwingend. Denn so not-wendig das Kapital an sich für die Volkswirtschaft auch sein mag, so gefährlich ist es in seiner Rolle als Beschleuniger des mittlerweile augenscheinlichen Verfallsprozesses aller wirt-schaftlichen Klein- und Mittelstrukturen zu Gunsten von sozial und kulturell entwurzelten, demokratisch nicht mehr nachvoll-ziehbaren, sich letztlich auch gegenseitig bekämpfenden und verdrängenden globalen Megastrukturen.

Das in diesem Sinne entartete Kapital und damit das von ihm beherrschte Wirtschaftssystem ist auf Grund des Zinsauto-matismus und des daraus folgenden Profit- und Wachstums-zwanges dazu verdammt, alle Möglichkeiten der Expansion

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durch Zersetzung von Klein- und Mittelstrukturen und Aufbau immer unübersichtlicherer Großstrukturen zu nutzen. Die Folge ist jenes „verfressene Kapital“, welches, ähnlich den entarteten, ebenfalls einem verstärkten Wachstumszwang unterliegenden Krebszellen in einem von der Krebskrankheit befallenen Körper, immer mehr gesundes Gewebe verdrängt, also immer mehr sozial und kulturell verträgliche Wirtschafts-strukturen austrocknet und, um im Bild zu bleiben, das me-tastasenartige Wachstum eben jener Krebsgeschwülste er-möglicht, denen die heutigen, von ihren lokalen, regionalen und nationalen Wurzeln völlig entkoppelten Wirtschafts- und Finanzmegastrukturen in so erschreckender Weise ähneln.

Das beschriebene Wirkungsgefüge ist zwar eine in unserem Geldsystem und in der „liberalen Wirtschaftsordnung“ grund-sätzlich angelegte Disposition. Seine negativen Auswirkungen wurden aber lange Zeit vom materiellen Fortschritt überdeckt, der durch die vorwegnehmende, vorübergehende Entfesse-lung aller wirtschaftlichen Kräfte erzielt werden konnte. Gleich-zeitig sind die negativen Folgen auch wegen der im Vergleich zum heutigen Stand noch vor kurzem relativ unvollkommenen Kommunikationsmöglichkeiten, wegen der bis Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bestehenden geostrategischen Großwetterlage und nicht zuletzt einfach we-gen des natürlichen Beharrungsvermögens bestehender For-men lange nur schwer zu erkennen gewesen. Ähnliches gilt übrigens auch für den angeborenen Expansionsdrang unserer Spezies im allgemeinen, welcher zwar in einem gewissen Spannungsverhältnis zu unseren elementaren, mehr auf die Kleingruppe ausgerichteten sozialen Bedürfnissen und Fähig-keiten steht, aber in langen Zeiträumen, als der Mensch sich die Erde noch nicht gänzlich untertan gemacht hatte, einen po-sitiven Saldo von Fortschritt und Zerstörung aufweisen konnte. Beides, die zerstörerische Entwicklung des Kapitalismus wie auch die ungebremste Expansionslust unserer Spezies im all-gemeinen, zeigen erst in Verbindung mit der exponentiellen Steilphase, in welche die technische Entwicklung heute einge-treten ist, ihren wahren Charakter als langfristiges – mittlerwei-le aber bereits erkennbar näherrückendes! - Verhängnis der Menschheit.

Aber auch der Kapitalismus in seiner oben beschriebenen, alles beherrschenden, alles zersetzenden, den absoluten

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Vorrang beanspruchenden Form beruht im Kern auf einem natürlichen Gesetz, das für jede arbeitsteilige Wirtschaftsge-meinschaft ab einer gewissen Komplexität gilt, nämlich dem tatsächlichen Zwang zur Kapitalbildung. Die ideologischen Vertreter des Kapitalismus nehmen selbstverständlich dieses Gesetz als Begründung auch für den Mißbrauch in Anspruch und sprechen ebenfalls von der prinzipiellen Notwendigkeit des Kapitals, jedoch ohne auf dessen eigentliches Wesen und tatsächliche Aufgabe für eine langfristig stabile, existenz-sichernde, selbstbestimmte Volkswirtschaft einzugehen. Des-wegen ist die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit dem internationalen Finanzkapitalis-mus die Fähigkeit, dem pervertierten Kapitalverständnis die-ser modernen Herrschaftsideologie ein sowohl ökonomisch als auch sozial und kulturell stimmiges und überzeugendes Alternativmodell entgegenzusetzen. Es geht gewissermaßen darum, das als Herrschaftsinstrument mißbrauchte Kapital der gewachsenen kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Ge-meinschaft als jenes Gemeinschaftsgut, das es von Natur aus tatsächlich darstellt, zurückzugeben, und zwar zunächst im geistigen, intellektuellen Sinne. Denn die kapitalistische Herr-schaft ist, wie die meisten Herrschaftsformen, in erster Linie eine Macht über die Köpfe. Auf dieser Grundlage kann man dann auch politisch wirksam aufzeigen, welche ökonomische Absurdität und vor allem welche ungeheuere Bedrohung für alle gewachsenen Gemeinschaften und ihre natürlichen Le-bensgrundlagen der heutige westliche Kapitalismus verkörpert. Würde man umgekehrt vorgehen, so würde man vielleicht bei der Aufzählung von Mißständen einige Zustimmung ernten, aber letztlich scheitern, und zwar am fatalistischen Glauben der Masse, gerade unter den sogenannten Intellektuellen, an angeblich unaufhaltsame, jedem politischen Gestaltungswillen entzogene ökonomische Zwangsläufigkeiten.

Deswegen muß es Aufgabe der Nationaldemokratie sein, ein positives ‚Kapitalverständnis’ im Sinne einer langfristig sta-bilen und lebensfähigen Volkswirtschaft zu vermitteln. Die ‚axiomatische’ Wertegrundlage hierfür ist die Erkenntnis, daß jede Volkswirtschaft das pulsierende Herz ihres Volks- und Kulturraumes und somit das gemeinsame Eigentum der darin lebenden Menschen ist - oder jedenfalls sein sollte. Das gilt insbesondere auch für das Kapital, welches in Wirklichkeit nichts anderes darstellt als eine Art Wertgutschein mit zuge-

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Der Kapitalbildungsprozeß muß wieder an die Bedürfnisse der

Volkswirtschaft zurückgekoppelt werden.

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hörigem Verfügungsmandat über die der Volkswirtschaft inne-wohnenden Leistungsreserven.

Wenn, wie oben beschrieben, das Kapital ein monetäres Maß für die Leistungsreserven der Volkswirtschaft und gleichzeitig eine Art Vollmacht zur mehr oder weniger freien Disposition und Verwendung dieser Ressourcen darstellt, so kann es sich bei dessen Besitz auf keinen Fall um ein uneingeschränktes Ei-gentumsrecht handeln. Es geht hierbei wohlgemerkt nicht dar-um, dem Mittelständler die Investitionsfreiheit zu beschneiden, aber der für Volk und Land fatale Abfluß von Milliardensum-men in den internationalen Finanzblasen-Kapitalismus muß, notfalls auch durch gesetzliche Regelungen, gestoppt werden. Denn sonst wären die Kapitalbesitzer praktisch die Eigentümer der Wirtschaftskraft eines Landes und eines Volkes und damit, genau genommen, auch die Eigentümer dieses Landes und dieses Volkes selbst. Das wäre aber unter keinen Umständen akzeptabel, selbst dann nicht, wenn alle Kapitalbesitzer aus der Mitte des Volkes kämen und sich dessen Gemeinschaft absolut verpflichtet fühlten, geschweige denn, wenn sie, was eher der Realität entspricht, einem volks- und landesfremden, globalen Netzwerk, wie der internationalen Hochfinanz, ange-hören, für welches die Länder und Völker gar keine Werte an sich darstellen, sondern lediglich markt- und konjunkturabhän-gige Posten in der Finanzbuchhaltung.Das ist in der Tat eine wichtige Erkenntnis. Um sie mitsamt ihrer kapitaltheoretischen Begründung festzuhalten, erscheint ein kurzes Zwischenresümee des bisher Gesagten angebracht:

- Das Geldkapital repräsentiert die Leistungsreserven und Entwicklungsmöglichkeiten der Volkswirtschaft und er-hält nur dadurch seinen tatsächlichen Wert und seine Be-rechtigung.

- Die beherzte und sachkundige Ausübung dieser Kom-petenz zum Wohle der Volkswirtschaft und der ihr zugrunde liegenden Gesellschaft ist nicht nur und nicht in erster Linie das Recht, sondern vor allem die Pflicht der Kapitalbesit-zer.

- Der Staat muß als politisches Organ des Volkes, also auch aller Wirtschaftsteilnehmer, die Richtlinien und Rah-menbestimmungen hierfür verbindlich festlegen.

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- Das Geldsystem muß mit einer Umlaufsicherung ver-sehen werden, um zu verhindern, daß das Geld sozusagen im Hinblick auf seine eigentlichen Aufgaben in „Streik“ tre-ten kann und nur dazu dient, in die sich an den globalen Fi-nanzmärkten bildenden Finanzblasen abzufließen, dort für astronomische Überbewertungen von Unternehmens- oder Immobilienwerten zu sorgen und damit die permanente Ge-fahr eines Crashs der internationalen Finanz- und Kapital-märkte mit allen seinen katastrophalen Folgen heraufzube-schwören.

Angesichts der heutigen Machtvollkommenheit und sozialen Bindungslosigkeit international agierender Kapitalbesitzer mögen diese Postulate geradezu revolutionär klingen. Und sie sind es wohl auch tatsächlich, zumindest im Hinblick auf die realen Machtverhältnisse, nicht jedoch mit Blick auf jenes – heute leider meist vergessene – deutsche ökonomische Denken, das einst dieses Land zu einer der leistungsfähigsten Volkswirtschaften der Welt machte!Diese „deutsche Nationalökonomie“ oder „preußische Volks-wirtschaftslehre“ muß die Nationaldemokratie als fundamen-tales Gegenmodell zur heutigen Ideologie des Geldes, zu der durch Imperialismus, Welthandel und monetaristische Geld-theorie geprägten Economics herausstellen.

Landschafts- und Umweltschutz

Grundlegendes Element jeder nationaldemokratischen Wirt-schaftspolitik ist immer auch der Landschafts- und Umwelt-schutz. Denn die natürliche Umwelt in Deutschland und in ganz Mitteleuropa ist Kulturlandschaft, das heißt ein von mensch-licher Kultur geprägter Lebensraum, in dem biotopische und ethnotopische Strukturen in enger Symbiose, das heißt in ge-genwärtiger Abhängigkeit neben- und miteinander existieren. Das Volk lebt von und mit seiner natürlichen Umwelt, seiner Heimat, seinem Land. Das bedeutet, daß es pfleglich, rück-sichtsvoll und intelligent damit umgehen muß, damit diese Symbiose dauerhaft erhalten bleibt. Der Münchner Biologe und Umweltforscher Frederick Vester hat in seinem großen Werk Neuland des Denkens – Vom technokratischen zum ky-bernetischen Zeitalter für diesen Umgang des Menschen mit der Natur im vernetzten System Mensch – Umwelt den Begriff Jiu-Jitsu-Methode geprägt. Damit soll verdeutlicht werden, daß

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Die menschliche Zivilisation hat nur dann eine Überlebens-

chance, wenn sie die Kräfte der Natur nutzt, ohne sie

substanziell zu zerstören.

Elemente

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die menschliche Zivilisation nur dann eine Überlebenschan-ce hat, wenn sie die Kräfte der Natur nutzt, ohne sie subs-tantiell zu zerstören; das heißt: wenn sie sich selbst als Teil der Natur sieht und sich in den regenerativen, organischen Ablauf der natürlichen Umwelt in intelligenter Weise einord-net. Die Natur entwickelt sich aber in Nischen, wie im ersten Abschnitt dieses Aufsatzes dargestellt, und kann sich auf die Dauer nur biotopisch, das heißt unter Wahrung und stetiger Anpassung ihrer Identität, insbesondere auch ihrer vernetzten, „gesellschaftlichen“ Identität entfalten und erhalten. Dies muß auch für die menschliche Kultur gelten, wenn diese ihrer Auf-gabe im Netzwerk Mensch–Umwelt gerecht werden soll. Aus all dem wird deutlich, daß Umweltschutz nur auf volklich-kul-tureller Grundlage möglich ist. „Land und Volk“ bilden eine schützenswerte organische Einheit. Eine rein technokratische „Ökologie“, wie sie zum Beispiel von den „Grünen“ bei gleich-zeitig anti-volklicher, expansionistischer und größenwahnsin-niger One-World-Politik betrieben wird, ist nicht nur dumm und – für Einsichtige – unglaubwürdig, sondern leider auch eine täuschende Maske, durch welche die Anfang des 21. Jahrhun-derts aufkommende neue geistesgeschichtliche Grundschwin-gung des Substanzbewußtseins politisch für andere Zwecke instrumentalisiert werden soll.

Um die bestehenden Verhältnisse überwinden zu können, muß die Nationaldemokratie als Trägerin einer fundamentalen Er-kenntnis agieren und diese wieder zur Leitlinie des politischen Handelns machen, indem sie verdeutlicht, daß die Begriffe so-zial und national sich letztlich auf das gleiche Objekt beziehen, nämlich die organisch gewachsene menschliche Sozietät und das Bewußtsein, durch welches die Belange dieser Gemein-schaft vertreten werden. Das Lokale, Regionale und Nationale sind die konkreten Erscheinungsformen des Sozialen und der Niedergang des Sozialen liegt begründet in der Diffamierung des Nationalen. Eine an der Basis entstehende Bewegung neuen Typs, die von den früheren „Nur-Nationalen“ bis zu den früheren „Nur-Sozialisten“, von den Kultur- und Wertkonserva-tiven bis zu den „Progressiven“, von den gläubigen Christen bis zu den Freidenkern, von rechts bis links reicht, wird diesen Gedanken transportieren. Diese Bewegung ist im entschei-denden politischen Ansatz bereits vorhanden.

Sie heißt Nationaldemokratie!Eine neue soziale Bewegung muß die bestehenden Verhält-nisse überwinden.

Elemente

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Im Grundsatzprogramm der NPD werden die fundamentalen Ziele einer nationaldemokratischen Wirtschafts- und Sozialpo-litik festgelegt. Der folgende Abdruck der Programmpunkte 4 bis 7 soll Aufschluß über diese politische Zielsetzung geben.

4. Die Wirtschaft muß dem Volke dienen

Die Wirtschaft unseres Volkes ist nicht autonom, sondern Teil des Ganzen. Der Staat muß der Wirtschaft Rahmenrichtlinien vorgeben; falls nötig, Richtdaten setzen und durchsetzen, wenn das Gemeinwohl dies erfordert. Nicht das Volk dient der Wirtschaft, vielmehr muß die Wirtschaft dem Volke dienen.

Ziel nationaldemokratischer Wirtschaftspolitik ist die Synthe-se von unternehmerischer Freiheit und sozialer Verpflichtung. Deshalb bekennt sich die NPD zu einem freien und sozialver-pflichteten Unternehmertum. Die Führung der Volkswirtschaft ist jedoch Aufgabe des Staates und unterliegt dessen letzter Verantwortung.

Die Industrie- und Dienstleistungsverlagerungen aus Deutsch-land und die Vergabe von Lohnarbeit in sogenannte Billiglohn-länder ist moralisch zu ächten und steuerlich zu ahnden.

Die Vereinigung der deutschen Teilstaaten BRD und DDR und der damit zusammenhängende Zusammenbruch der staats-monopolistischen Kommandowirtschaft der DDR stellte die Wirtschaftspolitik vor Aufgaben, die mit den alten Konzepten nicht lösbar waren. Der Verkauf von Betrieben und Einrich-tungen durch die „Treuhand“ und deren Nachfolgerin (BVS) macht ganz Mitteldeutschland zu einer Armutsregion mit kaum faßbarer Arbeitslosigkeit. Die Treuhand-Nachfolgerin muß eingebunden werden in Landeseigentum mit dem politischen Auftrag des Wiederaufbaus von deutscher Industrie und Land-wirtschaft. Anstelle der Vernichtungsberatung muß es zu ei-ner Aufbauberatung kommen. Die Industrieforschung - ein Rückgrat für die Produkt- und Prozeßinnovation, die von der Treuhand in Mitteldeutschland weitestgehend beseitigt wurde

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Auszug aus dem Parteiprogramm der NPD

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- ist mit neuem Auftrag an die Nachfolgerin (BVS) wieder zu aktivieren.

Die mittelständische Wirtschaft muß als lebenswichtiger Be-standteil unserer Volkswirtschaft erhalten und besonders in Mitteldeutschland gestärkt werden. Die NPD wird die deut-schen Handwerks- und Ausbildungsordnungen konsequent verteidigen.

5. Die raumorientierte Volkswirtschaft

Die deutsche Wirtschaft, einschließlich der in Deutschland tä-tigen ausländischen Unternehmen, hat dem deutschen Volk, seiner materiellen Sicherung und seiner geistig-kulturellen Ent-wicklung zu dienen. Soziale und ökonomische Belange sollen mit den Bedingungen von Land, Volk und Ökologie in Überein-stimmung gebracht werden. Die Wirtschaft darf Deutschlands Umwelt nicht zerstören und seine Bevölkerung nicht entfrem-den. Grund und Boden sind Eigentum des deutschen Volkes.Jeder Deutsche hat das Recht auf Arbeit. Arbeitsplätze sind zuerst an Deutsche zu vergeben. Männer und Frauen sind im Arbeitsleben unter Berücksichtigung des Leistungsprinzips gleich zu behandeln.

Die Arbeitnehmer sind am Produktivvermögen zu beteiligen. Was Automation und Rationalisierung an Arbeit und Lohn neh-men, muß durch Mitbeteiligung am Gewinn der Wirtschaft wie-dergegeben werden.

Die NPD lehnt die in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung systematisch betriebene Internationalisierung der Volkswirt-schaften entschieden ab. Diese Globalisierung der Wirtschaft beruht auf dem überholten und falschen Ziel der maximalen Ausbeutung der Erde durch Schaffung von wirtschaftlichen Monokulturen gemäß dem sogenannten „Gesetz der kompa-rativen Vorteile“. Die NPD lehnt die Globalisierung der deut-schen Wirtschaft auch deswegen ab, weil die unmittelbar zur Massenerwerbslosigkeit geführt hat.Die NPD fordert eine am heimischen Lebensraum der Men-schen orientierte vielseitige und ausgewogene soziale Volks-wirtschaft. Der internationale Handel ist eine notwendige Er-gänzung der heimatlichen Wirtschaftsbasis, darf aber diese in ihrer Vielfalt und Substanz nicht aushöhlen.

Aus dem Parteiprogramm

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6. Währung, Steuern und Finanzen

Das in Deutschland operierende Finanzkapital hat der deut-schen Volkswirtschaft zu dienen. Die im kapitalistischen Finanz- und Wirtschaftssystem florierende schrankenlose Vermehrung des Geldkapitals durch Subventions-, Steuer-, Kredit- und Zin-sprivilegien führt zu gravierenden Fehlentwicklungen der Wirt-schaft und muß deswegen eingedämmt werden.

Die in Deutschland betriebene staatliche und private Schul-denwirtschaft führt zu einer schädlichen Aufblähung der Volks-wirtschaft und raubt zudem dem Staat jegliche haushaltspoli-tische Aktionsfähigkeit in Krisensituationen. Die NPD fordert eine Verschärfung der gesetzlichen Grundlage zur Verhinde-rung eines solchen Mißbrauchs (Art. 115 GG).

Es schadet dem Volk, wenn Deutschland sich als unabhän-giger Staat selbst aufgibt, um abhängiger fremdbestimmter Teil eines keinem Volk verpflichteten Wirtschaftsimperiums „EG/EU-Europa“ zu werden. Die Aufgabe der eigenen Währung ist ein wesentlicher Schritt in eine verhängnisvolle Richtung. Dem stellt sich die dem Volk verpflichtete Wirtschafts- und Finanz-politik der Nationaldemokraten entgegen.

7. Sozialpolitik als nationale Solidarität

Aus sozialer Gerechtigkeit wächst die nationale Volksgemein-schaft. Sozialpolitik bedeutet die Solidarität des Volkes mit sei-nen Angehörigen. Sie muß die Geborgenheit des Einzelnen in der Gemeinschaft sichern.

Wir brauchen eine Sozialpolitik, die sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Vernunft entspricht. Sie hat die Aufgabe, den Wohlstand des ganzen Volkes zu festigen, den einzelnen in allen Wechselfällen des menschlichen Lebens vor unverschul-deter Not zu bewahren und ihm einen sorgenfreien Lebensa-bend zu sichern.

Eine Sozialpolitik nach dem Traumbild des totalen Wohl-fahrtsstaates, dessen Belastungen für alle Schaffenden zum Albdruck werden, verfehlt ihre Aufgabe und ist unsozial. Eine soziale Lohn- und Gehaltspolitik muß jedermann einen aus-

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Aus dem Parteiprogramm

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reichenden und gerechten Anteil am Volkseinkommen gewäh-ren.

Nationaldemokratische Sozialpolitik fühlt sich auch den sozial Schwachen unseres Volkes verpflichtet. Ausländer sind aus dem deutschen Sozialversicherungswesen auszugliedern. Asylanten dürfen keinen einklagbaren Anspruch auf deutsche Sozialleistungen besitzen.

Eine dauerhafte Sicherung aller sozialen Leistungen - auch der Renten - ist in einer sich durch die fortschreitende Automa-tion radikal verändernden Arbeitswelt nur durch die Einführung produktionsbezogener Sozialabgaben möglich. Wir National-demokraten setzen uns mit Entschiedenheit für eine neue Ge-meinschaftsordnung ein, die in nationaler Solidarität vorhan-dene Gruppenegoismen überwindet und zu sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit führt.

Aus dem Parteiprogramm

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der Sächsischen Wirtschaft anläßlich der Wahl zum 4. Sächsischen Landtag am

19. September 2004

Antworten der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD)

Frage I. 1.: Welche wirtschaftspolitischen Schwerpunkte wird ihre Partei setzen, um die wirtschaftliche Entwick-lung im Land zu forcieren?

In erster Linie geht es darum, den Mittelstand als den Arbeits-platzgaranten der Nation stärker zu fördern. Für Unternehmen mit geringer Eigenkapitaldecke muß das Land zinsgünstige Kredite zur Verfügung stellen. Viele Investitionen von Klein- und Mittelunternehmen können zur Zeit nicht getätigt wer-den, da sie die von den Banken auferlegte Zinslast nicht tra-gen können bzw. langfristig erdrückt werden. Die Umsetzung der europäischen Richtlinie für die Vergabe von Krediten an Kleinunternehmen und den Mittelstand „Basel II“ wird die Lage weiter verschlimmern und 2006 die Pleitewelle im Land noch anschwellen lassen. Es sind Genehmigungsverfahren zur Ver-gabe günstiger Investitionskredite des Landes zu entwickeln, die es Unternehmern ermöglichen, ihr gesamtes kreatives Po-tential in den Dienst des Landes zu stellen. Außerdem fordert die NPD die Landesregierung auf, sich im Bundesrat dafür ein-zusetzen, die Öko-Steuer in der gegenwärtigen Form zu strei-chen und Steuervorteile für Großunternehmen abzuschaffen. Die derzeitige Gesetzeslage erlaubt es Großunternehmen, durch raffinierte Finanztricks ihre Steuerzahlungen gegen Null zu drücken. Für diese Steuerausfälle müssen ehrlich arbeiten-de Arbeiter und Angestellte aufkommen. Aus diesem Grunde wurde die Öko-Steuer eingeführt, die ihrer Funktion als ökolo-gischer Lenkungssteuer und Einnahmequelle zur Senkung der Lohnnebenkosten nicht gerecht wird, sondern nur dazu dient, die durch die Steuerpraxis der Großkonzerne entstandenen

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IHK Leipzig: Wahlprüfsteine

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Steuerausfälle bei Geringverdienern wieder einzutreiben.Ein weiterer Schwerpunkt muß in den Ausbau regionaler Wirt-schaftskreisläufe und die Innovationsstärkung bei den Basis-technologien (z.B. Telekommunikation, Mikroelektronik, La-sertechnik, Biotechnologie) gesetzt werden, sofern diese von der Produktionsausrichtung und den Absatzstrukturen zweck-gebunden Anwendung finden. Als grundlegende Zielrichtung muß gelten: Investition in Innovation als beschäftigungswirk-same Alternative anstelle eines Rationalisierungs- und Effizi-enzwettlaufs innerhalb längst gesättigter, global überlaufener Märkte. Letztere müssen vielmehr dem Globalisierungsdruck entzogen und der an der Heimat orientierten Volkswirtschaft zurückgegeben werden.

Frage I. 2.: Halten Sie es für sinnvoll, den neuen Bundes-ländern wachstumsfördernde Sonderwege einzuräumen, um auf spezifische wirtschaftliche Probleme flexibler rea-gieren zu können? Wo liegen die Schwerpunkte?

Grundsätzlich geben wir der Förderung heimatnaher gewerb-licher Strukturen auf regionaler Ebene und Landesebene den Vorzug vor dem von den Systemparteien propagierten welt-marktorientierten Wachstum. Vor diesem Hintergrund halten wir »Sonderwege« für sinnvoll. Zunächst müssen Wirtschafts-kreisläufe raumorientiert gestaltet werden, so daß in erster Linie Sachsen für Sachsen arbeiten und die Arbeitsteilung innerhalb von Sachsen selbst ordentlich funktioniert, wobei dies immer von der Bundespolitik und den Ergebnissen der Föderalismuskommission abhängig ist. Diese Frage wird auch die Nagelprobe im Hinblick auf die verbliebene »Rest-Souve-ränität« Deutschlands zwischen den Mühlsteinen der Europä-ischen Union und der Globalisierung sein. Sind wir angesichts der Kompetenzabtretungspolitik der BRD überhaupt noch zu nationalen oder binnenwirtschaftlichen Sonderwegen fähig? Folglich sind die notwendigen »Sonderwege« nicht allein bei innerdeutschen Regelungen, sondern vor allem im Umgang mit den Gefahren der EU-Osterweiterung zu suchen, siehe ge-nanntes Beispiel zur Frage II. 2.

Außerdem ist in Mitteldeutschland die Existenz vieler Klein- und Mittelbetriebe, gerade im Handwerk, durch die Konkurrenz mit staatlich subventionierten ABM-Stellen gefährdet. Diese ge-zielt geförderte Arbeitsplatzvernichtung muß gestoppt werden.

Fragen und Antworten

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Die NPD setzt sich dafür ein, daß Unternehmen, die ABM-Stel-len unterhalten, nicht in Konkurrenz zu anderen Unternehmen treten dürfen. ABM-Stellen dürfen die Belebung der Konjunktur nicht abwürgen. Sie sollten vor allem dort geschaffen werden, wo sie nicht in Konkurrenz zum ordentlichen Arbeitsmarkt tre-ten, z.B. in bestimmten Segmenten des gemeinnützigen Be-schäftigungssektors wie sozialen Dienstleistungen, zivilen Be-dürfnissen, des Umweltschutzes und der Kultur. ABM-Stellen können auch zum Abbau von Überstunden genutzt werden, ohne daß hierbei staatliche Subventionierung betrieben wer-den darf oder die Schaffung neuer Stellen verhindert wird. Dies dient zur Erholung der Arbeitskraft des regulären Arbeitsplat-zinhabers und zur Erhaltung oder Erweiterung der Fähigkeiten der ABM-Kraft.

Frage I. 3.: Welche konkreten Vorschläge zur Entflech-tung der Gesetzgebungskompetenz und zum Umbau der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern werden Sie unterbreiten?

Die Verflechtung der Gesetzgebungskompetenz, beispielswei-se über die Zustimmung des Bundesrates zu bestimmten Ge-setzen, wird vor allem durch die parteitaktische Blockadepoli-tik problematisch. Daher sollte der Machtmißbrauch den Rang von Verfassungswidrigkeit erhalten und dementsprechend geahndet werden. Unter den Rahmenbedingungen einer raumorientierten Volkswirtschaft verstünde es sich von selbst, daß Länderfinanzausgleiche hinfällig werden. Die Föderalis-muskommission wird offensichtlich mißbraucht, um mit einer systematischen Kompetenzabtretungspolitik nach Brüssel ver-fassungsrechtliche Probleme zu umgehen und die Demontage nachträglich zu legitimieren. Da gerade in der Wirtschaft ca. 80 Prozent aller Gesetzesvorhaben unter dem Vorbehalt von EU-Richtlinien stehen und die Bundespolitik für diesen Mißstand verantwortlich ist, sollten die sozialen Folgekosten gemäß dem Konnexitätsprinzip auf den Bund oder Brüssel übertragen werden.

Der innerdeutsche Subventionswettbewerb muß gestoppt werden. Als konkrete Maßnahme zum Umbau der Finanzbe-ziehungen zwischen Bund und mitteldeutschen Ländern sollte geprüft werden, ob bei der Umsetzung des Solidarpaktes II der Zeitraum der Mittelvergabe nicht verkürzt werden kann. Auch

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Fragen und Antworten

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die Entscheidung, die Mittel keiner Zweckbindung zu unterwer-fen, ist zu überprüfen, weil damit eine investive Verwendung nicht gewährleistet ist. Zu viele Gelder versickern in unnützen kommunalen Prestigeprojekten.

Frage II. 1.: Welche wirtschaftspolitische Bedeutung mes-sen Sie öffentlichen Investitionen bei und welche Prioritä-ten werden Sie beim Investitionsgeschehen setzen?

Zunächst vorweg: Es bestünde kein Mangel an Investitions-kapital, wenn Kapital nicht volkswirtschaftlich sinnlos verspe-kuliert würde. Unserer Wirtschaft wird sich nur schwer erholen und ausreichend Arbeitsplätzen bereitstellen können, wenn das Finanz- und Kreditsystem nicht in dem Sinne umgebaut wird, daß es den zielgerichteten Einsatz von Investitionsgel-dern ermöglicht und dafür sorgt, daß das Kapital seiner tech-nischen Funktion im Sinne der Volkswirtschaft wieder gerecht wird. Angesichts der kränkelnden Binnenkonjunktur infolge der schwachen Nachfrage werden öffentliche Investitionen im Sinne eines antizyklischen Konjunkturprogramms von großer wirtschaftlicher Bedeutung sein. Dies muß von der Wirtschaft als Initialzündung und psychologisch als vertrauensbildende Maßnahme für die zukünftige Entwicklung verstanden werden. Die Schwerpunkte sind wie in der Antwort zu Frage I. 1. gela-gert und müssen ferner mit Kriterien wie der Ausbildungsbe-reitschaft und der regional ansässigen Arbeitnehmerschaft etc. verknüpft werden. Hinzu kommen noch Familie und Infrastruk-tur. Letzteres gewinnt durch das zu erwartende ansteigende Verkehrsaufkommen, vor allem in den Grenzgebieten, an Be-deutung, und die Familienpolitik ist aus Nachfragegründen des Arbeitsmarktes von großer Wichtigkeit. Die bevölkerungspoli-tische Frage ist von größter Bedeutung sowohl im Hinblick auf Angebot und Nachfrage des Binnenmarktes als auch auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes.

Bei der Genehmigung aller öffentlichen Investitionen ist zu beachten, daß Deutschland ein Land ohne Rohstoffe ist und bei sinkenden öffentlichen Investitionsvolumina die Mittel vor allem auf Forschung und Bildung konzentriert werden müssen. Diese Bereiche müssen zwingend öffentlich gefördert werden und dürfen nicht durch Liberalisierungs- und Deregulierungs-maßnahmen den Marktgesetzen unterworfen werden, da sie für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes von allerhöchster Be-deutung sind.

Fragen und Antworten

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Frage II. 2.: Wie kann die Landespolitik die Sanierung der Haushalte der sächsischen Kommunen unterstützen?

Auf jeden Fall muß ein Ausverkauf kommunaler Infrastruktur, z.B. im Zuge von GATS, verhindert werden. Ein großes Pro-blem stellt das permanente Scheitern einer vernünftigen Ge-meindefinanzreform auf Bundesebene dar. Hier müßte sich die Landespolitik über den Bundesrat als Transmissionsrie-men für den Städtetag bzw. andere kommunale Vereinigungen anbieten, um als Katalysator in einem stockenden Prozede-re zu dienen. Wichtig ist, daß sich die Landespolitik für einen »Sonderweg« der Kommunen stark macht, der sich dem EU-weiten Ausschreibungswesen verweigert: Im Zusammenhang mit einer Senkung der Gewerbesteuer-Umlage müßten im jeweiligen Kommunalbereich ansässige Unternehmen bei öf-fentlichen Aufträgen bevorzugt werden.

In der Vergangenheit haben die mitteldeutschen Länder und Gemeinden das Instrument der Verschuldung mit dem Ergeb-nis genutzt, daß die Pro-Kopf-Schulden hier inzwischen weit höher als in Westdeutschland sind. Damit wurde der finanzpo-litische Handlungsspielraum erheblich eingeschränkt, zumal die Einnahmen aus den originären Steuerquellen eher gering sind. Zu diesem Ergebnis kommt das DIW Berlin in einem ak-tuellen Bericht. Im Ost-West-Vergleich der Länder- und Ge-meindehaushalte zeigen sich immer noch sehr große Unter-schiede bei den Einnahmen. Nach den Erfahrungen mit dem Solidarpakt I wird das Land Sachsen nun sehr genau darauf achten müssen, daß die Gemeinden angemessen an den Fi-nanzmitteln aus dem Solidarpakt II beteiligt werden.

Frage III. 1.: Auf welche konkreten Schwerpunkte sollte nach Ihrer Meinung die regionale Förderpolitik des Frei-staates künftig ausgerichtet sein?

Um langfristige Strukturprobleme zu verhindern, sollte der Schwerpunkt der Förderpolitik im Sinne einer raumorientierten Volkswirtschaft auf Bereiche abzielen, die einen möglichst ho-hen Grad an regionaler Interaktion aufweisen. Nur so kann die notwendige Vielfalt an Waren- und Dienstleistungstransakti-onen garantiert werden, die einem globalisierungsbedingten Strukturverarmungsprozeß entgegenwirkt. Ansonsten kann einmal mehr nur die große volkswirtschaftliche Bedeutung des

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Fragen und Antworten

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Mittelstandes hervorgehoben werden, der zur »Chefsache« erklärt werden muß. Die Förderpolitik sollte dabei vor allem die Kreditmöglichkeiten des breiten Mittelstandes verbessern hel-fen, da dieser den Großteil der Arbeitsplätze garantiert. Einsei-tige Förderungsschwerpunkte, die nur multinationalen Konzer-nen dienen, sind abzuschaffen. Zu erwägen ist die Gründung einer landeseigenen Förderbank zur Bündelung, Verbriefung und Weitergabe von Mittelstandskrediten.

Frage III. 2.: Mit welchen Maßnahmen, Initiativen werden Sie das Klima für Existenzgründungen verbessern, den Unternehmergeist junger Menschen wecken und das In-novationspotential im Freistaat fördern?

Die größtmögliche Förderung von Existenzgründern liegt zu-erst im Abbau mittelstandsfeindlicher administrativer Hürden wie auch bei der Verbesserung der Kreditversorgung. Jüngst hat das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in einer 160-seitigen Studie festgestellt, daß sich die Bürokratiekosten in der BRD mit 84 % überproportional bei kleineren und mittleren Betriebe niederschlagen. Das ist Gift, vor allem für Existenz-gründer! Folglich muß eine an den Bedürfnissen für Existenz-gründungen orientierte Entbürokratisierung auf allen poli-tischen Ebenen anvisiert werden. Um die Selbständigenquote zu erhöhen, sollte das Land auch begleitende Kurse für Starter in die Selbstständigkeit anbieten und verstärkt dafür werben, Existenzgründerhilfe in Anspruch zu nehmen.

Frage IV. 1.: Welche Prioritäten setzen Sie für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur?

Gerade in den strukturschwachen und politisch vernachläs-sigten Gebieten wird ohne infrastrukturelle Voraussetzungen keine ökonomische Trendwende herbeizuführen sein. Zur Gewährleistung einer wirtschafts- wie umweltpolitisch nach-haltigen Entwicklung muß der Ausbau des Nahverkehrs Vor-rang haben vor dem Ausbau von Transitstrecken, die Sachsen zum Durchgangsland machen. Aber einer im Gefolge der EU-Osterweiterung drohenden Verkehrslawine wird zwangsläufig Rechnung getragen werden müssen, wofür der Bund in die Verantwortung zu nehmen ist. Die Landesregierung sollte dar-auf achten, den Blick nicht zu einseitig auf gigantomane Ver-kehrsprojekte im Zuge der Osterweiterung zu richten, sondern

Fragen und Antworten

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beachten, daß vor allem die Zugverbindungen nach West-deutschland noch nicht ausreichend ausgebaut sind.

Frage IV. 2.: Wie werden Sie dafür Sorge tragen, daß der nachfragegerechte Ausbau der Verkehrssysteme im Frei-staat Sachsen sichergestellt wird?

Was ist tatsächlich nachfragegerecht? Die Nachfrage der glo-balen Wirtschaft darf nicht das Maß aller Dinge sein, vielmehr gilt es das Augenmerk auf die sächsische Binnenwirtschaft zu legen. Weiter ist ein vernünftiges Verbundsystem anzustreben, das nicht zuletzt aus Umweltschutzgründen die Umstellung des Frachtverkehrs auf die Schiene zum Ziel hat. Selbstver-ständlich werden wir massiv darauf drängen, daß die Belange Sachsens wegen dessen Grenzstellung zu den EU-Beitritts-nationen vom Bundesverkehrsministerium als »vordringlicher Bedarf« eingestuft wird, denn es ist nicht einzusehen, daß die Beitrittsländer eine Einstufung als EU-Höchstfördergebiete erhalten, wir aber die infrastrukturellen Belastungen selbst tragen sollen. Um möglichst präzise Prognosen zur Verkehrs-infrastruktur zu stellen, sollte auch auf das Fachwissen der sächsischen Lehrstühle für Wirtschaft und Verkehr zurückge-griffen werden.

Frage IV. 3.: Welche Maßnahmen zur Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung werden Sie umsetzen?

Diese Frage ist ziemlich allgemein formuliert. Daher kann sie auch nur recht allgemein dahingehend beantwortet werden, daß bei der Betrachtung der mitteldeutschen Gebietskörper-schaften und ihrer Haushalte die Mittel aus dem Länderfinanz-ausgleich und die Zuweisungen des Bundes von erheblicher Bedeutung sind. Die mitteldeutschen Länder finanzieren mit diesen Einnahmen ihre Gemeinden mit, deren Steuerkraft nur 45 Prozent des westdeutschen Pro-Kopf-Niveaus erreicht. Fast 60 Prozent der kommunalen Einnahmen sind Zuwei-sungen der Länder, in Mitteldeutschland liegt die Quote bei 45 Prozent. Dieses schwierig zu überschauende Dickicht aus diversen Zuschüssen muß zielgerichteter eingesetzt werden und an Transparenz gewinnen, wenn eine Verwaltungsreform Erfolg haben soll.

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Fragen und Antworten

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Frage V. 1.: Wo sehen Sie zukünftig in der Umweltgesetz-gebung Handlungsbedarf? Sollten die Regelungen eher verschärft oder vereinfacht werden?

Hauptsächlicher Handlungsbedarf besteht in der Eindämmung der Emissionen, vor allem von Kohlendioxyd und Fluorchlor-kohlenwasserstoff (FCKW), der Reduzierung der Oberboden-versiegelung und dem Erhalt von Waldgebieten zum Schutz von Wasserhaushalt und Klima. Im Energiesektor benötigen wir eine Effizienzrevolution, was bedeutet, Forschung und Ge-setzgebung eng zu verzahnen. Regelungen für mehr Ökoeffi-zienz sollten verschärft werden, indem man den Energiever-brauch vom Wachstumsprozeß abzukoppeln versucht. Neben einer behördlichen Auflagenstrategie sollten die Internalisie-rung der Umweltkosten und Anreize für umweltschonendes Verhalten angestrebt werden. Hier darf nicht unerwähnt blei-ben, daß durch unsere raumorientierte Wirtschaftspolitik auch Einsparungspotentiale in der Umweltpolitik sichtbar werden. Es darf nicht übersehen werden, daß ohne einen gesellschaft-lichen Wertewandel, durch den die Prioritäten der Wirtschafts- und Umweltpolitik anders gesetzt werden, eine erfolgreiche Umsetzung schwer vorstellbar ist. Es bedarf tiefgreifender Veränderungen bei den Rahmenbedingungen. Wahrheit und Klarheit über unsere ökologischen Zukunftsperspektiven sind die Grundvoraussetzungen für eine breite Akzeptanz, und das Motto »Umweltschutz ist Heimatschutz« sollte als kulturpoli-tisches Vermittlungsargument dienen. Zur Minimierung um-weltschädlicher Emissionen aus Industrietätigkeiten sollte ein volkswirtschaftlich notwendiges und ökologisch verträgliches Höchstmaß für die einzelnen Emissionsarten festgelegt wer-den, das in einem Auktionsverfahren an den Meistbietenden versteigert wird. Dieses von vielen Volkswirtschaftlern empfoh-lene Verfahren wirkt sich positiv auf die Staatsfinanzen und die Umwelt aus und setzt Anreize für Unternehmen, möglichst effizient und umweltfreundlich zu wirtschaften.

Frage V. 2.: Sollte die Umweltallianz Sachsen auch in der kommenden Legislaturperiode fortbestehen?

Jede Organisation oder Einrichtung, die nicht Selbstzweck ist und ökologisch bewußtseinsbildend wirkt, um politischen Handlungszwang durch »Druck von unten« zu erzeugen, hat ihre Existenzberechtigung. Die NPD würde den Fortbestand der Umweltallianz begrüßen.

Fragen und Antworten

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Frage VI. 1.: Wo können Ihrer Meinung nach neue Beschäf-tigungsmöglichkeiten im Land entstehen? Welche Aufga-be hat die Politik dabei?

Schenkt man einer Untersuchung der OECD über den Zusam-menhang von Industriewirtschaft und Dienstleistungssektor Glauben, dann müßten zuerst die politischen Rahmenbedin-gungen für die old economy (anders als im Fall Aventis/Sanofi) gestärkt werden, um die Beschäftigungspotentiale im Dienst-leistungssektor freizusetzen. Zur Sicherung der Zukunftsfähig-keit und eines Innovationsvorsprunges sollten die politischen Bemühungen innerhalb der ganzheitlichen Betrachtung von Dienstleistungs- und Industriepolitik auf Bereiche wie Abfallver-wertung und Altlastensanierung, regenerative Energiequellen, Solarenergie und Photovoltaik etc. abzielen. Im wesentlichen ist aber die Beschäftigungspolitik über den Mittelstand anzu-gehen. Zur Schaffung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten müßten vor allem auf Bundesebene Maßnahmen ergriffen werden. Die NPD schlägt hier u.a. vor:

Für Unternehmen mit geringer Eigenkapitaldecke muß der Staat zinsgünstige Kredite zur Verfügung stellen. Viele In-vestitionen können gerade von Klein- und Mittelunterneh-men nicht getätigt werden, da sie die von den Banken aufer-legte Zinslast nicht tragen werden können. Die Umsetzung der europäischen Richtlinie für die Vergabe von Krediten an Kleinunternehmen und den Mittelstand wird die Lage noch verschlimmern und im Jahr 2006 die Pleitewelle in der BRD noch anschwellen lassen. Ein bürokratiearmes, bankfreies Genehmigungsverfahren zur Vergabe günstiger, staatlicher Investitionskredite ist zu entwickeln, das es Unternehmern ermöglicht, ihr gesamtes kreatives Potential in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen.· Abschreibungszeiten sind zu verkürzen. Viele Klein-betriebe und Mittelstandsunternehmen zögern Investiti-onen so weit wie möglich hinaus, da diese die Steuerlast wegen der langen Abschreibungsfristen nur sehr langfristig senken, die kurzfristige Steuerbelastung aber kaum sen-ken. Die Schröder-Regierung hat die Abschreibungsfristen noch verlängert, um kurzfristig Haushaltslöcher zu stopfen und die Bilanz zu schönen. Dieser Taschenspielertrick wirkt sich volkswirtschaftlich negativ aus. · Neuregelung bei der Erbschaftssteuer für Unterneh-

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Fragen und Antworten

Auch die „alten Industrien“ – hier der Braunkohleabbau in

Mitteldeutschland – sind als Wertschöpfungskerne

weiterhin von Bedeutung.

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men. Bei der Vererbung von Betrieben fallen enorme Erb-schaftssteuern an, die viele Besitzer von Klein- und Mittel-betrieben nicht zahlen können. Sie sind gezwungen, Kredite bei Banken aufzunehmen, die sie entweder nicht erhalten oder deren Zinsbelastung das Unternehmen in den Konkurs treibt. Für Unternehmen, die nicht veräußert werden, ist die Erbschaftssteuer zu senken. Die volle Erbschaftssteuer wird erst bei der Veräußerung des Unternehmens fällig, da dann nicht mehr der Fortbestand des Unternehmens ge-fährdet ist. Zudem ist die Fälligkeit der Erbschaftssteuer an das Einzelunternehmen anzupassen und firmenverträglich zu strecken. · Steuerfreiheit für Gewinne, die im Unternehmen ver-bleiben und somit für Investitionen zur Verfügung stehen. Diese Maßnahme macht die Investition in das eigene Un-ternehmen attraktiver und verbessert gerade bei Klein- und Mittelbetrieben die gegenwärtig sehr geringe Eigenkapital-decke. Bei der Entnahme der Gewinne zu privaten Zwe-cken werden die üblichen Steuern fällig.

Frage VI. 2.: Sollte Ihrer Meinung nach ein Umbau der So-zialversicherungssysteme erfolgen und wie könnte ein neues System aussehen?

Das Solidaritätsprinzip der Generationen muß neue Bedeu-tung bekommen, d.h. die Leistung der Kindererziehung muß angesichts der demographischen Entwicklung ein fundamen-taler Bestandteil unserer Sozialsysteme werden. Seit langem ist es unsere Forderung, Ausländer aus den deutschen Sozial-versicherungssystemen auszugliedern und zur Entlastung der Krankenkassen die vielen internationalen Sozialabkommen aufzukündigen. Durch diese Einsparungen könnten die Kosten für den Faktor Arbeit gesenkt werden. Es darf aber nicht in erster Linie um einen internationalen Wettlauf um die billigste Arbeit gehen, da dies das Sozialstaatsprinzip verunmöglicht. Langfristig wird man sich von den globalistischen Rahmenbe-dingungen verabschieden und das ordnungspolitische Vakuum durch die bewußte Restituierung des funktionsfähigen, souve-ränen Nationalstaates ersetzen müssen. Im Klartext: Wer den Sozialstaat will, muß auch zum Nationalstaat »Ja» sagen!Die paritätische Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet, daß beide Sei-ten vom Bruttolohn den prozentual gleichen Beitrag vor allem

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für Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung aufbrin-gen. Diese Parität ist inzwischen durchbrochen worden, z.B. bei der Pflegeversicherung, zu deren Finanzierung ein Feiertag gestrichen wurde oder bei der gesetzlichen Krankenversiche-rung, bei der schon jetzt die Versicherten über verschiedene Zuzahlungen weit mehr Mittel aufbringen als die Arbeitgeber. Problematischer ist aber, daß der Arbeitgeberbeitrag schon lange nicht mehr der tatsächlichen Wertschöpfung des Unter-nehmens entspricht. Zu Zeiten Bismarcks, als der Gedanke der paritätischen Finanzierung entwickelt wurde, konnte man noch davon ausgehen, daß es einen direkten Zusammenhang zwischen der im Unternehmen anfallenden Lohnsumme und dem Unternehmensertrag gibt. Heute gibt es hingegen Un-ternehmen mit hoher Lohnsumme, die eine verhältnismäßig geringe Rendite erwirtschaften und andererseits Unternehmen mit wenigen Beschäftigten, die die gleiche, wenn nicht hö-here Wertschöpfung haben. Würde man den Arbeitgeberbei-trag nach realer Wertschöpfung berechnen und nicht auf die Lohnsumme beziehen, hätte das zwei Vorteile: Erstens würde die arbeitsintensive Produktion entlastet und arbeitssparende Unternehmen würden entsprechend ihrer Wertschöpfung her-angezogen. Das wäre beschäftigungspolitisch sinnvoll, käme aber auch einer leistungsgerechten Kapitalbelastung entge-gen. Zweitens würde sich der ständig rückläufige Beschäf-tigtenanteil und die relativ abnehmende Lohnsumme nicht in niedrigeren Arbeitgeberbeiträgen niederschlagen. Bei der Be-rechnung der Wertschöpfungsabgabe kann wie folgt verfah-ren werden: Im ersten Schritt wird der Anteil der gesamten Ar-beitgeberbeiträge an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung ermittelt. So kommt man zu einer gesamtgesellschaftlichen Prozentzahl, die im zweiten Schritt auf die Wertschöpfung der einzelnen Unternehmen bezogen wird. Bei einer seit mehreren Jahrzehnten steigenden strukturellen Arbeitslosigkeit sollte man eine solche Wertschöpfungsabgabe unvoreingenommen diskutieren.

Frage VII. 1.: Auf welche konkreten Maßnahmen sollte die Bildungspolitik des Freistaates Sachsen abstellen, um wieder einen höheren Anteil ausbildungsfähiger Schulab-gänger zu erreichen?

Die Frage ist bereits ein politischer Offenbarungseid! Als Hauptproblem muß im Hinblick auf den Anteil ausbildungs-

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fähiger Schulabgänger erneut die demographische Situation erkannt werden, da der intellektuelle Wettbewerb mangels Nachwuchses zusammenbricht, was eine aktive Bevölke-rungspolitik nötig macht (siehe Antwort zu Frage VI. 2.). Fer-ner ist anstelle der schulischen Abrichtung auf ökonomische Funktionen zum Humboldtschen Bildungsideal mit einem möglichst breiten Fundament an Allgemeinbildung zurück-zukehren. Vor allem angesichts immer kürzerer Innovations-zyklen, die Fachwissen immer schneller überholen lassen, ist eine breit angelegte Ausbildung sowohl im Sinne des Einzel-nen wie auch der Wirtschaft nötig. Die NPD spricht sich für ein durch Kontrollbehörden überwachtes, dreigliedriges Schul-system mit einheitlichem Leistungsanforderungsprofil aus. Auf der Schulleiterebene bedarf es Fortbildungsmaßnahmen und Qualifizierungsnachweisen zur Managementschulung und Personalführungskompetenz. Bereits im Vorschulbereich gilt es über eine wissenschaftliche Fachhochschulausbildung für das Erziehungspersonal nachzudenken.

Frage VII. 2.: Wie wird nach Ihrer Meinung Sachsens Hoch-schullandschaft leistungsfähiger und effizienter?

Nur durch ein nationales Bildungsideal und ein klares Bekennt-nis zur Leistungsuniversität mit den Kategorien Forschung und Lehre wird die Hochschullandschaft leistungsfähiger. Dazu gehört auch die soziale Offenheit. Gleichmacherei ist abzu-lehnen, da dies im Widerspruch zum Leistungsprimat und zur naturgegebenen Ungleichheit der Menschen steht. Studienge-bühren sind abzulehnen. Zugangsvoraussetzung darf nur die fachliche Eignung sein, nicht die Brieftasche der Eltern. Viel-mehr ist die Zahlung von BaföG an alle Studenten auf Basis eines zinslosen Studienkredites zu gewährleisten, der gestaf-felt nach Studiengeschwindigkeit zurückzuzahlen ist.Neben der Konzentration der Universitäten auf Forschung und Lehre ist die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Wirt-schaft und Fachhochschulen zur Kompetenzförderung sowie die Ansiedlung von eigenständigen Spezialinstituten mit hoher Kompetenz in Schlüsselindustrien, wie z.B. das Institut für Ma-terialforschung und Anwendungstechnik, zu betreiben. Bei der inzwischen selbst von der SPD lancierten Diskussion um »Eli-te-Universitäten« ist zu beachten, daß die unterschiedlichen Typen von Elite-Universitäten in unterschiedlichen nationalen Historien wurzeln. In den USA, Frankreich, Großbritannien,

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Deutschland oder Rußland waren die Ausbildungsstätten und die Funktion von Eliten jeweils unterschiedlich. Es ist Unsinn, etwa die Arbeitsweise einer Harvard University Deutschland aufpfropfen oder umgekehrt die deutsche Universität auf die USA oder Rußland übertragen zu wollen. Aber derartige Vor-schläge werden von »Spezialisten« immer wieder gemacht. In den USA bevorzugen die Eliten private Stiftungsuniversitäten, die zusätzlich als Firmen und Banken agieren und viel Geld akkumulieren. Sie erheben hohe Studiengebühren, versorgen aber ihre erfolgreichen Absolventen mit hochdotierten Stellen in Wirtschaft, Militär und Administration. Dieses Modell ist nicht auf uns zu übertragen und nicht wünschenswert. Wir sollten konsequent auf eine zeitgemäße Umsetzung des Humboldt-schen Bildungsideales dringen. In der Tradition dieses Bildung-sideals sollte eine Nationalerziehung angestrebt werden, um die Nation zu einem Gestaltungsfaktor der sozialen Verände-rungen durch die »dritte industrielle Revolution« zu machen.

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Kleines Wirtschafts- und FinanzwörterbuchArbeitslosenquote – Die Arbeitslosenquote gibt das Ver-hältnis der Arbeitslosen, die eine Arbeit suchen im Verhältnis zu allen Erwerbspersonen (Arbeitslose und Erwerbstätige) an. Die Arbeitslosenquote wird oftmals als Gradmesser für den Er-folg der Wirtschaftspolitik herangezogen. Bei der Bewertung dieser Zahl sollte jedoch berücksichtigt werden, daß sie pro-pagandistischen Zielen dient, da beispielsweise Frührentner und Personen, die sich in Umschulungsmaßnahmen befinden, nicht als Arbeitslose gelten. Es gibt zudem zahlreiche Verfah-ren, um Arbeitslose aus der Statistik zu drängen.

Autarkie – Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet Selbstgenügsamkeit. Autarkie wird als Unabhängig-keit eines Staates von Rohstoff- und Nahrungsmittelimporten definiert. In der heutigen weltwirtschaftlichen Praxis ist Autar-kie nicht anzutreffen, sieht man einmal von dem durch die au-tarkistische „Dschutsche“-Ideologie geprägten Nordkorea ab. Bestrebungen nach einer partiellen Autarkie richten sich heute vor allem auf die Unabhängigkeit von der Einfuhr lebensnot-wendiger Güter und auf die Erhaltung technologischer Inno-vationskerne.

Bank – Banken sind privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Unternehmungen, die gewerbsmäßig Geldgeschäfte betreiben. Die Aufgabe des Bankensystems besteht in der Beschaffung der für den Wirtschaftsprozeß benötigten Zahlungsmittel und Kredite und in der Abwicklung der Zahlungsströme zwischen den Wirtschaftssubjekten. Hierzu gehören hauptsächlich:1. das Führen von Girokonten für die Kundschaft,2. das Einlagengeschäft: Hereinnehmen von Einlagen gegen Verzinsung,3. das Kreditgeschäft: Ausleihen von Geld,4. das Diskontgeschäft: Ankaufen von Schecks und Wechseln, 5. das Effektengeschäft: der An- und Verkauf von Wert- papieren,

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6. das Depotgeschäft: Verwahren und Verwalten von Wertpapieren. Neben Universalbanken, die alle Arten von Geldgeschäften betreiben, gibt es Spezialbanken für Teilbereiche, z. B. Teil-zahlungsbanken, Realkreditinstitute zur Finanzierung von Bauprojekten. Das Bankensystem ist durch die staatliche Bankenaufsicht einer strengen Kontrolle unterworfen. Mit den Sparkassen und Genossenschaftsbanken verfügt Deutschland über erfolgreich tradierte raumorientierte Finanzierungssyste-me, die den wirtschaftlichen Wiederaufstieg nach zwei verlo-renen Weltkriegen mitermöglichten.

Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) – Die 1930 zur Abwicklung der Reparationen des Deut-schen Reiches gegründete BIZ koordiniert die Arbeit der Zen-tralbanken und ermöglicht internationale Finanzgeschäfte. Sitz der BIZ ist Basel.

Banknote – Von einer Notenbank ausgegebener Geld-schein. Ursprünglich waren Banknoten von Zettelbanken aus-gegebene Quittungen für Goldeinlagen. In der Geschäftswelt wurden dann diese Quittungen statt des Goldes als Zahlungs-mittel akzeptiert, weil sie leichter zu handhaben waren als das schwere Gold.

Börse – Eine Börse ist ein Markt, an dem Kaufleute regelmä-ßig während der Börsenstunden, montags bis freitags, zusam-menkommen, um Handelsgeschäfte bzw. Verträge über Wa-ren und vor allem Wertpapiere abzuschließen. Von anderen Märkten unterscheidet sich die Börse in erster Linie dadurch, daß die Werte und Waren, die dort ge- oder verkauft werden, nicht selbst vorhanden sein müssen. Sie können durch Muster, Proben, Beschreibungen vertreten werden, da sie aufgrund ih-rer einheitlichen Beschaffenheit untereinander austauschbar sind.Am Börsenhandel beteiligen dürfen sich nur die bevollmäch-tigten Vertreter der zum Börsenhandel zugelassenen Banken und Handelsfirmen, die Börsenvertreter, sowie freie Mak-ler und deren Angestellte, die sogenannte Kulisse. Das führt dazu, daß an der Börse zum überwiegenden Teil Geschäfte für Rechnung anderer, Kommissionsgeschäfte, vorgenommen werden. Über die Zulassung zum Börsenbesuch beschließt der Börsenvorstand. Die Preise, zu denen die an der Börse

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repräsentierten Anbieter und Nachfrager Geschäfte abschlie-ßen, werden entweder zwischen den jeweiligen Kontrahenten selbst ausgehandelt oder von den vom Staat bestellten Kurs-maklern, in Form der amtlichen Kursnotierung, festgesetzt. Die Höhe der Kursfestsetzung ist vor allem abhängig von Angebot und Nachfrage, kann aber auch, z. B. bei Wertpapieren, von der politischen Lage und von psychologischen Faktoren beein-flußt werden.Die Einteilung der Börsen erfolgt nach der Art der dort gehan-delten Gegenstände:1. Die Warenbörse oder Produktenbörse dient dem Handel und der schnellen Preisbildung für große Mengen von Waren und ist für den Güteraustausch in der arbeitsteiligen Weltwirtschaft unentbehrlich.2. Die Wertpapierbörse oder Effektenbörse dient der Kapitalbeschaffung von Wirtschaft und Staat sowie zur Geldanlage in verzinslichen Wertpapieren.3. Die Devisenbörse führt den An- und Verkauf von ausländischen Zahlungsmitteln durch. 4. Auf der Frachtenbörse oder Schifferbörse werden Verträge über grenzüberschreitende Wasser- transporte geschlossen. 5. Die Versicherungsbörse dient vor allem dem Ab- schluß von Versicherungsverträgen für Übersee- transporte. Börsen, an denen die Marktteilnehmer mit Hilfe von Compu-tern Börsengeschäfte tätigen, heißen Computerbörse. An die-ser Form des Börsenhandels sind v. a. Banken interessiert, da der Handel praktisch rund um die Uhr stattfinden kann, wenn die Teilnehmer nur noch über Computernetze miteinander in Kontakt treten.

Bruttoinlandsprodukt (BIP) – Mittels des Bruttoin-landsproduktes soll der Wert der von einer Volkswirtschaft pro-duzierten Güter ermittelt werden. Es gibt dazu drei Methoden:1. Addition der Wert aller Endprodukte2. Addition der Wertschöpfung jeder Produktionsstufe3. Addition aller Einkommen (und Abschreibungen)Alle Methoden liefern denselben Wert, lassen jedoch die Un-tersuchung unterschiedlicher Aspekte zu.Das nominelle BIP gibt den Wert aller produzierten Waren und Dienstleistungen in aktuellen Preisen an. Um den Effekt stei-gender Preise zu eliminieren, berechnet man das reale BIP auf

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einer festen Preisbasis, also beispielsweise auf der Basis der Preise von 1995. So wird das reale BIP beispielsweise nicht mehr von der Inflationsrate beeinflußt.

Bruttonationaleinkommen (BNE) – Während sich das Bruttoinlandsprodukt auf den Produktionsstandort be-zieht, also beispielsweise alle in der BRD produzierten Waren umfaßt, bezieht sich das Bruttonationaleinkommen auf den Wohnsitz des Inhabers der Produktionsfaktoren.

Deregulierung – Regulierung definiert der „Duden“ als

1. Regelung2. Herstellung des gleichmäßigen, richtigen Ganges einer Maschine, Uhr o.ä.3. Begradigung eines Flußlaufes

Deregulierung, als Kampfbegriff des Neoliberalismus und der Politik in den achtziger Jahren in den USA und Großbrittannien geboren, findet heute an zwei Fronten statt:

• Erstens fördert die Abschaffung von wirtschaftlichen Steuerungselementen den internationalen Handel. Staaten werden so wirtschaftlich immer abhängiger vom Außenhandel und können durch Embargos politisch erpreßt werden.

Zudem steigt der Konkurrenzdruck und damit der Zwang für die Betriebe, ihre Kosten gegenüber der Konkurrenz zu sen-ken.

• Die zweite Deregulierung setzt deshalb bei den Rege-lungen an, die sich die Gemeinwesen gegeben haben, um die Interessen des Volkes gegenüber dem Kapital zu wahren.

Auch die Handlungskompetenzen des Staates werden einge-schränkt. Weniger Politik und dafür mehr Macht für die Un-ternehmer, so versprechen die Befürworter fortschreitender Deregulierung, stärke den “Standort Deutschland” im globalen Wettbewerb. Dabei wird die BRD auf einen geographischen Begriff für Produktionsstandorte reduziert. Die Tatsache, daß dieses Gebiet Heimat von Millionen von Menschen ist, die sich nicht auf Produktions- und Konsumfaktoren beschränken las-sen, wird dabei ignoriert.

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Devisen – sind Zahlungsmittel, besonders Schecks und Wechsel, in ausländischer Währung einschließlich der von In-ländern bei ausländischen Banken unterhaltenen, auf auslän-dische Währung lautenden Guthaben. Ausländische Münzen und Banknoten in Händen von Inländern sind Teil der Devisen und werden als Sorten bezeichnet.

Direktinvestitionen – §55 der Außenwirtschaftsverord-nung versteht unter Direktinvestitionen die Gründung von Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen im Ausland. Auch der Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unter-nehmen fällt darunter und sichert einen Einfluß auf die Ge-schäftsführung sowie den Ertrag des dortigen Unternehmens. Europäische Union – Die Europäische Union (EU) ist ein Zusammenschluß von 25 europäischen Staaten. Sie arbeitet langfristig darauf hin, nationale Entscheidungskompetenzen auf supranationale Gremien und auf die Wirtschaft zu über-tragen.Im wirtschaftlichen Bereich, sind dabei insbesondere folgende Maßnahmen von Bedeutung:• Die 1989 vom Europäischen Rat verabschiedete Sozialchar-ta sichert jedem Arbeitnehmer die freie Wahl des Arbeitsorts in jedem Land der Gemeinschaft zu (Freizügigkeit). Als Folge dieser Freizügigkeit können die Nationalstaaten die Lage auf den Arbeitsmärkten nicht mehr kontrollieren, wie dies derzeit in der Bauindustrie zu beobachten ist. Verbunden mit der Nie-derlassungsfreiheit werden weitere Rechte, z.B. das auf Erhal-tung der nationalen Identität, praktisch aufgelöst.• Der Europäische Binnenmarkt (gemeinsamer Markt) führt zu einer Aufhebung der wirtschaftspolitischen Gestaltungsfähig-keit der Nationalstaaten. Nationale Schutzmaßnahmen, bei-spielsweise auf den Sektoren Naturschutz, Sozialpolitik und Arbeitsschutz, können so durch Verlagerung der Produktion umgangen werden.• Die gemeinsame Währung, der Euro, dient zur finanzpoli-tischen Gleichschaltung der EU-Mitgliedsstaaten. Eine unab-hängige Währungs- und Haushaltspolitik sind somit nicht mehr möglich. Hauptnutznießer dieser wirtschaftspolitischen Maßnahmen sind Großunternehmen und Spekulanten.

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Die seit dem 01. 01. 2002 auch als Bargeld eingeführte Währung „Euro“ verpflichtet die Mitglieds-staaten zu einer gemeinsamen Währungs- und Haushaltspolitik.

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Neben wirtschaftspolitischen Maßnahmen strebt die EU auch eine Angleichung auf den Gebieten der Außen-, Sicherheits-, Innen- und Justizpolitik an.Organe der EU sind u.a.:• Europäischer Gerichtshof• Europäischer Rechnungshof• Rat der Europäischen Union (Ministerrat)• Europäische Kommission• EU-Parlament

Federal Reserve System (F. R. S.) – Das F. R. S. wur-de durch den Federal Reserve Act vom 23. Dezember 1913 begründet. Es wurde besonders durch den Bank Act von 1935 umgestaltet.Das Federal Reserve System umfaßt heute aus dem Board of Governors of the F. R. S. (Bundesbankrat) in Washington D. C., bestehend aus sieben auf 14 Jahre vom Präsidenten ernannten und vom Senat bestätigten Mitgliedern, an der Spit-ze. Dieser Bundesbankrat bestimmt die Geld- und Währungs-politik der USA. Die USA sind in 12 Bankbezirke eingeteilt. In jedem Bankbezirk wurde eine Federal Reserve Bank (F. R. B.) eingerichtet Eine F. R. B. wird von einem neunköpfigen Direktorium geleitet, von denen der Board of Governors drei bestimmt und die übrigen sechs von den Mitgliedsbanken aus-gewählt werden. Die F. R. B. sind genossenschaftliche Institu-te der Mitgliedsbanken. National banks, daß heißt auf Grund von Gesetzen in den USA über die Grenzen von Einzelstaaten agierende Banken sind zur Mitgliedschaft verpflichtet. Für sta-te banks, daß heißt eine auf Grund von Gesetzen eines Einzel-staates nur in dem Staat operierende Bank, ist sie freiwillig

Finanzderivate – sind Ableitungen aus Finanzgeschäften, etwa Aktien oder Devisen. Mittels der Derivate können Speku-lationsprofite in einem globalisierten und nahezu vollständig liberalisierten Finanzmarkt in schwindelerregende Höhen ge-trieben werden.Futures, Optionen und Swaps sind Kauf- und Verkaufsrechte auf Währungen. Der Umfang der Zinstermingeschäfte liegt heute 400mal, der von Devisenoptionsgeschäften sogar mehr als 500mal höher als vor zehn Jahren. Mit den Mitteln der neu-en Kommunikationstechniken können solche Geschäfte heute sekundenschnell abgeschlossen werden.

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Dabei geht es vielfach nicht mehr um Prozentpunkte, sondern nur noch um das Hundertstel eines Prozents. Ein sogenannter Basispunkt beträgt 0,01 Prozent. Zinsdifferenzen von weni-gen Basispunkten führen heute zu beträchtlichen Devisenbe-wegungen.Derivate sind zumeist sehr kurzfristige Papiere. Nach Berech-nungen von Jörg Huffschmid war der Handel mit Derivaten im Jahr 1996 etwa 32,5 mal so hoch wie der Bestand am Ende des Jahres.Gerade Derivate zeigen, welche Macht Spekulanten bei der Festlegung von Wechselkursen zukommt. Damit können sie, wie bei der Asienkrise zu beobachten war, über Aufstieg und Untergang ganzer Volkswirtschaften entscheiden.Ein weiteres Problem, welches mit Derivaten ebenso wie mit anderen Arten der Spekulation verbunden ist, ist das des Be-zuges mühelosen Einkommens. Die Arbeitskraft dieser Verdie-ner wird dem Gemeinwesen entzogen.

Finanzmärkte – Schematisch können die Finanzmärkte in vier Teilmärkte aufgegliedert werden:

1. Die Finanzierungsmärkte oder Primärmärkte zur Finanzierung von Unternehmensinvestitionen oder Staatsausgaben, welche die Ersparnisse einer Volks- wirtschaft für Investitionen zur Verfügung stellen.2. Der Sekundärmarkt, der den Aktien- und Anleihe- markt umfaßt.3. Die Devisenmärkte4. Der Markt für Wertpapiere, die sich auf die künftige Entwicklung der vorgenannten Finanzierungs- elemente, zum Beispiel den Kurs einer Anleihe, einer Währung oder die Zinsen eines Geldmarktpapiers beziehen, mit denen man also ein Basisgeschäft absichern oder eine Ertragsdifferenz ausnutzen will oder auf eine erwartete oder erhoffte Ertragsdifferenz spekuliert.

Freihandel – Bei der Verwendung des Begriffes „Freihan-del“ muß zwischen der „reinen Lehre“, der historischen Wirk-lichkeit und der heutigen propagandistischen Instrumentali-sierung, insbesondere durch das Großkapital, unterschieden werden.

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Die „Freihandelsideologie“ entstand im 16. bis 18. Jh. in Schottland und England als Reaktion auf ständische Organi-sationsformen und Merkantilismus in Kontinentaleuropa. Ihre bekanntesten Vertreter waren Adam Smith, David Ricardo und John St. Mill. Sie entwickelten die „Freihandelsideologie“, den Merchantismus, unter dem Eindruck der unflexiblen und materiell unoptimalen Produktionsverhältnisse der damaligen Zeit. Ihren Theorien zufolge sei der größtmögliche materiel-le Wohlstand nur bei „freiem Handel“ zu erreichen, da dieser die Staaten dazu zwinge, sich auf die Produktion der Güter zu konzentrieren, die sie am besten und kostengünstigsten her-stellen könnten.Unter „Freihandel“ wird der Zustand eines durch Eingriffe aller Art nicht beeinträchtigten Handels verstanden. Weder dürfen staatliche Eingriffe wie Zölle, Prämien, Subventionen, Verbote, Quoten usw. erfolgen, noch dürfen andere Interessengruppen, wie z.B. Quasimonopole das Marktgeschehen steuern.An dieser Stelle wird ein innerer Widerspruch der „Freihandels-ideologie“ deutlich. Die Entwicklung von Monopolen kann nur durch steuernde Eingriffe auf den Markt unterbunden werden. Bei seltenen Rohstoffen ist auch dann kein „freier Handel“ mög-lich. Auch die zunehmende Bedeutung des Produktionsfaktors Wissen in hochtechnologisierten Industriebereichen, wie z.B. der Programmerstellung (Microsoft) und Prozessorentwicklung (Intel, AMD) zeigen auf, daß „Freihandel“ undurchführbar ist.In der heutigen Zeit wird der Begriff „Freihandel“ vom Neoli-beralismus instrumentalisiert, um staatliche Kompetenzen auf multinationale Konzerne und Gremien, bzw. dahinterstehende Interessen, zu übertragen. In diesem Sinne wird „Freihandel“ nur als Zustand eines von staatlichen Eingriffen nicht beein-trächtigten Handels verstanden. Kapitaleigner üben durch Großkonzerne über Standort- und Gewinnverlagerungen und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf Arbeits-losigkeit und Steuereinnahmen zunehmend mehr Einfluß auf die Arbeitsmarkt-, Sozial- und Umweltpolitik einzelner Staaten aus.„Freihandel“ wird zudem als Vorwand benutzt, um ganze Volkswirtschaften unter die Kontrolle imperialistischer Mächte zu zwingen.Die Primitivität der „Freihandelsideologie“ zeigt sich nicht nur durch ihre inneren Widersprüche. Sie beschäftigt sich nicht mit den Folgen der von ihr angestrebten Marktorganisation im Hinblick auf Souveränität und Handlungsfähigkeit eines Staa-

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tes und dessen innerer Organisation oder der Verteilung der erwirtschafteten Güter. Zudem wird bei der reinen Fixierung des „Freihandels“ auf die materiellen Bedürfnisse des Menschen auch das libera-listische Menschenbild deutlich. Weitergehende Bedürfnisse werden bestritten oder ignoriert. GATS – Ein neues Kürzel geistert zunehmend durch die Globalisierungsdebatten: „GATS“; ausgeschrieben General Agreement on Trade in Services. Es handelt sich um eines der „Freihandelsabkommen“ der Welthandelsorganisation WTO und hat die Globalisierung, Liberalisierung und Privatisierung des gesamten Dienstleistungssektors zum Ziel. Zur Zeit sind die Regierungen dabei zu entscheiden, welche Dienstleis-tungsbereiche sie der Verantwortung des Staates entziehen und der Privatwirtschaft übereignen wollen.GATS wurde schon 1995 in das Vertragswerk der WTO auf-genommen und somit für alle Mitgliedsländer verpflichtend. Seit dem Februar 2000 gibt es eine neue Verhandlungsrunde, die zu einem wesentlich verschärften, tiefer in die nationalen Souveränitäten eingreifenden GATS-Standard führen sollen. Nach dem Scheitern der Verhandlungsrunde im September 2003 bei der Ministerratskonferenz im mexikanischen Cancun ist der bisherige Zeitplan nicht mehr haltbar und die Ratifizie-rung von GATS II vorerst verschoben, aber noch lange nicht aufgehoben.

Die Inhalte und Forderungen, die nun GATS II zu Grunde lie-gen, würden nochmals einen wesentlich massiveren Eingriff in innerstaatliche Prozesse bedeuten. GATS II hat sich die Her-stellung umfassender Unterordnung nationaler Souveränität unter die Interessen der Kapitalisten auf die Fahnen geschrie-ben:• Internationale Konsultationen sollen schon im Vorfeld nationaler Gesetzgebungsvorhaben stattfinden.• Staatliche Maßnahmen sollen den Handel so wenig wie möglich beeinträchtigen.• Gegenseitige Anerkennung von Qualifikations- und Zulassungserfordernissen.• Anwendung internationaler Standards

GATS II erzeugt also den Druck, mit interessierten Parteien in einen internationalen Beratungsprozeß über nationale Re-

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gelungen und Gesetzgebungsvorhaben bereits in ihrem Ent-wurfstadium einzutreten. Der Einfluß von Lobbyisten und Kon-zernen auf die nationalen Entscheidungsprozesse würde durch die Verabschiedung von GATS II ein weiteres Mal erhöht, die Prinzipien Demokratie und Volkssouveränität ein weiteres Mal ausgehöhlt. Die Folge wäre das Ende des gemeinnützigen Sektors der Gesellschaft. Insbesondere Bildung und Gesund-heitsversorgung würden schwer beschädigt.

Das GATS-Abkommen differenziert nicht zwischen allge-meinen Dienstleistungen und zwischenmenschlichen Bezie-hungsdienstleistungen, es unterscheidet nicht zwischen ge-meinwesenorientierten und rein kommerziell ausgerichteten Anbietern. Vielmehr hat es in seiner neoliberalistischen Logik unterschiedslos alles im Visier, was sich zur kommerziellen Übernahme eignet. Gerade weil die großen Konzerne den kommerziell noch nicht ausgeschöpften Markt der Erziehungs-dienstleistungen und andere bisherige öffentliche Sektoren übernehmen wollen, drängen sie auf den Abschluß und die Fortschreibung des GATS-Abkommens. Sowohl der Sektor von Bildung und Kultur insgesamt, aber auch der gesamte Ge-sundheits- und Sozialbereich würden von der in Gang gesetz-ten Kommerzialisierungswelle überrollt werden, wenn GATS in seiner ganzen Tragweite zur Wirkung gelangen sollte. Denn GATS zielt darauf ab, staatliche Unterstützungsmaßnahmen (Förderungen, Steuervergünstigungen, Subventionen, Ge-nehmigungen und so weiter) für öffentliche Dienste, ob in staatlicher oder freier Trägerschaft, in gleichem Maße in- und ausländischen kommerziellen Privatanbietern zu gewähren. Für solche Anbieter ist Bildung ein lohnender „Umsatzträger“ und kein inneres Anliegen. Aufsichtsräte von Bildungskonzer-nen mit Firmensitz auf den Kaiman-Inseln könnten nicht nur Bildungsinhalte festlegen, sondern nach dem Prinzip der In-länderbehandlung gleiche Subventionen verlangen wie bei-spielsweise die Schulen in staatlicher und frei-gemeinnütziger Trägerschaft. Gemeinwesenorientierte „Anbieter“ vor kommer-ziellen zu bevorzugen, würde als Wettbewerbsverzerrung vor der WTO klagbar und könnte dann durch Sanktionen unter-bunden werden. Diese Beispiele zeigen ganz deutlich, daß die WTO und ihre Abkommen keineswegs freiheitlich sind: Sie reduzieren die allgemeine Handlungsfreiheit der Person und die daraus resultierende Vertragsfreiheit auf Vereinbarungen, die keine „Handelshemmnisse“ im Sinne der WTO-Definition darstellen. Freiheit reduziert sich hier auf Recht und Pflicht zur

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ökonomischen Konkurrenz, also die immergleiche Melodie der neoliberalen Ideologie.

Der „Geist“ des GATS

GATT - Das 1947 unterzeichnete Allgemeine Zoll- und Han-delsabkommen GATT (General Agreement on Tarifs and Tra-de) ist eine der Hauptantriebskräfte der Globalisierung.Es schuf eine allgemeine Handelsordnung und setzte Zollsen-kungen und den Abbau von Mengenbeschränkungen beim Ex-port durch, verbot Exportsubventionen und forderte das glei-che bei der Subvention der Landwirtschaft ein.Somit wurde die Souveränität der Staaten bei der Kontrolle ihrer Märkte und damit der Sozial-, Kultur- und Umweltschutz-standards aufgehoben. Die Rolle der Machtausübung auf die-sen Gebieten kommt immer mehr der Industrie zu.

Glossar

Treibende Kräfte

CSI (Coalition of Ser-vice Industries)

ISAs (Industriel Sector Advisory Committees)

UNICE (Union of Industri-al and Employers Confe-deration of Europe)

ESF (European Ser-vice Forum; entstanden 1999; einziger Zweck: Beeinflußung der GATS-Verhandlungen)

TABD (Transatlantik Business Dialogue)

JSN (Japan Service Network)

Kernforderungen

• Erweiterung des Um-fangs von Verpflichtungen in allen Dienstleistungsbe-reichen und allen Erbrin-gungsarten• Vollständige Niederlas-sungsfreiheit• Gewährung von Mehr-heitsbesitz und Inländer-behandlung• Entwicklung wettbe-werbsfördernder Prin-zipien für die innerstaatli-che Regulierung• Freiheit für die kon-zerninterne Mobilität von Schlüsselpersonal und für die Vertragserbringung ohne Auslandsniederlas-sung• Öffnung des staatlichen Beschaffungswesens für ausländische Anbieter

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1995 wurde das Abkommen Teil der WTO. Geld – ist ein Zahlungsmittel, ein Wertmaßstab und ein Wertaufbewahrungsmittel. Als Zahlungsmittel ermöglicht es die Aufspaltung des Tauschgeschäftes in zwei getrennte Ge-schäfte und damit Güterbewegungen in nur einer Richtung. Das Geld wird somit auch zu einem allgemeinen Wertmaß-stab, der unter anderem den Vergleich von Preisen wesentlich erleichtert und als Recheneinheit die Sammelbewertung ver-schiedenartiger Güter ermöglicht. Als Wertaufbewahrungsmit-tel wird Geld bevorzugt, wenn Liquidität angestrebt wird.Bargeld (engl.: cash) ist Geld (Zahlungsmittel) in körper-licher Form. Zum Bargeld gehören Banknoten (Papiergeld) und Münzen (Hartgeld): Das durch Gesetz bestimmte, von der Notenbank herausgegebene Zahlungsmittel ist die Wäh-rung. Unbeschränkte Zahlungsmittel sind nur die Banknoten. Nur sie hat der Gläubiger einer Geldforderung als Erfüllung anzunehmen. Daneben gibt es das Buch- oder Giralgeld, das heißt Forderungen gegenüber Banken, die den bargeldlosen Zahlungsverkehr durch Überweisungen, von einem Girokon-to ermöglichen. Wenn das offizielle Geld die Geldfunktionen nicht zu erfüllen vermag, so weicht der Geschäftsverkehr auf Ersatzgeld aus. Im Falle hoher Inflation kann das Geld als Wertaufbewahrungsmittel und zum Teil auch als Wertmaßstab durch andere Gegenstände verdrängt werden. Die gesamte Geldmenge eines Staates wird durch die Geld- und Kreditpo-litik gesteuert. Geld- und Kreditpolitik – wird von einer Zentralbank, oder einer Regierung unmittelbar zum Zweck der Stabilisie-rung der Konjunktur betrieben. Alle Maßnahmen der Geld- und Kreditpolitik, insbesondere die Diskontpolitik, die Zinspolitik sowie die Festlegung der Mindestreserven, zielen darauf ab, die Buchgeldschöpfung der Geschäftsbanken und damit die im Umlauf befindliche Gesamtgeldmenge zu beeinflussen. So kann die Zentralbank beispielsweise durch An- und Verkauf von festverzinslichen Wertpapieren auf dem Markt, der so-genannten Offenmarktpolitik, die Geldmenge erhöhen bezie-hungsweise. verringern. In Verbindung mit anderen Maßnah-men der Finanzpolitik kann beispielsweise durch eine Politik des knappen Geldes einem Überhang an Güternachfrage ent-gegengewirkt werden, um insbesondere die Geldentwertung in Grenzen zu halten. In der Rezession dagegen wird durch

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Lockerung der Kreditrestriktionen versucht die Nachfrage und die Investitionstätigkeit zu beleben. Golddeckung – Deckung der umlaufenden Banknoten in einer festen Relation durch Goldreserven der Notenbank

Golddevisenstandard – siehe Golddevisenwährung

Golddevisenwährung – Auch Golddevisenstandard ge-nannt. Bei dieser Form war neben der Golddeckung auch eine Deckung der umlaufenden Banknoten durch in Gold einlös-bare Devisen zulässig.Die Golddevisenwährung ermöglicht im Gegensatz zu nur auf Gold beruhenden Währungssystemen eine rasche Erhöhung der internationalen Liquidität und damit eine Ausweitung des Welthandels. Seine Einführung wurde bereits auf der Wäh-rungskonferenz von Genua 1922 empfohlen, um den weltwei-ten Bedarf an Währungsreserven zu befriedigen. Der 1944 in Bretton Woods gegründete „Internationale Währungsfonds“ übernahm dieses System, wobei der Dollar durch die Ver-pflichtung der USA, diesen jederzeit in Gold einzulösen, zur Leitwährung wurde. Mit der Aufhebung der Goldeinlösungs-pflicht 1971 wurde die Golddevisenwährung praktisch außer Kraft gesetzt.

Goldkernwährung – In einer Goldkernwährung laufen neben Scheidemünzen nur Banknoten um. Die umlaufenden Banknoten sind durch einen entsprechenden Goldbestand, oder in einer Golddevisenkernwährung durch Gold und De-visen, bei der Notenbank teilweise gedeckt. In Goldkernwäh-rungen kann der Zwangsumtausch von Banknoten in Gold ge-setzlich ausgeschlossen sein.

Goldparität – Der Begriff hat zwei mit einander verbundene Bedeutungen:1. In einer Goldwährung durch Währungsgesetzgebung festgelegter Goldgehalt der Währungseinheit2. Auf Grund des gesetzlichen Goldgehaltes sich ergebendes Wertverhältnis zweier Goldwährungen zueinander.

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Goldpreisfreigabe – Am 18. März 1968 wurde der Gold-preis freigegeben, der bislang 35 US $ je Feinunze betrug. Da-mit begann endgültig die Demonetisierung (Entgeldung) des Goldes.

Goldpunkt – Obere oder untere Marge, bis zu der die Wechselkurse zwischen zwei Ländern mit Goldwährung von der Goldparität höchstens abweichen können.

Goldstandard – siehe Goldwährung

Goldumlaufwährung – es werden zwei Formen unter-schieden:1 in der reinen Goldumlaufwährung sind Goldmünzen das einzige gesetzliche Zahlungsmittel2 in der gemischten Goldumlaufwährung sind neben den umlaufenden Goldmünzen auch Scheidemünzen und Banknoten im Umlauf. Die Banknoten sind hier häufig kein gesetzliches Zahlungsmittel. Der Bank- notenumlauf ist durch Deckungsvorschriften ans Gold gebunden. Die Notenbank ist zum gesetzlichen An- und Verkauf ihrer Banknoten gegen Gold verpflichtet.

Goldwährung – Auch Goldstandard genannt. Eine Gold-währung ist eine Währungsordnung, bei der die Währungs-einheit in Mengeneinheiten von Gold festgelegt ist. Über den Goldgehalt der einzelnen Währungen ist zugleich ihr Aus-tauschverhältnis untereinander festgelegt.

Index – Das Wort stammt aus dem Lateinischen und bedeu-tet Anzeiger, Register, Verzeichnis. In der Mehrzahl heißt das Wort Indizes, im Ausnahmefall Indexe: 1. alphabetisches Verzeichnis von Namen, Sachen, Orten u. a. 2. Verbotsliste von Druckschriften, Ton- und Bild- trägern der BRD-Zensurbehörde, die unter der irre- führenden Bezeichnung „Bundesprüfstelle für jugend- gefährdende Schriften“ firmiert.3. In der Mehrzahlform Indexe handelt es sich um eine 1966 aufgehobene Liste von Büchern, der indexe librorum prohibitorum, die nach päpstlichem Ent-

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scheid von den Gläubigen nicht gelesen werden durften. 4. In der Mehrzahlform Indizes wird das Wort zur Bezeichnung eines statistischen Meßwertes genutzt, durch den eine Veränderung bestimmter wirtschaft- licher Tatbestände, z. B. die Preisentwicklung in einem bestimmten Bereich ausgedrückt wird. 5. In der Mehrzahlform Indizes wird der Begriff in der Mathematik zur Bezeichnung von Buchstaben oder Zahlen verwendet, die zur Kennzeichnung oder Unterscheidung gleichartiger Größen dienen, und an diese, meist tiefer stehend, angehängt werden, z. B. a1, a2, a3. 6. In der Lexikographie werden Indizes als hochgestellte Zahl, wie Homographen oder ähnliches, zum Zwecke der Unterscheidung vorangestellt. 7. In der Medizin wird der Zeigefinger als Index bezeichnet.

Indexwährung – eine manipulierte Währung, bei der die Entwicklung der Geld- und Kreditmenge an bestimmte Preisin-dizes gekoppelt ist, um dadurch die Kaufkraft des Geldes, den Geldwert, zu stabilisieren. Die Indexwährung steht im Gegen-satz zur Orientierung des Geldwertes an einem Währungsme-tall, wie Gold oder Silber. Die theoretischen Grundlagen der Indexwährung stammen von dem US-amerikanischen Volks-wirt Irving Fisher (1867-1947), einem Vertreter der mathema-tischen Wirtschaftstheorie, der von 1898-1935 als Professor an der Yale-University lehrte.

Inflationsrate – Die Inflationsrate gibt die Wachstumsrate des durchschnittlichen Preisniveaus einer Volkswirtschaft an. Um dies zu ermitteln wird ein „Warenkorb“ gebildet, dessen Zusammensetzung den Durchschnittsverbrauch eines Bür-gers dieser Volkswirtschaft widerspiegeln soll. Anschließend wird der aktuelle Preis dieses Warenkorbes mit seinem Vor-jahrespreis ins Verhältnis gesetzt.

Internationaler Währungsfond (IWF) – Der IWF mit Sitz in Washington nahm seine Arbeit 1947 auf. Fünf Jahre später trat ihm die BRD bei.Der IWF ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen,

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die unter dem Vorwand gegründet wurde, die internationale Währungsstabilität zu sichern. Der IWF überwacht das Wäh-rungsgeschehen und stellt den 182 Mitgliedsstaaten bei Zah-lungsbilanzproblemen sowie beim Abbau von Schulden Hilfe und Mittel zur Verfügung. Ein Land, das IWF-Hilfe in Anspruch nimmt, darf aus dem Fonds Währung eines Mitglieds gegen Landeswährung „ziehen“. Diese Ziehungsrechte werden aller-dings nur gegen harte Auflagen gewährt, die in der Regel dazu dienen, die betreffende Volkswirtschaft unter die Kontrolle des Großkapitals zu bringen.Ähnlich wie bei der EU wird der nationale Markt somit der staatlichen Kontrolle entzogen und nach US-Freihandelsinter-essen geordnet. Der IWF kann somit als Instrument zur Um-gestaltung der Weltwirtschaft nach US-Interessen betrachtet werden.Jüngste Beispiele dieser Politik sind Rußland und Thailand.Die Einlagen stammen von den Mitgliedstaaten, wobei jeweils ein Viertel der Quote jederzeit in bar verfügbar sein muß. Die USA stellen 36 Milliarden Dollar bereit, Japan und die BRD 11,2, Großbritannien und Frankreich 10,1 und Saudi-Arabien 7 Mrd. Dollar. Das Stimmrecht wird nach der wirtschaftlichen Leistungskraft und auch nach der Einlage gewichtet. Investitionen – sind alle langfristigen Maßnahmen zur Erweiterung, Erhaltung und Verbesserung der Produktion. Es werden Anlageinvestitionen wie Fabrikhallen, Maschinen, Fahrzeuge, Verwaltungsgebäude, Brücken und Straßen, so-wie Vorratsinvestitionen, die auf Lager liegen, wie nicht ver-brauchte Vorprodukte, Halb- und Fertigfabrikate unterschie-den. In der Volkswirtschaft sind Investitionen von Bedeutung für die Entwicklung des Sozialprodukts, da sie sich stark auf die Produktionskapazität der Wirtschaft, das Volkseinkommen und den Lebensstandard eines Volkes auswirken. Ein Investiti-onsstop dämpft die Konjunktur. (siehe Direktinvestitionen)

Investitionslenkung – ist die staatliche Beeinflussung privater Investitionsentscheidungen durch Gebote, Verbote und andere, auch mittelbare Lenkungsmaßnahmen. Als Ziele unmittelbarer Investitionslenkung kommen beispielsweise eine verbesserte Ausrichtung der volkswirtschaftlichen Produkti-on an den gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen und damit Verbesserung der Versorgungslage, die Stabilisierung des Wirtschaftsablaufs oder die Änderung einer ungleichen Ein-

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kommens- und Vermögensverteilung in Betracht. Die Investi-tionslenkung wird im Liberalismus als Störung angesehen, da sie den Handlungsspielraum der Marktakteure für Investitions-entscheidungen einschränkt.

Kapitalismus – Der Begriff wurde wahrscheinlich erstmals von dem französischen Sozialisten Louis Blanc (1811-1882) verwendet. Er wird sowohl zur Kennzeichnung einer Wirt-schaftsform wie auch als Epochenbegriff und als Bezeichnung des wirtschaftlichen Teils der liberalen Weltanschauung ge-nutzt. Kapitalismus bezeichnet zum einen eine Wirtschafts-form, in der nicht einfach ein vorhandener Konsumbedarf gedeckt wird, sondern in der Produktionsmittel und Produkte ständig vermehrt werden und dadurch der materielle Reich-tum einer Gesellschaft zunimmt. In dieser Hinsicht waren auch sozialistische Systeme mit Zentralverwaltungswirtschaft der Tendenz nach kapitalistisch. Zum andern bezieht sich der Be-griff aber auch auf die Organisationsweise, in der die Kapital-vermehrung im 19. Jahrhundert vor sich ging, nämlich durch Bildung von Privateigentum an den Produktionsmitteln. Hier war es insbesondere das private Eigentum am Rentenkapital, das es dem Kapitalisten erlaubte, ohne eigene Arbeitstätigkeit Gewinne, Dividenden, Zinsen, also Kapitalrenten, zu beziehen und ihren Profit zu mehren. Die Aufspaltung der Gesellschaft in Kapitaleigentümer mit zum Teil arbeitslosem Einkommen und besitzlose Arbeiter wurde vielfach als ungerecht angese-hen und vom Marxismus als „Widerspruch“ von gesellschaft-licher Produktion und privater Aneignung des Produzierten angeprangert.Als Epochenbegriff wurde Kapitalismus von Marx und in der Folgezeit auch von Nichtmarxisten zur Kennzeichnung der In-dustrialisierungsphase einschließlich der vorausgehenden Zeit angewendet, in der es zur Trennung von Kapital und Arbeit kam und sich das Bürgertum herausbildete. Es können drei Phasen des Kapitalismus unterschieden werden: 1. der Frühkapitalismus etwa ab 1500 bis zum Beginn der industriellen Revolution um 1800, 2. der Hochkapitalismus von 1800 bis zum Ersten Welt- krieg 1914 und 3. der Spät- oder Monopolkapitalismus seit dem Ersten Weltkrieg.Der Hochkapitalismus beseitigte die ständisch gebundene Produktionsweise, mit Zünften und der Bauernuntertänigkeit

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und die wirtschaftliche Lenkung durch den Staat. Durch die einseitige Bevorzugung des Kapitals als dem entscheidenden Wirtschaftsfaktor kam es zu sozialen Mißständen, die als sozi-ale Frage bekannt wurden.

Kredit – von lateinisch credere = glauben, vertrauen. Ein Kredit ist die zeitweilige Überlassung von Kaufkraft, z. B. von Geld, Wechseln oder Sachkapital. Der Kreditgeber überläßt dem Kreditnehmer die wirtschaftliche Verfügung über eine bestimmte Kapitalsumme. Beide, der Kreditnehmer und der Kreditgeber, können Privatpersonen, Institute oder die öffent-liche Hand sein. Der Kredit wird nach einer vereinbarten Zeit in einer vereinbarten Weise zurückerstattet, meist mit einer zu-sätzlichen Entschädigung an den Kreditgeber in Form eines Zinses. Wesentliches Merkmal des Kredits ist es also, daß einer gegenwärtigen Leistung nicht eine sofortige Gegenleis-tung, sondern das Versprechen einer solchen in der Zukunft gegenübersteht.

Leitwährungssystem – Ein Leitwährungssystem ist eine internationale Währungsordnung, bei der alle Mitgliedsländer die Parität ihrer nationalen Währungen an die Währung eines Mitgliedslandes binden, das in der Regel das wirtschaftlich stärkste ist. Als Leitwährung galt früher das englische Pfund, später der US-Dollar.

Lohnnebenkosten – Jeder Arbeitnehmer bezieht neben dem Entgelt, das er für geleistete Arbeit erhält (Direktlohn), einen „zweiten Lohn“. Dieser besteht aus den gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Sozialleistungen des Betriebs (Personalzusatzkosten). Direktlohn + Personalzusatzkos-ten zusammen bilden die Arbeitskosten oder Personalkosten des Betriebes. 1995 veröffentlichte das Institut der deutschen Wirtschaft eine Broschüre mit dem Titel „Kosten, die keiner kennt“. Für je 100 DM Lohn müssen demnach die Arbeitgeber noch einmal 80,20 DM an zusätzlichen Kosten, die Lohnne-benkosten, bezahlen. Das Institut addierte unter der Rubrik Lohnnebenkosten auch Weihnachts- und Urlaubsgeld, Grati-fikationen, vermögenswirksame Leistungen und andere Son-derzahlungen. Je nach Verwendungszweck der Rechnung lassen sich einige der aufgeführten Komponenten aber dem Lohn zurechnen. Die Lohnzusatzkosten würden dann zirka 30 Prozent des Jahreseinkommens ausmachen.

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Das Stabilitätsgesetz und seine Ziele

Magisches Viereck – Das Gesetz zur Förderung der Sta-bilität und des Wachstums der Wirtschaft von 1967, kurz Stabi-litätsgesetz genannt, definiert vier wirtschaftspolitische Ziele:· stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum· Vollbeschäftigung· Preisniveaustabilität· eine ausgeglichene ZahlungsbilanzAlle vier Ziele beeinflussen sich gegenseitig.An den Zielen dieses Gesetzes wird die Loslösung der Wirt-schaftspolitik vom Volk deutlich, da die Bedürfnisse des Men-schen auf Konsum beschränkt werden.

Marktwirtschaft – im Sinne von freier Marktwirtschaft: Wirtschaftsordnung, in deren Mittelpunkt der freie Markt steht und die in der Regel folgende Strukturen besitzt: 1. Die Eigentumsordnung ist durch den privaten Besitz an Produktionsmitteln gekennzeichnet.

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Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachs-tums der Wirtschaft vom

8. Juni 1967 (Kurzbezeich-nung: Stabilitäts- und

Wachstumsgesetz oder Stabilitätsgesetz), § 1

hoher Beschäftigungsstand

stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum

stabiles Preisniveau

außenwirt-schaftliches

Gleichgewicht

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2. Die am Wirtschaftsprozeß Beteiligten handeln als Käufer und Verkäufer, als Arbeitnehmer und Arbeit- geber, nach eigennützigen Beweggründen mit dem Prinzip der Gewinnmaximierung. 3. Jedes Wirtschaftssubjekt, ob Unternehmer oder Haushaltsvorstand, stellt seinen eigenen Haushalts- plan auf, der Einnahmen und Ausgaben in Einklang bringt. 4. Die Koordinierung der einzelnen Haushalts- und Wirt- schaftspläne geschieht auf dem Markt, indem jeder einzelne als Anbietender oder Nachfragender be- stimmter Güter auftritt. Hier geschieht nicht nur die Preisbildung und durch sie ein Ausgleich, sondern hier werden auch Mengen und Qualitäten dem Ge- gensatzpaar von Angebot und Nachfrage angepaßt. Neben dem Gütermarkt besteht ein ebenso freier Arbeits- und Kapitalmarkt, auf denen dieselben Marktgesetze wirksam sind wie auf dem Gütermarkt. 5. Als Grundthese wird behauptet, daß durch die über den Markt wirksamen Anpassungen der einzelnen Wirtschaftssubjekte gesamtwirtschaftlich das eigen- nützige Handeln der einzelnen zum Wohlstand aller führt. 6. Der Staat beschränkt sich auf die Rolle des Eigen- tumshüters, der die Freiheit des Marktes, vollständige Konkurrenz und Markttransparenz garantiert, sich sonst aber jeder wirtschaftlichen Lenkung enthält.

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Die Marktwirtschaft

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Die freie Marktwirtschaft bildet als Weltanschauung einer Wirtschaftsordnung den Gegensatz zur Zentralverwaltungs-wirtschaft. In der Realität sind eine Reihe von Prinzipien der reinen Marktwirtschaft, wie sie in der Nachfolge des Schotten Adam Smith (1723-1790) gelehrt wurden, nicht verwirklicht worden, vor allem weil ein völlig freier Arbeitsmarkt ohne So-zialpolitik zu gewalttätigen Konflikten führen würde und weil ein unkontrollierter Wettbewerb Kartelle und Monopole hervor-bringt , die den Marktmechanismus außer Kraft setzen.

Neoliberalismus – Eine erneuerte, liberale Wirtschaftsthe-orie, die den Leistungswettbewerb als oberstes Prinzip kennt. Nach Ansicht der Neoliberalen hat sich der Staat aus dem Wirtschaftsgeschehen weitgehend zurückzuziehen. Auch soll der Staat durch bestimmte Maßnahmen die Kräfte der Konkur-renz voll zur Entfaltung bringen - durch eine geeignete Geld-politik, Abbau von „Handelshemmnissen“ oder die Förderung der Unternehmen durch eine entsprechende Steuerpolitik. Der Neoliberalismus verneint staatliche Eingriffe nicht völlig. Die-nen diese, wie beispielsweise die Schaffung von Infrastruktur der Wirtschaft, so hält er diese sogar für notwendig.Unter diesem Aspekt müssen auch die sozialpolitischen Maß-nahmen der Neoliberalen gesehen werden. Streiks und soziale Unruhen stören das reibungslose Funktionieren der Wirtschaft. Maßnahmen, die hier Abhilfe schaffen, werden durchaus ak-zeptiert. Im Neoliberalismus hat somit der Mensch der Wirt-schaft zu dienen und nicht umgekehrt.

Output – Unter „Output“ wird in der Makroökonomie das ge-samte Leistungsniveau einer Volkswirtschaft, also die Summe aller produzierten Waren und Dienstleistungen, verstanden.Der „Output“ der BRD betrug im Jahr 2001 € 1.980,80 Mrd. Dies entspricht bei einer Bevölkerung von 82,3 Mio. einem „Pro-Kopf-Output“ von € 24.068.

Produktionsfaktoren – sind die Grundlagen, ohne die eine Gütererzeugung nicht möglich ist. Die klassischen Pro-duktionsfaktoren sind Arbeit, Boden und Kapital. Hinzu kom-men Infrastruktur (Transportwege, Kommunikationsmittel, usw.), Wissen (des Einzelnen) und Information (über den Er-zeugungsprozeß).

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Quantitätstheorie – ist eine Geldtheorie, die einen Zu-sammenhang zwischen der Veränderung der Geldmenge und der Güterpreise annimmt. Die naive Quantitätstheorie wurde im 16. Jahrhundert von dem Franzosen Jean Bodin (1529-1596) in der Form formuliert, daß zwischen der Geld- und der Güterseite der Volkswirtschaft ein Gleichgewicht bestehe, so daß die Vermehrung der Geldmenge für die Inflation des 16. Jahrhunderts verantwortlich sei. Nach B. Davanzati (1529-1606) führt jede Veränderung der Geldmenge zu einer propor-tionalen Veränderung des Preisniveaus. Gegen diese Theorie stellten sich der Engländer Wiliam Petty (1623-1687), der Eng-länder John Locke (1632-1704), der Ire Richard Cantillon (um 1680-1734) und der Schotte David Hume (1711-1776), die be-merkten, daß nur das in Umlauf befindliche Geld auf die Preise wirken könne und daß jedes einzelne Geldstück mehrmals zu Kaufakten hintereinander verwendet werde. Daraus folge, daß außer der Geldmenge die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes eine weitere Ursache der Preishöhe bilde.Spätere Quantitätstheorien teilten die Geldmenge in die Bar-geld- und die Buchgeldmenge mit verschiedenen Umlaufge-schwindigkeiten.Der US-Amerikaner Irving Fisher (1867-1947) formulierte die Quantitätstheorie als Verkehrs- oder Quantitätsgleichung ma-thematisch. Nach Fisher wird die Geldmenge (G) multipliziert mit ihrer Umlaufsgeschwindigkeit (U), dem Handelsvolumen der Gütermenge (H) multipliziert mit durchschnittlichem Preis-niveau (P) gegenübergestellt (G x U = H x P). Die Gleichung stellt nur eine funktionale Beziehung dar, ohne Aussage über ursächliche Zusammenhänge.Die weitere Entwicklung der Quantitätstheorie setzte bei der Neuinterpretation der Umlaufsgeschwindigkeit an, die von G. Cassel und der Cambridger Schule eingeleitet wurde. Nach dieser Interpretation war die Umlaufgeschwindigkeit das ge-samtwirtschaftliche Ergebnis der individuellen Kassenhaltung und führte die Umlaufsgeschwindigkeit damit auf einzelwirt-schaftliche Entscheidungen zurück. In der Cambridge-Glei-chung wird die Umlaufgeschwindigkeit (U) durch den Kas-senhaltungskoeffizienten (k) und das Handelsvolumen der Gütermenge (G) durch das reale Volkseinkommen (Y) ersetzt. Dann ergibt sich für die Geldmenge (G) die Formel: G = k x P x Y.Aus der Formel wurde die Hypothese gebildet, daß Ände-rungen von Geldmenge (G) und Kassenhaltungkoeffizient

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(k) das Preisniveau (P) und/oder das reale Volkseinkommen (Y) beeinflussen. Die Kassenhaltungshypothese wird von der keynesianischen Liquiditätspräferenztheorie und Einkom-menstheorie kritisiert.Von der Chicago-Schule wurde die Quantitätstheorie zur Neo-Quantitätstheorie weiterentwickelt, die eine der Grundlagen des Monetarismus darstellt.

Soziale Frage – der Begriff entstand im 19. Jahrhundert und sollte damals vor allem auf die Probleme der neu entste-henden Klasse des Industrieproletariats und ihrer drohenden Verelendung hinweisen. Lösungsmöglichkeiten der sozialen Frage sah man unter anderem in der Bildung von Produk-tions- und Konsumgenossenschaften, in einer Klassenpolitik der Arbeiterschaft durch Bildung von Arbeiterparteien und Ge-werkschaften sowie in der staatlichen Sozialpolitik, besonders durch die Schaffung von Sozialversicherungen. Im Zuge der Globalisierung gelangt die soziale Frage heute selbst in den hochentwickelten Staaten des Westens wieder zu neuer Be-deutung. Paradoxerweise stellt sich die Situation in der Ge-genwart so dar, daß sich die Gruppen, Arbeiterparteien und Gewerkschaften, die ursprünglich eine in Theorie und Praxis nationale Klassenpolitik betrieben hatten, weltanschaulich so deformiert haben, daß sie gegen die ureigensten Interessen ihrer Klienten die Politik eines vermeintlich humanitären Inter-nationalismus betreiben, die im Ergebnis zu einer besonders nachhaltigen Zerstörung der Sozialversicherungssysteme durch Zuwanderung und den Wegfall von Kapitalverkehrs-kontrollen in den sozial hochentwickelten Staaten führt.

Soziale Marktwirtschaft – In einer sozialen Marktwirt-schaft liegen die Produktionsmittel in privaten Händen, der Staat greift aber in die Verteilung des Erwirtschafteten ein. Zu-meist fließt ein Teil der erwirtschafteten Gewinne in die Solidar-kassen zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Mittel zur Kontrolle des Marktes sind Konjunktur-, Finanz- und Währungspolitik. Ein Staat, der soziale Marktwirtschaft prakti-ziert steht somit im Gegensatz zum sogenannten Nachtwächt-erstaat, dessen Aufgabe lediglich in der Eigentumssicherung der Besitzenden besteht. Im Zuge der Globalisierung muß die soziale Marktwirtschaft zwangsläufig Stück für Stück abgebaut werden, da ihre gemeinschaftlichen Sicherungsmechanismen als “Standortnachteil” oder “Freihandelshindernis” angesehen werden.

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Sozialismus – bezeichnet politische und ökonomische Systeme und Theorien, die die Produktion und Verteilung von Leistungen und Waren unter gemeinschaftlicher oder staatli-cher Lenkung befürworten. Im klassischen Sozialismus wird die Auffassung vertreten, daß die Profitinteressen der Kapi-taleigner die Produktion nicht im Ergebnis nach dem Bedarf der Gesellschaft ausrichten würden. Profitinteresse bringe privates Kapital dazu, sich in wenigen Händen zu konzentrie-ren. Diese Entwicklung führe zu einer finanziellen Oligarchie, deren Macht auch von einer demokratischen Gesellschaft im-mer weniger kontrolliert werden könne. Daraus wird im klas-sischen Sozialismus der Schluß gezogen, dass es notwen-dig sei, die Produktionsmittel mittels Vergesellschaftung oder Verstaatlichung (beispielsweise von Industrieunternehmen) der Verfügungsgewalt der Klasse der Kapitalisten zu entzie-hen. Befürworter der Marktwirtschaft setzen dagegen auf die Selbstheilungskräfte des Marktes, welche dauerhafte Macht-konzentrationen verhindern würde.Im Gegensatz zum ideengeschichtlich verwandten Libera-lismus bezieht sich der Sozialismus nicht hauptsächlich auf Gleichheit vor dem Gesetz, sondern auf Gleichheit im Ergeb-nis, im Idealfall mit dem Ziel einer klassenlosen Gesellschaft.

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Die Planwirtschaft

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Standort – In der Raumwirtschaftslehre, der Lehre von der örtlichen Bedingtheit und räumlichen Verteilung der Wirt-schaftsbetriebe, ist der Standort der Ort, an dem der Produkti-onsbetrieb steht. Für einen Produktionsbetrieb kann es wichtig sein, ob Material und Rohstoffe am Standort verfügbar sind, Arbeitskräfte und Käufer in der Nähe vorhanden. Transport-wege gut ausgebaut sind und ob andere Industrien, z.B. Zu-lieferer, in der Nähe siedeln.Durch unterschiedlich hohe Steuern und Subventionen kön-nen Länder, Staaten und Kommunen die Rendite für Investi-tionen - und damit die Attraktivität des Standortes für Anleger - erhöhen.Neben dieser klassischen Standortdiskussion wird von der Industrie häufig das Schlagwort “Standort Deutschland” ver-wendet. Damit wird zumeist die Forderung verbunden, alle politischen Maßnahmen an der Attraktivitätssteigerung für das Kapital auszurichten. Die Attraktivität des “Standortes” für die Menschen bleibt unberücksichtigt.

Weltmarkt – Im Gegensatz zu nationalen Märkten, auf de-nen einheimische Erzeuger ihre Produkte verkaufen und die Möglichkeit der staatlichen Steuerung des Marktes besteht, kann auf dem Weltmarkt jeder Waren an jeden verkaufen. Steuerungsmöglichkeiten der Nationalstaaten sind hierbei in erster Linie Zölle.Die Protagonisten des Weltmarktes fordern diesen, da er an-geblich mit einer Effektivierung der Produktion verbunden sei.

WTO – Die World Trade Organisation (WTO) mit Sitz in Genf ist die übergeordnete Institution des Welthandels und besitzt maßgebliche Kompetenzen bei der Schlichtung internationaler Streitfragen.

Die Schlußakte der Uruguay-Runde der GATT-Verhandlungen bestimmte, daß die WTO außerdem auch für den weltweiten Handel mit Dienstleistungen und geistigem Eigentum zustän-dig ist, und stattete die WTO mit effektiven Maßnahmen für ihre Schlichtungsaufgabe aus. Soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt die WTO bei ihren Entscheidungen nicht. Bei-spielsweise wurde ein US-Importverbot für Thunfische, die mit Delphine gefährdenden Beutelnetzen gefangen wurden, auf eine Beschwerde Mexikos hin als GATT-widrig aufgehoben.

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Zentrale Prinzipien der WTO

Marktzugang: Keine quantitativen Handelsbeschrän-kungen (keine Beschränkung der Anzahl von Anbietern, des Umsatzes, der Stückzahlen, der Höhe von Kapital-beteiligungen).

Inländerbehandlung: In- und ausländische Anbieter müssen gleich behandelt werden; keine Vorzugsbehand-lung von inländischen Anbietern.

Meistbegünstigung: Handelsbegünstigungen für ein Land müssen allen anderen WTO-Mitgliedern ebenfalls zugestanden werden.Ausnahmen: Regionale Integrationsabkommen (z.B. EU), öffentliche Auftragsvergabe (noch!), länderspezi-fische Meistbegünstigungsausnahmen (allerdings mit regelmäßiger Notwendigkeitsprüfung und Neuverhand-lung).

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I. Grundlegendes – Volkswirtschaftliche Theorie und Phi-losophie

Hartmuth Becker, Die Kategorie öffentlicher Güter als Grund-lage von Staatstheorie und Staatswissenschaft, 224 Seiten, Duncker und Humblot, Berlin, 2002.

Philipp Djokic, Nationale Frage und marxistische Theorie: Teil 1: Die „Klassiker“, 222 Seiten, Arbeitsgemeinschaft Marxis-mus, Wien, 2003.

Philipp Djokic, Nationale Frage und marxistische Theorie: Teil 2: Die sowjetische Erfahrung, 644 Seiten, Arbeitsgemeinschaft Marxismus, Wien, 2004.

Rüdiger Dornbusch, Stanley Fischer, Richard Startz, Makroö-konomik, Oldenbourg, München, Wien, 2003, 8. Auflage.

Walter Eucken, Nationalökonomie wozu?, 95 Seiten, Klett-Cotta, Stuttgart, 2005, 5. Auflage.

Hans Freyer, Gedanken zur Industriegesellschaft, 216 Seiten, v. Hase u. Koehler, Mainz, 1970.

Hans Freyer, Revolution von rechts, 71 Seiten, Diederichs, Jena, 1931.

Ferdinand Fried, Das Ende des Kapitalismus, 264 Seiten, Die-derichs, Jena, 1932, 21.-24. Tausend.

Eirik Grundtvig Furubotn, Rudolf Richter, Neue Institutionen-ökonomik: eine Einführung und kritische Würdigung, 660 Sei-ten, Mohr Siebeck, Tübingen, 2003, 3. Auflage.

Gunnar Heinsohn/Otto Steiger, Eigentumsökonomik, 270 Sei-ten, Metropolis-Verlag, Marburg, 2006.

Hermann Heller, Sozialismus und Nation, 105 Seiten, Rowohlt, Berlin, 1931, 2. Auflage.

Kleine Literaturliste

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Hans-Hermann Hoppe, Demokratie, der Gott, der keiner ist, Manuscriptum, Waltrop, Leipzig, 2003.

Friedrich Georg Jünger, Die Perfektion der Technik, 370 Sei-ten, Klostermann, Frankfurt am Main, 1993, 7. Auflage

Francesco Kneschaurek, Unternehmung und Volkswirtschaft: Eine Volkswirtschaftslehre für Führungskräfte, 364 Seiten, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 1994.

Leopold Kohr, Das Ende der Großen: zurück zum mensch-lichen Maß, 343 Seiten, Müller, Salburg, Wien, 2002.

Erik von Kuehnelt-Leddihn, Gleichheit oder Freihheit?, 487 Seiten, Hohenrain, Tübingen, Zürich, Paris, 1985.

Niklas Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, 356 Seiten, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2002.

Alfred Müller-Armack, Genealogie der sozialen Marktwirt-schaft: Frühschriften und weiterführende Konzepte, 255 Sei-ten, Haupt, Bern, Stuttgart, 1975.

Ernst Nolte, Marxismus und industrielle Revolution, 656 Sei-ten, Klett-Cotta, Stuttgart, 1983.

Reinhold Oberlercher, Lehre vom Gemeinwesen, 251 Seiten, Verlag der Freunde, Berlin, 1994.

Helmut Schelsky, Die Arbeit tun die anderen: Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen, 576 Seiten, Deut-scher Taschenbuch-Verlag, München, 1977.

Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, 102 Seiten, C.H. Beck, München, 1942, 82.-84. Tsd.

II. Globalisierungskritik

Alain de Benoist, Aufstand der Kulturen: europäisches Mani-fest für das 21. Jahrhundert, 315 Seiten, Junge-Freiheit-Ver-lag, Berlin, 2003.

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Literaturliste

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Alain de Benoist, Schöne vernetzte Welt: eine Antwort auf die Globalisierung, 453 Seiten, Hohenrain, Tübingen, 2001.

Wilhelm Langthaler, Werner Pirker: Ami go home: zwölf gute Gründe für einen Antiamerikanismus, 159 Seiten, Promedia, Wien, 2003.Claus Leggewie, Die Globalisierung und ihre Gegner, 205 Sei-ten, C. H. Beck, München, 2003.

Manfred Ritter, Klaus Zeitler, Armut durch Globalisierung – Wohlstand durch Regionalisierung, 143 Seiten, Leopold Sto-cker, Graz, Stuttgart, 2000.

Jeremy Rifkin, Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft: neue Konzepte für das 21. Jahrhundert, 240 Seiten, Fischer-Ta-schenbuch-Verlag, Frankfurt am Main, 2005.

Dani Rodrik, Grenzen der Globalisierung: ökonomische Inte-gration und soziale Desintegration, 133 Seiten, Campus-Ver-lag, Frankfurt am Main, New York, 2000.

Rüdiger Safranski, Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch?, 117 Seiten, Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main, 2004.

Richard Sennett, Der flexible Mensch – Die Kultur des neuen Kapitalismus, 159 Seiten, Berlin-Verlag, Berlin, 2005.

Hans-Werner Sinn: Die Basar-Ökonomie: Deutschland: Ex-portweltmeister oder Schlußlicht?, 247 Seiten, Econ, Berlin, 2005.

Peter Sloterdijk, Im Weltinnenraum des Kapitals: für eine philo-sophische Theorie der Globalisierung, 415 Seiten, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2005.

Joseph E. Stiglitz, Die Schatten der Globalisierung, 348 Sei-ten, Goldmann, München, 2004, Vollständige Taschenbuch-ausgabe.

III. Alternativen und Neues Denken

Volker Biek, Der deutsche Weg: unser nationaler Aufbruch ins

Literaturliste

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21. Jahrhundert, 733 Seiten, Verlagsgesellschaft Berg, Berg am Starnberger See, 1999.

Helmut Creutz, Das Geld-Syndrom: Wege zu einer krisenfreien Marktwirtschaft, 627 Seiten, Ullstein, Berlin, 2001, 5., komplett überarb. und erw. Neuauflage.James Goldsmith: Die Falle und wie wir ihr entrinnen können, 267 Seiten, Deukalion, Holm, 1996.

Anthony Giddens, Der dritte Weg: die Erneuerung der sozialen Demokratie, 172 Seiten, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main, Wien, 1999.

Eduard Gugenberger, Roman Schweidlenka, Bioregionalismus – Bewegung für das 21. Jahrhundert, 238 Seiten, Packpapier Verlag, Osnabrück, 1996, 2. Auflage.

Francesco Kneschaurek, Weltwirtschaft im Umbruch: Pro-bleme – Analyse – Perspektiven, Verlag Neue Zürcher Zei-tung, Zürich, 1999.

Geseko von Lüpke, Politik des Herzens: nachhaltige Konzepte für das 21. Jahrhundert, 407 Seiten, Arun, Engerda, 2003.

Nicole Munk, Insolvenzprophylaxe für Deutschland: Wege zur Sanierung von Staat und Wirtschaft, 553 Seiten, Gabler, Wies-baden, 2004.

Bernd Senf, Der Tanz um den Gewinn: von der Besinnungs-losigkeit zur Besinnung der Ökonomie, 204 Seiten, Verlag für Sozialökonomie, Lütjenburg, 2004.

Bernd Senf, Die blinden Flecken der Ökonomie: Wirtschafts-theorien in der Krise, 303 Seiten, Deutscher Taschenbuch-Ver-lag, München, 2001.

Herbert Schweiger, Geld und Weltpolitik, 106 Seiten, Deutsches Kulturwerk Europäischen Geistes, Graz, 1984.

Frederic Vester, Neuland des Denkens: vom technokratischen zum kybernetischen Zeitalter, 547 Seiten, Deutscher Taschen-buch-Verlag, München, 1997, 10. Auflage.

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Literaturliste

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IV. Antiimperialismus und Wertkritik

Robert Kurz, Das Weltkapital: Globalisierung und innere Schranken des modernen warenproduzierenden Systems, 480 Seiten, Edition Tiamat, Berlin, 2005.

Robert Kurz, Blutige Vernunft: Essays zur emanzipatorischen Kritik der kapitalistischen Moderne und ihrer westlichen Werte, 222 Seiten, Horlemann, Bad Honnef, 2004.

Robert Kurz, Weltordnungskrieg: Das Ende der Souveränität und die Wandlungen des Imperialismus im Zeitalter der Globa-lisierung, 446 Seiten, Horlemann, Bad Honnef, 2003.

Eléments (Theoriezeitschrift der französischen Denkfabrik Grèce), Heft 115, Winter 2005, Libérons Marx du marxisme, Société des Éditions du Labyrinthe, Paris.

V. Historisches

Avraham Barkai, Das Wirtschaftssystem des Nationalsozia-lismus: Ideologie, Theorie, Politik; 1933 – 1945, 279 Seiten, Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main, 1995, erwei-terte Neuausgabe.

Louis Dupeux, „Nationalbolschewismus“ in Deutschland 1919 bis 1933: kommunistische Strategie und konservative Dyna-mik, 492 Seiten, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main, Olten, Wien, 1988.

Marc Lüdders: Die Suche nach einem dritten Weg: Beiträge zur deutschen Nationalökonomie in der Zeit der Weimarer Re-publik, 289 Seiten, Lang, Frankfurt am Main, Wien, 2004.

Patrick Moreau: Nationalsozialismus von links : die „Kampf-gemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten“ und die „Schwarze Front“ Otto Strassers 1930 – 1935, Studien zur Zeitgeschichte, Band 28, 266 Seiten, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart, 1985.

Karl Otto Paetel: Nationalbolschewismus und nationalrevolu-tionäre Bewegungen in Deutschland : Geschichte, Ideologie, Personen, 343 Seiten, Verlag Bublies, Schnellbach, 1999.

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Michael Prinz, Rainer Zitelmann, Nationalsozialismus und Mo-dernisierung, 365 Seiten, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1994, 2. Auflage.

Otto-Ernst Schüddekopf: Nationalbolschewismus in Deutsch-land 1918 – 1933, 576 Seiten, Ullstein, Frankfurt am Main, Berlin, Wien, 1973.

Karlheinz Weißmann: Der nationale Sozialismus : Ideologie und Bewegung 1890 bis 1933, 368 Seiten, Herbig, München, 1998.

Christoph H. Werth: Sozialismus und Nation : die deutsche Ideologiediskussion zwischen 1918 und 1945, 353 Seiten, VDG, Weimar, 2001, 2. Auflage.

VI. Periodika

Interessante Aufsätze über Wirtschaftspolitik und Wirtschafts-theorie bzw. Globalisierungskritik finden sich immer wieder in folgenden Zeitschriften:

Deutsche Stimme – Monatszeitung für Politik und KulturMannheimer Straße 401571 RiesaWeltnetz: www.deutsche-stimme.com

Eigentümlich FreiAn der Kolpingschule 441516 GrevenbroichWeltnetz: www.ef-magazin.de

VolkslustPostfach 60106722210 HamburgWeltnetz: www.magazin-volkslust.de/index.html

SozialismusSt. Georgs Kirchhof 620099 HamburgWeltnetz: www.sozialismus.de

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VII. Weltnetz

Themenseite der Zeitschrift Staatsbriefe: „Der Zwang zur Volkswirtschaft und die soziale Frage“http://www.staatsbriefe.de/1994/archiv/teilarchiv_sozwirtsch.htm(Aufsätze von Klassikern nationaler Wirtschaftstheorie wie Paul Ernst, August Winnig und Hans Domizlaff, aber auch Bei-träge von Gerd Bergfleth und Hans-Dietrich Sander)

Theoriezeitschrift Exit – Kritik und Krise der Warengesell-schaftwww.exit-online.org(Neue Netzpräsenz des Wirtschaftshistorikers und Philo-sophen Robert Kurz mit zahlreichen Aufsätzen der „wertkri-tischen Schule“ über die Krise der Erwerbsarbeit)

Les amis d`Alain de Benoistwww.alaindebenoist.com(Netzpräsenz des vielleicht versiertesten Globalisierungskriti-kers „von rechts“ – des französischen Philosophen Alain de Benoist – mit zahlreichen, in deutscher Sprache veröffentlich-ten Aufsätzen)

Heimatseite von Dr. Reinhold Oberlercherwww.deutsches-kolleg.org/oberlercher/(Netzpräsenz des „Nationalmarxisten“ Reinhold Oberlercher mit zahlreichen Aufsätzen zu seiner „Lehre vom Gemeinwe-sen“)

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1 Salin, Edgar: Politische Ökonomie, Tübingen, 1967, S. 58.

2 Vgl. hierzu: Friedrich der Große: Das politische Testament von 1752, Reclam, Stuttgart 1987.

3 Vgl. hierzu: Schwab, Jürgen: Volksstaat statt Weltherrschaft. Das Volk – Maß aller Dinge, Tübingen, 2002, S. 277-278.

4 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts. (Erstausgabe, Berlin 1821) Werke 7, 6. Auflage, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2000, § 255, S. 396-397.

5 Hegels Gemeinschaftsmodell ist durch die Dreigliederung „Familie“ (unten), „Gesellschaft“ (Mitte) und „Staat“ (oben) bestimmt. Während es sich sowohl bei der Familie als auch beim Staat um („allgemeine“) Gemeinschaftsformen unterschiedlicher Größen handelt, ist die da-zwischentretende bürgerliche Gesellschaft durch „besondere Interes-sen“ geprägt, da das „Arbeitswesen der bürgerlichen Gesellschaft (...) nach der Natur seiner Besonderheit in verschiedene Zweige“ zerfällt [Anmerkung: Ebd., § 251, S. 394.], denn: „Der Gewerbsmann ist ver-schieden vom Tagelöhner (...).“ [Ebd., § 252, S. 394.] Die sozialen Besonderheiten organisieren sich in „Korporationen“ beziehungswei-se in (Berufs-) „Genossenschaften“, die kleine Gemeinschaften sozi-al Gleichinteressierter darstellen. In einem solchen „Ganzen“ ist der Einzelne mit seiner Familie fest eingebunden und von den anderen Mitgliedern „anerkannt“, wodurch ihm seine „Standesehre“ zuteil wird. [Ebd., § 253, S. 395.] Durch die Korporation ist der Einzelne in Hegels bürgerliche Gesellschaft in seiner vollen familiären, sozialen und be-ruflichen Ganzheit wirklich eingebunden, während er in der „Gesell-schaft“ des Liberalismus seine „Selbstverwirklichung“ als Atomisierter finden soll. Im Liberal-Kapitalismus spielen hingegen weder Familie noch Korporation und Staat eine bedeutende Rolle. Die Idee von Hegels „Korporation“ hat Jürgen Schwab in seinem Buch „Volksstaat statt Weltherrschaft“ aufgegriffen – und zwar im Rahmen eines be-rufsständischen Parlaments als Bühne der bürgerlichen Gesellschaft. [Jürgen Schwab: Volksstaat statt Weltherrschaft. Das Volk – Maß aller Dinge. Hohenrain Verlag, Tübingen 2002, S. 370-378.]

6 von Schrenck-Notzing, Caspar von (Hrsg.): Lexikon des Konservatismus, Graz, 1996, S. 515.

7 Engels, Friedrich, Marx, Karl: Werke, Band 4, Berlin, 1972, S. 465-466.

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8 Salin, Edgar: Politische Ökonomie, Tübingen, 1967, S. 121.

9 Häring, Norbert, Storbeck, Olaf: „Börsencrash bremst Konjunktur bis 2004“ in: Handelsblatt vom 24./25. Januar 2003.

10 Krugman, Paul: Schmalspur-Ökonomie, Frankfurt, New York, 1998, S. 170.

11 Auf die Verfeinerung dieses Mechanismus mittels der Nutzung von Optionen soll hier nicht eingegangen werden, da dies zur Verdeutli-chung des Sachverhaltes nichts Wesentliches beiträgt.

12 Seubert, Harald: „Verortung“ in: Sezession, Heft 7, Oktober 2004, Schnellroda.

13 Zur gründlichen Kritik der englischen Klassik vgl.: Spann, Othmar, Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre, Heidelberg, 1949, S. 86-99.

14 Vgl. hierzu: Kurz, Robert, Weltordnungskrieg – Das Ende der Sou-veränität und die Wandlungen des Imperialismus im Zeitalter der Glo-balisierung, Bad Honnef, 2003.

15 Ebd., S. 23.

16 Das BIP ist ein Maß für die Wertschöpfung der gesamten Volks-wirtschaft. Die Berechnung kann nach folgendem Schema erfolgen: Zunächst werden die Bruttowertschöpfungen der einzelnen Wirt-schaftsbereiche berechnet. Sie sind jeweils die Summe der Produk-tionswerte zu Herstellpreisen von allen im Inland hergestellten Wa-ren und Dienstleistungen des betreffenden Bereichs, abzüglich der Vorleistungen zu Anschaffungspreisen. Die Bruttowertschöpfung der gesamten Volkswirtschaft ist wiederum die Summe der Bruttowert-schöpfungen aller Wirtschaftsbereiche. Sie ist mit dem Bruttoinlands-produkt (BIP) identisch.

17 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder – VGR d. L.: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen, 1991 bis 2004. Berech-nungsstand: August 2004/Februar 2005.

18 Statistisches Bundesamt: Gesamtentwicklung des deutschen Au-ßenhandels.

19 Die Ermittlung des relativen Anteils exportinduzierter Importe an den Exporten wurde vom Statistischen Bundesamt anläßlich der von Professor Sinn ausgelösten sogenannten „Basarökonomie-Diskussi-on“ durchgeführt und berücksichtigt noch nicht den Umstand, daß be-stimmte exportinduzierte Importwaren wiederum Teile enthalten, die

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in Deutschland hergestellt worden sind. Außerdem basiert die letz-te vorliegende Berechnung auf den Input-/Output-Daten von 2002. Da aber die Verlagerung von deutschen Arbeitsplätzen ins Ausland ungebremst weitergeht oder sogar noch zunimmt – man spricht von voraussichtlich 150.000 Arbeitsplätzen im Jahr 2006 – , gibt es kei-nen Grund, anzunehmen, daß der Anteil exportinduzierter Importe zu-rückgegangen sei. – Ansprechpartnerin für diese Berechnungen beim Statistischen Bundesamt ist Frau Liane Ritter (E-Post: [email protected]). Sie hat anscheinend auf eigene Initiative das entspre-chende Berechnungsmodell entwickelt. Merkwürdig ist, daß gerade dieser Wert so zögerlich aktualisiert wird, obwohl es sich ausweislich der „Basarökonomie“-Diskussion um einen der aussagefähigsten und brisantesten volkswirtschaftlichen Parameter handelt. 20 Eekhoff, Johann in: Handelsblatt vom 3. Dezember 2004. – Profes-sor Eekhoff lehrt an der Universität Köln. Er ist Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik und Direktor des Instituts für Wohnungsrecht und Wohnungswirtschaft. Von 1991 bis 1994 war er Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.

21 Statistisches Bundesamt: „Beschäftigte, Umsatz und Investitionen der Unternehmen und Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden“, Fachserie 4 / Reihe 4.2.1, Jahr 2004.

22 Statistisches Bundesamt: Monatsbericht November 2005, X. Au-ßenwirtschaft, 7. Kapitalverkehr der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ausland.

23 Barth, Dietrich: „Perspektiven des internationalen Dienstleistungs-handels“, Friedrich Ebert-Stiftung, Bonn, 2005.

24 Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung: „Exporte und Importe in jeweiligen Preisen“.

25 Quelle: Deutsche Bundesbank – Zentrale, Abteilung Zahlungsbi-lanzstatistik, S. 211.

26 KfW-Research, KfW Bankengruppe/Konzernkommunikation: „Mit-telstands- und Strukturpolitik“, Sonderband „15 Jahre deutsche Eini-heit“, Oktober 2005.

27 Eekhoff, Johann in: Handelsblatt vom 3. Dezember 2004.

28 Sachverständigenrat: Jahresgutachten 2004/2005, Tab. 62*

29 Grasruck, Gerhard: „Das Märchen vom heiligen Export – McJobs und Dollarberge als Folge einer politisch motivierten Fehldeutung“ in: eigentümlich frei vom September 2005, Heft 55.

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30 Engels, Friedrich: „Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“ aus „Dialektik der Natur“, Berlin, 1975.

31 Sinn, Hans-Werner: „Die Industrie wandert ab“ in: Frankfurter All-gemeine Sonntagszeitung vom 16. Oktober 2005.

32 Schachtschneider, Karl Albrecht: „Der Schritt in die dritte Stufe der Währungsunion – rechtliche Würdigung“ in: Die Euro-Klage – Warum die Währungsunion scheitern muß, Reinbek bei Hamburg, 1998, S. 200-202.

33 Quelle: Jahresgutachten 2002/03 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die Größen sind in Preisen von 1995 angegeben.

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