13
4 Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung 4.1 Einführende Bemerkungen Jede Automatisierungsanlage benötigt zur Realisierung ihrer Funktionalität unter- schiedliche Hilfsenergien, wobei, wie bereits in der Überschrift zum Ausdruck ge- bracht, elektrische, pneumatische und hydraulische Hilfsenergie zum Einsatz kom- men. Nahezu alle EMSR-Stellen benötigen elektrische bzw. pneumatische Hilfsener- gie, letztere z. B. für pneumatische Stellantriebe. Die hydraulische Hilfsenergie ist für die „klassischen“ EMSR-Stellen weniger erforderlich, wird aber dort eingesetzt, wo besonders große Stellkräfte, wie zum Beispiel in der Kraftwerkstechnik oder an Schneideinrichtungen in der Stahlindustrie bzw. anderen Branchen des Maschinen- baus, aufzubringen sind. Demzufolge sind für die Bereitstellung dieser Hilfsenergien entsprechende Projektierungsleistungen zu realisieren. Die dafür erforderliche prinzi- pielle Vorgehensweise wird im Folgenden erläutert. Darüber hinausgehende Ausfüh- rungen sind nicht Ziel und Inhalt dieses Buches. 4.2 Basisstruktur der Hilfsenergieversorgung Bild 4-1 zeigt einführend die Projektkomponenten sowie ihr Zusammenwirken für das komplette Projekt einer Automatisierungsanlage (vgl. auch Bild 3-1 auf S. 14). Dabei wird mittels Verbindern die Verknüpfung von Pneumatik- und Hydraulikprojekt mit dem EMSR-Projekt sowie mittels Klemmen die Verknüpfung von Elektro- und EMSR- Projekt dokumentiert. Das bedeutet, bereits bei Erarbeitung der EMSR-Stellenpläne (vgl. Abschnitt 3.3.4.4) ist festzulegen, welche Hilfsenergieart in welchem Umfang (elektrische Leistung, Luftbedarf bzw. hydraulische Hilfsenergie) erforderlich ist. Die einzelnen Zuführungen der Hilfsenergien sind jeweils in die Verbinderliste (pneumati- sche oder hydraulische Hilfsenergie) 150 bzw. Klemmenpläne (elektrische Hilfsenergie) einzutragen. Verbinderliste und Klemmenpläne ergänzen die Unterlagen des Kernpro- jektes, indem Bedarf sowie Zuführung der elektrischen, pneumatischen bzw. hydrauli- schen Hilfsenergie für die projektierten Automatisierungsmittel vollständig erfasst und an Hand der oben genannten Verbinderlisten bzw. Klemmenpläne sowie der daraus resultierenden Erweiterung der EMSR-Stellenpläne (Beispiele vgl. Bild 3-70 bis Bild 3-74 auf S. 95 bis S. 99) dokumentiert werden. Des Weiteren sind auch die Anforderungen seitens EMV (Elektromagnetische Ver- träglichkeit) sowie Blitzschutz zu berücksichtigen, für deren vertiefende Behandlung auch auf entsprechende Spezialliteratur (z. B [49, 50]) verwiesen wird. 150 In Verbinderlisten werden pneumatische bzw. hydraulische Leitungsverbindungen dokumentiert (ähnlich wie elektrische Leitungsverbindungen in Klemmenplänen). T. Bindel, D. Hofmann, Projektierung von Automatisierungsanlagen, DOI 10.1007/978-3-8348-2082-2_4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

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Page 1: Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

4 Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

4.1 Einführende Bemerkungen Jede Automatisierungsanlage benötigt zur Realisierung ihrer Funktionalität unter-schiedliche Hilfsenergien, wobei, wie bereits in der Überschrift zum Ausdruck ge-bracht, elektrische, pneumatische und hydraulische Hilfsenergie zum Einsatz kom-men. Nahezu alle EMSR-Stellen benötigen elektrische bzw. pneumatische Hilfsener-gie, letztere z. B. für pneumatische Stellantriebe. Die hydraulische Hilfsenergie ist für die „klassischen“ EMSR-Stellen weniger erforderlich, wird aber dort eingesetzt, wo besonders große Stellkräfte, wie zum Beispiel in der Kraftwerkstechnik oder an Schneideinrichtungen in der Stahlindustrie bzw. anderen Branchen des Maschinen-baus, aufzubringen sind. Demzufolge sind für die Bereitstellung dieser Hilfsenergien entsprechende Projektierungsleistungen zu realisieren. Die dafür erforderliche prinzi-pielle Vorgehensweise wird im Folgenden erläutert. Darüber hinausgehende Ausfüh-rungen sind nicht Ziel und Inhalt dieses Buches.

4.2 Basisstruktur der Hilfsenergieversorgung Bild 4-1 zeigt einführend die Projektkomponenten sowie ihr Zusammenwirken für das komplette Projekt einer Automatisierungsanlage (vgl. auch Bild 3-1 auf S. 14). Dabei wird mittels Verbindern die Verknüpfung von Pneumatik- und Hydraulikprojekt mit dem EMSR-Projekt sowie mittels Klemmen die Verknüpfung von Elektro- und EMSR-Projekt dokumentiert. Das bedeutet, bereits bei Erarbeitung der EMSR-Stellenpläne (vgl. Abschnitt 3.3.4.4) ist festzulegen, welche Hilfsenergieart in welchem Umfang (elektrische Leistung, Luftbedarf bzw. hydraulische Hilfsenergie) erforderlich ist. Die einzelnen Zuführungen der Hilfsenergien sind jeweils in die Verbinderliste (pneumati-sche oder hydraulische Hilfsenergie)150 bzw. Klemmenpläne (elektrische Hilfsenergie) einzutragen. Verbinderliste und Klemmenpläne ergänzen die Unterlagen des Kernpro-jektes, indem Bedarf sowie Zuführung der elektrischen, pneumatischen bzw. hydrauli-schen Hilfsenergie für die projektierten Automatisierungsmittel vollständig erfasst und an Hand der oben genannten Verbinderlisten bzw. Klemmenpläne sowie der daraus resultierenden Erweiterung der EMSR-Stellenpläne (Beispiele vgl. Bild 3-70 bis Bild 3-74 auf S. 95 bis S. 99) dokumentiert werden. Des Weiteren sind auch die Anforderungen seitens EMV (Elektromagnetische Ver-träglichkeit) sowie Blitzschutz zu berücksichtigen, für deren vertiefende Behandlung auch auf entsprechende Spezialliteratur (z. B [49, 50]) verwiesen wird.

150 In Verbinderlisten werden pneumatische bzw. hydraulische Leitungsverbindungen

dokumentiert (ähnlich wie elektrische Leitungsverbindungen in Klemmenplänen).

T. Bindel, D. Hofmann, Projektierung von Automatisierungsanlagen,DOI 10.1007/978-3-8348-2082-2_4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Page 2: Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

180 4 Elektrische, pneumatische und hydraulische Hilfsenergieversorgung

Bild 4-1: EMSR-Projekt im Zusammenwirken mit dem Elektro-, Pneumatik- und Hydraulikprojekt Damit ist im Weiteren die Fragestellung relevant, wie die notwendigen Hilfsenergien bereitgestellt werden bzw. ihr Bedarf im Einzelnen ermittelt wird. Am Beispiel der elektrischen Hilfsenergie wird zunächst auf Bereitstellung und Ermittlung der erforder-lichen elektrischen Leistung eingegangen.

4.3 Elektrische Hilfsenergieversorgung

4.3.1 Bereitstellung und Verteilung

Generell kann davon ausgegangen werden, dass der Bedarf an elektrischer Hilfs-energie, insbesondere für eine Produktionsanlage, erheblich ist, wozu auch die zuge-hörige Automatisierungsanlage beiträgt. Deshalb ist es wichtig, den erforderlichen Bedarf an elektrischer Hilfsenergie umfassend zu ermitteln und beim Gesamtenergie-bedarf einer Industrieanlage zu berücksichtigen. Dabei soll hauptsächlich von der im Bild 4-2 dargestellten Struktur ausgegangen werden.

Pneumatik- und Hydraulikprojekt

Verbindung von Sensorik, Aktorikund Prozessorik

Verbinder Klemmen

Klemmen-plan

Bereitstellung und Verteilung pneumati-

scher und/oder hydraulischer Hilfsenergie

Bereitstellung und Verteilung der elek-trischen Hilfsenergie

EMSR – Projekt / Kernprojekt Elektroprojekt

Projektkomponentenfür die Hilfsenergieversorgung

und das Zusammenwirken mit der EMSR-Technik

einer Automatisierungsanlage

Verbinder liste

Forderungen des Ex-plosions- und Blitz-schutzes sowie der

Elektromagnetischen Verträglichkeit

Page 3: Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

4.3 Elektrische Hilfsenergieversorgung 181

Bild 4-2: Übersicht zur Bereitstellung und Verteilung der elektrischen Hilfsenergie Die benötigte elektrische Hilfsenergie wird demnach meist aus einem leistungsstarken Energienetz entnommen.151 Als Hauptverbraucher sind neben der Automatisierungs-anlage vor allem die Produktionsanlage an sich sowie der Büro- und Sozialkomplex zu berücksichtigen. Ausgehend von der Automatisierungsanlage werden Verbraucher der Spannungsebenen 400 VAC, 230 VAC und 24 VDC betrachtet. Diese Verbraucher sind für Automatisierungsanlagen charakteristisch und bestimmen den elektrischen Leistungsbedarf der Automatisierungsanlage.

4.3.2 Bedarfsermittlung

Als Basisansatz wird hierzu für jede einzelne EMSR-Stelle der elektrische Leistungs-bedarf ermittelt und danach die Summe des Bedarfs aller EMSR-Stellen, die dem Gesamtbedarf der Automatisierungsanlage entspricht, gebildet. Dazu wird folgende Vorgehensweise empfohlen (vgl. Bild 4-3):

151 In bestimmten Industriezweigen (Zuckerindustrie, Papierindustrie) ist es üblich,

neben der Industrieanlage ein Kraftwerk für die Bereitstellung der benötigten elektrischen Hilfsenergie zu errichten.

Verteilerstation des Energieversorgungs-betriebes (z. B. Trafostation)

Industrieanlage

Automatisierungs-anlage

Produktions-anlage

Büro- und Sozialkomplex

Elektrische Hilfsenergie (aus Energienetz oder Kraftwerk)

400 VAC 230 VAC 230 VAC24 VDC

für Drehstromverbraucher (z. B. Pumpen, Heizungen,Rührwerke)

für Prozessorik (z. B. SPS-Technik,Prozessleitrechner)

für Selbsthalteschaltun-gen der Verbraucher-gruppe „Prozessorik“ sowie der Gruppe „Dreh-stromverbraucher“

für Prozessorik(SPS-Technik sowie binäre Sensoren bzw.Aktoren)

Page 4: Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

182 4 Elektrische, pneumatische und hydraulische Hilfsenergieversorgung

Schritt 1: Tabellieren aller EMSR-Stellen einer Automatisierungsanlage. Schritt 2: Ermittlung des erforderlichen elektrischen Leistungsbedarfes für jede

EMSR-Stelle an Hand der Firmendokumentationen für die jeweils aus-gewählten Automatisierungsmittel.

Schritt 3: Zeilenweises Addieren der elektrischen Leistungen für die Spannungs-ebenen 400 VAC, 230 VAC bzw. 24 VDC.

Schritt 4: Ermittlung des gesamten elektrischen Leistungsbedarfes für die Automa-tisierungsanlage durch Addition der in der letzten Spalte von Bild 4-3 an-gegebenen elektrischen Leistungen.

Hauptverteilung der elektrischen Hilfs-

energie (Starkstromzellen)

EMSR-Stellen (Regelkreise, binäre Steuerungen und separate

Messstellen – Basis R&I-Fließschema und EMSR-Stellenpläne)

Leistungsbedarf [kW] EMSR-Stelle 1

EMSR-Stelle 2

EMSR-Stelle 3 … EMSR-

Stelle n

Prozess-leitwarte

400 V AC

1,0 1,5 … 1,5 4,0

230 V AC

0,3 0,5

(Reserve) 0,5 … 1,3

24 V DC

… 0,0

Schaltraum

400 V AC

10,0 … 10,0

230 V AC

1,0 0,5 0,5 … 2,0

24 V DC

… 0

Feld

400 V AC

5,0 12,0 10,0 … 2,0 29,0

230 V DC

0,7 2,1

(Reserve) 0,7 … 3,2 6,7

24 V DC

0,3 1,2 1,0 … 0,5 3,0

Gesamt-leistungsbedarf

400 V AC: 43 kW

230 V AC: 10 kW

24 V DC: 3 kW

56 kW

Bild 4-3: Beispiel zur Ermittlung des Leistungsbedarfes einer Automatisierungsanlage

Für die vollständige Realisierung des Elektroprojektes zur Verteilung der elektrischen Hilfsenergie sowie Ermittlung des elektrischen Leistungsbedarfes einer Auto-matisierungsanlage sind in Ergänzung der obigen Ausführungen weitere vertiefende

Page 5: Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

4.3 Elektrische Hilfsenergieversorgung 183

Betrachtungen erforderlich, die nachfolgend zumindest benannt und kurz vorgestellt werden. Dazu ist an erster Stelle der sogenannte Gleichzeitigkeitsfaktor zu nennen, welcher berücksichtigt, dass nicht alle Verbraucher einer Industrieanlage gleichzeitig in Betrieb sind, wodurch eine gewisse Reduktion des Bedarfes an elektrischer Leis-tung erzielt werden kann. Die Ermittlung dieses Gleichzeitigkeitsfaktors ist hauptsäch-lich durch die Anforderungen des verfahrenstechnischen Prozessbetriebes sowie die redundante Auslegung der relevanten Verbraucher bestimmt. Des Weiteren ist auch die Einteilung der Verbraucher nach statischer oder dynamischer Last wesentlich. So wirken zum Beispiel Apparateheizungen als statische Lasten und die gleichfalls in der Automatisierungsanlage eingesetzten Elektromotoren als dynamische Lasten. Dabei gilt, dass bei statischen Lasten an Hand des Wirkungsgrades die tatsächlich vom Ver-braucher aufgenommene elektrische Leistung berechnet werden kann, während bei dynamischen Lasten eine Berechnung nach DIN EN ISO 5199 [51] durchzuführen ist (vgl. auch [52]). Diese Betrachtungen erfordern folglich detailliertere Planungsleistun-gen, die den Rahmen der in diesem Abschnitt vorgestellten Grundansätze zu Inhalt und Ausführung eines Elektroprojektes deutlich überschreiten würden und daher hier nicht angestellt werden.

4.3.3 Zuschaltung

Bei der Zuschaltung der elektrischen Hilfsenergie ist zwischen der Prozessorik, bei-spielsweise repräsentiert durch speicherprogrammierbare Technik, und den eigentli-chen Großverbrauchern der Produktionsanlage zu unterscheiden. Daher soll die Zu-schaltung der elektrischen Hilfsenergie stets getrennt erfolgen, das heißt, zuerst die Zuschaltung der Prozessorik und danach der Großverbraucher. Generell ist dabei das Prinzip der Selbsthalteschaltung (Bild 4-4) anzuwenden. Das heißt, der Taster „EIN“ ist so lange zu betätigen, bis der Kontakt zwischen den Anschlüssen 1 und 2 (Selbst-haltekontakt) der jeweils zugehörigen Schaltschütze die Selbsthaltung aktiviert hat, um zuerst für die Prozessorik die Spannung 230 VAC durchzuschalten. Anschließend kann mit dem anderen Taster „EIN“ die Spannung 400 VAC für Großverbraucher zu-geschaltet werden. Dabei sind sowohl für die Prozessorik als auch für die Großver-braucher jeweils die Selbsthaltekontakte zweier Schütze in Reihe geschaltet, womit erreicht wird, dass beim Ausschalten bzw. bei NOT-Ausschaltung die elektrische Hilfsenergie durch mindestens ein Schaltschütz abgeschaltet wird, falls, bedingt durch technischen Defekt, ein Schütz „klemmen“ sollte. Für die NOT-AUS-Schaltung (Bild 4-4b) wurde hier beispielhaft je ein NOT-AUS-Taster der Prozessleitwarte, dem Schaltraum bzw. dem Feld zugeordnet. Der Anschluss von Baugruppen speicherprogrammierbarer Technik (z. B. Analogein-gabebaugruppen, Binärausgabebaugruppen usw.) ist den jeweiligen Produktdoku-mentationen zu entnehmen (z. B. [24]). Zur Veranschaulichung wird im Bild 4-5 das allgemeine Prinzip der Stromversorgung binärer SPS-Baugruppen sowie daran ange-schlossener binärer Sensorik bzw. Aktorik gezeigt. Dabei wird angenommen, dass durch Schütz „K1“ über den Kontakt zwischen den Anschlüssen 3 und 4 (vgl. Bild 4-4) ein 24 VDC-Stromversorgungsgerät eingeschaltet wird (vgl. Bild 4-5). Dieses Strom-versorgungsgerät versorgt die Binäreingabe- bzw. Binärausgabebaugruppen, an de-nen jeweils binäre Sensoren (symbolisiert durch Kontakte) bzw. binäre Aktoren (sym-bolisiert durch Stellventil mit Magnetantrieb) angeschlossen sind.

Page 6: Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

184 4 Elektrische, pneumatische und hydraulische Hilfsenergieversorgung

Bild 4-4: Basisstruktur für die Zuschaltung der elektrischen Hilfsenergie

Bild 4-5: Prinzip der Stromversorgung binärer SPS-Baugruppen

Baugruppenanschluss(Wurzel)

=

LN

PE

3

4

+

Binäreingabe-baugruppe

Binärausgabe-baugruppe

Baugruppenanschluss(Wurzel)

Stromversorgungsgerät

-K1

BinäreSensorik(„Geber“) Binäre

Aktorik

weitere Baugruppenweitere Baugruppen

AUS

a) Prozessorik b) Großverbraucher (z. B. SPS-Technik bzw. Prozessleitrechner) (z. B. Aktorik in der Produktionsanlage)

XS1A2F XS1A2F

-K2

A2 A2 -K3 -K4

1

1

2

2

1

2 EIN1

1

1

1

2

2

2

2

NOT-AUSProzess-leitwarte

NOT- AUS

NOT-AUS

Schaltraum

Feld

AUS

A2 A2-K1 -K2

EIN

1

1

2

2 1 1 2 2

L N

-K3

-K1 -K4

A1 A1 A1A1

Klemmen - Symbol

3 3 4 41 1 2 2

3 3 4 4 1 1 2 2

Page 7: Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

4.3 Elektrische Hilfsenergieversorgung 185

4.3.4 Systematisierung

Zur Einordnung des Elektroprojekts werden nachfolgend prinzipielle Vorgehensweise und Leistungsumfang zusammenfassend dargestellt (Bild 4-6). Dabei soll verdeutlicht werden, wie die Projektierungsleistungen für die Bereitstellung der elektrischen Hilfs-energieversorgung für die Automatisierungsanlage zugleich Bestandteil des Elektro-projekts einer Industrieanlage sind. Sowohl an Hand einzelner Ausführungsbeispiele als auch durch die Vorstellung prinzipieller Lösungsschritte wird der Elektroprojektie-rungsumfang dargestellt und damit ein detaillierteres Bearbeiten der Projektierungsin-halte für die Bereitstellung und Verteilung der elektrischen Hilfsenergie ermöglicht.

Fortsetzung (Schritt 4 bis 7) siehe Folgeseite!

Übersicht Erarbeitung eines Übersichtbildes zur Verteilung derelektrischen Hilfsenergie für die einzelnen Verbrau-chergruppen einer Industrieanlage (Bild 4-2). (Schritt 1)

Leistungsbedarf – Teil 1 Ermittlung des elektrischen Leistungsbedarfes für die Automatisierungsanlage, d. h. für

• Prozessleitwarte, • Schaltraum und • Feld (Bild 4-3). (Schritt 2)

Leistungsbedarf – Teil 2 Ermittlung des elektrischen Leistungsbedarfes für die weiteren Verbrauchergruppen der gesamten Industrie-anlage (Schritt 3)

Page 8: Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

186 4 Elektrische, pneumatische und hydraulische Hilfsenergieversorgung

Schritt 1 bis 3 von S. 185!

Bild 4-6: Ansatz zur Projektierung der elektrischen Hilfsenergie

(Schritt 5)

Dekomposition des Basisstromlaufplans Dekomposition des Basisstromlaufplans in mehrere Ebe-nen entsprechend des Umfangs von Automatisierungsan-lage sowie weiteren Verbrauchergruppen der gesamtenIndustrieanlage – Erarbeitung aller Einzelstromlaufpläne.

Schaltschranklayout Erarbeitung der Schaltschrankbelegungspläne (Schalt-schranklayouts) zur Realisierung der Verteilung der elektrischen Hilfsenergie. (Schritt 6)

Verbinderliste Erarbeitung der Verbinderliste für die Automatisierungs-anlage, d. h. des Planungsdokuments zur Kopplung von Elektroprojekt und EMSR-Projekt.

(Schritt 7)

Basisstromlaufplan Erarbeitung eines Basisstromlaufplans (Hauptvertei-lungsstromlaufplans) für die Automatisierungsanlage sowie die weiteren Verbrauchergruppen der gesamten Industrieanlage (Schritt 4)

Page 9: Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

4.4 Pneumatische Hilfsenergieversorgung 187

4.4 Pneumatische Hilfsenergieversorgung

4.4.1 Bereitstellung und Verteilung

Zur Versorgung einer Automatisierungsanlage mit pneumatischer Hilfsenergie wird Druckluft benötigt. Diese Druckluft wird meistens durch Kolbenverdichter oder Schraubenverdichter erzeugt. Für beide Verdichtertypen hält die einschlägige Indu-strie eine umfangreiche Produktpalette bereit, wobei je nach Luftmengen- und Luft-druckbedarf die unterschiedlichsten Anforderungen zu realisieren sind. Für die Projek-tierung einer Anlage zur Bereitstellung und Verteilung der pneumatischen Hilfsenergie wird daher folgende Vorgehensweise empfohlen:

Schritt 1: Ermittlung des erforderlichen Bedarfes an pneumatischer Hilfsenergie (Druckluftmenge).

Dafür sind vom Projektierungsingenieur, ausgehend vom Nominalbetrieb (Normalbetrieb), für jeden Luftverbraucher, zum Beispiel pneumatischer Stellantrieb oder pneumatischer Arbeitszylinder, die erforderlichen Luft-mengen zu ermitteln, wozu jeweils die entsprechenden Herstellerunterla-gen auszuwerten sind. Die Summierung des Luftverbrauchs aller auf der Basis pneumatischer Hilfsenergie arbeitenden Automatisierungsmittel ergibt den Gesamtluftbedarf einer Automatisierungsanlage.

Schritt 2: Auswahl und Dimensionierung eines Drucklufterzeugers einschließlich eines geeigneten Druckminderers (Abströmregler).

Der Projektierungsingenieur soll bei der Auswahl und Dimensionierung eines Drucklufterzeugers ca.10% bis 20% Reserve bezüglich des ermit-telten Gesamtluftbedarfes berücksichtigen. Dabei kann generell davon ausgegangen werden, dass bei der Lufterzeugung ein Schraubenverdich-ter weniger Geräuschbelastung als ein Kolbenverdichter erzeugt. Vorteil-hafterweise ist der mittels Drucklufterzeuger realisierbare Primärdruck ca. 40% über dem in der Automatisierungsanlage benötigten Arbeitsdruck anzusetzen, wodurch a priori eine Reserve für die jeweils abgeforderten Luftmengen erzielt wird. Der gleichfalls benötigte Druckminderer muss den für die Automatisierungsanlage relevanten Arbeitsdruck gewährlei-sten und gleichzeitig auch die erforderliche Luftmenge bereitstellen, d. h. den erforderlichen Luftdurchsatz sichern.

Schritt 3: Auswahl und Dimensionierung von Luftspeicher, Ölabscheider und Luft-trockner (Kondenstrockner).

Je nach Durchsatz des für die Automatisierungsanlage ausgewählten Drucklufterzeugers sowie Anzahl der in der Automatisierungsanlage vor-handenen Automatisierungsmittel, die mit pneumatischer Hilfsenergie zu versorgen sind, wird die Größe von Druckluftspeicher, Ölabscheider, Kondenstrockner und Nassabscheider bestimmt.

Dieser Vorgehensweise entsprechend ist für die Drucklufterzeugung und -aufberei-tung die im Bild 4-7 dargestellte Anlagenstruktur zu planen.

Page 10: Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

188 4 Elektrische, pneumatische und hydraulische Hilfsenergieversorgung

Bild 4-7: Struktur einer Anlage zur Erzeugung und Verteilung von Druckluft (pneuma-tische Hilfsenergie)

4.4.2 Verknüpfung von pneumatischer sowie elektrischer Hilfsenergieversorgung

Die Verknüpfung von pneumatischer und elektrischer Hilfsenergie erfolgt in anschau-licher Form am Beispiel pneumatischer Stellventile, gilt aber auch in ähnlicher Weise für mit pneumatischer Hilfsenergie betriebene Stelleinrichtungen ereignisdiskreter Pro-zesse. Als wesentliches Automatisierungsmittel für diese Verknüpfung kommt das sogenannte Wegeventil (Bild 4-8) zum Einsatz. Das aus zwei Kammern bestehende Wegeventil wird mit dem binären elektrischen Einheitssignal 0/24 VDC gesteuert. Gleichzeitig ist es an die pneumatische Hilfsener-gie angeschlossen. Je nach Schaltzustand wird die pneumatische Hilfsenergie zum Stellungsregler durchgeschaltet oder im Ruhezustand, wie im Beispiel nach Bild 4-8 dargestellt, durch Entlüftung gegen Atmosphäre entspannt. Dazu sind pro Kammer drei Anschlüsse vorgesehen, woraus sich auch die Bezeichnung 3/2-Wegeventil ablei-tet. Sowohl bei analogem pneumatischen als auch analogem elektrischen Stellsignal soll mittels pneumatischem Membranstellantrieb jeweils ein Drosselstellglied betätigt werden. In ersterem Fall wird ein pneumatischer, im anderen Fall ein elektropneuma-tischer Stellungsregler benötigt. Sofern es sich bei dem analogen elektrischen Stell-signal um ein Einheitsstromsignal handelt, was in der gegenwärtigen verfahrenstech-nischen Praxis überwiegend der Fall ist, wird der elektropneumatische Stellungsregler als I/p-Stellungsregler ausgeführt und auch so bezeichnet.

Luftfilter Druckluft-erzeuger

Ölab-scheider

Kondens-trockner

Druckluft-speicher

Druckluft-verteiler

zu den Ver-brauchern

Nassab-scheider

Ableitung Kondens-wasser

Druck-minderer

Öl Kondenswasser

Page 11: Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

4.4 Pneumatische Hilfsenergieversorgung 189

Die durchgängig pneumatische Lösung (analoges pneumatisches Stellsignal mit pneumatischem Stellungsregler) wird heute im Wesentlichen nur noch angewendet, wenn sich die Stelleinrichtung im explosionsgefährdeten Bereich befindet und andere Explosionsschutzmaßnahmen wie z. B. Eigensicherheit152 im Vergleich zur durchgän-gig pneumatischen Lösung nicht kostengünstiger realisierbar sind.

Bild 4-8: Zur Verknüpfung von pneumatischer und elektrischer Hilfsenergie

Die Funktion des pneumatischen Arbeitszylinders als wesentlichem Aktor für ereignis-diskrete Prozesse basiert gleichfalls auf pneumatischer Hilfsenergie, wobei das pneu-matische Standardsignal von 6 bar verwendet wird. Die auch hier erforderliche Kop-plung von pneumatischer und elektrischer Hilfsenergie erfolgt, wie bereits erläutert, gleichfalls mittels Wegeventil. Im Bild 4-9 wird dieses Zusammenwirken aufgezeigt. Wie beim Beispiel der pneumatischen Stellventile wird auch hier das Wegeventil mit-tels der binären Einheitssignale 0/24 VDC beaufschlagt und damit die pneumatische Hilfsenergie zum Arbeitszylinder durchgeschaltet.

152 Erläuterungen zur Zündschutzart „Eigensicherheit“ siehe Abschnitt 5.3!

Stellventil mit pneumatischem Stellantrieb sowie pneumatischem Stellungsregler (bei analogem

pneumatischen Stellsignal) bzw. elektropneuma-tischem Stellungsregler (bei analogem elektri-

schen Stellsignal)

pneumatische Hilfsenergie (z. B. 3 bar)

elektrisches Binärsignal (0/24 VDC)

Stellsignal y (pneumatisch bzw. elektrisch)

pneumatischer bzw. elektro-

pneumatischer Stellungsregler

3/2 Wegeventil mit elek-tromagnetischer Verstell-einheit und mechanischer Rückstelleinheit (Feder)

Page 12: Projektierung von Automatisierungsanlagen || Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfsenergieversorgung

190 4 Elektrische, pneumatische und hydraulische Hilfsenergieversorgung

Bild 4-9: Pneumatischer Arbeitszylinder – binär angesteuert

4.5 Hydraulische Hilfsenergieversorgung Für die elektrische bzw. pneumatische Hilfsenergieversorgung sind normalerweise die zentrale Elektroenergieversorgung bzw. das zentrale Luftnetz verfügbar, so dass die-se Hilfsenergien effektiv und durchgängig in der Automatisierungsanlage bereitstehen. Hingegen wird die hydraulische Hilfsenergie in der Automatisierungsanlage im Allge-meinen dort bereitgestellt, wo die entsprechende Aktorik diese Hilfsenergie benötigt. Im Bild 4-10 wird anhand des dargestellten hydraulischen Grundkreislaufes das funk-tionelle Zusammenwirken der wesentlichen Hydraulikkomponenten erläutert. Eine im Allgemeinen mittels Drehstrommotor angetriebene Zahnradpumpe erzeugt den erforderlichen Ölstrom sowie Vordruck. Dabei wird das Hydrauliköl aus einem Ölbehälter (Wanne) über einen Filter angesaugt und der Vordruck mittels Druckbe-grenzungsventil konstant gehalten. Ein Öldruckspeicher sichert gleichfalls diesen kon-stanten Vordruck, indem er zum Beispiel gegen den Druck einer Feder oder eines Gaspolsters Hydrauliköl aufnimmt, welches er bei Auftreten entsprechender Ölver-brauchsspitzen mit dem jeweils erforderlichen Öldruck wieder abgibt. Das eingebaute Rückschlagventil sorgt dafür, dass bei nicht arbeitender Zahnradpumpe der Vordruck im hydraulischen Grundkreislauf erhalten bleibt (z. B. ist bei Nennlast am hydrauli-schen Arbeitszylinder mit einer Drift von ca. 5 mm/h zu rechnen [53]). Über das 4/2-Wegeventil fließt das Hydrauliköl wieder zurück in den Ölbehälter. Je nach Einsatzfeld der projektierten Hydraulikanlage sowie der ausgewählten hydraulischen Bauelemen-te sind in Ölkreisläufen Drücke von etwa 63 bar bis 320 bar üblich.

pneumatische Hilfsenergie (6 bar)

elektrisches Binär-signal (0/24 VDC)

Endlagen-sensor 1

Endlagen-sensor 2

5/2 Wegeventil mit elektromagnetischer Verstelleinheit und mechanischer Rück-stelleinheit (Feder)

pneumatischer Arbeitszylinder

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4.5 Hydraulische Hilfsenergieversorgung 191

Bild 4-10: Prinzip der Bereitstellung von hydraulischer Hilfsenergie

Ölbehälter

Filter

Zahnradpumpe

Öldruck-speicher

Rückschlagventil

Druckbegren-zungsventil

Endlagensensor 1

4/3 Wegeventil mit elek-tromagnetischer Ver-stelleinheit und mecha-nischer Rückstelleinheit (Rückstellfedern sind nicht mit dargestellt)

hydraulischer Arbeitszylinder

elektrische Binärsignale (0/24 VDC)

M

Endlagensensor 2