12
Prüfungsaufgabe zur Theorie und Methodik der Landschaftsplanung LV Nr. 854.104, WS 2009/2010 Planungsbeispiel Victor Civita Park (São Paulo) aus der Zeitschrift TOPOS 2009, Nr.67, S.48 Johannes Hinterberger , 9225676 (Abbildungen aus TOPOS, 2009, Nr.67, S.48)

Prüfungsaufgabe zur Theorie und Methodik der ... · Seins sich in einer Gesamtheit organisieren (DOSSE, Francois, 1996, Geschichte des Strukturalismus, Bd.1, S.10ff). Die Vielseitigkeit

Embed Size (px)

Citation preview

   

     

Prüfungsaufgabe zur Theorie und Methodik der Landschaftsplanung

LV Nr. 854.104, WS 2009/2010   

Planungsbeispiel Victor Civita Park (São Paulo) aus der Zeitschrift TOPOS 2009, Nr.67, S.48 

 Johannes Hinterberger , 9225676 

 

  

                                        (Abbildungen aus TOPOS, 2009, Nr.67, S.48)    

Prüfungsaufgabe zur Theorie und Methodik der Landschaftsplanung LV Nr. 854.104, WS 2009/2010 Johannes Hinterberger  9225676 

      Seite 2 von 8 

 Inhaltsverzeichnis   Teil A 1. Kurzcharakteristik zur strukturalistischen Theorie: „Das Reale, Imaginäre, Symbolische“   . . . . . .   3  Teil B 2. Bearbeitung des ausgewählten Artikels. Das Reale: Kurze Inhaltsangabe  . . . . . . . 4  3. Das Imaginäre: Planerische Leitbilder benennen und landschaftsplanerisch interpretieren    . . . . . . .  5  4. Symbolische Ordnung (Werthaltung) beschreiben und kritisch am Realen des Projekts prüfen . . . . . . .  6  5. Eigene Einschätzung des Projekts    . . . . . . .  7   ANHANG  Original Text und Abbildungen des Projekts aus der Zeitschrift TOPOS 2009, Nr.67, S.48     

Prüfungsaufgabe zur Theorie und Methodik der Landschaftsplanung LV Nr. 854.104, WS 2009/2010 Johannes Hinterberger  9225676 

      Seite 3 von 8 

Landschaftsplanerische Bestimmung des Realen, Imaginären und Symbolischen in Planungsprojekten  Teil A,   1. Kurzcharakteristik zur strukturalistischen Theorie: „Das Reale, Imaginäre, Symbolische“; „Der Strukturalismus ist keine Methode, er ist das erwachte und unruhige Bewusstsein des modernen Wissens“ (FOUCAULT, Michel, Die Ordnung der Dinge, S.260).  Die strukturalistische Landschaftsplanung untersucht Bau‐ und Freiraumstrukturen, sowie die Landnutzung im Kontext sozialer, ökonomischer und kultureller Organisation. Dabei werden bei der Analyse von Bau‐ und Freiraumstrukturen nicht nur einzelne Elemente auf ihre eigentliche Bedeutung hin untersucht, sondern im weiteren Zusammenhang, durch ihre An‐Ordnung eingeschriebene, planerische Leitbilder ermittelt.  Diese planerischen Leitbilder entsprechen Argumentationsmustern die als städtebauliche, grünplanerische, naturschützerische Leitbilder, aber auch als ökonomische Leitbilder und Lebensentwürfe, sowie als soziale und kulturelle Leitbilder in Erscheinung treten können.  Die dadurch erfassbare symbolische Ordnung, die eine bewusste oder unbewusste Werthaltung, oder gesellschaftliche Normen sichtbar macht, verdeutlicht z.B. die Organisation von Geschlecht, Machtorganisation/Autonomie, Arbeit/Natur oder Fortschrittsideologie (VO‐HANDOUT 2009, Strukturalistische Landschaftsplanung). 

Das Verstehen der Zusammenhänge zwischen Elementen von Bau‐ und Freiraumstrukturen, planerischen Leitbildern und der daraus lesbaren symbolischen Ordnung erfolgt über Anleihen der strukturalistischen Theorie, die dafür die Begriffe „das Reale, das Imaginäre, das Symbolische“ anwendet. Der Strukturalismus, der sich dem Unbewussten, der Kehrseite des manifesten Sinnes zuwendet, ist auf die Linguistik zurückzuführen und war zum Teil für die Soziologie richtungsweisend. Ausgehend von der architektonischen Bedeutung des Begriffs Struktur, der Bedeutung der Art und Weise wie ein Gebäude gebaut ist, wird der Begriff im Sinn einer Konstruktion des menschlichen Körpers bzw. im weiteren Sinn als die Konstruktion der Sprache weitergetragen. Die Struktur hat so den Sinn einer Beschreibung der Art und Weise bekommen, wie die Teile eines konkreten Seins sich in einer Gesamtheit organisieren (DOSSE, Francois, 1996, Geschichte des Strukturalismus, Bd.1, S.10ff). Die Vielseitigkeit der Anwendung des Strukturalismus machte es z.B. auch in der Psychoanalyse möglich, einen Gegenpol zur funktionellen Psychologie herzustellen, doch der wirkliche Ausgangspunkt des strukturalistischen Verfahrens liegt in der Entwicklung der Sprachwissenschaft. „In Wirklichkeit gibt es keine Struktur außerhalb dessen, was Sprache ist“ (DELEUZE, Gilles, 1992, Woran erkennt man den Strukturalismus?). Aus historischer Sicht ist davon auszugehen, dass sich die Begriffe der Struktur und Strukturalismus durch die Moskauer Schule und die Prager Schule (Trubetzkoy und Jakobson) gebildet haben.  Der Strukturalismus dient manchen Wissenschaften wie der Linguistik, der Soziologie, der Anthropologie oder der Psychologie als Mittel sich mit einem wissenschaftlichen Modell auszustatten. Der Strukturalismus dient gleichermaßen als Koine („Standard“ ) für den Austausch unterschiedlicher Fachbereiche, als Initiator für Dialog und Forschung, als auch um Nachbardisziplinen Aufmerksamkeit zu schenken (z.B. dem Feld der Landschaftsplanung). Die Begriffe des „Realen, Imaginären und Symbolischen“, können als Pendants im psychoanalytischen Kontext mit Sigmund Freuds Begriffen „ES, ICH und ÜBER‐ICH“ verstanden werden.   Aus dem Verständnis der strukturalistischen Verkettung der Begriffe des Realen, des Imaginären und des Symbolischen, sollen z.B. bei Analysen und planerischen Herausforderungen Werthaltungen ableitbar werden, die Projekten z.B. im Bereich der Landschaftsplanung oder Landschaftsarchitektur eingeschrieben sein können. Über den Weg der Erfassung des „Realen“ und „Imaginären“, denen in dieser Reihenfolge die Bau‐ und Freiraumstruktur, sowie die planerischen Leitbilder entsprechen, kann das Symbolische bzw. die Symbolische Ordnung mit ihren eingeschriebenen Werthaltungen wie z.B. Autonomie, Freiheit oder Macht ermittelt werden. In umgekehrter Abfolge strukturiert das Symbolische das Reale und Imaginäre.    

Prüfungsaufgabe zur Theorie und Methodik der Landschaftsplanung LV Nr. 854.104, WS 2009/2010 Johannes Hinterberger  9225676 

      Seite 4 von 8 

Teil B:   2. Bearbeitung des ausgewählten Artikels. Das Reale: Kurze Inhaltsangabe  Analog zur Aufnahme der Bebauung einer Parzelle bzw. den Elementen materieller Ausstattung oder Zonen unterschiedlicher Nutzung, die auf einer Parzelle gefunden werden können, lässt sich „das Reale“ im hier untersuchten Projekt wie folgt beschreiben (Abbildungen und Original‐Text im Anhang).  Auf einer ehemals abfallwirtschaftlich genutzten Parzelle mit etwa rechteckigem Grundriss, bildet ein breiter, begehbarer  Holzsteg eine diagonale Wegeverbindung über die Gesamtfläche. Dieser Holzsteg entkoppelt die PassantInnen vom darunter liegenden, kontaminierten Boden. Er stellt eine Achse entlang wechselseitigen sich nach außen erweiternden Nutzflächen dar, wodurch sich dieser diagonal verlaufende Weg zu einer größeren, flächenmäßig zusammenhängenden Plattform ausdehnt. In unterschiedlichen Abständen entlang dieses Wegeverlaufs finden sich auf gleicher Ausgangsbauhöhe nivelliert ein Amphitheater, sowie beschattete Rast‐, Beobachtungs‐ und Spielzonen.   Auskragende Plattform‐Flächen ermöglichen einen Ausblick auf einen Baumgarten am Parzellenboden und darüber hinaus auf das benachbarte Stadtquartier. Sie bieten zudem Einblicke auf gleich hoch nivellierte Nutzpflanzen‐Beete, die vom Parzellenboden physisch und ökologisch entkoppelt sind („Tec‐Garden“). Direkte, natürliche Beregnung und zusätzliche Bewässerung, sowie Sammel‐ und Rückhaltebehälter für das Oberflächenwasser des Stegs, stellen die Wasserversorgung für diese, vom gewachsenen Boden isolierten  Beete her. Diese Beete sind mit unterschiedlichen, landwirtschaftlichen Nutzpflanzen ausgestattet, sowie mit Pflanzen‐Arten, wie sie bei einer Bodendekontaminierung Anwendung finden können. Ein Teil der Bepflanzung wird über ein Hydrokultur‐System versorgt.  Die Grundform und relative Lage dieser Beete entspricht schmalen, im Stegverlauf aneinandergereihten Bepflanzungsstreifen ohne öffentlichem Zugang. In ähnlicher Anordnung und pflanzlicher Ausstattung finden sich Beet‐ und Wiesen‐Streifen außerhalb der hölzernen Plattform, in direkter Verbindung mit dem kontaminierten Boden der Parzelle.  Informationstafeln geben BesucherInnen Auskunft über die Art der Bepflanzung bzw. über ihren funktionellen Gebrauch im Bereich der Bodenreinigung.  Am westlichen Rand der Parzelle, außerhalb der Steg‐Plattform, befindet sich ein verbliebenes Gebäude der ehemaligen Müllverbrennungsanlage, das als Nachhaltigkeits‐Museum genutzt wird. Am gegenüberliegenden östlichen Parzellen‐Rand, ist ein Versammlungsort für ältere Menschen situiert ‐ „Senior‐Center“, welches in direkter Verbindung mit der Plattform steht.  Zusätzlich erweitert sich der diagonal verlaufende Steg am Angelpunkt „Amphitheater“ zu einem überdachten Pavillon mit gegenüberliegender Tribüne bzw. Sitzstufen.     

Prüfungsaufgabe zur Theorie und Methodik der Landschaftsplanung LV Nr. 854.104, WS 2009/2010 Johannes Hinterberger  9225676 

      Seite 5 von 8 

3. Das Imaginäre: Planerische Leitbilder benennen und landschaftsplanerisch interpretieren durch Vergleich mit Alltag von NutzerInnen, BewohnerInnen  a) Planerisches Leitbild „Das Museum (mit Labor)“ Ein Teil der Einrichtungen, die sich auf der ehemals abfallwirtschaftlich genutzten Parzelle befinden, können dem planerischen Leitbild des Museums mit Labor entsprechen. Zunächst wird dies vordergründig durch das Nachhaltigkeitsmuseum im Gebäude der ehemaligen Müllverbrennungsanlage sichtbar. Andererseits können die Bau‐ und Freiraumstrukturen der hölzernen Plattform zusätzlich als erweiterter Wirkungsbereich für Museumsaktivitäten betrachtet und genützt werden. Hierbei führt der Weg bzw. Steg direkt aus dem Museum hinaus, in die „Gärten“ und „Ackerflächen“, die demonstrativ eine Phase des Vorgangs biologischer Bodenreinigung anschaulich machen sollen. 

Anmerkung: Durch die Überlagerung von Zonen des öffentlichen Bereichs mit jenen der außenliegenden Museums‐Zonen, wird einerseits die Gelegenheit der Umwelterziehung im öffentlichen Bereich unterstützt, andererseits ergibt sich durch diese Überlappung eine Verschneidung des Museums‐„Außenhauses“ mit dem öffentlichen Freiraum.  Dadurch wird das Museum ein Teil der Alltagserfahrung von PassantInnen, wenn sie die Parzelle bzw. den Steg, die Plattform nur zum Queren im Sinne kurzer Wege nutzen.  b) Planerisches Leitbild „Die Brücke“ Die Lage des Stegs, der die Parzelle in ihrer Diagonalen in gesamter Länge teilt, ermöglicht eine kurze fußläufige Verbindung zwischen den nördlich und südlich angrenzenden, öffentlichen Verkehrsflächen. Durch den diagonalen Wegeverlauf ist die Querung der Parzelle ‐ zumindest in einer bevorzugten Richtung ‐ im Sinn kurzer Wege möglich. Der Steg bzw. die Plattform besitzen durch ihre Konstruktion und funktionelle Intention die verbindende Eigenschaft zwischen Freiraum‐Knotenpunkten außerhalb der Parzelle, ohne Zugang zu darunterliegenden Freiraumstrukturen, zum kontaminierten Parzellenboden. Gleichzeitig ist der Steg Teil einer An‐Ordnung, die seine Funktion der räumlichen Trennung bzw. Isolation vom Kontext der umgebenden und darunterliegenden Parzelle unterstreicht.  Die Brücke kann sowohl Verkehrsfläche für Fußgänger, als auch Aussichtspunkt, oder Ort des Spielens und Erholens unter schattigen Bäumen sein. All dies kann die Bewältigung des Alltags oder soziales Handeln unterschiedlicher NutzerInnen unterstützen.  c) Planerisches Leitbild: „Der Acker“ Die streifenförmige Anlage der Beete stellt in ihrer Grundform Ackerflächen als Streifenfluren landwirtschaftlicher Bewirtschaftung dar, allerdings in kleinem Maßstab. Die vorgesehene Bewässerung über Sammelbehälter des Steg‐Oberflächenwassers soll einen autonomen Erhalt der Lebensgrundlage für jene Pflanzen ermöglichen, die sich in einem vom gewachsenen Boden isolierten Beet befinden. Die Unabhängigkeit in der Wasserversorgung wird jedoch von offenbar verlegten Bewässerungsschläuchen unterbrochen. Die „Äcker“ sind durch PassantInnen nicht begehbar bzw. betreubar. Es sind dies lediglich Schau‐Äcker, deren Bepflanzung z.B. der Wissensvermittlung über die Lebensweise und den Einsatzzweck im Bereich der Bodenreinigung dienen soll (siehe planerisches Leitbild a) „Museum / Labor“).    

Prüfungsaufgabe zur Theorie und Methodik der Landschaftsplanung LV Nr. 854.104, WS 2009/2010 Johannes Hinterberger  9225676 

      Seite 6 von 8 

4. Symbolische Ordnung (Werthaltung) beschreiben und kritisch am Realen des Projekts prüfen  Die Symbolische Ordnung strukturiert das Imaginäre und das Reale.  Es ist hier in umgekehrter Reihenfolge zu versuchen, anhand der vorgefundenen Komponenten des „Realen“ und anhand erkennbarer Leitbilder des „Imaginären“, die symbolische Ordnung des untersuchten Projekts und daraus ableitbare Werthaltungen festzustellen. Dabei kann die An‐Ordnung von Elementen der Bau‐ und Freiraumstruktur auf der Parzelle bzw. deren relative Lage zueinander, sowie deren Nutzbarkeit durch unterschiedliche NutzerInnen jeweils ein Indiz sein, wie die Symbolische Ordnung vor Ort verstanden werden kann und wie sie den Ort strukturiert.  (Pro‐)Sozialität: Verantwortung, Vergebung, Demut Wie bereits in Punkt 3 angemerkt, erfolgt eine Überschneidung des öffentlichen Freiraums mit dem „Außenhaus“ des Nachhaltigkeits‐Museums. Es scheint hier ein Vergleich, ein Pendant möglich: Die Anordnung des privaten Freiraums auf einer Parzelle – z.B. ein privat verfügbarer Obstgarten – im Verhältnis zu einer angrenzenden öffentlichen Verkehrsfläche. Die öffentliche Verfügbarkeit über die „privaten“ Beete im untersuchten Projekt, ist nicht gegeben.  Lediglich der Einblick in einen Bewältigungsprozess der Dekontaminierung ist gewährt. Es bleibt beim „sich vor Augen führen lassen“, wie in kleinen Schritten die vom Menschen, von der Gesellschaft zugelassene und verursachte Kontamination abgebaut werden könnte. Es liegen Ackerflächen vor, die weder in der Absicht des Ernährens begründet sind, noch die Kapazität aufweisen, eine flächendeckende und in die Tiefe des Kontaminierungseintrags vordringende, biologische Bodenreinigung vornehmen zu können.  Das hier imaginierte Gesamtkonzept eines „Labors“ im Wirkungsbreich des Museums, demonstriert wie beinahe aussichtslos, in kleinen Schritten eine Wiedergutmachung durch Dekontamination möglich zu sein scheint und will über den dargestellten Ausweg vorgeführter Nachhaltigkeit bzw. „Krisen‐PR“ oder „Risikokommunikation“ die PassantInnen auf das Erkennen der Schwere des vergangenen, gesellschaftlichen Handelns sensibilisieren. NutzerInnen werden durch die räumlich distanzierte Anordnung bzw. Trennung der Plattform vom „Opfer“, dem kontaminierten Boden der Parzelle, isoliert. Reste der Müllverbrennungsanlage ‐ „Incinerator“ ‐ stehen  gleichsam einem Mahnmal auf der neu gestalteten Parzelle in Form eines Nachhaltigkeits‐Museums. Das Museum gleicht zudem einem Versammlungsort für das Zelebrieren gemeinsamer Demut gegenüber vergangener Verfehlungen im Umgang mit der lebenserhaltenden und zu schützenden Natur. Zugleich sollte dieser Ort Initialerlebnisse zu mehr Umweltbewusstsein zulassen können.  Die Abstraktion in der Umsetzung der lokalen „Vergangenheitsbewältigung“ mahnt die NutzerInnen vor Ort, das sichere Deck der Plattform nicht zu verlassen. Das bewusste „auf Distanz halten“ der BesucherInnen vom offenbar stark belasteten Parzellenboden, erweckt den Anschein, dass hier gegenüber dem gewachsenen und devastierten Boden das Gebot der Demut herrscht, anstelle zur Tat zu schreiten. Der Gesellschaft vor Ort scheint das Vertrauen entzogen, im Stande zu sein, den Boden retten bzw. weiteren zukünftigen Schaden vermeiden zu können. So wird durch die geplante Ausgrenzung eine gesellschaftliche Handlungsbefugnis bereits im Vorhaben unmöglich gemacht und wie auf der Reise an Deck eines Schiffs das Unberührbare und Ungewisse überbrückt.  Das Amphitheater, an einem Angelpunkt der gestalteten Parzelle, gleicht im Kontext der bisher betrachteten Symbolischen Ordnung einem Unterhaltungspavillon eines Nachhaltigkeitskreuzers, allerdings stellt sich die Frage, was wird hier gefeiert? Die Fahrt ins Ungewisse?    

Prüfungsaufgabe zur Theorie und Methodik der Landschaftsplanung LV Nr. 854.104, WS 2009/2010 Johannes Hinterberger  9225676 

      Seite 7 von 8 

5. Eigene Einschätzung des Projekts  Freie Parzellen in dicht besiedelten und wachsenden Städten wie Sao Paulo stehen unter einem großen Nutzungsdruck. Dabei scheint eine Katastrophe wie die Kontamination des Bodens der betroffenen Parzelle die Chance auf eine Nachnutzung als Freiraum gestärkt zu haben, auf die ich hier in weiterer Folge kritisch eingehen möchte.  Die Integration des diagonal querenden Stegs zwecks Parzellenüberbrückung, ermöglicht innerhalb des Quartiers alltägliche Wege z.B. zur Arbeitsstelle, für Besorgungen, zur Erschließung weiterer Freiräume etc. zu unterstützen. Dieser Weg oder die verschiedenen Aufenthalts‐ oder Spielbereiche entlang der Plattform, führen entlang Versuchsgärten oder Schau‐Äcker, die sich offenbar der Demonstration wissenschaftlicher Aufarbeitung des Themas Kontamination widmen. Die Assoziation des gebauten Projekts mit dem Leitbild „Museum“ bzw. „Labor“ kann damit begründet werden, dass die Unzugänglichkeit der Ackerflächen den Eindruck von nicht zu störenden Versuchsflächen vermitteln. Nur die Beobachtung „von außen“ wird toleriert.  Differenzierte Betrachtung: Die allgemeine, „verordnete“ Distanzierung von der bestehenden Boden‐Kontamination durch eine Überbrückung mittels einer hölzernen Plattform, erweckt den Eindruck und die Interpretation, dass die bewusste Ausgrenzung einer planerischen Annäherung an ein Mahnmal gleicht.  Ähnlich den Ursachen für die Präsenz mancher Monumente, die z.B. aufgrund menschlich herbeigeführter Katastrophen errichtet worden sind und an eine nicht mehr rückgängig machbare Zerstörung menschlichen Lebens erinnern, sowie an die Vermeidung zukünftiger Handlungen dieser Art ermahnen.  So stellt sich für mich ebenso eine Interpretation des Konzepts bzw. der Intention der Platzgestaltung dar.  Meine Kritik an der Gestaltung dieses Platzes richtet sich an jene Vorgehensweise, die statt der Aufarbeitung des kontaminierten Bodens, dessen lebensgefährliche Konsistenz zwar mit hoher Anstrengung und großem finanziellem Aufwand aber dennoch beseitigt werden könnte, ein Schaugarten auf Distanz entstanden ist. 

 Mehr als die Erscheinung des Leitbilds „Museum“, als Möglichkeit zur Bildung von Umweltbewusstsein, drängt sich in einer weiteren Interpretation des Bebauungskonzepts, das Leitbild des „Friedhofs“ auf. Die Wahrhaftigkeit des verseuchten Bodens gelangt in das Reich des Unberührbaren, des Unsichtbaren, so als gäbe es keine Aussicht auf eine Wiederkehr.  Das Durchschreiten der Parzelle, der Besuch des Nachhaltigkeits‐Museums oder der Aufenthalt unter „überlebenden“ Bäumen, ruft durch Blickfenster auf Dekontaminationsversuchsstellen – die teilweise nicht einmal am tatsächlich verseuchten Boden stattfinden – das Erleben einer letzten Ruhestätte einer städtischen Parzelle in Erinnerung. Beim Begehen des Holzdecks, dringt dessen besondere Akustik bei jedem Schritt wahrscheinlich zusätzlich in die Vorstellung der NutzerInnen, die den Eindruck verstärkt, über Verborgenes hinweg zu schreiten.  Die stete Präsenz und Demonstration einer beinahen Chancenlosigkeit bei der Behandlung kontaminierter Böden, sehe ich durch das Festhalten an einem nicht weiter betriebenen Zwischenstadium in der Schadensbehebung, im Prinzip den Prozess einer „Bestrafung“, der zugleich die Demut der PassantInnen einfordert. Die Ankopplung eines Nachhaltigkeitsmuseums und „Labor‐Äcker“ an die „Brücke“ bedient sich somit der kontaminierten Parzelle als markanten Aufhänger für eine „Krisen‐PR“ oder „Risikokommunikation“ ohne beispielhafte Bewältigung der antizipierten Krise, nach dem Motto „Wiedergutmachung ist unmöglich“.    

Prüfungsaufgabe zur Theorie und Methodik der Landschaftsplanung LV Nr. 854.104, WS 2009/2010 Johannes Hinterberger  9225676 

      Seite 8 von 8 

ANHANG Grundriss des Victor Civita Parks in São Paulo:                        Ansicht des Parks in Süd‐Ost‐Richtung:   

10 m 

artignoni

:TOR (IVITA PARK, ao Paulo ign concept for the reclama ion of a brownfield site

whole park, including paths and planting, above the

inated soil and creates a new level of use for visitors

lew level of understanding of transformation processes.

~~ 6i rV

.gAG /PAULO ~. ~ gI

48

s

The main element 01 Victor Civita Park is a large deck of recycled certified 8razilian

wood which covers the contaminated soil of the former brownfield site. The new plar

the deck are built on top of aseries 01 "tec-gardens" that retain rainwater.

49

Jden platform crosses the park site diagonally and creates public rooms that overlook

lted areas. At the entrance of the site (on the left) most of the existing trees were re­

to form a grove that contrasts with the architectural deck.

Cl n

Victor Civita Park in Säo Paulo illustrates two issues: the transfor­

mation of an urban brownfield site and the implementation of a

project financed by public-private partnership - the City Govern­

ment and one of the largest publishing houses in Brazil. BI' request of the

architects the architectural and landscape commissions were included in

the terms of the contracl. This ensured that the proposals by the team of

architects and the landscape architect consultant were coordinated and

could be built without any significant amendments to the design layout or

construction details.

The conceptual design is based on the utilization of a large deck of

recycled certified Brazilian hardwood that "f1oats" above the contaminat­

ed soil of the site. This platform creates a main linear path that crosses the

site diagonally. A central space va ries in size and form to generate second­

ary paths and overlook urban rooms that invite public use. The selection

of timber as the main material was aresponse to the decision to go for a

dry-building process and a nature-related look, which would vary over

time; with no finishing treatment, the wood is expected to change color

and appearance over the years, emulating natural processes.

The horizontal wo oden planes fold up into vertical planes at the edges

of the platform and become both fences and exhibition panels. These ver­

tical planes separate the paths and planted areas, some of which are pIant­

ed with native groundcovers and others with crops and edible species.

The supporting structure of the wooden deck, whose main purpose is

to keep it at least one meter above the original topography, is made of re­

cycled sted. The lines and general shape of the metal mesh which supports

the horizontal and vertical wood planks, are reminiscent of the frame of a

ship. At certain points in the park, this structure is intentionally exposee!

to view, reminding visitors of the former condition of the site and making

them aware of the uses it now offers after its transformation.

Completing the thematic concept of the park, which focuses on sus­

tainable renovation processes and techniques, some of the rainwater co1­

lection tanks that were built underneath the new planters are also exhib­

ited and their purpose explained in detail to visitors.

In these "tec-gardens" the top soil and plants are suspended above the

site by use of an elevated f100r system with slate panels. The panels are per­

forated to support a number of plastic pipes filled with coconut fiber;

excess rainwater that was not laken up by the plants is collected underneath __ <I them and eventuallI' reaches the roots through capillarity.

Using formal and technical details, this project offers a place that seeks

to help people understand the transformation process of abandoned and

formerlI' hazardous sites. Todal', Victor Civita Park and its museum in the

renovated incinerator building represent a delightful respite within the

most populated city of South America.~.5

50

At the edges of the platform the wooden planes fold up and become fences, exhibition!

and shelters for seating. The hardwood used is very dense and does not need to be trea

against decay. The supporting structure of the platform is made of recycled steel.

51