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Prof. Dr. med. Ines Kappstein Krankenhaushygiene Kliniken Südostbayern AG Klinikum Traunstein Cuno-Niggl-Str. 3 83278 Traunstein E-Mail: [email protected] Internet: www.kliniken-suedostbayern.de Prävention nosokomialer Infektionen Sinnvolle und unsinnige Hygienemaßnahmen im OP und auf der Intensivstation

Prävention nosokomialer Infektionen - dbknb.dedbknb.de/dbk/ai/weiterbildung/anasthesie-stammtisch/stammtisch-2010/K... · Meist unbewiesen und unreflektiert, aber streng verteidigt

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Prof. Dr. med. Ines Kappstein

KrankenhaushygieneKliniken Südostbayern AGKlinikum TraunsteinCuno-Niggl-Str. 383278 Traunstein

E-Mail: [email protected]: www.kliniken-suedostbayern.de

Prävention nosokomialer Infektionen Sinnvolle und unsinnige Hygienemaßnahmen

im OP und auf der Intensivstation

Infektionspräventionim OP

Unabhängig vom Fachgebiet

©

Prof. Dr. med. Ines Kappstein, Krankenhaushygiene

KRINKO: 2000 und 2007 → www.rki.deCDC/HICPAC: 1999 → http://www.cdc.gov/hicpac/pubs.html

Infektionsprävention im OP Rituals in the operating room:

are they necessary?1)

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Meist unbewiesen und unreflektiert, aber streng verteidigt

Definiert und unterscheidet ‚uns‘

und ‚die anderen‘

‚That‘s the way we‘ve always done it‘- Syndrom

1) EJ Quebbeman: Infect

Dis Clin

Pract

1996; 5 (Suppl. 2): S 68

Bereichskleidung Mythen und Fakten1)

Sinn–

früher: keine Straßenkleidung

heute: saubere Kleidung unter sterilem Kittel

Anziehen–

vor Betreten der OP-Abteilung

zusätzliche persönliche Kleidung(kurzärmelig) darunter

Umkleiden–

nach (sichtbarer) Verunreinigung

Ausziehen–

vor Verlassen der OP-Abteilung

nicht: vor Wechsel in Aufwachraum©

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1) nicht ‚evidence-based‘

Infektionsprävention ? Masken und Bereichsschuhe

Maske1)

vor Betreten des OP-Saales–

nach OP entsorgen oder zwischen kurzen OPs anlassen

nicht am Hals hängend tragen•

Bereichsschuhe–

Grund: Arbeitssicherheit, nicht Infektionsschutz für Patienten

maschinelle Reinigung

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1) nicht ‚evidence-based‘

Postoperative Wundinfektionen Erregerreservoir ‚Umgebung‘

Flächen und Geräte–

kein Kontakt mit OP-Situs:→ Asepsis

(desinfizierende) Reinigung

Luft–

nicht relevant: selbst bei Gelenk-Implantation

Luftkeimzahl: je nach Zahl undAktivität des OP-Personals

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Infektionsprävention im OP Keine Evidenz/Rituale vs. Evidenz/Plausibilität

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Keine Evidenz Bereichskleidung, Maske, Kopfschutz, Schmuck-/Piercingverbot, OP-Schuhe (→ Linie)Maske/Kopfschutz für PatientenRoutinemäßige FlächendesinfektionWartezeit nach septischen OPs oder bei MRERLT-Anlagen

Evidenz/ Chirurg. Händedesinfektion, sterile HandschuhePlausibilität Kein Schmuck an Händen/U`armen, kein Nagellack

Kopfschutz für OP-TeamKeine Rasur im OP-Feld am VortagPräoperative

Hautdesinfektion

Sterile Instrumente, Kittel, AbdecktücherPerioperative

Antibiotika-Prophylaxe

‚Hygiene‘-Maßnahmen im OP

Ursache von Wundinfektionen Konventionelle Sicht von Chirurgen

Schuld ist immer der Anästhesist, weil ...

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, ... er in ‚grün‘

in den Aufwachraum geht.

InfektionspräventionAnästhesie und Intensivmedizin

Standardhygiene

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Händehygiene

Händewaschen•

Händedesinfektion

Schutzhandschuhe•

Hautpflege

Stellen, die häufig nicht ausreichend berücksichtigt werden

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WHO-Projekt:

‚Clean care

is

safer

care‘

Händehygiene-Broschüre

www.klinikum-traunstein.de(> Medizin > Krankenhaushygiene)

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WHO-Empfehlungen Händedesinfektion

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Standardmaßnahmen Sezernierende Wunden

Händehygiene–

Händedesinfektion

Schutzhandschuhe

Keine Hand-Gesichtskontakte–

vor Händehygiene

während der Patientenversorgung

Schutzkleidung–

Verunreinigung der Arbeitskleidung möglich

Schürze fast immer adäquat–

langärmeliger Kittel meist nicht erforderlich

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Standardmaßnahmen Respiratorisch übertragbare Erreger

Händehygiene–

Händedesinfektion

Schutzhandschuhe

Keine Hand-Gesichtskontakte–

vor Händehygiene

während der Patientenversorgung

Mund-Nasenschutz–

chirurgische Maske

bei engem Kontakt (~ 1 m vis-à-vis)©

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Standardmaßnahmen Gastrointestinale Infektionen

Patientenzimmer–

Einzelzimmer/Kohorte

Händehygiene–

Händedesinfektion

Schutzhandschuhe•

Keine Hand-Gesichtskontakte–

vor Händehygiene

während der Patientenversorgung•

Schutzkleidung–

Verunreinigung der Arbeitskleidung möglich

Schürze meist adäquat–

langärmeliger Kittel häufig nicht erforderlich

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Standardmaßnahmen Flächenkontamination

Flächenreinigung–

Ziel: Sauberkeit

z.B. Essensreste, Staub•

Flächendesinfektion–

Patientenmaterial, z.B. Blut

desinfizierende Reinigung–

keine Einwirkzeit, d.h. nach Abtrocknen wieder benutzbar

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InfektionspräventionAnästhesie und Intensivmedizin

Pneumonie

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KRINKO: 2000 → www.rki.deCDC/HICPAC: 2003 → http://www.cdc.gov/hicpac/pubs.html

Pneumonieprävention Narkosesystem

Schläuche–

HME nach jedem Patienten

Schlauchsystem alle 4 Wochen–

KRINKO: 1x/Tag (Kategorie II)

Bakterienfilter nicht erforderlich

Narkosegerät–

keine Desinfektion im Inneren

Ventile und CO2

-Absorber nach Herstellerangaben desinfizieren

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Pneumonieprävention Umgang mit Beatmungszubehör

Kontaminationsfreie Handhabung–

Händedesinfektion vor und nach Kontakt

Schutzhandschuhe anziehen vor•

möglichem Kontakt mit RS

Tracheostomapflege•

Entfernen von Kondenswasser

und anschließend wieder ausziehen

Sichere Aufbereitung–

RDG (spezielle Einsätze für Faltenschläuche)

keine Restfeuchte (ggf. Trockenschrank)–

staubfrei und trocken aufbewahren

Beatmungsbeutel ebenso

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Pneumonieprävention Beatmungsschlauchsystem

Wechselintervall–

früher:

alle 48 h

vor ca. 10 Jahren: alle 7 Tage–

heute: gesamte Beatmungsdauer bzw. z.B. bei Verschmutzung

Ausstattung–

bakteriendichte Filter und beheizbare Schläuche→ nicht erforderlich

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Pneumonieprävention Offenes endotracheales Absaugen

Aseptisches Vorgehen–

sterile Lösungen zum Anspülen bei zähem Sekret

Handschuhe (nicht steril, einzeln verpackt: Papier als Unterlage)

Absaugvorgang–

wiederholtes Einführen des Katheters möglich, zum Schluss NRR absaugen

Katheter nicht über die Augen wegführen•

Sekretauffangbehälter–

Verbindungsschlauch zum Auffangbehälter mit Leitungswasser durchspülen

1 x täglich wechseln

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Pneumonieprävention Endotracheales Absaugen mit

geschlossenem System

Umgebungskontamination–

geringer als beim offenen Absaugen (auch Hände)

insbesondere sinnvoll bei multiresi- stenten

Erregern oder Tuberkulose

Wechsel–

solange optisch und funktionell einwandfrei, kein Wechsel nötig

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Pneumonieprävention Passive Befeuchtung der Atemgase

Heat-and-moisture Exchanger (HME)–

sog. künstliche Nasen (Klimatisierungsfilter)

Kondenswasserbildung–

gering bis gar nicht

Wechsel–

1 x pro Woche

Bakteriendichte Filter–

nicht erforderlich

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Pneumonieprävention Aktive Befeuchtung der Atemgase

Kaskadentöpfe–

nur mit sterilem Wasser befüllen

keine Aerosolbildung (i.Ggs.z. Verneblern)

Kondenswasser–

Bildung unvermeidlich wegen Temperaturdifferenz

nicht bei beheizbaren Schläuchen–

immer kontaminierte Flüssigkeit (> 105/mL nach 24-48 h)

Wasserfalle regelmäßig entleeren und Schutzhand- schuhe

verwenden

Rückfluss zum Patienten vermeiden (z.B. Umlagern)

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Pneumonieprävention Tracheostoma

Eingriff unter aseptischen Bedingungen, aber nicht unbedingt im OP

Verbandswechsel mit No-Touch-Technik•

Wundränder sauber und trocken halten (Wunde immer kolonisiert)

Händedesinfektion/Schutzhandschuhe bei Manipulationen an Tracheostoma

bzw. Trachealkanüle

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InfektionspräventionAnästhesie und Intensivmedizin

Katheter-assoziierte Sepsis

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KRINKO: 2002 → www.rki.deCDC/HICPAC: 2002 → http://www.cdc.gov/hicpac/pubs.html

Anlage intravasaler Katheter Konsequente Asepsis

Händedesinfektion gesamte Haut der HändeHautdesinfektion großflächig (30 –

60 sec)

Haarentfernung nicht erforderlichHandschuhe unsteril

bei peripheren Kathetern

steril

bei zentralen KatheternAseptische Punktion ggf. neuer KatheterFixierung des Katheters punktionsnah keine unsterilen

PflasterstreifenTrockener Verband transparente Folie, Mullkompresse

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ZVK-Verbandswechsel No-Touch-Technik

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No-Touch-Technik Kein direkter Handkontakt mit Wunden

Händedesinfektion–

adäquat z.B. bei trockenen Wunden

Anfassen von Verbandsmaterial (Ecken, Oberseite) möglich

Schutzhandschuhe–

zusätzlich zur HD bei feuchten Wunden (bzw. möglichem Blutkontakt)

Sterile Instrumente–

Händedesinfektion, ggf. Schutzhandschuhe

Kontakt mit Wunden und Verbandsmaterial nur via Instrumente

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Periphere Venenkatheter Verband

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Katheter-assoziierte Sepsis Kolonisation des Katheters

Adhäsion von Erregern am Katheter

Einbettung in Biofilm mit Schutz vor–

körpereigener Abwehr

Antibiotika

Freisetzung der Erreger aus Biofilm

Streuung ins Blut

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Intravasale Katheter Kolonisierung

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Empfehlungender Kommission für

Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO)

beim RKIwww.rki.de

> Infektionsschutz > Krankenhaushygiene> Empfehlungen der Kommission für

Krankenhaushygiene

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KRINKO-Empfehlungen Verbindlichkeit

§ 23 IfSG–

‚... Die Kommission erstellt Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen sowie ...‘

nicht: Vorschriften

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Umsetzung erforderlich ?–

Kategorisierung beachten und Datenlage überprüfen

ggf. abweichende Haltung begründen

Evidenz-Kategorien der KRINKO

Derzeitneue Kategorie-Definitionen

in der Erarbeitung

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KRINKO-EmpfehlungenAbweichungen möglich,

Kritik notwendig

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Andere Auffassungen, aber:Nicht alles anders.Kappstein I:Krankenhaushygiene up2date2008; 3: 92009; 4: 9, 105, 125, 225, 281

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Kappstein I: Krankenhaushygiene up2date 2009; 4: 281

Nosokomiale Inzidenzdichte KISS vs. MRI und SOB

Nos

okom

iale

Inzi

denz

dich

te

(MR

SA-F

älle

pro

1.00

0 B

eleg

ungs

tage

)

KISS Referenzdaten 2004 –

2005 (MRI) und 2006 –

2008 (SOB) MRI 2000 – 2005SOB 2006 – 2009

0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

KISS> 600

KISS< 600MRI

TS

TB

©

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BRH

BGD

FRL

Kappstein I et al.: Chirurg 2009; 80: 49-61

Intendierter Nutzen–

nicht für den isolierten Patienten

bereits besiedelt und kein Schutzvor Infektionen durch Isolierung

©

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Isolierung Nutzen und Risiko ?

Theoretischer Nutzen–

für andere Patienten

aber: Wer trägt die Kosten ?•

Gravierende Nachteile–

medizinische und pflegerische Defizite

Kirkland KB et al.: Lancet

1999; 354: 1177Stelfox

HT et al.: JAMA 2003; 290: 1899Saint S et al.: AJIC 2003; 31: 354Kirkland KB: CID 2009; 48: 766

Maßnahmen bei MRSA gemäß KRINKO Kosten pro Fall in TS: ø Verweildauer 28,5 Tage

Maßnahmen Kosten (€)

Umkleiden (Ärzte 2x, Pflege 12x, KG 1x/Tag) 181,83Schutzkleidung (Kittel, MNS, Handschuhe)

256,51

Körperwaschung (+ Bettwäsche)

355,68Information (Patienten/Angehörige)

16,20

Screening

(Aufnahme +, 3 x Kontrolle +)

88,00Waschkosten

125,40

Schlussdesinfektion

6,94

SUMMEZusätzlich: Personalerhöhung, Krankheitsausfälle

14.804,39Bettensperrung (1 Bett à 80% Auslastung) 13.773,83

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Arztkittel UK Department of Health vs. AMA

Arztkittel–

Kittel etc. = ‚Infektionsrisiko‘

in Studien kein Zusammenhang zwischen Kontaminationen und NI

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Henderson J: The

endangered

white

coat. Clin

Infect

Dis 2010; 50: 1073

‚bare below the elbows‘–

kurze Ärmel

keine Armbanduhren–

kein ‚Stoff‘

für Kontaminationen

Händedesinfektion erleichtert

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