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Qualitäten entdecken und evaluierenFörderung und Funktion von Stadtteilkultur
herausgeber: landesrat für stadtteilkultur der kulturbehörde hamburg
12. hamburger ratschlag stadtteilkultur18. und 19. november 2011 im bezirksamt hamburg-nord, robert-koch-str. 17
DO
KU
MEN
TATIO
N
INHALTSVERZEICHNIS
GRUSSWORT
Kultursenatorin Barbara Kisseker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
EINFÜHRUNG
Yvonne Fietz: Qualitäten entdecken und evaluieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Matthias Rick: Wie werden wir in Zukunft zusammenleben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
CULTURAL MAPPING UND CULTURAL PLANNING
Dörte Inselmann: Entwicklungspotenziale der Stadtteilkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Maria-Inti Metzendorf: Cultural Mapping und Planning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Diskussionsprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
ERFOLG GERN MESSEN
Ralf Henningsmeyer: Wirkungsmessung in der Stadtteilkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Sven Oliver Bemmé: Evaluation im Kulturbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Diskussionsprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
INNOVATIVE RESSOURCENSTEUERUNG
Bernd Haß und Sonja Wichmann: Ressourcensteuerung in der Stadtteilkulturförderung . . . . . . . 31
Ulla Harting und Gabriela Schmitt: Interkulturelle Strategien und Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . 34
Diskussionsprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
SICHTBARKEIT DER VIELFALT DER KULTUREN
Katharina Oberlik: Zeitgenössisches Theater in Wilhelmsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Judy Engelhard: Rückblick – Einblick – Ausblick interkulturelles festival eigenarten . . . . . . . . . . 43
Anja Turner: Eckpunkte der Handlungsempfehlungen »Interkulturelle Kulturarbeit« . . . . . . . . . . 45
Diskussionsprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
REFERENTINNEN UND REFERENTEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
TEILNEHMERLISTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
IMPRESSUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
SCHATZKARTE HAMBURG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
GR
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ler Aktivitäten auf hohem Niveau, tragen zu einem
innergesellschaftlichen Kulturaustausch bei und
sind nicht zuletzt in einem hohen Maße politisch
wirksam. Das gilt insbesondere dort, wo Sie als
Aktive die unterschiedlichen Zugangsvorausset-
zungen zu Kunst und Kultur thematisieren. Diese
Voraussetzungen lassen sich in Hamburg doch
sehr deutlich in den Brüchen zwischen einzelnen
Stadtteilen festmachen.
Im Programm dieses zwölften Ratschlags geht es
ganz gezielt darum, die Qualitäten von Stadt-
teilkultur zu entdecken und zu evaluieren. Das
bringt mich nun einen Schritt näher an den Kern
der bereits sehr intensiv geführten Debatte um
die Steuerungsstrukturen in der Stadtteilkultur,
die Sie ja auch in den morgigen Workshops wei-
ter vertiefen wollen. Gefragt wird unter Anderem:
Ist Kultur planbar?
Sicher nicht in dem Sinne, dass von staatlicher
Seite eine spezifische Grundausstattung von
Kultureinrichtungen gleichmäßig über die Stadt
verteilt wird. Auch nicht in der Weise, dass ein
spezifischer Kanon von Künsten bzw. kunst- und
kulturgeschichtlichen Inhalten festgeschrieben
würde, der allein der Vermittlung Wert sei.
»Ja, mach nur einen Plan...« formulierte es Bertolt
Brecht in der Dreigroschenoper. Seinen skepti-
schen Einspruch sollten wir ernst nehmen und die
Kräfte unterstützen, die gerade auch Hamburg als
Kulturmetropole stark gemacht haben. Zwei Be-
reiche stehen dabei im Vordergrund: Die schöpfe-
rische Energie kreativer Einzelpersönlichkeiten
und -initiativen einerseits und bürgerschaftliches
Engagement andererseits. In dieses bürgerschaftli-
che Engagement beziehe ich sowohl ehrenamtli-
che Kulturinitiativen, Freundeskreise großer Kul-
tureinrichtungen aber auch unternehmerisches
und mäzenatisches Engagement für unsere Stadt
ein.
Daran bin ich kürzlich bei der Einweihung der
erweiterten Zentralbibliothek am Hühnerposten
Sehr geehrter Herr Kopitzsch,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
»Auf zu neuen Ufern« – so heißt der Untertitel
des Theaterprojekts »Moby Dick«, für das der
Bramfelder Kulturladen Anfang April den Stadtteil-
kulturpreis erhalten hat. »Auf zu neuen Ufern«
hieß es auch für mich; die Preisverleihung war
einer meiner ersten Termine als Hamburger Kultur-
senatorin. Inzwischen hatte ich vielfach Gelegen-
heit für Begegnungen mit zentralen Akteuren der
Stadtteilkultur. Zuletzt haben mir die Vertreterin-
nen und Vertreter der Geschichtswerkstätten wäh-
rend einer Bustour, begleitet von Medienvertre-
tern vor Augen geführt, welche zentrale Bedeu-
tung ihre Arbeit für das Gedächtnis der Stadt
doch hat.
In all diesen Begegnungen der ersten Monate ist
mir eines wieder bewusst geworden: Hier enga-
gieren sich – häufig ehrenamtlich – außerordent-
lich motivierte Menschen für ihre Idee und ihr
Projekt, aber eben auch für unsere Stadt. Sie
erzeugen dabei eine unglaubliche Vielfalt kulturel-
4
12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler
noch einmal erinnert worden. Die Bücherhallen
Hamburg verdanken ihre Gründung der Bürgerini-
tiative »Patriotischen Gesellschaft«. (Auch wenn –
jetzt darf ich die Stadt selbst loben – ihre heutige
Existenz ohne ein deutliches, finanzielles Bekennt-
nis der Stadt nicht denkbar wäre.)
Planung im Feld der Stadtteilkultur kann doch so-
mit nur heißen, die langjährige Erfahrung mit bür-
gerschaftlichem Engagement und kultureller Ini-
tiative ernst zu nehmen und im offenen Dialog
über Bedarfe und Entwicklungspotentiale einzel-
ner Stadträume ins Gespräch zu kommen. Diese
Aufgabe nimmt der Bezirk Hamburg-Nord bereits
an: Hier haben sich die Kommunalpolitiker dafür
bereits eine kluge Grundstruktur zurechtgelegt, in
dem sie kenntnisreiche Multiplikatoren aus unter-
schiedlichen Kulturbereichen als Fachbeirat –
ohne Stimmrecht – in den Kulturausschuss geholt
haben. Dieser Weg verdient Respekt und sollte
sich als Dialogformat über die Förderziele und -
motive für einzelne Stadtbereiche fortsetzen.
Wenn sich Planung im Diskurs über Budgetan-
sätze und gleichförmige Verteilung von Mitteln
erschöpft, hat sie ihr Ziel verfehlt oder hat keins,
das im kulturellen Feld begründet ist. Ein Bemü-
hen um Verteilungsgerechtigkeit ist anzuerkennen,
verliert aber an Wert, wenn das gesamte Wir-
kungsgefüge von kulturellem Engagement nicht
erkannt wird. Kulturpolitik ist mehr als nur Finanz-
jonglage. Wichtig ist, kulturelle Vielfalt entstehen
zu lassen, kreativem Eigensinn Raum zu geben
und auf kulturelle Differenz neugierig zu machen.
In diesem Sinne wünsche ich mir als Ergebnis
Ihrer Fachgespräche frische Impulse für die
Fortschreibung der Stadtteilkultur in Hamburg.
Vielen Dank!
5G
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Der diesjährige RATSCHLAG STADTTEILKULTUR
steht unter dem Motto »Qualitäten entdecken
und evaluieren – Funktion und Förderung von Stadt-
teilkultur«. Mit dem »Entdecken« und »Evaluieren«
deutet sich schon an, dass es einerseits um die
lebendige und vielfältige Praxis der Stadtteilkultur
geht – wozu selbstverständlich auch die Geschichts-
werkstätten zählen – und andererseits um so sperri-
ge Themen wie Evaluation, Erfolgskontrolle und
Bedarfsermittlung.
Wie ein roter Faden zieht sich durch den RAT-
SCHLAG, dass Ergebnisse des Evaluationsprozesses
der Stadtteilkultur, der im Auftrag der Kulturbehörde
umgesetzt wird, in einen umfassenderen fachlichen
Diskurs einfließen und in einen erweiterten Kontext
gestellt werden. Nachdem der Evaluationsbericht im
Sommer 2010 vorgelegt worden war, arbeiteten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bezirken,
Kulturzentren und Geschichtswerkstätten in Arbeits-
gruppen weiter an den Empfehlungen der Evaluato-
ren und Aufträgen, die das Landesparlament be-
schlossen hat (Drs. 19/6501).
Die Themenfelder dieser Arbeitsgruppen bilden sich
auch bei den ersten drei Schwerpunkten des dies-
jährigen RATSCHLAG ab: »Cultural Mapping undEIN
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Yvonne Fietz
Entwicklungspotenziale von Qualitäten der Stadtteilkultur
Der 12. RATSCHLAG STADTTEILKULTUR wendet sich unter dem Motto »Qualitäten entdecken und evaluieren« der spezifischen Förderungen und Funktionen der Stadtteilkultur berät darüber, wie lokale Kultur und kulturelle Bildungden Kulturnachwuchs und die Integration befördern, und diskutiert Entwicklungsperspektiven.
QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIERENFörderung und Funktion von Stadtteilkultur
Im Jahr 2010 legte die Kulturbehörde eine umfassende Evaluation der Hamburger Stadtteilkultur vor. Die Ergebnissesind in einem intensiven partizipatorischen Prozess von Kulturakteuren und Verwaltung verarbeitet worden. Sie sind in einem um Kommunalpolitik erweiterten Teilnehmerkreis Ausgangspunkt einer breit angelegten Perspektiv-entwicklung gewesen, die neben den Fragen der Qualitätsentwicklung und Erfolgskontrolle auch Steuerungs-mechanismen öffentlicher Verwaltung und Kommunalpolitik bzw. innovative Planungsmethoden und -strategien behandelt.
Unter dem Motto »Qualitäten entdecken und evaluieren« beleuchtet der 12. RATSCHLAG STADTTEILKULTUR Themen-und Handlungsfelder der Stadtteilkultur und diskutiert Gelingensbedingungen, Potenziale und Entwicklungsbedarfe zu folgenden Schwerpunkten:
• Cultural Mapping und Planning – Stadtteilkultur als Instrument kultureller und sozialräumlicher Stadtteilentwicklung• Erfolg gern messen – Qualitäts- und Erfolgskontrolle in Kulturprojekten• Innovative Ressourcensteuerung – Förderverfahren zukunftsweisend gestalten• Sichtbarkeit der Vielfalt der Kulturen – Bühnen einer weltoffenen Stadtgesellschaft
Es gibt viele Parallelen zwischen den Projekten von
raumlaborberlin und der Arbeitsweise der Hamburger
Stadtteilkulturzentren – aber es gibt natürlich auch
Unterschiede. Der Vergleich schärft den Blick für die
besonderen Qualitäten und Potenziale.
Der zweite Schwerpunkt des RATSCHLAGs ist zu-
gleich ein hochaktuelles Thema: Bühnen einer welt-
offenen Stadtgesellschaft. Städte verändern sich im
Kontext der Europäisierung und Migration. Aber ist
diese Vielfalt der Kulturen auch in der Stadtgesell-
schaft sichtbar? Wo sind die Bühnen einer weltoffe-
nen Stadtgesellschaft? Kulturprojekte wie die von
raumlaborberlin und den Stadtteilkulturzentren
schaffen neue Bühnen, temporäre halb geschlossene
– und damit durchlässige – Gemeinschaften, in
denen diese Vielfalt sichtbar wird und inter- oder
transkulturelle künstlerische Ausdrucksformen kreiert
werden. Was bedeutet dies für die Perspektiv-
entwicklung der Stadtteilkultur?
Die Hamburger Stadtteilkultur nimmt bundesweit
eine Vorreiterrolle insbesondere in den Handlungs-
feldern »Stadtteilentwicklung durch Kultur« und
»Kultur und Schule« ein. Dass dies so ist, ist u.a.
dem vorbildlichen Förderverfahren mit wirkungs-
orientierten Zielsetzungen und gesellschaftlich rele-
vanten Förderkriterien zu verdanken. Aber auch das
Steuerungsinstrument, die »Globalrichtlinie und
Förderrichtlinie Stadtteilkultur« mit Kenn-
zahlenerhebung und der quantitative und qualitative
Methoden verbindenden Erfolgskontrolle ist bis
heute bundesweit einmalig.
Die Evaluationsergebnisse haben gezeigt, wie ein
partizipativ entstandenes Förderinstrumentarium die
Entwicklung einer so jungen Kultursparte, wie es die
Stadtteilkultur ist, positiv beeinflusst. Und sie bietet
eine gute Grundlage dafür, die Qualitäten der Stadt-
teilkultur weiterzuentwickeln – damit der Kultur-
nachwuchs und die Integration durch lokale Kultur
und kulturelle Bildung weiter wachsen!
Beim 12. RATSCHLAG STADTTEILKULTUR wurden wie-
der vielfältige Impulse für die Theorie und Praxis
geliefert, die mithilfe der nun vorliegenden Doku-
mentation weiter vertieft werden können.
Planning«, »Erfolg gern messen« und »Innovative
Ressourcensteuerung«. Der vierte Schwerpunkt
»Sichtbarkeit der Vielfalt der Kulturen – Bühnen
einer weltoffenen Stadtgesellschaft« greift ein aktu-
elles Handlungsfeld auf, dessen Bedeutung derzeit
aus unterschiedlichsten Gründen wächst.
Am ersten Tag der Fachkonferenz bot Matthias Rick
vom raumlaborberlin einen Vorgeschmack auf die
Themen, die am darauffolgenden Tag in Arbeits-
gruppen mit Fachleuten aus Theorie und Praxis ver-
tieft wurden.
Wie beim »Cultural Mapping und Planning« gehen
die Projekte von Matthias Rick von einem Kultur-
begriff aus, der auf einem Verständnis von Kultur als
Lebensweise der Bürger beruht, die sich innerhalb
einer Stadt durch eine Vielfalt von Lebensstilen,
Werten und Identitäten ausdrückt. Auch die »Pla-
nungsszenarien«, auf die sich Verwaltung und
Kulturzentren im Prozess der Verarbeitung geeinigt
haben, sollten von diesem Kulturbegriff ausgehen.
Und die Frage des Erfolgs stellte sich: Waren die
Projekte von raumlabor ein Erfolg, und wenn ja,
warum genau? Wirkungen von künstlerischen und
kulturellen Projekten, insbesondere wenn sie inter-
disziplinär und kollaborativ in mehrere Handlungs-
felder umgesetzt werden, sind schwer zu fassen.
Aber der Versuch lohnt sich. Wodurch stellt raumla-
borberlin fest, dass Projekte erfolgreich waren? Wie
stellen Kulturzentren es für sich und gegenüber
ihren Zuwendungsgebern und Förderern fest?
Die Projekte von raumlaborberlin mussten durch ihre
Interdisziplinarität und den bereichsübergreifenden
Ansatz ihre Geld- bzw. Auftraggeber auch erst fin-
den. Wie sollten Förderinstrumentarien angelegt
sein, um kooperative künstlerische Strategien in
Stadtteilentwicklungsprozessen, aber auch in Schul-
entwicklungsprozessen und bei der Sozialraument-
wicklung einen bestmöglichen Rahmen zu bieten,
um sowohl Qualität als auch Effizienz erreichen zu
können? Handelt es sich nicht vielmehr um Förder-
szenarien? Und welche innovativen Ressourcensteue-
rungen passen dazu? Dieser Frage wurde in
Gesprächsrunden im Anschluss an den Vortrag
nachgegangen.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
EIN
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tensmuster bieten, die Selbstbestimmung anspornen
und auf breiter Zusammenarbeit basieren. Wir ge-
stalten temporäre Architekturen als Grundlage für
temporäre Gemeinschaften mit einem anderen
Verständnis von Stadt fern der kapitalistischen Logik
von Effizienz und Profitabilität.
Besondere OrteUns interessieren besondere Orte. Orte, die nicht
funktionieren, die brach liegen, städtische Leer-
räume, vergessene Areale, Räume des Übergangs,
mit unklarer Definition und fehlender Identifikation.
Orte der Unsicherheit eignen sich bestens zum
Experimentieren!
Identität kann nicht geplant werden, sondern muss
sich entwickeln. Statt zu bestimmten, sollten Pla-
nungskonzepte motivieren, Situationen neu interpre-
tieren und im Raum das Potenzial für verloren ge-
gangene oder neue beispielhafte Verbindungen auf
räumlicher, funktionaler wie sozialer Ebene suchen.
Wir nennen das »forschungsbasiertes Gestalten«. Wir
setzen uns 1:1 mit dem Ort auseinander, entdecken
und benutzen, was wir finden. Über das Machen,
das aktive Gestalten lernen wir mehr über das Ar-
beitsfeld und erfinden neue Methoden, das Existie-
rende aufzuwerten und für Aneignungsprozesse zu
öffnen.
EichbaumEichbaum ist ein besonderer Ort. Als ich Mitte 2006
zum ersten Mal dort war, war ich geschockt und zu-
gleich tief beeindruckt. Nicht, weil sich hier ein pro-
blematischer Ort in einem Zwischenraum offensicht-
lich nicht entwickeln kann, sondern weil Eichbaum
als Ort des Aufbruchs und der Hoffnung, als positi-
ves Symbol, geschaffen wurde, um dem Weg in eine
Wie werden wir in Zukunft zusammenleben? –
Diese Frage prägt die Arbeit von raumlabor-
berlin seit nunmehr zwölf Jahren. Der Arbeit liegt ein
Verständnis von Stadt zugrunde, das sich in der
Auseinandersetzung der Stadtbenutzer mit dem
Stadtraum artikuliert. Jedes Individuum hat eine spe-
zifische Vorstellung von dem, was Stadt bedeutet.
Aus dem Aufeinandertreffen verschiedener Vor-
stellungsbilder formt sich die urbane Realität und
Identität.
Der öffentliche Raum ist für raumlaborberlin ein
urbanes Laboratorium, Testfeld für Experimente. Wir
suchen nach alternativen Planungsmethoden, die
den neuen komplexen Zusammenhängen von Stadt
und Gesellschaft gerecht werden. Auf Permanenz
angelegte Masterpläne werden obsolet, da sie nicht
in der Lage sind, auf unerwartete Veränderungen,
wie ökonomische Krisen, zu reagieren.
Wir müssen umdenken, um Wege in eine vielver-
sprechende Zukunft bauen zu können. Dabei halten
wir die kurzfristige, »temporäre« Verwandlung durch
ein Ereignis für geeignet, um flexible, anpassungsfä-
hige Aneignungsprozesse in Gang zu setzen.
Als Architektinnen und Architekten (Im Folgenden
wird zugunsten der Lesbarkeit auf die weibliche
Form verzichtet, sie ist jedoch immer mit gemeint)
sind wir zugleich Aktivisten, denn wir agieren mit
der Stadt. Wir stimulieren, testen Ideen, schmieden
Bündnisse, finden Programme, fördern Diversität und
Offenheit. Unsere temporären Architekturen sind ima-
ginative, komplexe, unerwartete, situativ narrative
urbane Strukturen, die individuelle Anknüpfungs-
punkte und kollektive Handlungsräume bieten. Wir
suchen nach der Stadt der Möglichkeiten, nach städ-
tischen Strukturen, die Raum für alternative Verhal-
8
Matthias Rick
Wie werden wir in Zukunft zusammenleben?
Das raumlaborberlin ist bekannt für seine künstlerische Aneignung unbehauster Orte. Für den RATSCHLAG STADTEIL-KULTUR stellt der freie Architekt Matthias Rick die Eichbaumoper als Projekt vor, bei dem eine Stadtbahnhaltestelle ineinen dramatischen Ort transformiert wurde und so ins öffentliche Bewusstsein gebracht wurde.
12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
moderne soziale Stadtgesellschaft eine neue Rich-
tung und Perspektive zu geben.
Eichbaum ist eine Stadtbahnhaltestelle im Ruhrge-
biet zwischen Mülheim und Essen und liegt im Auge
des Verkehrsdreiecks zwischen der A40 und der B1.
Sie ist Teil der in den 60ern entwickelten Utopie,
das Ruhrgebiet mit einem gigantischen Stadtbahn-
netz nach Berliner Vorbild zu verbinden: neue Ar-
beitsplätze, Kumpels im Stadtbahn-Tunnelbau und
eine mobile soziale Gesellschaft in einer vernetzten
Metropolregion. Wo einst eine alte Eiche und ein
Gasthaus das Zentrum des sozialen Lebens der
Nachbarschaft bildeten, wurde in den 70er-Jahren
mit großer Faszination, aber wenig städtebaulichem
Gefühl, ein Ort in Beton gegossen, der nicht nur
Haltestelle sein sollte, sondern zugleich ein wichti-
ger Übergang zwischen den Teilen der zerschnitte-
nen Stadtlandschaft. Ein kleiner Marktplatz im Zen-
trum des Verkehrsknotens galt als neuer Ausgangs-
punkt für das gesellschaftliche Leben. Die Vision ist
gescheitert. Geblieben ist ein Ort der » zombifizierten
Moderne« (wie Peter Glaser Eichbaum 2007 während
der Konferenz »Paradoxien des Öffentlichen« im
Landschaftspark Nord Duisburg beschrieb), hin und
her geworfen zwischen technokratischer Faszination
und städtebaulichem Wahnsinn.
Das Unmögliche ist unmöglichHeute ist Eichbaum geprägt von Vandalismus, Angst
und Bedrohlichkeit. Eingezäunte Büsche, abgesperrte
Verbindungen (sogenannte Kriminalitätverhinde-
rungsarchitekturen) verstärken das Gefühl von Un-
sicherheit. Eichbaum ist aufgegeben, von der Kom-
mune, den Verkehrsbetrieben, den Anwohnern; der
Marktplatz ein schwarzer Fleck in der Mitte der Ge-
sellschaft, an dem niemand sein möchte, dem aber
auch niemand ausweichen kann.
Wir glauben nicht an die Unmöglichkeit. Offenbar
kommt man mit konventionellen Methoden an solch
einem Ort nicht weiter. Man muss radikaler sein,
vielleicht wahnsinnig wie Fitzcarraldo, der im Ama-
zonas-Dschungel ein Schiff über einen Berg trug, um
im Dschungel eine Oper zu bauen.
Das SpektakelAm Anfang stand unsere Behauptung: »Eichbaum
muss Oper werden«. Natürlich ruft eine solche Be-
hauptung zuerst viel Kopfschütteln hervor, aber
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Ein Opernprojekt transformiert eine Stadtbahnhaltestelle in einen dramatischen Ort.
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baums, den Jugendlichen, Respekt verschafft hat. Als
wir die Station mit dem Wort EICHBAUMOPER aus
großen roten Lettern neu beschrifteten, kamen wir
zum ersten Mal in Kontakt mit ihrer Kreativität. Die
Buchstaben O und P wurden gestohlen und zerstört.
Es blieb das Wort EICHBAUM ER. Aus unserer Sicht
eine sympathische Form der Aneignung, aus der
eine intensive Zusammenarbeit wurde, die bis heute
andauert. Durch die Umsetzung der Oper wurde der
Eichbaum wachgeküsst. Je widersprüchlicher die
Intervention, desto wirkungsvoller die Verände-
rungen und die Aufmerksamkeit.
Wir alle sind Pioniere. Wir haben einen Nicht-Ort zu
einem Labor gemacht. Wir haben gelernt zu verste-
hen, was möglich ist. Das wiederum hat sich einge-
schrieben. Eichbaum kann heute so viel mehr sein,
ein Opernhaus, eine Bauwerkstatt, ein Kino, eine
Boxarena, ein Marktplatz, ein Ausstellungsraum, eine
Bar, ein Ort zum Grillen oder einfach nur ein
Treffpunkt.
EichbaumparkHeute arbeiten wir an einer Strategie, den Pionieren
dauerhafte Orte zu schaffen. Gemeinsam mit der
Kommune, dem Land und dem Bund (Bau- und
Sozialdezernat der Stadt Mülheim, Straßen NRW,
MVG Mülheim, BBSR ... um nur einige zu nennen)
entwickeln wir eine Vision, die all diese kreativen
Kräfte bündeln kann. Diese Vision heißt Eichbaum-
park! Ziel ist ein dynamischer Masterplan, der einen
vielschichtigen Stadtraum definiert, der Spielräume
bietet, zum Verhandeln, zum Kommunizieren, um
sich auszutoben und zu verwirklichen; zugleich ein
Ort der Ruhe und des Genusses!
Architektur als experimentelles BaulaborUnter Architektur verstehen wir mehr als die
Gestaltung von Objekten. Unter Architektur verste-
hen wir ein experimentelles Baulabor für eine auf
den Moment bezogene partizipative Baupraxis im
urbanen Raum. Temporäre Interventionen sind
unentbehrlich, um den Transformationsprozess zu
gestalten. Sie sind flexibel, anpassungsfähig und
leicht anzueignen. Wir brauchen in der Zukunft mehr
städtische Orte, die sich von den Bedürfnissen ihrer
Nutzer programmieren lassen. Was wir am Eichbaum
dabei lernen, kann beispielhaft sein.
zugleich ändert sich der Blick auf den Ort. Unsere
Partner, der Ringlokschuppen Mülheim, das Schau-
spiel Essen und das Musiktheater im Revier Gelsen-
kirchen mussten wir nicht lange überzeugen. Das
Fragile der Musik, die Konfrontation der Hochkultur
mit der Härte des Alltags schien uns geeignet, den
Geschichten, den Sehnsüchten, den Ängsten und
Leidenschaften, die den Ort zweifellos prägen, einen
Raum zu geben. Das Spektakel der Oper als Werk-
zeug, um dem gewaltigen Ort etwas Gewaltiges ent-
gegenzusetzen und neue Bündnisse zu schmieden.
Dabei interessierte uns in erster Linie nicht die Oper
selbst, sondern die durch das Spektakel ausgelöste
Dynamik.
Der ProzessWir begannen uns einzunisten und gaben uns mit
der »Opernbauhütte« einen Ort, der als Werkstatt,
öffentlicher Treffpunkt, Ausgangspunkt für vielfältige
Experimente und zugleich als sichtbares Zeichen der
Veränderungen diente! Die Oper entwickelten wir in
den kommenden Monaten in Zusammenarbeit mit
Komponisten, Autoren, Dramaturgen, Regisseuren,
Architekten und den Nutzern und Anwohnern des
Eichbaums. Der Ort, seine räumliche Struktur, die
Geräuschkulisse wurden wesentliche Teile der Opern-
produktion und die Geschichten der Anwohner ha-
ben zum Teil Eingang in die Libretti gefunden. Als
die Oper im Sommer 2009 uraufgeführt wurde, kam
es zu dieser kurzfristigen traumhaften Verwandlung,
zu der Verschmelzung von Realität und Fiktion, wie
ich sie aus meiner Kindheit kenne.
Die Realisierung des Unmöglichen war eine Erfah-
rung, die uns bei den eigentlichen Nutzern des Eich-
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Opernbauhütte vor Ort als Werkstatt und Treffpunkt.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Kulturentwicklung vs. SozialraumplanungDie Stadtteilkulturzentren haben schon immer Kultur
und Soziales miteinander verbunden, wobei ihr Pro-
fil und Arbeitsschwerpunkt eindeutig im kulturellen
Bereich liegt. Daran müssen sich auch Entwicklungs-
perspektiven und Bedarfsplanungen orientieren:
Prioritär wird die Erfüllung künstlerisch-kultureller
Zielsetzungen angestrebt, die durch die spezifische
Arbeitsweise von Stadtteilkulturzentren vielfältigen
Nutzen für soziale Zwecke generiert. Keinesfalls
jedoch dürfen sozialräumliche Zielsetzungen an die
Stelle künstlerisch-kultureller gesetzt werden.
SozialraumorientierungDa die Stadtteilkulturzentren verwaltungstechnisch in
den bezirklichen Fachämtern für Sozialraummanage-
ment angesiedelt sind, liegt es nahe, sie prioritär
unter sozialräumlichen Gesichtspunkten zu betrach-
ten. Die Bewertung einer Einrichtung danach, wel-
chen Beitrag sie im Sozialraum leistet, stellt vor die-
sem Hintergrund nur eine auf das sozialräumliche
Handlungsfeld reduzierte Bewertung dar. Die Wir-
kungen der Stadtteilkulturzentren gehen jedoch weit
über den sozialräumlichen Fokus hinaus, die positi-
ven Effekte für soziale Problemlagen lassen sich
daher allein aus der sozialräumlichen Perspektive
weder darstellen noch bewerten. Dies muss in Ziel-
und Leistungsvereinbarungen berücksichtigt werden.
EntwicklungspotenzialeEs liegt im Aufgabenbereich der Kulturinstitutionen
und Initiativen, die Politik und Verwaltung auf not-
wendige und relevante Bedarfe bzw. zukünftige Zu-
gewinne für die Stadt aufmerksam zu machen und
Modelle zur Potenzialentwicklung vorzuschlagen und
umzusetzen.
Bei der Identifikation von Potenzialen und der Ent-
wicklung von Perspektiven ist eine enge Zusammen-
arbeit von Kulturinstitutionen und Initiativen, Politik
und Verwaltung notwendig. Im Sinne einer gemein-
Dörte Inselmann
Entwicklungspotenziale der StadtteilkulturErschließung von Qualitäten in Kulturräumen
zur Profilierung von Kulturzentren und Bezirken
Der Beitrag der Geschäftsführerin des Kultur Palast Hamburg, Dörte Inselmann, den sie imDialog mit Nico Schröder, dem Fachamtsleiter des Sozialraummanagements im Bezirk Nord,vorgestellt hat, erläutert den aktuellen Diskussionsstand des Evaluationsprozesses derHamburger Stadtteilkultur in seinen wichtigsten Punkten.
CULTURAL MAPPING UND CULTURAL PLANNING
Die Evaluation der Hamburger Stadtteilkultur ist Ausgangspunkt gewesen für eine intensiven Auseinandersetzung vonKulturakteuren und bezirklichen Zuwendungsgebern zu Entwicklungsperspektiven und Bedarfsplanungen für diesenbereichsübergreifenden Kulturbereich. Das »Cultural Mapping« geht von Kultur als ganzheitlichem Entwicklungsfaktoraus und erweitert damit das Sozialmonitoring, sozialräumliche Bedarfsplanung oder andere Planungsstrategien ausdem sozialen Bereich. Durch den erweiterten Kulturbegriff, der auf einem Verständnis von Kultur als Lebensweise derBürger basiert, die sich innerhalb einer Stadt durch eine Vielfalt von Lebensstilen, Werten und Identitäten ausdrückt,geht das Cultural Mapping auch weit über eine traditionelle Kulturentwicklungsplanung hinaus. In der Arbeitsgruppewerden die aus dem Verarbeitungsprozess der Evaluation der Stadtteilkultur hervorgegangenen Statements vorgestelltund in Beziehung gesetzt zu dem bisher überwiegend in Kanada, England und Australien praktizierten »CulturalMapping« und »Cultural Planning«.
Stadtteilkultur durch Kooperationsprojekte mit Schu-
len vielfältige Beiträge zur Schaffung von mehr Bil-
dungschancen und fördert die Öffnung von Schulen
für Kunst und kulturelle Bildung.
Freiraum für Kultur
Zur Förderung der Kreativität, der Selbstorganisation
und als Raum für Experimente halten die Zentren
Räume für Kultur bereit, bieten Bühnen und spezifi-
sche lokal verankerte und partizipatorische Kultur-
formate, die das künstlerisch-kreative Potenzial des
Stadtteils profiliert und mit Hamburg verbindet.
Stadtentwicklung durch Kultur
Als Kompetenzzentren und kulturelle Netzknoten
bieten Stadtteilkulturzentren vielfältige Zugänge zur
Kultur für Menschen aus allen Kulturkreisen dieser
Welt, fördern den Austausch und schaffen einen
Rahmen für eine gemeinsame Werteentwicklung, die
die soziale Bindekraft in den Stadtteilen stärkt. Sie
aktivieren kulturelle Teilhabe und agieren als Netz-
werkknoten, indem sie neue Netzwerke initiieren
oder sie bei ihrer Entwicklung unterstützen. In Stadt-
teilentwicklungsprozessen moderieren Stadtteilkul-
turzentren, entwickeln Projekte und führen sie
durch, treiben Innovationen voran, schaffen Know-
samen Weiterentwicklung der Förderinstrumente und
Kulturzentren wurde im Rahmen des Evaluationspro-
zesses eine gemeinsame Verständigung über mode-
rierte Perspektiv-Workshops in einem fünfjährigen
Turnus hergestellt, die dazu dienen, Bedarfe der
Stadtteilkultur und Nutzen für den Sozialraum zu
identifizieren und Perspektiven für die Umsetzung zu
entwickeln.
HandlungsfelderDie künstlerisch-kulturellen Zielsetzungen der Stadt-
teilkulturzentren sorgen für positive Effekte in fol-
genden Handlungsfeldern und Querschnittsbereichen
des Sozialraumes:
Kulturelle Bildung
Das Handlungsfeld der kulturellen Bildung dient der
Bereicherung des Spektrums der städtischen Kinder-
und Jugendkultur-Angebote, der künstlerischen Nach-
wuchsförderung und dem Schaffen unterschiedlichs-
ter Zugänge zu Kunst und Kultur. Kulturelle Bildung
dient der essenziellen Ergänzung traditioneller kultu-
reller Angebote im Hinblick auf die kulturelle Vielfalt
einer internationalen Stadtgesellschaft und bietet
Anschlussmöglichkeiten für traditionelle Bildungs-
systeme wie z.B. Museen. Darüber hinaus leistet die
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
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Der lebendige Evaluationsprozess der Hamburger Stadtteilkultur erhielt weitere Impulse durch den RATSCHLAG.
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how-Transfer, entwickeln partnerschaftliche Struk-
turen und stellen anderen Einrichtungen die Poten-
ziale zur Verfügung. Als Netzknoten, Impulsgeber
und Projektmanager führen Stadtteilkulturzentren
stärkere Kooperationen in den jeweiligen Bezirken
herbei.
Internationale Stadtgesellschaft
Stadtteilkulturzentren fördern das gelingende Mitein-
ander einer internationalen Stadtgesellschaft. Sie un-
terstützen eine gemeinsame Identitäts- und Wertebil-
dung und bieten Räume für die vielfältigen Kulturen
der Stadtbewohnerinnen und -bewohner. Stadtteil-
kultur stellt spartenübergreifend Verbindungen her
und übersetzt sie in zukunftsweisende Profile (Mar-
ken) – von der Nachbarschaft bis zu internationalen
Kooperationen. Speziell diesen Zielgruppen soll
Gestaltungsraum für Kultur eröffnet werden und
Zugang zur Kultur, Bildung, Hochkultur geschaffen
werden.
Bedarfsplanung
Ergänzend zu den Bedarfplanungen der Bezirke
muss darauf hingewiesen werden, dass die Bedarfs-
planung an den Förderzielen der Rahmenzuweisung
der Kulturbehörde orientiert sein muss und daher
bei der Stadtteilkultur ein kulturell-künstlerisches
Profil aufweist. Zudem sind bei der Bedarfsplanung
drei Ebenen zu unterscheiden:
• Bedarfe einzelner Einrichtungen,
• Bedarfe der Bezirke und
• überbezirkliche Bedarfe.
Bedarfe einzelner Einrichtungen:
Die Entwicklungs- und Leistungsfähigkeit der Stadt-
teilkulturzentren hängt von den Rahmenbedingungen
ab. Eine stabile institutionelle Finanzierung ist unab-
dingbar, um eine nachhaltige lokale Verankerung
(ein lokales Wissen) zu ermöglichen. Zurzeit deckt
die Förderung nur die Grundkosten. Projektförderun-
gen spielen daher eine immer wichtigere Rolle im
Finanzierungsmix der Zentren. Um hier erfolgreich zu
sein, wird mehr Zeit und Energie für Projektentwick-
lung und Fundraising nötig sein. Daneben brauchen
die Zentren Ressourcen, um flexibel und professio-
nell Ehrenamtliche, Praktikanten, Freiwillige etc. inte-
grieren zu können. Ein Teil der Zentren braucht vor
dem Hintergrund komplexer Finanzierungsstrukturen
neue rechtliche Strukturen, um wirtschaftlicher arbei-
ten zu können, aber auch um den gewachsenen
Ulrike Ritter vom Kulturhof Dulsberg, Gerd Hardenberg und Nico Schröder, Leiter des Fachamtes Sozialraum-
management des Bezirksamtes Hamburg-Nord: Zuwendungsnehmer und -geber sitzen an einem Tisch.
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Darüber hinaus konterkariert eine Ausschreibung jeg-
liche Planungssicherheit und die qualitative Weiter-
entwicklung der Stadtteilkultur, da sich insbesondere
in Stadtteilen mit Entwicklungsbedarf Prozesse oft
über viele Jahre vollziehen.
Sozialraum und Kulturraum
Die Stadtteilkultur bewegt sich in einem Spannungs-
verhältnis zwischen Kulturraum, Akteuren und Sozial-
raum, die sich gegenseitig bedingen und sich in
einem kontinuierlichen Kommunikations- und Inter-
aktionsprozess befinden. Gemäß ihrem Ursprung und
ihrer Rahmenförderung durch die Kulturbehörde sind
Kulturzentren im Kulturraum beheimatet, sind jedoch
eingebunden in den Sozialraum und beziehen sich
auf ihn und seine Akteure.
Defizit- oder potenzialorientiert
Auch bei der Förderung sozialer Zielsetzungen wird
verstärkt auf Potenzialorientierung gesetzt. Bei der
Kulturförderung ist eine Potenzialorientierung per se
vorgesehen: Es geht nicht um die Beseitigung kultu-
reller Missstände (defizitorientiert), sondern um das
Schaffen optimaler Rahmenbedingungen zur
Entfaltung von Kunst und Kultur (potenzialorientiert),
um die Förderung künstlerischer Talente oder ein
breites Spektrum kultureller Angebote. Bei den
Zieldefinitionen für die Stadtteilkultur sollten die
Fachämter für Sozialraummanagement daher darauf
achten, dass sie eher potenzialorientiert ausgerichtet
werden.
steuerlichen und organisatorischen Anforderungen
weiterhin gerecht werden zu können. Die Zentren
begreifen sich als lernende Organisationen. Es wer-
den Bausteine für Fortbildung und Qualifizierung
benötigt, die der Größe eines jeden Zentrums ent-
sprechen und die unterschiedlichen Entwicklungen
berücksichtigen.
Bedarfe der Bezirke
Hier geht es um inhaltliche Themensetzungen und
um die Frage, wie neue Einrichtungen in die För-
derung aufgenommen werden können und/oder
unterfinanzierte besser ausgestattet werden können.
Bedarfe überbezirklich
Ein Impulsfond und der Bereich Fortbildung und
Qualifizierung (siehe Bedarfe der Einrichtungen) sind
auf der Hamburg-Ebene anzusiedeln.
Aussagen und ErgebnisseIm Rahmen des Evaluationsprozesses gab es Ver-
ständigungen zu verschiedenen Themen, die hier
kurz skizziert werden:
Keine Ausschreibung für Stadtteilkultur
Eine Ausschreibung der institutionellen Förderungen
erscheint weder den Stadtteilkulturzentren noch den
Bezirken sinnvoll, da durch die jahrelange
Vernetzung und Kooperation mit dem Stadtteil
Ressourcen geschaffen werden, die sich nicht belie-
big auf andere Träger und Orte übertragen ließen.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Meinungen von Bürgern
In einem gemeinsamen Diskurs werden auf unter-
schiedlichen Ebenen mit unterschiedlichen Akteuren
die Entwicklungspotenziale der Hamburger
Stadtteilkultur erarbeitet – siehe obenstehende
Grafik.
Perspektiventwicklung Stadtteilkultur im Diskurs
Wichtige Bausteine für die erfolgreiche Umsetzung
der Perspektiventwicklung der Hamburger Stadt-
teilkultur sind Workshops, die in unterschiedlichen
Rhythmen in unterschiedlicher Zusammensetzung
umgesetzt werden – siehe untenstehende Grafik.
Die Grafik zeigt das Aufgreifen der Impulse aus dem
Evaluationsprozess Ende des Jahres 2011 beim RAT-
SCHLAG STADTTEILKULTUR. Bis Mitte des Jahres
2012 werden in allen sieben Bezirken Workshops
stattfinden, in denen die Ergebnisse bezirksspezi-
fisch weiterentwickelt werden. Im Frühjahr 2013 ist
ein bezirksübergreifender Austausch vorgesehen, der
eine umfassende Information der Bürgerschaft
(Frühjahr/Sommer 2013) vorbereitet. Ende des Jahres
2014 werden wieder Workshops in allen sieben
Bezirken stattfinden, in denen ein Zwischenstand
erhoben wird, der im Frühjahr 2015 wieder an die
Bürgerschaft kommuniziert wird etc.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Eine Stadt kann heutzutage als kulturelles Projekt
begriffen werden, also als Ort, an dem gesell-
schaftliche Herausforderungen entstehen und bear-
beitet werden.
Beim »Cultural Planning«, einem im angelsächsi-
schen Bereich angewendeten Stadtenwicklungspro-
zess, wird die Kultur als Entwicklungsbasis einer
Stadt angesehen und darunter sowohl das Kultur-
und Naturerbe als auch die spezifische Lebensweise
der Bürger, ihre Einstellungen und Werte verstanden.
Somit liegt dieser neuen Stadtplanung ein weiter
Kulturbegriff zugrunde: Kultur wird in einem an-
thropologischen Sinn als praktizierte Lebens- und
Ausdrucksform der ideellen, sozialen und materiellen
Existenz der Bürger begriffen und als ganzheitlicher
Entwicklungsfaktor für die Kommunalplanung disku-
tiert.
So ist vonseiten der Politik eine Herangehensweise
erforderlich, die von der Stadt als Einheit der Vielfalt
ausgeht und dabei vor allem Spielräume zur Entfal-
tung aller Bürger bereitet. Denn Kreativität ist keine
exklusive Eigenschaft der in der derzeit stark um-
worbenen Kreativwirtschaft tätigen Menschen. Viel-
mehr entsteht sie durch die Auseinandersetzung
eines jeden sich wertgeschätzt fühlenden Bürgers
mit der eigenen und kommunalen Identität, durch
die Ermöglichung des kulturellen Ausdrucks und die
Auseinandersetzung mit Fremdem, die in verdichte-
ter Form durch das Aufeinandertreffen unterschied-
licher Menschen auftreten.
Um sich den gesellschaftlichen Herausforderungen
des Zusammenlebens zu stellen, welche diese kultu-
relle Vielfalt mit sich bringt, ist innerhalb der Stadt-
gesellschaft eine diskursive Auseinandersetzung
anzuregen. Kreativität ist also bereits immanent in
der Struktur heutiger Städte vorhanden und sollte
von der Stadtverwaltung erkannt, gefördert, mode-
riert und strategisch genutzt werden. Damit wird der
Kulturplanung im Cultural Planning im Rahmen des
allgemeinen politischen Handelns eine umfassendere
Aufgabe zugeschrieben: Es geht nicht mehr nur um
die Planung von Kunst und Kultur im engeren Sinne,
sondern um eine Stadtentwicklung, die von der vor-
handenen Lebenskultur ausgeht und die pluralis-
tisch, interkulturell und akteursübergreifend auszu-
richten ist und in einem fortwährenden Prozess die
Bürger beteiligt.
Da dieser Entwicklungsstrategie ein tieferes Ver-
ständnis der Stadt und ihrer Bevölkerung zugrunde-
liegt, ist eine dezidierte Informationsbeschaffung
erforderlich, die eine anschließend zu analysierende
qualitative und quantitative Datenbasis erzeugt. Am
Anfang eines solchen Stadtentwicklungsprozesses
steht deshalb ein Cultural Mapping. Dies ist ein
Prozess, der zur Erhebung, Dokumentation und
Visualisierung, kurz: zur Kartierung von Kultur, dient.
Er schafft eine Datenbasis, die zusätzlich auf einer
Karte verortet werden kann. Die Datenbasis ist je
nach Zielsetzung unterschiedlich groß, differenziert
und strukturiert. Für die Erhebung der Daten kom-
men nicht nur qualitative und quantitative sozialwis-
senschaftliche Methoden, sondern auch künstleri-
sche Methoden wie Fotografie, Zeichnungen, Film
und Höraufnahmen infrage. Somit wird Cultural
Mapping als Instrument angewendet, um kulturell
wichtige Ressourcen einer Stadt unter Partizipation
der Bevölkerung (z.B. mittels öffentlicher Workshops,
Begehungen, Befragungen) zu identifizieren und zu
Maria-Inti Metzendorf
Cultural Mapping und Cultural Planning
Eine besondere Form der Kulturplanung, die zugleich Stadtplanung ist, stellt das Cultural Mapping und CulturalPlanning dar, das Maria-Inti Metzendorf in ihrem Beitrag am Beispiel Mannheim vorstellt. Das Cultural Mapping gehtsowohl von einem erweiterten Kulturbegriff als auch von einem umfassenden Verständnis von Stadt und ihrenBewohnern aus. Die Partizipation an kulturellen Ressourcen und ihre Erschließung für Stadtteilentwicklungsprozessestehen dabei im Mittelpunkt.
dokumentieren. So wird zum einen die Grundlage
für weitere Diskussionen über die kulturellen Res-
sourcen der Stadt geschaffen und zum anderen
durch den Prozess selbst die Auseinandersetzung
der Bürger mit ihrer Stadt aktiviert.
Es lassen sich zwei Themenbereiche unterscheiden:
Die Erhebung von tangiblen kulturellen Ressourcen
wird als Resource Mapping, die von intangiblen kul-
turellen Ressourcen als Identity Mapping bezeichnet.
Zu den zu erhebenden sichtbaren kulturellen Res-
sourcen können z.B. gehören: die Künste, die
Medien und ihre Institutionen, Jugendkultur, lokale
Feste, Vereine, die natürliche und erbaute Umwelt
und der öffentliche Raum, die Orte, an denen Men-
schen interagieren, wie Märkte, Clubs, Cafés und
Restaurants oder wissenschaftliche Einrichtungen. Zu
den immateriellen Ressourcen können z.B. zählen:
die Stadtgeschichte, lokale Traditionen sowie die
Repräsentation der Stadt durch die Medien, die
Künste oder das Stadtmarketing sowie das implizite
Wissen über die Mobilität innerhalb einer Stadt, wie
es z.B. Fahrrad- oder Rollstuhlfahrer und Jogger
besitzen.
Ergebnis des Cultural Mapping ist eine Dokumenta-
tion von Kultur, die zur Analyse und weiteren Pla-
nung herangezogen werden kann. Die entstehende
und fortwährend zu aktualisierende Datenbasis und
Karte können vielfältig eingesetzt werden: Als Pla-
nungsgrundlage für den Entwicklungsprozess der
Stadt, als Grundlage für Analysen der Kulturszene,
zur Vernetzung der in der Stadt wirkenden Akteure,
als Kommunikationsinstrument mit den Bürgern, als
Reisekarte für den Tourismus und als Instrument der
Identitätsbildung einer Stadt. Die sich anschließende
Interpretation der Daten erfolgt idealerweise in
Rückkopplung mit allen involvierten Akteuren. Auch
ist eine zeitnahe Umsetzung der erarbeiteten Lö-
sungen zu gewährleisten, um die Glaubwürdigkeit
der kooperativen Stadtentwicklung nicht zu gefähr-
den.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Projektphasen Cultural Mapping in Mannheim
Hierbei wird deutlich, dass Cultural Planning und
Cultural Mapping Stadtentwicklungsinstrumente sind,
die langfristig implementiert werden müssen, um re-
alistische Handlungsstrategien entwerfen zu können.
Die Herausforderung dieser kulturellen Entwicklungs-
strategie besteht in der kontinuierlichen Einbezie-
hung sämtlicher Milieus und dem hohen Kommuni-
kationsaufwand, der finanzielle und personelle Res-
sourcen erfordert. Diese Investitionen können sich
jedoch langfristig durch die Erarbeitung nachhaltige-
rer Lösungen sowie durch eine tiefere Identifikation
der Bürger mit ihrer Stadt lohnen.
Die Stadt Mannheim hat im Rahmen der Vorberei-
tung auf eine Bewerbung zur Europäischen Kultur-
hauptstadt im Herbst 2011 ein Cultural Mapping
Projekt angestoßen. In der ersten Projektphase geht
es vor allem um die erste Erfassung und systemati-
sche Konsolidierung der vorhandenen Daten über
kulturelle Ressourcen, die in den Fachbereichen der
Stadt bereits vorliegen. Das Ergebnis ist eine struk-
turierte Datenbasis, die als Grundlage zur Visualisie-
rung der Daten als webbasierte Karte dient. Die so
geschaffene Datengrundlage wird genutzt, um in den
weiteren Projektphasen ausgebaut werden zu kön-
nen und mit den Bürgern sowohl inhaltlich als auch
formal überarbeitet und möglichst breit diskutiert zu
werden.
Weiterführende Literatur: Metzendorf, M.I. (2011): Cultural Planning und CulturalMapping: Kartierung und Analyse von Kultur alsGrundlage für Stadtentwicklungsprozesse. In: Kultur-politische Mitteilungen, Heft 133 (II/2011), S. 56f.Online unter: http://www.kupoge.de/kumi/pdf/kumi133/kumi133_56-57.pdf
Baker, G. (2010): Rediscovering the wealth of places: amunicipal cultural planning handbook for Canadiancommunities, St. Thomas.
Kovacs, J. F. (2009): The cultural turn in municipal plan-ning, Waterloo. Online unter: http://uwspace.uwater-loo.ca/bitstream/10012/4514/1/Kovacs%20Jason%20F_PhDthesis_.pdf
Creative City Network of Canada/2010 Legacies Now(2007): Toolkits. Online unter: http://www.2010lega-ciesnow.com/fileadmin/user_upload/ExploreArts/Toolkits/CultureMapping.pdf und http://www.2010legaciesnow.com/fileadmin/user_upload/ExploreArts/Toolkits/CulturalPlanning_Toolkit.pdf
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Das Cultural Planning und Mapping gab Impulse, Kultur noch stärker als
bisher als Entwicklungsfaktor wahrzunehmen, die Potenziale von Kultur
strukturierter zu »mappen« und neue Steuerungsstrukturen zu entwickeln.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Die Diskussion über die Entwicklungspotenziale
der Hamburger Stadtteilkultur und über die Fra-
ge, inwieweit das Cultural Planning und Mapping
Impulse für Hamburg geben könnte, beleuchtete aus
vielen verschiedenen Richtungen die Frage, wie das
Zusammenspiel von Verwaltung und Kulturzentren,
aber auch mit Politik und Stadt(teil)bewohnern
gestaltet werden könnte, damit öffentliches Geld
zum Wohle der Stadt und zielorientiert eingesetzt
werden kann.
Aus der Perspektive der Verwaltung fragt man sich,
wie politische Vorgaben gestaltet werden könnten,
damit sie von kulturellen Einrichtungen als willkom-
mene Bekräftigung erlebt werden und nicht als
Bedrohung. So habe man es erlebt, dass Kulturein-
richtungen den Bedarf für den Ausbau von Angebo-
ten in Richtung bestimmter Zielgruppen wahrgenom-
men und entsprechende Angebote entwickelt hätten.
Als aber die Verwaltung etwas Konkretes definieren
wollte, gab es vonseiten der Kulturzentren Wider-
stand, da sie aufeinem »kulturellen Freiraum« be-
harrten.
Dörte Inselmann führte dazu aus, dass die Kultur-
zentren und Geschichtswerkstätten im Laufe des
Evaluationsprozesses auf einen definitionsfreien
Freiraum bestanden hätten. Es werde eine Leistungs-
vereinbarung zwischen Kultur und Verwaltung getrof-
fen. In diesen Vereinbarungen werde nur ein Leis-
tungsumfang definiert, die Ausgestaltung der Leis-
tungen müssten in der Regie der Einrichtungen blei-
ben – Freiräume könnten nicht verordnet werden.
Das sei eine hohe Qualität, welche die Hamburger
Stadtteilkultur aufweist, die essenzieller Bestandteil
ihrer Erneuerungsfähigkeit sei und die Hamburg
auch erhalten bleiben muss.
Werner Frömming führte die Bildungsoffensive Elb-
inseln als Beispiel eines gelungenen Verständigungs-
prozesses zwischen Verwaltung und Akteuren ein:
Kultur arbeite potenzialorientiert und könne so auch
z.B. Entwicklungsprozesse im Bildungsbereich berei-
chern. Die Bildungsoffensive Elbinseln sei defizito-
rientiert gestartet, Ausgangslage sei die Feststellung
gewesen, dass es zu viele Schulabgänger ohne
Abschluss, einen zu schlechteb Übergang Schule
Beruf, etc. gebe. Durch Impulse des Handlungsfeldes
kulturelle Bildung sei im Laufe der Zeit mehr von
den Menschen aus dem Stadtteil ausgegangen, ihr
Potenzial sei wahrgenommen worden und auf diese
Weise seien sie auch für den umfassenden Entwick-
lungsprozess auf den Elbinseln gewonnen worden.
Dörte Inselmann merkte an, dass es ja nicht nur da-
rum gehe, wie Stadtteilkultur gesteuert werde, son-
dern besonders auch um die Effekte, welche die
Zentren erzielten. Dabei könne das Cultural Planning
ggf. eine sinnnvolle Bereicherung sein.
Malte Krugmann hält das Instrument Cultural Plan-
ning und Mapping für eine Großstadt wie Hamburg
nicht geeignet, weil es so viele Kulturinitiativen ge-
be, dass deren Abbildung unübersichtlich werde
oder gar der Politik den Eindruck vermittele, es
gebe schon genug Kultur.
Thea Eschricht merkte an, dass der erweiterte Kul-
turbegriff – die Stadt als Kultur – als Definition in
Hamburg durchaus schon geläufig sei. Sie habe es
eher so verstanden, dass es darum gehe, den künst-
lerisch und kulturellen Bereich zu fokussieren: Was
trüge (Stadtteil)Kultur zu Stadentwicklungsprozessen
bei? Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt
führe dies mit, da sie Kultur als Handlungsfeld ins
Rahmenprogramm Integrierte Stadtentwicklung
(RISE) aufgenommen habe. Ein Impuls aus dem
Ansatz des Cultural Plannings könne eine Erwei-
terung auf den Nutzungsaspekt sein. Hamburg biete
eine Art Monitoring an, dies sehe derzeit jedoch
noch keine Verbindung von Gebäuden und
Nutzungen vor.
Dörte Inselmann wies darauf hin, dass man differen-
ziert betrachten solle, wer welche Rollen und Aufga-
ben habe. Die Einrichtungen seien für Folgendes
zuständig:
• Impulse zu setzen, Neues zu entwickeln und aus-
zuprobieren,
• Trends aufzuspüren,
AG-Diskussionsprotokoll »Cultural Mapping und Cultural Planning«
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• Vertragssteuerung: Koproduktion öffentlicher
Güter: »Wie können wir das gemeinsam entwi-
ckeln?« (Selbstregulierung)
Dörte Inselmann hob Kultur als Entwicklungsfaktor
u.a. auch für die Identitätsbildung der Stadt hervor.
Stadtkultur stehe für ergebnisoffene Aktivierung und
für Gestaltungsräume von Menschen. Sie leistet
ihren Beitrag für eine adäquate Übersetzung der
Kultur einer internationalen Stadtgesellschaft.
ResümeeDie sich an die Fachinputs anschließenden Dis-
kussionen haben folgende Kernpunkte ergeben:
• Das Cultural Planning und Mapping eignet sich
nicht für den gesamten Stadtraum Hamburgs, eine
Beschränkung auf einen Stadtteil oder einen
Kulturbereich müsste vorgenommen werden.
• In einigen Stadtentwicklungsgebieten wurde etwas
Ähnliches schon umgesetzt, dies gilt es zu syste-
matisieren und eine gezielte Auswahl der Stadt-
teile zu treffen.
• Die Ergebnisse eines für Hamburg entwickelten
»Mappings und Plannings« für Stadtteilentwick-
lungsgebiete sollte als Basis für weitergehende
Diskurse dienen.
• Vor dem Hintergrund des Cultural Plannings und
Mappings zeigte sich nochmals sehr deutlich, dass
Stadtteilkultur in Hamburg eine wichtige Funktion
als Entwicklungsfaktor einnimmt.
• Der Evaluationsprozess der Stadtteilkultur zeigt
den Weg in Richtung Diskurs – dazu bedarf es
einer neuen Planungs- und Steuerungskultur, die
sich an Inhalten orientiert und eine Zivilgesell-
schaft mit Governance gestaltet.
• Es gilt zu aktivieren und Gestaltungsräume zu er-
öffnen, die eine neue Verantwortungsverteilung –
und neue Beteiligungsformen –- mit sich bringen.
• Querschnittaufgaben, wie es die Stadtteilkultur
eine ist, erfordert eine weitere Öffnung und
Verzahnung der Ressorts.
• Eines der wichtigsten Ergebnisse der Diskussion
war die Empfehlung sowohl der Zentren als auch
der Verwaltung, zukünftig mehr über Inhalte als
über Geld zu steuern. Eine Potenzialentwicklung
der Stadtteilkultur würde so im Diskurs über
Bedarfe und Ziele gestaltet werden.
• Bürgerbedarfe und Potenziale,
• Potenzialförderung insbesondere in Stadtteilen mit
Entwicklungsbedarf.
Die Verwaltung sei zuständig für die Bedarfe der
Initiativen und Bürger, die gefördert werden wollen.
Sie solle Vorlagen und Statements für die Politik
erarbeiten und Erfahrungen aus anderen Abteilungen
einbeziehen.
Die Aufgabe der Politik sei es, aus diesem Konglo-
merat neue Förderinstrumente und -strategien zu
entwickeln.
Dabei sei es wichtig, die verschiedenen Fachbehör-
den interdisziplinär einzubeziehen, um damit dem
Querschnittcharakter der Kultur gerecht werden zu
können, damit sie den Herausforderungen der Zu-
kunft auch von den Ressourcen her gewachsen sei.
Aspekte des Plannings und MappingsAuf Nachfrage erläutert, Maria-Inti Metzendorf, dass
Mannheim mit 330.000 Einwohnern eher vergleich-
bar mit einem Bezirk sei und die kulturelle
Landschaft längst nicht so ausgeprägt sei. In Mann-
heim liege derzeit noch der Schwerpunkt auf dem
Planungsprozess, der nächste Schritt sei eine Beteili-
gung der Bürger sowie die Entwicklung neuer Steue-
rungsstrukturen.
Anke Amsinck (BARMBEK°BASCH) erzählt, dass in
vielen Stadtteilentwicklungsprozessen Kulturpläne
entstanden seien, dass es jedoch darum, die Ergeb-
nisse von Beteiligungsprozessen, die derzeit eher in
Richtung Alibi-Beteiligung der Bürger gingen, wir-
kungsmächtig in Steuerungsprozesse einfließen zu
lassen.
Nico Schröder, Leiter des Fachamtes Sozialraumma-
nagement des Bezirkes Nord führte aus, dass die
Evaluation mit einer Art Bestandserhebung beginnen
müsse, die noch nicht geförderten Einrichtungen
würden dann aber im Diskurs auch bedacht werden.
Malte Krugmann führte aus, dass Prinzipien der Go-
vernance zukünftig Einzug in Steuerungsprozesse
halten sollten. Es gehe dabei um Aktivitäten, die ori-
ginär aus der Zivilgesellschaft entstanden sind. Die
Steuerungsmechanismen der Governance seien:
• Dezentralisierung: neue Aufgabenverteilung
• Verselbstständigung: neue Verantwortungsvertei-
lung
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
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Ausgangspunkt ist zunächst das Controllingsys-
tem der Stadtteilkultur, bestehend aus folgen-
den Instrumenten: Kennzahlen, Ziel- und Leistungs-
vereinbarung, Sachbericht und Erfolgskontrolle.
Es besteht eine teilweise unterschiedliche Praxis in
den Bezirken bzw. den Einrichtungen in der Hand-
habung dieser Instrumente sowie eine Kritik an
Aufwand und Akzeptanz dieser Verfahren. Die rein
quantitativ erhobenen Kennzahlen geben kein Bild
der tatsächlichen Leistungen einer Einrichtung wie-
der. Beispiel: Eine Disco wird mit 500 Besuchen
gezählt, eine intensiver Theaterworkshop mit fünf
Teilnehmern. Die Kennzahl 505 Besuche sagt nichts
über die Qualität und das Potenzial der Angebote
aus. Die jährlich vorgelegte Ziel- und Leistungsver-
einbarungen sowie die Sachberichte werden umfäng-
lich produziert, es wird aber nur in Ausnahmefällen
darüber kommuniziert. Das System der Erfolgskon-
trolle in der Stadtteilkultur wurde in den 90er-Jahren
erarbeitet. Die Handhabung hat sich recht unter-
schiedlich entwickelt, ein reflektierter Nutzen aus
den Ergebnissen wird nur am Rande ermöglicht.
Als Ziele der Wirkungs- und Wirtschaftlichkeits-
messung sind die Unterstützung der Kultureinrich-
tungen bei einer bedarfsgerechten Angebotsrea-
lisierung und dem rechtzeitigen Aufzeigen von
Chancen und Risiken, verbunden mit einer kontinu-
ierlichen Verbesserung der Arbeitsqualität, hervorzu-
heben. Weiter sind die Rechenschaftsablegung
gegenüber der Bürgerschaft sowie die Überprüfung
der qualitativen und quantitativen Zielerreichung
zentrale Funktionen. Festgestellte Messgrößen sind
aber auch immer Anlass für Befürchtungen in Bezug
auf eine grundsätzliche Veränderung der Zuwen-
dungshöhen.
Kennzahlen sind aber auch Instrumente der Öffent-
lichkeitsarbeit und dienen der Rechtfertigung der
Arbeit. Kritisiert werden ungenaue Erhebungs-
standards und die Relativierung der Aussagekraft
durch Durchschnittszahlen. Das System soll nicht pri-
mär zur Vergleichbarkeit der Zentren und der Ge-
Ralf Henningsmeyer
Wirkungsmessung in der Stadtteilkultur
Ralf Henningsmeyer, Geschäftsführer des Stadtteilkulturzentrums GWA St. Pauli, erläutert den aktuellen Sachstand desControllingsystems für die Hamburger Stadtteilkultur und den Diskussionsstand im Rahmen des Evaluationsprozesses.Im Hinblick auf eine mögliche Weiterentwicklung der Erfolgskontrolle, Kenzahlenerfassung, Ziel- und Leistungs-vereinbarungen sowie des Sachberichtswesens arbeitet er Defizite und Konfliktlinien heraus.
QUALITÄTS- UND ERFOLGSKONTROLLE
Die Hamburger Stadtteilkultur verfügt über ein ausgereiftes und bundesweit bis heute unerreichtes Verfahren derKennzahlenerhebung in Kombination mit einer Erfolgskontrolle, die quantitative und qualitative Verfahren kombiniert.Ralf Henningsmeyer skizziert den aktuellen Diskussionsstand zur Wirkungsmessung in der Stadtteilkultur im Evalua-tionsprozess. Der Kulturmanager und Unternehmensberater Sven Oliver Bemmé hat sich mit diesem Instrumentarium,das auch auf andere Kulturbereiche übertragbar ist, auseinandergesetzt. Bemmé erarbeitet mit den Teilnehmerinnenund Teilnehmern Ansätze einer für Kultureinrichtungen und -projekte nützlichen Qualitäts- und Erfolgskontrolle. Diesgeschieht vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Weiterverarbeitung der Evaluation der Hamburger Stadtteilkultur.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
schichtswerkstätten dienen, sondern zur besseren
gemeinsamen Abdeckung der erkannten Bedarfe und
Potenziale im Sozialraum. Entscheidend dabei ist,
dass es sich nicht um ein Ranking handeln soll,
aber dass Vergleichbarkeit dazu genutzt werden
kann und soll, voneinander zu lernen.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass Controlling-
systeme nie die Gesamtheit der Leistungen (die
Realität) abbilden können, sie wirken stets nur
exemplarisch.
Ein effektives Controllingsystem muss immer auch
die direkte Kommunikation zwischen Zuwendungs-
nehmer und Zuwendungsgeber beinhalten, aber
auch die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Zentren
sowie der Geschichtswerkstätten berücksichtigen.
Ein modifiziertes Controllingsystem soll die Chance
bieten, den Aufwand bei der Erstellung der Daten
und Berichte zu vermindern und gleichzeitig die
Lesbarkeit der Ergebnisse zu verbessern.
Im Rahmen der Evaluation wird vorgeschlagen,
neben den bestehenden Globalzielen und den Zielen
der Einrichtungen, eine Zielebene in den Bezirken
einzuführen. Hier ist zu erörtern, welches Interesse
die jeweiligen Bezirke an einem Diskurs über über-
greifende Ziele der Stadtteilkultur haben. Ein Vorteil
wird darin gesehen, dass die Bezirke (sprich:
Verwaltung und Politik) in einen regelmäßigen
Dialog mit den Akteuren der Stadtteilkultur kämen
und ein Aushandlungsprozess über Möglichkeiten
und Anforderungen der Stadtteilkultur erfolgen
könnte. Die gemeinsame Erörterung kann zu einer
Identifizierung mit den Zielen aller Beteiligter führen.
Hierbei könnte auch eine Vereinbarung über eine
fünfjährige Zeitachse für die Gültigkeit der Ziele
erfolgen.
Als gedachtes Verfahren eines weiter »herunterge-
brochenen« Controllings könnten die Zentren ein bis
drei Schwerpunktziele benennen (je nach Größe der
Einrichtung). Damit könnte auch eine Profilierung
der Einrichtungen sichtbar werden. Auf der untersten
Ebene benennen die Zentren mehrere Vorhaben pro
Ziel, die in einer Soll/Ist-Matrix evaluiert werden
(qualitativ und quantitativ). Im Bereich der Offenen
Kinder- und Jugendarbeit wird ein entsprechendes
Verfahren seit Kurzem durchgeführt. Aspekte daraus
könnten für den Bereich der Stadtteilkultur übertra-
gen werden.
Einrichtungen, die rein ehrenamtlich arbeiten (im
Bereich der Geschichtswerkstätten), sollten von die-
sem Verfahren befreit werden.
Evaluationen können Kulturorganisationen und -projekte helfen, sich qualitativ und quantitativ weiter zu entwickeln.
Wie kann es gelingen, eigene Erfolge im
Kulturbetrieb und in Kulturprojekten messbar
zu machen und daran nachweislich weiter zu wach-
sen bzw. besser zu werden? Die nachfolgenden
Grundgedanken beleuchten drei Leitfragen:
• Was bedeutet Evaluation?
• Was macht Evaluationen so unbeliebt?
• Was sind Potenziale im Kulturzusammenhang?
Was bedeutet »Evaluation«?Evaluation bedeutet wörtlich »Bewertung«, inhaltlich
eher »Untersuchung«. Der Begriff »bezeichnet die
systematische Beschreibung, Bewertung, Beurteilung
und Beeinflussung eines Objektes in Beziehung auf
ein Subjekt«1. Etwas weniger abstrakt lässt sich dar-
unter die Beurteilung von Projekten und Program-
men mittels wissenschaftlichen Methoden verstehen,
wobei mögliche Evaluationsgegenstände beispiels-
weise »das Konzept, der Vollzug bzw. die Umset-
zung, die Leistungen und die Wirkungen von Pro-
jekten oder Programmen« sein können.2
Evaluationsverfahren umfassen üblicherweise »die
systematische und zielgerichtete Sammlung, Analyse
und Bewertung von Daten« und haben insofern
meist einen direkten Bezug zu Themen der Quali-
tätssicherung und Qualitätskontrolle.3 Evaluationen
werden gezielt anhand (sozial-)wissenschaftlicher
Methoden durchgeführt, um Qualität, Funktionalität,
Wirkung oder Nutzen bestimmter Evaluationsgegen-
stände zu bestimmen.4 – Einer ihrer pragmatischen
Vorzüge ist, dass sie gelenkt sind vom jeweiligen
Erkenntnis- und vom Aussageinteresse, d.h. dass sie
insbesondere im qualitativen Bereich von den je-
weils beteiligten Akteuren den jeweiligen Bedürfnis-
sen adäquat angepasst und weiterentwickelt werden
können. Zugleich generieren Evaluationen nicht sel-
ten Widerstände in der Organisation, auch im Kul-
tur-, Sozial- und allgemein im Non-Profit-Betrieb.
Was macht Evaluationen so unbeliebt?Wie bei fast allen Arbeitsmethoden mit gleichzeitig
wissenschaftlichem und managementaffinem Charak-
ter, gibt es eine Vielzahl potenzieller Einwände, ins-
besondere seitens der evaluierten Organisation und
ihres Organisationspersonals. So berechtigt die
Einwände emotional einerseits sind, so wichtig ist
dabei andererseits zu bedenken, dass sie letztlich
vielmehr die zentrale Aufgabe formulieren sollten,
das jeweilige Evaluationsinstrumentarium den indivi-
duellen Bedürfnissen, Werten und organisationalen
Voraussetzungen der betrachteten Organisation
anzupassen. Typische Ein- und Befürchtungen sind:
• Fremdsteuerungsempfinden: Evaluationen kommen
vermeintlich immer von außen und bringen daher
auch am ehesten Außenstehenden einen Nutzen,
meist denjenigen, die am längeren Hebel sitzen
(Förderer, Geldgeber, Sponsoren usw.).
• Zuwendungs- und Abhängigkeitsdenken: Je besser
eine Kulturorganisation belegen kann, dass und
wie gut (effizient und effektiv) sie ist, bzw. dass
sie immer besser wird, desto schneller werden
ihre Zuwendungen vermeintlich weiter gekürzt –
weil sie diese aufgrund der höheren Effektivität
und Effizienz schließlich nun nicht mehr (so drin-
gend) benötigt:
• Arbeitsbelastung: Ausgerechnet in Zeiten knapper
Budgets und Personaldecken sollen die am mei-
sten Betroffenen zusätzliche Zeitfenster für die
Eigen- und Fremdbewertung freimachen.
• These der Überkomplexität: Bevor ein Evaluations-
system überhaupt ordentlich funktionieren kann,
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Sven Oliver Bemmé
Evaluation im Kulturbetrieb Grundgedanken zur Erfolgskontrolle
Im folgenden Beitrag beleuchtet Sven Oliver Bemmé die Bedeutung von Evaluationen, ihren schweren Stand
im Kulturbereich und welche Potenziale jedoch kulturspezifische »Bewertungen« für die Qualitätsentwicklung
entfalten können.
Da bei dieser Ausgangswahrnehmung letztlich alles
besser ist als die Worst-Case-Alternative bzw. die
größte anzunehmende Bedrohung (kein Geld mehr),
resultieren aus defizitverursachten Planungs- und
Entwicklungsbestrebungen üblicherweise weniger
konkrete Ziele sowie eher aktionistische und wenig
effektive/effiziente Handlungen – oder im schlimms-
ten Fall radikale Kahlschlag-Ansätze (Restrukturie-
rung).
Idealtypisch ist das Gegenteil der Fall, d.h. die Be-
teiligten versprechen sich etwas Positives vom neu
Entstehenden, sind gewillt und in der Lage, dies in
Form von Zielen konkret und prägnant zu beschrei-
ben, und verabreden gemeinsam mit dden anderen
Akteuren sinnvolle Schritte, die mit höchstmöglicher
Wahrscheinlichkeit zum Wahrwerden der gewünsch-
ten Zukunft führen.
Veränderung mit Ausblick, d.h. als ein gewollter Pro-
zess »hin zum Guten«, führt mit höherer Wahr-
scheinlichkeit zu konkreten, plausiblen und machba-
ren Zielen. Eine Beispielaussage könnte lauten: »Wir
wollen die Möglichkeiten der Evaluation nutzen, um
den Mehrwert der von uns erbrachten Arbeit eindeu-
tig zu belegen und unsere Relevanz für unsere Ziel-
gruppen zweifelsfrei zu begründen.«
Diesbezüglich für die Entwicklung von Selbststeue-
rungsansätzen zu werben, ist dieser Tage doppelt
sinnvoll, denn Tatsache ist: Auch jede Handlungs-
unterlassung einer Organisation führt über kurz oder
lang zu einer Organisationsveränderung. So wie
Menschen nicht nicht kommunizieren können, ist
auch jede Nicht-Handlung letztlich eine Handlung
mit Folgen, da Menschen oder Organisationen nicht
entkoppelt von ihrer Umwelt existieren, sondern
vielmehr eng mit ihr vernetzt sind. Anders gesagt:
Wer sich nicht selbst ändert, der wird verändert.
Wer nicht von sich aus anfängt, die eigene Weiter-
entwicklung zu planen, der plant in Wirklichkeit oft-
mals, eher ganz bewusst nicht anzufangen. Men-
schen und Organisationen tendieren im Angesicht
von Druck oder Stress (von innen oder außen) und
der daraus resultierenden Verunsicherung (Angst)
wahlweise zu blindem Aktionismus oder aber dazu,
sich zurückzuziehen und stillzuhalten, bisweilenQU
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müssten zunächst einmal andere Strukturen gene-
rell verbessert werden.
• Exklusivitätsanspruch erbrachter (Kultur-)Leistun-
gen: Das dauerhafte Angebot bestimmter (kulturel-
ler, sozialer oder bildungsorientierter) Leistungen
ist in der Wahrnehmung mancher selbstlegitimie-
rend – wer hierfür messbare Belege suchen muss,
hat das Prinzip dieser Leistungen in ihren Augen
nicht verstanden.
• These der Nicht-Messbarkeit: Insbesondere viele
Non-Profit-Angebote lassen sich laut Aussage vie-
ler Bereitsteller weder adäquat in Zahlen abbilden,
ist es sinnvoll, sie (aufgrund ihrer Einzigartigkeit
und Einzelwertigkeit) qualitativ zu vergleichen.
Der kleine Auszug zeigt, dass die erfolgreiche
Einführung und Nutzung von Evaluationsmethoden
zunächst einmal eine bestimmte Grundhaltung vor-
aussetzt – seitens der Evaluatoren und der
Evaluierten. Idealerweise entwickeln daher beide
Gruppen die Evaluationsziele und zu den Zielen pas-
sende (d.h. sowohl plausible als auch machbare)
Maßnahmen gemeinsam.
Potenziale und Voraussetzungen fürEvaluationen im KulturzusammenhangFolgt man der Psychologie und der Verhaltensfor-
schung steuert das Interesse die menschliche Wahr-
nehmung, d.h. Menschen suchen in ihrer Umwelt
vorzugsweise nach bestätigenden Informationen für
ihre bereits vorhandenen und verinnerlichten per-
sönlichen Glaubenssätze. Dieses Phänomen der
sogenannten »Mustererkennung« (engl. »pattern
recognition«) legt nahe, dass die Entwicklung und
Implementierung von Evaluationsverfahren – wie
jede andere Organisationsentwicklungsmaßnahme –
umso schwieriger oder gar unmöglich wird, wenn sie
aus einer überwiegend zweckpessimistischen Grund-
haltung heraus geschieht, bzw. nur auf Basis erkann-
ter / empfundener Defizite vorangetrieben wird.
Veränderung unter Leidensdruck (»weg vom Schlech-
ten«) folgt einem dem Menschen innewohnenden
Fluchtbestreben. Es kommt beispielsweise in Aus-
sagen zum Ausdruck wie: »Wenn wir bei der Evalua-
tion nicht mitmachen, werden uns die Mittel zusam-
mengestrichen...«
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
unter dem Vorwand, dass einen »das operative
Geschäft« (real ein nicht selten selbstorganisatorisch
bedingter Zeitmangel) gerade »auffrisst«.
Wer umgekehrt die meiste Zeit nur Pläne schmiedet,
wie eine bessere Zukunft im Detail aussehen müsste
und was vorher alles im Kleinsten aller Details orga-
nisiert werden könnte oder sollte, damit es klappt,
der vergisst nicht selten das Handeln. Ein guter Plan
taugt so lange nichts, bis er in die Tat umgesetzt
und ggf. auf dem Weg zum Ziel angepasst und opti-
miert wird.
So wie letztlich jedes Management-Instrument, ba-
sieren auch die erfolgreiche Entwicklung und der
dauerhafte Erfolg eines Evaluationssystems auf der
Entscheider- und Umsetzungskompetenz der beteilig-
ten Akteure. Erfolgreiche Evaluation ist ein Hand-
lungs- und kein Planungsansatz. Und wenn die jahr-
hundertealte Managementlehre sich nicht irrt, so ist
Gut oder Schlecht am Ende nicht eine Frage der ge-
wählten (Evaluations-)Methodik oder des (Evalua-
tions-) Instruments. Vielmehr ist vorher gemeinsam
zu klären, ob die zugrundeliegenden Ziele und die
dahinterliegenden Werte der Beteiligten in Ordnung
sind und auf Konsens aufbauen.
Versteht man die oben genannten Entwicklungsein-
wände und Umsetzungswiderstände weniger als
Problem, als vielmehr als Aufgabenstellung und
Umsetzungsanforderung, so leitet sich für die betei-
ligten Akteure ein pragmatischer Katalog zu beant-
wortender Entwicklungsfragen ab. Generell gilt hier-
bei, die geäußerten Einwände und Widerstände
ernst zu nehmen, zu sammeln und gemeinsam auf-
zuarbeiten, indem davon ausgegangen wird, dass
derjenige, der das »Problem« hat und es somit am
besten kennt, auch am besten in der Lage sein wird,
die daraus abzuleitenden Aufgabenstellungen zu for-
mulieren und sie mit zu lösen.
Wesentliche Leitfragen bei der Konzeption von Eva-
luationsinstrumenten (nicht nur) im Kulturbereich
sind entsprechend:
• Welchen gemeinsamen Nutzen soll das Instrument
für die beteiligten Akteure (Kulturbetriebe, Verwal-
tung, Politik, Leistungsabnehmer/innen usw.)
haben?
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Beim RATSCHLAG diskutieren Experten aus Theorie und Praxis.
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Die beteiligten Akteure sollten in der Folge sowohl
für die eigene Organisation als auch gemeinsam klä-
ren:
• Welche Chancen bietet die Entwicklung in Bezug
auf die eigene Qualität, Stellung und Weiterent-
wicklung?
• Wer profitiert außerhalb der individuellen Orga-
nisation und gemeinsamen Entwicklungsgruppe,
z.B. auch lokal, regional und überregional?
• Welche Erfahrungen aus vorangegangenen Ent-
wicklungs- und Evaluationsprozessen lassen sich
ggf. übernehmen? Was ist gut geglückt – und wie?
Was ist schwergefallen – aus welchem Grund?
• Was ist zu tun, um bereits bestehende Instrumen-
te und Ansätze besser und übertragbar zu ma-
chen, u.a. bezogen auf Akteure und Betroffene
sowie auf einrichtungs- und projektspezifische
Anforderungen?
Im Ergebnis muss ein Instrument stehen, das für alle
Beteiligten mit dem gleichen Verständnis aufzeigt:
Evaluations- Wozu wird evaluiert (z.B. gemeinsame
ziel Verbesserung des Gesamtangebots
oder Verbesserung einzelner)?
Akteure Wer evaluiert und für wen? .
Evaluations- Was wird evaluiert (z.B. nur die In- .
gegenstand halte, nur der Prozess – oder eine
Mischung aus beidem)?
Evaluations- Wie wird evaluiert (z.B. quantita- ..
methodik tiv, nur qualitativ – oder eine Mi-
schung aus beidem)?
Zeitpunkt Wann/bis wann wird jeweils evaluiert ..
und Zeitlauf (z.B. vorher, nachher, im Prozess oder
durchgängig)? .
Typische Konfliktlinien auf der inhaltlich-sachlichen
Ebene sind insbesondere bezogen auf die Evaluation
sogenannter »weicher« (qualitativer) Faktoren:
Je fester/starrer der definierte Kriterienkatalog, desto
aussagekräftiger und genauer ist die Datenkumu-
lation, desto weniger vergleichbar sind jedoch die
Einzelergebnisse untereinander.
• Welche gemeinsamen Zusatzvorteile und ge-
wünschten Konsequenzen – explizit auch solche,
die über die Zuwendung und Finanzierung hinaus-
gehen – resultieren aus den zu erwartenden Eva-
luationsergebnissen; wozu sollen sie dienen?
• Wie umfassend und komplex darf das Evaluations-
system sein, damit es für alle beteiligten Akteure
dauerhaft anwendbar und beherrschbar bleibt?
• Wie kann/muss das entstehende
Evaluationssystem (oder ggf. einzelne Systemteile)
den individuellen Zielen und Möglichkeiten der
beteiligten Organisationen angepasst werden,
damit es im Organisationsalltag funktional und
zugleich realisierbar ist?
• Welche gemeinsamen Werte und Grundannahmen
(z.B. hinsichtlich des kulturellen Gesamtangebots)
bilden die Basis für ein gemeinsames und auf
Dauer legitimiertes und funktionierendes Evalua-
tionssystem?
• Welche quantitativen und qualitativen Kriterien
und Indikatoren sind nicht nur aussagekräftig,
sondern für die Erfüllung des Evaluationsziels
auch tatsächlich relevant, d.h. welche dienen allen
Akteuren und deren Zielgruppen?
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Beim Schlussakkord stellten die AGs ihre Ergebnisse
vor.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
ZusammenfassungEvaluation ist kein Hexenwerk, sondern ein anwen-
dungsorientiertes Instrumentarium zur quantitativen
und qualitativen Vorbereitung sowie zur Bewältigung
strategischer und operativer Alltagsaufgaben und
Anforderungen. Es ist daher ebenso von Mehrwert in
Kulturorganisationen wie in der Kulturprojektarbeit.
Evaluation kann gerade dort konstruktiv genutzt
werden, wo einerseits im Rahmen der Dezentralisie-
rung die Chance besteht, in einem zunehmend vom
formellen zum informellen Arbeiten tendierenden
Umfeld die eigenverantwortliche Selbststeuerung zu
übernehmen, und wo es andererseits zunehmend
schwerer fällt, die Position der eigenen Einrichtung
dauerhaft und ausschließlich über die unwägbare
Finanzierung »von oben« zu sichern.
Evaluationsmethoden sind nach innen und außen
gerichtete, handlungsorientierte Hilfsmittel im Orga-
nisationsmanagement. Sie bilden in Summe ein
pragmatisches Unterstützungssystem, das weniger
bei der Kontrolle als vielmehr bei der Selbststeue-
rung (Controlling), Potenzialerkennung und Quali-
tätsverbesserung seinen Kernnutzen unter Beweis
stellt. Voraussetzung dafür ist eine gemeinsame und
ziel- sowie nutzenorientierte Entwicklung im Diskurs
aller beteiligten Akteure.
Wie jedes methodische Hilfsmittel haben auch Eva-
luationen ihre Grenzen. Aufgaben werden nie von
Methoden gelöst, sondern immer von Menschen, die
in der Lage und gewillt sind, sich ihrer zu bedienen,
um gemeinsame Werte zu vertreten und gemeinsa-
me Ziele zu erreichen. Ein funktionierendes Evalua-
tionssystem kann dabei helfen, genau dies auch zu
belegen.
Ergänzung: Fragen aus dem Workshop-Plenum• Wer spricht bei der gegenwärtigen Zuwendungs-
verteilung und Erfolgsmessung im Alltag mit wem?
Wer sind die jeweiligen Akteure?
• Was ist INES (Verwaltungssoftware)?
• Wer hat Zugang zu den INES-Informationen?
• Wozu werden die INES-Daten genutzt?
• Werden die jeweiligen Oberziele für die Stadtteil-
kultur-Arbeit im Bezirk zwischen allen Akteuren ver-
einbart – oder sind sie vom Bezirk (Politik, Ver-
waltung) vorgegeben?
• Bedeutete eine Änderung des Zielsystems zugleich
die Abschaffung des Kennzahlensystems? (Wird das
Kennzahlensystem jemals verschwinden?)
• Was steht oben/an erster Stelle – die Kennzahl oder
das stadtteilkulturelle Ziel einer Einrichtung/Organi-
sation?
• Was sind bzw. waren die größten Kritikpunkte inner-
halb der AG Evaluation und (von außen) an den
Ergebnissen der AG-Arbeit im bisherigen/vorangegan-
genen Projektprozess?
• Gibt es (kostenlose oder niedrigschwellige) Schu-
lungsangebote zum Umgang mit den Evaluationsin-
strumenten für das Personal der Einrichtungen? Wird
es solche geben? Wer trägt die Kosten für notwendi-
gen Kompetenzaufbau in den Einrichtungen?
• Wozu (inhaltlich/substanziell) dienen die Kennzahlen
bezogen auf die Bürgerhäuser in den Bezirken.
Evaluation ist kein Hexenwerk, aber im Kulturbereich sensibel zu händeln.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
In der gut besuchten Arbeitsgruppe wollte man
herausfinden, ob und wie es möglich ist, mit
positiver Einstellung Qualitäten und Quantitäten in
der Kulturarbeit zu messen.
Im Vortrag von Ralf Henningsmeyer, der sich mit
dem Verfahren von Kennzahlen und Erfolgskontrolle
in der Hamburger Stadtteilkulturförderung ausein-
andersetzte, wurde schnell klar, dass mit der Mess-
barkeit von Erfolg ein komplexes und sehr aktuelles
Thema angesprochen wurde. Dabei werden nicht nur
Erfolge gezählt, sondern alles, was messbar ist:
Kurse, Veranstaltungen, Besucherzahlen etc.
Quantität und QualitätEvaluation der Quantität und Qualität von
Kulturprojekten ist ein auf den ersten Blick trocke-
nes Feld, das aber – wie Verständnisfragen zeigten,
– die jeweils im Anschluss an beide Vorträge gestellt
werden konnten – nicht nur Klärungs- sondern auch
Diskussionsbedarf hervorruft. Insbesondere durch
die noch laufenden Evaluationsverfahren der geför-
derten Stadtteilkulturzentren und Geschichtswerk-
stätten war das Thema sehr aktuell und es war ein
Anliegen der beteiligten Akteure, sich damit vertieft
auseinander zu setzen.
So kam nach dem Vortrag von Ralf Henningsmeyer
der Diskussionspunkt auf, wofür die Kennzahlenab-
frage genau bestimmt sei, d.h. wer diese Zahlen,
außer den Zentren selbst und den zuständigen
Bezirksstellen, zur Kenntnis nehme. Impliziert war
damit auch die Frage nach der fehlenden Ressource
für solche zusätzlichen, viel Zeit in Anspruch neh-
menden Aufgaben. Da sich in der Arbeitsgruppe
»Erfolg gern messen« viele Akteuren aus der Stadt-
teilkultur befanden (Politik, Verwaltung und Vertreter
der Stadtteilkultur), konnte eine Vertreterin der Be-
zirksämter erläutern, dass die Kennzahlen an Mit-
arbeiter der Bezirksämter weitergegeben werden und
auch für die eigene Kontrolle eingeführt worden
seien.
Ein weiterer Hinweis wurde im Hinblick auf das
Know-how beim Umgang mit den Kennzahlen gege-
ben. Eine schwierige Materie sei es, sie nach Ein-
arbeitung gut zu bearbeiten und die Möglichkeit der
Fortbildung bzw. Weiterbildung (bei eigener Finanzie-
rung) bestehe für alle Akteure.
Auch nach dem Vortrag von Sven Oliver Bemmé zum
Potenzial von Evaluation regten Verständnisfragen zu
weiteren Diskussionen an.
Bei der an die Vorträge anschließenden Thesen-
sammlung, moderiert durch Herrn Bemmé, sollten
gezielt die nützlichen Aspekte von Evaluation und
Qualitätskontrolle herausgearbeitet werden, um das
Positive der Prozesse in den Vordergrund zu rücken
und beim Schlussakkord eine effiziente Sammlung
vorstellen zu können. Gesammelt wurden Ausgangs-
punkte und ideale Entwürfe unter der Vorausset-
zung, dass das Verfahren für alle Beteiligten positiv
besetzt ist und zu für sie nützlichen Ergebnissen
führt.
Während dieser Sammlung von Ideen und Entwürfen
zeigten sich weitere Diskussionsansätze: Zum Bei-
spiel wurden die unterschiedlichen Wertmaßstäbe
angesprochen, die zwischen den Akteuren, der Ver-
waltung (und der Politik) herrschen. Es wurde klar,
dass es extrem schwierig ist, einen Konsens zu
schaffen, es aber ungemein wichtig sei.
Ein Teilnehmer merkte an, dass die gesammelten
Thesen auf der dargestellten Metaebene zu ungenau
und realitätsfern seien und man sich eine Einschät-
zung der Hamburger Situation, verbunden mit kon-
kreten Zielvorgaben, wünsche. So sollte z.B. ein
Agreement aller Beteiligten erreicht werden, wie man
in Zukunft mit der aktuellen Evaluation umgeht. Ein
schlankes System sollte geschaffen werden, bei dem
sich alle Akteure, Verwaltung und Politik (v.a. Kultur-
ausschüsse) zu einem regelmäßigen Austausch tref-
fen, um die Kommunikationsbasis dieser drei Grup-
pen zu stärken.
AG-Diskussionsprotokoll »Erfolg gern messen – Qualitäts- und Erfolgskontrolle«
Nach der Einschätzung von Herrn Bemmés kann
Hamburg durch die Evaluierungs-Situation im Bereich
der Stadtteilkultur als Vorzeigestadt fungieren. Er
ergänzte jedoch, dass ein schneller Evaluationsdis-
kurs entscheidend für den Ausgang der Evaluation
sei.
Als Negativbeispiel stellt er die Befragung der St.
Pauli Musikclubszene vor, die das Wirtschaftspoten-
zial der Clubs und das Potenzial von Subkultur ver-
deutlichen sollte. Von über 40 angefragten Musik-
clubs beteiligten sich lediglich zwei an der Evalua-
tion, obwohl die Fragen anonym kumuliert wurden.
Die Evaluation wurde dann nicht weiter verfolgt.
Gründe für diese Widerstände sieht Herr Bemmé vor
allem in der Angst der Akteure vor der Interpretation
der abgegebenen Zahlen. Zu gute Zahlen: warum
noch weiter fördern?, oder zu schlechte Zahlen: der
Club sollte vielleicht besser geschlossen werden. Es
könnten aber auch ehrenamtliche Mitarbeiter, die in
vielen Fällen die Clubs leiten bzw. unterstützen,
nicht immer genaue Zahlen, Umsätze und Verluste
nennen.
Transparenz hat ihren Preis: Sind die Ergebnisse
schlecht, ist die Quantität gering, kann es dazu füh-
ren, dass die Förderung hinterfragt und der Ruf nach
Schließung einer geförderten Einrichtung laut wird;
aber man sollte kleinen Initiativen Chancen geben,
denn auch sie tragen zur Attraktivität eines
Stadtteils bei.
Folgende Thesen wurden von den Teilnehmern
gesammelt:
Evaluation...
• dient dazu, bessere Entscheidungen zu treffen.
• ist ein Hilfsmittel, das unterstützen, nicht zerstö-
ren soll: Potenzial kann erkannt werden.
• an sich löst keine Aufgaben: Nur Macher, die wil-
lens sind, können Ziele erreichen.
Potenzielle Chancen und möglicher Nutzen durch
eine Evaluation:
• Kommunikation zwischen Verwaltung und Akteuren
ermöglicht eine Kultur des Umgangs und einen
Informationsfluss,
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Lässt sich Erfolg wirklich gern messen? Und wenn ja, wie? Welchen Nutzen haben Kulturorganisationen davon?
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Es wird diskutiert, ob gemeinsame Ziele in den Be-
zirken entwickelt werden und dann bezirksübergrei-
fend Handlungsanweisungen entstehen sollten: Ein
Vertreter der Politik sagt deutlich, dass sich die Aus-
schüsse nichts vorschreiben lassen möchten und
nach demokratischen Prozessen entscheiden. Dabei
entsteht die Frage, wie Stadtteilkultur in den Bezir-
ken definiert wird: Wer gehört dazu, wer gehört an
den runden Tisch. Sind es nur die geförderten Stadt-
teilkulturzentren, Verwaltung und Kulturpolitik oder
sollten nicht auch beispielsweise Bürgerhäuser und
im Stadtteil wichtige Akteure zu einem Austausch
auf dieser Ebene geladen werden. Die Diskussion
entwickelt sich, wie für »kleine Akteure« der Stadt-
teilkulturszene aber auch allgemein eine Voraus-
setzung geschaffen werden kann, die Entlastung und
Mitsprache gleichermaßen garantiert.
Die Arbeitsgruppe ist sich einig, dass eine Routine
für alle Beteiligten geschaffen werden sollte, welche
die weitere Kommunikation fördert. Erste Erfolge
gäbe es in Altona, auf Initiative der geförderten
Stadtteilkulturzentren wurden Politiker der Kulturaus-
schüsse, Verwaltung und Vertreter der Stadtteilkul-
turzentren zu einem Runden Tisch eingeladen, der in
Zukunft weitergeführt werden soll.
Zum Abschluss einigte sich die Arbeitsgruppe auf ein
kurzes Thesenpapier für das Abschlussplenum, das
von vier Vertretern vorgestellt wurde:
Es gibt potenzielle Chancen/Nutzen aus und durch
Evaluation: z.B. Kommunikation und Verständigung
wird gefördert (Ziele und Werte), mehr Transparenz
wird geschaffen, Qualität wird gesichert.
Eine Weiterführung des Prozesses ist wichtig:
• Routine schaffen und Verstetigen für gemeinsame
Ziele, Werte, Handlungen (z.B. Kennzahlenmatrix
überarbeiten),
• qualitative Erfolgskontrolle optimieren,
• Know-how muss geschaffen werden,
(Methodenkompetenz), eine Qualifizierung aller
Beteiligten, um auf Augenhöhe miteinander umzu-
gehen.
Stefanie Schreck
• gemeinsame Werte und Selbstreflektion,
• das Potenzial, zu besseren Entscheidungen zu
kommen, wird erhöht,
• Sie schafft eine gemeinsame Basis: die Begrün-
dung der Leistung wird einfacher,
• die Entscheidungsvorbereitung wird verbessert,
• aus dem Austausch können Gemeinsamkeiten
erkannt und Missstände abgebaut werden.
Das Stadtteilkulturzentrum Lola verweist auf Erfah-
rungen im Bezirk Bergedorf: Dort finden seit einigen
Jahren regelmäßige Gespräche zwischen Verwaltung
(Sozialraummanagement) und Stadtteilkulturein-
richtungen mit einem durchweg positiven Verlauf
statt. Allein der verstetigte Austausch der beiden
Seiten hat eine gemeinsame Kultur entstehen las-
sen.
Evaluation zeigt, dass Businesspläne notwendig
sind, alternative Förderzugänge gesucht werden
müssen (z.B. EU-Gelder), dadurch werden Belege für
die eigene Qualität erzielt.
Evaluation führt zu Selbstbestimmtheit:
• Man entwickelt ein Know-how,
• man kann voneinander lernen: Transfer von
Erfolgskonzepten,
• Instrument zur Darstellung der eigenen Stärke
bzw. zur Profilbildung (alle Akteure steigern durch
Kooperation und Arbeitsteilung gemeinsam die
kulturelle Attraktivität des Stadtteils).
Die Evaluation kann dafür genutzt werden, für eige-
ne Vorhaben fundierte Argumente zu liefern (Leis-
tungsbeschreibung eines qualitativen Angebots)
Anforderungen für das Gelingen einer Evaluation:
• Eine Routine muss geschaffen werden: Weiterma-
chen! Z.B. Inhaltslisten: Was ist zu tun?
• Zeitrahmen erstellen, alle Akteure gemeinsam
• Ressourcen sollen verfügbar gemacht werden
• Standards für Zählweisen sollten geschaffen und
Kennzahlen verfeinert werden: Qualitative Mess-
größen sollten eine Form bekommen, die hand-
habbar ist: qualitative Messkriterien entwickeln,
• Runder Tisch, Arbeitskreis oder Workshop einrich-
ten, mit der Aufgabe gemeinsame Ziele zu entwi-
ckeln, Handlungen und Codifizierung vorzuneh-
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Die Ausgangslage für die Auseinandersetzung mit
Ressourcensteuerung und Förderverfahren in
Hamburg: Seit über 30 Jahren wird die Arbeit stadt-
teilkultureller Einrichtungen institutionell gefördert.
Am Anfang stand die Förderung von Stadtteilkultur-
zentren, die sich am Modell der »Fabrik« orientiert
haben, aber sehr stadtteilspezifische Ausprägungen
entwickelt haben. Ziele und Kriterien, die für das
Startprogramm wegweisend waren, finden sich in
angepasster und weiterentwickelter Form in der
Globalrichtlinie Stadtteilkultur, mit der seit dem Jahr
2000 die institutionelle Förderung der Stadtteilkul-
tureinrichtungen, Zentren und Geschichtswerkstätten
und die Projektförderung für soziokulturelle Projekte
gesteuert wird. Die Fördersumme wird als Rahmen-
zuweisung an die Bezirke weitergegeben.
Wie werden die Mittel jetzt verteilt?Die Globalrichtlinie der Kulturbehörde formuliert
diese Eckpunkte: Stadtteilkultur
• ist kein Produkt staatlicher Versorgungsplanung,
• wirkt auf der Grundlage spezifischer, regional
unterschiedlich gewachsener und unterschiedlich
entwickelter Strukturen und Milieus,
• entsteht und wächst auf der Grundlage von spezi-
fischem, initiativem Engagement von Personen,
Gruppen und Einrichtungen – die nicht in unmittel-
barer Abhängigkeit von Parametern wie Einwoh-
nerzahl und Größe des Sozialraums stehen.
Ziele der Globalrichtlinie:• Beteiligung von Menschen, denen der Zugang zur
Kunst und zu kultureller Produktion bisher ver-
schlossen blieb, am gemeinsam geschaffenen kul-
turellen Reichtum der Stadt.
• Dezentrale Vermittlung von Kunst im Sinne der
Rezeption und Produktion von Kunst und Kultur
auf Basis einer lokalen, räumlich und organisato-
risch entwickelten Infrastruktur.
• Förderung des künstlerischen Nachwuchses, der
Eigeninitiative und Kreativität, verbunden mit
Formen der Aktivierung und Selbstorganisation.
• Schaffung von Freiräumen für künstlerische und
gesellschaftspolitische Gestaltung und experimen-
telle Praxis.
• Stärkung von Geschichtsbewusstsein und einer
lokalen Öffentlichkeit zur Identifikation mit dem
Stadtteil als Teil Hamburgs.
Bernd Haß und Sonja Wichmann
Steuerung und kultureller Eigensinn
Der Geschäftsführer des Stadtteilkulturzentrums Goldbekhaus, Bernd Haß, und Sonja Wichmann, die Leiterin derAbteilung Finanzabwicklung des Fachamtes Sozialraummanagement des Bezirkamtes Harburg, bieten eine Einblick indie aktuellen Rahmenbedingungen der stadtteilkulturellen Förderung in Hamburg und binden sie in aktuelle Diskursedes Evaluationsprozesses und eines Rechnungshofberichtes ein.
INNOVATIVE RESSOURCENSTEUERUNG UND FÖRDERVERFAHREN
Ausgehend von der Evaluation der Hamburger Stadtteilkultur wird in das Themenfeld »Ressourcesteuerung undFörderverfahren« eingeführt. Praxisbezogen bietet Ulla Harting, Referentin für Interkulturelle Kulturarbeit desMinisteriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, Einblick in dieEntwicklung eines neuen Förderbereiches sowie deren Gelingensbedingungen. Diskutiert wird die Frage, wie eineinnovative Ressourcensteuerung bzw. neue Förderverfahren vor dem Hintergrund der nordrhein-westfälischenErfahrungen am Beispiel der Hamburger Stadtteilkultur aussehen könnten und wie entsprechende Rahmen-bedingungen hergestellt werden könnten.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
• Förderung und Anregung der Kommunikation über
Interessens-, Alters und Milieugrenzen hinweg und
Förderung eines interkulturellen Dialoges.
• Ermutigung zu freiwilligem Engagement bei der
Mitgestaltung kultureller Milieus aus den Alltags-
bezügen des Wohnumfeldes heraus.
• Förderung von Kulturarbeit als Impuls für Stadt-
teilentwicklung/Quartiersentwicklung.
• sowie Initiierung und Stabilisierung einer kulturel-
len Infrastruktur für unterschiedliche kulturelle
Milieus.
• Zusammenführung professioneller und ehrenamt-
licher Akteure in den verschiedenen Bereichen der
Stadtteilkultur.
Bestandsschutz Der Senat sieht insbesondere im Hinblick auf die
Förderung der Stadtteilkulturzentren und Geschichts-
werkstätten die Notwendigkeit, erfolgreiche Arbeit
als Netzwerkknoten in lokalen Milieus zu stabilisie-
ren und Veranstaltungszentren zur Herausbildung
lokaler Identität zu stärken.
In dieser Rolle wirken Zentren auch als Impulsgeber,
Projektentwickler und Servicepartner für nachwach-
sende Initiativen. Die genannten Leistungen entfal-
ten sich auf der Grundlage kontinuierlicher Arbeit
und begründen eine nachhaltige Förderung. Die
Bezirksämter sind gehalten, bei der Spezifikation der
Rahmenzuweisung Stadtteilkultur den geförderten
Einrichtungen im Rahmen der zur Verfügung stehen-
den Haushaltsmittel Planungssicherheit zu geben.
Bis Mitte der 90er-Jahre war die Stadtteilkulturför-
derung stetig gewachsen und die Zahl der institutio-
nell geförderten Einrichtungen hatte sich deutlich
erhöht. Danach gab es eine Phase mit einer annä-
hernd gleichbleibenden Förderung, in der keine
neuen Einrichtungen in das Programm aufgenommen
wurden. Mit dem Doppelhaushalt 2009 und 2010
wurde eine Erhöhung der Mittel beschlossen und
gleichzeitig eine Evaluation der Stadtteilkultur-
zentren. Die Verteilung der Rahmenzuweisungen auf
die Bezirke stellt sich folgendermaßen dar – siehe
Abbildung unten.
Anzumerken ist, dass nach § 37 des Bezirksverwal-
tungsgesetzes bei Aufgaben mit Gestaltungsspiel-
raum (Rahmenzuweisungen) die Bezirksversamm-
lungen über die Verteilung der Mittel entscheiden.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
und Wirkungskontrollen und kritisiert, dass die För-
derung in ihrer jetzigen Form nicht dazu geeignet
sei, den Veränderungen in der Kulturlandschaft ge-
recht zu werden, weil zu wenig Bewegung im För-
dersystem zu verzeichnen sei und das System auf
die Sicherung der bestehenden Infrastruktur ausge-
legt sei.
Zur Frage der Sicherung der vorhandenen Infrastruk-
tur stellt der Bericht fest, dass die Einrichtungen
unter erheblichen Druck stünden, weil sie durch ihre
Angebote einen großen Anteil der Fixkosten erwirt-
schaften müssten und zusätzliche Anforderungen an
sie herangetragen würden.
Neue Initiativen hätten keine Chance, in die institu-
tionelle Förderung aufgenommen zu werden, weil zu
wenig Geld vorhanden sei, um neue Einrichtungen
aufzunehmen, ohne die bestehenden Einrichtungen
zu gefährden.
Die bezirkliche Entwicklung werde noch nicht durch
eine transparente Zielsetzung und fachliche Steue-
rung auf Bezirksebene optimal befördert.
Mögliche Gründe könnte eine fehlende Verbindung
zwischen inhaltlichen Zielen und der Zuwendungs-
vergabe sein. Die Bezirksämter haben keine eigenen
Ziele und Schwerpunkte formuliert und operationali-
siert. Es gibt in den Bezirksämtern allerdings auch
keine ausreichenden Personalressourcen dafür, die
Qualität und Wirkung der einzelnen Zentren zu mes-
sen (auch die Evaluation hat bislang dazu keine Vor-
schläge erarbeitet).
Fragen zur Anregung der Diskussion
Ist dieses Fördersystem noch zeitgemäß? Die neuen
Anforderungen stoßen besonders im Hinblick auf die
Entwicklung regionaler Bildung auf noch weitestge-
hend in verschiedenen Behörden angesiedelte För-
dersysteme. Kultur als Querschnittsaufgabe wird
nach wie vor noch nicht zeitgemäß gefördert.
Gilt der Grundsatz, wer einmal Bestand ist, bleibt
Bestand – egal wie gut oder schlecht die Einrichtung
arbeitet oder wie sich der Stadtteil verändert?
Oder gilt der Grundsatz: Je weniger Steuerung durch
die Bezirke, desto besser, weil der kulturelle Eigen-
sinn per se zu guten Ergebnissen führt?
Prozessbeschreibung
Evaluation Ausgangspunkt
Aus Sicht der im Landesverband Stadtkultur koope-
rierenden Einrichtungen kann die Stadtteilkulturför-
derung in Hamburg als Erfolgsprogramm angesehen
werden. Die regelmäßig vorgelegte »Erfolgsbilanz«
dokumentiert das qualitative und quantitative
Wachstum der Einrichtungen, die Arbeit hat sich ge-
rade in den letzten Jahren gewandelt, neue Aufga-
ben und Anforderungen sind hinzugekommen, die
Rahmenbedingungen haben sich stark verändert und
der wirtschaftliche Druck hat zugenommen.
Der Ansatz der Evaluation aus Sicht der Politik war,
zu prüfen, welche Wirkung die Förderung entfaltet,
ob die Ziele erreicht werden, welche Potenziale zur
Weiterentwicklung lebendiger Kulturlandschaften vor-
handen sind und ob die Aufteilung und Zuweisung
der Mittel anders gestaltet werden sollte.
Die Evaluation der Stadtteilkulturzentren war als dia-
logorienterter Prozess angelegt und sollte gegensei-
tige Lernerfahrungen ermöglichen.
Der Evaluationsbericht bescheinigt den Einrichtungen
eine gute Arbeit und gibt verschiedene Anregungen,
wie das Fördersystem verändert werden könnte, um
die Ziele noch besser verwirklichen zu können. Der
Bericht liefert wenige Erkenntnisse darüber, wie die
Leistungen der Stadtteilkultur wirken, und sagt mehr
darüber aus, wie das Organisationshandeln verän-
dert werden kann, um die Leistungen effektiver und
effizienter anbieten zu können.
Die Anregungen sind im Anschluss an den Bericht
wieder in einem gestaffelten dialogischen Verfahren
in mehreren Workshops zwischen Verwaltungen und
Einrichtungen auf ihre Umsetzbarkeit überprüft wor-
den. Die Zwischenergebnisse werden jetzt anlässlich
des Ratschlags vorgestellt und sollen in der nächs-
ten Zeit in den Bezirken diskutiert werden, bis sie in
eine abschließende Drucksache münden.
Rechnungshofbericht
Parallel zum Evaluationsgeschehen hat sich der
Rechnungshof kritisch mit der Förderung der Stadt-
teilkultur auseinandergesetzt, bemängelt einen unzu-
reichenden Zusammenhang zwischen Zielsetzung
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Während des Kulturhauptstadtjahres formierte sich
im Themenfeld Stadt der Kulturen der Ruhr 2010
eine AG zur Interkulturellen Öffnung der klassischen
Kulturhäuser. Namhafte Einrichtungen des Ruhrge-
biets – und auch darüber hinaus – erarbeiteten
Handlungsempfehlungen mit dem Leitbild der Cul-
tural Diversity; die Arbeitsgruppe arbeitet auch nach
Ende des Kulturhauptstadtjahres weiter.
Strategien in NRW Kulturelle Vielfalt – verstehen, erleben, gestalten:
Unter diesem Motto steht das Gesamtkonzept zur
Förderung der interkulturellen Kunst- und Kultur-
arbeit in Nordrhein-Westfalen. Es zeichnet sich da-
durch aus, dass es zugleich beteiligungsorientiert
und strukturenbildend ist und sich in drei Bereiche
gliedert:
• Forschung,
• Kunstprojekte und
• strukturbildende Projekte.
Das methodische Fundament der interkulturellen
Kulturarbeit in Nordrhein-Westfalen bilden die Prin-
zipien Partizipation, Transparenz und Vernetzung.
GrenzüberschreitungenEntsprechend den oben genannten Prinzipien erfolg-
te in den Jahren 2002/2003 die Entwicklung der
Fördergrundsätze für interkulturell orientierte Kunst-
projekte: Gemeinsam mit Kunstschaffenden unter-
schiedlicher kultureller Hintergründe und mit dem
kommunalen und freien Kulturmanagement wurden
diese mit dem Referat Interkulturelle Kulturarbeit
partizipativ erarbeitet. Ein wichtiges Signal war, dass
nun die künstlerische Qualität in den Vordergrund
gestellt wurde, während bis dahin bei interkulturel-
len Projekten eher soziale/pädagogische Kriterien als
Maßstab und Förderlinien galten. Darüber hinaus
Die gleichberechtigte gesellschaftliche und kultu-
relle Teilhabe aller Menschen steht für ein zu-
kunftsfähiges Deutschland. Das Zusammenspiel aus
»Talent, Technologie und Toleranz« (R. Florida) bietet
beste Voraussetzungen für ein solches innovatives
Klima. Der kulturelle Raum schafft dafür Bedin-
gungen, Künste beleben und bereichern den Dialog
der Kulturen. Rund 23 Prozent der Menschen in
Deutschland besitzen einen Migrationshintergrund.
Das bedeutet, dass sich Kulturszenen füreinander
öffnen müssen.
In Nordrhein-Westfalen wird diese Öffnung aktiv be-
fördert, dies geschieht auf dem Hintergrund ver-
schiedener nationaler und internationaler Entwick-
lungen. Dazu gehört das UNESCO-Übereinkommen
zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller
Ausdrucksformen. Deutschland ratifizierte das Über-
einkommen im März 2007. Im gleichen Jahr wurde
der Nationale Integrationsplan beschlossen, der u.a.
das Thema Kultur behandelt, und es erschien der
Abschlussbericht der Enquete-Kommission »Kultur in
Deutschland«. Zudem legte der Kulturausschuss der
Kultusministerkonferenz im Februar 2011 eine Hand-
reichung »Interkulturelle Kulturarbeit« vor, die auf
einer Empfehlung der gleichnamigen Arbeitsgruppe
basiert.
Wichtige politische Meilensteine in Nordrhein-
Westfalen waren:
2001: die Integrationsinitiative »Dialog der Kultu-
ren« des Landes NRW, Anlass waren die
Ereignisse am 11. September 2001;
2002: Gründung des Referates Interkulturelle
Kulturarbeit;
2005: Gründung eines eigenständigen
Integrationsministeriums;
Ulla Harting und Gabriela Schmitt
Interkulturelle Konzepte und Strategienfür Kunst und Kultur in Nordrhein-Westfalen
Im folgenden Beitrag wird der systematische Aufbau einer neuen Förderstruktur in Nordrhein-Westfalen mit den wich-tigsten Meilensteinen und Gelingensbedingungen skizziert. Beteiligungsorientiert und von Anfang an auch struktur-bildend angelegt, gliedert sich die Förderung in die Bereiche Forschung, Kunstprojekt- und Strukturförderung.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
wurden die Fördergrundsätze von Anfang an als
modifizierbar und nicht festgeschrieben definiert. Als
Unterstützung für die Umsetzung des UNESCO-Über-
einkommens gab die Deutsche UNESCO-Kommission
das Weißbuch »Kulturelle Vielfalt gestalten« heraus,
das auch für die kommunale Ebene von Interesse
ist. Es enthält politische Handlungsempfehlungen
von über 60 Fachleuten (Download: www.unesco.de/
fileadmin/medien/Dokumente/weissbuch_lay_endf_int
ernet.pdf ).
Kommunales Handlungskonzept InterkulturUm eine strukturell verankerte interkulturelle Kultur-
arbeit in den Kommunen zu fördern, wurde 2004
das dreijährige Pilotprojekt »Kommunales Hand-
lungskonzept Interkultur« initiiert, an dem sechs
Städte teilnahmen: Arnsberg, Castrop-Rauxel, Dort-
mund, Essen, Hagen und Hamm. Vor Ort wurden
Runde Tische gegründet, an denen unterschiedlichs-
te Einrichtungen und Akteure mit und ohne Migra-
tionshintergrund teilnahmen. Sie entwickelten Hand-
lungsempfehlungen und die Grundlagen für einen
Ratsbeschluss zur interkulturellen Kunst- und Kultur-
arbeit. Ein solcher Beschluss war und ist wichtig,
damit sich die Politik mit dem Thema beschäftigt
und einen entsprechenden Auftrag an die kommuna-
len Ämter und Kultureinrichtungen erteilt. Zum Pilot-
projekt gehörte auch ein Jour fixe, der dem Erfah-
rungsaustausch zwischen den Kommunen diente.
Der Jour fixe findet bis heute statt, inzwischen neh-
men 25 Städte daran teil.
interkultur.proDer Professionalisierung des Interkulturellen Kunst-
und Kulturmanagements diente von 2007 bis 2010
das Projekt interkultur.pro. Seine Aufgaben waren
u.a. die bedarfsorientierte Unterstützung und Fortbil-
dung von interkulturell ausgerichteten Kunst- und
Kulturprojekten sowie die Stärkung von Plattformen
und Netzwerken zum Austausch und zur gegenseiti-
gen Unterstützung. Eine weitere wichtige Zielsetzung
war die Sensibilisierung der Entscheidungsträger.
Inhaltliche Grundlagen für interkultur.pro bildeten die
Orientierung an Daten, Fakten und Lebenswelten
und der Perspektivenwechsel zur Cultural Diversity.
Die Angebote des Projekts gliederten sich in folgen-
de Bereiche: netzwerkorientiertes Projektmanage-
ment; Daten, Fakten, Lebenswelten; Theorie-Praxis-
Diskurse; Presse- und Öffentlichkeitsarbeit; Finanz-
management; Flying Workshops.
interkultur.pro war sowohl bei der »AG Zur Zukunft
der Kultureinrichtungen« der Ruhr2010 also auch bei
der »AG Interkulturelle Kulturarbeit« der Kultus-
ministerkonferenz unter Leitung von Nordrhein-
Westfalen maßgeblich beteiligt.
AG »Interkulturelle Kulturarbeit«Die Themenfelder der länderübergreifenden AG »In-
terkulturelle Kulturarbeit« basieren auf den Empfeh-
lungen der Enquete-Kommission 2007 und die AG ist
in folgenden Handlungsfeldern tätig:
• die Orientierung an kleinräumigen Daten und
Fakten sowie eindeutige Definitionen der hier ver-
wendeten Begriffe (z.B. »Menschen mit Migrations-
hintergrund«),
• Forschungsstand und Forschungsbedarf,
• die Formulierung eines klaren Auftrags von Ziel-
vereinbarungen zur interkulturellen Orientierung
öffentlich geförderter Kultureinrichtungen,
• die Orientierung an Partizipation und
Netzwerkarbeit,
• die interkulturelle Orientierung der Förderpolitik.
Begleitende ForschungAls ein Erfolgsfaktor hat sich die kontinuierliche
Forschung erwiesen, die notwendige Informationen
über die Lebenssituationen von Menschen mit Mi-
grationshintergrund und über ihre Interessen und
Verhaltensweisen im Bereich Kunst/Kultur ermittelt
hat. Im Auftrag der Landesregierung NRW wurden ab
2005 zunächst Bestandsaufnahmen zur kommunalen
Kulturpolitik und kulturwissenschaftlichen Forschung
gemacht sowie zu generellen Daten und Fakten im
Bereich Interkultur. Anschließend folgte die Pilot-
studie »Kulturelle Vielfalt in Dortmund« (2007) und
die Sinus-Studie »Lebenswelten und Milieus von
Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland
und Nordrhein-Westfalen« (2008) mit einem Special
zu Kunst und Kultur. Der Wissenstransfer wurde auf
verschiedene Weise gewährleistet, u.a. durch Veröf-
fentlichungen, die Einbindung in die Professionalisie-
rungsmaßnahmen von interkultur.pro und durch die
Veranstaltungsreihe der Theorie-Praxis-Diskurse.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Zukunftsakademie NRW – Interkultur, KulturelleBildung und Zukunft von StadtgesellschaftDie von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen,
dem Schauspielhaus Bochum und der Stiftung Mer-
cator entwickelte »Zukunftsakademie NRW« wird ab
Herbst 2012 als bundesweit einzigartige interdiszipli-
näre Forschungsstätte arbeiten, an der Disziplinen
zusammen treffen, Diskurse geführt und innovative
Lösungen entwickelt werden. Inhaltlich-konzeptionell
basiert die Zukunftsakademie auf drei Säulen: Labor
(Denken), Praxis (Beteiligung) und Qualifizierung
(Vermittlung).
In einer immer stärker durch kulturelle Vielfalt ge-
prägten Gesellschaft wird es notwendig sein, mehr
Menschen für interkulturelle Themen zu sensibilisie-
ren, für diese Arbeit zu qualifizieren und öffentliche
Einrichtungen bei der interkulturellen Öffnung zu
begleiten. Die Zukunftsakademie wird daher eine
systematische Professionalisierung und Verstetigung
des Angebots in folgenden Feldern vorantreiben:
• kommunale, regionale und europäische
Orientierung,
• Forschungsanalysen und Wissenstransfer,
• öffentlichkeitswirksames Marketing,
• Zukunft der Gesellschaft im Fokus der Interkultur
und des demografischen Wandels,
• kulturelle Bildung durch Qualifizierung von
Schlüsselpersonen,
• Ausbau der Netzwerke zu Interkultur-Akteuren.
In der Arbeitsgemeinschaft wurden Ideen, Vorschlä-
ge und alternative Möglichkeiten diskutiert, wie
die Ressourcen innovativ gesteuert, die aktuelle Zu-
wendungsvergabe sowie die diesbezügliche fachliche
Steuerung auf Bezirksebene verbessert werden
könnten.
Sonja Wichmann vom Bezirksamt Harburg eröffnete
die Diskussion, indem sie zunächst ausgehend von
der Evaluation der Hamburger Stadtteilkultur das
vorhandene Förderverfahren und dessen Defizite
beschrieb. Die Ergebnisse der Evaluation zeigen,
dass Stadtteilkultur als ein Motor der Stadtentwick-
lung verstanden wird. Die lokale Arbeit der Zentren
in den Bereichen kulturelle Bildung, Integration,
Jugendhilfe und Altenförderung ist wesentlich für
den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Stadt. Es
stehen jedoch zu wenig Mittel zur Verfügung, um
den Bestand sowie neue Initiativen (gerecht) zu
finanzieren, unter anderem aufgrund steigender
Kosten und immer neuen Anforderungen. Um zu ver-
anschaulichen, wie das Förderverfahren funktioniert,
stellte Sonja Wichmann die Globalrichtlinien der Kul-
turbehörde vor (siehe S. 27).
Sonja Wichmann betonte dabei, dass der Bestands-
schutz gewahrt werden solle. Der Senat sehe hin-
sichtlich der Förderung der Stadtteilkulturzentren
und Geschichtswerkstätten die Notwendigkeit, erfolg-
reiche Arbeit als Netzwerkknoten in lokalen Milieus
zu stabilisieren und Veranstaltungszentren zur
Herausbildung lokaler Identität zu stärken. In dieser
Rolle würden Zentren auch als Impulsgeber, Projekt-
entwickler und Servicepartner für nachwachsende
Initiativen wirken. Dabei seien die Bezirksämter dazu
angehalten, bei der Spezifikation der Rahmenzuwei-
sung Stadtteilkultur den geförderten Einrichtungen
im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushalts-
mittel Planungssicherheit zu geben – auch mit Blick
auf »Aufgaben mit Gestaltungsspielraum« (§ 37 des
Bezirksverwaltungsgesetzes). Mit Blick auf die
Verteilung der Rahmenzuweisung an die Bezirke wird
deutlich, dass die Förderungen für soziokulturelle
Stadtteilzentren, Stadtteilkulturprojekte und Ge-
schichtswerkstätten sehr unterschiedlich verteilt
sind, beispielsweise erhielt Altona im Jahr 2010
knapp 1,18 Millionen, Harburg hingegen nur 184.000
Euro.
Ulla Harting vom Ministerium für Familie, Kinder,
Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-
Westfalen fragte, wie es zu dieser Förderstruktur
und ungleichen Verteilung der Mittel gekommen sei.
Darauf antwortete Bernd Haß vom Goldbekhaus
Hamburg mit einem Verweis auf die gewachsene
Struktur von Stadtteilkultur in Hamburg, die auf
Bürgerengagement in den Stadtteilen basiere. Nach-
dem er einen kurzen Einblick in die Entstehung und
in die Besonderheit der Hamburger Stadtteilkultur
gegeben hatte, erläuterte er den Grund und Zweck
des Zustandekommens des Evaluationsberichtes.
Dabei handele es sich um eine Qualitätskontrolle
von außen, die Arbeitsweisen und die Verteilung von
Ressourcen beleuchte. Der Evaluationsprozess sollte
laut Evaluationsbericht Qualitätssteigerung sowie
einen gegenseitigen Lerneffekt zum Ziel haben. Der
Bericht erlaube laut Bernd Haß auch ein Ranking
und aus Sicht der Einrichtungen die Gefahr einer
damit verbundenen Umverteilung der Mittel. Er
betonte außerdem, dass die Verteilung der Mittel
auf die Bezirke nach Bestands- und nicht nach
Entwicklungskriterien stattfinde und dass das drin-
gend geändert werden müsse. Das Gute am Prozess
der Evaluation sei, dass er dazu geführt habe, dass
ein neues Verständnis diskutiert und gedacht werde.
Zudem seien als Weiterführung des Evaluationspro-
zesses AGs mit Beteiligung der Landesratsebenen
entstanden, die sich inhaltlich bereits vertiefend mit
Möglichkeiten neuer Ressourcensteuerung und
Förderverfahren auseinandersetzen.
Sonja Wichmann ergänzte, dass zusätzlich zu den
bestehenden Globalrichtlinien konkrete Ziele ausfor-
muliert werden müssten, um anhand derer überprü-
fen zu können, ob diese erreicht wurden.
Im Verlauf wird deutlich, dass einige Diskussionsteil-
nehmer die an den Evaluationsprozess anschließen-
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
AG-Diskussionsprotokoll »Innovative Ressourcensteuerung und Förderverfahren«
de Arbeitsgruppenphase der Verwaltung und der Ein-
richtungen als nicht transparent empfunden haben
und dem Vorgehen kritisch gegenüberstehen. Frag-
lich ist demnach noch immer, wie es erreicht werden
kann, bessere Rahmenbedingungen für die jahrelan-
ge gute Arbeit mit beschränkten Mitteln zu schaffen,
wie die Förderung neu gestaltet werden kann, wie
das Verwaltungshandeln der Behörden und Bezirke
einfacher und transparenter gestaltet werden kann
und wie die Ziele der Stadtteilkultur besser geför-
dert werden können. Die KritikerInnen empfehlen,
noch mehr die Mittelsteuerung der Verwaltung und
der politischen Mandatsträger in den Blick zu neh-
men.
Von einem Teilnehmer wurde eingebracht, dass im
aktuellen Vergabeverfahren auch der städtebauliche
Aspekt nicht bedacht worden sei. Wohngebiete, die
neu ge- und bebaut werden, fänden keine Berück-
sichtigung. Die Richtlinien für städtebauliche Vorha-
ben würden bei den Themen rund um die Kultur
aufhören. Diesbezüglich waren alle Teilnehmer der
Meinung, dass für die soziale Infrastruktur Woh-
nungen, Kindergärten und Schulen nicht ausreicht,
sondern auch Stadtteilkultur ermöglicht werden müs-
se. Auch in Neubaugebieten solle sich gemäß der
Globalrichtlinien eine kulturelle Szene entwickeln
dürfen. Eine Teilnehmerin wies darauf hin, dass ge-
nau diese Problematik auch im Zusammenhang mit
Gentrifizierung bestehe. Viele Menschen würden auf-
grund steigender Mietpreise zunehmend an den
Stadtrand gedrängt, wo es keine Stadtteilkulturzen-
tren gäbe. Die vorhandenen Mittel seien nicht aus-
reichend, um auch diesen Bereich abzudecken.
Nepomuk Derksen von Bunte Kuh e.V. kritisierte
zudem, dass bei der Vergabe auch viele Projekte
nicht berücksichtigt und auch nicht im Evaluations-
bericht beachtet würden. Nepomuk Derksen sprach
sich für eine flexiblere Finanzierungsstruktur aus, die
nicht nur nach Bestand die Zentren fördert, sondern
auch Projekte.
Ulla Harting (Ministerium für Familie, Kinder, Jugend,
Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen)
und Gabriela Schmitt (interkultur.pro) stellten mit
ihrem Vortrag »Interkulturelle Strategien und Kon-
zepte für Kunst und Kultur in Nordrhein-Westfalen«
und mit der »Zukunftsakademie NRW« beispielhaft
eine Perspektive für Förderverfahren aus der Distanz
heraus dar.
Ulla Harting wies zunächst auf den Unterschied hin,
dass das Ministerium der Landesregierung angehöre,
während die Stadtteilkultur auf zwei Ebenen geför-
dert wird: als Rahemnzuweisung von der Kulturbe-
hörde und verwaltet über die Bezirke. Die Mittelver-
gabe in NRW hingegen findet zu 90 Prozent durch
die Kommunen statt und nur 10 Prozent direkt durch
das Land, das sich überwiegend auf zeitlich befriste-
te Projekte konzentriert. Es werden nur wenige insti-
tutionelle Förderungen vorgenommen und wenn,
dann nur sofern sie impulsfördernd sind und zu
Veränderungen auf kommunaler Ebene führen. Die
Landeskulturpolitik ist also ein Instrument für inno-
vative Impulsförderungen, keine Dauerförderung,
und daher stellt sich keine Bestandsfrage.
Wie sich das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend,
Kultur und Sport NRW dennoch für nachhaltig ange-
legte Vorhaben engagiert, zeigt die »Zukunftsakade-
mie NRW«, die es gemeinsam mit der Stiftung Mer-
cator und dem Schauspielhaus Bochum gegründet
hat. Diese verfolgt das Ziel, regionale Entwicklungs-
und Bildungsprozesse interdisziplinär im Medium der
Künste zu gestalten. Die Zukunftsakademie NRW
widmet sich vor allem den Bereichen Kulturelle Bil-
dung und Interkultur. Durch die Verbindung dieser
beiden Konzepte will die Zukunftsakademie NRW
den Zugang zu Kunst und Kultur für alle ermöglichen
und hierdurch dazu beitragen, dass umfassende
Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Inter-
kultur wird dabei als Verständigungsprozess einer
ausdifferenzierten Stadtgesellschaft über sich selbst
verstanden. Dieser Prozess bedarf hochwertiger
Projekte, qualifizierter Fachkräfte und professioneller
Konzepte. Um die Qualität kultureller Bildung und
interkultureller Kunst und Kultur zu steigern, richtet
sich das Bildungsangebot an die hierfür verantwort-
lichen Zielgruppen aus Forschung, Praxis und Ver-
mittlung. Organisiert in die drei inhaltlichen Säulen
»Labor«, »Praxis« und »Qualifizierung« versteht sich
die Zukunftsakademie NRW als Forschungsstätte für
zukunftsrelevante Themen, als landesweites Labora-
torium für Kunst-, Kultur- und Praxisprojekte sowie
als Ort für Austausch und Diskussionen und alsRE
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Qualifizierungseinrichtung für Fachkräfte. Die
Zukunftsakademie NRW wird im Herbst 2012 eröff-
net. Mit ihr entsteht eine zentrale Vernetzungs- und
Qualifizierungsstelle, die alle, die an kultureller
Bildung beteiligt sind, professionell unterstützt und
in die Lage versetzt, durch ihre Arbeit langfristig
sichtbare Wirkung auf die Qualität kultureller
Bildung zu erzielen. Darüber hinaus knüpft die Idee
der gemeinsamen Zukunftsgestaltung der
Stadtgesellschaft und der Region an den Grundsatz
an: Der Mensch steht im Mittelpunkt des gesell-
schaftlichen Wandels.
Viele Teilnehmer würden sich für Hamburg wün-
schen, dass es so wie in NRW funktionieren könnte.
Ein Teilnehmer entgegnete jedoch, dass dafür die
ministerielle Ebene von operativen Aufgaben entlas-
tet werden müsse, um dann wieder mehr Möglich-
keiten zu haben, fehlende Personalressourcen in den
Bezirken auszugleichen.
Eine Teilnehmerin war der Meinung, dass vor allem
die Hilfe zur Professionalisierung und Qualifizierung
beispielhaft übernommen werden solle. Daraufhin
wurde mit Verweis auf den Landesverband STADT-
KULTUR HAMBURG widersprochen, der diesen Be-
reich bereits gut mit Angeboten und Fortbildungen
abdecke. Die Problematik bestehe viel mehr in
Bezug auf nicht vorhandene Kapazitäten.
Weitere Teilnehmer fanden die Handhabung in NRW
interessant, aber nicht auf Hamburg übertragbar.
Denn das, was Hamburgs Stadtteilkultur bewegt, sei
die institutionelle Förderung, die in NRW nicht zen-
tral, sondern kommunal läuft. Nepomuk Derksen
hingegen regte an, dass Hamburg weg solle von der
institutionellen Förderung hin zur Struktur- und
Projektförderung. Dadurch sei mehr Flexibilität und
Wachstum möglich.
Viele Teilnehmer äußerten den Wunsch, dass auch in
Hamburg eine Studie bzw. Befragung bezüglich kul-
tureller Bedarfe durchgeführt werden solle. Über
diese Forschung könne man womöglich zielgenauer
Bedarfe feststellen und somit begründen, dass mehr
Geld für Stadtteilkultur zur Verfügung gestellt wer-
den muss. Darauf aufbauend könnten auch die
Aspekte Bebauung neuer Gebiete und Verdrängung
an den Stadtrand Berücksichtigung finden.
Ein weiterer Teilnehmer ergänzte den Vorschlag mit
der Idee, dass mehr Schnittstellen zwischen »Hoch-
kultur« und Stadtteilkultur sowie Kooperationen zwi-
schen Gesundheit und Kultur, Bildung und Kultur
geschaffen werden sollten. Auf diese Weise könnten
auch mehr Mittel akquiriert werden.
Eine Vertreterin des Fachamts Sozialraummanage-
ment im Bezirk Altona, Frau Laß, bemerkte, dass
eine Bedarfs- und Sozialraumanalyse bereits in Pla-
nung sei und dafür die Ressourcen in den einzelnen
Bezirken berücksichtig werden müssten. Die Teil-
nehmer forderten, dass die Analyse und das darauf
aufbauende Konzept für Altona mit allen Akteuren
gemeinsam entwickelt werden sollte.
Am Ende der Diskussion ließ sich zusammenfassend
feststellen, dass durch den Diskussionsbedarf inner-
halb der AG noch deutlicher wurde, dass die bisheri-
ge Förderstruktur zu begrenzt ist und dadurch viele
bedeutsame Aspekte nicht berücksichtigt werden. Es
müssen gemeinsam mit Politik und Verwaltung neue
Formen der Förderung gefunden werden, damit die
Kulturlandschaften in Hamburgs Stadtteilen zukunfts-
fähig bleiben. Unter den Teilnehmern besteht Kon-
sens darüber, dass die Mittel für Stadtteilkultur an-
gehoben werden müssen. Diese Faktoren sind dem-
nach bei der Bemessung der Förderung zu beachten:
Sicherung der bestehenden Qualität, Aufnehmen der
Stadtteilentwicklung und Beachtung der kulturellen
Entwicklung. Gefragt sind kreative und partizipative
Prozesse bei der Feststellung der Bedarfe. Der Be-
stand bisher geförderter Einrichtungen muss gehal-
ten werden und es sollte eine Chance für neue,
nachwachsende Initiativen und Einrichtungen geben.
Anna Feuchtinger
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Im Oktober 2011 fand an der Universität der Nach-
barschaften in Wilhelmsburg ein Projekt der »Ghet-
toakademie« statt. In täglichem Training und ge-
meinsamen Proben unter der Anleitung professionel-
ler Künstler aus den Sparten Gesang, Theater und
Tanz wurden Szenen, Choreografien und Texte zum
Thema »Wohnen« erarbeitet und am einem Samstag
im Oktober öffentlich präsentiert.
Kostenlos teilnehmen konnten Jugendliche, die Lust
und Zeit hatten, fünf Stunden täglich gemeinsam
kreativ zu arbeiten.
Vorgeschichte: »In my Room« und »PLOT!«Seit 2010 arbeitet Katharina Oberlik in Wilhelmsburg
an der Etablierung einer zeitgenössischen Theater-
arbeit mit Jugendlichen. Im Sommer 2010 hat sie in
Kooperation mit Kampnagel Hamburg und der Uni-
versität der Nachbarschaften der Hafencity Univer-
sität (HCU) Hamburg an der Uni der Nachbarschaften
die interaktive Seifenoper »In my Room« erarbeitet
und aufgeführt. Es entstanden eine Live-Performance
und der Film: »In my room – the moovie«. Die Uni-
versität der Nachbarschaft ist ein experimentelles
Projekt der HCU in Kooperation mit Kampnagel und
der Internationalen Bauausstellung Hamburg GmbH
(IBA). Ziel ist es, durch Integration der Bevölkerung
einen offenen Bildungsraum in Wilhelmsburg zu
schaffen, der für die und von der Bevölkerung ge-
staltet wird und als Außenstelle für die HCU dient.
Im folgenden Jahr wurde an der Honigfabrik Wil-
helmsburg das Projekt: »PLOT! – Von einem, der
auszog, seinen Traum zu verwirklichen« entwickelt
und im Sommer 2011 einmalig aufgeführt.
Im Herbst 2011 hat Obelik erneut an der Universität
der Nachbarschaften die »Ghettoakademie« ins
Leben gerufen als zeitgenössische Initiative für tem-
poräre Workshops und interdisziplinäre künstlerische
Arbeit von und mit Jugendlichen in Wilhelmsburg.
Idee – VisionDie Ghettoakademie versteht sich als Dach für
künstlerische Projektarbeit mit Jugendlichen in
Wilhelmsburg. Folgende Ziele verfolgt die Ghetto-
akademie:
• Langfristig ein interkulturelles Jugendensemble für
Katharina Oberlik
Zeitgenössisches Theater in WilhelmsburgInterkulturelle Theaterproduktionen mit Jugendlichen
Die Regisseurin und Perfomancekünstlerin Katharina Oberlik bietet einen Einblick in das Projekt »In My House« derGhettoakademie, das in den Herbstferien in Wilhelmburg stattfand und Workshops in Tanz, Theater und Gesang undSongwriting für Jugendliche im Alter zwischen 14 und 20 Jahren bot.
SICHTBARKEIT DER VIELFALT DER KULTUREN
Seit 12 Jahren stellt das festival eigenarten die Vielfalt der Kulturen auf unterschiedlichste Bühnen, im Herbst 2012 wird der Bundesfachkongress Interkultur in Hamburg stattfinden. Vor dem Hintergrund eines aktuellen Jugend- Theaterprojektes und der Handlungsempfehlung der Kultusministerkonferenz, die Vielfalt einer internationalen Stadtgesellschaft insbesondere auch auf die traditionellen Bühnen zu bringen, bieten die Referentinnen Beiträge zur Sichtbarkeit und Künstlerförderung interkultureller Theaterproduktionen.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
zeitgenössisches Theater in Wilhelmsburg aufzu-
bauen und dabei
• weiteren Jugendlichen immer wieder Einstiegsmög-
lichkeiten in diese Arbeit zu bieten.
• Schaffen eines Intensiv-Camps, in dem sich Ju-
gendliche in den Sparten Musik/Gesang, Tanz/Cho-
reografie und Theater/Performance künstlerisch
fortbilden konnten und auf eine gemeinsame Auf-
führung, eine Bespielung der Gesamträume der
Universität der Nachbarschaften (einem ehemali-
gen Gesundheitsamt in Wilhelmsburg) hingearbei-
tet haben.
• Ziel war, eine Mischung aus Input und Output her-
zustellen, in der die Jugendlichen genug Input
erhalten, dass sie sich künstlerisch weiterentwi-
ckeln und gleichzeitig herausgefordert werden,
Neuland zu betreten und sich mit eigenen Themen
einzubringen.
Leitendes Team Die Workshops werden von drei Hamburger Profis
angeleitet, Katharina Oberlik für den Bereich Perfor-
mance und Theater, Hana Tefrati für Tanz, Choreo-
grafie und Bewegung und Catharina Boutari für den
Bereich Gesang, Songwriting und Musik.
Jonas Kolenc, mit dem Katharina Oberlik bereits in
den Projekten »In my Room« und »PLOT« kooperiert
hatte, war für die Videodokumentation verantwort-
lich und Niclas Marc Heinecke für die visuellen
Portraits der Räume und die Fotos.
KooperationspartnerKooperationspartner der Ghettoakademie 2011 waren
Kampnagel Hamburg, die das Projekt in der Öffent-
lichkeitsarbeit, mit Technik und dramaturgischem Rat
unterstützen, sowie die HCU Hamburg, die das Pro-
jekt der Universität der Nachbarschaften leiten.
In My House. In meinem Haus. Benim Evde.Katharina Oberlik initiierte in Wilhelsmburg an der
Universität der Nachbarschaft die Ghettoakdademie:
Einen intensiven Workshop für Tanz, Performance
und Gesang für Jugendliche aus Wilhelmsburg. Diese
temporäre Akademie fand in Form eines Intensiv-
Workshops in den Herbstferien statt: »In my House.
In meinem Haus. Benim Evde.« ist Titel und zugleich
Programm der Akademie, die den teilnehmenden
Jugendlichen unter professioneller Anleitung Input in
den Sparten Performance, Gesang und Tanz vermit-
telt und ihnen Raum und Zeit für einen künstleri-
schen Prozess rund um die Themen Wohnen und
Zuhause zur Verfügung stellt.
Die Präsentation der beeindruckenden Workshop-
ergebnisse der Ghettoakademie fand an einem ge-
meinschaftlichen »Nachmittag für Freunde, Gäste,
Verwandte und Mitbewohner« statt.
Die Jugendlichen konnten sich Räume in der Universität der Nachbarschaft auswählen und sie selbst gestalten. Auf
dem Foto ist der Candan Beauty Salon zu sehen.
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gegenseitig in den Räumen zu besuchen und zu
schauen, was an Begegnung entsteht. Zu den Songs
»In my Room« und »When I am up in my Room«
haben wir Choreografien und Texte entwickelt.
Außerdem sind Songs und Improvisationen entstan-
den, die dann vertieft und weiterentwickelt wurden.
In der etwa zweistündigen Aufführung konnten die
Besucher sich in der Anfangsphase selbst den Raum
oder die Figur aussuchen, mit dem/der sie began-
nen, und wurden später durch die Performer und die
begleitenden Künstlerinnen durch die Performance
geführt, bekocht, begrüßt und wie Mitbewohner bei
einem WG-Casting nach ihren Qualifikationen
befragt.
»In My House. Benim Evde. In meinem Haus.« – ein
Nachmittag für Freunde, Verwandte und Mitbewoh-
ner war eine wilde Mischung aus Führung, Live-art –
Installation, Konzert, Tanz und Theater, die sich ele-
gant an den Grundformen des Wohnens entlanghan-
gelte, um die Besucher in verschiedene Räume,
Aspekte und Atmosphären einzuladen.
Prozess und AufführungZu Beginn beteiligten sich zunächst acht, am
Schluss noch fünf Jugendliche an dem Projekt. In
den Räumen der UDN wurde geprobt, gegessen,
getanzt, gesungen und wurden Texte produziert.
Die Jugendlichen begannen mit einer Recherche, in
der sie ihr eigenes Zuhause erkundet haben: Wie
riecht es bei uns? Was ist typisch für mein Zuhause?
Was für Kleidung trage ich zu Hause? Was für Musik
höre ich? Was für Musik hören meine Eltern? Wie
würde ich mein Zuhause meinen Freunden anbieten
und erklären? Wie möchte ich später wohnen?
Im Anschluss daran konnten sich die Jugendlichen
einen Raum in der Uni der Nachbarschaften aussu-
chen und ihn sich aneignen. Sie konnten nutzen,
was sie selber mitbrachten, oder was sie bereits
vorfanden. Wir haben Kostüme, Licht und Technik
zur Verfügung gestellt, um die entstehenden Räume
mit Figuren und Atmosphäre zu füllen. Nachdem
jeder der Teilnehmer sich sein eigenes Zimmer ein-
gerichtet hatte, baten wir die Jugendlichen, sich
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Szenenfoto aus »Superhero Academy« von der mexikanischen Choreografin Yolanda Gutiérrez, die beim
eigenarten festival 2011 Premiere feierte.
Das Interessante liegt im Zwischen... zwischen
den Worten, zwischen den Menschen, zwischen
den Kulturen« Das ist der Leitsatz des interkulturel-
len festivals eigenarten…
(Vor)GeschichteDie Initiative für das Festival ging von interkulturell
arbeitenden Künstlerinnen und Künstlern aus. Die
Grundidee wurde an die Veranstalter herangetragen,
um gemeinsam die Umsetzung des Festivals organi-
satorisch und inhaltlich zu entwickeln. Bei den
wesentlichen Entscheidungen waren stets alle Be-
teiligten gefordert.
Seit dem Jahr 2000 präsentiert eigenarten jährlich im
Herbst ein Festival, das den besonderen kulturellen
Reichtum der Hansestadt sichtbar macht. Veran-
stalter des Festivals ist die Kulturinitiative peeng
e.V., die peeng 1999 in Hamburg gegründet wurde
und seitdem interkulturelle Begegnungen und inter-
nationale Kunstprojekte organisiert. Der Verein ist
u.a. an der Durchführung von »mural global«, einem
weltweiten Wandmalprojekt zum Thema Agenda 21,
und an dem Projekt vacilón beteiligt.
Nach dem ersten Jahr wurde zusammen mit den teil-
nehmenden Künstlerinnen und Künstlern das Profil
des Festivals geschärft. Seitdem gewährleistet eine
Fachjury die künstlerische Qualität sowie die
Ausgewogenheit und Vielfalt des Programms
Voraussetzung für eine Bewerbung ist seitdem ein
Hamburgbezug (Leben und/oder arbeiten in Ham-
burg) und der interkulturelle Aspekt muss sichtbar
sein (d.h. grundsätzlich eine gemeinsame Produktion
von Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen).
KonzeptDas interkulturelle Festival ist in den letzten Jahren
ein lebendiger Faktor im kulturellen Leben der Han-
sestadt Hamburg geworden. eigenarten bietet ein
vielseitiges Programm, das das Spektrum aller
Kunstsparten und Kulturkreise umfasst: Theater,
Tanztheater, Lesung, Musik, Film, Ausstellungen und
KinderKulturen mit Hamburger Künstlerinnen und
Künstlern aus aller Welt – darunter auch zahlreiche
Projekte, die im Rahmen von eigenarten ihre Pre-
miere haben. In spannenden und ungewöhnlichen
künstlerischen Verbindungen wird so das dynami-
sche künstlerische Potenzial Hamburgs präsentiert,
einer Stadt, die seit jeher durch Austausch neue
Verbindungen schuf und aus dieser Weltoffenheit
innovative Kraft schöpft.
Hauptveranstaltungsort ist das goldbekHaus mit sei-
nen zwei Bühnen. Darüber hinaus gibt es weitere
Kooperationspartner und Veranstaltungsorte im
gesamten Stadtgebiet, die mit dabei sind.
eigenarten bietet ansässigen Künstlerinnen und
Künstlern Realisationsmöglichkeiten für ihre Projekte
in Hamburg und fördert damit die kulturelle und die
künstlerische Vielfalt in der Hansestadt. Mit seinen
Kooperationspartnern hat das Festival-Team ein pro-
duktives Netzwerk entwickelt, das weiter ausgebaut
wird.
Interkulturelle Projekte wie eigenarten, die ein
medien- und öffentlichkeitswirksames Forum bieten,
sind integrativer und wichtiger Bestandteil einer
Großstadtkultur: Sie geben Einblick in andere Tra-
ditionen, Religionen und Philosophien. Gleichzeitig
stellen sie unter Beweis, wie ein Miteinander funk-
tionieren kann: Sie bringen Ergebnisse hervor, wel-
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Judy Engelhard
Rückblick – Einblick – Ausblickinternationales festival eigenarten
Judy Engelhard stellt die Geschichte und die aktuellen Entwicklungen des internationalen festival eigenarten vor. Sieskizziert darüber hinaus die Rolle und Funktion des Festivals, die es in der vielfältigen Kulturlandschaft in Hamburgeinnimmt und die sie für interkulturelle Impulse öffnet.
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Auftrittsplattformeigenarten bietet interkulturell arbeitenden Künst-
lerinnen und Künstlern mit Migrationshintergrund die
Möglichkeit, ihre Produktionen öffentlich zu präsen-
tieren. Für viele Künstler ist eigenarten wichtige
Anlaufstelle nach der Ankunft in Hamburg.
Netzwerkbildungeigenarten verbindet: Über die Jahre ist ein lebendi-
ges Netzwerk von Künstlerinnen und Künstlern,
Gruppen, Kooperationspartnern (Veranstaltungsorte)
und Multiplikatoren entstanden. Viele Künstlerinnen
und Künstler haben sich bei eigenarten kennen- und
schätzen gelernt und sich zu neuen Projekten und
Ufern aufgemacht.
Öffentlichkeitswirksameigenarten macht das große Potenzial der interkultu-
rellen Szenen der Hansestadt sichtbar und bündelt
die vielen künstlerischen Einzelansätze. Das Festival
zeigt ein Kaleidoskop, das auf die spannenden und
fruchtbaren Seiten von Begegnung fokussiert über
Grenzen hinweg.
Zukünftigeigenarten wünscht sich:
• das Gewinnen der großen Bühnen für die interkul-
turellen Produktionen,
• eine weitergehende Vernetzung über die Grenzen
Hamburgs hinaus,
• Erhöhung des Budgets für eine Ausweitung der
Öffentlichkeitsarbeit und
• die Finanzierung von Produktionskosten zentraler
Projekte.
Kontakt:eigenarten Interkulturelles Festival Hamburg
c/o peeng e.V.
Winklersplatz 8 / Thadenstraße 100
D-22767 Hamburg
040 / 43 18 35 00
www.festival-eigenarten.de
interkulturelles festival eigenarten 2012
24. Oktober bis 4. November 2012
che deutlich machen, dass Weltoffenheit nicht nur
eine Idee ist und dass Völkerverständigung und
Toleranz konstruktiv wirken. Diese positiven Wirkun-
gen sollen die Beteiligten und die Zuschauer glei-
chermaßen sensibilisieren. Damit wird die gesell-
schaftliche Integrationsfähigkeit gefördert und für
eine moderne und tolerante Großstadtgesellschaft
geworben.
ZielgruppeDie gesamte Öffentlichkeit Hamburgs und die des
weiteren Umlands bildet unser Zielpublikum. Darüber
hinaus wendet sich das Festival speziell auch an
Akteure städtischer Kulturen (Stadtteilgruppen,
Stadtteilzentren und -initativen) und an das künstle-
rische Fachpublikum.
eigenarten 2011 in ZahlenIm Jahr 2011 präsentierte das interkulturelle festival
eigenarten an elf Festivaltagen 29 Produktionen:
• ausgewählt aus 86 Bewerbungen
• darunter 18 Premieren
• 38 Veranstaltungen
• 19 Spielstätten
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Szenenbild aus »Ganz oben gibt die Schiller-Combo
den Wallenstein – eigenarten festival 2011.
Was macht Kultur in Deutschland heute vor dem
Hintergrund des demografischen Wandels aus?
Wie kann die kulturelle und künstlerische Vielfalt
durch eine entsprechende interkulturelle Kulturarbeit
nachhaltig gefördert werden?
Mit diesen Fragestellungen befasste sich die Arbeits-
gruppe »Interkulturelle Kulturarbeit«, die unter
Federführung des Landes Nordrhein-Westfalen im
Auftrag des Kulturausschusses der Kultusminister-
konferenz zusammenkam. Zwischen September 2009
und Dezember 2010 fanden sechs Sitzungen der AG
statt, in denen die folgenden Empfehlungen
entwickelt wurden.
Zunächst empfiehlt die AG des Kulturausschusses
der Kultusministerkonferenz die Orientierung an
Daten und Fakten bezüglich der sozio-ökonomischen
Bevölkerungsstruktur im Einzugsgebiet jeder Kultur-
einrichtung. Diese wurde als wesentliche Grundlage
für die Entwicklung von Konzepten zur interkulturel-
len Kulturarbeit identifiziert. Auch im Bereich der
»kulturellen Teilhabe«, vor allem bezüglich der Nut-
zungsgewohnheiten der Besucherinnen und Besu-
cher, sollten Daten erhoben werden und in die Ent-
wicklung interkultureller Strukturen und Kulturpro-
jekte einfließen.
Generell wird empfohlen, Forschung zur Situation
und zur Perspektive von Kulturpolitik und Kulturein-
richtungen im Hinblick auf die demografische Ent-
wicklung länderübergreifend zu initiieren und zur
Verfügung zu stellen. Diese Forschung sollte sowohl
quantitativ als auch qualitativ mit einem interdiszi-
plinären Ansatz (z.B. Migrationsforschung, Kultur-
und Sozialwissenschaften) betrieben werden und
internationale Ergebnisse in diesem Themenfeld ver-
gleichen. Entsprechende Forschungsprozesse sollten
initiiert, koordiniert und gefördert werden.
Eine weitere Empfehlung ist die Formulierung klarer
Positionierungen zur interkulturellen Orientierung
öffentlich geförderter Kunst- und Kultureinrichtungen
durch die zuständigen Träger- und Aufsichtsgremien.
Die Programme sollten die Realität einer von Migra-
tion geprägten Gesellschaft berücksichtigen, Men-
schen mit Migrationshintergrund sollten als Zielgrup-
pe(n) erreicht werden und sich auch im künstleri-
schen sowie verwaltenden Bereich der Häuser wie-
derfinden. Auf diese Weise kann die interkulturelle
Orientierung der Kultureinrichtungen nachhaltig und
strukturell verankert werden. Bisherige allgemeine
Aufträge für öffentlich geförderte Kunst- und Kultur-
einrichtungen, wie etwa ein Programm für die Be-
völkerung der Region zu machen, reichen hier nicht
aus.
Bezüglich der Verwaltungen der Länder wäre es
empfehlenswert, eine förmliche Zuständigkeit und
Ansprechpersonen festzulegen, die für Fragen zur
Förderung interkultureller Projekte im Bereich der
Interkultur zuständig sind.
Es sollten Anreize zur interkulturellen Kulturarbeit in
städtischen und ländlichen Bereichen entwickelt und
beispielhafte Prozesse (z.B. über kommunale Hand-
lungskonzepte) gefördert werden. Hintergrund ist,
dass der Erfolg interkultureller Orientierungen und
interkultureller Projekte sich auf der kleinräumigen
Ebene der Kommunen, Bezirke und Regionen ent-
scheidet. Bisher fehlen jedoch sowohl eine Koordi-
nation auf der Ebene der Länder als auch ein effek-
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Anja Turner
Eckpunkte der Handlungsempfehlung der AG»Interkulturelle Kulturarbeit«
Als Zuständige für interkulturelle Projekte in der Kulturbehörde Hamburg stellt Anja Turner die wesentlichen Punkteder Handlungsempfehlung der Arbeitsgruppe »Interkulturelle Kulturarbeit« des Kulturausschusses der Kultusminister-konferenz vor.
le Projekte im interkulturellen Bereich, aber auch für
neuartige künstlerische Projekte zusätzliche Budgets
als Stimulus entscheidend zu einer erheblichen und
bleibenden Veränderung beitragen können. Dabei ist
der Bereich Interkultur – unabhängig von der Exis-
tenz eigener Förderstrukturen – keine »Förderni-
sche«, sondern es handelt sich bei der Berücksichti-
gung interkultureller Belange um eine Querschnitt-
aufgabe.
Die AG empfiehlt die Entwicklung von Kriterien zur
Förderung interkultureller Kunst- und Kulturprojekte.
Diese stellen eine notwendige Orientierungsgrund-
lage für Zuwendungsempfängerinnen und Zuwen-
dungsempfänger und eine fundierte Argumentations-
basis in der Entscheidung über zu vergebende Mittel
dar. Die Legitimation und Akzeptanz der Kriterien
wird entscheidend gestärkt, wenn diese partizipativ
mit Agierenden aus dem Kunst- und Kulturbereich
entwickelt werden.
Ebenso sollten die Fördergrundsätze der Länder
dahingehend ergänzt werden, dass strukturbildende
Maßnahmen in der gesamten Kulturförderung stärker
in den Fokus der Landesförderungen rücken. Die
Länder und Kommunen fördern bisher im Wesentli-
chen Kunst- und Kulturprojekte, die die kulturelle
Vielfalt der Bürger repräsentieren und den interkultu-
rellen Dialog in den Kommunen und Stadtteilen
ermöglichen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf
Programmen der Kunst- und Kulturförderung für
Künstlerinnen und Künstler mit Migrationshinter-
grund. Hingegen sind strukturbildende Maßnahmen,
die der zunehmenden Interkulturalität infolge des
demografischen Wandels Rechnung tragen, bisher
eher die Ausnahme.
Die AG der KMK empfiehlt den Ländern, messbare
Ziele zur interkulturellen Öffnung mit den von ihnen
geförderten Einrichtungen bzw. deren Leitungen zu
vereinbaren und regelmäßig zu evaluieren.
tiver Erfahrungsaustausch zwischen den regionalen
Entscheidungsträgern.
Zudem empfiehlt die AG, kulturelle Bildung zuneh-
mend auch als interkulturelle Bildung zu begreifen
und durch entsprechende Maßnahmen zu untermau-
ern. Hier sollte ein bundesweiter Modellversuch zur
interkulturellen Bildung auf den Weg gebracht wer-
den, da immer noch systematische Strategien im
Hinblick auf die Ziele, Verfahren und Verbreitungs-
und Umsetzungsmethoden fehlen.
Auch sollte die interkulturelle Forschung, Qualifizie-
rung und Fortbildung in allen Zuständigkeitsfeldern
und auf allen Personalebenen gefördert werden.
Eine wesentliche Grundlage für eine gelungene
strukturelle Umsetzung der interkulturellen Orientie-
rung in öffentlich geförderten Kultureinrichtungen,
der Kulturverwaltung und -politik sowie der freien
Szene ist die Professionalisierung der Agierenden.
Um diese in die Lage zu versetzen, ein neues Publi-
kum zu gewinnen, bedarf es einer fundierten Ver-
mittlung der aktuellen empirischen und kulturwis-
senschaftlichen Forschung zu kulturellen Interessen
und Hintergründen der unterschiedlichen Zielgruppen
und Milieus.
Weiterhin wird empfohlen, bestehende Netzwerke zu
nutzen bzw. neue zu initiieren. Im Rahmen partizipa-
tiver Verfahren sollten kulturpolitische Vereinbarun-
gen zur interkulturellen Kulturarbeit entwickelt wer-
den. Die Vernetzung der Beteiligten auf Landes-
ebene und auf regionaler Ebene ist wichtig, um
interkulturelle Kulturarbeit als Querschnittaufgabe
übergreifend voranzubringen, Erfahrungen auszutau-
schen, Kooperationen anzuregen und gelungene
Projektbeispiele vorzustellen. Als Vernetzungspartner
kommen z.B. Vertretungen aus Kulturverwaltungen,
Kulturinstitutionen in öffentlicher und privater
Trägerschaft, freie Kulturinitiativen, interkulturell aus-
gerichtete Kunst- und Kulturprojekte, Kulturvereine
und Künstlerinnen und Künstler in Betracht.
Die Fördermodalitäten der einzelnen Kunstsparten
sollten für eine interkulturelle Orientierung geöffnet
bzw. für die interkulturelle Orientierung eigene Etats
geschaffen werden. Die Erfahrung der letzten Jahre
(z.B. in NRW) hat gezeigt, dass gerade für strukturel-
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
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Positive Erfahrungen mit interkultureller Kultur-
arbeit, deren Rahmenbedingungen sowie die
Diskussion über Probleme bei der Umsetzung und
Auswege standen im Mittelpunkt der Arbeitsgruppe.
Die freischaffende Regisseurin und Performance-
künstlerin Katharina Oberlik stellte in dem ersten
Impulsreferat ihr Projekt »In my House« vor, das sie
gemeinsam mit Jugendlichen in Wilhelmsburg an der
»Universität der Nachbarschaft«1 umgesetzt hatte.
Frau Oberlik betonte, wie wichtig solche Projekte mit
Jugendlichen sind, weil sie dadurch einen Freiraum
erhalten, in dem sie sich ausprobieren können, fern-
ab der eingespielten Rollen, die sie in der Schule an
den Tag legen. Zum Abschluss des Projekts »In my
House« wurden Freunde und Familienangehörige ein-
geladen, um einen Nachmittag dort gemeinsam mit
den Jugendlichen zu wohnen. Es sei wichtig, dass
die Familien und Freunde eingeladen werden, weil
genau dann interkulturelle Begegnungen entstehen.
Leider kamen aber kaum weitere Interessierte, trotz
massiver Werbung. Das sei oft ein Problem mit klei-
nen Projekten.
Auf die Frage, ob sie auch Kommunalpolitiker einge-
laden habe, antwortete Oberlik, dass ihr dafür ein-
fach die Zeit fehlte. Es sei aber wichtig, mit solchen
Projekten an Institutionen anzudocken, weil sonst
die ganze Arbeit kaum zu schaffen sei. Oft mache
man ein Projekt, das 30 Leute gesehen haben, dann
sei das Budget aufgebraucht und es gebe keine
Gelder, um weiter Akquise zu machen.
Katharina Oberlik kam noch einmal auf das Problem
der geringen Resonanz bei solchen kleinen
Projekten zu sprechen und stellte die Frage, wie
man es schafft, dass die Leute davon hören und
dann auch kommen. Anja Turner von der Kultur-
behörde Hamburg fügte an, dass der Ort einen gro-
ßen Einfluss darauf habe, wer zu der Veranstaltung
komme. Es gelte, die Balance zwischen zu niedrig-
schwelligen und zu hochschwelligen Orten zu finden.
Katharina Oberlik verwies darauf, dass Jugendliche
gern auf eine »richtige« Bühne wollten und sie oft
nicht die vielen kleinen Schritte kennen, die man
gehen müsse, um erfolgreich auf einer Bühne wie
Kampnagel stehen zu können. Daher sei es wichtig,
Kultur in die Schulen zu bringen. Anja Turner warf
ein, dass die Jugendlichen in einer Medienkultur auf-
wüchsen und daher ein ganz anderes Kulturbild hät-
ten. Es sei wichtig, sich die unterschiedlichen Erwar-
tungen anzusehen – also die Ansprüche der Jugend-
lichen, der Kulturschaffenden, aber auch die An-
sprüche von Orten wie Kampnagel – und sie auf
einen Nenner zu bringen. Eine Teilnehmerin machte
den Vorschlag, Bündnisse zu suchen, und verwies
auf das Hoftheater2, das regelmäßig Lesungen er-
mögliche. Eine andere Teilnehmerin verwies auf die
HipHop-Akademie. Die Gruppen hätten auch mit klei-
nen Schritten angefangen, sind auf kleinen Bühnen
im Kulturpalast Billstedt, in Schulen oder auf Stadt-
teilfesten aufgetreten, bis Dörte Inselmann ihr Po-
tenzial entdeckte und die Notwendigkeit eines syste-
matischen Trainingssystems erkannte und bedarfs-
orientiert als professionelle Künstlerförderung ent-
wickelte.
Ein anderer Teilnehmer nahm noch einmal den As-
pekt der Ortsproblematik auf und verwies darauf,
dass Künstlerinnen und Künstler Orte wie die »Uni-
versität der Nachbarschaft« immer spannend fänden,
weil sie einfach »Unorte« fürs Theater seien. Ju-
gendliche hingegen wollten ins »richtige« Theater.
Der Teilnehmer warf die Frage auf, ob sich nicht bei-
des verbinden ließe, also aus dem »Unort« einen
besonderen Ort zu machen, der auch für »hochkultu-
rell Interessierte« interessant sei. Dafür brauche man
aber Kooperationspartner. Judy Engelhard vom inter-
kulturellen festival eigenarten verwies darauf, dass
eigenarten genau das praktiziere, und bestätigte die
positive Erfahrung mit den besonderen Orten aus
eigener Erfahrung. Als Beispiel nannte sie die Thea-
teraufführung des russischen Regisseurs Evgeni Mes-
tetschkin im 12. Stock eines Hochhauses in der
Lenzsiedlung. Anja Turner fügte hinzu, dass man für
die Bespielung solcher »Unorte« städtische oder
generell Partner benötige. Als EinzelkünstlerIn ohne
Netzwerk habe man kaum Chancen, an solche Orte
zu kommen. Sie verwies auf die »Hamburg Kreativ
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
AG-Diskussionsprotokoll »Sichtbarkeit der Vielfalt der Kulturen«
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In dem zweiten Impulsreferat stellte Judy Engelhard
das festival eigenarten vor. eigenarten unterstützt
interkulturell arbeitende Künstlerinnen und Künstler
u.a. bei der Entwicklung ihrer Ideen, bei der Bewer-
bung für das Festival – die Projekte für das Festival
werden von einer externen Jury ausgewählt –, bei
der Suche nach passenden Räumen, bei der Vernet-
zung und der Öffentlichkeitsarbeit. Insbesondere die
Öffentlichkeitsarbeit sei unerlässlich, um die Projekte
sichtbar zu machen. Daher fließen über 50 Prozent
der Gelder, die eigenarten bekomme, in diesen Be-
reich und es gebe mittlerweile eine eigene Mitarbei-
terin für PR- und Öffentlichkeitsarbeit. Mittlerweile
sei eigenarten sehr bekannt und habe viele Koope-
rationspartner, insbesondere Stadtteilkulturzentren,
die ihre Räume zur Verfügung stellen. Schwierig sei
es, etablierte Orte wie Kampnagel oder das Thalia
Theater für eine Kooperation mit eigenarten zu ge-
winnen. Das hänge aber viel an persönlichen
Kontakten. Judy Engelhard verwies darauf, dass hier
auch die Kulturbehörde in die Pflicht genommen
werden müsse, um beispielsweise die Kontakte her-
zustellen. Eine Empfehlung für ein Projekt könne
Türen öffnen. Anja Turner fügte hinzu, dass die Zu-
sammenarbeit zwischen interkulturellen Projekten
und den Behörden auch ein klares politisches Be-
Gesellschaft«, die unter anderem Räume und Immo-
bilien an KünstlerInnen und Kreative vermittelt.3
Außerdem gebe es in der Kulturbehörde jetzt auch
ein Referat für Kreativimmobilien4, wo Flächen tem-
porär und günstig vermittelt werden, beispielsweise
die Viktoriakasernen. Temporäre Orte – wie die
Universität der Nachbarschaft – schaffen allerdings
keine nachhaltigen Strukturen, wie beispielsweise
das Mut Theater oder das festival eigenarten.
Ein Teilnehmer warf ein, dass die Projektförderstruk-
turen dann auch so geschaffen sein müsste, dass
man Nachfolgeprojekte mitfinanzieren könne. Katha-
rina Oberlik berichtete, wenn man sich bemühe und
die Anträge schreibe, bekomme man in der Regel
auch die Fördermittel. Was es allerdings nicht gebe,
seien Mittel für die Fortsetzung von Projekten. Das
führe dazu, dass man sich permanent neue Projekte
ausdenken müsse, um eine Finanzierung sicherzu-
stellen. Christine Wilms vom Bezirksamt Hamburg-
Nord entgegnete, dass sie bereits die Erfahrung
gemacht habe, dass Projekte, die sehr gut laufen,
ein zweites Mal beantragt und auch bewilligt wür-
den. Man könne die Projekte beispielsweise als
Serie an verschiedenen Orten innerhalb eines
Bezirks oder darüber hinaus fortführen.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Am Sonnabend tagte der RATSCHLAG im neuen technischen Rathaus des Bezirkamtes Hamburg Nord.
kenntnis der Regierung benötige, die Interkulturalität
in der Stadt zu fördern. Sie warf die Frage auf, wie
man hier an die PolitikerInnen herantreten könne.
Judy Engelhard berichtete vom interkulturellen Fo-
rum, einem beratenden Netzwerk von interkulturell
arbeitenden Gruppen, Vereinen, Privatpersonen,
Kulturhäusern und dem Referat »Interkulturelle
Projekte« der Kulturbehörde, das den gemeinsamen
Austausch und die Lobbyarbeit fördert.5 Darüber
hinaus benötige man aber auch interkulturelle
Vermittler, die Kontakte zu den Communities in den
Stadtteilen haben und mit ihnen gemeinsam Ver-
anstaltungen organisieren. Judy Engelhard berichtete
von ihrer Arbeit im Bürgerhaus Wilhelmsburg, wo sie
als Honorarkraft für Interkultur angestellt ist – die
Stelle wird offiziell »Querschnittsaufgabe« genannt.
Es sei sinnvoll, so eine Tätigkeit in jedem Stadtteil-
kulturzentrum anzusetzen. So wie es Kulturagenten
in den Schulen gebe, müsse es auch interkulturelle
Agenten in den Stadtteilen geben.
Katharina Oberlik bemerkte, dass in unserer interkul-
turellen Gesellschaft oft ein Austausch fehle. Die
jeweiligen Communities machen zwar ihre Feste,
aber man fühle sich nicht angesprochen. Das Dra-
chenfestival des Goldbekhauses in Kooperation mit
der Honigfabrik sei hier eher eine Ausnahme und
sehr vorbildlich. Anja Turner fragte in die Diskus-
sionsrunde, was man tun könne, um das Denken in
Gruppierungen zu überwinden. Das sei ja ein ge-
samtgesellschaftlicher Prozess des Umdenkens, der
vielleicht gerade mit Kulturprojekten angestoßen
werden könne. Judy Engehard verwies erneut auf die
Räume, die es dafür geben müsse, und nannte als
Beispiel das Musiknetzwerk in Wilhelmsburg, das gar
nicht erst als »interkulturell« bezeichnet wurde, weil
es das von sich aus sei. Eine Teilnehmerin ergänzte,
dass es vor allem niedrigschwellige Orte sein müs-
sen, wo Jugendliche nach der Schule hingehen kön-
nen, um sich Anregungen im Bereich Musik, Theater,
Tanz etc. zu holen. Judy Engelhard bemerkte, dass
sich das Bürgerhaus seit mehreren Jahren um Gelder
bemühe, um einen Anbau für ein Musikzentrum zu
finanzieren, denn solche Orte, die den Austausch
und die Begegnung fördern, fehlen. Und genau das
sei ja auch der Auftrag eines Stadtteilkulturzentrums,
Kontakte zu den BewohnerInnen aufzubauen und zu
schauen, was ihre Bedürfnisse sind, um mit ihnen
gemeinsam etwas zu veranstalten.
Ein Teilnehmer warf die Frage auf, ob man für inter-
kulturelle Arbeit experimentelle Räume benötige
oder ob bestehende Einrichtung hier ausreichend
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Anja Turner (ganz rechts) stellte Eckpunkte der Handlungsempfehlung der Kultusministerkonferenz vor.
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In dem dritten Impulsreferat berichtete Anja Turner
von den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz.
Der Kulturausschuss der Kultusministerkonferenz
hatte 2009 den Auftrag erteilt, eine Arbeitsgruppe
zur interkulturellen Kulturarbeit zu gründen. Diese
Arbeitsgruppe hat ein Konzept mit 13 Handlungs-
empfehlungen für interkulturelle Kulturarbeit erstellt.
Exemplarisch stellte Anja Turner einige der Empfeh-
lungen vor: Als Erstes wird empfohlen, sich die Ziel-
gruppe genau anzusehen. Hier gebe es allerdings
noch enormen Forschungsbedarf, da es außer den
Grobdaten des statistischen Landesamtes keine
Daten und Fakten über die Bevölkerungsstruktur in
den Bezirken oder Kommunen gebe. Das sei ein gro-
ßer Mangel, denn man wisse kaum, wer eigentlich in
den Stadtteilen lebe und welche Bedürfnisse diese
Menschen haben. Bundesweit gebe es nur die Sinus
Studie aus NRW, initiiert von Ulla Hartwig, die die
Lebenswelten und Lebensstile von Menschen mit
unterschiedlichem Migrationshintergrund untersucht.
Hier seien vor allem die Stadt, die »klassischen«
Kultureinrichtungen und die Stadtteilkulturzentren
gefragt. Die Kulturbehörde könne beispielsweise in
Kooperation mit der Universität Hamburg entspre-
chende Methoden entwickeln. Auch die »klassi-
seien. Es stelle sich die Frage, ob man einen Ort wie
die Ghettoakademie erhalten müsse, wenn es in der
Nähe eine soziokulturelle Einrichtung gebe, die auch
niedrigschwellige Räume zur Verfügung stelle. Oder
brauche man solche Orte wie die Ghettoakademie,
um das Interesse der Jugendlichen an Kulturprojek-
ten zu wecken? Auch für Künstlerinnen und Künstler
habe es einen Reiz, an so einem Ort Projekte zu
umzusetzen, da man sich dort viel mehr ausleben
könne, als in etablierten Einrichtungen, wo man
nicht einfach für ein halbes Jahr einen Raum beset-
zen könne. Und hier stelle sich die nächste Frage,
ob man diese besonderen Orte dauerhaft oder nur
temporär benötige. Er verwies auf die Zunahme von
Zwischennutzungskonzepte und nannte beispielhaft
die Zwischenzeitzentrale in Bremen.6 Judy Engelhard
wandte ein, dass es für die Jugendlichen hart sei,
wenn sie sich ein Haus erobert hätten, viel Zeit und
Energie investiert hätten und dann würde man es
nach zwei Jahren wieder abreißen. Andererseits ent-
wüchsen die Jugendlichen irgendwann und es kämen
neue, die sich den Raum dann auch wieder erarbei-
ten müssten. Wichtig sei es, dass man Räume anbie-
te, egal ob soziokulturelle Zentren oder temporäre
Räume. Was damit passiere, liege vor allem an den
Jugendlichen selbst.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Die Hamburger Linie der berühmten Musikerfamilie Weiss wohnt in Wilhelsmsburg und tritt als KaKo Weiss
Ensemble u.a. beim interkulturellen festival eigenarten auf. Foto: Uwe Volkenhauer
schen« Kultureinrichtungen wie Museen und Theater
sollten Nutzungsgewohnheiten evaluieren: Gehen die
Menschen ins Theater? Wenn nein, warum nicht?
Wollen sie lieber am Sonntagnachmittag ins Theater,
weil dann die ganze Familie mitkann? »Audience
Development« sei beispielsweise eine Methode, um
zum einen die Zielgruppe besser kennenzulernen
und zum anderen ein neues Publikum zu gewinnen.
Und schließlich müssen die Stadtteilkulturzentren
Daten und Fakten über die Menschen vor Ort gewin-
nen, um Kulturprogramme zu entwickeln, die den
Wünschen und Bedürfnissen der BewohnerInnen ent-
sprechen.
Eine weitere Handlungsempfehlung ist die klare
Positionierung zur Interkultur. Interessant sei, dass
in den Wahlprogrammen aller Hamburger Parteien –
mit Ausnahme der Linken – das Thema Interkultur
kaum verankert sei. Das interkulturelle Forum sei
hier ein erster Schritt, weil auch Bezirksvertreter und
Politiker eingeladen werden, sich mit der interkultu-
rellen Arbeit auseinanderzusetzen und gemeinsam
Strategien für die Stadt zu entwickeln.
Die Handlungsempfehlungen des Kulturausschusses
der Kulturministerkonferenz müssen nun öffentlich
gemacht und an die Kulturschaffenden weitergereicht
werden. Anna Wildhack
Fußnoten1 Die »Universität der Nachbarschaft« ist ein Gebäude, das
die IBA der HafenCity Universität bis 2013 zur Verfügunggestellt hat, um dort Kulturprojekte mit der Nachbar-schaft zu machen. Weitere Informationen unter:http://udn.hcu-hamburg.de/wordpress/
2 www.hoftheater.de/index.php?option=com_frontpage&Itemid=1
3 Die Hamburger Kreativ Gesellschaft ist eine städtischeEinrichtung zur Förderung der Kreativwirtschaft. WeitereInformationen unter: http://kreativgesellschaft.org/
4 www.hamburg.de/kulturbehoerde/kontakt/ 2096846/referat-kunst-artikel.html
5 Weitere Informationen unter: www.stadtkulturmagazin.de/2011/03/interkulturelles-forum-hamburg/
6 Weitere Informationen unter: www.zzz-bremen.de/blog/
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Anja Turner, Katharina Oberlik und Judy Engelhard (von links) stellten beim Schlussakkord die AG-Ergebnisse vor.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
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Sven Oliver BemméDipl.-Politologe, selbstständiger Change-Management-Berater (zertifiziert nach
CMC/BDU), Trainer und Coach für Organisations- und Personalentwicklung sbc con-
sulting Hamburg (www.sbc-consulting.de). Schwerpunkt: branchenunabhägige
Unterstützung von Organisationen bei Veränderungsprozessen im Profit- und Non-
Profit-Bereich, Lehrbeauftragter am Institut für Kultur- und Medienmanagement
Hamburg, an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mosbach (ABWL/
Handel) und PH Ludwigsburg (FB Kulturmanagement).
Judy EngelhardDipl.-Pädagogin, studierte in Würzburg und Oldenburg Diplom-Pädagogik mit dem
Schwerpunkt Interkulturelle Pädagogik. In Hamburg Ausbildung zur Sozialmana-
gerin. Organisation und Durchführung zahlreicher Veranstaltungen in den Bereichen
Musik, Theater, bildende Kunst und Stadtteilkultur. Mitarbeit bei verschiedenen
Kulturprojekten in Ländern Lateinamerikas und in Indien. Redaktionsmitglied der
»IKA – Zeitschrift für internationalen Kulturaustausch«.
Ulla HartingErziehungswissenschaftlerin, seit 1991 in der Landesregierung NRW; ab Januar 2002
in der Kulturabteilung der Landesregierung NRW, Referatsleiterin des Referates
»Interkulturelle Kunst- und Kulturarbeit, Kultur und Alter, Kultur von Frauen« (seit
Mitte 2010 im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport); 2009 und
2010 Leitung einer länderübergreifenden AG zur Interkulturellen Kulturarbeit im
Auftrag des Kulturausschusses der KMK.
Ralf HenningsmeyerKultur- und Bildungsmanager, Dipl.-Sozialpädage, Verlagskaufmann, Geschäftsführer
der GWA St. Pauli e.V., langjährige Erfahrung in der soziokulturellen Praxis und
Verbandsarbeit.
Bernd HaßKulturpädagoge und Betriebswirt, berufliche Praxis in Kulturverwaltung und
Kulturinstitutionen, seit 2001 Leiter des Goldbekhauses, Mitglied Landesrat
Stadtteilkultur, Ausschuss für Bildung, Kultur und Sport der Bezirksversammlung
Hamburg-Nord.
Dörte InselmannKultur- und Bildungsmanagerin, Dipl.-Sozialpädagogin. 1980 Gründungsmitglied und
Vorsitzende und seit 1988 Geschäftsführerin und Intendantin, seit 2011
Stiftungsratvorsitzende der der Stiftung Kultur Palast Hamburg. Begründerin und
Geschäftführerin der BilleVue GBR, Initiatorin des Musikclubs Bambi galore,
Initiatorin und Intendantin der Projekte »HipHopAcademy Hamburg« und
»Klangstrolche«. Mitglied im Landesrat Stadtteilkultur der Kulturbehörde für die
Bezirkversammlung Hamburg Mitte.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Maria-Inti MetzendorfDipl.-Informationswirtin (FH) und Magistra Artium in Management von Kultur- und
Non-Profit-Organisationen. In Teilzeit tätig an der Bibliothek der Medizinischen Fa-
kultät Mannheim der Universität Heidelberg (Schwerpunkte: Wissensmanagement,
Webseite, Schulungen im Bereich Informationskompetenz). Seit 2011 Nebentätigkeit
als freie Kulturberaterin für das Kulturhaupstadtbüro der Stadt Mannheim sowie
seit 2008 ehrenamtliche Veranstaltungsorganisation für die ARTgenossen, Förder-
kreis für die Kunsthalle Mannheim e.V. sowie für das Kulturcafé cafga. im
Mannheimer Migrantenstadtteil Jungbusch.
Katharina OberlikRegisseurin und Performancekünstlerin, Studium Theater, Film- und Fernsehwissen-
schaften in Frankfurt und angewandte Theaterwissenschaft in Gießen, Mitglied des
international bekannten Performance-Kollektivs She She Pop. Zahlreiche künstleri-
sche Kooperationen in den Bereichen Theater, Musik und Performancekunst sowie
eigene Projekte als Regisseurin und Performerin. Arbeitet seit 2004 auch mit
jugendlichen Darstellern in Projekten im Bereich von Theater und Performance. Sie
unterrichtet zeitgenössisches Theater in Regie, Schauspiel und Performance an den
Theaterakademien in Hamburg und Ludwigsburg.
Matthias RickDipl.-Architekt, raumlaborberlin freier Architekt, 2009 – 2011 Professur für Architek-
tur an der Akademie für Kunst, Architektur und Design, Prag. Seit 2012 Professor
für Art & Technology, Universtät Aalborg, Dänemark. Diplom an der TU Berlin, 1997
Gründung »Institut für angewandte Baukunst«, 1998 – 2001 Assistent von Prof.
Horst Antes. Projektauswahl: u.a. Orbit (2007), die Eichbaumoper (2007 – 09). Er
war Dramaturg für X-Wohnungen, Berlin (2005) und baute das Küchenmonument
(2006) und das Open House (2010) in Anyang, Südkorea.
Gabriela SchmittStaatsexamen in Biologie, Geographie und Pädagogik, wiss. Mitarbeiterin in inter-
nationalen Forschungsprojekten zu kulturellen Kontexten von Umweltbildungs-
prozessen. Seit 2007 pädagogische Mitarbeiterin bei Arbeit und Leben DGB/VHS
NW für internationale und europäische Studienseminare; beauftragt mit der
Geschäftsführung des Professionalisierungsprogramms interkultur.pro; seit 2011
beauftragt mit dem Aufbau der Zukunftsakademie NRW.
Sonja WichmannDipl.-Verwaltungswirtin, berufliche Praxis u.a. in der Wirtschaftförderung,
Verwaltungsmodernisierung, im Controlling und als Pressesprecherin. Seit 2007
Leiterin der Abteilung Finanzabwicklung im Fachamt Sozialraummanagement des
Bezirksamtes Harburg.
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Brigitte Abramowski, Stadtteil-archiv Ottensen, Hamburg
Nadine Amelang, conecco UG,Hamburg
Anke Amsink, Kulturpunkt imBarmbek Basch, Hamburg
Matthias Arndt, Bezirksamt Wands-bek, Hamburg
Dörte Ayecke, Elternschule Eidel-stedt, Hamburg
Johanna Ayecke, Kreative KidsHamburg
Gerda Azadi, Hamburg
Sven Bemmé, sbc-consulting,Hamburg
Friedrich Bielfeldt, Hamburg
Jochen Blauel, Q8 Hamburg-Neustadt
Hildegard Borngröber, BezirksamtEimsbüttel, Hamburg
Michael Braun, Kulturladen Hamm,Hamburg
Astrid Dahaba, Hamburg
Sven Dahlgaard, Bezirksamt Berge-dorf, Hamburg
Naciye Demirbilek, Werkstatt 3,Hamburg
Metin Demirdere, Elbcoast Enter-tainment, Hamburg
Nepomuk Derksen, Bunte Kuh e.V.,Hamburg
Tina Djeyrani, Elbcoast Entertain-ment, Hamburg
Judy Engelhard, Peeng, Hamburg
Sonja Engler, Zinnschmelze,Hamburg
Thea Eschricht, Behörde für Stadt-entwicklung und Umwelt,Hamburg
Hartmut Falkenberg, LOLA,Hamburg
Anna Feuchtinger, Hamburg
Yvonne Fietz, conecco UG –Management städtischer Kultur,Hamburg
Thomas Frahm, Kulturbüro derStadt Flensburg
Stefanie Frank, FinanzbehördeHamburg
Nadia Fritsche, STEG, Hamburg
Werner Frömming, KulturbehördeHamburg
Berndt Fuhrmann, Hamburg
Carsten Gerloff, Hamburg
Timo Gorf, Bürgerhaus Wilhelms-burg, Hamburg
Markus T. Gronau, Hamburg
Hans-Hermann Groppe,Bürgervermögen VHS Hamburg
Gerd Hardenberg, Studio-Verlag,Hamburg
Susa Harnisch, Bezirksamt Eims-büttel, Hamburg
Ulla Harting, Ministerium für Fa-milie, Kinder, Jugend, Kultur undSport, Düsseldorf
Christoph Harwart, Fachschule fürSozialpädagogik, Hamburg
Bernd Haß, Goldbekhaus,Hamburg
Ann-Christin Hausberg, Bürgerhausin Barmbek, Hamburg
Jürgen Havlik, Alles wird schön,Hamburg
Ralf Henningsmeyer, GWA St. Pauli,Hamburg
Sylvia Henze, Ateliers für dieKunst, Hamburg
Jochen Hertrampf, KulturladenWulsdorf, Bremerhaven
Otfried Hilbert, Hamburg
Angelika Hillmer,Geschichtswerkstatt Harburg
Wolfgang Hinsch, KulturhausEppendorf, Hamburg
Clemens Hoffmann-Kahre, Motte
Hanne Hollstegge, Hamburg
Regine Hoppenrath, , Hamburg
Annette Huber, literaturkontor,Hamburg
Regine Hüttl, Goldbekhaus,Hamburg
Dörte Inselmann, KulturpalastHamburg
Astrid Jawara, Goldbekhaus,Hamburg
Astrid Juster, Hamburg
Stephan Kaiser, Kulturhaus Süder-elbe e.V., Hamburg
Susanne Kilgast, Hamburg
Barbara Kisseler, KulturbehördeHamburg
Alexandra Klecha, Hamburg
Jutta Kodrzynski, GAL Hamburg
Klaus Kolb, Kulturhaus Eppendorf,Hamburg
Michael König, Bezirksamt Eims-büttel, Hamburg
Stefanie Könnecke, Hamburg
Wolfgang Kopitzsch, BezirksamtHamburg-Nord
Knut Kösterke, kommunikation +konzept, Hamburg
Simone Kottmann, umdenkenHeinrich-Böll-Stiftung Hamburg
Malte Krugmann, PatriotischeGesellschaft von 1765, Hamburg
Elke Kuhlwilm, SPD-BezirksfraktionHamburg-Mitte
La Toya, Hamburg
Andrea Laß Bezirksamt Altona,Hamburg
Barbara Lewy, Hamburg
Alexandra Leydecker, BezirksamtHamburg Mitte, Hamburg
Klaus Lübke, Hamburg
Christoph Mallok,Bezirksversammlung Bergedorf,Hamburg
Maggi Markert, Honigfabrik,Hamburg
Nadja Martinez Griese, Frauen-kulturhaus Harburg e.V.,
Thomas Mehlbeer, GAL-Fraktion,Hamburg
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12. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: QUALITÄTEN ENTDECKEN UND EVALUIEREN
Rachid Messaoudi, Hamburg
Maria-Inti Metzendorf, Mannheim
Ingrid Munsch, Hamburg
Yvonne Nische, BezirksamtHamburg-Nord, Hamburg
Mike Nitsch, Kulturhaus Süderelbee.V., Hamburg
Doreen Nobis, BezirksamtHamburg-Nord
Katharina Oberlik, Hamburg
Kathrin Offen-Klöckner, Stadtteil-archiv Ottensen, Hamburg
Christiane Orhan, Kulturladen St.Georg, Hamburg
Reinhard Otto, GeschichtswerkstattBarmbek e.V., Hamburg
Petra Palfi, Bezirksamt Bergedorf,Hamburg
Andrea Pfeiffer, Hamburg
Beate Piesztal, Neu Wulmstorf
Hakim Raffat, Stadtteilarchiv Ep-pendorf, Hamburg
Holger Reinberg, Bezirksamt Har-burg, Hamburg
Matthias Rick, raumlaborberlin,Berlin
Ulrike Ritter, Kulturhof Dulsberg,Hamburg
Sybille Röper, IG Lentersweg e.V.,Hamburg
Michael Sandmann, StadtteilarchivOttensen, Hamburg
Waldemar Sartisohn, BezirksamtHamburg-Nord
Jochen Schindlbeck, Kultur PalastHamburg
Gabriela Schmitt, interkultur.pro,Düsseldorf
Stefanie Schreck, KulturA, Ham-burg
Susette Schreiter, LOLA, Hamburg
Nico Schröder, BezirksamtHamburg-Nord
Ortwin Schuchardt, Hamburg
Wolfgang Schüler, IG Steindammin St. Georg Mitte, Hamburg
Nicola Schulz-Bödeker, Stadtteil-kulturzentrum Eidelstedter Bür-gerhaus, Hamburg
Hella Schwemer-Martienßen, Ham-burger Öffentliche Bücherhallen
Ortrud Schwirz, LOLA, Hamburg
Udo Sobottka, Hamburg
Martin Spruijt, St. Pauli-Archiv e.V.,Hamburg
Bernhard Stietz-Leipnitz, Die LinkeFraktionsbüro, Hamburg
Laura Stöckel, Goldbekhaus,Hamburg
Helga Stödter-Erbe, BezirksamtAltona, Hamburg
Nataliya Tomchuk, Hamburg
Anja Turner, KulturbehördeHamburg
Hans-Jürgen von Borstel, Hamburg
Friederike von Gehren, HamburgerVolkshochschule
Gabriele von Malottki, Stadtteil-archiv Ottensen, Hamburg
Dokumentation des 12. Hamburger Ratschlag Stadtteilkultur
Hrsg: Landesrat für Stadtteilkultur
Kulturbehörde HamburgReferatsleitung KulturprojekteWerner FrömmingHohe Bleichen 22, 20354 HamburgTelefon: 040 / 428 24-221 Telefax: 040 / 428 24-256E-Mail: [email protected]
Redaktion Yvonne FietzDie abgedruckten Beiträge sind autorisierte undüberarbeitete Fassungen der Tagungsvorträge, derenInhalt in der Verantwortung der Autoren liegt.
Layout, Satz Yvonne FietzTitelfoto Follown, der Tag der Erzählung,
eigenarten festival 2011
Die Dokumentation vom Ratschlag Stadtteilkultur istals Download erhältlich unter:http://www.stadtkultur-hh.de/
STADTKULTUR HAMBURGStresemannstr. 29, 22769 HamburgTelefon: 040 / 879 76 46-0E-Mail: [email protected]
Die Dokumentation des Ratschlag Stadtteilkulturwurde mit freundlicher Unterstützung der Kulturbe-hörde der Freien und Hansestadt Hamburg erstellt.